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Document 52014DC0700

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2014-2015

/* COM/2014/0700 final */

52014DC0700

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Erweiterungsstrategie und wichtigste Herausforderungen 2014-2015 /* COM/2014/0700 final */


Ein festes Fundament für Glaubwürdigkeit

I. DIE ERWEITERUNGSAGENDA — ERRUNGENSCHAFTEN UND HERAUSFORDERUNGEN

In den letzten fünf Jahren hat die Kommission die Glaubwürdigkeit der Erweiterungspolitik verbessert und ihre Transformationskraft gestärkt, indem sie sichergestellt hat, dass bereits in einem frühen Stadium des Erweiterungsprozesses eine stärkere Fokussierung auf grundlegende Reformen erfolgt. Die Kommission hat besonderen Nachdruck auf die drei Säulen Rechtsstaatlichkeit, wirtschaftliche Governance und Reform der öffentlichen Verwaltung gelegt.

Mit ihrer Mitteilung von 2012 über die Erweiterungsstrategie[1] führte die Kommission ein neues Konzept für die Rechtsstaatlichkeit ein. In ihrer Mitteilung von 2013[2] hat die Kommission einen Rahmen für die Stärkung der wirtschaftlichen Governance vorgestellt, der sich auf die Erfahrungen im Rahmen des Europäischen Semesters stützt. In diesem Jahr legt die Kommission neue Ideen zur Unterstützung der Reform der öffentlichen Verwaltung in den Beitrittsländern dar. Die drei Säulen sind miteinander verbunden, und Fortschritte in diesen Bereichen sind maßgeblich für die Entscheidung, wann die Länder uneingeschränkt für den Beitritt zur EU bereit sind.

Die Erweiterungspolitik der EU bringt allen Seiten Vorteile in Form von Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa. Sie untermauert die politische und wirtschaftliche Stärke der EU und hat eine beträchtliche Transformationswirkung auf die betroffenen Länder. Ein gut vorbereiteter Beitrittsprozess stellt sicher, dass die Erweiterung nicht zu Lasten der Effizienz der Union geht.

Der zehnte Jahrestag des Beitritts von zehn Mitgliedstaaten im Jahr 2004, der im Mai begangen wurde, hat an die erzielten Fortschritte erinnert. Mit der Erweiterung nehmen auch die Chancen für Unternehmen, Finanzanleger, Verbraucher, Touristen, Studierende und Eigentümer von Grundbesitz in der EU zu. Die Erweiterung der EU ist nicht nur den beitretenden Ländern zugutegekommen, sondern auch den bisherigen Mitgliedstaaten. Handel und Investitionen haben zugenommen. Die Lebensqualität der Bürger hat sich verbessert, da die Umwelt-, Verbraucher- und sonstigen Normen der EU breitere Anwendung finden.

Für die Länder des westlichen Balkans stellt die von den Mitgliedstaaten gebotene klare Perspektive einer EU-Mitgliedschaft einen wichtigen stabilisierenden Faktor dar. Sie unterstützt die Fortschritte bei der Erfüllung der geltenden Bedingungen einschließlich der Bedingungen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses. Gutnachbarschaftliche Beziehungen und eine integrative regionale Zusammenarbeit sind unverzichtbar. Hier wurden im letzten Jahr Fortschritte erzielt, doch einige Fragen bleiben noch offen. Kontinuierliche Bemühungen um die Beilegung bilateraler Streitigkeiten zwischen den Erweiterungsländern und mit den Mitgliedstaaten, gegebenenfalls unter Schirmherrschaft der Vereinten Nationen, und um die Bewältigung der Vergangenheit sind angesichts der Geschichte der noch in jüngster Zeit von Konflikten zerrissenen Region von größter Bedeutung.

Der Beitrittsprozess ist rigoros, denn er beruht auf strengen, aber fairen Bedingungen, etablierten Kriterien und der Beurteilung nach den eigenen Leistungen. Dies ist unabdingbar, um die Glaubwürdigkeit der Erweiterungspolitik sicherzustellen, den Erweiterungsländern Anreize für die Fortsetzung weitreichender Reformen zu bieten und zu gewährleisten, dass die EU-Bürger den Prozess unterstützen. Was die Mitgliedstaaten anbelangt, so sollten sie zusammen mit den EU-Institutionen eine fundierte Debatte über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Erweiterungspolitik führen.

***

Die derzeitige Erweiterungsagenda umfasst die Länder des westlichen Balkans, die Türkei und Island. Für einige Länder des westlichen Balkans war es ein bedeutendes Jahr.

Montenegro ist in den Beitrittsverhandlungen vorangekommen. Zwölf Verhandlungskapitel wurden geöffnet. Die Durchführung von Reformen auf dem Gebiet der Rechtsstaatlichkeit hat begonnen. Nun bedarf es konkreter Ergebnisse, die von entscheidender Bedeutung für die Bestimmung des Tempos der Beitrittsverhandlungen sein werden.

Die Aufnahme von Beitrittsverhandlungen mit Serbien bedeutet einen Wendepunkt in den Beziehungen zwischen der EU und Serbien. Serbien muss nun seine Reformprioritäten auf nachhaltige Weise umsetzen, da das Tempo der Verhandlungen von den Fortschritten abhängt, die in Schlüsselbereichen wie der Rechtsstaatlichkeit und der Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo* erzielt werden. Es bedarf eines neuen Elans im Dialog zwischen Belgrad und Pristina, damit wichtige noch offene Fragen angegangen werden können und eine neue Phase in der Normalisierung der Beziehungen eingeleitet werden kann. Sowohl die Regierung als auch die Opposition müssen sicherstellen, dass die politische Debatte vorrangig im Parlament stattfindet.

Albanien wurde im Juni in Anerkennung seiner Reformbemühungen und der Fortschritte bei der Erfüllung der geltenden Bedingungen der Kandidatenstatus zuerkannt. Das Land muss auf der Reformdynamik aufbauen und diese konsolidieren und seine Bemühungen auf die Bewältigung der mit der Integration in die EU verbundenen Herausforderungen konzentrieren, und zwar auf nachhaltige und integrative Weise.

Die Paraphierung eines Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens mit dem Kosovo im Juli war ein wichtiger Meilenstein in den Beziehungen zwischen der EU und dem Kosovo. Nun muss das Kosovo Ergebnisse bei Schlüsselreformen erzielen, vor allem im Bereich der Rechtsstaatlichkeit.

Der EU-Beitrittsprozess für die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien steckt in einer Sackgasse. Es sind Maßnahmen erforderlich, um die jüngsten Rückschritte wieder wettzumachen, vor allem bei der Freiheit der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit sowie bei der Unabhängigkeit der Justiz. In der Frage des Ländernamens muss dringend eine für beide Seiten akzeptable Lösung ausgehandelt werden. Regierung und Opposition sollten auf die Wiederaufnahme des politischen Dialogs im Parlament hinarbeiten.

Bei Bosnien und Herzegowina stagniert der Prozess der europäischen Integration weiterhin. Nach den Wahlen wird es entscheidend darauf ankommen, dass das Land geeint auftritt, um die dringenden sozialen und wirtschaftlichen Reformen in Angriff zu nehmen und bei der Verwirklichung seiner europäischen Agenda voranzukommen.

Die Türkei hat die Umsetzung bestimmter Reformverpflichtungen fortgesetzt, darunter das Demokratisierungspaket 2013, und Schritte unternommen, um zu einer Lösung für die Kurdenfrage zu gelangen. Es gibt jedoch Anlass zu schwerwiegenden Bedenken in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und den Schutz der Grundfreiheiten. Aktive und glaubwürdige Beitrittsverhandlungen bieten den am besten geeigneten Rahmen für die Nutzung des vollen Potenzials der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Durch die Aufnahme von Verhandlungen über die einschlägigen Kapitel in den Bereichen Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte würde ein „Fahrplan“ für Reformen in diesen Schlüsselbereichen geschaffen.

Die Beitrittsverhandlungen mit Island sind infolge einer Entscheidung der Regierung des Landes seit Mai 2013 ausgesetzt.

***

Das Konzept der Kommission, das darin besteht, zunächst die Grundprinzipien umzusetzen, räumt Reformen den Vorrang ein, die im Zusammenhang mit der Rechtsstaatlichkeit und den Grundrechten, der wirtschaftlichen Governance, der Steigerung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und der Stärkung der demokratischen Institutionen stehen. Dazu zählt auch die öffentliche Verwaltung, die in den meisten Erweiterungsländern nach wie vor unzulänglich und von begrenzten Verwaltungskapazitäten, einem hohen Politisierungsgrad und einem Mangel an Transparenz geprägt ist. Die Verbesserung des Funktionierens der demokratischen Institutionen erfordert außerdem tragfähige Wahlprozesse und ein reibungsloses Funktionieren der Parlamente, einschließlich eines konstruktiven und nachhaltigen Dialogs über das gesamte politische Spektrum hinweg. Es muss mehr getan werden, um ein günstiges Umfeld für Organisationen der Zivilgesellschaft zu fördern. Eine starke Zivilgesellschaft leistet einen Beitrag zur politischen Rechenschaftspflicht und zur Verbesserung des Verständnisses der beitrittsbezogenen Reformen.

Abschnitt II dieser Mitteilung geht auf die wichtigsten Herausforderungen und die erzielten Fortschritte auf den Gebieten Reform der öffentlichen Verwaltung, wirtschaftliche Governance und Wettbewerbsfähigkeit sowie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte ein. Abschnitt III enthält eine Bestandsaufnahme der regionalen und bilateralen Probleme, vor allem in den westlichen Balkanländern. Abschnitt IV umfasst Schlussfolgerungen und Empfehlungen zu länderübergreifenden wie länderspezifischen Themen.

In allen genannten Bereichen strebt die Kommission es an, bestehende Mechanismen und Foren in größtmöglichem Maß zu nutzen, um die Reformen voranzutreiben, sei es über die Strukturen der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen (SAA), die Beitrittsverhandlungen oder von der Kommission geleitete zielgerichtete länderspezifische Initiativen, wie die Dialoge auf hoher Ebene oder die strukturierten Dialoge über Rechtsstaatlichkeit. Diese Initiativen wurden im November 2013 ausgeweitet, indem mit Albanien der Dialog auf hoher Ebene über die Schlüsselprioritäten aufgenommen wurde. Was die Reformen der öffentlichen Verwaltung anbelangt, so führt die Kommission gegenwärtig einen stärker strukturierten Dialog ein und richtet mit den Erweiterungsländern „Sonderarbeitsgruppen“ zu diesen Reformen ein.

2014 wurde das neue Instrument für Heranführungshilfe (IPA II) ins Leben gerufen. Im Rahmen des IPA II wird die EU 11,7 Mrd. EUR für den Zeitraum 2014-2020 bereitstellen, um die Erweiterungsländer bei ihren Vorbereitungen auf den Beitritt zu unterstützen und die regionale und die grenzübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Bei IPA II liegt ein noch größerer Schwerpunkt auf den für den EU-Beitritt wichtigen Prioritäten in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum; darüber hinaus werden ein sektorbezogenes Konzept, Anreize für die Erzielung konkreter Ergebnisse, eine verstärkte Budgethilfe und eine Priorisierung von Projekten eingeführt. Es bedarf eines koordinierten Ansatzes für die großen Investitionen in die wichtigsten Infrastrukturkorridore. Die Koordinierung mit den internationalen Finanzinstitutionen wird derzeit gestärkt. Über den Investitionsrahmen für den westlichen Balkan werden weiterhin Investitionen unterstützt, die Wachstum und Beschäftigung ankurbeln und die Vernetzung in der Region fördern.

Drei strategische Vorteile der Erweiterung

1) Die Erweiterung der EU sorgt für mehr Sicherheit in Europa. Im Rahmen des Beitrittsprozesses fördert die EU die Demokratie und die Grundfreiheiten in den beitrittswilligen Ländern und strebt dort auch eine Festigung der Rechtsstaatlichkeit an, um die Auswirkungen der grenzüberschreitenden Kriminalität einzudämmen. Durch die derzeitige Erweiterungspolitik werden  Frieden und Stabilität auf dem westlichen Balkan gestärkt und der Wiederaufbau und die Versöhnung nach den Kriegen der neunziger Jahre gefördert.

2) Die Erweiterung trägt zur Verbesserung der Lebensqualität der Menschen bei, und zwar durch Integration und Zusammenarbeit in Bereichen wie Energie, Verkehr, Rechtsstaatlichkeit, Migration, Lebensmittelsicherheit, Verbraucher- und Umweltschutz und Klimawandel. Die Erweiterung hilft uns dafür zu sorgen, dass unsere eigenen hohen Standards über unsere Grenzen hinaus angewandt werden. Dies verringert z. B. die Gefahr, dass EU-Bürger unter den Auswirkungen von außen hereingetragener Umweltverschmutzung leiden.

3) Die Erweiterung steigert unseren Wohlstand. Ein größeres Europa ist auch ein stärkeres Europa. Im Jahr 2012 machte das BIP der EU mit 13 Billionen EUR 23 % des weltweiten BIP aus. Die Erweiterung kam nicht nur den beitretenden Ländern zugute, sondern auch den Mitgliedstaaten. Mit der Erweiterung nehmen auch die Chancen für Unternehmen, Anleger, Verbraucher, Touristen, Studierende und Eigentümer von Grundbesitz in der EU zu. Ein größerer Binnenmarkt ist für Anleger attraktiver: Seit der Erweiterung hat sich der Anteil der ausländischen Direktinvestitionen am BIP der EU von 15,2 % (2004) auf 30,5 % (2012) verdoppelt.

***

II. Fokussierung auf die Grundprinzipien — Konsolidierung der Reformen und Stärkung der Glaubwürdigkeit

Dieser Abschnitt geht auf die wichtigsten Herausforderungen und die erzielten Fortschritte auf den Gebieten Reform der öffentlichen Verwaltung, wirtschaftliche Governance und Wettbewerbsfähigkeit sowie Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte ein. Er enthält neue Ideen für eine noch stärkere Fokussierung auf die Reform der öffentlichen Verwaltung und detaillierte Ausführungen zu dem Konzept für die wirtschaftliche Governance. In der letztjährigen Mitteilung lag der Schwerpunkt darauf, wie die Heranführungshilfe den Reformprozess bereichsübergreifend unterstützt. Dieses Jahr wird die Aufmerksamkeit auf bestimmte Vorgehensweisen der Erweiterungsländer in den oben genannten Bereichen gelenkt, die anderen als Inspiration für Reformen dienen können.

a) Reform der öffentlichen Verwaltung

Neben der Rechtsstaatlichkeit und der wirtschaftlichen Governance bildet die Reform der öffentlichen Verwaltung eine Säule des Erweiterungsprozesses. Alle drei Säulen sind eng miteinander verbundene Querschnittsthemen von fundamentaler Bedeutung für den Erfolg der politischen und wirtschaftlichen Reformen und bilden eine Grundlage für die Umsetzung der Vorschriften und Standards der EU. Eine gut funktionierende öffentliche Verwaltung ist Voraussetzung für eine demokratische Regierungsführung. Sie hat außerdem direkten Einfluss auf die Fähigkeit der Staaten zur Bereitstellung öffentlicher Dienstleistungen und zur Förderung von Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum.

Die Reform der öffentlichen Verwaltung zielt auf mehr Transparenz, Rechenschaftspflicht und Wirksamkeit sowie ein stärkeres Eingehen auf die Bedürfnisse von Bürgern und Unternehmen ab. Eine adäquate Verwaltung der Humanressourcen, eine bessere Planung, Koordinierung und Weiterentwicklung der Politik, solide Verwaltungsverfahren und eine bessere Verwaltung der öffentlichen Finanzen, einschließlich der Steuerverwaltung und ‑erhebung, sind von grundlegender Bedeutung für das Funktionieren des Staates und für die Umsetzung der für die Integration in die EU erforderlichen Reformen. Die Länder müssen ihre Bemühungen um die Verbesserung ihrer öffentlichen Verwaltung auf allen Ebenen unter Zugrundelegung nationaler Strategien verstärken. Die Kommission, die anerkennt, mit welchen Herausforderungen die Erweiterungsländer konfrontiert sind, baut ihre Unterstützung für die Schaffung der notwendigen Verwaltungsstrukturen und Kapazitäten während des Beitrittsprozesses aus.

Die Kommission wird ihre Arbeit zusammen mit den Erweiterungsländern bei den Verwaltungsreformen an folgenden zentralen Achsen ausrichten:

Zentrale Achsen für die Reform der öffentlichen Verwaltung

1.       Strategierahmen für die Reform der öffentlichen Verwaltung — dies beinhaltet die politische Verpflichtung zu dem Reformprozess, einschließlich der Übernahme der politischen Führung und der technischen Koordinierung und Überwachung der Umsetzung.

2.       Entwicklung und Koordinierung der Politik – hierzu zählen die adäquate Koordinierung im Kern der Regierung, die interministerielle Koordinierung, die Politikentwicklung und die finanzielle Analyse.

3.       Öffentlicher Dienst und Verwaltung der Humanressourcen – dies umfasst u. a. die Organisation und Funktionsweise des öffentlichen Diensts, einschließlich der Entpolitisierung, leistungsorientierter Einstellungs- und Beförderungsverfahren sowie Schulungen und Professionalisierung.

4.       Rechenschaftspflicht — hierzu zählen die Transparenz der Verwaltung, darunter der Zugang zu Informationen sowie die verwaltungsrechtlichen und gerichtlichen Rechtsbehelfe.

5.       Dienstleistungserbringung — dies beinhaltet die Verbesserung der Dienstleistungen für Bürger und Unternehmen, einschließlich besserer Verwaltungsverfahren und elektronischer Behördendienste.

6.       Verwaltung der öffentlichen Finanzen — darunter fällt die Verpflichtung zu einem umfassenderen Konzept für die Verbesserung der Verwaltung der öffentlichen Finanzen und des gesamten Haushaltsprozesses durch Ausarbeitung und Umsetzung von Mehrjahresprogrammen für den Sektor und durch Aufnahme eines Politikdialogs über die Thematik mit der Kommission und den internationalen Finanzinstitutionen. Ein glaubwürdiges und zweckdienliches Programm in diesem Bereich ist auch eine Voraussetzung für die über IPA geleistete sektorale Budgethilfe.

Die Kommission strebt eine bessere Einbettung der Reformen der öffentlichen Verwaltung in den Erweiterungsprozess an. So wurden bzw. werden mit den westlichen Balkanländern „Sonderarbeitsgruppen für die Reform der öffentlichen Verwaltung” nach dem Modell der SAA-Unterausschüsse eingerichtet. Sitzungen solcher Arbeitsgruppen haben bereits für Albanien, das Kosovo, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Montenegro stattgefunden. Im Oktober tritt die Sonderarbeitsgruppe für Serbien zu einer ersten Sitzung zusammen. Die Sonderarbeitsgruppen werden eine zentrale Plattform bilden, um die Reformen der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben, in deren Mittelpunkt die obengenannten Schlüsselthemen stehen werden. Die von ihnen erarbeiteten Ergebnisse sollten mit Blick auf eine strukturiertere politische Diskussion zu den Schlüsselthemen an den SAA-Assoziationsrat/Assoziationsausschuss weitergeleitet werden.

Auch wenn es kein spezifisches Besitzstandskapitel über die öffentliche Verwaltung an sich gibt, sollten die Beitrittsverhandlungen auch genutzt werden, um die notwendigen Reformen zu fördern. Die Schlüsselthemen sollten im Rahmen der einschlägigen Kapitel erörtert werden — darunter öffentliches Beschaffungswesen, Finanzkontrolle, Justiz und Grundrechte, Steuern und Wirtschafts- und Währungspolitik — sowie auf Regierungskonferenzen, soweit dies für die Umsetzung des Besitzstands wichtig ist. Die Koordinierung mit den internationalen Finanzinstitutionen ist von zentraler Bedeutung, vor allem im Bereich der Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Die Kommission leistet weiter Unterstützung für die Regionale Schule für öffentliche Verwaltung, die in der Region eine bedeutende Rolle für den Erfahrungsaustausch über die Reform der öffentlichen Verwaltung spielt, auch in Bezug auf den EU-Integrationsprozess.

Ausbau der Kapazitäten der öffentlichen Verwaltung im Kosovo:

Das Kosovo hat ein Programm für junge Fachleute aufgelegt, um die fachlichen und institutionellen Kapazitäten seiner öffentlichen Verwaltung auszubauen. Das Programm mit Schwerpunkt auf den Anforderungen im Zusammenhang mit der europäischen Integration bietet herausragenden Studierenden Stipendien für ein spezielles Masterprogramm im Kosovo, wobei auch die Möglichkeit besteht, in der EU zu studieren. Rund 80 % der Absolventen wurden von den kosovarischen Behörden eingestellt. Dies kommt nicht nur dem Ministerium für europäische Integration zugute, sondern auch sektoralen Ministerien und Institutionen, die für die Erfüllung der Verpflichtungen im Rahmen des künftigen SAA  zuständig sein werden.

b) Wirtschaftliche Governance und Wettbewerbsfähigkeit

Die Kommission verstärkt ihre Unterstützung für die Verbesserung der wirtschaftlichen Governance und der Wettbewerbsfähigkeit in den Erweiterungsländern. Dies ist der Schlüssel, um in einem anhaltend schwierigen wirtschaftlichen Kontext mit hoher Arbeitslosigkeit und niedrigen Investitionen auf die Anliegen der Bürger einzugehen. Besonders wichtig ist dieser neue Ansatz in Bezug auf die westlichen Balkanländer, da bisher keines von ihnen als funktionierende Marktwirtschaft angesehen werden kann. Der Ansatz wird sich auf die Erfahrungen der EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des Europäischen Semesters stützen. Verstärkter Nachdruck wird auf Strukturreformen liegen, die naturgemäß sektoraler Art sind. Die Länder werden aufgefordert werden, nationale Wirtschaftsreformprogramme vorzulegen. Die EU ihrerseits wird mehr Orientierungshilfe in Bezug auf die Reformprioritäten bieten und für einen gezielteren Einsatz von IPA-Mitteln sorgen. Die Verbesserung der wirtschaftlichen Governance in den Erweiterungsländern ist außerdem wichtig, um innerhalb der Europäischen Union für eine anhaltende Unterstützung der Erweiterung zu sorgen.

Alle westlichen Balkanländer sind mit erheblichen strukturellen Wirtschaftsherausforderungen konfrontiert, wobei die Arbeitslosenquote hoch und das Niveau der ausländischen Investitionen niedrig liegt. In den Bereichen Wirtschaftsreform, Wettbewerbsfähigkeit, Arbeitsplatzschaffung und Haushaltskonsolidierung sind in allen Erweiterungsländern noch große Herausforderungen zu meistern. Schwachstellen bei der Rechtsstaatlichkeit und der Verwaltung der öffentlichen Finanzen erhöhen das Korruptionsrisiko, was sich wiederum negativ auf das Investitionsklima auswirkt. Bisher hat keines der Länder eine umfassende und überzeugende nationale Reformagenda vorgelegt.

Makroökonomische Situation in den Erweiterungsländern

Þ Bei den sozioökonomischen Entwicklungen in den Erweiterungsländern zeigt sich ein gemischtes Bild. Alle Erweiterungsländer haben die makroökonomische Stabilität weitgehend gewahrt, doch die finanzpolitischen Risiken haben in einer Reihe von Ländern deutlich zugenommen. Der gemäßigte Aufschwung setzt sich fort. Nach jüngsten Prognosen der Kommission soll die Wirtschaft in den Kandidatenländern des westlichen Balkans 2014 um durchschnittlich 1,6 % wachsen. Der Aufschwung hat nicht zu mehr Beschäftigung geführt. Die Arbeitslosigkeit ist nach wie vor hoch, vor allem bei den jungen Menschen, und beträgt auf dem Westbalkan nun durchschnittlich 21 %, doch in Bosnien und Herzegowina, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und dem Kosovo liegt der Wert weit höher. Die hohe Armut hält sich hartnäckig.

Þ Die EU ist der wichtigste Handelspartner für die westlichen Balkanländer; auf sie entfallen rund 60 % der Exporte aus der Region. Aus der EU stammt auch der bei weitem größte Teil der ausländischen Direktinvestitionen.

ÞDas Wachstum in der Türkei ist 2013 auf 4 % gestiegen und die Prognose für 2014 liegt bei 2,6 %. Die türkische Lira wurde geschwächt und das Leistungsbilanzdefizit stieg 2013 auf fast 8 % des BIP. Die jüngsten wirtschaftlichen Ergebnisse der Türkei veranschaulichen sowohl das hohe Potenzial der Wirtschaft als auch die anhaltenden Ungleichgewichte. Die EU ist nach wie vor der wichtigste Handelspartner für die Türkei, auf den rund 40 % der türkischen Exporte entfallen. Dank der zunehmenden Einbindung in die Liefer- und Produktionskette der EU hat sich die Türkei zu einer Investitionsbasis für europäische Unternehmen entwickelt. Rund 70 % der ausländischen Direktinvestitionen in der Türkei stammen aus der EU.

Wichtigste wirtschaftliche Kennzahlen

|| Pro-Kopf-BIP in KKS (in % der EU) || BIP-Wachstum (%) || Inflation (%) || Arbeits-losigkeit (%) || Beschäftigungs­quote, 20-64-Jährige (%) || Erwerbs­quote, 20-64-Jährige (%) || Exporte (Waren & Dienstleistungen in % des BIP) || Öffentl. Schuldenstand (in % des BIP) || Öffentl. Defizit (in % des BIP)

Albanien || 30 || 1,4 || 1,9 || 15,6 || 57,2 || 68,0 || 40,2 || 62,0* || -3,4*

Bosnien und Herzegowina || 29 || 2,5 || -0,2 || 27,5 || k. A. || k. A. || 30,0 || k. A. || -2,2

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien || 35 || 2,9 || 2,8 || 29,0 || 50,3 || 70,4 || 53,9 || 36,0 || -4,1

Kosovo || k. A. || 3,4 || 1,8 || 30,0 || k. A. || k. A. || 17,4 || k. A. || k. A.

Montenegro || 42 || -2,5* || 1,8 || 19,5 || 52,6 || 65,1 || 44,1* || 58,0 || -2,3

Serbien || 36 || 2,5 || 7,8 || 22,1 || 51,2 || 66,0 || 44,7 || 63,2 || -5,0

Türkei || 55 || 4,0 || 7,5 || 8,8 || 53,4 || 58,4 || 25,7 || 36,2* || -0,3*

Quelle: Eurostat. Bezugsjahr 2013, außer (*) = 2012.

Ø Stärkung der wirtschaftlichen Governance

Mit der Erweiterungsstrategie 2013-2014 wurde ein neues Konzept vorgeschlagen, das die Erweiterungsländer dabei unterstützen soll, zuerst die wirtschaftlichen Grundprinzipien einzuführen und die wirtschaftlichen Kriterien zu erfüllen. Dieses Konzept impliziert einen veränderten Dialog und eine verbesserte Berichterstattung, um klarere Orientierungshilfen für die Reformen zu erhalten, die für die Förderung von langfristigem Wachstum und langfristiger Wettbewerbsfähigkeit erforderlich sind.

Wichtigste wirtschaftliche Herausforderungen in den westlichen Balkanländern

ÞStärkung der Haushaltskonsolidierung durch die Senkung der Haushaltsdefizite und die Umsetzung glaubwürdiger Reformen des öffentlichen Sektors, einschließlich einer Reform der öffentlichen Verwaltung und der Rentensysteme

ÞStärkung der Verwaltung der öffentlichen Finanzen, einschließlich Steuerverwaltung und ‑erhebung, Haushaltsplanung und -vollzug, Rechnungsführung und Berichterstattung sowie externe Kontrolle

ÞVerringerung der hohen Belastung durch notleidende Kredite

ÞUmstrukturierung und Verbesserung der Führung in staatseigenen Unternehmen

ÞVerbesserung der Rahmenbedingungen für Unternehmen, einschließlich der digitalen Wirtschaft, und Unterstützung der Entwicklung des Privatsektors, Abbau der parafiskalischen Abgaben, Vereinfachung der Rechtsvorschriften und Ankurbelung der Forschungsinvestitionen

ÞVerbesserung der Energie- und Verkehrsnetze sowie Stärkung der Vernetzung

ÞSchaffung funktionierender Arbeitsmärkte mit ausreichender Flexibilität, Inangriffnahme der Problematik des informellen Sektors, Verbesserung der Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer und Verbesserung der Abstimmung von Ausbildungen und Qualifikationen auf den Bedarf des Arbeitsmarkts

Die westlichen Balkanländer werden aufgefordert, die Wirtschaftspolitik und die wirtschaftliche Governance durch die Ausarbeitung jährlicher nationaler Wirtschaftsreformprogramme zu stärken. Diese Programme werden zwei Teile umfassen. Teil 1 wird aus einer erweiterten Fassung der wirtschaftlichen Heranführungsprogramme für die Kandidatenländer und der Wirtschafts- und Finanzprogramme für potenzielle Kandidaten bestehen; auch das Kosovo wird in den Prozess einbezogen. Dieser Teil der nationalen Wirtschaftsreformprogramme wird einen mittelfristigen makroökonomischen und finanzpolitischen Rahmen enthalten, bei dem ein stärkerer Schwerpunkt auf der Bewertung der Tragfähigkeit der Zahlungsbilanz und der strukturellen Wachstumshemmnisse liegen wird; ferner werden darin konkrete Maßnahmen zur Unterstützung des politischen Rahmens genannt werden. Teil 2 der nationalen Wirtschaftsreformprogramme bezieht sich auf Strukturreformen die naturgemäß sektoraler Art (in Sektoren wie Verkehr, Energie, Bildung, Umwelt, Forschung, Industrie, Wettbewerb und Binnenmarkt) und für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in den einzelnen Ländern von besonderem Belang sind; dazu zählt auch der Investitionsbedarf im Infrastrukturbereich. Die Kommission wird den Ländern klare und kompakte Orientierungshilfe bieten, um sicherzustellen, dass diese Programme gezielt auf die wichtigsten Fragen ausgerichtet werden.

