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Document 62011CJ0476

Urteil des Gerichtshofs (Zweite Kammer) vom 26. September 2013.
HK Danmark gegen Experian A/S.
Vorabentscheidungsersuchen des Vestre Landsret.
Verbot der Diskriminierung wegen des Alters – Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Art. 21 Abs. 1 – Richtlinie 2000/78/EG – Art. 6 Abs. 1 und 2 – Betriebliche Altersvorsorge – Staffelung der Beitragshöhe nach dem Alter.
Rechtssache C‑476/11.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2013:590

URTEIL DES GERICHTSHOFS (Zweite Kammer)

26. September 2013 ( *1 )

„Verbot der Diskriminierung wegen des Alters — Charta der Grundrechte der Europäischen Union — Art. 21 Abs. 1 — Richtlinie 2000/78/EG — Art. 6 Abs. 1 und 2 — Betriebliche Altersvorsorge — Staffelung der Beitragshöhe nach dem Alter“

In der Rechtssache C‑476/11

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV, eingereicht vom Vestre Landsret (Dänemark) mit Entscheidung vom 14. September 2011, beim Gerichtshof eingegangen am 19. September 2011, in dem Verfahren

HK Danmark, handelnd für Glennie Kristensen,

gegen

Experian A/S,

Beteiligter:

Beskæftigelsesministeriet,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung der Kammerpräsidentin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter G. Arestis, J.‑C. Bonichot, A. Arabadjiev (Berichterstatter) und J. L. da Cruz Vilaça,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: A. Impellizzeri, Verwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 15. November 2012,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

des HK Danmark, handelnd für Frau Kristensen, vertreten durch T. Sejr Gad, advokat,

der Experian A/S, vertreten durch T. Brøgger Sørensen, advokat,

des Beskæftigelsesministeriet, vertreten durch P. Biering, advokat,

der dänischen Regierung, vertreten durch C. Vang als Bevollmächtigten im Beistand von P. Biering, advokat,

der belgischen Regierung, vertreten durch M. Jacobs und L. Van den Broeck als Bevollmächtigte,

der deutschen Regierung, vertreten durch T. Henze und J. Möller als Bevollmächtigte,

der spanischen Regierung, vertreten durch S. Centeno Huerta und S. Martínez-Lage Sobredo als Bevollmächtigte,

der niederländischen Regierung, vertreten durch C. Wissels und C. Schillemans als Bevollmächtigte,

der Europäischen Kommission, vertreten durch J. Enegren und C. Barslev als Bevollmächtigte,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 7. Februar 2013

folgendes

Urteil

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. L 303, S. 16).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen dem HK Danmark (im Folgenden: HK), handelnd für Frau Kristensen, und der Experian A/S (im Folgenden: Experian) über die Zulässigkeit des von dieser angewandten Systems der betrieblichen Altersvorsorge.

Rechtlicher Rahmen

Unionsrecht

3

Die Erwägungsgründe 1, 4, 13 und 25 der Richtlinie 2000/78 lauten:

„(1)

Nach Artikel 6 Absatz 2 des Vertrags über die Europäische Union beruht die Europäische Union auf den Grundsätzen der Freiheit, der Demokratie, der Achtung der Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit; diese Grundsätze sind allen Mitgliedstaaten gemeinsam. Die Union achtet die Grundrechte, wie sie in der am 4. November 1950 in Rom unterzeichneten Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten gewährleistet sind und wie sie sich aus den gemeinsamen Verfassungsüberlieferungen der Mitgliedstaaten als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts ergeben.

...

(4)

Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung ist ein allgemeines Menschenrecht; dieses Recht wurde in der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte, im VN-Übereinkommen zur Beseitigung aller Formen der Diskriminierung von Frauen, im Internationalen Pakt der VN über bürgerliche und politische Rechte, im Internationalen Pakt der VN über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte sowie in der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten anerkannt, die von allen Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden. Das Übereinkommen 111 der Internationalen Arbeitsorganisation untersagt Diskriminierungen in Beschäftigung und Beruf.

...

(13)

Diese Richtlinie findet weder Anwendung auf die Sozialversicherungs- und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung des Artikels [157 AEUV] gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben.

...

