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Document 52005DC0605

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen betreffend eine verstärkte Koordinierung der allgemeinen Bereitschaftsplanung für Krisenfälle im Gesundheitsbereich auf EU-Ebene

/* KOM/2005/0605 endg. */

52005DC0605

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen betreffend eine verstärkte Koordinierung der allgemeinen Bereitschaftsplanung für Krisenfälle im Gesundheitsbereich auf EU-Ebene /* KOM/2005/0605 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 28.11.2005

KOM(2005) 605 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

betreffend eine verstärkte Koordinierung der allgemeinen Bereitschaftsplanung für Krisenfälle im Gesundheitsbereich auf EU-Ebene

INHALTSVERZEICHNIS

1. Hintergrund 3

2. Zweck und Umfang 4

3. Wesentliche Komponenten der allgemeinen Bereitschaftsplanung 5

3.1. Informationsmanagement 6

3.2. Kommunikation 7

3.3. Wissenschaftliche Beratung 8

3.4. Verbindungs-, Management- und Kontrollstrukturen 9

3.5. Bereitschaftsplanung im Gesundheitssektor 10

3.6. Bereitschaftsplanung in allen übrigen Sektoren sowie sektorübergreifende Bereitschaftsplanung 13

4. Fazit 17

1. HINTERGRUND

Die Terroranschläge auf die USA im September 2001 haben Regierungen und internationale Behörden mit Verantwortung im Bereich des Gesundheitsschutzes veranlasst, ihre politischen Grundsätze, Bereitschaftspläne und Ressourcen zur Vorbeugung gegen Anschläge und Begrenzung der Folgen zu prüfen und zu verstärken. Die Notwendigkeit, in der EU in Ergänzung einzelstaatlicher Maßnahmen gemeinsam vorzugehen, führte im Oktober 2001 zur Bildung des Gesundheitssicherheitsausschusses, der sich aus hochrangigen Vertretern der Gesundheitsministerien zusammensetzt, und als Plattform zur Koordinierung der Bereitschafts- und Reaktionspläne für gesundheitliche Krisenfälle bei vorsätzlicher Freisetzung biologischer, chemischer und radiologisch-nuklearer Kampfstoffe fungieren soll. Eine Mitteilung[1] mit einem Fortschrittsbericht über die Umsetzung des Gesundheitssicherheitsprogramms wurde am 2. Juni 2003 veröffentlicht.

Die SARS-Epidemie im Jahr 2003 eröffnete eine neue Dimension im Gesundheitsbereich: eine bisher unbekannte Krankheit mit grippe- und erkältungsähnlichen Symptomen, deren rasante Ausbreitung zu hoher Sterblichkeit und Morbidität führt, und deren Übertragung vom Flugreiseverkehr und weltweiten Handel in Ermangelung wirksamer Impfstoffe und Medikamente begünstigt wird. Die Epidemie führte zu einem gewaltigen Umdenken im Bereich der gesundheitlichen Abwehrmaßnahmen gegen übertragbare Krankheiten und einem Aufruf an die Forschung, wirksame Gegenmittel zu finden. Vor allem führte die Epidemie zur Bewusstseinsbildung dafür, dass eine weltweite Zusammenarbeit notwendig sei, um durch frühzeitiges Erkennen und das Ergreifen von Maßnahmen am Auftretensort derartige Krankheiten einzudämmen. Maßnahmen der betroffenen Länder, die von der Weltgesundheitsorganisation unterstützt und beraten wurden, beugten einer katastrophalen Entwicklung vor; in der EU stützte sich die Koordinierung auf das Gemeinschaftliche Frühwarn- und Reaktionssystem (EWRS)[2], das den Mitgliedstaaten Erkenntnisse über die Lage lieferte und ihre Bereitschaft zur Ergreifung von Maßnahmen gegen eine Seuchenausbreitung erhöhte.

Erst jüngst musste durch das Auftreten der Vogelgrippe in Asien und deren Ausbreitung auf andere Regionen das Risiko einer weltweiten Influenzapandemie mit verheerenden Folgen neu bewertet werden. Seitens der Kommission wurde mit dem „Bereitschafts- und Reaktionsplan der Gemeinschaft mit Blick auf eine Influenzapandemie“ eine Strategie vorgeschlagen und in einem Arbeitspapier im März 2004[3] veröffentlicht. In den Schlussfolgerungen der Ratssitzung im Juni 2004[4] stimmte der Rat dem Plan zu und legte als Priorität das Ausarbeiten miteinander vereinbarer einzelstaatlicher Pläne fest. Die Strategie im Falle einer Influenzapandemie wurde geprüft und an die neueste Entwicklung angepasst, insbesondere die Empfehlungen der Weltgesundheitsorganisation[5] über Influenzapandemie und die Errichtung des Europäischen Zentrums für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC)[6] ; sie ist auch Gegenstand einer eigenen Mitteilung zur Bereitschafts- und Reaktionsplanung der Gemeinschaft mit Blick auf eine Influenzapandemie[7].