Im Hinblick auf die verstärkte Konzentration auf Strukturreformen sollte 2015 als erstes Jahr einer Pilotphase angesehen werden. Die in diesen Programmen behandelten Reformen werden durch IPA-Hilfe unterstützt werden. Mit Blick auf eine verstärkte Überwachung wird der Bewertungsprozess zu gezielteren politischen Leitlinien für die einzelnen Länder führen. Der gemeinsame ECOFIN-Rat hat bereits im Mai 2014 gezieltere länderspezifische Leitlinien für die Kandidatenländer veröffentlicht.

Die Türkei und die EU haben ein gemeinsames Interesse an der Förderung einer Agenda für Wirtschaftsreform, dem Austausch von Erfahrungen, der Abstimmung der Standpunkte in der G20 und der Vertiefung der wirtschaftlichen Integration. Darüber hinaus liefert die jüngste Bewertung der Zollunion zwischen der Türkei und der Union wichtige Elemente für die Verbesserung dieses Handelsabkommens. Es liegt im Interesse beider Parteien, ihre Handelsbeziehungen auf ein Niveau zu bringen, das dem moderner Handelsabkommen sowie der strategischen Bedeutung der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei entspricht. Diese wirtschaftliche Agenda könnte in einem regelmäßigen Wirtschaftsdialog auf hoher Ebene zwischen der EU und der Türkei erörtert werden. Die intensivierten politischen Kontakte könnten durch einen jährlich stattfindendes Wirtschaftsforum EU-Türkei ergänzt werden.

Jahreszyklus für die Überprüfung der Wirtschaftspolitik und Orientierungshilfe für die westlichen Balkanstaaten

31. Januar — Übermittlung der nationalen Wirtschaftsreformprogramme der Länder an die Kommission (Teil 1 zum makroökonomischen und finanzpolitischen Rahmen und zur Unterstützung von Reformen, Teil 2 zu sektoralen Strukturreformen und Wettbewerbsfähigkeit). Da die unter Teil 2 fallenden Reformen längerfristigen Charakter haben, würden die nachfolgenden Wirtschaftsreformprogramme hierzu eine einfache jährliche Aktualisierung enthalten.

Februar — Bewertungsmissionen der Kommission in den westlichen Balkanländern

April – Ländersitzungen mit der Kommission zur Erörterung der gezielten politischen Leitlinien

Mai – Schlussfolgerungen des Rates (Wirtschaft und Finanzen)

Juni/Juli – Länderspezifische Sitzungen auf Ministerebene

Herbst — Erweiterungspaket der Kommission mit einer Bestandsaufnahme der Fortschritte seit der Tagung des Rates (Wirtschaft und Finanzen), einschließlich weiterer und detaillierterer zukunftsgerichteter Leitlinien, die in den im Januar des Folgejahres vorgelegten Programmen zu berücksichtigen sind

Für die Umsetzung dieses Konzepts ist spezielle technische Hilfe erforderlich. Die Umsetzung der länderspezifischen politischen Leitlinien muss rasch durch zielgerichtete und konkrete IPA-Projekte zur Verbesserung der wirtschaftlichen Governance unterstützt werden. Die IPA-Länder- und Mehrländerstrategiepapiere 2014-2020 spiegeln die Bedeutung der wirtschaftlichen Governance wider und umfassen Mittelzuweisungen für diesen Zweck. Konkrete IPA-Projekte werden derzeit vorbereitet und laufen ab 2015 an.

Die Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und die Einleitung beschäftigungsfördernder Maßnahmen in der Region werden zur Reduzierung der Migrationsströme aus den Erweiterungsländern in die EU führen. Bei den jüngsten Erweiterungen gab es Übergangsregelungen zur schrittweisen Einführung der uneingeschränkten Freizügigkeit für Arbeitnehmer aus den neuen Mitgliedstaaten. Ob in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer Übergangsmaßnahmen und/oder ein Schutzmechanismus  notwendig sind und wie diese gestaltet werden könnten, wird – unter Berücksichtigung einer noch durchzuführenden Folgenabschätzung – während der Beitrittsverhandlungen über eine künftige Erweiterung erörtert werden.

Ø Dialog über Beschäftigung und soziale Reformen

Die Unterstützung der Kommission für die nachhaltige Wirtschaftsentwicklung in den westlichen Balkanländern geht über Maßnahmen zur makroökonomischen Stabilisierung und zur Schaffung einer funktionierenden Marktwirtschaft hinaus. Seit Beginn der Krise hat die Kommission immer wieder betont, dass mehr getan werden muss, um die schwierige sozioökonomische Situation und vor allem die hohe Arbeitslosigkeit zu bewältigen.

Die Kommission hat mit der Türkei und Serbien bereits einen neuen Dialog über Beschäftigungs- und Sozialreformprogramme eingeleitet. Ein solcher Dialog ist auch mit der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und mit Montenegro in Vorbereitung. Die verbleibenden Länder sind mit einer noch schwierigeren sozioökonomischen Situation konfrontiert und es bedarf zusätzlicher Unterstützung, um Verwaltungskapazitäten aufzubauen und so die Beteiligung an dem neuen Prozess zu erleichtern. Diese Länder werden nach und nach zu dem neuen Dialog eingeladen. Im Rahmen von IPA wird – zusätzlich zu einer breit angelegten Unterstützung im Bereich Beschäftigung und Soziales – umfassende technische Hilfe geleistet. Die Kommission wird als weiteres Instrument eine Plattform für die Beschäftigungs- und Sozialpolitik ins Leben rufen, damit die Länder Erfahrungen austauschen und sich auf den Dialog über die Beschäftigungs- und Sozialreformprogramme vorbereiten können.

Um Qualifikationsdefizite abzubauen und die Bildungssysteme zu verbessern, wird die Kommission in einem gesonderten Prozess auch die Westbalkan-Plattform für allgemeine und berufliche Bildung weiter ausbauen.

Ø Förderung von Investitionen mit Blick auf Wachstum und Beschäftigung, Vernetzung und regionale Zusammenarbeit

Die grenzübergreifenden Verkehrs-, Energie- und Kommunikationsnetze sind in den westlichen Balkanländern unterentwickelt. Investitionen in die Infrastruktur sind dringend erforderlich, um die wirtschaftliche Entwicklung in der Region anzukurbeln. Angesichts der Größe der Volkswirtschaften der Länder ist eine engere Integration ausschlaggebend. Die regionale Wirtschaftszusammenarbeit bietet nicht nur eine Chance für nachhaltiges Wachstum, sondern auch für die politische Zusammenarbeit und die gutnachbarschaftlichen Beziehungen. Unter Federführung des Regionalen Kooperationsrates (RCC) sind Arbeiten im Gange, um auf die Ziele und Prioritäten des SEE 2020 einzugehen. Die geplante Liberalisierung der Dienstleistungen in der mitteleuropäischen Freihandelszone (CEFTA) würde dieses Ziel weiter unterstützen.

Energie- und Verkehrsnetze

Die Verbesserung der Energie- und Verkehrsnetze zwischen der EU und den Erweiterungsländern ist eine Priorität für die Förderung des nachhaltigen Wirtschaftswachstums, der Beschäftigung, des Handels und des kulturellen Austauschs.

Im Mai nahm die Kommission ihre Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung[3] an, die auf die Verbesserung der Energieversorgungssicherheit in der EU abzielt. In der Strategie wurde vorgeschlagen, dass die Kommission kurzfristig Stresstests in Bezug auf die Energieversorgungssicherheit mit dem Ziel einleitet, eine Unterbrechung der Gasversorgung im kommenden Winter zu simulieren und zu prüfen, wie das Energiesystem Bedrohungen der Versorgungssicherheit bewältigen kann. Angesichts der paneuropäischen Dimension der Energieversorgungssicherheit hatte die Kommission alle westlichen Balkanländer und die Türkei aufgefordert, einen Beitrag zu diesen Stresstests zu leisten. Albanien, Bosnien und Herzegowina, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, das Kosovo, Serbien und die Türkei haben sich hieran beteiligt. Der Ausbau der transeuropäischen Energieinfrastrukturen und die Vertiefung der Zusammenarbeit mit der Energiegemeinschaft sind von entscheidender Bedeutung. Die Energiegemeinschaft, deren Ziel es ist, den EU-Besitzstand im Energiebereich auf die Erweiterungs- und Nachbarschaftsländer auszudehnen, sollte angesichts der Frage der Energieversorgungssicherheit der EU weiter gestärkt werden. Dies sollte durch die weitere Förderung von Reformen des Energiesektors in den beteiligten Ländern erreicht werden, wobei gleichzeitig die Modernisierung und die Nachhaltigkeit der Energiesysteme und ihre vollständige Integration in den EU-Rechtsrahmen im Energiebereich unterstützt werden sollten.

Einen besonderen Schwerpunkt der künftigen Arbeiten der Energiegemeinschaft sollten die Verbesserung der Um- und Durchsetzung der Reformen zur Schaffung eines echten Binnenmarktes auf Großhandels- wie Endkundenebene darstellen, insbesondere in Bezug auf die Entflechtung der Versorgungsbetriebe, die Preistransparenz und die Gewährleistung des Netzzugangs Dritter. Das Erfordernis der Gewährleistung des Netzzugangs Dritter ist einer der Gründe, warum die Kommission erklärt hat, dass die zwischen Russland und einer Reihe von am South-Stream-Projekt beteiligten Ländern unterzeichneten zwischenstaatlichen Abkommen neu ausgehandelt und die Bauarbeiten an dem Projekt ausgesetzt werden müssen.

Die Zusammenarbeit mit der Türkei sollte angesichts ihrer strategischen Lage und ihres Potenzials als Energie-Umschlagplatz weiter vertieft werden. Die Stärkung der Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei im Energiebereich sowie entsprechende Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen würden weitere Fortschritte bei der Verknüpfung und Integration der Energiemärkte ermöglichen.

Die Kommission hat eine Liste von Projekten von gemeinsamem Interesse für den Ausbau der transeuropäischen Energieinfrastruktur angenommen. Der Ministerrat der Energiegemeinschaft hat eine Liste von Projekten von Interesse für die Energiegemeinschaft angenommen. Um diese Netze einrichten zu können, müssen die Parteien (mit Hilfe der EU) die Schwierigkeiten bei der Finanzierung von Verbindungsleitungen zwischen den Ländern überwinden.

Der künftige Vertrag über die Verkehrsgemeinschaft wird die Integration der Märkte und Infrastrukturen für den Landverkehr fördern und dazu beitragen, dass die westlichen Balkanländer die EU-Normen für diesen Sektor umsetzen können. Die Kommission hat außerdem die transeuropäischen Verkehrs- und Energienetze der EU mit dem Ziel überprüft, die Anbindung der unter die Erweiterungs- und Nachbarschaftspolitik der EU fallenden Länder zu verbessern.

Der  Investitionsrahmen für die westlichen Balkanstaaten (WBIF) spielt eine zunehmend wichtige Rolle bei der Vorbereitung und Unterstützung der Investitionen, die zur Ankurbelung von Wachstum und Beschäftigung am dringendsten benötigt werden. Im Rahmen des WBIF fördern die Kommission, bilaterale Geber und internationale Finanzinstitutionen jährlich Investitionen im Wert von 4 Mrd. EUR in den Bereichen Verkehr, Energie, Umwelt, Klimawandel, Unterstützung einer ressourceneffizienten Wirtschaft, sozialer Sektor sowie Privatsektor/KMU-Entwicklung. Hier kofinanziert die Kommission auch eine KMU-Plattform für den westlichen Balkan mit dem Ziel, den Zugang von KMU zu Finanzierungen durch die Bereitstellung von Garantien und Risikokapital zu erleichtern. Die Kommission unterstützt die Länder bei der Einrichtung der nationalen Investitionsausschüsse oder ähnlicher Koordinierungsmechanismen, die zu einheitlichen sektoralen Projekt-Pipelines führen könnten.

Entwicklung einer einheitlichen Projekt-Pipeline in Serbien:

Serbien erstellt derzeit eine Liste prioritärer Infrastrukturprojekte von strategischer Bedeutung für das Land und die EU in den Sektoren Energie, Verkehr, Umwelt und Unternehmensinfrastruktur. Dabei wird es sich um politisch unterstützte Projekte handeln, die bis zum Beitritt und danach umgesetzt werden sollen. Die Liste wird anhand einer kohärenten und objektiven Auswahlmethode im Rahmen eines aus IPA-Mitteln finanzierten Projekts ausgearbeitet. Die Projekte werden sorgfältig im Hinblick auf die verbleibenden vorbereitenden/administrativen Schritte bewertet und die institutionellen Zuständigkeiten werden für alle Schritte detailliert festgelegt. Sobald die politische Unterstützung der Regierung gesichert ist, können die oben genannten Elemente, die bisher gefehlt haben, zu einer besseren Prioritätensetzung bei der Finanzierung von Projekten sowie zu einer besseren Koordinierung zwischen den IFI und den an einer Bereitstellung von Mitteln interessierten internationalen Organisationen führen. Das Ziel besteht darin, nur Projekte der Projekt-Pipeline durch IPA und die internationalen Finanzinstitutionen zu unterstützen.

Ø Gewährleistung der Nachhaltigkeit von Investitionen und wirksames Katastrophenrisikomanagement

Die westlichen Balkanländer sind einem breiten Spektrum von Katastrophenrisiken ausgesetzt. Die katastrophalen Überschwemmungen, von denen Bosnien und Herzegowina sowie Serbien im Mai betroffen waren, haben nicht nur mehrere Dutzend Todesopfer gefordert, sondern auch beträchtliche sozioökonomische Auswirkungen gehabt. Die Gesamtschäden werden auf etwa 2,04 Mrd. EUR in Bosnien und Herzegowina (dies entspricht fast 15 % des BIP) bzw. etwa 1,52 Mrd. EUR in Serbien beziffert. Sie haben sich außerdem erheblich auf die Wachstumsaussichten beider Länder ausgewirkt, was mit nachteiligen Folgen für ihre langfristige nachhaltige Entwicklung verbunden sein wird. Die Überschwemmungen haben veranschaulicht, wie wichtig nachhaltige Investitionen in ein wirksames Katastrophenrisikomanagement und eine wirksame Einbindung der Katastrophenschutzpolitik in die allgemeine Wirtschaftspolitik dieser Länder sind.

c) Rechtsstaatlichkeit und Grundfreiheiten

i)     Rechtsstaatlichkeit

Die Rechtsstaatlichkeit ist einer der Werte, auf die sich die EU gründet, und steht nach wie vor im Mittelpunkt des Beitrittsprozesses. Länder, die der Union beitreten möchten, müssen bereits ab einem frühen Stadium das reibungslose Funktionieren der Schlüsselinstitutionen fördern bzw. konsolidieren, die für die Gewährleistung der Rechtsstaatlichkeit erforderlich sind. Die Rechtsstaatlichkeit ist für stabile Rahmenbedingungen für Unternehmen unerlässlich, da sie Rechtssicherheit für die Wirtschaftsbeteiligten mit sich bringt, die Verbraucher unterstützt und Investitionen, Beschäftigung und Wachstum ankurbelt. Auf diesem Gebiet wurden in den Erweiterungsländern im vergangenen Jahr einige positive Entwicklungen verzeichnet. Die Eröffnung der Kapitel 23 und 24 bietet Montenegro eine wichtige Grundlage für die Umsetzung seiner umfassenden Aktionspläne, die ein breites Spektrum von Rechtsstaatlichkeitsfragen abdecken. Serbien ist im Vorfeld der Aufnahme der Beitrittsverhandlungen über diese Kapitel gut vorangekommen. In Albanien wurden große Anstrengungen unternommen, um die organisierte Kriminalität zu bekämpfen.

Die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit ist eine zentrale Herausforderung für die meisten Länder im Erweiterungsprozess, vor allem was die Verbesserung der Arbeitsweise und Unabhängigkeit der Justiz und die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität anbelangt. Dazu bedarf es eines starken politischen Willens, der über die reine Abgabe von Erklärungen hinausgeht und zu greifbaren Ergebnissen führt. Die Länder müssen eine glaubwürdige Erfolgsbilanz bei Ermittlungen, Anklageerhebungen und endgültigen Verurteilungen in Fällen von organisierter Kriminalität und Korruption erreichen, einschließlich angemessener Strafen und der Einziehung von Vermögenswerten.

In den meisten Fällen bedarf es weit reichender Justizreformen mit dem Ziel der Schaffung eines effizienten und unabhängigen Justizwesens mit fairen Gerichtsverfahren sowie einer leistungsorientierten Ernennung und Beförderung von Richtern, deren Unparteilichkeit und Rechenschaftspflicht gewährleistet sind. Die meisten Länder verfügen über Strategien für die Justizreform. Allerdings befindet sich die Umsetzung noch in einem frühen Stadium und es bleiben noch zahlreiche Herausforderungen bestehen. Die Unabhängigkeit der staatlichen Justizräte muss gewährleistet sein, es müssen solidere Verfahren für die Ernennung von Richtern und Staatsanwälten eingeführt werden und die Unabhängigkeit der Justiz muss unter Sicherstellung ihrer Rechenschaftspflicht geschützt werden. Qualität und Effizienz der Justiz sind häufig mangelhaft und die meisten Länder sind von einem Rückstau anhängiger Verfahren und von Schwierigkeiten bei der Vollstreckung von Urteilen betroffen. In der Rechtskultur bedarf es eines Wandels, bei dem die Erbringung von Diensten für die Bürger stärker in den Mittelpunkt rückt.

Ausbildung von Justizbeamten in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien:

Die Akademie für Richter und Staatsanwälte wurde 2006 eingerichtet und nahm ihre Tätigkeit im Jahr 2007 auf. Sie bietet eine vorbereitende Ausbildung für angehende Richter und Staatsanwälte in Form eines zweijährigen theoretischen und praktischen Programms sowie eine kontinuierliche Fortbildung für Richter, Staatsanwälte, Justizbedienstete und Beamte während ihrer gesamten Laufbahn an. Die Ausbildung wird größtenteils durch Fachpersonal wie hochrangige Richter gewährleistet. 80 Richter und Staatsanwälte haben bereits das vorbereitende Ausbildungsprogramm absolviert und im vergangenen Jahr erreichte die Akademie  mit über 270 berufsbegleitenden Fortbildungsveranstaltungen mehr als 7 300 Teilnehmer. Ein dezentrales System steht für Teilnehmer außerhalb der Hauptstadt zur Verfügung, ebenso E-Learning-Module, die über das Internetportal der Akademie bereitgestellt werden. Außerdem werden Kontakte zu internationalen Justizeinrichtungen gefördert, einschließlich Auslandspraktika.

Die Korruption ist nach wie vor ein gravierendes Problem in den meisten Erweiterungsländern. In Bereichen wie der Vergabe öffentlicher Aufträge und der Privatisierung führen korrupte Praktiken weiterhin zur Zweckentfremdung von Mitteln aus den bereits knappen nationalen Haushalten und stehen so einem florierenden Geschäfts- und Investitionsklima entgegen, das ohne Rechtssicherheit nicht zu gewährleisten ist. Von der Korruption sind auch die Bürger unmittelbar betroffen, wenn sie Zugang zu bestimmten öffentlichen Dienstleistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung suchen. Instrumente für eine wirksame Korruptionsprävention werden immer noch nicht ausreichend eingesetzt. Es bedarf einer proaktiveren, besser koordinierten und effektiven Strafverfolgung, um sicherzustellen, dass Korruptionsfälle, auch  auf hoher Ebene, ordnungsgemäß untersucht, verfolgt und geahndet werden. In diesem Bereich ist eine nachhaltige Bilanz umfassender Ergebnisse erforderlich.

Die Länder müssen für einen soliden Rahmen für die Korruptionsprävention sorgen, wobei es weiterer Anstrengungen in Bezug auf die Finanzierung von politischen Parteien und Wahlkämpfen, die Handhabung von Interessenkonflikten, die Transparenz bei der Verwendung öffentlicher Mittel, den Zugang zu Informationen und die Beschlagnahme und Einziehung von Vermögenswerten bedarf. In diesem Zusammenhang sind die Reform der öffentlichen Verwaltung und der Verwaltung der öffentlichen Finanzen von entscheidender Bedeutung. Es sind Verbesserungen bei der Datenerhebung und beim Datenzugang notwendig, um die Transparenz zu erhöhen und zur Überwachung der Korruptionsbekämpfungsmaßnahmen beizutragen.

Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität stellt in den meisten Erweiterungsländern nach wie vor ein erhebliches Problem dar. Es werden zwar Fortschritte erzielt, doch muss noch mehr getan werden, um die Strafverfolgungsbehörden mit wirksamen rechtlichen und ermittlungstechnischen Instrumenten zur Bekämpfung und Ahndung der organisierten Kriminalität auszustatten und proaktive Ermittlungen zu gewährleisten. Die Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption ist von entscheidender Bedeutung, um gegen die kriminelle Unterwanderung des politischen, rechtlichen und wirtschaftlichen Systems vorzugehen. Die Strafverfolgungsbehörden und das Justizwesen müssen widerstandsfähiger gegenüber der Korruption werden und es müssen mehr Kontrollen eingeführt werden, damit scheinbar legale Unternehmen, hinter denen sich kriminelle Aktivitäten verbergen, aufgespürt werden können. Die Fähigkeit zur Durchführung komplexer Ermittlungen im Finanzbereich sowie zur Bekämpfung der Geldwäsche muss erheblich verbessert werden und neue Bedrohungen wie die Cyberkriminalität müssen angegangen werden. Erträge aus Straftaten müssen auf wirksame Weise eingezogen werden, es muss ein System für die erweiterte Einziehung von Vermögenswerten eingeführt werden und es sollte in Betracht gezogen werden, die illegale Bereicherung unter Strafe zu stellen, um gegen das Phänomen des Reichtums ungeklärter Herkunft vorzugehen.

Die grenzübergreifende Dimension vieler Straftaten und organisierter krimineller Vereinigungen erfordert eine verstärkte regionale und internationale Zusammenarbeit einschließlich eines besseren Eingehens auf Ersuchen der Mitgliedstaaten um polizeiliche und justizielle Zusammenarbeit. Die operative Zusammenarbeit mit den einschlägigen europäischen Stellen, insbesondere Europol, Eurojust und Frontex wird ebenfalls fortgesetzt. Operative Abkommen mit Europol traten für Serbien und Albanien in Kraft, während ein Abkommen für Montenegro sich in einem fortgeschrittenen Vorbereitungsstadium befindet. Die Kommission fördert nach wie vor ein regionales Netz von Staatsanwälten und koordinierte Zeugenschutzsysteme in der Region.

Durchführung einer strategischen Analyse der organisierten Kriminalität in Montenegro:

Jedes Land, das die organisierte Kriminalität erfolgreich bekämpfen will, muss über eine zusammenhängende strategische Gesamtanalyse der organisierten Kriminalität in seinem Hoheitsgebiet verfügen. Dies ist erforderlich für alle Akteure, auch über die Strafverfolgungsakteure hinaus, um die Bedrohungen zu verstehen, mit denen das Land konfrontiert ist, und auf Entwicklungen zu reagieren. Montenegro veröffentlichte im Frühjahr 2014 seine Bewertung der Bedrohungslage im Bereich der schweren und organisierten Kriminalität, die einen Überblick über die kriminellen Bedrohungen in der Region und die Sicherheitslage in Montenegro bietet. Die Bewertung dient nun der Ermittlung gemeinsamer Prioritäten für die Strafverfolgungsbehörden, die es ihnen ermöglichen, geeignete Lösungen zu erarbeiten und das Konzept der „erkenntnisgestützten Polizeiarbeit“ umzusetzen.

Die Kommission misst allen Aspekten der Rechtsstaatlichkeit in den Erweiterungsländern weiterhin einen hohen Stellenwert bei. In den Beitrittsverhandlungen wird ein neuer Ansatz für die Kapitel über Justiz und Grundrechte sowie Recht, Freiheit und Sicherheit verfolgt. Dies erfordert, dass während der Beitrittsvorbereitungen eine solide Erfolgsbilanz bei der Durchführung von Reformen erzielt wird. Die EU hat erstmals in den Beitrittsverhandlungen Zwischenkriterien festgelegt, und zwar im Dezember 2013 mit Montenegro. Serbien hat erhebliche Orientierungshilfen für die Ausarbeitung der umfassenden Aktionspläne erhalten, die als Grundlage für die Eröffnung der Verhandlungen über Rechtsstaatlichkeitsfragen dienen sollen. Diese Orientierungshilfen und Kriterien sind wegweisend für künftige Verhandlungen und Arbeiten mit anderen Erweiterungsländern. Fragen der Rechtsstaatlichkeit werden nun in einem frühen Stadium des Beitrittsprozesses mit allen Erweiterungsländern thematisiert und die Fortschritte in diesem Bereich sind ein wichtiger Faktor bei Entscheidungen über die einzelnen Phasen des EU-Beitrittsprozesses.

Das neue Konzept für die Kapitel 23 und 24 im Überblick

Das neue Konzept, das die Verhandlungskapitel 23 „Justiz und Grundrechte“ und 24 „Recht, Freiheit und Sicherheit“ betrifft, bietet einen strukturierteren Verhandlungsrahmen, bei dem die für eine adäquate Durchführung der Reformen benötigte Zeit berücksichtigt wird:

►     Die Kapitel 23 und 24 müssen zu einem frühen Zeitpunkt während des Prozesses geöffnet und am Ende geschlossen  werden, um eine maximale Zeitspanne für die Erzielung solider Erfolgsbilanzen zu gewähren, da eine Unumkehrbarkeit der Reformen angestrebt wird.

►     Die EU muss umfangreiche Orientierungshilfe als Grundlage für umfassende Reformaktionspläne bieten, die als Kriterien für die Eröffnung von Verhandlungskapiteln benötigt werden und als Katalysator für Reformen dienen.

►     Es werden „Zwischenkriterien“ eingeführt, um den Reformprozess weiter zu steuern und für eine plangemäße Umsetzung der Reformen zu sorgen.

►     Die Kriterien für den Verhandlungsabschluss werden erst festgelegt, wenn wesentliche Fortschritte in allen Bereichen erzielt wurden, einschließlich Erfolgsbilanzen bei der Umsetzung vor Ort.

►     Es werden Schutz- und Korrekturmaßnahmen eingeführt, beispielsweise die Aktualisierung der Kriterien und – um für eine allgemeine Ausgewogenheit beim Fortgang der Verhandlungen über alle Kapitel zu sorgen – ein Mechanismus zur Einstellung der Verhandlungen über andere Kapitel, wenn bei den Kapiteln 23 und 24 nicht plangemäß Fortschritte erzielt werden.

►     Es wird für mehr Transparenz und Teilhabe in dem Prozess gesorgt, unter anderem durch eine breit angelegte Konsultation der Interessenträger zu den Reformen, um eine möglichst breite Unterstützung für die Umsetzung sicherzustellen.