(25)

Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters stellt ein wesentliches Element zur Erreichung der Ziele der beschäftigungspolitischen Leitlinien und zur Förderung der Vielfalt im Bereich der Beschäftigung dar. Ungleichbehandlungen wegen des Alters können unter bestimmten Umständen jedoch gerechtfertigt sein und erfordern daher besondere Bestimmungen, die je nach der Situation der Mitgliedstaaten unterschiedlich sein können. Es ist daher unbedingt zu unterscheiden zwischen einer Ungleichbehandlung, die insbesondere durch rechtmäßige Ziele im Bereich der Beschäftigungspolitik, des Arbeitsmarktes und der beruflichen Bildung gerechtfertigt ist, und einer Diskriminierung, die zu verbieten ist.“

4

Die Richtlinie 2000/78 bezweckt gemäß ihrem Art. 1 „die Schaffung eines allgemeinen Rahmens zur Bekämpfung der Diskriminierung wegen der Religion oder der Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Ausrichtung in Beschäftigung und Beruf im Hinblick auf die Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung in den Mitgliedstaaten“.

5

In Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a dieser Richtlinie heißt es:

„(1)   Im Sinne dieser Richtlinie bedeutet ‚Gleichbehandlungsgrundsatz‘, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe geben darf.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1

a)

liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen eines der in Artikel 1 genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde“.

6

In Art. 3 („Geltungsbereich“) Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 heißt es:

„(1)   Im Rahmen der auf die Gemeinschaft übertragenen Zuständigkeiten gilt diese Richtlinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen, in Bezug auf

...

c)

die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts;

...“

7

Art. 6 („Gerechtfertigte Ungleichbehandlung wegen des Alters“) der Richtlinie 2000/78 lautet:

„(1)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt sind und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

Derartige Ungleichbehandlungen können insbesondere Folgendes einschließen:

a)

die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung sowie besonderer Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Bedingungen für Entlassung und Entlohnung, um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz sicherzustellen;

(2)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 2 können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt.“

8

Das Königreich Dänemark hat von der in Art. 18 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht, die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie im Hinblick auf die Kriterien des Alters und der Behinderung zu verlängern. Folglich lief diese Frist am 2. Dezember 2006 ab.

Dänisches Recht

9

Die Richtlinie 2000/78 wurde in Dänemark durch das Gesetz Nr. 1417 zur Änderung des Gesetzes über das Verbot der Diskriminierung auf dem Arbeitsmarkt (Lov Nr. 1417 om ændring af lov om forbud mod forskelsbehandling på arbejdsmarkedet m. v.) vom 22. Dezember 2004 (im Folgenden: Antidiskriminierungsgesetz) umgesetzt.

10

§ 6a dieses Gesetzes dient der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 und lautet:

„Ungeachtet der §§ 2 bis 5 steht dieses Gesetz der Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit oder der Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen nicht entgegen. Die Anwendung von Alterskriterien darf nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führen.“

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

11

Frau Kristensen wurde im Alter von 29 Jahren zum 19. November 2007 als Mitarbeiterin im Kundenservice von Experian eingestellt. Ihr Arbeitsvertrag sah unter Nr. 5.1 zur Altersversorgung Folgendes vor:

„5.1

[Frau Kristensen fällt] ab 19. August 2008 unter das von Scandia geführte obligatorische Rentensystem von [Experian]. [Experian] zahlt zwei Drittel der Beiträge, und [Frau Kristensen zahlt] ein Drittel der Prämie.

[Frau Kristensen schließt] hinsichtlich des Rentensystems von [Experian] (über Willis) einen separaten Vertrag mit Scandia, die das Rentensystem verwaltet. Die Altersversicherung und die Krankenversicherung werden zusammen mit dem Arbeitsvertrag ausgestellt.

Anwendbare Sätze:

unter 35 Jahre: Arbeitnehmeranteil 3 % und Anteil von [Experian] 6 %

35 bis 44 Jahre: Arbeitnehmeranteil 4 % und Anteil von [Experian] 8 %

über 45 Jahre: Arbeitnehmeranteil 5 % und Anteil von [Experian] 10 %.“

12

Aus der dem Gerichtshof vorliegenden Akte ergibt sich, dass die in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils genannte betriebliche Altersvorsorge weder gesetzlich noch tarifvertraglich vorgeschrieben ist, sondern sich ausschließlich aus dem Arbeitsvertrag zwischen Experian und ihren Mitarbeitern ergibt.

13

Das Gehalt von Frau Kristensen setzte sich somit aus dem vereinbarten Grundgehalt in Höhe von 21500 dänischen Kronen (DKK) pro Monat zuzüglich des vom Arbeitgeber gezahlten Rentenversicherungsbeitrags in Höhe von 6 % zusammen, so dass sich das Gehalt einschließlich des Arbeitgeberbeitrags auf 22790 DKK pro Monat belief. Wäre Frau Kristensen zwischen 35 und 44 Jahren alt gewesen, hätte sie ‐ einschließlich des Arbeitgeberbeitrags ‐ 23220 DKK pro Monat erhalten, und wäre sie über 45 Jahre alt gewesen, hätte sie einschließlich des Arbeitgeberbeitrags 23650 DKK erhalten.