Die Vielzahl krankheitsspezifischer Pläne führte dazu, dass die im Rat vereinigten Gesundheitsminister anlässlich der Sitzungen vom 5. Mai 2003 und 2. Juni 2003 die Kommission baten, die Grundprinzipien allgemeiner Pläne für jegliche Art von Krisenfall im Gesundheitsbereich zu entwickeln und ausarbeiten. Solche allgemeinen Pläne würden nicht nur medizinische Gegenmaßnahmen (z. B. Diagnose, Quarantänehaltung und Krankheitsbehandlung sowie die Verwaltung von Impfstoffen, eine Prophylaxe für gefährdete Gruppen und die Allgemeinheit) umfassen, sondern auch Maßnahmen der öffentlichen Ordnung, z. B. Einschränkung der Bewegungsfreiheit, Grenzkontrollen, Schließen von Einrichtungen und Abriegeln bestimmter Gebiete, Katastrophenschutzmaßnahmen, wie z. B. Rettungsaktionen, Bereitstellen von Lebensmitteln, Wasser, Schutzräumen und anderen lebenswichtigen Elementen, Markt- und Handelsmaßnahmen für Lebensmittel, Tiere, Pflanzen und Erzeugnisse sowie Außenbeziehungsmaßnahmen für im Ausland lebende Staatsbürger und für internationale Zusammenarbeit, um die Ausbreitung von Krankheiten oder Keimen zu verhindern. Am wichtigsten wäre es, über infrastrukturelle Ausstattungen, Ausrüstungen und Materialien zu verfügen und diese entsprechend zu schützen; auch die mit der Umsetzung der Pläne befassten Personen müssten ausgebildet und durch geeignete Einzel- und Kollektivmaßnahmen ausreichend geschützt werden, um ihre Arbeit durchführen zu können. Alle derartigen Maßnahmen sollten sich auf eine solide wissenschaftliche und technische Grundlage stützen und rechtzeitig den betroffenen Bürgern und Dritten erläutert und mitgeteilt werden, damit sie auf einzelstaatlicher Ebene wie auch EU-weit befolgt sowie auf Ebene der EU und international verstanden werden.

Diese Mitteilung legt solche Grundprinzipien vor, anhand derer wesentliche Elemente, die im Planungsprozess berücksichtigt werden müssen, zur Unterstützung der Mitgliedstaaten und der Gemeinschaft bei der Entwicklung und Umsetzung von Plänen für das Gesundheitswesen im Allgemeinen sowie für krankheitsspezifische Notfälle festgehalten werden. Die Entwicklung von auf diesen Grundprinzipien fußenden Plänen wird zur Koordinierung und Interoperabilität und zur Wirksamkeit der Umsetzung beitragen.

2. ZWECK UND UMFANG

Krisenfälle im Gesundheitsbereich sind überwiegend mit dem Auftreten von Keimen verbunden, die von Mensch zu Mensch übertragen oder von unsicheren Lebensmitteln oder Erzeugnissen ausgehen; außerdem können sie von Tieren und Pflanzen oder der Verletzung von Personen durch Verbreitung oder Auswirkungen biologischer, chemischer oder physikalischer Agenzien in der Umwelt ausgehen. Allen Krisensituationen gemeinsam sind einsetzbare Vermögenswerte und Ressourcen sowie Aspekte des Folgenmanagements, die bei der Entwicklung von Notstands- oder Katastrophenplänen abzuarbeiten sind. Diese Mitteilung legt die wichtigsten Bausteine der allgemeinen Bereitschaftsplanung fest. Sie stützt sich auf die Erfahrungen, die durch den Informationsaustausch zwischen Mitgliedstaaten und Kommission über die Pläne für Pocken und Influenzapandemien sowie durch die umfassenden Arbeiten mit dem Gesundheitssicherheitsausschuss und dem Netz zur epidemiologischen Überwachung und Kontrolle übertragbarer Krankheiten in der Europäischen Gemeinschaft[8] gemacht wurden. Dies führte zur Ausarbeitung eines eingehenden technischen Leitfadens[9], der für jeden Baustein des Planungsprozesses einzelne Hinweise, Ziele, Checklisten und gesundheitliche Aufgaben enthält sowie eine funktionelle Zuordnung der Mitgliedstaaten, der relevanten gemeinschaftlichen Agenturen[10] und der Dienststellen der Kommission. Dieser technische Leitfaden wird anhand der Beiträge der Mitgliedstaaten und der Kommissionsdienststellen, die für die einzelnen Bereiche der Gemeinschaftsmaßnahmen zuständig sind, laufend aktualisiert. Er enthält auch die Themen, die eine weitere Bearbeitung und zusätzliche Anstrengungen erfordern, um Ergebnisse in einzelstaatliche Pläne einfließen zu lassen und die Koordinierung auf EU-Ebene zu verbessern.