Generell nutzt die Kommission alle verfügbaren Instrumente zur Stärkung der Rechtsstaatlichkeit, insbesondere Folgendes: ihr regelmäßiges Monitoring, vor allem durch die gemeinsamen Gremien im Rahmen der Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen, der Bewertungsmissionen und der strukturierten Dialoge, ihre Berichterstattung, vor allem mithilfe der Fortschrittsberichte, die finanzielle Unterstützung durch IPA II mit Schwerpunkt auf der Rechtsstaatlichkeit, den Institutionenaufbau, TAIEX, Twinning-Maßnahmen und Peer Reviews, bei denen Richter, Staatsanwälte und andere Sachverständige für Rechtsdurchsetzung, Grenzmanagement und Migration aus den Mitgliedstaaten in direkten Kontakt zu ihren Amtskollegen treten. Im Rahmen der positiven Agenda für die Türkei wurde eine Arbeitsgruppe zu Kapitel 23 eingesetzt. Zur besseren Bekämpfung der transnationalen Kriminalität fördert die Kommission die verstärkte justizielle und polizeiliche Zusammenarbeit innerhalb der Region, mit den EU-Mitgliedstaaten sowie mit Europol, Eurojust und Frontex und zunehmend auch mit dem Europäischen Unterstützungsbüro für Asylfragen. Um ein geeignetes Vorgehen gegen das Phänomen der ausländischen Kämpfer zu entwickeln, müssen die Erweiterungsländer ihre Fähigkeit zur Verhinderung der Radikalisierung verbessern, unter anderem durch den Austausch bewährter Methoden und eine verstärkte Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten. Die Visaliberalisierung, die mit besonderen Reformbedingungen verknüpft ist, hat dazu beigetragen, dass die Länder ihre Anstrengungen gezielter ausrichten können. Die Länder müssen ihre Bemühungen um die Konsolidierung dieser Reformen verstärken. Die nicht der Visumpflicht unterliegenden Länder müssen unverzüglich Maßnahmen zur Verhinderung des Missbrauchs der liberalisierten Visaregelungen ergreifen. Es bedarf konsolidierter Anstrengungen in den Bereichen Migration und Grenzmanagement. Noch ausstehende Fragen in diesen Bereichen werden weiter in den relevanten Foren angegangen, beispielsweise im Kontext des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens und auch in den Verhandlungen über Kapitel 24 (Recht, Freiheit und Sicherheit).

ii)   Grundrechte

Die Lage bei den bürgerlichen, politischen, sozialen und wirtschaftlichen Rechten sowie den Rechten von Angehörigen der Minderheiten in den Erweiterungsländern wird von der Kommission sorgfältig überwacht. Die Grundrechte sind weitgehend gesetzlich verankert, doch muss noch mehr getan werden, um zu gewährleisten, dass sie in der Praxis in vollem Umfang eingehalten werden. Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit werfen nach wie vor besondere Besorgnis auf. Die Rechte der Angehörigen von Minderheiten müssen besser geschützt werden und Diskriminierungen und Feindseligkeiten gegenüber benachteiligten Gruppen, unter anderem aus Gründen der sexuellen Orientierung, müssen bekämpft werden. Außerdem bedarf es weiterer Arbeiten zum Schutz der Rechte von Frauen, einschließlich der Bekämpfung von häuslicher Gewalt. Bei den Rechten der Kinder sind Verbesserungen notwendig. Weiterer Anstrengungen bedarf es außerdem bei der Unterstützung von Menschen mit Behinderungen. Auch bei anderen Grundrechten wie dem Recht auf Eigentum sind noch Herausforderungen zu bewältigen. Häufig sind wirksamere Maßnahmen zur Erleichterung des Zugangs zur Justiz erforderlich.

Die Länder müssen einen solideren institutionellen Rahmen für den Schutz der Grundrechte einführen. Menschenrechtsorganisationen, darunter auch Bürgerbeauftragte, sind vorhanden, doch ihre Stellung muss proportional zur Schwere der Probleme gestärkt werden. Allzu häufig bleiben die Empfehlungen dieser Institutionen unbeachtet, ohne dass dies von den staatlichen Stellen ausreichend weiterverfolgt würde. Außerdem muss die Akzeptanz der Arbeit von Nichtregierungsorganisationen und Menschenrechtsverteidigern insgesamt gestärkt werden. Um die Erweiterungsländer besser in den EU-Rahmen einzubinden und die Verbreitung bewährter Methoden zu unterstützen, fordert die Kommission die Kandidatenländer auf, ihre Vorbereitungen auf die Teilnahme als Beobachter an den Arbeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte fortzusetzen.

Wahrung der Grundrechte durch das Verfassungsgericht in der Türkei:

Seit 2011 kann jede Person, die ihre verfassungsmäßigen Grundrechte und Grundfreiheiten durch öffentliche Behörden verletzt sieht, das Verfassungsgericht anrufen, und zwar grundsätzlich, wenn zuvor alle ordentlichen Rechtsbehelfe ausgeschöpft wurden. Auf der Grundlage dieses Verfahrens hat das türkische Verfassungsgericht im Jahr 2014 beschlossen,

• die Freiheit der Meinungsäußerung und des Internet zu schützen,

• das Recht auf Freiheit und Sicherheit und das Recht auf ein faires Verfahren zu schützen und den Weg für Wiederaufnahmeverfahren in mehreren Aufsehen erregenden Fällen zu ebnen, die in der Türkei zur Polarisierung geführt haben,

•      Hassreden aus Gründen der sexuellen Orientierung als Straftatbestand anzuerkennen.

Ø Freiheit der Meinungsäußerung und Medienfreiheit

Der rechtliche Rahmen für die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit ist in den Erweiterungsländern weitgehend vorhanden, wobei sich im Großen und Ganzen eine pluralistische Medienlandschaft etabliert hat. Im vergangenen Jahr hat sich die Situation bezüglich der Freiheit der Meinungsäußerung und der Medienfreiheit in einigen Ländern allerdings in der Praxis verschlechtert. Viele wichtige Herausforderungen müssen dringend angegangen werden; unter anderem geben die Eingriffe der Regierung in die Medienfreiheit weiterhin Anlass zu ernster Besorgnis. Es bedarf weiterer Anstrengungen, um die politische und finanzielle Unabhängigkeit der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten sicherzustellen, die Aufsichtsbehörden zu stärken und eine funktionierende Selbstregulierung der Medien zu fördern. Ferner muss auch gegen die inoffizielle Macht der Wirtschaft über die Medien vorgegangen werden, unter anderem durch Transparenz bei den Eigentumsverhältnissen der Medien mit dem Ziel, eine übermäßige Medienkonzentration zu verhindern, sowie durch transparente Ausschreibungsregeln für staatliche Werbekampagnen. In einigen Ländern wird durch fortgesetzte Gewalt und Einschüchterung gegenüber Journalisten ein Klima der Angst und Selbstzensur  geschürt, wobei die Behörden bei der Ermittlung und angemessenen Bestrafung der Täter wenig Erfolge vorweisen können. Gelegentlich tragen die Regierungen selbst zu einer Atmosphäre bei, in der Journalisten, die der Regierungspolitik kritisch gegenüberstehen, als Verräter abqualifiziert werden, was eine Selbstzensur zur Folge hat. Obwohl der Tatbestand der Verleumdung abgeschafft wurde, werden Journalisten weiterhin strafrechtlich verfolgt. Es sind Weiterentwicklungen und Schulungen im Justizwesen erforderlich, um dem Missbrauch staatlicher Gewalt entgegenzuwirken.

Die Kommission räumt den Arbeiten auf dem Gebiet der freien Meinungsäußerung und der Medienfreiheit im Rahmen des EU-Beitrittsprozesses weiterhin Priorität ein. Die Kommission wird die Möglichkeit prüfen, 2015 zusammen mit dem Europäischen Parlament die dritte Speak-Up!-Konferenz zu veranstalten, bei der wichtige Vertreter der Medien, der Zivilgesellschaft und der nationalen Behörden zusammentreffen. Im späteren Jahresverlauf wird die Kommission erstmals einen Preis für investigativen Journalismus verleihen.

Ø Schutz von Minderheiten, einschließlich der Roma

Insgesamt sind solide und gut ausgearbeitete Rechtsrahmen für den Minderheitenschutz vorhanden. Die Umsetzung in der Praxis gestaltet sich jedoch häufig schwierig, insbesondere wenn ein Zusammenhang mit jüngeren Konflikten besteht. Es muss mehr unternommen werden, um die ordnungsgemäße Umsetzung der rechtlichen Verpflichtungen sicherzustellen und besser auf die Schwierigkeiten der ethnischen Minderheiten einzugehen. Fragen wie der Verwendung von Minderheitensprachen, dem Zugang zur Bildung und der politischen Vertretung muss vielfach noch größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Es muss eine Kultur der Akzeptanz von Minderheiten gefördert werden, und Feindseligkeiten seitens der Gesellschaft müssen durch Bildungsmaßnahmen, öffentliche Debatten und Sensibilisierungskampagnen bekämpft werden. Gegenüber Fällen von ethnisch motivierten Hassreden, Diskriminierung, Gewalt und Einschüchterung muss ein proaktives Null-Toleranz-Konzept  verfolgt werden. Es ist wichtig, dass in Bereichen wie audiovisuelle Medien, Sport, Politik, Bildung und Internet ein kohärenter Rahmen für die Bekämpfung bestimmter Formen und Ausdrucksweisen von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit fest etabliert wird.

In allen westlichen Balkanländern und auch in der Türkei ist die Lage der meisten Roma-Gemeinschaften nach wie vor äußerst besorgniserregend. Häufig sind die Roma Opfer von Rassismus, Diskriminierung und sozialer Ausgrenzung und leben in tiefer Armut ohne ausreichenden Zugang zu Gesundheitsversorgung, Wohnraum und Beschäftigung. Das Fehlen von Personenstandsunterlagen wirft ebenfalls Besorgnis auf. Die Kommission veranstaltete im April 2012 ein hochrangiges Gipfeltreffen zur Lage der Roma, um die Aufmerksamkeit auf die Schwierigkeiten der Roma in ganz Europa, einschließlich der Erweiterungsländer, zu lenken. Dabei wurde die besondere Rolle der lokalen und regionalen Behörden bei der Gewährleistung der sozialen Integration der Roma hervorgehoben. 2014 führte die Kommission einen Preis für Roma-Integration ein, um den wertvollen Beitrag von NRO zur Inklusion der Roma zu würdigen.

Die Kommission arbeitet eng mit allen Erweiterungsländern zusammen, um eine angemessene Umsetzung, Weiterverfolgung und Überwachung der nationalen Strategien zur Eingliederung der Roma sicherzustellen. Auch die finanzielle Unterstützung durch IPA wird intensiviert und gezielter auf die Unterstützung nachhaltiger Fortschritte in den fünf vorrangigen Bereichen Bildung, Beschäftigung, Gesundheit, Wohnraum und Personenstandsunterlagen ausgerichtet. Die Kommission beabsichtigt, die strategische Zusammenarbeit mit internationalen Organisationen und anderen Gebern zu verstärken. Die Integration der Roma muss eine Priorität auf nationaler Ebene werden, unterstützt durch einen starken politischen Willen auf allen Ebenen, wobei sämtliche Akteure ihrer Verantwortung nachkommen müssen.

Förderung der frühkindlichen Bildung — Lehrassistenten aus der Roma-Gemeinschaft in Serbien:

Mit Blick auf die Steigerung der Schulbesuchsquote von Roma-Kindern und zur Förderung des Abschlusses des Primarschulzyklus unterstützt die EU in Serbien seit 2008 ein Netz von mehr als 170 pädagogischen Assistenten. Diese leisten Hilfe für Schüler aus benachteiligten Gruppen, von denen viele Roma sind, organisieren Unterrichtsstunden und halten Kontakt zu den Eltern. Diese Initiative, die nun fest in das serbische Bildungssystem eingebunden ist, hat zu einem deutlichen Anstieg der Schulbesuchsquote in den unteren Klassen sowie der Teilnahme an den Vorschulprogrammen geführt.

Ø Sexuelle Orientierung und Geschlechtsidentität

Homophobie, Diskriminierung und Hassverbrechen, einschließlich Gewalt und Einschüchterung, aufgrund der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität sind in den westlichen Balkanländern und in der Türkei immer noch weit verbreitet. Die Antidiskriminierungsvorschriften in der Türkei und der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien müssen dringend auf die sexuelle Orientierung und die Geschlechtsidentität ausgeweitet werden. In diesen beiden Ländern und auch in Bosnien und Herzegowina sowie im Kosovo müssen noch Rechtsvorschriften über Hassverbrechen eingeführt werden. Es müssen Schulungen für Strafverfolgungsbeamte, Bürgerbeauftragte, Richter und Angehörige der Medienberufe durchgeführt werden, um sie mit den neuen Rechtsvorschriften vertraut zu machen, deren ordnungsgemäße Anwendung sicherzustellen und zu einem größeren Verständnis beizutragen.

Es bedarf eines Null-Toleranz-Konzepts gegenüber Hassreden, Gewalt und Einschüchterung sowie einer starken Führungsrolle der Behörden, um einen Wandel in der häufig feindseligen Haltung der Gesellschaft gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI) zu bewirken. Die Länder müssen Maßnahmen zur Bekämpfung von Stereotypen und Fehlinformationen ergreifen, auch im Bildungswesen. Religiöse oder kulturelle Werte dürfen keinesfalls geltend gemacht werden, um Diskriminierungen zu rechtfertigen. Die Versammlungsfreiheit und die Freiheit der Meinungsäußerung müssen geachtet werden, auch durch einen angemessenen Umgang mit Paraden zum Thema „Gay Pride“.

Die Kommission wird im Spätherbst gemeinsam mit dem Europäischen Parlament und der italienischen Ratspräsidentschaft eine hochrangige Konferenz veranstalten, um Bilanz über den Stand der Dinge und die Fortschritte beim Thema LGBTI zu ziehen und bewährte Verfahren auszutauschen.

Verbesserung der Reaktion der Polizei auf Gewalt gegen LGBTI-Personen in Bosnien und Herzegowina:

Fälle von Drohungen und Gewalt gegen Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung werden in der gesamten Region üblicherweise nur sehr lückenhaft erfasst. Dies ist teilweise auf Gleichgültigkeit oder sogar Feindseligkeit seitens Polizei und Gesellschaft sowie auf einen Mangel an Vertrauen in die Gegenmaßnahmen der Behörden zurückzuführen. Die Polizei in Sarajewo hat speziell ausgebildete Verbindungsbeamte  ernannt, die sich mit Fällen von Drohungen und Angriffen gegen Homosexuelle befassen. Diese Initiative ist das Ergebnis einer guten Zusammenarbeit zwischen der Polizei und den NRO und hat innerhalb der Polizei zu einem stärkeren Bewusstsein dafür geführt, dass dieses Phänomen wirksamer bekämpft werden muss und dass gegen alle Fälle von Hassverbrechen angemessener vorgegangen werden muss.

Ø Frauenrechte

Es muss mehr getan werden, um die Frauenrechte zu fördern und die Gleichstellung der Geschlechter zu gewährleisten. Die Diskriminierungen bei der Beschäftigung, sowie die geringe Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt müssen angegangen werden. Klischees und traditionelle Geschlechterrollen bestehen fort, teils in einem Maß, das die Möglichkeiten von Frauen zur Ausübung ihrer Rechte stark beschneidet, insbesondere in der Türkei. Im Kosovo stoßen Frauen auf erhebliche Hindernisse bei der Wahrnehmung ihres Rechts auf das Erbe von Grund und Boden. Die meisten Länder der Region haben das Übereinkommen des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt ratifiziert, das in diesem Jahr in Kraft getreten ist. Seine Umsetzung ist von wesentlicher Bedeutung, da die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und die Unterstützung von Opfern für alle Länder nach wie vor eine Herausforderung darstellen. In der Türkei geben häusliche Gewalt, Unterdrückung und Gewalt aus Gründen der „Ehre“ sowie das Problem der Früh- und Zwangsehen weiterhin Anlass zu ernster Besorgnis. Mit dem Übereinkommen wird eine Reihe von Straftatbeständen eingeführt, die als Gewalt gegen Frauen gelten und unter Strafe gestellt werden müssen. Dazu zählen psychische, physische und sexuelle Gewalt, einschließlich Vergewaltigung, Zwangsehen und Stalking.

Umfassendes Programm zur Gleichstellung der Geschlechter in Montenegro:

Die politischen und rechtlichen Entwicklungen der letzten Jahre haben eine neue Grundlage geschaffen, um Frauen zur Wahrnehmung ihrer Rechte zu befähigen und ihre Möglichkeit, einen Beitrag zur politischen, wirtschaftlichen und sozialen Entwicklung zu leisten, zu verbessern. Mit dem Ziel sicherzustellen, dass die einschlägigen Rechtsvorschriften und Maßnahmen umgesetzt werden, hat Montenegro ein umfassendes Gleichstellungsprogramm eingeleitet, um das Recht von Frauen auf Unversehrtheit, ihr wirtschaftliches Vorankommen und ihre politische Vertretung zu fördern. Dies hat zur Einsetzung multidisziplinärer Teams für die Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen geführt und zur Erhöhung des Anteils von Frauen im Parlament beigetragen.

Ø Rechte des Kindes

Es muss mehr getan werden, um die Rechte des Kindes zu schützen; so müssen vor allem der Schutz vor allen Formen von Gewalt und der Zugang zur Justiz und Jugendgerichtsbarkeit gewährleistet und gemeinschafts- und familienbasierte Alternativen zur Heimunterbringung von Kindern ohne elterliche Fürsorge gefördert werden. Die meisten Länder der Region haben inzwischen die Rechtsgrundlagen geschaffen und Aktionspläne eingeführt, sind jedoch mit der Umsetzung im Rückstand.

III. Regionale und bilaterale Fragen und Vergangenheitsbewältigung

Gutnachbarschaftliche Beziehungen und regionale Zusammenarbeit sind wesentliche Elemente des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses.

Die gutnachbarschaftlichen Beziehungen wurden durch die Intensivierung der Zusammenarbeit und der Kontakte auf bilateraler Ebene gestärkt, auch in sensiblen Bereichen wie Kriegsverbrechen, Flüchtlingsrückkehr – unter anderem durch Umsetzung des regionalen Wohnraumbeschaffungsprogramms im Rahmen des Sarajewo-Prozesses[4] (wo der Wohnungsbau jetzt im Gange ist) – und im Bereich der organisierten Kriminalität und der polizeilichen Zusammenarbeit. Die Fortschritte müssen weiter konsolidiert werden. Die Überschwemmungen, von denen Bosnien und Herzegowina sowie Serbien im Mai stark betroffen waren, haben nicht nur zu massiven Maßnahmen der EU geführt, wodurch deren Solidarität und die Vorteile einer besseren Integration zum Ausdruck kamen, sondern auch zu einer guten Zusammenarbeit zwischen diesen beiden Ländern und innerhalb der gesamten Region. Über die nationalen und ethnischen Grenzen hinweg wurde starke Solidarität gezeigt, vor allem, aber nicht nur auf Basisebene. Die politischen Entscheidungsträger sollten die Gelegenheit nutzen, auf diesem guten Willen aufzubauen, um die gemeinsamen Herausforderungen auf dem Weg in die EU in den Mittelpunkt der weiteren Zusammenarbeit zu rücken.

Es bedarf weiterer Bemühungen zur Überwindung der bilateralen Streitigkeiten zwischen den Erweiterungsländern und mit den Mitgliedstaaten. Zahlreiche ungelöste Fragen stellen weiterhin eine Belastung für die bilateralen Beziehungen in der Region dar, insbesondere solche, die durch den Zerfall des ehemaligen Jugoslawien aufgeworfen wurden, wie Streitigkeiten zwischen ethnischen Gruppen oder über Statusfragen, die Lage der Minderheiten, die Verantwortung für Kriegsverbrechen, vermisste Personen und der Verlauf der Grenzen. Die diametral entgegengesetzten Standpunkte zur jüngsten Geschichte belasten ebenfalls die Beziehungen. Den ersten Schritten zur Unterstützung der Initiative für Wahrheitsfindung und Aussöhnung (RECOM) sollten nun weitere folgen. Die Aussöhnung ist unverzichtbar, um die Stabilität zu fördern und in Südosteuropa zur Schaffung eines Umfelds beizutragen, das die Vergangenheitsbewältigung fördert, um so das Risiko einer politischen Instrumentalisierung der ungelösten bilateralen Probleme auszuräumen.

Bilaterale Fragen müssen von den Betroffenen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt angegangen werden und sollten den Beitrittsprozess – der auf den festgelegten Auflagen basieren sollte – nicht aufhalten. Die Kommission fordert die Beteiligten mit Nachdruck auf, Grenzstreitigkeiten im Einklang mit den bestehenden Grundsätzen und Möglichkeiten zu lösen und gegebenenfalls an den Internationalen Gerichtshof oder andere vorhandene bzw. ad hoc eingerichtete Streitbeilegungsinstanzen zu verweisen. Von den Beitrittsverhandlungen können politische Impulse für die Streitbeilegung ausgehen. Der Prozess der Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo muss weiterverfolgt und die Vereinbarung von Brüssel[5] umgesetzt werden. Die EU hat das Erfordernis einer Normalisierung der Beziehungen in den Verhandlungsrahmen mit Serbien und in das SAA mit dem Kosovo eingebunden. In Bezug auf die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist es nach wie vor wichtig, dass die gutnachbarschaftlichen Beziehungen gewahrt bleiben und dass unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen unverzüglich eine für beide Seiten akzeptable Lösung in der Frage des Ländernamens ausgehandelt wird. Die Kommission wird weiterhin allen betroffenen Ländern politische Unterstützung und Erleichterungen anbieten, um bilaterale Fragen möglichst frühzeitig zu lösen; außerdem wird sie die Lösungssuche in anderen Foren aktiv unterstützen.

Die gutnachbarschaftlichen Beziehungen werden weiter durch verschiedene regionale Kooperationsinitiativen verbessert. Die Kommission unterstützt uneingeschränkt die Arbeiten im Rahmen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (SEECP) und des Regionalen Kooperationsrates (RCC), einschließlich der Regionalstrategie 2020. Die Kommission begrüßt die Einrichtung der regionalen parlamentarischen Versammlung des SEECP im Mai und die unlängst eingeleitete verstärkte Zusammenarbeit der sechs westlichen Balkanstaaten im Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess. Im Rahmen dieser Initiative fanden in jüngster Zeit wichtige Kontakte zwischen den Außen- und Finanzministern der Region statt, um gemeinsame Herausforderungen zu erörtern, vor allem auf dem Gebiet der wirtschaftlichen Governance. Die Zusammenarbeit in anderen regionalen Gremien wie im Rahmen der Mitteleuropäischen Freihandelszone (CEFTA), der Energiegemeinschaft und der Regionalen Schule für öffentliche Verwaltung wurde fortgesetzt. Solche Initiativen müssen komplementär und integrativ sein und die Region muss Eigenverantwortung dafür übernehmen und sie selbst steuern. Die Kommission begrüßt, dass auf dem Gipfel von Berlin im August starke politische Unterstützung für die europäische Perspektive der westlichen Balkanstaaten zum Ausdruck gebracht wurde. Es sind weitere jährliche Gipfeltreffen geplant, von denen das nächste von Österreich ausgerichtet werden soll. Der „Berlin-Prozess“ kann maßgeblich zur Förderung von Reformen und zur Vereinbarung realistischer Prioritäten für Schlüsselinvestitionen in die Vernetzung beitragen. Außerdem kann er als Ansporn zur Lösung offener bilateraler Fragen fungieren. Die Kommission ist bereit, Folgemaßnahmen zu dieser Initiative zu unterstützen.

***

IV. Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Auf der Grundlage der vorstehenden Analyse und der Bewertungen in den im Anhang beigefügten Zusammenfassungen für die einzelnen Länder gelangt die Kommission zu folgenden Schlussfolgerungen und gibt folgende Empfehlungen ab:

I

1. In den letzten fünf Jahren hat die Kommission die Glaubwürdigkeit der Erweiterungspolitik verbessert und ihre Transformationskraft gestärkt, indem sie sichergestellt hat, dass bereits in einem frühen Stadium des Erweiterungsprozesses eine stärkere Fokussierung auf grundlegende Reformen erfolgt. Die Kommission hat besonderen Nachdruck auf die drei Säulen i) Rechtsstaatlichkeit, ii) wirtschaftliche Governance und iii) Reform der öffentlichen Verwaltung gelegt.

2. 2012 führte die Kommission ein neues Konzept für die Rechtsstaatlichkeit ein. 2013 hat die Kommission einen Rahmen für die Stärkung der wirtschaftlichen Governance vorgestellt, der sich auf die Erfahrungen im Rahmen des Europäischen Semesters stützt. In diesem Jahr legt die Kommission neue Ideen zur Unterstützung der Reform der öffentlichen Verwaltung in den Beitrittsländern dar. Die drei Säulen des intensivierten Erweiterungsprozesses sind miteinander verbunden, und Fortschritte in diesen Bereichen sind maßgeblich für die Entscheidung, wann die Länder uneingeschränkt für den Beitritt zur EU bereit sind.

3. Die Erweiterungspolitik der EU bringt allen Seiten Vorteile in Form von Frieden, Sicherheit und Wohlstand in Europa. Sie untermauert die politische und wirtschaftliche Stärke der EU und hat eine beträchtliche Transformationswirkung auf die betroffenen Länder. Ein gut vorbereiteter Beitrittsprozess stellt sicher, dass die Erweiterung nicht zu Lasten der Effizienz der Union geht.

4. Der zehnte Jahrestag des historischen Beitritts von zehn Mitgliedstaaten, der im Mai begangen wurde, hat an die erzielten Fortschritte erinnert. Mit der Erweiterung nehmen auch die Chancen für Unternehmen, Anleger, Verbraucher, Touristen, Studierende und Eigentümer von Grundbesitz in der EU zu. Die Erweiterung der EU ist nicht nur den beitretenden Ländern zugutegekommen, sondern auch den bestehenden Mitgliedstaaten. Handel und Investitionen haben zugenommen. Die Lebensqualität der Bürger hat sich verbessert, da die Umwelt-, Verbraucher- und weitere Normen der EU breitere Anwendung finden.

5. Für die Länder des westlichen Balkans stellt die von den Mitgliedstaaten gebotene klare Perspektive einer EU-Mitgliedschaft einen wichtigen stabilisierenden Faktor dar. Sie unterstützt die Fortschritte bei der Erfüllung der geltenden Bedingungen einschließlich der Bedingungen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses. Gutnachbarschaftliche Beziehungen und eine integrative regionale Zusammenarbeit sind unverzichtbar. Kontinuierliche Bemühungen um die Beilegung bilateraler Streitigkeiten und die Bewältigung der Vergangenheit sind angesichts der Geschichte der in jüngster Vergangenheit vom Konflikt zerrissenen Region von größter Bedeutung.

6. Die Erweiterung hat sich zu einem starken außenpolitischen Instrument der Union entwickelt. Die Entwicklungen in der Nachbarschaft der EU unterstreichen die Bedeutung der Erweiterungspolitik als Instrument für eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit in zentralen außenpolitischen Fragen. Der bilaterale außenpolitische Dialog sollte mit allen Erweiterungsländern intensiviert werden. Kapitel 31 „Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik“ sollte frühzeitig mit den verhandelnden Ländern erörtert werden. Die Kommission hebt hervor, wie wichtig es ist, dass die Erweiterungsländer ihre Standpunkte schrittweise an die außenpolitischen Standpunkte der EU angleichen. Sie unterstreicht außerdem die Bedeutung der gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik, darunter die Beteiligung an den Programmen der Europäischen Verteidigungsagentur.

7. Der Beitrittsprozess ist rigoros, denn er beruht auf strengen, aber fairen Bedingungen, etablierten Kriterien und der Beurteilung nach den eigenen Leistungen. Dies ist unabdingbar, um die Glaubwürdigkeit der Erweiterungspolitik sicherzustellen, den Erweiterungsländern Anreize für die Fortsetzung weitreichender Reformen zu bieten und zu gewährleisten, dass die EU-Bürger den Prozess unterstützen. Was die Mitgliedstaaten anbelangt, so sollten sie zusammen mit den EU-Institutionen eine fundierte Debatte über die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Erweiterungspolitik führen.

8. Was die erste Säule anbelangt, so ist die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit von zentraler Bedeutung für den intensivierten Beitrittsprozess. Die Reform der Justiz muss mit Nachdruck verfolgt werden, um für ein unabhängiges und unparteiisches Justizwesen mit einer wirksamen Rechtsprechung zu sorgen. Die Länder müssen eine glaubwürdige Erfolgsbilanz bei Ermittlungen, Anklageerhebungen und Verurteilungen in Fällen von organisierter Kriminalität und Korruption erreichen. Urteile sollten abschreckend sein und durch kriminelle Handlungen erworbene Vermögenswerte sollten eingezogen werden. Die Rechtsstaatlichkeit fördert durch mehr Rechtssicherheit das Geschäfts- und Investitionsklima und leistet so einen Beitrag zur Wettbewerbsfähigkeit, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zum Wachstum.

9. Die Kommission setzt das neue vom Rat im Dezember 2011 gebilligte Konzept für die Rechtsstaatlichkeit weiter um. Dadurch, dass bereits in einem frühen Stadium des Beitrittsprozesses auf die Rechtsstaatlichkeit eingegangen wird, erhalten die Länder so viel Zeit wie möglich, um solide Erfolgsbilanzen bei der Durchführung der Reformen zu erzielen. Dies trägt dazu bei, die solide Verankerung und die Unumkehrbarkeit der Reformen sicherzustellen. Im Einklang mit dem neuen Konzept ist die Kommission entschlossen, für eine allgemeine Ausgewogenheit in den Verhandlungen zu sorgen. Die Fortschritte in den Kapiteln 23 „Justiz und Grundrechte“ und 24 „Recht, Freiheit und Sicherheit“ müssen parallel zu den allgemeinen Fortschritten in den Verhandlungen erzielt werden.  Die Kommission weist darauf hin, dass die Verhandlungsrahmen eine Klausel zur allgemeinen Ausgewogenheit enthalten und dass die Möglichkeit besteht, die Verhandlungen über andere Kapitel auszusetzen, wenn nicht plangemäß Fortschritte bei der Rechtsstaatlichkeit erzielt werden. 