14

Frau Kristensen kündigte ihre Stelle zum 31. Oktober 2008. HK, handelnd für Frau Kristensen, verlangte von Experian nach dem Gleichbehandlungsgesetz die Zahlung einer Abfindung in Höhe von neun Monatsgehältern und die Nachzahlung der Rentenversicherungsbeiträge für Arbeitnehmer im Alter von über 45 Jahren, und zwar mit der Begründung, dass das von Experian eingeführte Altersversorgungssystem gegen das Verbot der Altersdiskriminierung verstoße. Experian wies diese Forderungen mit der Begründung zurück, Altersversorgungssysteme fielen generell nicht unter das im Antidiskriminierungsgesetz vorgesehene Verbot von Ungleichbehandlungen insbesondere aus Gründen des Alters.

15

Unter diesen Umständen hat das Vestre Landsret beschlossen, das Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1.

Ist die Ausnahme nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 betreffend die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit oder für den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität dahin auszulegen, dass die Mitgliedstaaten betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit generell vom Verbot der direkten oder indirekten Diskriminierung wegen des Alters nach Art. 2 der Richtlinie ausnehmen dürfen, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt?

2.

Ist die Ausnahme nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 betreffend die Festsetzung von Altersgrenzen für den Zugang zu betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit oder für den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität dahin auszulegen, dass es einem Mitgliedstaat nicht verwehrt ist, eine Rechtslage aufrechtzuerhalten, nach der ein Arbeitgeber als Teil des Entgelts altersabgestufte Rentenversicherungsbeiträge zahlen kann, indem er z. B. einen Rentenversicherungsbeitrag von 6 % für Mitarbeiter unter 35 Jahren zahlt, von 8 % für Mitarbeiter von 35 bis 44 Jahren und von 10 % für Mitarbeiter über 45 Jahre, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt?

Zu den Vorlagefragen

Zur zweiten Frage

Vorbemerkungen

16

Mit seiner zweiten Frage, die zuerst zu prüfen ist, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob eine betriebliche Altersvorsorge, die vorsieht, dass der Arbeitgeber als Teil des Entgelts altersabgestufte Rentenversicherungsbeiträge zahlt, unter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 fällt.

17

Zunächst ist festzustellen, dass im Ausgangsverfahren zwei Einzelne über eine Diskriminierung wegen des Alters streiten, die sich nicht aus einer gesetzlichen Vorschrift oder einem Tarifvertrag, sondern ausschließlich aus dem Arbeitsvertrag zwischen Frau Kristensen und Experian ergeben soll. Im Rahmen dieses Rechtsstreits beruft sich HK, für Frau Kristensen handelnd, auf die Richtlinie 2000/78.

18

Der Gerichtshof hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass eine Richtlinie, da sie ausdrücklich an die Mitgliedstaaten gerichtet ist, nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen kann, so dass ihm gegenüber eine Berufung auf die Richtlinie als solche nicht möglich ist (vgl. u. a. Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, Slg. 1986, 723, Randnr. 48, vom 14. Juli 1994, Faccini Dori, C-91/92, Slg. 1994, I-3325, Randnr. 20, und vom 19. Januar 2010, Kücükdeveci, C-555/07, Slg. 2010, I-365, Randnr. 46).

19

Außerdem hat der Gerichtshof anerkannt, dass ein Verbot der Diskriminierung wegen des Alters besteht, das als ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts anzusehen und durch die Richtlinie 2000/78 im Bereich von Beschäftigung und Beruf konkretisiert worden ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kücükdeveci, Randnr. 21). Das Verbot jeder Diskriminierung u. a. wegen des Alters ist in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) enthalten, die seit dem 1. Dezember 2009 den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge hat.

20

Das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters gilt bei einem Sachverhalt wie dem des Ausgangsverfahrens aber nur dann, wenn dieser in den Geltungsbereich des Unionsrechts fällt (vgl. Urteil Kücükdeveci, Randnr. 23).

21

Das ist hier der Fall. Zum einen nämlich dient § 6a des Antidiskriminierungsgesetzes der Umsetzung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78. Auf dieser Grundlage und auf jeden Fall nach Ablauf der Frist, die dem betreffenden Mitgliedstaat zur Umsetzung der Richtlinie 2000/78 gesetzt worden war und die für das Königreich Dänemark am 2. Dezember 2006 ablief, kam es zu dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden angeblich diskriminierenden Verhalten.

22

Zum anderen fällt die betriebliche Altersvorsorge, um die es im Ausgangsverfahren geht und die diskriminierend sein soll, in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78.