Das übergeordnete Ziel ist die Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Entwicklung ihrer Pläne und die Einbeziehung der EU-Dimension und ihres Bestandes an Rechtsvorschriften in den verschiedenen Bereichen, die sich auf gesundheitliche Notfallpläne auswirken können. Die Mitteilung und der technische Leitfaden sind das Grundgerüst für die Entwicklung der Kernelemente der einzelstaatlichen Pläne, weil sie grundverschiedene Arten von Gesundheitsrisiken behandeln, ob vorhersehbar (wie z. B. Influenzapandemien) oder nicht (z. B. SARS-ähnliche Epidemien), und zielen auf die Interoperabilität solcher Pläne ab.

Die Zusammenarbeit bei der allgemeinen Bereitschaftsplanung in der EU stützt sich auf drei Haupttätigkeiten: erstens die Mitteilung einzelstaatlicher Pläne und die Anstellung von Vergleichen und Bewertungen, insbesondere durch gemeinsame Tests und Anleitungen zur gegenseitigen Überprüfung der Pläne, sowie Verbesserungen basierend auf spezifischen Checklisten, die in den technischen Leitlinien zur allgemeinen Bereitschaftsplanung enthalten sind; zweitens das Identifizieren des Beitrags und der Rolle der bestehenden gemeinschaftlichen Rechtsakte, damit die einzelstaatlichen Pläne diese umfassend berücksichtigen, sowie eine Prüfung des Bedarfs an weiteren Maßnahmen der Gemeinschaft; drittens eine Untersuchung und Verbesserung der Durchführungsmaßnahmen, die einem raschen Informationsfluss und der Interoperabilität und dem Zusammenspiel der Pläne und Reaktionen dienen können.

3. WESENTLICHE KOMPONENTEN DER ALLGEMEINEN BEREITSCHAFTSPLANUNG

Die Schlüsselkomponenten, die uneingeschränkt zu berücksichtigen sind, damit gesundheitliche Notfallpläne zustande kommen, sind:

1. Informationsmanagement

2. Kommunikation

3. Wissenschaftliche Beratung

4. Verbindungs-, Management- und Kontrollstrukturen

5. Bereitschaftsplanung im Gesundheitssektor

6. Bereitschaftsplanung in allen übrigen Sektoren sowie sektorenübergreifende Bereitschaftsplanung

Die Prinzipien und Fragestellungen, die jeder Komponente zugrunde liegen, werden jeweils in den nachfolgenden Kapiteln abgehandelt. Die bisher aus der Zusammenarbeit im Planungsbereich auf EU-Ebene gewonnene Erfahrung hat gezeigt, dass die Fähigkeit zur Reaktion auf einen gesundheitlichen Notfall stark davon abhängt, ob diese Fragen zuvor in Betracht gezogen wurden und ob Pläne vorhanden sind, die sämtliche Komponenten berücksichtigen.

Innerhalb jeder Komponente werden bestimmte Themen in Zukunft mehr Beachtung erfordern, z. B. Auslöseschwellen für spezifische Gegenmaßnahmen, Zwischenfallsuntersuchung und Beprobung von Umweltmedien, Anwendung von Modellen bei der Entscheidungsfindung, Verfahren für Triage und Quarantäne, Krankenhausnotpläne und Rückfallpläne usw. Die Kommission beabsichtigt, diese Themen weiter zu entwickeln, um bewährte Methoden zu verbreiten und den Mitgliedstaaten zu helfen, die brauchbarsten Optionen zur Aufnahme in ihre Pläne zu wählen.

3.1. Informationsmanagement

Informationsmanagement umfasst das Sammeln, Bearbeiten, den Einsatz und die Verbreitung von Informationen über eine Krisensituation, mit dem Ziel des Aufspürens und Identifizierens der Gefahren und Risiken, der Überwachung von Stand und Entwicklung der Krise, der Identifikation der verfügbaren Werte und Ressourcen, ihrer Verteilung und ihres Einsatzes, sowie der Ermittlung des Zustands der Informationssysteme, die den verschiedenen am Einsatz Beteiligten dienen. Information besteht aus jeder Art von Beschreibung und Darstellung sowie Aufbereitung von Erkenntnissen, damit die Konsequenzen der Fakten und Zahlen verstanden werden. Sie umfasst Erkenntnisse aus Überwachung und Medizin, Daten aus Sensoren, Registrier- und Messgeräten aller Art, klinische und epidemiologische Daten, Gesundheitsdaten und Statistiken sowie für den Krisenfall relevante Daten über Erzeugnisse, Güter, Infrastruktur und Dienste.