10. Die Grundrechte sind in den Rechtsvorschriften der Erweiterungsländer größtenteils gesetzlich verankert, doch muss noch mehr getan werden, um zu gewährleisten, dass sie in der Praxis in vollem Umfang eingehalten werden.  Die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit werfen nach wie vor besondere Besorgnis auf. Die Rechte der Angehörigen von Minderheiten müssen besser geschützt werden. Die Diskriminierungen und Feindseligkeiten gegenüber benachteiligten Gruppen, unter anderem aus Gründen der sexuellen Orientierung, werfen nach wie vor große Besorgnis auf. Es bedarf weiterer Arbeiten zum Schutz der Rechte von Frauen – einschließlich der Bekämpfung von häuslicher Gewalt – sowie von Kindern und Menschen mit Behinderungen. Die Erweiterungsländer müssen besser in den EU-Rahmen eingebunden werden und die Verbreitung bewährter Methoden muss unterstützt werden. Die Kommission fordert die Kandidatenländer auf, ihre Vorbereitungen auf die Teilnahme als Beobachter an den Arbeiten der Agentur der Europäischen Union für Grundrechte fortzusetzen.

11. Was die zweite Säule betrifft, so ist die Verbesserung der wirtschaftlichen Governance und der Wettbewerbsfähigkeit in den Erweiterungsländern wichtig für die Erfüllung der wirtschaftlichen Kriterien für die EU-Mitgliedschaft.  Die Reformen sollten verstärkt werden, um nachhaltiges Wachstum zu erreichen, die Rahmenbedingungen für Unternehmen zu verbessern und Investitionen anzukurbeln. Die hohe Arbeitslosigkeit muss bekämpft werden, insbesondere bei jungen Menschen. Durch die Förderung der wirtschaftlichen Entwicklung dürfte auch der auf der EU lastende Migrationsdruck gemindert werden. Ob in Bezug auf die Freizügigkeit der Arbeitnehmer Übergangsmaßnahmen und/oder ein Schutzmechanismus  notwendig sind und wie diese gestaltet werden, wird – unter Berücksichtigung einer noch durchzuführenden Folgenabschätzung – während der Beitrittsverhandlungen über eine künftige Erweiterung erörtert werden.

12. Gestützt auf die Erfahrungen im Rahmen des Europäischen Semesters und die gestärkte wirtschaftliche Governance in der EU hat die Kommission verbesserte Kooperationsprozesse mit den Erweiterungsländern eingeleitet. Die Kommission plant für die Länder des westlichen Balkans die Ausarbeitung nationaler Wirtschaftsreformprogramme, die aus zwei Teilen bestehen. Teil 1 wird aus einer erweiterten Fassung der wirtschaftlichen Heranführungsprogramme für die Kandidatenländer und der Wirtschafts- und Finanzprogramme für potenzielle Kandidaten bestehen; auch das Kosovo wird in den Prozess einbezogen. Dieser Teil wird einen mittelfristigen makroökonomischen und finanzpolitischen Rahmen enthalten, bei dem ein stärkerer Schwerpunkt auf der Bewertung der Tragfähigkeit der Zahlungsbilanz und der strukturellen Wachstumshemmnisse liegen wird. Teil 2 wird sich auf Strukturreformen beziehen, die naturgemäß sektoraler Art und für mehr Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum in den einzelnen Ländern von besonderem Belang sind; dazu zählt auch der Investitionsbedarf im Infrastrukturbereich. Mit Blick auf eine verstärkte Überwachung wird der Bewertungsprozess zu gezielteren politischen Leitlinien für die einzelnen Länder führen. Mit der Türkei wird ein Wirtschaftsdialog auf hoher Ebene aufgenommen.

13. Was die dritte Säule anbelangt, so stellt die Reform der öffentlichen Verwaltung in allen Ländern eine Priorität dar. Im öffentlichen Dienst herrscht weiterhin eine zu starke Politisierung. Die Transparenz, Rechenschaftspflicht, Professionalität und Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung müssen verbessert werden. Die Bedürfnisse von Bürgern und Unternehmen müssen stärker in den Mittelpunkt rücken. Der Verwaltung der öffentlichen Finanzen muss ebenfalls mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Die Kommission wird die Reform der öffentlichen Verwaltung besser in den Erweiterungsprozess einbetten. Mit den Erweiterungsländern wurden bzw. werden „Sonderarbeitsgruppen für die Reform der öffentlichen Verwaltung” eingerichtet. Diese Gruppen werden eine zentrale Plattform bilden, um die Reformen der öffentlichen Verwaltung voranzutreiben. Eine strukturiertere politische Diskussion zu den Schlüsselthemen sollte im SAA-Assoziationsrat/Assoziationsausschuss stattfinden. Die Beitrittsverhandlungen sollten auch genutzt werden, um die notwendigen Reformen zu fördern. Die Schlüsselthemen sollten im Rahmen der einschlägigen Kapitel – darunter öffentliches Beschaffungswesen, Finanzkontrolle, Justiz und Grundrechte, Steuern und Wirtschafts- und Währungspolitik – sowie auf Regierungskonferenzen erörtert werden. Die Sonderarbeitsgruppen werden auch ein Forum für horizontale Fragen der Verwaltungsreform bilden, die sich aus den entsprechenden Verhandlungskapiteln ergeben, und werden die Fortschritte beobachten und für Kohärenz sorgen. Die Ergebnisse werden in die Verhandlungen über die einzelnen Kapitel einfließen.

14. Die Stärkung des Funktionierens und der Unabhängigkeit der wichtigsten demokratischen Institutionen in den Erweiterungsländern ist von wesentlicher Bedeutung für die Unterstützung des Reformprozesses. Dazu gehört die Gewährleistung eines konstruktiven und nachhaltigen Dialogs unter Einbeziehung des gesamten politischen Spektrums, vor allem innerhalb des Parlaments. Außerdem muss mehr getan werden, um günstige Rahmenbedingungen für Organisationen der Zivilgesellschaft zu fördern. Eine starke Zivilgesellschaft leistet einen Beitrag zur politischen Rechenschaftspflicht und zur Verbesserung des Verständnisses der beitrittsbezogenen Reformen.

15. Gutnachbarschaftliche Beziehungen sind ein wesentliches Element des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses. Es bedarf kontinuierlicher Bemühungen um die Bewältigung der Vergangenheit, die Förderung der Aussöhnung und die Beilegung bilateraler Streitigkeiten zwischen den Erweiterungsländern sowie mit den Mitgliedstaaten. Bilaterale Fragen müssen von den Betroffenen zu einem möglichst frühen Zeitpunkt angegangen werden und sollten den Beitrittsprozess – der auf den festgelegten Auflagen basieren sollte – nicht aufhalten.

16. Die regionale Zusammenarbeit wurde im vergangenen Jahr weiter ausgebaut. Die Kommission unterstützt uneingeschränkt die Arbeiten im Rahmen des Südosteuropäischen Kooperationsprozesses (SEECP) und des Regionalen Kooperationsrates (RCC), einschließlich der Regionalstrategie 2020. Eine positive Entwicklung war die zunehmende Einbindung des Kosovo in die regionalen Initiativen. Die Kommission begrüßt die Einleitung der verstärkten Zusammenarbeit der sechs westlichen Balkanländer im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsprozesses. Diese Entwicklungen stärken die multilaterale Dimension der Erweiterungspolitik, unterstützen die integrative Zusammenarbeit und den Austausch bewährter Verfahren im Bereich der wirtschaftlichen Governance und fördern die Vernetzung innerhalb der Region und mit der EU. Die Kommission begrüßt es auch, dass auf dem Gipfel von Berlin im August starke politische Unterstützung für die europäische Perspektive der westlichen Balkanstaaten zum Ausdruck gebracht wurde. Es sind weitere jährliche Gipfeltreffen geplant, von denen das nächste von Österreich ausgerichtet werden soll. Der „Berlin-Prozess“ kann maßgeblich zur Förderung von Reformen und zur Vereinbarung realistischer Prioritäten für Schlüsselinvestitionen in die Vernetzung beitragen. Außerdem kann er als Ansporn zur Lösung offener bilateraler Fragen fungieren. Die Kommission ist bereit, Folgemaßnahmen zu dieser Initiative zu unterstützen.

17. 2014 wurde das neue Instrument für Heranführungshilfe ins Leben gerufen. Im Rahmen des IPA II wird die EU 11,7 Mrd. EUR für den Zeitraum 2014-2020 bereitstellen, um die Erweiterungsländer bei ihren Vorbereitungen auf den Beitritt zu unterstützen und die regionale und die grenzübergreifende Zusammenarbeit zu fördern. Der Schwerpunkt von IPA II liegt noch stärker auf den für den EU-Beitritt wichtigen Prioritäten in den Bereichen Demokratie und Rechtsstaatlichkeit sowie Wettbewerbsfähigkeit und Wachstum. Mit IPA II werden ein sektorbezogenes Konzept, Anreize für die Erzielung konkreter Ergebnisse, eine verstärkte Budgethilfe und eine Priorisierung von Projekten eingeführt. Es bedarf eines koordinierten Ansatzes für die großen Investitionen in die wichtigsten Infrastrukturkorridore. Die Koordinierung mit den internationalen Finanzinstitutionen wird derzeit gestärkt. Über den Investitionsrahmen für den westlichen Balkan werden weiterhin Investitionen unterstützt, die Wachstum und Beschäftigung ankurbeln und die Vernetzung in der Region fördern.

II

18. Montenegro: Es wurden weitere Schritte im Rahmen der Beitrittsverhandlungen unternommen. Die analytische Durchsicht des Besitzstands (Screening) wurde im Mai 2014 abgeschlossen. Im Dezember wurden die Verhandlungen über Kapitel 23 „Justiz und Grundrechte“ und Kapitel 24 „Recht, Freiheit und Sicherheit“ eröffnet. Auf der Grundlage der von Montenegro angenommenen Aktionspläne hat die EU einen umfassenden Katalog mit 84 Zwischenkriterien für die Kapitel 23 und 24 erstellt.  Diese Kriterien bieten eine klare Orientierung für künftige Reformen. Insgesamt wurden die Verhandlungen zu zwölf Kapiteln eröffnet und zu zwei Kapiteln vorläufig abgeschlossen.

19. Die Umsetzung der Aktionspläne hat begonnen. Infolge der Angleichung der einschlägigen Rechtsvorschriften an die Verfassungsänderungen vom Juli 2013 wurde eine Reihe von wichtigen Beamten, Richtern und Staatsanwälten ernannt und gewählt. Nach mehreren Versuchen ernannte das Parlament im Oktober 2014 schließlich einen neuen Generalstaatsanwalt. Die Effizienz der Justiz wurde verbessert. Der Rechtsrahmen für den Schutz der Grundrechte, darunter das Gesetz über den Bürgerbeauftragten, wurde gestärkt.

20. Allerdings gab es Verzögerungen bei einer Reihe von Maßnahmen, insbesondere bei den Legislativreformen, vor allem im Hinblick auf die Korruptionsbekämpfung. Legislative Maßnahmen, die angenommen wurden, haben keine konkreten Ergebnisse nach sich gezogen. Montenegro sollte rasch für die Annahme eines geeigneten Gesetzes über die Finanzierung politischer Parteien sorgen. Bei Ermittlungen, Strafverfolgungen und endgültigen Verurteilungen in Korruptionsfällen, einschließlich der Korruption auf hoher Ebene, muss eine glaubwürdige Erfolgsbilanz erreicht werden. Es sollte sichergestellt werden, dass Beschlagnahmen und Einziehungen von Vermögenswerten systematisch angewandt werden. In Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung und der Medien bestehen nach wie vor ernstliche Bedenken. Die Aufklärung von Fällen von Gewalt gegen Journalisten sollte beschleunigt werden. Es muss ein konstruktiver politischer Dialog eingeführt werden, und das Vertrauen in den Wahlprozess und die staatlichen Institutionen muss wiederhergestellt werden. Die Stärkung der Verwaltungskapazitäten für Fragen der EU-Integration ist von grundlegender Bedeutung, um auf dem Weg in die EU mit gleichbleibender Dynamik voranzukommen. Außerdem muss der öffentliche Dienst entpolitisiert und seine Professionalität erhöht werden. Die Wirtschaftsreform muss fortgesetzt werden, um nicht zuletzt die hohe Arbeitslosigkeit anzugehen, und die Rahmenbedingungen für Unternehmen müssen verbessert werden. Eine nachhaltige und mit dem SAA zu vereinbarende Lösung für den Aluminiumhersteller KAP ist dringend erforderlich.

21. Es bedarf einer starken politischen Entschlossenheit zur Durchführung der tiefgreifenden und dauerhaften politischen Reformen, die für die Stärkung der Rechtsstaatlichkeit erforderlich sind. Montenegro ist das erste Land, mit dem die Beitrittsverhandlungen über die Kapitel 23 und 24 nach dem neuen Konzept eröffnet werden. Die Kommission erinnert daran, dass der Verhandlungsrahmen eine Klausel zur allgemeinen Ausgewogenheit enthält. Die durch greifbare Ergebnisse nachzuweisenden Fortschritte bei der Erfüllung der Zwischenkriterien für das Kapitel über die Rechtsstaatlichkeit und die obengenannten Schwachstellen werden sich auf das Tempo der Beitrittsverhandlungen insgesamt auswirken, einschließlich der Tagesordnungen künftiger Regierungskonferenzen.

22. Serbien: Die Beitrittsverhandlungen zwischen der EU und Serbien sind nun im Gange. Der Beschluss des Europäischen Rates zur Aufnahme von Verhandlungen konnte dank der Fortschritte Serbiens bei den Reformen und seines anhaltenden Willens zur Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo gefasst werden. Die erste Regierungskonferenz zu den Verhandlungen fanden im Januar 2014 statt. Die analytische Durchsicht des EU-Besitzstands (Screening) schreitet plangemäß voran. Die starken Überschwemmungen, von denen das Land im Mai betroffen war, hatten beträchtliche sozioökonomische Auswirkungen. Die EU reagierte sofort mit umfangreichen Rettungs- und Hilfsmaßnahmen und veranstaltete im Juli eine Geberkonferenz. Die internationale Gemeinschaft ging umfangreiche Zusagen für die Phase der Erholung und des Wiederaufbaus ein.

23. Serbien hat bei der Reform der öffentlichen Verwaltung einige Fortschritte erzielt. Das Land verabschiedete eine umfassende Strategie und verstärkte die Koordinierung und Planung. Im Bereich der Justiz wurden wichtige Rechtsvorschriften und Regeln für die Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten angenommen. Ein große Anzahl von Gerichtspräsidenten wurde endgültig ernannt. Es gibt starke politische Impulse zur Bekämpfung der Korruption. In einigen Fällen von Korruption auf hoher Ebene wurden Ermittlungen durchgeführt und es wurden Bemühungen unternommen, um die Koordinierung zu verbessern. Serbien hat sich aktiv an der regionalen Zusammenarbeit im Bereich der Strafverfolgung beteiligt.

24. Allerdings sind zur Gewährleistung einer effizienten und unabhängigen Justiz weitere Schritte notwendig. Wichtige Rechtsvorschriften, wie das Gesetz über die Prozesskostenhilfe, das Gesetz über den Informantenschutz und das Gesetz über Interessenkonflikte, müssen noch verabschiedet werden. Die Korruption ist in vielen Bereichen nach wie vor verbreitet. Serbien muss eine Erfolgsbilanz mit konkreten Ergebnissen bei der Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität erreichen. Die Grundrechte müssen in der Praxis uneingeschränkt geachtet werden, einschließlich des Schutzes der am stärksten benachteiligten Gruppen. Es besteht Besorgnis wegen der Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die uneingeschränkte Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung. Die Schwächen in der öffentlichen Verwaltung müssen angegangen werden. Den Feststellungen der unabhängigen Regulierungsstellen muss besser Folge geleistet werden. Auch wirtschaftliche Reformen sind wichtig, um das Wachstum zu fördern und gegen die hohe Arbeitslosigkeit anzugehen.

25. Die neue Regierung, der ein starkes Mandat erteilt wurde, sollte diese Gelegenheit nutzen, die Reformen mit Nachdruck zu verfolgen. Serbien steht noch vor zahlreichen Herausforderungen. Das Land muss die Teilhabe und Transparenz im Beitrittsprozess auf proaktive Weise fördern. Zur Unterstützung des Reformprozesses sollte Serbien die Planung, Koordinierung und Überwachung der Umsetzung der neuen Rechtsvorschriften und Politikmaßnahmen verbessern. Im Einklang mit dem neuen Konzept für die Rechtsstaatlichkeit wurden im Rahmen der Kapitel 23 und 24 Kriterien für die Eröffnung der Verhandlungen festgelegt, denen zufolge Serbien umfassende Aktionspläne vorlegen muss. Um eine allgemeine Ausgewogenheit in den Verhandlungen zu gewährleisten, müssen die Fortschritte in diesen Kapiteln parallel zu den allgemeinen Fortschritten in den Verhandlungen erzielt werden.

26. Serbien muss seinen Willen zur regionalen Zusammenarbeit aufrechterhalten und sich weiter aktiv und konstruktiv für die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo  einsetzen, bei der bedeutende Fortschritte erzielt wurden. Serbien sollte auch weiterhin die Umsetzung der im Rahmen des Dialogs getroffenen Vereinbarungen sicherstellen. Die Kommission weist darauf hin, dass der Verhandlungsrahmen – wie im Fall der die Rechtsstaatlichkeit betreffenden Kapitel – erfordert, dass die Fortschritte bei der Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo im Rahmen von Kapitel 35 parallel zu den Fortschritten in den Verhandlungen insgesamt erfolgen. Kapitel 35 sollte in einem frühen Stadium der Verhandlungen geöffnet werden. Damit würde eine solide Grundlage für die Überwachung der Umsetzung der erzielten Vereinbarungen geschaffen.

27. Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien: Der Beitrittsprozess der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien steckt in einer Sackgasse. Da der Empfehlung der Kommission an den Rat keine Folge geleistet wurde, wurden die Beitrittsverhandlungen immer noch nicht eröffnet. Gleichzeitig wurde die Nachhaltigkeit der Reformen beeinträchtigt, da die Regierung es versäumt hat, in einer Reihe von entscheidenden Fragen für ausreichende Ergebnisse zu sorgen, wobei in einigen Bereichen Rückschritte sichtbar wurden.

28. Bei der Reform der öffentlichen Verwaltung sowie der aktiven polizeilichen Zusammenarbeit auf regionaler und internationaler Ebene wurden einige weitere Fortschritte erzielt.  Im Verhältnis zu dem Stand seines Beitrittsprozesses hat das Land bei der Angleichung an den Besitzstand ein hohes Niveau erreicht. Die EU-Agenda bildet nach wie vor die strategische Priorität des Landes.

29. Im letzten Jahr gab es jedoch ernste Bedenken wegen der zunehmenden Politisierung der staatlichen Institutionen und der Kontrolle der Regierung über die Medien; dies galt nach Berichten des OSZE/BDIMR auch im Kontext der Wahlen. Das Vertrauen in die staatlichen Institutionen wird immer weiter ausgehöhlt. Das selektive Vorgehen der Justiz wirft wachsende Bedenken auf. Die Lage bei der Medienfreiheit hat sich weiter verschlechtert. Jüngste politische Krisen zwischen Regierung und den Oppositionsparteien haben gezeigt, dass Parteiinteressen zunehmend Vorrang vor nationalen Interessen erhalten. Sowohl die Regierung als auch die Opposition müssen sicherstellen, dass die politische Debatte vorrangig im Parlament stattfindet, und zur Schaffung der Voraussetzungen für dessen reibungsloses Arbeiten beitragen. Die Regierung muss gewährleisten, dass die Opposition die Möglichkeit hat, ihre demokratische Kontrollfunktion uneingeschränkt auszuüben. Gleichzeitig muss die Opposition sich ebenfalls konstruktiv in die demokratischen Prozesse einbringen. Im vergangenen Jahr fand keine Sitzung im Rahmen des Beitrittsdialogs auf hoher Ebene statt. Was die Beziehungen zwischen den ethnischen Gruppen anbelangt, so muss größeres Vertrauen zwischen ihnen aufgebaut werden. Die Überprüfung des Rahmenabkommens von Ohrid muss noch abgeschlossen und die entsprechenden Empfehlungen müssen umgesetzt werden.

30. Es ist nach wie vor wichtig, dass entscheidende Schritte in Bezug auf die Lösung der „Namensfrage“ mit Griechenland unternommen werden. Die Tatsache, dass die Streitparteien nach 19 Jahren in den Gesprächen unter Vermittlung der Vereinten Nationen immer noch nicht zu einer Lösung gelangt sind, hat direkte nachteilige Auswirkungen auf die auf Europa gerichteten Bestrebungen des Landes. Es bedarf eines entschlossenen Handelns sowie proaktiver Unterstützung seitens der Führungsspitzen der EU. Die Kommission wiederholt noch einmal ihren Standpunkt: Wären das „Screening“ und die Gespräche im Rat über den Verhandlungsrahmen im Gange, hätte die notwendige unterstützende Dynamik geschaffen werden können, um sogar noch vor der Eröffnung der Verhandlungskapitel zu einer von beiden Seiten akzeptierten Lösung der Namensfrage auf dem Verhandlungswege zu gelangen.

31. Die Kommission ist angesichts der von dem Land erreichten Gesamtfortschritte alles in allem der Auffassung, dass die politischen Kriterien nach wie vor in ausreichendem Maß erfüllt werden, und erhält ihre Empfehlung aufrecht, die Beitrittsverhandlungen zu eröffnen, bedauert jedoch die im letzten Jahr verzeichneten Rückschritte. Die Kommission fordert die Behörden dringend auf, entschiedene Maßnahmen zu ergreifen, um der wachsenden Politisierung und den zunehmenden Mängeln bei der Unabhängigkeit der Justiz und der Freiheit der Meinungsäußerung zu begegnen, damit sie ihre Empfehlung auch in den kommenden Jahren aufrechterhalten kann. Die Kommission ist weiter entschlossen, die Bemühungen des Landes bei der in Inangriffnahme aller EU-relevanten Reformen zu unterstützen, auch durch einen sämtliche Beteiligten einbeziehenden Dialog auf hoher Ebene, damit das volle Potenzial der Beziehungen ausgeschöpft werden kann.

32. Albanien: Der Beschluss des Europäischen Rates vom Juni 2014, Albanien den Kandidatenstatus zuzuerkennen, stellt eine Anerkennung für die Reformschritte des Landes dar und dient gleichzeitig als Ermutigung, das Reformtempo zu erhöhen. Im November 2013 nahm die Kommission mit Albanien einen Dialog auf hoher Ebene auf, um das Land dabei zu unterstützen, den EU-Integrationsprozess weiter nachdrücklich zu verfolgen und die Reformfortschritte im Zusammenhang mit den für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen festgelegten Schlüsselprioritäten zu überwachen. Albanien hat im Mai 2014 einen Fahrplan zur Festlegung und Strukturierung der geplanten Reformen im Rahmen der Schlüsselprioritäten verabschiedet.

33. Albanien hat im letzten Jahr Fortschritte erzielt. In Bezug auf die Justizreform wurden weitere Maßnahmen ergriffen. Die Regierung hat den politischen Willen gezeigt, bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption entschlossen vorzugehen. Der Rechtsrahmen wurde gestärkt und die strategische Koordinierung und Überwachung auf zentraler Ebene wurden verbessert. Bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist in einer Reihe von Bereichen ein positiver Trend zu verzeichnen, der auf die Intensivierung der Strafverfolgungsmaßnahmen vor allem in Bezug auf die Beschlagnahmung von Drogen und den Kampf gegen Drogenkriminalität sowie die Wirtschaftskriminalität und den Menschenhandel zurückzuführen ist. Es wurden einige Schritte unternommen, um die gesetzliche Anerkennung der Rechte von lesbischen, schwulen, bi-, trans- und intersexuellen Personen zu verbessern.

34. Nach wie vor gibt es jedoch zahlreiche Schwachstellen, insbesondere im Bereich der Rechtsstaatlichkeit. Hier gibt noch viel zu tun. Die Bekämpfung der Korruption und der organisierten Kriminalität stellt immer noch eine beträchtliche Herausforderung dar. Albanien muss erhebliche und nachhaltige Anstrengungen unternehmen, um die Umsetzung der Schlüsselprioritäten für die Eröffnung der Beitrittsverhandlungen anzugehen. Das Land muss in folgenden Bereichen entschlossenes Handeln an den Tag legen: Fortsetzung der Reform der öffentlichen Verwaltung mit Blick auf die Verbesserung ihrer Professionalität und ihre Entpolitisierung; Verfolgung einer umfassenden Reform der Justiz, um ihre Unabhängigkeit, Effizienz und Rechenschaftspflicht durch einen integrativen Prozess und in enger Abstimmung mit der Venedig-Kommission zu stärken; Intensivierung der Bemühungen um die Korruptionsbekämpfung und Ergreifen weiterer entschlossener Maßnahmen zur Bekämpfung der organisierten Kriminalität im Hinblick auf die Schaffung einer soliden Erfolgsbilanz bei proaktiven Ermittlungen, Anklageerhebungen und Verurteilungen in beiden Bereichen; Ergreifung wirksamer Maßnahmen zum besseren Schutz der Menschenrechte, auch der Roma, zur verstärkten Bekämpfung von Diskriminierung und zur Umsetzung von Eigentumsrechten. Was die Freiheit der Meinungsäußerung und die Medienfreiheit betrifft, so hat die Regierung es versäumt, Maßnahmen zur Verwirklichung der festgelegten Prioritäten zu treffen. Die Agentur für audiovisuelle Medien muss wieder in sämtliche gesetzlichen Funktionen eingesetzt werden und ihre Unabhängigkeit muss in der Praxis gewährleistet werden. Albanien sollte die wirtschaftlichen Reformen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und zur Bewältigung der hohen Arbeitslosigkeit fortsetzen,  gegen den hohen Anteil des informellen Sektors an der Wirtschaft vorgehen und die Rahmenbedingungen für Unternehmen verbessern.

35. Der Reformprozess muss unbedingt mit einem konstruktiven und nachhaltigen politischen Dialog zwischen der Regierung und der Opposition einhergehen. Sowohl die Regierung als auch die Opposition müssen sicherstellen, dass die politische Debatte vorrangig im Parlament stattfindet, und zur Schaffung der Voraussetzungen für dessen reibungsloses Arbeiten beitragen. Die Regierung muss gewährleisten, dass die Opposition die Möglichkeit hat, ihre demokratische Kontrollfunktion uneingeschränkt auszuüben. Gleichzeitig muss die Opposition sich ebenfalls konstruktiv in die demokratischen Prozesse einbringen. Eine auf Kompromissen basierende und konstruktive Arbeit im Parlament ist entscheidend für die Nachhaltigkeit der Reformen. Die Einrichtung eines Nationalen Rates für europäische Integration, in dem alle Interessenträger vereint sind, wird den inklusiven Charakter der Reformen weiter fördern. Darüber hinaus ist ein solcher Rat von entscheidender Bedeutung für ein Einvernehmen über die Reformen innerhalb der albanischen Gesellschaft.

36. Bosnien und Herzegowina: In Bosnien und Herzegowina stagniert der Prozess der europäischen Integration nach wie vor. Es fehlt immer noch ein kollektiver politischer Wille der politischen Entscheidungsträger, die für Fortschritte auf dem Weg in die EU notwendigen Reformen in Angriff zu nehmen. Bei den politischen und wirtschaftlichen Themen und bei der Annäherung an die europäischen Standards wurden nur sehr begrenzte Fortschritte erzielt. Die starken Überschwemmungen, von denen das Land im Mai betroffen war, hatten beträchtliche sozioökonomische Auswirkungen. Die EU reagierte sofort mit umfangreichen Rettungs- und Hilfsmaßnahmen und veranstaltete im Juli eine Geberkonferenz. Die internationale Gemeinschaft ging umfangreiche Zusagen für die Erholungs- und Wiederaufbauphase ein.