23

Sowohl aus dem Titel und den Erwägungsgründen als auch aus dem Inhalt und der Zielsetzung dieser Richtlinie ergibt sich nämlich, dass diese einen allgemeinen Rahmen schaffen soll, der gewährleistet, dass jeder „in Beschäftigung und Beruf“ gleichbehandelt wird, indem sie dem Betroffenen einen wirksamen Schutz vor Diskriminierungen aus einem der in ihrem Art. 1 genannten Gründe – darunter auch das Alter – bietet.

24

Im Einzelnen ergibt sich aus Art. 3 Abs. 1 Buchst. c der Richtlinie 2000/78, dass diese im Rahmen der auf die Union übertragenen Zuständigkeiten „für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen“, u. a. in Bezug auf „die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen, einschließlich der Entlassungsbedingungen und des Arbeitsentgelts“ gilt.

25

Der Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78 erstreckt sich im Licht ihres Art. 3 Abs. 1 Buchst. c und Abs. 3 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund weder auf die Sozialversicherungs‑ und Sozialschutzsysteme, deren Leistungen nicht einem Arbeitsentgelt in dem Sinne gleichgestellt werden, der diesem Begriff für die Anwendung von Art. 157 Abs. 2 AEUV gegeben wurde, noch auf Vergütungen jeder Art seitens des Staates, die den Zugang zu einer Beschäftigung oder die Aufrechterhaltung eines Beschäftigungsverhältnisses zum Ziel haben (Urteile vom 1. April 2008, Maruko, C-267/06, Slg. 2008, I-1757, Randnr. 41, und vom 10. Mai 2011, Römer, C-147/08, Slg. 2011, I-3591, Randnr. 32).

26

Der Begriff des Entgelts im Sinne von Art. 157 Abs. 2 AEUV umfasst alle gegenwärtigen oder künftigen in bar oder in Sachleistungen gewährten Vergütungen, vorausgesetzt, dass sie der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer wenigstens mittelbar aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses gewährt (vgl. u. a. Urteil vom 17. Mai 1990, Barber, C-262/88, Slg. 1990, I-1889, Randnr. 12).

27

Im Ausgangsverfahren geht es um die Arbeitgeberbeiträge, die Experian für ihre Mitarbeiter während der Dauer ihrer Beschäftigung in diesem Unternehmen zahlt, und nicht um Altersrente, die nach dem Eintritt von Mitarbeitern in den Ruhestand geschuldet wird.

28

Außerdem ergibt sich die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung der genannten Beiträge ausschließlich aus dem zwischen ihm und seinen Arbeitnehmern geschlossenen Arbeitsvertrag, nicht jedoch aus dem Gesetz. Die Finanzierung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden betrieblichen Altersvorsorge wird zu zwei Dritteln vom Arbeitgeber und zu einem Drittel vom Arbeitnehmer gewährleistet, ohne dass öffentliche Stellen daran beteiligt wären. Somit gehört die fragliche Regelung zu den Vergünstigungen, die der Arbeitgeber seinen Beschäftigten bietet.

29

Zwar werden diese Beiträge nicht direkt an den Arbeitnehmer selbst, sondern auf sein persönliches Rentenversicherungskonto gezahlt. Jedoch verfügt, wie Experian auf eine Frage des Gerichtshofs ausgeführt hat, jeder Beschäftigte selbst über sein Rentenkonto und entscheidet zusammen mit einem Rentenberater darüber, wie der angesparte Betrag anzulegen ist, um später Rente zu beziehen.

30

Daraus folgt, dass die Arbeitgeberbeiträge, die im Rahmen des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Vorsorgesystems gezahlt werden, eine gegenwärtige Vergütung, die der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer aufgrund des Beschäftigungsverhältnisses in bar gewährt, und damit ein Entgelt im Sinne von Art. 157 Abs. 2 AEUV darstellen. Sie fallen daher in den Geltungsbereich der Richtlinie 2000/78.

31

Nach alledem ist auf der Grundlage des in Art. 21 der Charta verankerten und durch die Richtlinie 2000/78 konkretisierten Verbots der Diskriminierung wegen des Alters zu prüfen, ob das Unionsrecht einer betrieblichen Altersvorsorge wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegensteht.

32

Die zweite Frage ist daher so aufzufassen, dass mit ihr Aufschluss darüber begehrt wird, ob das in Art. 21 der Charta verankerte und durch die Richtlinie 2000/78, insbesondere deren Art. 2 und 6 Abs. 2, konkretisierte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters einer betrieblichen Altersvorsorge entgegensteht, bei der ein Arbeitgeber als Teil des Entgelts altersabgestufte Rentenversicherungsbeiträge zahlt.

33

Zur Beantwortung dieser Frage ist zunächst zu prüfen, ob die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betriebliche Altersvorsorge eine Ungleichbehandlung wegen des Alters enthält.