Die Organisation einer angemessenen gesundheitlichen und/oder medizinischen Überwachung durch die Mitgliedstaaten als Krisenvorbereitung sowie Verbesserungsmaßnahmen als Nachbereitung sind unumgänglich, um potenzielle Gesundheitsgefährdungen auszumachen, ihr Ausmaß und ihre internationale Bedeutung sehr frühzeitig abzuschätzen und ihre Entwicklung unter wechselnden Umständen zu beobachten. Eine vorausschauende Überwachung und ein Monitoring betrifft die übertragbaren, toxischen, chemischen, radiologischen, nuklearen und physikalischen Gefahren, seien sie vorsätzlich hervorgerufen oder nicht, sowie Umweltänderungen, die natürliche Phänomene mit gesundheitlichen Auswirkungen bedingen können. Für die Überwachung auf verschiedenen Gebieten (Humanmedizin, Tiermedizin, Umwelt usw.), einschließlich Falldefinitionen und Auslöseschwellen, muss es umfassende und streng anzuwendende Normen geben. Da die ersten Anzeichen einer bevorstehenden Krise außerhalb des Gesundheitsbereichs auftreten könnten, z. B. in den Medien, bei Tierärzten, Polizei und Sicherheitsdiensten und anderen, ist die Zusammenarbeit mit und zwischen solchen Informationsquellen notwendig.

Die Gemeinschaft hat eine Schlüsselrolle gespielt beim Festlegen der Anforderungen und bei der Organisation der Koordinierung von Beobachtung und Monitoring für eine ganze Reihe von Krisenfällen mittels verschiedener Schnellwarnsysteme, spezieller Überwachungsnetze, Monitoringsysteme für Strahlenschutz und Informationssysteme für Chemikalien.

Medizinische Informationen und die Durchsicht von Medienberichten liefern Informationen für Risikoanalysen und ermöglichen es, verdächtigen oder ungewöhnlichen Situationen und Ereignissen frühzeitig auf die Spur zu kommen und davor zu warnen. Die Mitgliedstaaten und die Kommission haben zu diesem Zweck wichtige Instrumente entwickelt.

Klinische und Labordiagnosen sind Teil der Organisation des Informationsmanagements, sowohl zur Entdeckung unbekannter als auch zum Nachweis bekannter Agenzien. Die Mitgliedstaaten sind für die Diagnose zuständig; über die Referenzlaboratorien im Verbund mit dem ECDC sorgt die Gemeinschaft für eine EU-weite Kooperationsplattform für Qualitätskontrollverfahren der Laboratorien und das Kollationieren klinischer Daten und Zweitbestätigungen, das jedoch noch verbesserungsfähig ist. Auf Ebene der Mitgliedstaaten müssen Laborkapazitäten vorhanden sein und bei Fragen, die einzelstaatliche Kapazitäten überschreiten oder wo diese fehlen, muss die Zusammenarbeit zwischen den Laboratorien der Gemeinschaft organisiert werden, um einen umfassenden Deckungsgrad der EU zu erreichen.

Die Entnahme und Analyse von Umweltproben in Laboratorien erfordert die Anwendung von Schutzmaßnahmen. Die internationale Versendung von Materialien zu diesen Zwecken unterliegt den in zuständigen UN-Gremien ausgehandelten Regeln; es sind weitere Arbeiten erforderlich, bei denen die Mitgliedstaaten und die Kommission eine Schlüsselrolle spielen, um sicherzustellen, dass Sendungen, die die öffentlichen Gesundheit betreffen, nicht zurückgehalten oder übermäßig verzögert werden.

Sobald über angemessene Maßnahmen gegen eine Gesundheitsgefahr entschieden worden ist, müssen Monitoringsysteme zur Beobachtung der Wirkungen und möglichen Nebeneffekte in Gang gesetzt werden, falls die allgemeinen Systeme zur Überwachung und Kontrolle der Einsätze nicht ausreichen; dazu zählen die Entwicklung einer gemeinsamen Datenbank, Kontaktstellen und Empfehlungen für eventuelle Vorgehensweisen.

3.2. Kommunikation

Die Verbreitung genauer und aktueller Informationen auf allen Ebenen ist von ausschlaggebender Bedeutung, um unbeabsichtigte und unvorhersehbare soziale und wirtschaftliche Folgen möglichst gering zu halten und die Wirksamkeit von Gegenmaßnahmen zu maximieren. Das im vorigen Abschnitt beschriebene Informationsmanagement ist ohne genaue und aktuelle Informationen nicht durchführbar. Mitteilungen erfolgen in verschiedenster Weise, z. B. in Form von Texten, mündlichen Mitteilungen und Videos, und für Management- und Kontrollzwecke muss eine möglichst robuste Infrastruktur vorhanden sein, so dass die Kommunikationskanäle auch in Notfällen erhalten bleiben; deshalb ist eine ausreichende Redundanz einzubauen, um für den Ausfall bestimmter Systeme (z. B. Telefon) oder Anlagen oder einem Kollaps wegen Überlastung (z. B. Computersystem oder Internet) gerüstet zu sein. In einem Krisenfall großen Ausmaßes ist es denkbar, dass die vorhandene Festnetzinfrastruktur beschädigt oder vernichtet wird, wodurch der Einsatz von Festnetzen zu Kommunikationszwecken entfällt. Hier sind Alternativen vorzusehen, einschließlich der drahtlosen Übertragung.