37. Die Bürgerproteste Anfang 2014 veranschaulichten die Fragilität der sozioökonomischen Lage. Die Kommission brachte drei Initiativen auf den Weg, um den Schwerpunkt auf Reformen und Themen zu verlagern, die die Bürger unmittelbar betreffen. Sie hat den strukturierten Dialog zwischen der EU und Bosnien und Herzegowina zum Thema Justiz auf weitere Rechtsstaatlichkeitsfragen ausgeweitet, insbesondere auf die Bekämpfung der Korruption. Sie hat eine gemeinsame Arbeitsgruppe EU-Bosnien und Herzegowina eingesetzt, um die Umsetzung der von der EU finanzierten Projekte zu beschleunigen. Sie hat die Stärkung der wirtschaftlichen Governance zum Schwerpunkt gemacht. Dazu gehörte die Ausarbeitung eines „Pakts für Wachstum und Beschäftigung“ zusammen mit anderen wichtigen Akteuren, darunter die internationalen Finanzinstitutionen. Der Pakt wird in den kommenden Monaten als Richtschnur für die notwendigen wirtschaftlichen Reformen dienen. Darüber hinaus wird er die Grundlage für das Nationale Wirtschaftsreformprogramm bilden, das das Land der Kommission bis Ende Januar 2015 vorlegen soll.

38. Das Fehlen eines wirksamen Koordinierungsmechanismus für EU-Angelegenheiten beeinträchtigt weiterhin die Interaktion des Landes mit der EU. Die politischen Spannungen im Ministerrat wegen der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen den verschiedenen Regierungsebenen hielten an. Erschwert wird dies durch die komplexen institutionellen Strukturen des Landes. Deswegen konnten drei der letzten sechs geplanten Sitzungen der Unterausschüsse im Rahmen des Interimsabkommens nicht stattfinden.  Außerdem weigert sich Bosnien und Herzegowina weiterhin, dieses Abkommen unter Berücksichtigung seiner vor dem Beitritt Kroatiens zur EU bestehenden traditionellen Handelsbeziehungen zu diesem Land anzupassen. Die Kommission hat Schritte unternommen, um bestimmte Handelsvergünstigungen für Bosnien und Herzegowina auszusetzen, wenn die Anpassung nicht bis Ende 2015 abgeschlossen ist. Das Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wurde 2008 unterzeichnet und 2011 ratifiziert, ist jedoch noch nicht in Kraft getreten, da Bosnien und Herzegowina die Bedingungen noch nicht erfüllt.

39. Die beteiligten politischen Akteure waren nicht in der Lage, sich auf landesweite Strategien zu einigen, wie sie für das Instrument für Heranführungshilfe in Bereichen wie Energie, Verkehr und Umwelt erforderlich sind. Dies hat zu einer beträchtlichen Verringerung der Finanzmittel in diesen Bereichen und zu einer Neuausrichtung auf Unterstützung geführt, die den Bürgern direkt zugutekommt. Die Erzielung der erforderlichen Einigung wird Bosnien und Herzegowina ermöglichen, in den uneingeschränkten Genuss der verfügbaren Mittel zu gelangen.

40. Trotz intensiver Vermittlungsbemühungen der Kommission zur Überwindung der verbleibenden Hindernisse wurde das Sejdić/Finci-Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte noch nicht umgesetzt. Das Urteil wird nach wie vor für enge parteipolitische und ethnische Interessen instrumentalisiert und eine Lösung wird von anderen Fragen abhängig gemacht.

41. Damit Bosnien und Herzegowina auf dem Weg in die EU vorankommt, müssen alle Regierungsebenen nach den Wahlen rasch formiert und konkrete Reformen zügig eingeleitet werden. Die politische Führung ist es den Bürgern und Bürgerinnen von Bosnien und Herzegowina schuldig, eine klare Richtung für das Land vorzugeben. Die Wirksamkeit und Funktionsweise der politischen Institutionen auf allen staatlichen Ebenen müssen verbessert werden. Dies gilt insbesondere für die Zusammenarbeit zwischen den verschiedenen Regierungsebenen. Dafür bedarf es der Einrichtung eines gut funktionierenden Koordinierungsmechanismus für EU-Angelegenheiten. Außerdem muss die öffentliche Verwaltung in allen Bereichen gestärkt werden.

42. Kosovo: Der Abschluss der Verhandlungen über ein Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen mit dem Kosovo und dessen Paraphierung im Juli bedeuten einen Meilenstein für die europäische Integration des Kosovo. Es handelt sich um das erste umfassende Abkommen zwischen der EU und dem Kosovo. Das SAA sieht einen verstärkten politischen Dialog und eine engere Handelsintegration, einschließlich der Öffnung der EU-Märkte für gewerbliche Waren und landwirtschaftliche Erzeugnisse aus dem Kosovo, sowie neue Formen der Zusammenarbeit vor. Die Kommission sieht nun der Unterzeichnung und dem Abschluss des Abkommens erwartungsvoll entgegen. Nach den Wahlen im Juni kam es zu einer zunehmenden Polarisierung in der Politik und das Kosovo ist in eine Situation des politischen Stillstands geraten, wodurch sich wichtige Reformen verzögern.

43. Das Kosovo hat Fortschritte im Dialog über die Visaliberalisierung erzielt.  Die gute Zusammenarbeit mit der EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX wurde fortgeführt. Die kosovarischen Behörden sind die bedeutende politische Verpflichtung eingegangen, das Mandat der Mission bei gleichzeitiger Übernahme von mehr Verantwortung zu erneuern; darüber hinaus haben sie zugestimmt, ein spezialisiertes Gericht für Fälle einzurichten, die von der Sonderermittlungseinheit aufgedeckt werden. Um diesen Prozess abschließen zu können, muss das Kosovo die erforderlichen Änderungen an den Rechtsvorschriften, einschließlich der Verfassung, annehmen. Das Kosovo sollte mit dem geplanten Gericht zusammenarbeiten und sich mit seiner Vergangenheit auseinandersetzen.

44. Das Kosovo steht vor zahlreichen Herausforderungen. Die Rechtsstaatlichkeit im Kosovo, einschließlich der Unabhängigkeit der Justiz, und die begrenzten Ergebnisse bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und der Korruption werfen nach wie vor große Besorgnis auf. Es muss mehr getan werden, um die im Dialog über Visafragen angesprochenen Mängel zu beheben; dazu zählt auch die Verringerung der Sicherheits- und migrationsbezogenen Risiken einer potenziellen Visaliberalisierung. Es müssen nun dringend strukturelle Wirtschaftsreformen eingeleitet werden, um gegen die hohe Arbeitslosigkeit vorzugehen. Wichtige Reformen, wie in den Bereichen Wahlrecht und öffentliche Verwaltung, müssen vorrangig durchgeführt werden; außerdem muss für den Schutz von Minderheiten gesorgt werden.

45. Das Kosovo muss aktiv an seiner EU-Reformagenda und den Prioritäten arbeiten, die in der Durchführbarkeitsstudie von 2012 und den jüngsten Fortschrittsberichten hervorgehoben wurden. Im Rahmen des SAA hat sich das Kosovo zu umfassenden Reformen und zur Angleichung an den EU-Besitzstand verpflichtet, darunter in Bereichen wie Rechtsstaatlichkeit, öffentliche Verwaltung, Wirtschaft, Wettbewerb und Handel. Das Kosovo sollte einen Schwerpunkt auf die Vorbereitung der reibungslosen Umsetzung des SAA, einschließlich der erforderlichen Strukturen, legen. Die Kommission ist bereit, das Kosovo beim Übergang zu dieser wichtigen neuen Phase in seinen Beziehungen zur EU zu unterstützen und ihren Dialog mit dem Nationalen Rat für europäische Integration zu intensivieren.

46. Die Fortschritte des Kosovo mit Blick auf seine europäische Zukunft wurden dadurch ermöglicht, dass das Kosovo bei den Reformen vorangekommen ist und sich weiter für die Normalisierung seiner Beziehungen zu Serbien engagiert hat, wobei erhebliche Fortschritte verzeichnet wurden. In diesem Zusammenhang muss die neue Regierung im Kosovo den Willen zur regionalen Zusammenarbeit aufrechterhalten und sich weiter aktiv und konstruktiv für die Normalisierung der Beziehungen zu Serbien einsetzen. Das Kosovo sollte die Umsetzung der im Rahmen des Dialogs getroffenen Vereinbarungen weiterhin sicherstellen.

47. Die Lage im nördlichen Kosovo ist nach wie vor angespannt. Alle Akteure sollten mit der EULEX-Mission zusammenarbeiten und von einseitigen Schritten Abstand nehmen. Die EULEX sollte bei der Ausübung ihres Mandats im Norden des Kosovo uneingeschränkt unterstützt werden. Es sollten weitere Anstrengungen unternommen werden, damit die vier Gemeinden im Norden in den Rechtsrahmen des Kosovo eingebunden werden können.

48. Türkei: Die Türkei ist ein Kandidatenland und ein strategischer Partner für die Europäische Union. Ihre dynamische Wirtschaft leistet einen wertvollen Beitrag zum Wohlstand des europäischen Kontinents. Angesichts der gravierenden Entwicklungen in der Region, insbesondere in Syrien und Irak, hat die Zusammenarbeit in außenpolitischen Fragen noch stärker an Bedeutung gewonnen. Aufgrund der strategischen Lage der Türkei ist es ferner wichtig, die Zusammenarbeit in den Bereichen Migrationspolitik und Energiesicherheit fortzusetzen. Die erheblichen Herausforderungen, die sich aus den jüngsten Entwicklungen in unserer gemeinsamen Nachbarschaft, einschließlich der Krise in der Ukraine, ergeben haben, machen noch einmal deutlich, wie wertvoll eine solche Zusammenarbeit ist.

49. Aktive und glaubwürdige Beitrittsverhandlungen bieten den am besten geeigneten Rahmen für die Nutzung des vollen Potenzials der Beziehungen zwischen der EU und der Türkei. Aufgrund seines einzigartigen umfassenden und tiefgreifenden Charakters fördert der Beitrittsprozess, zu dem es keine Alternative gibt, die EU-bezogenen Reformen und bietet eine wichtige Grundlage für die Vertiefung des Dialogs über außen- und sicherheitspolitische Fragen sowie für die Verbesserung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und der Handelsmöglichkeiten. Er trägt auch zur Stärkung der Zusammenarbeit in den Bereichen Energie sowie Justiz und Inneres, einschließlich Migrations- und Visa-/Rückübernahmefragen bei. Die Beitrittsverhandlungen müssen unter Einhaltung der von der EU eingegangenen Verpflichtungen und der vereinbarten Auflagen wieder an Dynamik gewinnen. Die EU sollte auch weiterhin ein wichtiger Anker für die wirtschaftlichen und politischen Reformen in der Türkei bleiben. In diesem Zusammenhang liegt es im Interesse sowohl der Türkei als auch der EU, dass die Eröffnungskriterien für die Kapitel 23 „Justiz und Grundrechte“ und 24 „Recht, Freiheit und Sicherheit“ so bald wie möglich festgelegt werden, damit die Verhandlungen über diese beiden Kapitel aufgenommen werden können. Die Türkei kann das Tempo der Verhandlungen erhöhen, indem sie bei der Erfüllung der entsprechenden Kriterien und der Anforderungen des Verhandlungsrahmens Fortschritte macht und ihren vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der EU nachkommt. Dies könnte dem Verhandlungsprozess erheblichen Elan verleihen. In der Zwischenzeit sollte die Zusammenarbeit zwischen der EU und der Türkei in allen wesentlichen Bereichen weiterentwickelt werden, vor allem in denjenigen, die bereits in der positiven Agenda ermittelt wurden.

50. Die Türkei spielt eine wichtige Rolle in der Region und engagiert sich aktiv in der weiteren Nachbarschaft. Vor diesem Hintergrund müssen der Dialog und die Zusammenarbeit in außenpolitischen Fragen von gemeinsamem Interesse weiter ausgebaut werden. Die Beteiligung der Türkei an Missionen und Einsätzen der GSVP sowie ihr jüngstes Angebot, einen Beitrag zu EUFOR RCA und EUBAM Libyen zu leisten, sind begrüßenswert.  Die Rolle, die die Türkei im Zusammenhang mit Syrien spielt, vor allem durch die sehr umfangreiche humanitäre Hilfe für Syrer, die vor der Gewalt über die Grenze fliehen, ist von großer Bedeutung. Die Europäische Union hat sich verpflichtet, die Regierungen und Aufnahmegemeinschaften der Nachbarländer Syriens auch weiterhin zu unterstützen, damit sie den zunehmenden Flüchtlingsstrom bewältigen können und insgesamt belastungsfähiger werden. Die Türkei hat deutlich ihre Bereitschaft zum Ausdruck gebracht, eine aktive Rolle in der Koalition gegen ISIL zu spielen. Der politische Dialog sollte genutzt werden, um eine engere Zusammenarbeit bei der Bekämpfung der ISIL und der sie finanzierenden Netze aufzubauen. Der aktive Dialog zwischen der EU und der Türkei über Terrorismusbekämpfung wird begrüßt und sollte weiter vertieft werden, vor allem in Bezug auf die „ausländischen Kämpfer“. Die Annahme weiterer Rechtsvorschriften über Terrorismusbekämpfung durch die Türkei wird diese Zusammenarbeit stärken. Die EU ermuntert die Türkei nach wie vor, ihre Außenpolitik ergänzend zur EU und in Abstimmung mit dieser weiterzuentwickeln und sich schrittweise der Politik und den Standpunkten der EU anzupassen.

51. Die Umsetzung der in den vorangegangenen Jahren angenommenen Reformen, vor allem des im September 2013 angekündigten Demokratisierungspakets, wurde fortgesetzt. Das Verfassungsgericht hat eine Reihe wichtiger Entscheidungen getroffen, die die Stabilität des Verfassungssystems des Landes gezeigt haben. Parallel zur Aufnahme des Dialogs über die Visaliberalisierung wurde im Dezember 2013 das Rückübernahmeabkommen zwischen der EU und der Türkei unterzeichnet, das am 1. Oktober 2014 in Kraft trat und eine neue Dynamik in die Beziehungen zwischen beiden Seiten brachte. Es wurden erneute Bemühungen zur Herbeiführung einer friedlichen Lösung der Kurdenfrage unternommen, insbesondere durch die Annahme von Rechtsvorschriften, die „eine stärkere rechtliche Grundlage für den Prozess“ schaffen sollen. Dieser Prozess ist von historischer Bedeutung für die Türkei und sollte von allen Seiten in redlicher Absicht fortgesetzt werden.

52. Die Reaktion der Regierung auf die Korruptionsvorwürfe vom Dezember 2013 führte zu großer Besorgnis in Bezug auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Gewaltenteilung. Die umfangreichen Versetzungen und Entlassungen von Polizeibeamten, Richtern und Staatsanwälten haben das wirksame Arbeiten der einschlägigen Institutionen stark beeinträchtigt und werfen trotz der Beteuerungen der Regierung, dass kein Zusammenhang mit der Korruptionsaffäre besteht, Fragen hinsichtlich der Art und Weise auf, wie offiziell vorgegangen wurde. Es ist von zentraler Bedeutung, dass Ermittlungen in mutmaßlichen Korruptionsfällen in uneingeschränkt transparenter Weise durchgeführt werden und dass für ausreichende operative Kapazitäten der Justiz- und Polizeibehörden gesorgt wird. Das Verbot der sozialen Medien, das später durch ein Urteil des Verfassungsgerichts aufgehoben wurde, und der Druck auf die Presse, der zu einer umfassenden Selbstzensur führte, zeigen, dass in Bezug auf die Freiheit der Meinungsäußerung ein restriktiver Ansatz verfolgt wird. Auch das Vorgehen hinsichtlich der Versammlungsfreiheit bleibt restriktiv. Die türkischen Rechtsvorschriften über die Versammlungsfreiheit, einschließlich der Umsetzung, und die Vorgehensweise der Strafverfolgungsbehörden müssen mit den europäischen Standards in Einklang gebracht werden.

53. In diesem Zusammenhang bestehen die Prioritäten für die Türkei nun darin, den Dialog über das gesamte politische Spektrum hinweg und in der Gesellschaft insgesamt zu fördern, ihre Bemühungen um die Reform der Rechtsstaatlichkeit zu verstärken und der Achtung der Grundrechte in Recht und Praxis besondere Aufmerksamkeit zu widmen. Durch die Aufnahme von Verhandlungen über die Kapitel 23 und 24 würde die Türkei einen umfassenden „Fahrplan“ für Reformen in diesem Schlüsselbereich erhalten. Die Türkei wird aufgerufen, systematischer mit der Kommission und anderen einschlägigen Gremien wie dem Europarat (einschließlich der Venedig-Kommission) zusammenzuarbeiten. Insgesamt sollte der wirksamen Umsetzung der geltenden Rechtsvorschriften mehr Aufmerksamkeit gewidmet werden. Das Ministerium für Europäische Angelegenheiten spielt eine entscheidende Rolle bei der Gewährleistung der Koordinierung und der Vereinbarkeit der neuen Rechtsvorschriften mit denen der EU. Die Kommission erwartet nun, dass die Türkei ihre vor kurzem angenommene EU-Strategie weiterverfolgt, die dem Beitrittsprozess der Türkei neue Impulse geben soll.

54. Die im Jahr 2012 auf den Weg gebrachte positive Agenda unterstützt und ergänzt weiterhin die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei durch eine intensivere Zusammenarbeit in verschiedenen Bereichen von gemeinsamem Interesse. Mehr Kontakte auf hoher Ebene zwischen der Türkei und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten würden zu einer weiteren Vertiefung der Zusammenarbeit führen. Die Herausforderungen im Bereich Justiz und Inneres, insbesondere hinsichtlich der Migration, müssen durch verstärkte gemeinsame Anstrengungen angegangen werden. Die EU erwartet, dass die Türkei ihren Verpflichtungen im Rahmen des Rückübernahmeabkommens gegenüber allen Mitgliedstaaten uneingeschränkt und wirksam nachkommt.

55. Mit ihrer großen und dynamischen Volkswirtschaft ist die Türkei außerdem ein wichtiger Handelspartner und im Rahmen der Zollunion eine wertvolle Komponente der Wettbewerbsfähigkeit der EU. Es ist an der Zeit, die Erschließung des vollen Potenzials der Zollunion voranzutreiben. Die EU und die Türkei sollten bei der Ausweitung und Modernisierung ihrer Handelsbeziehungen zum beiderseitigen Nutzen zusammenarbeiten. Eine Reihe von Fragen bezüglich der Funktionsweise der Zollunion, die in der 2014 abgeschlossenen Bewertung ermittelt wurden, sollten ebenfalls behandelt werden. Darüber hinaus ist es von zentraler Bedeutung, dass ein aktiver und weitreichender Wirtschaftsdialog aufgenommen wird. Die weitere Intensivierung der Zusammenarbeit der EU mit der Türkei im Energiebereich und Fortschritte bei den Beitrittsverhandlungen würden den Verbund und die Integration der Energiemärkte erleichtern. Durch die Eröffnung der Verhandlungen über Kapitel 5 (Öffentliches Beschaffungswesen), Kapitel 8 (Wettbewerb) und Kapitel 19 (Beschäftigung und Sozialpolitik), die erfolgen kann, sobald die Türkei die erforderlichen Kriterien erfüllt, würde die wirtschaftliche Zusammenarbeit erheblich gestärkt.

56. Die EU hebt die Hoheitsrechte der EU-Mitgliedstaaten hervor: Hierzu zählt unter anderem das Recht, bilaterale Abkommen zu schließen und ihre natürlichen Ressourcen im Einklang mit dem Besitzstand der EU und dem Völkerrecht – einschließlich des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen – zu erforschen und zu nutzen. Im Einklang mit den wiederholten Stellungnahmen des Rates und der Kommission in den Vorjahren muss die Türkei nun dringend ihre Verpflichtung zur vollständigen Umsetzung des Zusatzprotokolls erfüllen und bei der Normalisierung der Beziehungen zur Republik Zypern weiter vorankommen. Dies könnte dem Beitrittsprozess neue Impulse verleihen und damit insbesondere Fortschritte bei den Verhandlungen zu den acht von den Ratsschlussfolgerungen vom Dezember 2006 abgedeckten Kapiteln ermöglichen. Die Kommission ruft zudem zur Vermeidung jeglicher Drohung, Irritation oder provokativen Handlung auf, welche die gutnachbarschaftlichen Beziehungen und die friedliche Streitbeilegung beeinträchtigen könnte. Die Kommission begrüßt es, dass die Türkei die Wiederaufnahme der umfassenden Vermittlungsgespräche in Zypern unterstützt. Nun ist wichtig, dass darauf konstruktive Erklärungen und konkrete Maßnahmen folgen.

57. Die Kommission begrüßt die Wiederaufnahme umfassender Gespräche über die Zypern-Frage zwischen den Führern der griechisch-zyprischen und der türkisch-zyprischen Gemeinschaft unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen sowie die Ernennung von Espen Barth Eide zum Sonderberater des VN-Generalsekretärs für Zypern. Die Kommission erwartet, dass beide Seiten rasch substanzielle strukturierte Verhandlungen aufnehmen, die den Weg für eine umfassende, allen Seiten zugutekommende Einigung über die Zypern-Frage ebnet. Die Kommission ruft zu Maßnahmen auf, die zur Schaffung eines positiven Klimas zwischen den Gemeinschaften beitragen und den Zyprern in ihrem täglichen Leben zum Vorteil gereichen, und begrüßt zivilgesellschaftliche Initiativen mit diesem Ziel. Die EU hat ihre Bereitschaft bekundet, die Bedingungen einer Einigung im Einklang mit den Grundsätzen, auf denen die Union basiert, zu beachten. Erklärungen, die der Schaffung einer positiven Atmosphäre im Kontext der laufenden Gespräche über eine Einigung nicht förderlich sind, sollten vermieden werden.

58. Island: Infolge einer Entscheidung der Regierung des Landes sind die Beitrittsverhandlungen seit Mai 2013 ausgesetzt. Angesichts des Standpunkts der Regierung setzte die Kommission die schrittweise Einstellung der IPA-Heranführungshilfe für Island fort. Island bleibt als Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum, als Mitglied des Schengen-Raums und im Rahmen der Arktis-Kooperation ein wichtiger Partner der EU.  

ANHANG

Zusammenfassung der Feststellungen in den Fortschrittsberichten über Montenegro, Serbien, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, Albanien, Bosnien und Herzegowina, das Kosovo und die Türkei

Montenegro

Montenegro erfüllt nach wie vor in ausreichendem Maße die politischen Kriterien. Die Regierung hat sich weiter auf die EU-Integration konzentriert. Die Strukturen für die Beitrittsverhandlungen wurden weiter gestärkt. Die Annahme des Aktionsplans 2014-15 für die Umsetzung der Strategie zur Reform der öffentlichen Verwaltung und die Einrichtung einer neuen Arbeitsgruppe für die Reform der öffentlichen Verwaltung im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens dürften die weiteren Fortschritte in diesem Bereich unterstützen. Die öffentliche Verwaltung muss weiter gestrafft, die Transparenz als Mittel zur Einschränkung der Korruptionsmöglichkeiten erhöht und die Stärkung der Verwaltungskapazitäten im Bereich der europäischen Integration gewährleisten werden. Ernsthafte Bemühungen sind erforderlich, um das hohe Maß an Politisierung im öffentlichen Dienst anzugehen und ein leistungsorientiertes System für Einstellungen und Beförderungen einzurichten. Die Professionalität und Effizienz des öffentlichen Dienstes müssen erhöht werden, um die Verwaltung in die Lage zu versetzen, die mit den Beitrittsverhandlungen verbundenen Herausforderungen zu bewältigen und den Besitzstand umzusetzen. Was das öffentliche Finanzmanagement betrifft, so müssen die Kapazitäten im Bereich Finanzprognose gestärkt und die europäischen Standards besser eingehalten werden.

Die Wahlen, die Anfang 2014 in einigen Kommunen stattfanden, wurden durch angebliche Missstände beeinträchtigt. Diese sollten untersucht und die Verantwortlichen erforderlichenfalls von den zuständigen Behörden zur Rechenschaft gezogen werden. Aufgrund der politischen Polarisierung erwies sich die Bildung neuer Kommunalverwaltungen nach den Wahlen in einigen Fällen als schwierig. Neue Wahlgesetze wurden im Februar und März verabschiedet. Damit wurden zwar mehrere Empfehlungen des OSZE/BDIMR, denen noch nicht Folge geleistet worden war, umgesetzt, doch müssen einige Aspekt noch im Einklang mit europäischen Standards und praxisbewährten Methoden geregelt werden. Die Verabschiedung der Änderung des Gesetzes über die Finanzierung politischer Parteien war heftig umstritten - die größte Regierungspartei stimmte dagegen. Im Juni erklärte das Verfassungsgericht einen Großteil dieser Änderungen für verfassungswidrig. Montenegro muss seinen Rechtsrahmen in diesem Bereich zügig an europäische Standards und praxisbewährte Methoden angleichen und eine erste Erfolgsbilanz bei der richtigen Anwendung des Gesetzes - erforderlichenfalls einschließlich der Verhängung abschreckender Sanktionen - aufbauen. Die juristische Aufarbeitung des angeblichen Missbrauchs öffentlicher Mittel zu parteipolitischen Zwecken muss abgeschlossen und die Übernahme politischer Verantwortung gewährleistet werden.

Im Bereich Justizreform geht die Durchführung von Maßnahmen gemäß den im Aktionsplan vorgesehenen Fristen weiter. Im Anschluss an die Anpassung der einschlägigen Rechtsvorschriften an die Verfassungsänderungen vom Juli 2013 wurden mehrere hohe Beamte der Justiz und der Staatsanwaltschaft ins Amt gewählt. Nach mehreren Versuchen ernannte das Parlament im Oktober 2014 schließlich einen neuen Generalstaatsanwalt. Die Reformen, die auf die Einführung eines einzigen landesweiten Systems für die Einstellung von Richtern und Staatsanwälte, eines leistungsorientierten Systems für Beförderungen sowie verbesserter Disziplinarverfahren abzielen, müssen abgeschlossen werden. Die Gerichte sind zwar insgesamt effizienter geworden, doch die Bemühungen um Effizienzsteigerung im Gerichtswesen sollten fortgesetzt werden.

Die Wirkung von Maßnahmen zur Korruptionsbekämpfung war bisher begrenzt. Noch bevor die neue Behörde für Korruptionsbekämpfung ihre Arbeit aufnimmt, müssen die bestehenden für die Korruptionsverhütung zuständigen Stellen gestärkt werden, damit sie einen proaktiveren Ansatz verfolgen können. Korruption ist in vielen Bereichen nach wie vor weit verbreitet und stellt weiterhin ein schwerwiegendes Problem dar. Eine glaubwürdige Erfolgsbilanz in Bezug auf Ermittlungen, Strafverfolgungen und rechtskräftige Verurteilungen in Korruptionsfällen, einschließlich der Korruption auf hoher Ebene, muss aufgebaut werden. Die systematische Verwendung der verfügbaren Instrumente zur Beschlagnahme und Einziehung von Vermögenswerten muss gewährleistet werden. Zwar konnten bei der Drogenbekämpfung weitere Erfolge verbucht werden und im Bereich der Schleuserkriminalität wurden neue Ermittlungsverfahren eingeleitet, doch stößt die Bekämpfung anderer Formen der organisierten Kriminalität wie Menschenhandel, Cyberkriminalität und Geldwäsche weiterhin auf Schwierigkeiten. In Fällen von Korruption und organisierter Kriminalität ist die Zahl der endgültigen Verurteilungen begrenzt - häufig kommt es aufgrund von Verfahrensfehlern zu einem neuen Prozess. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft durch kriminelle Gruppen.

Der notwendige rechtliche und institutionelle Rahmen für die Achtung der Menschenrechte ist vorhanden und die wichtigsten Elemente der internationalen Menschenrechtsnormen wurden in das nationale Recht übernommen. Die Kapazitäten der für den Schutz und die Durchsetzung der Menschenrechte zuständigen Stellen, darunter die Gerichte und die Polizei, müssen gestärkt werden. Insbesondere sozial schwache Gruppen wie die Roma und Menschen mit Behinderungen leiden unter den bestehenden Defiziten in diesem Bereich.

Beeinträchtigungen der Meinungsfreiheit durch Gewalt gegen Journalisten und Übergriffe auf Medieneigentum geben weiterhin Anlass zu ernster Besorgnis. Neue und alte Fälle von Drohungen und Gewalt gegen Journalisten müssen aufgeklärt und die Verantwortlichen, d.h. nicht nur die eigentlichen Täter, sondern auch die Hintermänner, angeklagt werden. Vor allem die alten Fälle müssen aufgrund der Verjährungsfrist dringend aufgeklärt werden. Im Dezember wurde eine Kommission eingesetzt, die die Tätigkeit der zuständigen Behörden bei der Aufklärung alter und neuer Fälle von Drohungen und Gewalt gegen Journalisten überwachen soll. Die Behörden müssen den Empfehlungen der Kommission uneingeschränkt Folge leisten. Die Regierung sollte weiterhin die Medienfreiheit öffentlich fördern und unterstützen und jede Verlautbarung vermeiden, die als einschüchternd aufgefasst werden könnte. Die Selbstregulierungseinrichtungen, die für die Aufrechterhaltung und Förderung berufsethischer Standards zuständig sind, sind wenig leistungsfähig.