Zum Bestehen einer Ungleichbehandlung wegen des Alters

34

Nach Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78 bedeutet „Gleichbehandlungsgrundsatz“, dass es keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung wegen eines der in Art. 1 dieser Richtlinie genannten Gründe geben darf, zu denen das Alter gehört. Nach Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie liegt eine unmittelbare Diskriminierung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 vor, wenn eine Person wegen eines der in Art. 1 der Richtlinie genannten Gründe in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.

35

Im vorliegenden Fall belief sich, da Frau Kristensen zum Zeitpunkt ihrer Einstellung jünger als 35 Jahre war, der Arbeitgeberbeitrag, den Experian für sie in das Altersversorgungssystem zahlte, auf 6 % ihres Grundgehalts. Ihre monatlichen Gesamtbezüge, bestehend aus dem Grundgehalt zuzüglich der Arbeitgeberbeiträge, waren somit niedriger als die monatlichen Gesamtbezüge eines Arbeitnehmers, der dasselbe Grundgehalt bezog, jedoch über 35 Jahre alt war. Bei Arbeitnehmern von Experian, die zwischen 35 und 45 Jahre alt sind, belaufen sich die Arbeitgeberbeiträge nämlich auf 8 % und bei Arbeitnehmern, die älter als 45 Jahre alt sind, auf 10 % des Grundgehalts. Dass die monatlichen Gesamtbezüge der jüngeren Arbeitnehmer niedriger sind und diese somit insoweit schlechter behandelt werden, hängt daher unmittelbar mit dem Alter zusammen.

36

Demnach begründet die im Ausgangsverfahren in Rede stehende betriebliche Altersvorsorge eine Ungleichbehandlung wegen des Alters.

37

Zweitens ist zu prüfen, ob diese Ungleichbehandlung eine Diskriminierung darstellen kann, die durch das in Art. 21 der Charta verankerte und in der Richtlinie 2000/78 konkretisierte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters untersagt ist.

38

In diesem Zusammenhang bestimmt Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78, auf den das vorlegende Gericht in seiner zweiten Frage Bezug nimmt, dass die Mitgliedstaaten unter bestimmten Umständen vorsehen können, dass eine Ungleichbehandlung keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt.

39

Daher ist zu prüfen, ob die in Randnr. 36 des vorliegenden Urteils festgestellte Ungleichbehandlung nach Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 gerechtfertigt sein kann.

Zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78

40

Nach der französischen Fassung dieser Vorschrift können die Mitgliedstaaten ungeachtet des Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 vorsehen, dass „ne constitue pas une discrimination fondée sur l’âge la fixation, pour les régimes professionnels de sécurité sociale, d’âges d’adhésion ou d’admissibilité aux prestations de retraite ou d’invalidité, y compris la fixation, pour ces régimes, d’âges différents pour des travailleurs ou des groupes ou catégories de travailleurs et l’utilisation, dans le cadre de ces régimes, de critères d’âge dans les calculs actuariels, à condition que cela ne se traduise pas par des discriminations fondées sur le sexe“ [„bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität einschließlich der Festsetzung unterschiedlicher Altersgrenzen im Rahmen dieser Systeme für bestimmte Beschäftigte oder Gruppen bzw. Kategorien von Beschäftigten und die Verwendung im Rahmen dieser Systeme von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen keine Diskriminierung wegen des Alters darstellt, solange dies nicht zu Diskriminierungen wegen des Geschlechts führt“].

41

Die dänische Fassung von Art. 6 Abs. 2 dieser Richtlinie weicht von dem in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Text insoweit ab, als dort u. a. die „Altersrente oder … Leistungen bei Invalidität“ nicht erwähnt sind.

42

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Vorschriften des Unionsrechts nach ständiger Rechtsprechung im Licht aller Sprachfassungen der Union einheitlich ausgelegt und angewandt werden müssen. Weichen die verschiedenen Sprachfassungen einer unionsrechtlichen Vorschrift voneinander ab, so muss diese anhand der allgemeinen Systematik und des Zwecks der Regelung ausgelegt werden, zu der sie gehört (vgl. u. a. Urteil vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C-280/04, Slg. 2005, I-10683, Randnr. 31 und die dort angeführte Rechtsprechung).

43

Zur Formulierung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 in den anderen Sprachen der Union ist festzustellen, dass diese Fassungen ‐ wie in der in Randnr. 40 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen französischen Fassung ‐ bei den betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit ausdrücklich die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität vorsehen. So heißt es z. B. in der spanischen Fassung dieser Vorschrift „la determinación, para los regímenes profesionales de seguridad social, de edades para poder beneficiarse de prestaciones de jubilación o invalidez u optar a las mismas“, in der deutschen Fassung „die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität“ und in der englischen Fassung „the fixing for occupational social security schemes of ages for admission or entitlement to retirement or invalidity benefits“, während die polnische Fassung der Vorschrift die Wendung „ustalanie, dla systemów zabezpieczenia społecznego pracowników, wieku przyznania lub nabycia praw do świadczeń emerytalnych lub inwalidzkich“ enthält.