Die Kommunikationskanäle von und zwischen den Leitern der Planung, den höchsten Politikberatern in Sachen öffentliche Gesundheit sowie den höchsten Politikberatern im Bereich der Abstimmung zwischen Wirtschaftssektoren sind für das Treffen der richtigen Entscheidungen ausschlaggebend. Die einzelstaatlichen Behörden und die Kommission müssen über Kommunikationssysteme und eingespielte Einsatzverfahren fügen, die es erlauben, die wissenschaftlichen, ökonomischen, politischen und sozialen Auswirkungen von Nachrichten zu verstehen und zu vereinbaren.

Behörden müssen mit der Öffentlichkeit und den Medien frühzeitig und vorausschauend über Ereignisse, die möglicherweise zu gesundheitlichen Krisen führen, wie auch über folgenreiche Störfälle kommunizieren; sie müssen zur Hauptquelle oder sogar zur alleinigen Quelle verlässlicher Informationen über den Vorfall und die weiteren Folgen werden. Die Mitgliedstaaten, die Kommission und die zuständigen Einrichtungen der Gemeinschaft sind damit befasst, ihr Kommunikationswesen für den Krisenfall zu koordinieren, um sicherzustellen, dass ihre Meldungen präziseund verständlich sind.

Auf einzelstaatliche Ebene und auf Ebene der Kommission sind Systeme und Verfahren vonnöten, die es erlauben, zwischen den Behörden und mit Berufsgruppen und der Öffentlichkeit in klarer und unzweideutiger Weise zu kommunizieren. Die Koordinierung spielt eine überragende Rolle, um innerhalb der EU präzise und konsistente Mitteilungen an die Öffentlichkeit herauszugeben, wodurch das Vertrauen in die Fähigkeiten der Behörden zur Bewältigung von Notfällen und Vermeidung gesundheitlicher Krisen gestärkt wird. Dies setzt voraus, dass es einen definierten Datenfluss bei Eingabe und Feed-back gibt sowie einen ungestörten Informationsfluss und Datentransfer, eine klare Verantwortlichkeit aller Beteiligten beim Sammeln, Analysieren und Berichten von Daten aus der Überwachung und dem Response-Monitoring ab der ersten Mitteilung an die zuständige Stelle. Die Verbindung zwischen den zuständigen Behörden und den Entscheidungsträgern setzt ununterbrochen besetzte (24h/7d) Kontaktstellen in den Mitgliedstaaten und bei der Kommission voraus, wie sie bereits für etliche Tätigkeitsbereiche der EU eingerichtet wurden.

3.3. Wissenschaftliche Beratung

Die Erarbeitung und Formulierung wissenschaftlicher Empfehlungen ist Bestandteil des Krisenmanagements. Zu diesem Zweck müssen auf allen Ebenen und für alle Bereiche entsprechende Strukturen geschaffen werden (z. B. Sachverständigengruppen, Ausschüsse) und rasche Konsultationen zur Bewertung des Risikos und Prüfung der wissenschaftlichen und technischen Basis für verschiedene Reaktionen ermöglicht werden. Die wissenschaftliche Beratung umfasst auch die Unterstützung von Management-, Kontroll- und Verbindungsstrukturen, um so zur Bestimmung geeigneter Maßnahmen und Ermittlung wissenschaftlicher und technischer Fachkenntnisse und Ressourcen für deren Umsetzung beizutragen.

Methoden und Verfahren zur Formulierung wissenschaftlicher Empfehlungen auf Gemeinschaftsebene existieren für diejenigen Sektoren, die für gesundheitsbezogene Krisenfälle relevant sind, und ermöglichen die Zusammenführung wissenschaftlicher Gutachten der Mitgliedstaaten und der Kommission sowie die Untersuchung sozialer und wirtschaftlicher Aspekte. Im Gesundheitsbereich kommt der gemeinsamen Forschungsstelle und sechs Gemeinschaftsagenturen eine Schlüsselrolle bei der Formulierung wissenschaftlicher Empfehlungen für gesundheitsbezogene Krisenfälle zu – Europäisches Zentrum für die Prävention und die Kontrolle von Krankheiten (ECDC), Europäische Arzneimittel-Agentur (EMEA), Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA), Europäische Umweltagentur (EEA), Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) und Europäische Agentur für Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz (EU-OSHA).