Die montenegrinischen Behörden unternahmen weitere Schritte zum verstärkten Schutz der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI). Im Oktober 2013 fand die erste Pride-Parade mit ausreichender Unterstützung der Behörden statt. Allerdings hat es weitere Übergriffe auf LGBTI gegeben und die Zahl der strafrechtlichen Verurteilungen in solchen Fällen bleibt gering. Feindseligkeit gegenüber diesen Personen ist nach wie vor in der Gesellschaft weit verbreitet.

Was die Lage der Roma betrifft, so waren insbesondere in Bezug auf den Schulbesuch der Kinder einige Fortschritte zu verzeichnen. Doch die Schulabbruchquoten und die geringe Zahl von Mädchen unter den Schülern aus der Roma-Gemeinschaft geben Anlass zu Besorgnis. Die Diskriminierung der Roma und deren mangelnde Vertretung in der Politik müssen angegangen werden.

Montenegro unterhält weiterhin gute bilaterale Beziehungen zu den anderen Erweiterungsländern und den benachbarten EU-Mitgliedstaaten und beteiligt sich auch stark am Ausbau der regionalen Zusammenarbeit. Ein Grenzabkommen mit Bosnien und Herzegowina wurde paraphiert.

Montenegro hält weiter am bilateralen Immunitätsabkommen mit den USA von 2007 fest, durch das Personen der Gerichtsbarkeit des Internationalen Strafgerichtshofs entzogen werden können. Montenegro muss sich im Rahmen der Beitrittsverhandlungen dem Standpunkt der EU in diesen Fragen anschließen.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so ist Montenegro in Richtung einer funktionierenden Marktwirtschaft weiter vorangekommen. Das Land dürfte mittelfristig in der Lage sein, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, vorausgesetzt, dass es sich weiterhin darum bemüht, durch geeignete Strukturreformen die bestehenden Defizite zu beseitigen.

Die Wirtschaft erholte sich zwar 2013 von einer Rezession mit zwei Talsohlen, doch diese Erholung bleibt aufgrund der schwachen Binnenfrage, der schmalen Produktionsbasis und der hohen Abhängigkeit vom außenwirtschaftlichen Umfeld noch fragil. Das Leistungsbilanzdefizit ging leicht zurück, die außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte sind jedoch weiterhin hoch. Die anhaltend hohen Haushaltsdefizite weisen auf die Notwendigkeit von Haushaltskonsolidierungsmaßnahmen zur Verringerung der Staatsschulden hin. Trotz marginaler Verbesserungen bleibt die Lage auf dem Arbeitsmarkt aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit (insbesondere junge Menschen und Langzeitarbeitslose), weiterhin prekär.

Montenegro sollte die Mobilität von Arbeitnehmern erhöhen, für eine wirksamere aktive Arbeitsmarktpolitik sorgen und auch die Qualität des Bildungswesens, einschließlich der beruflichen Bildung, verbessern. Um die Entwicklung des Privatsektors zu unterstützen, sollten Maßnahmen ergriffen werden, um den Rechts- und Regelungsrahmen weiter zu vereinfachen. Dazu zählen u. a. die verstärkte Durchsetzung von Verträgen, die Verringerung von Verwaltungskosten und -hindernissen sowie die Erleichterung von Privatisierungsverfahren. Für die noch ungeregelte Situation des Aluminiumwerks KAP muss eine dauerhafte Lösung gefunden werden, die im Einklang mit den Regeln des SAA umgesetzt wird, um neue Eventualverbindlichkeiten zu vermeiden.

Was die Fähigkeit zur Übernahme der aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen betrifft, so ist Montenegro bei der Angleichung seiner Vorschriften in den einzelnen Bereichen unterschiedlich weit vorangekommen. Im Screening-Verfahren kam die Kommission zu dem Schluss, dass Montenegro in zwanzig Bereichen ausreichend weit vorangekommen war, um die entsprechenden Verhandlungskapitel ohne die Erfüllung besonderer Kriterien (Benchmarks) eröffnen zu können. Von diesen Kapiteln wurden zehn bereits eröffnet. Dafür wurden inzwischen auch Zwischen- und Abschlusskriterien festgelegt. Zwei von diesen Verhandlungskapiteln wurden bereits abgeschlossen. Neben den Kapiteln mit einem Bezug zur Rechtsstaatlichkeit wurden bei elf Kapiteln Kriterien für die Eröffnung der Verhandlungen festgelegt[6]. Die Eröffnungskriterien, die Zwischenkriterien für die Kapitel mit einem Bezug zur Rechtsstaatlichkeit sowie die für acht Kapitel festgelegten Abschlusskriterien[7] sollen Montenegro als Richtschnur für den weiteren Weg zum Beitritt dienen.

Insgesamt ist Montenegro bei der Rechtsangleichung in einigen Kapiteln des Besitzstands, darunter Vorschriften über geistiges Eigentum, Wissenschaft und Forschung, Bildung und Kultur, Verbraucher- und Gesundheitsschutz sowie Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik, weit fortgeschritten. Montenegro hat sich weitgehend den per Ratsbeschluss verhängten restriktiven Maßnahmen angeschlossen und diese auch umgesetzt. Dies gilt auch für die restriktiven Maßnahmen der EU im Zusammenhang mit der illegalen Annexion der Krim durch Russland und den Ereignissen im Osten der Ukraine.

Die Angleichung an den Besitzstand und der Auf- und Ausbau der notwendigen Verwaltungskapazitäten stellen nach wie vor eine erhebliche Herausforderung für Montenegro dar. Die montenegrinischen Behörden müssen sich auf die Erfüllung der restlichen Eröffnungskriterien konzentrieren. Die Einhaltung der im SAA festgelegten Beihilfebestimmungen im Falle des KAP sollte besondere Priorität genießen. In allen Bereichen mit einem Bezug zum Umweltschutz und Klimawandel sollten die Verwaltungskapazitäten auf zentraler und lokaler Ebene gestärkt werden, um die Angleichung an die entsprechenden Teile des Besitzstands und deren Umsetzung zu gewährleisten.

Serbien

Serbien erfüllt nach wie vor in ausreichendem Maße die politischen Kriterien. Bei den vorgezogenen Parlamentswahlen in März wurde das Streben des Landes nach europäischer Integration bestätigt. Der EU-Beitritt bleibt das wichtigste Ziel der neuen Regierung. Bei der Durchführung der vorrangigen Reformen, die erforderlich sind, um das Land auf dem Weg nach Europa weiter voranzubringen, kann sich die Regierung auf eine beispiellose Zweidrittelmehrheit im Parlament stützen. In diesem Zusammenhang hat sich die serbische Regierung ehrgeizige wirtschaftliche Ziele gesetzt. Verfassungsreformen zu einem frühen Zeitpunkt in der neuen Legislaturperiode würden entscheidende Fortschritte in den Beitrittsverhandlungen bringen. Weitere Bemühungen sind erforderlich, um den Reformprozess inklusiver und transparenter zu gestalten. Das Dringlichkeitsverfahren im Parlament sollte nur angewandt werden, wenn dies unbedingt erforderlich ist. Die Rolle der unabhängigen Regulierungsstellen sollte konsequent anerkannt werden. Deren Empfehlungen müssen ebenfalls umgesetzt werden. Im Juni wurde ein nationaler Konvent zur Europäischen Union als Plattform für die Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft im Zusammenhang mit den Beitrittsverhandlungen eingerichtet. Dies soll zu verstärkten Konsultationen zivilgesellschaftlicher Akteure führen, vor allem in Zeiten, in denen die Bürger Serbiens vor besonderen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen stehen.

Serbien kommt bei der Reform der öffentlichen Verwaltung voran. Das Land hat eine umfassende Strategie verabschiedet und durch die Einrichtung eines neuen Sekretariats für Politik die Koordinierung und Planung der Regierungspolitik gestärkt. Allerdings ist eine fundierte und umfassende Reform, die sich auf gründliche Analysen und ein effizientes Leistungsmanagement stützt, weiterhin notwendig.

Die ersten Schritte zur Umsetzung der im vergangenen Jahr verabschiedeten nationalen Strategien in den Bereichen Justizreform und Korruptionsbekämpfung wurden unternommen. Serbien hat eine Bestandsaufnahme der großen Herausforderungen, vor denen die Justiz steht, vorgenommen. Das Parlament war gesetzgeberisch sehr aktiv. Vorschriften für die Beurteilung von Richtern und Staatsanwälten wurden erlassen. Eine große Zahl von Gerichtspräsidenten wurde endgültig ernannt. Die erste Generation von öffentlichen Notaren hat ihr Amt angetreten. Allerdings müssen wichtige Gesetze, wie das Gesetz über die Prozesskostenhilfe, noch verabschiedet werden. Bisher gab es keine Bewertung der Umsetzung der in letzter Zeit verabschiedeten Gesetze. Zur Gewährleistung einer unabhängigen Justiz sind weitere Schritte notwendig. Die Kriterien für die Einstellung und Ernennung von Richtern sind nach wie vor unklar. Die allgemeine Einführung des kontradiktorischen Verfahrens und die Änderungen des Gerichtswesens hatten noch keine spürbaren Auswirkungen auf die Effizienz und Qualität der Justiz.

Von der Politik gehen starke Impulse für die Korruptionsbekämpfung aus. In einigen Fällen von Korruption auf hoher Ebene wurden Ermittlungen durchgeführt, und die Behörden haben sich um eine verbesserte Koordinierung und institutionelle Federführung in diesem Bereich bemüht. Allerdings ist die Korruption in vielen Bereichen noch weit verbreitet und stellt weiterhin ein schwerwiegendes Problem dar. Nur wenige Angeklagte werden auch verurteilt. Es gibt noch keine Mechanismen zum Schutz von Informanten. Auch fehlt es an wirksamen Verhütungs- und Bekämpfungsmechanismen. Die Behörde und der Rat für Korruptionsbekämpfung müssen auf höchster Ebene in ihrer Arbeit unterstützt werden. Ihren Empfehlungen und Vorschlägen muss Folge geleistet werden. Wirksame Alternativen zur Anklageerhebung wegen Missbrauchs einer beherrschenden Stellung im Privatsektor müssen gefunden werden.

Serbien hat sich aktiv an der Zusammenarbeit der Strafverfolgungsbehörden auf regionaler Ebene beteiligt, die konkrete Ergebnisse im Kampf gegen die organisierte Kriminalität brachte. Dazu zählte u. a. die Verhaftung eines prominenten Verdächtigen im Zusammenhang mit organisierten kriminellen Gruppen. Hinsichtlich der organisierten Kriminalität ist eine strategische Bewertung der Bedrohungslage notwendig, um zunächst eine strategische Planung und Analyse und anschließend geeignete Strafverfolgungsmaßnahmen, einschließlich einer erkenntnisgestützten Polizeiarbeit, zu entwickeln. Es muss eine glaubwürdige Erfolgsbilanz in Bezug auf die Zahl der Ermittlungen, Anklageerhebungen und endgültigen Verurteilungen in Fällen von Korruption und organisierter Kriminalität, auch auf hohe Ebene, aufgebaut werden. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der kriminellen Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft.

Die Annahme glaubwürdiger und umfassender Aktionspläne für die Kapitel 23 und 24 - im Einklang mit dem neuen Konzept - wird eine entscheidende Etappe für Serbien darstellen.

Der Rechtsrahmen für den Minderheitenschutz ist zwar größtenteils vorhanden, doch muss seine einheitliche Anwendung in allen Landesteilen, vor allem in den Bereichen Bildung, Sprachengebrauch und Zugang zu den Medien und zu Gottesdiensten in den Minderheitensprachen, noch gewährleistet werden. Die positiven Maßnahmen zur Verbesserung der Lage der Roma müssen verstärkt werden. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Bildung, Unterkunft und Beschäftigung. Weitere nachhaltige Anstrengungen zur Verbesserung der Lage von Flüchtlingen und Vertriebenen sind erforderlich.

Die Pride-Parade in Belgrad am 28. September verlief ohne größere Vorfälle. Dies war ein wichtiger Schritt hin zur wirksamen Ausübung der Menschenrechte im Allgemeinen und der Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI) im Besonderen. Mit der Verabschiedung eines Gesetzespakets zu den Medien im August, mit dem die Transparenz der Eigentumsverhältnisse und der Finanzierung im Medienbereich erhöht und die serbischen Rechtsvorschriften und Methoden an EU-Standards angeglichen werden sollen, kam Serbien einen großen Schritt voran. Allerdings gibt die Verschlechterung der Rahmenbedingungen für die uneingeschränkte Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung Anlass zur Besorgnis. Die Behörden tragen maßgeblich Verantwortung dafür, zur uneingeschränkten Ausübung des Rechts auf freie Meinungsäußerung aktiv beizutragen, u. a. indem sie unabhängige Stellen, Menschenrechtsaktivisten und unabhängige Journalisten angemessen unterstützen. Die Förderung sämtlicher Grundrechte und die Umsetzung der Strategie gegen Diskriminierung erfordern einen noch fokussierteren und proaktiveren Ansatz.

Serbien hat sich weiterhin konstruktiv an der regionalen Zusammenarbeit beteiligt und seine Beziehungen zu einigen Nachbarn wesentlich verbessert.

Was die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo betrifft, so hat sich Serbien weiterhin am Dialog beteiligt und sich auch insgesamt für die Umsetzung der ersten Grundsatzvereinbarung zur Normalisierung der Beziehungen vom April 2013 und von anderen im Rahmen des Dialogs getroffenen Vereinbarungen eingesetzt. Dies hat zu einer Reihe irreversibler Veränderungen geführt. So fanden zum ersten Mal Kommunal- und Parlamentswahlen im gesamten Gebiet des Kosovo statt und der Abbau der serbischen Polizei- und Justizstrukturen kam wesentlich voran. Eine endgültige Lösung für die Aufnahme des Kosovo in den Südosteuropäischen Kooperationsprozess (SEECP) wurde gefunden. Seit der Ankündigung vorgezogener Neuwahlen im Kosovo gab es zwar keine Treffen mehr auf hoher Ebene, doch die Arbeiten auf technischer Ebene liefen weiter und brachten Fortschritte in den Bereichen Zollerhebung, integriertes Grenzmanagement, Energie und Telekommunikation.

Allerdings kommt die Umsetzung des Dialogs insgesamt langsamer voran. Sowohl in Serbien als auch im Kosovo fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt. Es ist wichtig, dass der Dialog auf hoher Ebene wieder aufgenommen wird. Unverzichtbar ist auch, dass sich beide Seiten nach wie vor uneingeschränkt und in gutem Glauben für die Umsetzung aller bestehenden Vereinbarung einsetzen. Weitere Fortschritte sollen bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Serbien zur umfassenden Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo auf der Grundlage eines rechtlich bindenden Abkommens führen, wobei sowohl Serbien als auch das Kosovo in der Lage sein müssen, ihre jeweiligen Rechte uneingeschränkt auszuüben und ihrer Verantwortung nachzukommen.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so hat Serbien beim Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft begrenzte Fortschritte erzielt. Serbien muss eine ganze Reihe struktureller Reformen durchführen, um mittelfristig dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standhalten zu können.

Im ersten Halbjahr schrumpfte die Wirtschaft, u. a. infolge der schweren Überschwemmungen. Wie die Verabschiedung eines ersten Pakets wichtiger Gesetze zu Arbeitsrecht, Privatisierung und Insolvenz zeigt, hat die Regierung ernsthaft mit der Umsetzung ihres ehrgeizigen Programms wirtschaftlicher und struktureller Reformen begonnen. Trotz einer Reihe neuer Maßnahmen bleiben die Haushaltsungleichgewichte hoch und die Staatsschulden steigen weiter an. Allerdings trugen die steigenden Ausfuhren zur Verringerung der außenwirtschaftlichen Ungleichgewichte bei. Die Inflation erreichte einen historischen Tiefstand und lag unterhalb der von der Zentralbank anvisierten Bandbreite. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin äußerst hoch.

Erhebliche Anstrengungen zur Verringerung der Staatsausgaben und zur Durchführung struktureller Reformen sind erforderlich, um die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen wiederherzustellen und damit das Wirtschaftswachstum zu fördern. Voraussetzung für die Verringerung des starken Einflusses des Staates auf die Wirtschaft sind neben Effizienzgewinnen im großen öffentlichen Sektor und Fortschritten bei der planmäßigen Privatisierung die Straffung der staatlichen Beihilfen und die Verbesserung der Unternehmensführung in öffentlichen Unternehmen. Die Steuererhebung muss verbessert werden, u. a. durch Verringerung des großen informellen Sektors. Die Rahmenbedingungen für Unternehmen leiden unter übermäßiger Bürokratie, dem langsamen Markteintritt und -austritt sowie den vielen Investitionshemmnissen wie dem schwachen Rechtssystem und der schleppenden Vertragsdurchsetzung. Der hohe Anteil notleidender Kredite muss wirksam angegangen werden, um die Kreditvergabe der Banken zu verbessern. Die Instandsetzung und Verbesserung der physischen Infrastruktur, vor allem nach den verheerenden Überschwemmungen, erfordern nachhaltige Anstrengungen und die Schaffung zusätzlichen finanzpolitischen Spielraums. Angesichts der sinkenden Schülerzahlen und des Missverhältnisses zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage auf dem Arbeitsmarkt muss das Bildungswesen effizienter werden.

Was seine Fähigkeit zur Übernahme der aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen betrifft, so hat Serbien seine Rechtsvorschriften den Anforderungen des EU-Rechts in vielen Bereichen weiter angeglichen. Das Land kommt seinen Verpflichtungen im Rahmen des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommens (SAA) weiterhin reibungslos nach. Durch die Verabschiedung dreier Gesetze zur Umsetzung der Medienstrategie von 2011 wurden gute Fortschritte im Bereich Informationsgesellschaft und Medien erzielt und der serbische Rechtsrahmen dem Besitzstand weiter angeglichen. Auch im Bereich Schienen-, Luft- und Straßenverkehr war eine weitere Rechtsangleichung zu verzeichnen. Weitere Ergebnisse der Volks- und der Landwirtschaftszählung wurden veröffentlicht. Die interne Kontrolle der öffentlichen Finanzen wurde als weiterer Reformschwerpunkt in die neue Strategie zur Reform der öffentlichen Verwaltung vom Januar 2014 aufgenommen.

Im Bereich der Außen- und Sicherheitspolitik sollte Serbien die Angleichung an Erklärungen der EU und Beschlüsse des Rates verbessern, um dem im Verhandlungsrahmen festgelegten Erfordernis nachzukommen, in der Zeit bis zum Beitritt seine Politik und seine Beschlüsse in diesem Bereich schrittweise denjenigen der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten anzugleichen. Serbien muss dringend zuverlässige und solide Verfahren zur Überwachung der Angleichung an den Besitzstand in allen Bereichen ausarbeiten und umsetzen. Außerdem sind große Anstrengungen erforderlich, um den allgemeinen Rechtsrahmen zu verbessern und vollständig umzusetzen sowie - was am wichtigsten ist - für diese Reformen ausreichende finanzielle und personelle Ressourcen bereitzustellen. In einigen wichtigen Bereichen des Rechtsbestands mangelt es an institutioneller Koordinierung und Federführung. Die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden muss gewahrt werden. Die Rechtsvorschriften über die Kontrolle staatlicher Beihilfen müssen dem Besitzstand angeglichen und bei allen Unternehmen, auch denjenigen, die zurzeit privatisiert oder umstrukturiert werden, zur Anwendung gelangen. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um das Asylverfahren im Einklang mit den EU-Standards zu straffen. Die Einrichtungen für die dauerhafte Unterbringung von Asylbewerbern müssen dringend saniert werden. Serbien muss seine Bemühungen um Rechtsangleichung im Energiebereich - u. a. im Hinblick auf die Erdgaspipeline South Stream - verstärken. Es muss vorrangig für eine Entbündelung im Gassektor und für die Umstrukturierung des öffentlichen Gasunternehmens Srbijagas sorgen. Auch in den Bereichen Steuern, Umwelt, Klimawandel und genetisch veränderte Organismen ist eine weitere Rechtsangleichung erforderlich. Zudem muss der Gesundheits- und Sozialschutz insgesamt erheblich gestärkt werden.

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien

Insgesamt erfüllt das Land nach wie vor in ausreichendem Maße die politischen Kriterien. Seit der Anerkennung als Beitrittskandidat im Jahr 2005 hat das Land den Großteil der Reformen in den Bereichen Justiz und öffentliche Verwaltung abgeschlossen und auch sonst Fortschritte erzielt. Trotz des Stands des Beitrittsprozesses hat das Land bereits ein hohes Maß an Rechtsangleichung erreicht. Allerdings steht es noch vor erheblichen Herausforderungen, die in einigen Bereichen dringender geworden sind. Dazu zählen insbesondere die von zunehmenden Gegensätzen geprägte politische Kultur, ernste Sorgen in Bezug auf die wachsende Politisierung und die zunehmende Kontrolle der Regierung über staatliche Institutionen und die Medien sowie die noch fragile Lage des Verhältnisses zwischen den Volksgruppen.

Die Durchführung der Präsidentschafts- und vorgezogenen Parlamentswahlen vom April 2014 war nach Meinung des OSZE/BDIMR effizient, litt allerdings unter der mangelnden Trennung staatlicher und parteipolitischer Aufgaben und unter einer parteiischen Berichterstattung. Sorgen über die Verwischung der Trennlinie zwischen Staat und Regierungsparteien untergraben das öffentliche Vertrauen in die staatlichen Institutionen. Der Mangel an Dialog und die anhaltenden Differenzen zwischen den Parteien führten nach gegenseitigen Vorwürfen im Zusammenhang mit den Wahlen zu einer erneuten politischen Krise, im Zuge derer die wichtigste Oppositionspartei sich aus dem Parlament zurückzog. Die politischen Parteien bemühen sich nach wie vor zu wenig darum, im Interesse aller Wähler und des Landes insgesamt konstruktiv am politischen Prozess teilzunehmen. Regierung und Opposition sollten auf die Wiederaufnahme des politischen Dialogs im Parlament hinarbeiten. Die Regierung muss gewährleisten, dass die Opposition die Möglichkeit hat, ihre demokratische Kontrollfunktion uneingeschränkt auszuüben. Gleichzeitig muss die Opposition sich ebenfalls konstruktiv in die demokratischen Prozesse einbringen.

Die Politisierung der öffentlichen Verwaltung auf zentraler und kommunaler Ebene gibt Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Weder die Grundsätze der Transparenz und der Rechenschaftspflicht noch das Leistungsprinzip werden in vollem Umfang angewandt. Außerdem meldete die OSZE/BDIMR glaubwürdige Vorwürfe, wonach bei den Wahlen vom April 2014 Druck auf öffentliche Bedienstete ausgeübt worden wäre. Dem muss abgeholfen werden, u. a. durch Schaffung eines neuen Rechtsrahmens.

Die Unabhängigkeit und Kompetenz der Gerichte müssen gestärkt und größeres Gewicht auf die Qualität der Justiz aus Sicht des Bürgers gelegt werden. Die großen rechtlichen und technischen Fortschritte des Landes in diesem Bereich werden von wachsenden Sorgen über die Selektivität der Justiz überschattet. Zwar werden erste Erfolge bei der Korruptionsbekämpfung verzeichnet, doch in vielen Bereichen ist die Korruption nach wie weit verbreitet und bleibt damit ein gravierendes Problem. Der Rechtsrahmen für die Korruptionsbekämpfung muss effektiver angewandt werden.

Im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit und bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Menschenhandel waren weitere Verbesserungen zu verzeichnen. Die Bemühungen um den Aufbau einer Erfolgsbilanz in Bezug auf Ermittlungen, Anklageerhebungen und Verurteilungen in Fällen von organisierter Kriminalität und Korruption müssen fortgesetzt werden. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft durch kriminelle Gruppen.

Der allgemeine Rahmen zum Schutz der Grundrechte ist zwar vorhanden, muss aber wirksamer angewandt werden. Weitere Anstrengungen sind erforderlich, um die Sorgen über Vorurteile und Diskriminierung gegen die Roma auszuräumen und der Intoleranz gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI) entgegenzuwirken.

In Bezug auf die Medienfreiheit hat sich die Lage weiter verschlechtert. Die Regierung übt u. a. durch staatlich finanzierte Werbung Einfluss auf die Medien aus. Eine wirklich unabhängige Berichterstattung gibt es kaum. Da die Öffentlichkeit über die Massenmedien nur wenig genaue und sachliche Informationen erhält, fehlt es an einer informierten öffentlichen Debatte.

Was die Beziehungen zwischen den Volksgruppen betrifft, so bildet das Rahmenabkommen von Ohrid, mit dem der Konflikt von 2001 beendet wurden, den Rahmen für die Aufrechterhaltung einer multiethnischen Gesellschaft. Allerdings herrscht Misstrauen zwischen den Volkgruppen. Einzelne Ereignisse oder Vorfälle können Spannungen auslösen. Ein gemeinsamer proaktiver Ansatz zur Förderung einer inklusiven multiethnischen Gesellschaft ist erforderlich. Die Überprüfung des Rahmenabkommens von Ohrid muss noch abgeschlossen werden. Im Anschluss daran müssen die entsprechenden Empfehlungen auch umgesetzt werden.

Das Land unterhält in der Regel weiterhin gute Beziehungen zu den anderen Erweiterungsländern und spielt in der regionalen Zusammenarbeit eine aktive Rolle. Eine konstruktive Haltung in den Beziehungen zu den benachbarten EU-Mitgliedstaaten ist nach wie vor wichtig. Handlungen und Erklärungen mit negativen Auswirkungen auf die gutnachbarlichen Beziehungen sollten vermieden werden.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so ist die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien nach wie vor weit fortgeschritten. In einigen Bereichen waren weitere Fortschritte beim Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft zu verzeichnen. Um dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union mittelfristig standhalten zu können, muss das Land durch die entschlossene Umsetzung struktureller Reformen eine Reihe wichtiger Herausforderungen bewältigen.

Die wirtschaftliche Erholung setzte sich zwar fort, stützt sich aber größtenteils auf den Außenhandelssektor und wirkt sich kaum positiv auf die Arbeitslosigkeit aus, die vor allem unter jungen Menschen nach wie vor hoch ist. Die Reformen zur Beseitigung von Rigiditäten auf dem Arbeitsmarkt kamen nur zögerlich voran. Die finanzielle Stabilität wurde gewahrt und die ausländischen Direktinvestitionen nahmen zu. Die Haushaltsdisziplin sowie die Transparenz und Qualität der öffentlichen Ausgaben haben sich verschlechtert.

Die Wachstums- und Beschäftigungsaussichten hängen weitgehend von den unternehmerischen Rahmenbedingungen des heimischen Privatsektors ab. Dementsprechend besteht die Notwendigkeit, die Lizenz- und Genehmigungsverfahren weiter zu vereinfachen (u. a. im Hinblick auf die Förderung von Rückwärtsverflechtungen zwischen in- und ausländischen Unternehmen), die Marktaustrittsverfahren zu beschleunigen und insgesamt gleiche Bedingungen für alle Unternehmen hinsichtlich der Durchsetzung der Unternehmensvorschriften zu schaffen. Der Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten muss verbessert werden, u. a. durch Wiederankurbelung der Kreditvergabe durch Banken. Die Kompetenzen der Arbeitnehmer müssen durch weitere Reformen des Bildungswesens, einschließlich der Umsetzung der Strategie im Bereich der beruflichen Bildung, stärker dem Bedarf des Arbeitsmarkts angepasst werden. Was die öffentlichen Finanzen betrifft, so sind angesichts der erneuten Verschlechterung der Haushaltsdisziplin in den Jahren 2013 und 2014 sowohl eine verbesserte Haushaltsplanung als auch eine größere Übereinstimmung zwischen dem jährlichen Haushaltsvollzug und der mittelfristigen Finanzstrategie erforderlich. Die Qualität der öffentlichen Ausgaben sollte durch eine Verlagerung der Kapitalausgaben auf wachstumsfördernde Investitionen erhöht werden.

Die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien ist bei der Verbesserung ihrer Fähigkeit zur Übernahme der aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen weiter vorangekommen. Das Land beteiligt sich nach wie vor am Stabilisierungs- und Assoziierungsprozess und kommt seinen Verpflichtungen aus dem Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen nach.

Das Land arbeitet in allen Bereichen des Besitzstands umfassend mit der EU zusammen und hat auf strategischer und institutioneller Ebene ein hohes Maß an Rechtsangleichung erreicht. Das Maß an Rechtsangleichung reicht für den Eintritt in die nächste Phase des Beitrittsprozesses aus. Nun muss der Schwerpunkt auf den Aufbau von Verwaltungskapazitäten und eine effiziente Umsetzung gelegt werden.