44

Der Wortlaut von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 legt in den in der vorstehenden Randnummer des vorliegenden Urteils angeführten Fassungen außerdem nahe, dass diese Vorschrift nur in den dort abschließend festgelegten Fällen Anwendung finden soll. Hätte der Unionsgesetzgeber nämlich den Geltungsbereich dieser Vorschrift über die dort ausdrücklich genannten Fälle hinaus ausdehnen wollen, hätte er dies ausdrücklich, z. B. unter Verwendung des Adverbs „insbesondere“, getan.

45

Für diese Schlussfolgerung sprechen auch die allgemeine Systematik und der Zweck der Richtlinie 2000/78. Diese konkretisiert nämlich im Bereich der Beschäftigung und des Berufs den Grundsatz des Verbots der Diskriminierung wegen des Alters, der ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist (vgl. in diesem Sinne Urteil Kücükdeveci, Randnr. 21). Das Verbot jeder Diskriminierung u. a. wegen des Alters ist im Übrigen in Art. 21 der Charta enthalten, die seit dem 1. Dezember 2009 den gleichen rechtlichen Rang wie die Verträge hat.

46

Da Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 den Mitgliedstaaten gestattet, eine Ausnahme vom Verbot der Diskriminierung aus Gründen des Alters vorzusehen, ist diese Vorschrift eng auszulegen (vgl. Urteil vom 26. September 2013, Dansk Jurist- og Økonomforbund, C‑546/11, Randnr. 41).

47

Eine Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 dahin, dass diese Vorschrift für alle Arten von betrieblichen Systemen der sozialen Sicherheit gilt, würde unter Verstoß gegen das Erfordernis, diese Vorschrift eng auszulegen, eine Ausdehnung ihres Geltungsbereichs bewirken (Urteil Dansk Jurist- og Økonomforbund, Randnr. 42).

48

Demzufolge gilt Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 nur für betriebliche Systeme der sozialen Sicherheit, die die Risiken von Alter und Invalidität abdecken (Urteil Dansk Jurist- og Økonomforbund, Randnr. 43).

49

Im vorliegenden Fall muss die Staffelung der Rentenversicherungsbeiträge nach dem Alter, selbst wenn sie im Rahmen eines betrieblichen Systems der sozialen Sicherheit erfolgt, das das Risiko des Alters abdeckt, außerdem von den in Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 genannten Fällen ‐ die „Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente oder von Leistungen bei Invalidität“ einschließlich der „Verwendung … von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen“ ‐ erfasst werden.

50

Dazu ist festzustellen, dass das im Ausgangsfall fragliche System der betrieblichen Altersvorsorge keine Altersgrenze als Voraussetzung für die Mitgliedschaft festsetzt, weil die Beschäftigten von Experian nach neunmonatiger Betriebszugehörigkeit automatisch Mitglied werden. Demnach beinhaltet die Staffelung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Rentenversicherungsbeiträge als solche keine „Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78.

51

Die dänische, die belgische und die deutsche Regierung sowie die Europäische Kommission machen jedoch geltend, dass diese Vorschrift dahin auszulegen sei, dass sie nicht nur für die Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente, sondern auch und erst recht für weniger schwere Formen der Diskriminierung wegen des Alters wie die im Ausgangsverfahren fragliche gelte.

52

Diesem Vorbringen kann nicht gefolgt werden. Zum einen nämlich sind die im Ausgangsfall in Rede stehenden Rentenversicherungsbeiträge, wie in Randnr. 30 des vorliegenden Urteils festgestellt, Teil der Bezüge der Beschäftigten von Experian. Die Staffelung dieser Beiträge nach dem Alter ist daher geeignet, Wirkungen zu entfalten, die über die bloße Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente hinausgehen. Zum anderen ist Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78, wie in Randnr. 46 des vorliegenden Urteils festgestellt, eng auszulegen. Deshalb fallen nicht sämtliche Umstände, die ein betriebliches System der sozialen Sicherheit zur Absicherung der Risiken von Alter und Invalidität kennzeichnen, wie z. B. die Festlegung der Höhe der Beiträge zu diesem System, in den Geltungsbereich dieser Vorschrift, sondern nur diejenigen, die dort ausdrücklich erwähnt sind.