Bei Eintreten einer konkreten Notfallsituation ist wissenschaftliche Beratung unerlässlich – einschließlich Prognosen auf Grundlage wissenschaftlicher Modelle –, und zwar zu Reaktions- und Abhilfemöglichkeiten sowie zur Belastbarkeit lebenswichtiger Systeme wie Wasserversorgung, Abwasserbeseitigung, medizinische Güter und Dienstleistungen usw., Schutzräume, Rettungsstrukturen, Schutzmaterial, Häfen, Verkehrsanbindungen, Lagerhäuser und Kommunikationssysteme. Die Mitgliedstaaten und die Kommission bemühen sich gemeinsam darum, die Prognosegenauigkeit der Modelle zu verbessern. Im Bereich der übertragbaren Krankheiten werden derzeit EU-weit koordinierte Echtzeit-Prognosemodelle entwickelt und finanziell unterstützt[11]. Diese sollen dazu beitragen, die zweckmäßigsten Maßnahmen zur Bekämpfung von Krankheiten und Erregern zu ermitteln und die Behörden bei der Mitgestaltung der Gesundheitspolitik und der Vorausplanung zu unterstützen.

Mechanismen zur raschen Auffindung von Fachwissen in den Mitgliedstaaten und auf EU-Ebene und dessen Bereitstellung an andere Mitgliedstaaten wurden und werden von der Kommission und den einschlägigen Gemeinschaftsagenturen entwickelt. EU-Expertenverzeichnisse ermöglichen den Mitgliedstaaten die Inanspruchnahme konkreter Hilfe im Bedarfsfall.

3.4. Verbindungs-, Management- und Kontrollstrukturen

Die drei Reaktionsphasen bei gesundheitsbezogenen Krisenfällen sind Nachweis/Diagnose, Bekämpfung und Behandlung, doch können diese parallel zueinander ablaufen. Die wechselseitige Beziehung zwischen diesen drei Phasen schafft ernste Probleme hinsichtlich der Ergreifung zweckmäßiger Maßnahmen und der konsequenten Weiterverfolgung unter Einbindung aller beteiligten Akteure und verfügbaren Ressourcen. Es ist Aufgabe der Management- und Kontrollstrukturen, diese Probleme zu lösen, der Ausbreitung von Krankheiten und der Kontamination der Bevölkerung und Umwelt entgegenzuwirken. Dies ist ein zentraler Zuständigkeitsbereich der Mitgliedstaaten.

Die Management- und Kontrollstrukturen müssen folgende Anforderungen erfüllen: situationsgebundene Erfassung der Opfer und Ressourcen, Koordinierung der Reaktion und Kommunikation, Informationsanalyse und -verwaltung sowie Simulationen für Ereignisanalyse und Bereitschaftstraining.

Management und Kontrolle schließen alle Planungs- und Reaktionsfunktionen und -vorgänge ein und integrieren sie in ein sinnvolles Ganzes. So kann eine Hierarchie zwischen den Beteiligten aus verschiedenen Sektoren hergestellt werden. Für alle vorhersehbaren Situationen werden Verantwortliche bestimmt, insbesondere wenn verschiedene Dienststellen und Behörden betroffen sind. Diese Verantwortlichen haben die Aufgabe, die Tatsachen zu erkennen und dafür zu sorgen, dass angemessene Maßnahmen ergriffen werden. Wer tut was, wann, wie und mit welchen Implikationen für Ressourcen und Auswirkungen auf die Gesamtreaktion – dies steht im Mittelpunkt von Management und Kontrolle.

Wichtigster Faktor bei Management und Kontrolle ist die Zeit, und vorrangige Herausforderungen sind Unsicherheit, Komplexität und Veränderlichkeit. In einigen Fällen gibt es nur wenig oder überhaupt keine Informationen zu einer Situation; in anderen Fällen mögen die verfügbaren Informationen verworren, widersprüchlich oder unvollständig sein. Fast immer werden die Verantwortlichen und deren Mitarbeiter unter großem Druck arbeiten, wobei wenig Zeit für kritische Entscheidungen verbleibt. Die Verantwortlichen müssen mit einem gewissen Unsicherheitsfaktor umgehen, der niemals vollständig ausgeschaltet werden kann. Management und Kontrolle helfen den Verantwortlichen, ihre Arbeit trotz der Komplexität effektiv auszuführen. Indessen können Simulationen wertvolle Hilfe bieten, um die Komplexität zu entwirren und unterschiedliche Ergebnisse vorherzusehen. Die Verantwortlichen sollen befähigt werden, die Ressourcen der verschiedenen Ebenen auf ein Ziel zu vereinen; gleichzeitig sollen Einfallsreichtum und Initiative ihrer Mitarbeiter angeregt werden. Auf Ebene der Mitgliedstaaten gibt es eine übergeordnete Zentrale – innerhalb der Regierung – sowie ein Netz untergeordneter Management- und Kontrollzentren auf regionaler und lokaler Ebene. Die in das Reaktionssystem eingebundenen Behörden und Dienststellen sind durch horizontale und vertikale Anweisungs- und Kommunikationskanäle verbunden, wobei ihnen feste Grenzen hinsichtlich Autonomie und Einflussnahme gesetzt sind.