Im Bereich Binnenmarkt wurde im Hinblick auf Kapitalverkehr, Postdienste und Gesellschaftsrecht bereits ein hohes Maß an Rechtsangleichung erreicht. Im Bereich Justiz und Inneres ist das Land bei seinen Vorbereitungen in Bezug auf Visapolitik, Außengrenzen, Schengen und polizeiliche Zusammenarbeit gut vorangekommen. Andererseits sind vor allem in den Bereichen Regionalpolitik, Umwelt und Klimawandel, Sozialpolitik und Bildung weitere Anstrengungen erforderlich. Auch die interne Finanzkontrolle muss weiter verbessert und in allen Bereichen der öffentlichen Verwaltung weiterentwickelt werden.

Der Rat hat noch nicht über den Vorschlag der Kommission von 2009 bezüglich des Übergangs zur zweiten Phase der Assoziierung gemäß Artikel 5 des Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen entschieden.

Albanien

Albanien hat weitere Fortschritte bei der Erfüllung der politischen Kriterien erzielt. Neben einem Dialog auf hoher Ebene über die wichtigsten Prioritäten wurden gemeinsame Arbeitsgruppen eingerichtet, die die Arbeiten an den notwendigen Reformen strukturieren sollen. Der Nationale Rat für europäische Integration, der den inklusiven Charakter der Reformen fördern und die Unterstützung aller Beteiligten für den Reformprozess gewinnen soll, wurde noch nicht eingerichtet. Ein konstruktiver dauerhafter Dialog zwischen Regierung und Opposition ist für die Tragfähigkeit der Reformen unverzichtbar.

Das Parlament hat im Konsens eine Entschließung zur europäischen Integration verabschiedet. Zudem billigte es eine Reihe von Legislativmaßnahmen mit Bezug zur EU-Integration, hauptsächlich in Bereich Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität, und stimmte über die Ernennung von Richtern ab. Das Gesetzgebungsverfahren ist transparenter geworden. Allerdings hat das angespannte politische Klima die Arbeit des Parlaments beeinträchtigt und dazu geführt, dass sich die Opposition häufig von den Sitzungen fernhielt und ab Juli sogar die parlamentarische Arbeit boykottierte. Sowohl die Regierung als auch die Opposition müssen sicherstellen, dass die politische Debatte vorrangig im Parlament stattfindet. Die Regierung muss gewährleisten, dass die Opposition die Möglichkeit hat, ihre demokratische Kontrollfunktion uneingeschränkt auszuüben. Gleichzeitig muss die Opposition sich ebenfalls konstruktiv in die demokratischen Prozesse einbringen.

Die Reform der öffentlichen Verwaltung kam durch das Inkrafttreten des Gesetzes über den öffentlichen Dienst, den Erlass damit verbundener Durchführungsvorschriften und Schritte zur Verbesserung der Einstellungsverfahren weiter voran. Im Hinblick auf die Förderung der Entpolitisierung, der Rechenschaftspflicht und der Einhaltung professioneller Standards in der öffentlichen Verwaltung muss die Umsetzung der Reform fortgesetzt werden. Der Verwaltungsverfahrenskodex muss im Einklang mit EU-Standards fertiggestellt und angenommen werden. Schritte zur Stärkung der Unabhängigkeit und Leistungsfähigkeit unabhängiger Institutionen sind erforderlich.

Albanien unternahm weitere Schritte zur Reform der Justiz, indem es mit der Venedig-Kommission hinsichtlich der Stärkung der Unabhängigkeit, Rechenschaftspflicht und Professionalität des Justizwesens zusammenarbeitete und mit der Ausarbeitung der Justizreformstrategie 2014-2020 begann. Es wurden einige Maßnahmen zur Verbesserung der Rechenschaftspflicht und Transparenz der Justiz ergriffen. Dazu zählten Gesetzesänderungen hinsichtlich der Immunität von Richtern und Staatsanwälten. Im Rahmen von Disziplinarverfahren gegen Richter wurde eine Reihe von Sanktionen verhängt. Die Verwaltungsgerichte haben zwar ihre Arbeit aufgenommen, ihre volle Funktionsfähigkeit jedoch noch nicht erreicht. Das Gesetz über den Hohen Justizrat wurde geändert, um das Funktionieren dieses Gremiums zu verbessern. Allerdings gab es Bedenken wegen der allzu schnellen Verabschiedung dieser Änderungen, die ohne die Einbeziehung und Konsultation aller relevanten Interessenträger erfolgte. Es gibt weiterhin viele Defizite und es wird allgemein anerkannt, dass eine tiefgreifende Reform der Justiz notwendig ist. Weitere erhebliche Anstrengungen, einschließlich Verfassungsänderungen, sind erforderlich, um die Unabhängigkeit, Effizienz und Rechenschaftspflicht der Justiz zu gewährleisten. Albanien muss diesen Prozess energisch vorantreiben und zwar in konstruktiver Zusammenarbeit mit allen Interessenträgern und mit der Venedig-Kommission. Entschlossenes Handeln ist notwendig, um die Disziplinarverfahren für Richter, Staatsanwälte und Rechtsanwälte zu stärken und die Effizienz der Gerichte weiter zu erhöhen.

Die Regierung hat den politischen Willen gezeigt, entschlossen gegen die Korruption vorzugehen. Der Rechtsrahmen wurde gestärkt und die strategische Koordinierung und Überwachung auf zentraler Ebene verbessert. Ein nationaler Koordinator für die Korruptionsbekämpfung wurde ernannt und ein Netzwerk von Kontaktstellen für die Korruptionsbekämpfung in allen Fachministerien eingerichtet. Die Korruption ist trotzdem in vielen Bereichen, darunter Justiz und Polizei, weit verbreitet und stellt nach wie vor ein gravierendes Problem dar. Albanien muss Maßnahmen ergreifen, um den Rechtsrahmen durchzusetzen, und sowohl die Strategie als auch die Aktionspläne für die Korruptionsbekämpfung 2014-2020 annehmen. Die institutionelle Zusammenarbeit muss verbessert und die Hindernisse für proaktive Ermittlungen müssen beseitigt werden. Zudem muss Albanien im Hinblick auf Ermittlungen, Anklageerhebungen und Verurteilungen in Korruptionsfällen, vor allem auf hoher Ebene, eine solide Erfolgsbilanz aufbauen.

Bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität ist in einer Reihe von Bereichen ein positiver Trend zu verzeichnen, der auf die Intensivierung der Strafverfolgungsmaßnahmen im Kampf gegen den Drogenhandel, die Wirtschaftskriminalität und den Menschenhandel zurückzuführen ist. Die Behörden haben vor allem durchgreifende Maßnahmen getroffen, um den Cannabisanbau und -handel zu bekämpfen, die weiterhin ein gravierendes Problem darstellen. Zu diesen Maßnahmen zählte vor allen eine großangelegte Polizeioperation im Dorf Lazarat und im Norden des Landes. Die internationale Zusammenarbeit wurde intensiviert. Die Anstrengungen im Kampf gegen die organisierte Kriminalität müssen jedoch verstärkt werden. Die Zusammenarbeit zwischen den Strafverfolgungsbehörden sollte weiter verbessert und die rechtlichen Hindernisse für effiziente Ermittlungen sollten beseitigt werden. Um alle Formen der Kriminalität, darunter Geldwäsche, Menschenhandel und Drogenhandel, zu bekämpfen, muss Albanien nachhaltige Anstrengungen, einschließlich proaktiver und systematischer Finanzermittlungen und einer konsequenten Rechtsdurchsetzung, unternehmen. Albanien sollte weiterhin entschlossen gegen den Anbau von Cannabis vorgehen. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der kriminellen Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft.

Was die Grundrechte betrifft, so werden die Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit sowie die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit im Allgemeinen nach wie vor geachtet. Die Zusammenarbeit der Behörden mit zivilgesellschaftlichen Organisationen in Bezug auf die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI) wurde verbessert. Der Rechtsrahmen für Menschen mit Behinderungen wurde überarbeitet; er muss nun umgesetzt werden. Geschlechtsdiskriminierende Bestimmungen müssen beseitigt, die institutionellen Kapazitäten für den Schutz von Kindern gestärkt und die Zwangsarbeit von Kindern bekämpft werden. Ein Aktionsplan zum Schutz der Rechte von Kindern wurde verabschiedet. Albanien muss Durchführungsmaßnahmen ergreifen, um die Inklusion der Roma zu verbessern und sozial schwache Gruppen zu schützen. Der Schutz von Eigentumsrechten muss weiter gestärkt werden, u. a. durch Überarbeitung der Eigentumsreformstrategie von 2012 und Stärkung der Rechtssicherheit für Eigentümer. Was die Meinungs- und Medienfreiheit betrifft, so hat Albanien noch keine Maßnahmen zur Verwirklichung der festgelegten Prioritäten ergriffen. Alle gesetzlichen Funktionen der Behörde für audiovisuelle Medien müssen wiederhergestellt und die Unabhängigkeit der Behörde auch in der Praxis gewährleistet werden. Die unerlaubte Nutzung von Frequenzen durch mehrere Sender bleibt ein Problem.

Die positive Beteiligung Albaniens an der regionalen Zusammenarbeit und an gutnachbarlichen Beziehungen ist nach wie vor unerlässlich.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so hat Albanien beim Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft einige Fortschritte erzielt. Das Land dürfte mittelfristig in der Lage sein, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, vorausgesetzt, dass es die strukturellen Reformen noch zügiger umsetzt.

Albanien hat die makroökonomische Stabilität gewahrt, die Zahlungsrückstände weiter abgebaut und Schritte zur Verbesserung der Steuerverwaltung und -erhebung unternommen. Allerdings hat sich das Wachstum weiter verlangsamt, und das Leistungsbilanzdefizit ist u. a. infolge der schwachen Wettbewerbsfähigkeit nach wie vor hoch. 2013 lag das Haushaltsdefizit über dem Zielwert und der finanzpolitische Spielraum wurde durch die hohen Staatsschulden weiter eingeengt. Dank der weiterhin niedrigen Inflation konnte die Geldpolitik weiter gelockert werden, doch führte dies aufgrund der vielen notleidenden Kredite der Geschäftsbanken nicht zum gewünschten Kreditwachstum. Die Arbeitslosigkeit ist weiterhin hoch und die Beschäftigung im informellen Sektor nach wie vor weit verbreitet.

Albanien sollte die Haushaltskonsolidierung mit dem Ziel fortsetzen, die Staatsschulden abzubauen und gleichzeitig Spielraum für wachstumsfördernde Ausgaben zu wahren. Der Energiesektor sollte reformiert und die Reformen der Renten- und Steuerverwaltung sollten weiter umgesetzt werden, um die Risiken für die öffentlichen Finanzen zu verringern. Die Kreditvergabe und das Kreditwachstum müssen durch Abbau der Zahlungsrückstände des Staates gegenüber Privatunternehmen und durch Beseitigung notleidender Kredite unterstützt werden. Die Hindernisse für die Entwicklung des Privatsektors sollten u. a. durch die Verbesserung des Unternehmensumfelds beseitigt werden, das durch rechtsstaatliche Defizite, mangelhafte Regulierung und Unsicherheit hinsichtlich der Eigentumsrechte gekennzeichnet ist. Die Schaffung günstiger Bedingungen für private Investitionen, insbesondere für ausländische Direktinvestitionen, ist für die Diversifizierung der noch schmalen Produktionsbasis unerlässlich. Die allgemeine und berufliche Bildung sollte weiter verbessert werden, um das Missverhältnis zwischen Qualifikationsangebot und -nachfrage am Arbeitsmarkt zu überwinden und die Beschäftigungsfähigkeit der Arbeitnehmer zu stärken.

Das im April 2009 in Kraft getretene Stabilisierungs- und Assoziierungsabkommen wurde weiterhin reibungslos umgesetzt. Albanien setzte die Angleichung seiner Rechtsvorschriften an die Anforderungen der EU fort und stärkte damit seine Fähigkeit zur Übernahme der aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen. Ein neuer nationaler Plan für europäische Integration 2014-2020 wurde verabschiedet. Allerdings waren in den meisten Bereichen nur moderate konkrete Verbesserungen zu verzeichnen. Albanien wird erhebliche Anstrengungen unternehmen müssen, um seine Vorbereitungen auf die Anwendung des EU-Besitzstands zu verbessern. Weitere Maßnahmen zum Schutz der Rechte des geistigen Eigentums sind erforderlich. Die Beilegung des Streits zwischen der Regierung und dem Stromversorger CEZ trug dazu bei, den Weg für weitere Reformen des Energiesektors zu ebnen. Verstärkte Bemühungen in diesem Bereich, einschließlich der Diversifizierung der Energiequellen und der Verbesserung der Funktionsfähigkeit des Strommarkts, sind für die wirtschaftliche Entwicklung unverzichtbar. Albanien wird auch den Umweltschutz verbessern und festgestellte Defizite in den Bereichen Verkehr, Lebensmittelsicherheit und Verbraucher- und Gesundheitsschutz beseitigen müssen. Die Verwaltungskapazitäten und professionellen Standards der mit der Anwendung des Besitzstands beauftragten Stellen müssen gestärkt und die Unabhängigkeit der Regulierungsbehörden gewahrt werden. Die Verbesserung der Transparenz und Rechenschaftspflicht, insbesondere in Bezug auf das öffentliche Auftragswesen und das öffentliche Finanzmanagement, bleibt unerlässlich.

Bosnien und Herzegowina

Das Land hat wieder einmal sehr begrenzte Fortschritte bei der Erfüllung der politischen Kriterien erzielt. Beim Aufbau funktions- und tragfähiger Institutionen gab es keine greifbaren Fortschritte. Die Parlamentarische Versammlung von Bosnien und Herzegowina hat nur sehr begrenzte Fortschritte bei der Verabschiedung EU-bezogener Gesetze erzielt. Politisch und ethnisch bedingte Zwistigkeiten haben sich sehr negativ auf die Arbeit der Versammlungen auf Staats- und Föderationsebene ausgewirkt.

Es gibt nach wie vor wenig Zusammenarbeit mit der Zivilgesellschaft auf gesamtstaatlicher, teilstaatlicher und kantonaler Ebene. Wie die sozialen Proteste Anfang 2014 gezeigt haben, sollten alle Regierungen vorrangig auf die sozioökonomischen Anliegen der Bürger eingehen und dabei vor allem die sehr hohe Jugendarbeitslosigkeit bekämpfen und den bedürftigen Menschen, u. a. denjenigen, die von schweren Überschwemmungen vom Mai betroffen waren, helfen.

Aufgrund des politischen Klimas waren bei der Reform der öffentlichen Verwaltung und der Verbesserung ihrer Fähigkeit zur Erfüllung der Anforderung der europäischen Integration nur sehr begrenzte Fortschritte zu verzeichnen. Die Fragmentierung des Rechts- und Verwaltungsrahmens auf verschiedenen Staatsebenen gibt weiterhin Anlass zu ernster Besorgnis, da sie die Funktionsfähigkeit des Systems zur Erbringung öffentlicher Dienstleistungen stark beeinträchtigt. Für die Zeit nach 2014 muss eine neue Strategie zur Reform der öffentlichen Verwaltung entwickelt werden. Die notwendigen Reformen des öffentlichen Finanzmanagements müssen in umfassender Weise in Angriff genommen werden.

Bei der Justizreform gab es wenig Fortschritte. Der strukturierte Dialog im Justizbereich bietet nach wie vor eine wichtige Plattform für die Konsensbildung über die Justizreform und wurde auf weitere Fragen mit Bezug zur Rechtsstaatlichkeit ausgeweitet. Die Reform des Justizwesens auf gesamtstaatlicher Ebene muss vordringlich durchgeführt werden. Der auf allen Ebenen vorhandene Mangel an Personal zur Bewältigung des Verfahrensrückstaus im Falle von Kriegsverbrechen wurde zwar teilweise behoben, doch eine verbesserte Planung und eine angemessene Zuteilung von Ressourcen durch die zuständigen inländischen Behörden sind erforderlich, um die nachhaltige Bearbeitung solcher Fälle zu gewährleisten. Die Disziplinarverfahren im Justizwesen müssen gestärkt und  Interessenkonflikte besser geregelt werden.

Bei den Reformen zur Verringerung der Korruption, die sich nach wie vor auf den gesamten öffentlichen Sektor auswirkt und bei der Dienstleistungserbringung und dem Zugang zur Beschäftigung besonders stark ausgeprägt ist, waren wenige Fortschritte zu verzeichnen. Politische Vetternwirtschaft ist weit verbreitet und beeinflusst alle Ebenen des Staates. Die Ermittlungen und die Strafverfolgung in prominenten Fällen sind nach wie vor unzureichend und die Zahl der effizienten Ermittlungen, Anklagen und Verurteilungen ist insgesamt gering. Es fehlt an politischem Willen, über Lippenbekenntnisse hinauszugehen und wirksam gegen die Korruption vorzugehen, z.B. durch Ermittlungen und Verurteilungen in prominenten Fällen. Insgesamt waren die Fortschritte bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, die trotz einiger erfolgreicher Operationen - teilweise in enger Zusammenarbeit mit benachbarten Ländern - nach wie vor ein gravierendes Problem darstellt, begrenzt. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft durch kriminelle Gruppen.

Der notwendige rechtliche und institutionelle Rahmen für die Achtung der Menschenrechte ist vorhanden und die wichtigsten Elemente der internationalen Menschenrechtsnormen wurden in das nationale Recht übernommen. Der verstärkte politische und finanzielle Druck auf die Medien und die Einschüchterung von und die Drohungen gegen Journalisten geben jedoch Anlass zu ernster Besorgnis. Schulen müssen inklusiver werden, und gegen das in der Föderation noch bestehende Modell "zwei Schulen unter einem Dach" muss vorgegangen werden. In Fällen von Hassrede, Gewalt und Diskriminierung gegen Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Intersexuelle (LGBTI) muss für eine effektive Prävention und effiziente Ermittlungen gesorgt werden. In Bezug auf den Wohnungsbedarf der Roma wurden zwar sehr gute Fortschritte erzielt, doch in den Bereichen Bildung, Gesundheit und Beschäftigung sind verstärkte Anstrengungen erforderlich. Was die Flüchtlinge und Binnenvertriebenen betrifft, so muss die überarbeitete Strategie wirksam umgesetzt werden. Dies gilt insbesondere für deren sozioökonomische Aspekte. Bosnien und Herzegowina beteiligte sich weiterhin vor aktiv an der regionalen Zusammenarbeit und pflegte gutnachbarliche Beziehungen zu den anderen Ländern der Region.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so hat Bosnien und Herzegowina beim Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft wenig Fortschritte erzielt. Erhebliche Anstrengungen zur Beseitigung der anhaltenden strukturellen Schwächen wären notwendig, damit das Land langfristig dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standhalten kann.

Die Wirtschaft verzeichnet wieder ein bescheidenes Wachstum und das Leistungsbilanzdefizit ist trotz anhaltender außenwirtschaftlicher Ungleichgewichte zurückgegangen. Aufgrund der schwachen Binnennachfrage und der schmalen Produktionsbasis bleibt die wirtschaftliche Erholung allerdings labil. Die schweren Überschwemmungen von Frühjahr werden voraussichtlich eine kurzfristige Verschlechterung der wirtschaftlichen und finanziellen Lage nach sich ziehen. Maßnahmen wurden ergriffen, um die finanzpolitische Koordinierung innerhalb der Föderation sowie die Erhebung der indirekten Steuern zu verbessern.

Bosnien und Herzegowina sollte dringend weitere Maßnahmen zur Wahrung der Haushaltsdisziplin ergreifen. Außerdem sind Anstrengungen erforderlich, um die große staatliche Präsenz in der Wirtschaft anzugehen sowie die staatlichen Ausgaben zu verringern und deren Zusammensetzung und Zielorientierung zu verbessern. Auch die Ineffizienz der öffentlichen Unternehmen muss in adäquater Weise angegangen werden. Eine bessere Koordinierung zwischen und mit den Teilstaaten würde die wirtschaftspolitische Entscheidungsfindung wesentlich erleichtern und verbessern. Angesichts der großen Ungleichgewichte auf dem Arbeitsmarkt, die sich in der anhaltend hohen Arbeitslosigkeit, vor allem unter jungen Menschen, und der sehr niedrigen Beteiligungsquote widerspiegeln, ist entschlossenes Handeln notwendig, um negative Arbeitsanreize zu beseitigen und die Bildungsqualität zu erhöhen. Die Defizite der rechtlichen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen, wie vor allem die zeitaufwendige Vertragsdurchsetzung, die kostenträchtigen und komplexen Verfahren für den Marktein- und -austritt sowie die unterentwickelte Infrastruktur, müssen angegangen werden, um die Entwicklung des Privatsektors zu unterstützen und Investitionen, insbesondere ausländische Direktinvestitionen, anzuziehen. In diesem Zusammenhang stellt der informelle Sektor nach wie vor eine große Herausforderung dar. Außerdem muss das Problem der vielen notleidenden Kredite angegangen werden.

Ähnlich wie im Vorjahr haben der Mangel an wirklicher politischer Unterstützung für die EU-Agenda, das Fehlen eines wirksamen Koordinierungsmechanismus für EU-Angelegenheiten und interne Kompetenzstreitigkeiten dazu geführt, dass die Fortschritte bei der Angleichung und EU-Rechtsvorschriften und -Standards begrenzt waren. Dies gilt insbesondere für die Bereiche freier Personenverkehr und Arbeitnehmerfreizügigkeit, Dienstleistungsfreiheit und Niederlassungsrecht, freier Warenverkehr, Verbraucherschutz, Beschäftigung und Sozialpolitik, Bildung, Kultur und Forschung, Industrie und KMU, Umwelt und Klimawandel sowie Verkehr. In einigen Bereichen werden die weiteren Fortschritte durch den Mangel an landesweiten Strategien behindert.

In den Bereichen Landwirtschaft und ländliche Entwicklung, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit sowie Fischerei waren wenig Fortschritte zu verzeichnen. Aufgrund der fehlenden Angleichung an EU-Standards in diesen Bereichen können weiterhin keine Erzeugnisse tierischen Ursprungs in die EU ausgeführt werden. Energische und gut koordinierte Anstrengungen sind erforderlich, um diese bedauerliche Situation zu überwinden. Im Steuerbereich hat Bosnien und Herzegowina eine Steuerregelung für Kleinbrauereien angenommen, die zu den Verpflichtungen aus dem Interimsabkommen im Widerspruch steht, weil sie gegen Bierimporte diskriminiert. Im Energiesektor haben die Komplexität der Verwaltungsstruktur, Kompetenzstreitigkeiten zwischen Gesamtstaat und Teilstaaten sowie der Mangel an politischem Willen dazu geführt, dass nur wenige Fortschritte erzielt wurden. Dies hat u. a. zu einer gravierenden dauerhaften Verletzung der Verpflichtungen des Landes im Gassektor im Rahmen des Vertrags über die Energiegemeinschaft geführt. Dem muss dringend abgeholfen werden. Fortschritte wurden u. a. im Bereich Binnenmarkt erzielt. Hier wurde ein Gesetz über die öffentliche Auftragsvergabe verabschiedet, um die Rechtsangleichung an die EU-Richtlinien von 2004 zu gewährleisten. Die Zusammenarbeit der statistischen Ämter auf gesamt- und teilstaatlicher Ebene hat sich vor allem im Zusammenhang mit der Volks- und Wohnungszählung verbessert.

Das Kosovo

Was die politischen Kriterien betrifft, so wurde in den vergangenen zwölf Monaten die politische Agenda des Kosovo durch die Kommunal- und Parlamentswahlen und deren Auswirkungen beherrscht. Die Parlamentswahlen vom Juni waren transparent und gut organisiert. Der Wahltag verlief ohne Zwischenfälle und die Wähler gaben  im ganzen Kosovo, einschließlich der vier Kommunen im Norden, ihre Stimmen frei ab. Mit diesen Wahlen wurden die bereits bei den Kommunalwahlen Ende 2013 erzielten Fortschritte gefestigt. Bei beiden Wahlen war eine Verbesserung des Wahlprozesses festzustellen. Es gab weniger Fälle von Wahlbetrug als bei den Wahlen von 2010 und diese Fälle wurden auch effizient behandelt. Viele Fälle aus dem Jahr 2010 sind immer noch vor Gericht anhängig. Das Kosovo muss die Empfehlungen der Wahlbeobachtungsmissionen und -experten noch umsetzen. Dazu zählen die Verabschiedung eines umfassenden Wahlgesetzes und die Erstellung genauerer Wählerlisten. Mit der Wahlreform muss gewährleistet werden, dass der rechtliche Rahmen für Wahlen mit den praxisbewährten Verfahren in der EU im Einklang steht. Die kürzlich angetretene Mitgliedschaft des Kosovo in der Venedig-Kommission kann dazu beitragen.

Dass die neue Legislative nicht reibungslos und rechtzeitig konstituiert werden konnte, war ein Rückschlag. Die neue Regierung und die parlamentarische Versammlung werden der Reformagenda des Kosovo neue Impulse verleihen müssen. Beide Institutionen müssen auf dem bestehenden politischen Konsens in Bezug auf die EU-Integration weiter aufbauen. Die Regierung des Kosovo hat vor allem im Rahmen der SAA-Verhandlungen ihre Fähigkeit zur Koordinierung ihrer EU-Integrationsagenda unter Beweis gestellt. Unter Inanspruchnahme des in den verschiedenen Institutionen und Ministerien vorhandenen Sachverstands haben die Verhandlungsführer des Kosovo erhebliche Anstrengungen unternommen, um den vorgeschlagenen Text gründlich zu prüfen und seine möglichen Auswirkungen zu analysieren. Dies zeugt von einem guten Verständnis der mit dem SAA verbundenen Verpflichtungen.

Um den Verpflichtungen im Rahmen des künftigen SAA nachzukommen, müssen sich die Exekutive und die Versammlung des Kosovo auf die Umsetzung von Gesetzen und Politiken konzentrieren. Bei der legislativen und politischen Planung müssen die benötigten Ressourcen in realistischer Weise berücksichtigt werden. Die neue Legislaturperiode bietet eine gute Gelegenheit, die Kontrolle der Exekutive und das Gesetzgebungsverfahren zu verbessern. Die Rolle der parlamentarischen Versammlung bei der Überwachung unabhängiger Institutionen und Regulierungsbehörden muss gestärkt werden. Die Unabhängigkeit dieser Stellen muss gewahrt bleiben. Die Ernennung des Leitungspersonals dieser Stellen muss unverzüglich erfolgen und sich auf ein faires, entpolitisiertes und auf sachlichen Kriterien beruhendes Auswahlverfahren stützen.

Die gute Zusammenarbeit mit der EU-Rechtsstaatlichkeitsmission EULEX wurde fortgeführt. Die Behörden des Kosovo sind eine weitreichende politische Verpflichtung eingegangen, das Mandat der Mission zu verlängern. Sie haben sich bereit erklärt, ein Sondergericht für die Behandlung der Ergebnisse der Sonderermittlungseinheit einzurichten. Um diesen Prozess abschließen zu können, muss das Kosovo die erforderlichen Änderungen an den Rechtsvorschriften, einschließlich der Verfassung, annehmen. Die Justizbehörden haben einige strukturelle Herausforderungen, wie z. B. die 2013 verabschiedete umfassende Justizreform und die Übertragung einiger EULEX-Aufgaben auf lokale Behörden, gut bewältigt. Der strukturierte Dialog über die Rechtsstaatlichkeit hat diesen Prozess weiterhin unterstützt. Der Abbau des Verfahrensrückstaus und die Gewährleistung einer unparteiischen und unabhängigen Justiz stellen jedoch weiterhin eine Herausforderung dar. Die Justizbehörden müssen auf der Grundlage zulässiger Beweismittel Anklage erheben und - unabhängig von der öffentlichen oder politischen Meinung - rechtzeitig gut begründete Urteile fällen.

Was die Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität betrifft, so stieg die Zahl der strafrechtlichen Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Drogenhandel und eine Reihe von Gruppen, die Menschenhandel betrieben, wurden zerschlagen. Allerdings kam es nur in wenigen Fällen zu einer endgültigen Verurteilung oder zur Beschlagnahme von Drogen. Daran wird deutlich, dass das Kosovo bei der Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption erst am Anfang steht. Die Strafverfolgungsbehörden zögern, Finanzermittlungen einzuleiten, und die Zahl der Fälle, in denen die Justiz das Einfrieren und Einziehen von Vermögenswerten anordnet und die Polizei diese Anordnungen umsetzt, ist weiterhin gering. Die Einschüchterung von Zeugen gibt weiterhin Anlass zur Besorgnis. Die neue Regierung und das Parlament müssen nicht nur eine Politik der Nulltoleranz gegenüber Korruption und organisierter Kriminalität verfolgen, sondern auch einen deutlichen politischen Willen zur wirksamen Bekämpfung von Korruption und organisierter Kriminalität an den Tag legen. Die politische Klasse des Kosovo muss ihre Bereitschaft zeigen, das Ergebnis unabhängiger Gerichtsverfahren zu akzeptieren. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft durch kriminelle Gruppen.