53

Aus demselben Grund ist eine derartige Festlegung auch nicht einer „Verwendung … von Alterskriterien für versicherungsmathematische Berechnungen“ im Sinne von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 gleichzusetzen, denn sie findet jedenfalls nicht in der Festsetzung von Altersgrenzen als Voraussetzung für die Mitgliedschaft oder den Bezug von Altersrente Ausdruck.

54

Demzufolge fällt die Staffelung der Rentenversicherungsbeiträge nach dem Alter nicht unter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78.

Zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung wegen des Alters gemäß Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie 2000/78

55

Da die Staffelung der Arbeitgeberbeiträge nach dem Alter eine Ungleichbehandlung wegen des Alters darstellt, die, wie in Randnr. 54 des vorliegenden Urteils festgestellt, nicht unter Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 fällt, ist zu prüfen, ob diese Maßnahme nach Art. 6 Abs. 1 dieser Richtlinie gerechtfertigt sein kann.

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Selbst wenn nämlich das vorlegende Gericht seine Fragen auf die Auslegung von Art. 6 Abs. 2 der Richtlinie 2000/78 beschränkt hat, hindert dies den Gerichtshof nicht daran, dem nationalen Gericht alle Hinweise zur Auslegung des Unionsrechts zu geben, die ihm bei der Entscheidung des bei ihm anhängigen Verfahrens von Nutzen sein können, und zwar unabhängig davon, ob es bei seiner Fragestellung darauf Bezug genommen hat oder nicht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juli 2011, Stewart, C-503/09, Slg. 2011, I-6497, Randnr. 79 und die dort angeführte Rechtsprechung).

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Gemäß Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 1 der Richtlinie 2000/78 stellt eine Ungleichbehandlung wegen des Alters keine Diskriminierung dar, sofern sie objektiv und angemessen ist und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel, worunter insbesondere rechtmäßige Ziele aus den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt und berufliche Bildung zu verstehen sind, gerechtfertigt ist und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind.

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Was erstens die Frage angeht, ob das im Ausgangsverfahren in Rede stehende betriebliche Vorsorgesystem ein legitimes Ziel verfolgt, machen Experian und die dänische Regierung geltend, dass dieses in erster Linie älteren Arbeitnehmern, die erst zu einem späten Zeitpunkt ihrer beruflichen Laufbahn eine Tätigkeit bei Experian aufnähmen, ermöglichen solle, innerhalb einer verhältnismäßig kurzen Zeit der Mitgliedschaft eine angemessene Altersvorsorge zu bilden. Darüber hinaus solle es junge Arbeitnehmer frühzeitig in diese betriebliche Altersversorgung integrieren und ihnen zugleich einen größeren Teil ihres Gehalts belassen, denn für sie gelte ein geringerer Arbeitnehmeranteil. Diese Regelung biete somit allen Beschäftigten von Experian die Möglichkeit, eine angemessene Altersvorsorge zu bilden, über die sie bei ihrem Eintritt in den Ruhestand verfügen könnten.

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Nach Ansicht von Experian ist die Staffelung der Rentenversicherungsbeiträge bei diesem System zweitens dadurch gerechtfertigt, dass die Risiken von Tod, Berufsunfähigkeit und schwerer Krankheit abgesichert werden müssten, deren Kosten mit dem Alter zunähmen. Ein Teil dieser Beiträge diene zur Deckung dieser Risiken.

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In diesem Zusammenhang ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten und gegebenenfalls die Sozialpartner auf nationaler Ebene beim gegenwärtigen Stand des Unionsrechts nicht nur bei der Entscheidung, welches konkrete Ziel von mehreren im Bereich der Arbeits‑ und Sozialpolitik sie verfolgen wollen, sondern auch bei der Festlegung der Maßnahmen zu seiner Erreichung über einen weiten Gestaltungsspielraum verfügen (Urteil vom 16. Oktober 2007, Palacios de la Villa, C-411/05, Slg. 2007, I-8531, Randnr. 68).

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Diese Erwägungen gelten auch für die Ziele, die mit einer in einem Arbeitsvertrag vorgesehenen betrieblichen Altersvorsorge wie der im Ausgangsverfahren fraglichen angestrebt werden.

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Es ist festzustellen, dass Ziele wie die in den Randnrn. 58 und 59 des vorliegenden Urteils angeführten, die im Rahmen sozial-, beschäftigungs- und arbeitsmarktpolitischer Belange den Interessen aller Beschäftigten von Experian Rechnung tragen, um diesen bei ihrem Eintritt in den Ruhestand eine Altersversorgung in angemessener Höhe zu gewährleisten, als legitime Ziele angesehen werden können.

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Zweitens ist zu prüfen, ob die Staffelung der Beiträge nach dem Alter den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit berücksichtigt, d. h., ob sie zur Verfolgung der genannten Ziele angemessen und erforderlich ist.