Die Management- und Kontrollzentren in den Mitgliedstaaten müssen über gute Verbindungen zu den anderen Mitgliedstaaten, zur Kommission, den Gemeinschaftsagenturen und internationalen Organisationen, insbesondere WHO, verfügen. In der Gemeinschaft existieren viele Verbindungssysteme, wobei die meisten Frühwarnfunktion haben und auf gemeinschaftliche Rechtsinstrumente gestützt sind. Dies betrifft vor allem Bereiche wie Strahlenschutz, Lebensmittelsicherheit, Tier- und Pflanzengesundheit, Katastrophenschutz, auswärtige Angelegenheiten, Zoll usw. Gesundheitsbedrohungen, die vom Frühwarn- und Reaktionssystem EWRS (Early Warning and Response System) oder vom gemeinschaftlichen Schnellwarnsystem für biologische, chemische, radiologische und atomare Angriffe und Bedrohungen[12] im Einklang mit den vereinbarten Kriterien gemeldet werden, können zur Feststellung gesundheitsbezogener Krisenfälle führen und entsprechende Verbindungs- und Koordinierungsstrukturen auf EU-Ebene sowie innerhalb der Kommission aktivieren.

Die Kommission ist derzeit im Begriff, das System ARGUS[13] [14] einzurichten, das alle gemeinschaftlichen Schnellwarnsysteme und ein Krisenkoordinationszentrum durch geeignete Koordinierungsstrukturen miteinander verbindet, um im Notfall frühzeitige Initiativen und Reaktionen in jedem Bereich der Gemeinschaftspolitik zu gewährleisten.

3.5. Bereitschaftsplanung im Gesundheitssektor

Die Betreuung der Betroffenen ist je nach Mitgliedstaat unterschiedlich, abhängig von den jeweiligen Gesundheitsinfrastrukturen und -einrichtungen. Gleichwohl bestehen viele Ähnlichkeiten hinsichtlich der grundsätzlichen Planung, und dies wird von Vorteil sein, um Informationen in diesem Bereich auszutauschen. Außerdem muss bei Inanspruchnahme grenzübergreifender Unterstützung sichergestellt sein, dass die betreffenden Verfahren in dem jeweils anderen Mitgliedstaat verstanden werden. Daher ist es erforderlich, Informationen über geplante Vorhaben und Hilfsaktionen im Rahmen der Überprüfung und Entwicklung nationaler Pläne auszutauschen. Die nationalen Pläne sollten die notwendige Unterstützung für die vom Krisenfall betroffene Bevölkerung im Allgemeinen und für das Gesundheitspersonal im Besonderen umfassen; Erfahrungen mit der konkreten Ausführung der Pläne zur Bereitstellung von Ressourcen sollten zwischen den Mitgliedstaaten ausgetauscht werden.

Die Ressourcen für epidemiologische Erhebungen und Laboruntersuchungen werden in großem Umfang auf EU-Ebene zusammengeführt und miteinander geteilt. Dies geschieht anhand von Netzen mit Unterstützung der Kommission und wird vom ECDC überwacht und weiter verbessert.

Die Verfahren zur Patientenüberführung zwischen den Mitgliedstaaten müssen ausgebaut werden. Die grenzübergreifende Zusammenarbeit sollte – in enger Verbindung mit den Ambulanzdiensten und Krankenhäusern – von den Mitgliedstaaten über alle EU-Regionen hinweg geplant werden. Die gemeinsame Nutzung von Ressourcen zur Aufstockung von Personal und Ausrüstungsbeständen vonseiten der Mitgliedstaaten ist in einigen Grenzregionen bereits Realität und wird in anderen aktiv angegangen. Verfahren zur Übertragung von Ressourcen (z. B. mobile Krankenhäuser) werden ins Auge gefasst und wurden bereits für den militärischen Bereich und den Katastrophenschutz entwickelt. Mobile Ressourcen mögen für bestimmte Situationen zweckmäßig sein; in diesem Falle könnten die Möglichkeiten einer gemeinsamen Nutzung auf internationaler Ebene untersucht werden. Die Kommission schlägt in dem künftigen Aktionsprogramm der Gemeinschaft für Gesundheit und Verbraucherschutz (2007-2013)[15] vor: „Festlegung und Bereithaltung eines geschulten und ständig bereiten Kernteams von Gesundheitsexperten, das weltweit rasch in den von größeren gesundheitsbezogenen Krisenfällen betroffenen Gebieten zusammen mit mobilen Laboratorien, Schutzausrüstung, und Quarantäneeinrichtungen eingesetzt werden kann“.

Isolierungsmaßnahmen – einschließlich der Definition der zu isolierenden Fälle und für welchen Zeitraum – sind bereits für einige Krankheiten verfügbar, für andere müssen sie noch festgelegt werden. Für neue Krankheiten sollten Verfahren geschaffen werden, um rasch Leitlinien zu entwickeln, gestützt auf einen gemeinsamen Konsens auf EU-Ebene und unter Leitung des ECDC.