Die Umsetzung der Strategie (2010-2013) und des Aktionsplans (2012-2014) zur Reform der öffentlichen Verwaltung stellt das Kosovo vor eine große Herausforderung. Die Ergebnisse waren bisher begrenzt. Auf der Grundlage ernsthaften politischen Engagements muss das Kosovo einen realistischen strategischen Rahmen für Politikformulierung, Legislativplanung und die praktische Umsetzung von Reformen schaffen. Vorrangige Aufgaben sind neben der Vervollständigung des Rechtsrahmens für den öffentlichen Dienst die Entpolitisierung der öffentlichen Verwaltung und die Durchführung von Leistungsbeurteilungen für die Beamten. Das Kosovo muss ein Gesetz über allgemeine Verwaltungsverfahren verabschieden. Ein solches Gesetz ist unentbehrlich für die Schaffung unternehmensfreundlicher Rahmenbedingungen. Es wurden zwar einige Vorschriften über das öffentliche Finanzmanagement erlassen, doch sollte das Kosovo für einen umfassenderen Reformansatz in diesem Bereich sorgen. Das Kosovo muss die Umsetzung dieser Reformen gewährleisten und den Empfehlungen aus den Berichten des Rechnungshofs besser nachkommen.

Im Allgemeinen sind die Menschen- und Grundrechte im Kosovo nach wie vor rechtlich garantiert. Die unabhängige Medienkommission hat ihre Arbeit wieder aufgenommen. Die Personen, die für die Gewalt gegen die Zeitschrift Kosovo 2.0 verantwortlich waren, erhielten Bewährungsstrafen. Es gab weitere Drohungen gegen und Übergriffe auf Aktivisten für Lesben, Schwule, Bisexuelle, Transgender-Personen und Intersexuelle (LGBTI) sowie Journalisten. Dies gibt Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Die Rahmenbedingungen für Meinungs- und Medienfreiheit müssen noch geschaffen werden. Eigentumsrechte, einschließlich der Rechte von Frauen auf vererbte Immobilien, müssen wirksam durchgesetzt werden. Das Kosovo hat das institutionelle System zum Schutz der Menschenrechte noch nicht gestrafft. Die unklare Kompetenzverteilung behindert die Rechtsumsetzung und das Monitoring.

Einigen binnenvertriebenen Familien der Roma-Gemeinschaft, die in einem Lager in Montenegro untergebracht sind, wurde Land zugewiesen. Das Hauptgebäude des Roma-Lagers in Leposaviq/Leposavić wurde geschlossen. Durch die Einrichtung des Rates für Umsetzung und Monitoring wurde der Schutz des kulturellen und religiösen Erbes verbessert. Allerdings muss das Kosovo seine Bemühungen zur Umsetzung von Gesetzen und Politikansätzen verstärken. Dies gilt u. a. für den Aktionsplan zur Integration der Roma, Aschkali und Balkan-Ägypter. Sicherheitsvorfälle und Verbrechen gegen Angehörige von Minderheiten und ihr Eigentum müssen gründlich untersucht und die Täter zügig vor Gericht gestellt werden. Die Gesetze über die historische Altstadt von Prizren und über Velika Hoča/Hoçë e Madhe müssen umgesetzt werden. Insbesondere das Gesetz über Velika Hoča/Hoçë e Madhe gibt Anlass zur Besorgnis, weil trotz eines Beschlusses der Stadtverwaltung vom Februar 2013 zur Umsetzung des Gesetzes und trotz entsprechender Verwaltungsanweisungen des Ministeriums für Umwelt und Raumplanung die Umsetzung nicht vorangekommen ist. Durchgreifende Maßnahmen sind erforderlich, um der illegalen Bautätigkeit und der Zerstörung von Stätten des Kulturerbes vorzubeugen.

Was die regionale Zusammenarbeit betrifft, so hat das Kosovo weitere Fortschritte erzielt und weitere Kooperationsabkommen mit mehreren Nachbarländern geschlossen.

Was die Normalisierung der Beziehungen zu Serbien betrifft, so hat sich das Kosovo weiterhin am Dialog beteiligt und sich auch insgesamt für die Umsetzung der ersten Grundsatzvereinbarung zur Normalisierung der Beziehungen vom April 2013 und von anderen im Rahmen des Dialogs getroffenen Vereinbarungen eingesetzt. Dies hat zu einer Reihe irreversibler Veränderungen geführt. So fanden zum ersten Mal Kommunal- und Parlamentswahlen im gesamten Gebiet des Kosovo statt und der Abbau der serbischen Polizei- und Justizstrukturen kam wesentlich voran. Eine endgültige Lösung für die Aufnahme des Kosovo in den Südosteuropäischen Kooperationsprozess (SEECP) wurde gefunden. Seit der Ankündigung vorgezogener Neuwahlen im Kosovo gab es zwar keine Treffen mehr auf hoher Ebene, doch die Arbeiten auf technischer Ebene liefen weiter und brachten Fortschritte in den Bereichen Zollerhebung, integriertes Grenzmanagement, Energie und Telekommunikation.

Allerdings kommt die Umsetzung des Dialogs insgesamt langsamer voran. Sowohl in Serbien als auch im Kosovo fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt. Es ist wichtig, dass der Dialog auf hoher Ebene wieder aufgenommen wird. Unverzichtbar ist auch, dass sich beide Seiten nach wie vor uneingeschränkt und in gutem Glauben für die Umsetzung aller bestehenden Vereinbarungen einsetzen. Weitere Fortschritte sollen bis zum Abschluss der Beitrittsverhandlungen mit Serbien zur umfassenden Normalisierung der Beziehungen zwischen Serbien und dem Kosovo auf der Grundlage eines rechtlich bindenden Abkommens führen, wobei sowohl Serbien als auch das Kosovo in der Lage sein müssen, ihre jeweiligen Rechte uneingeschränkt auszuüben und ihrer Verantwortung nachzukommen.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so hat das Kosovo beim Aufbau einer funktionierenden Marktwirtschaft begrenzte Fortschritte erzielt. Erhebliche Anstrengungen zur Beseitigung struktureller Schwächen sind notwendig, damit das Kosovo langfristig dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standhalten kann.

Das Kosovo verzeichnete erneut ein positives Wirtschaftswachstum (3,4 %), das allerdings nicht zu einer Verbesserung auf dem Arbeitsmarkt führte. Trotz eines leichten Rückgangs des Handelsbilanzdefizits verzeichnet das Kosovo weiterhin große außenwirtschaftliche Ungleichgewichte. Die makroökonomische Stabilität wurde insgesamt gewahrt, trotz erheblicher Ad-hoc-Erhöhungen der laufenden Ausgaben - insbesondere für Löhne und Renten - im Vorfeld der Wahlen. Ein solches Vorgehen beeinträchtigt die Transparenz, Vorhersehbarkeit und Glaubwürdigkeit der Finanzpolitik, erschwert die Haushaltsplanung und führt zur Verlagerung der Ausgaben auf weniger wachstumsfördernde Bereiche.

Die Verbesserung der Haushaltsplanung und die wirksame Umsetzung der Haushaltsordnung sind von entscheidender Bedeutung. Darüber hinaus müssen sich Entscheidungen über große Infrastrukturvorhaben, wie z. B. im Verkehrssektor, auf eine gründliche Kosten-/Nutzen-Analyse stützen, um den wirtschaftlichen Nutzen zu maximieren. Angesichts der anhaltend sehr hohen Arbeitslosigkeit sollten Maßnahmen ergriffen werden, um durch Verbesserung des Unternehmensumfelds die Entwicklung des Privatsektors zu unterstützen. Zu diesem Zweck sollten Hindernisse, die sich aus dem Mangel an Verwaltungskapazitäten, dem schwierigen Zugang zu Finanzierungsmöglichkeiten und den zeitaufwendigen und komplexen Privatisierungsverfahren ergeben, zügig beseitigt werden. Das Kosovo muss für ein gut funktionierendes Rechts- und Justizsystem sorgen, die Vertragsdurchsetzung verbessern und die Dauer der Gerichtsverfahren verkürzen. Die Wirtschaftsstatistik muss verbessert werden.

Was die Angleichung an EU-Rechtsvorschriften und -Standards betrifft, so haben die Institutionen des Kosovo ihre Fähigkeit zur Verwirklichung der politischen Prioritäten  - z. B. SAA-Verhandlungen, Dialog über Visaliberalisierung und Dialog mit Serbien - unter Beweis gestellt. Dies war das Ergebnis eines nachdrücklichen politischen Engagements. In anderen wichtigen Reformbereichen waren die Ergebnisse eher gemischt. Der grundlegende Rechtsrahmen für den freien Kapitalverkehr ist zwar nach wie vor vorhanden, doch Ausländer stehen weiterhin vor Hindernissen beim Erwerb von Immobilien. Was den Wettbewerb betrifft, so kann das Kosovo nur eine begrenzte Erfolgsbilanz vorweisen. Dies ist auf die sehr schwache Kontrolle wettbewerbswidriger Praktiken und staatlicher Beihilfen zurückzuführen. Das Kosovo muss für leistungsfähige und unabhängige Wettbewerbsbehörden sorgen. Das Gesetz über das öffentliche Auftragswesen wurde geändert, um Präferenzen für lokale Unternehmen einzuführen. Diese Präferenzen werden innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des SAA aufgehoben werden müssen.

Dank der Verbesserung der Energieversorgung im Kosovo kommt es nur noch selten zu Stromausfällen. Eine Explosion im Kraftwerk Kosovo A verdeutlichte die Anfälligkeit des Systems. Das Kosovo muss sich aktiver auf die Stilllegung dieses Kraftwerks vorbereiten. In den Bereichen Landwirtschaft und Lebensmittelsicherheit waren trotz knapper Ressourcen solide Fortschritte zu verzeichnen. Die Abstellung von Inspektoren an die zentrale Behörde muss dringend abgeschlossen werden. Dies ist für die Durchsetzung von Lebensmittel- und Veterinärstandards, die für den Handel im Rahmen des SAA wichtig sind, unerlässlich. Der Mangel an Interesse am Umweltschutz ist zu einem ernsthaften Problem für die öffentliche Gesundheit und die Lebensqualität im Kosovo geworden.

Türkei

Was die politischen Kriterien betrifft so ergaben die vergangenen zwölf Monate wieder ein sehr gemischtes Bild.

Einerseits setzte sich die Umsetzung der in den Vorjahren verabschiedeten Reformen fort. Mehrere Maßnahmen im Rahmen des dritten und des vierten Justizreformpakets sowie Maßnahmen im Zusammenhang mit dem im September 2013 vorgelegten Demokratisierungspaket wurden angenommen und durchgeführt. Diese Maßnahmen dienten u. a. dazu, die Schwelle für die finanzielle Unterstützung politischer Parteien aus dem Staatshalt zu senken, die politische Tätigkeit in anderen Sprachen und Dialekten als Türkisch zu ermöglichen sowie Möglichkeiten für private Bildung in anderen Sprachen und Dialekten als Türkisch zu eröffnen. Die Annahme eines Aktionsplans zur Verhinderung von Verletzungen der Europäischen Menschenrechtskonvention im März war ein wichtiger Schritt zur Angleichung des Rechtsrahmens und der Rechtspraxis der Türkei an die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Das Verfassungsgericht hat das Individualbeschwerdeverfahren weiter angewandt. Es fällte eine Reihe wichtiger Entscheidungen zum verstärkten Schutz der Grundrechte. Dies war ein Beweis für die Resilienz des Verfassungssystems des Landes.

Im Juni verabschiedete das türkische Parlament ein Gesetz, mit dem eine "stärkere Grundlage für eine Lösung der Kurdenfrage" geschaffen werden soll. Das Gesetz wurde mit der breiten Unterstützung aller politischen Parteien verabschiedet. Es umfasst Maßnahmen zur Beseitigung von Terrorismus, zur Stärkung der sozialen Inklusion, zur Wiedereingliederung der Personen, die aus der Kurdischen Arbeiterpartei austreten und ihre Waffen abgeben, sowie zur Vorbereitung der Öffentlichkeit auf die Rückkehr ehemaliger Kämpfer. Das Gesetz stärkt die Grundlage für die Lösung der Kurdenfrage und leistet einen positiven Beitrag zur Stabilität und zum Schutz der Menschenrechte in der Türkei.

Im September legte das Ministerium für EU-Angelegenheiten eine EU-Strategie vor, um dem Beitrittsprozess der Türkei neue Impulse zu verleihen. Die Strategie beruht auf drei Säulen:  politischen Reformen, sozioökonomischer Transformation im Rahmen des Beitrittsprozesses sowie Kommunikation. Sie soll durch Aktionspläne mit konkreten Maßnahmen und Fristen ergänzt werden.

Die Reaktion der Regierung auf Korruptionsvorwürfe gegen hochrangige Persönlichkeiten, darunter Regierungsmitglieder und deren Familienangehörige, gab Anlass zu ernsthaften Bedenken im Hinblick auf die Unabhängigkeit der Justiz und die Rechtsstaatlichkeit. Diese Reaktion bestand vor allem in der Änderung des Gesetzes über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte, in der anschließenden Versetzung und Entlassung von Richtern und Staatsanwälten sowie in der Versetzung, Entlassung oder sogar Verhaftung einer großen Zahl von Polizeibeamten. Dies führte zu Sorgen in Bezug auf die operativen Kapazitäten von Justiz und Polizei und nährte große Zweifel an deren Fähigkeit zur Durchführung nichtdiskriminierender, transparenter und unparteiischer Ermittlungen im Fallen von Korruptionsvorwürfen. Das Verfassungsgericht erklärt eine Reihe von Bestimmungen des Gesetzes über den Hohen Rat der Richter und Staatsanwälte für verfassungswidrig. Im Anschluss daran änderte das Parlament das Gesetz und nahm die alten Bestimmungen wieder darin auf.

Diese Entwicklungen haben zur weiteren Polarisierung der politischen Landschaft geführt. Mehrere von der Regierungsmehrheit eingebrachte Gesetzentwürfe, die Fragen von grundlegender Bedeutung für die Demokratie in der Türkei betrafen, wurden ohne eine richtige parlamentarische Debatte oder ohne eine ausreichende Konsultation von Interessenträgern und zivilgesellschaftlichen Akteuren verabschiedet. Die Zivilgesellschaft sollte durch besser strukturierte und systematischere Konsultationen in die Entscheidungsprozesse auf nationaler und lokaler Ebene einbezogen werden. Es ist von zentraler Bedeutung, den bestehenden Rechtsrahmen zu reformieren und dadurch generell bessere Bedingungen für die Entwicklung zivilgesellschaftlicher Organisationen zu schaffen.

Was die Meinungsfreiheit betrifft, so setzte sich die breite öffentliche Debatte über bisher als besonders sensibel geltende Themen, darunter die Kurden- und Armenierfrage, fort. Allerdings wird die Meinungs- und Medienfreiheit nach wie vor durch einzelne Rechtsvorschriften und deren Auslegung durch die Gerichte behindert. Das Recht auf freie Meinungsäußerung im Internet wurde durch Änderungen des Internetgesetzes eingeschränkt. Die Pauschalverbote von YouTube und Twitter gaben Grund zu ernster Besorgnis. Diese Verbote wurden anschließend vom Verfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt. Staatsbedienstete gaben weiterhin Erklärungen ab, die eine einschüchternde Wirkung auf die Medien hatten. Diese Erklärungen und die Eigentumsstrukturen im türkischen Mediensektor führten zur weit verbreiteten Selbstzensur in der Presse sowie zu Kündigungen bzw. zur Entlassung von Journalisten.

Die türkischen Rechtsvorschriften über die Versammlungsfreiheit, bei denen eher die Frage der Rechtsmäßigkeit als der friedliche Charakter von Demonstrationen im Mittelpunkt steht, und ihre Durchsetzung durch Polizeibeamte müssen mit europäischen Standards in Einklang gebracht werden. Es muss ein Gesetz zur Einrichtung einer Kommission für die Überwachung der Strafverfolgungsbehörden als unabhängiger Aufsichtsstelle für polizeiliches Fehlverhalten verabschiedet werden.

Aufgrund der unklaren strafrechtlichen Definition des Tatbestandes der Mitgliedschaft in einer bewaffneten Organisation kommt es weiterhin zu zahlreichen Verhaftungen und Strafverfahren. Für Fragen der Wehrdienstverweigerung aus Gewissen- oder Glaubensgründen muss ein mit der ENRK vereinbarer Rechtsrahmen geschaffen werden. Es bedarf erheblicher Anstrengungen, um die Rechte von Frauen und Kindern sowie von Lesben, Schwulen, Bisexuellen, Transgender-Personen und Intersexuellen (LGBTI) wirksam zu wahren. Häusliche Gewalt, gelegentliche "Ehrenmorde" und die Frage von Früh- und Zwangsehen geben nach wie vor Anlass zu ernsthafter Besorgnis. Die Türkei muss gewährleisten, dass alle Eigentumsrechte, auch diejenigen nichtmuslimischer Religionsgemeinschaften, uneingeschränkt geachtet werden.

Diese Defizite müssen angegangen werden und die Behörden müssen ihre Bemühungen um den Schutz anderer Grundrechte und -freiheiten verstärken, damit alle Bürger ihre Rechte uneingeschränkt ausüben können.

Die Unterzeichnung des Rückübernahmeabkommens zwischen der Türkei und der EU am 16. Dezember 2013 und der gleichzeitige Beginn des Dialogs über die Visaliberalisierung gaben den Beziehungen zwischen der EU und der Türkei neue Impulse. Das Rückübernahmeabkommen trat am 1. Oktober 2014 in Kraft und der erste Bericht über die Fortschritte der Türkei im Rahmen des Fahrplans für die Visaliberalisierung wird am 20. Oktober 2014 veröffentlicht werden. Es ist wichtig, dass diese beiden Prozesse vorangebracht werden. Die vollständige und wirksame Umsetzung gegenüber allen Mitgliedstaaten ist von entscheidender Bedeutung.

Was den Kampf gegen die organisierte Kriminalität betrifft, so hat die Türkei ihr Programm zur Bekämpfung der Terrorismusfinanzierung verbessert, das Netz der für den Zeugenschutz zuständigen Einheiten gestärkt und die Zuständigkeiten für die Bekämpfung des Menschenhandels neu geordnet. Allerdings gab die massive Entlassung von Polizeibeamten Anlass zu Besorgnis in Bezug auf die Auswirkungen auf die operativen Kapazitäten wichtiger Polizeidienste im Kampf gegen die organisierte Kriminalität. Die Bekämpfung von organisierter Kriminalität und Korruption ist Grundvoraussetzung für die Verhinderung der Unterwanderung von Politik, Justiz und Wirtschaft durch kriminelle Gruppen.

Im Bereich der Außenpolitik spielte die Türkei weiterhin eine wichtige Rolle in ihrer größeren Nachbarschaft. Sie spielte eine besonders wichtige Rolle in Bezug auf Syrien - so hat sie die Gewalt des syrischen Regimes gegen Zivilisten wiederholt scharf verurteilt, die Herausbildung einer geschlosseneren Opposition unterstützt und lebenswichtige humanitäre Hilfe für mehr als 1 Mio. syrische Flüchtlinge geleistet. Auch bei den Gesprächen der E3+3-Gruppe mit Iran leistete sie weiterhin praktische Unterstützung. Mit den endgültigen Investitionsentscheidungen für die Durchführung von drei Projekten im Rahmen des südlichen Gaskorridors wurde eine solide Grundlage für die Verbesserung der Energieversorgungssicherheit Europas geschaffen. Der regelmäßige politische Dialog zwischen der EU und der Türkei wurde fortgesetzt und betraf neben internationalen Fragen von gemeinsamem Interesse wie der Lage im Nahen Osten und Zentralasien auch globale Themen wie Terrorismusbekämpfung, ausländische Kämpfer und Nichtverbreitung. Die Türkei hat ihre Politik des Engagements im westlichen Balkan fortgesetzt, u. a. durch aktive Beteiligung am südosteuropäischen Kooperationsprozess und durch einen Beitrag zu den von der EU geleiteten Militär-, Polizei- und Rechtsstaatlichkeitsmissionen. Angesichts der großen Herausforderungen, die in der unmittelbaren Nachbarschaft der Türkei entstehen, sollte der Dialog mit der EU weiter intensiviert und die Angleichung an die Positionen der EU verbessert werden.

Die Türkei hat die Wiederaufnahme der Gespräche über die umfassende Beilegung des Konflikts zwischen den führenden Vertretern beider Gemeinschaften in Zypern unter der Schirmherrschaft des VN-Generalsekretärs unterstützt. Die Türkei und Griechenland haben im Rahmen der laufenden Verhandlungen gegenseitige Besuche der beiden Verhandlungsführer in Ankara bzw. Athen gefördert.

Allerdings hat die Türkei weitere Erklärungen abgegeben, die das Recht Zyperns zur Ausbeutung von Kohlenwasserstoffressourcen in der ausschließlichen Wirtschaftszone Zyperns zugunsten aller Zyprer in Frage stellen. Es wird erwartet, dass die Türkei die Verhandlungen über eine gerechte, umfassende und tragfähige Lösung der Zypernfrage im Rahmen der UN und im Einklang mit den einschlägigen Resolutionen des UN-Sicherheitsrats und den der EU zugrundeliegenden Prinzipien aktiv unterstützt. Das konkrete Engagement der Türkei zugunsten einer solchen Lösung ist nach wie vor entscheidend. Trotz wiederholter Aufforderung durch Rat und Kommission ist die Türkei noch nicht ihrer Verpflichtung nachgekommen, die vollständige und nichtdiskriminierende Umsetzung des Zusatzprotokolls zum Assoziierungsabkommen zu gewährleisten, und hat auch noch nicht alle Hindernisse für den freien Warenverkehr, einschließlich der Einschränkung der direkten Transportverbindungen mit Zypern, beseitigt. Bei der Normalisierung der bilateralen Beziehungen zu Zypern gab es keine Fortschritte.

Die Türkei muss sich unmissverständlich zu gutnachbarlichen Beziehungen und zur friedlichen Beilegung von Streitigkeiten im Einklang mit der Charta der Vereinten Nationen bekennen, insbesondere indem sie erforderlichenfalls den Internationalen Gerichtshof anruft. In dieser Hinsicht zeigte sich die EU erneut äußerst besorgt und forderte die Türkei auf, alle gegen einen Mitgliedstaat gerichteten Drohungen oder Handlungen sowie Irritationen oder Handlungen, welche die gutnachbarlichen Beziehungen und die friedliche Beilegung von Streitigkeiten beeinträchtigen könnten, zu unterlassen.

Die EU begrüßte, dass die Initiativen für die Zusammenarbeit zwischen Griechenland und der Türkei, die der Verbesserung der bilateralen Beziehungen dienen, fortgeführt werden. Die jüngste - 58. - Runde der Sondierungsgespräche über die Abgrenzung des Festlandsockels fand statt. Griechenland und Zypern legten förmliche Beschwerden über wiederholte und zunehmende Verletzungen ihrer Hoheitsgewässer und Lufträume durch die Türkei ein, darunter Überflüge über griechische Inseln.

Was die wirtschaftlichen Kriterien betrifft, so gilt die Türkei als funktionierende Marktwirtschaft. Das Land dürfte mittelfristig in der Lage sein, dem Wettbewerbsdruck und den Marktkräften innerhalb der Union standzuhalten, vorausgesetzt, dass es die Umsetzung umfassender Strukturreformen schneller vorantreibt.

Seit dem Abschwung im Jahr 2012 ist in Bezug auf Produktion und Beschäftigung ein moderates Wachstum zu verzeichnen. Trotzdem hat die Arbeitslosigkeit aufgrund der stark wachsenden Erwerbsbevölkerung zugenommen. Das Leistungsbilanzdefizit ist trotz eines leichten Rückgangs im Jahr 2014 weiterhin hoch. Aus der Abhängigkeit von stetigen Kapitalzuflüssen ergibt sich eine Anfälligkeit der Türkei im Falle von Veränderungen der globalen Risikowahrnehmung. Dies führt zu erheblichen Wechselkursschwankungen.

Das Haushaltsdefizit und die Staatsschulden blieben zwar auf moderatem Niveau, doch aufgrund der anhaltenden Ausgabenüberschreitungen ist eine Stärkung des finanzpolitischen Rahmens erforderlich. Die Finanz- und Haushaltspolitik sollte darauf ausgerichtet werden, weitere Einsparungen zu erzielen und damit die Auslandsschulden abzubauen. Da die Inflationsrate weiter steigt und sich damit immer weiter vom Ziel der Zentralbank entfernt, muss bei der Geldpolitik ein restriktiver Kurs - mit Schwerpunkt auf der Preisstabilität - gesteuert werden. Trotz einiger Fortschritte bei der Privatisierung und Liberalisierung des Strommarkts müssen die Strukturreformen unbedingt auf breiter Basis verstärkt vorangetrieben werden, um das Funktionieren der Waren-, Dienstleistungs- und Arbeitsmärkte zu verbessern. Die Reformen sollten u. a. die weitere Verbesserung des Justizsystems, den Ausbau der Verwaltungskapazitäten, die Erhöhung der Transparenz bei den staatlichen Beihilfen und die Schaffung eines offenen, fairen und wettbewerbsorientierten Systems der öffentlichen Auftragsvergabe umfassen.

Was die Fähigkeit zur Übernahme der aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen betrifft, so hat die Türkei die Rechtsangleichung an den Besitzstand fortgesetzt. 2013 wurde ein weiteres Verhandlungskapitel (22 - Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen Instrumente) eröffnet. Im Bereich der transeuropäischen Netze waren gute Fortschritte zu verzeichnen. Trotz der erheblichen Belastungen infolge der anhaltenden Flüchtlingskrise hat die Türkei in zentralen Bereichen des Kapitels 24, darunter insbesondere Migration und Asylpolitik, wichtige Schritte unternommen. In folgenden Bereichen gab es ebenfalls Fortschritte: Energie (vor allem im Hinblick auf Energieversorgungssicherheit und Elektrizitätsbinnenmarkt), Gesellschaftsrecht, Unternehmens- und Industriepolitik, Statistik, Wissenschaft und Forschung, freier Kapitalverkehr (in Bezug auf die Bekämpfung der Geldwäsche und der Terrorismusfinanzierung) sowie Umsetzung der Heranführungshilfe im Bereich der Entwicklung des ländlichen Raums.

Insgesamt hat die Türkei in mehreren Kapiteln des Besitzstands, darunter freier Warenverkehr, Gesellschaftsrecht, Vorschriften über geistiges Eigentum, Finanzdienstleistungen, Energie, Wirtschafts- und Währungspolitik, Statistik, Unternehmens- und Industriepolitik, transeuropäische Netze, Wissenschaft und Forschung, Zollunion und Außenbeziehungen, ein hohes Maß an Rechtsangleichung erreicht.

In allen Bereichen muss der Rechtsdurchsetzung mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. In den Bereichen Recht, Freiheit und Sicherheit, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit sowie Umwelt und Klimawandel sind weitere umfassende Anstrengungen erforderlich. Auch in den Bereichen Justiz und Grundrechte und Sozialpolitik und Beschäftigung (insbesondere im Hinblick auf das Arbeitsrecht und die Sicherheit und den Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz) sind erhebliche weitere Fortschritte notwendig. Vor allem in den Bereichen öffentliche Auftragsvergabe, Wettbewerbspolitik (insbesondere staatliche Beihilfen), Informationsgesellschaft und Medien) muss die Rechtsangleichung fortgesetzt werden.

[1]               COM(2012) 600 final.

[2]               COM(2013) 700 final.

*               Diese Bezeichnung berührt nicht die Standpunkte zum Status des Kosovo und steht im Einklang mit der Resolution 1244/99 des VN-Sicherheitsrates und dem Gutachten des Internationalen Gerichtshofs zur Unabhängigkeitserklärung des Kosovo.

[3]               COM(2014) 330 final.

[4]               Kroatien, Serbien, Bosnien und Herzegowina und Montenegro.

[5]               Erste Grundsatzvereinbarung zur Normalisierung der Beziehungen, April 2013.

[6]               Freier Warenverkehr; Niederlassungsrecht und Dienstleistungsfreiheit (Montenegro hat bereits das Kriterium für die Eröffnung der Verhandlungen zu diesem Kapitel erfüllt und wurde folglich zur Vorlage seiner Verhandlungsposition aufgefordert); Wettbewerbspolitik; Landwirtschaft und ländliche Entwicklung; Lebensmittelsicherheit, Pflanzen- und Tiergesundheit; Fischerei; Energie; Wirtschafts- und Währungspolitik; Sozialpolitik und Beschäftigung; Regionalpolitik und Koordinierung der strukturpolitischen Instrumente; Umwelt und Klimawandel.

[7]               Freier Kapitalverkehr; öffentliches Auftragswesen; Gesellschaftsrecht; Vorschriften über geistiges Eigentum; Informationsgesellschaft und Medien; Unternehmens- und Industriepolitik; Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik; Finanzkontrolle.

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