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Was zunächst die Angemessenheit einer derartigen Staffelung nach dem Alter angeht, zeigt sich, dass diese Staffelung dadurch, dass bei älteren Arbeitnehmern ein für Arbeitgeber und Arbeitnehmer höherer Rentenversicherungsbeitragssatz gilt, die Möglichkeit bietet, dass diese Arbeitnehmer auch dann ein angemessenes Rentenguthaben ansparen können, wenn sie dem fraglichen System erst seit relativ kurzer Zeit angeschlossen waren. Diese Staffelung ermöglicht es auch jungen Arbeitnehmern, sich diesem System anzuschließen, da es jedem Beschäftigten von Experian, unabhängig von seinem Alter, offensteht, und erlegt ihnen eine geringere finanzielle Belastung auf, denn die von jungen Arbeitnehmern einbehaltenen Arbeitnehmerbeiträge sind tatsächlich niedriger als die der älteren Arbeitnehmer.

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Dass bei älteren Arbeitnehmern sowohl für den Arbeitgeber als auch für die Arbeitnehmer ein höherer Rentenversicherungsbeitragssatz gilt, ist außerdem grundsätzlich geeignet, zu gewährleisten, dass ein größerer Teil dieser Beiträge für die Absicherung der ‐ bei älteren Arbeitnehmern statistisch gesehen größeren ‐ Risiken von Tod, Berufsunfähigkeit und schwerer Krankheit bereitgestellt wird.

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Unter diesen Umständen ist es nicht unvernünftig, davon auszugehen, dass die Staffelung der Beiträge nach dem Alter es ihrem Wesen nach ermöglicht, die in den Randnrn. 58 und 59 des vorliegenden Urteils angeführten Ziele zu erreichen.

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Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Maßnahme jedoch nur dann geeignet, die Verwirklichung des geltend gemachten Ziels zu gewährleisten, wenn sie tatsächlich dem Anliegen gerecht wird, es in kohärenter und systematischer Weise zu erreichen (Urteil vom 21. Juli 2011, Fuchs und Köhler, C-159/10 und C-160/10, Slg. 2011, I-6919, Randnr. 85).

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Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Staffelung der Beiträge nach dem Alter diesem Erfordernis entspricht, und dabei darauf zu achten, dass sie nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung der angestrebten Ziele erforderlich ist. In letztgenannter Hinsicht muss es insbesondere prüfen, ob die aus der festgestellten Ungleichbehandlung resultierenden Beeinträchtigungen durch die Vorteile ausgeglichen werden, die mit dem im Ausgangsverfahren in Rede stehenden System der betrieblichen Altersvorsorge verbunden sind. Das nationale Gericht muss insbesondere zum einen berücksichtigen, dass Frau Kristensen insofern Vorteile aus diesem System gezogen hat, als ihr Beiträge zugutegekommen sind, die ihr Arbeitgeber für sie geleistet hat, und zum anderen, dass der niedrigere Betrag der Arbeitgeberbeiträge dem niedrigeren Betrag der Arbeitnehmerbeiträge entspricht, so dass der Prozentsatz des Grundgehalts, den Frau Kristensen selbst auf ihr Rentensparkonto einzahlen musste, niedriger war als der eines Arbeitnehmers im Alter von über 45 Jahren. Diese Gesichtspunkte muss das nationale Gericht gegeneinander abwägen.

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Nach alledem ist auf die zweite Frage zu antworten, dass das in Art. 21 der Charta verankerte und durch die Richtlinie 2000/78, insbesondere deren Art. 2 und 6 Abs. 1, konkretisierte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters einer betrieblichen Altersvorsorge, bei der ein Arbeitgeber als Teil des Entgelts altersabgestufte Rentenversicherungsbeiträge zahlt, dann nicht entgegensteht, wenn die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wegen des Alters zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich ist, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

Zur ersten Frage

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Angesichts der Antwort auf die zweite Frage ist die erste Frage nicht zu beantworteten.

Kosten

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Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt:

 

Das in Art. 21 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verankerte und durch die Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf, insbesondere deren Art. 2 und 6 Abs. 1, konkretisierte Verbot der Diskriminierung wegen des Alters ist dahin auszulegen, dass es einer betrieblichen Altersvorsorge, bei der ein Arbeitgeber als Teil des Entgelts altersabgestufte Rentenversicherungsbeiträge zahlt, dann nicht entgegensteht, wenn die sich daraus ergebende Ungleichbehandlung wegen des Alters zur Erreichung eines legitimen Ziels angemessen und erforderlich ist, was vom nationalen Gericht zu prüfen ist.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprache: Dänisch.

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