Forschungsarbeiten zur Bewältigung von Gesundheitsbedrohungen sollen eine bessere Feststellung von Bedrohungen und die Behandlung der Betroffenen ermöglichen und zugleich die Ausbreitung der Krankheit verhindern und die Bedrohung eliminieren.

Ein spezieller Forschungsbereich ist die Entwicklung neuer Arzneimittel und Medizinprodukte. Für viele Gesundheitsbedrohungen gibt es keine wirksamen Arzneimittel oder die Entwicklungen verzögern sich aufgrund mangelnder Marktaussichten und demzufolge mangelndem Interesse der Industrie, Biotechnologieunternehmen und akademischen Kreise, in die Entwicklung solcher Produkte zu investieren. Daher ist Folgendes geboten: 1) EU-weite Anstrengungen zur Sicherung des gleichberechtigten Zugangs zu und der Vorratshaltung an wirksamen Arzneimitteln für größere Gesundheitsbedrohungen; die Kommission stellt derzeit Überlegungen zu etwaigen Maßnahmen an; 2) eine EU-weite Strategie zur Entwicklung und Produktion prioritärer Arzneimittel für größere Gesundheitsbedrohungen in Zusammenarbeit mit der pharmazeutischen Industrie.

Die Gemeinschaft hat bereits umfassende Rechtsvorschriften für den Bereich der Pharmazeutika erlassen, die günstige Rahmenbedingungen für die Entwicklung und Vermarktung von Arzneimitteln schaffen; hierunter fallen Bestimmungen und Vorkehrungen zur beschleunigten Ausstellung von Gutachten und gebührenfreien Bearbeitung von Impfstoff-Musterdateien durch EMEA. Ferner kanalisiert sie Mittel im Rahmen des Programms für Forschung und technologische Entwicklung für Arbeiten auf dem Gebiet von Impfstoffen und antiviralen Mitteln und plant die Einführung eines neuen Mechanismus zur Unterstützung des unvorhergesehenen Forschungsbedarfs infolge neuer ansteckender Krankheiten. Im Rahmen des EU-Katastrophenschutzverfahrens[16] [17] [18] [19] stellt die Kommission Informationen über Medikamente und sonstige Hilfsmittel bereit, die die Mitgliedstaaten an andere Mitgliedstaaten sowie an andere, diesem Mechanismus angeschlossene Länder weitergeben können.

Darüber hinaus hat die Kommission bereits eine Reihe von Initiativen ergriffen mit dem Ziel, antivirale Mittel und Impfstoffe für den Fall einer Influenzapandemie zur Verfügung zu stellen[20]. Mit dem Vorschlag für eine Verordnung zur Errichtung des Solidaritätsfonds der Europäischen Union[21] setzt sich die Kommission für eine Verstärkung und Ausweitung der Möglichkeiten ein, um auch auf gesundheitsbezogene Krisenfälle zu antworten. Dies umfasst sofortige ärztliche Hilfe und Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung gegen unmittelbare Gesundheitsbedrohungen (z. B. Kosten für Impfstoffe, Arzneimittel, medizinisches Material, Ausrüstungen und Infrastrukturen für den Notfall). Gleichwohl ist der Einsatz dieses Fonds an spezielle Bedingungen geknüpft und stellt vom Grundkonzept her ein Refinanzierungsinstrument und somit ein Instrument für eine Krisenreaktion dar, wobei die standardisierten Verfahren normalerweise eine gewisse Zeit in Anspruch nehmen. Daher hat die Kommission einen Vorfinanzierungsmechanismus vorgeschlagen, der die kurzfristige Bereitstellung kleinerer Beträge ermöglicht.

In ihrem Vorschlag[22] für strategische Leitlinien der Gemeinschaft zur Kohäsionspolitik im Dienste von Wachstum und Beschäftigung (2007-2013) hat die Kommission die Verhütung von Gesundheitsrisiken und die Schließung von Lücken in der Gesundheitsinfrastruktur als strategische Parameter der künftigen Kohäsionspolitik genannt. Für diejenigen Mitgliedstaaten, die die Entwicklung horizontaler Kohäsionspolitikprogramme für den Gesundheitsbereich planen, und diejenigen Regionen, die gesundheitsrelevante Prioritäten in ihre operationellen Programme aufnehmen wollen, empfiehlt die Kommission, auf eine enge Verknüpfung zwischen jenen und den nationalen Bereitschaftsplänen zu achten. Besondere Aufmerksamkeit sollte ebenfalls den Möglichkeiten gewidmet werden, die durch die künftigen Instrumente der Kohäsionspolitik für territoriale Zusammenarbeit – insbesondere grenzübergreifende Zusammenarbeit – eröffnet werden.

3.6. Bereitschaftsplanung in allen übrigen Sektoren sowie sektorübergreifende Bereitschaftsplanung

Die zur Bewältigung gesundheitsbezogener Krisenfälle erforderlichen Verfahren, die über den Gesundheitssektor hinausgehen, haben zweierlei Funktion: zum einen dienen sie dazu, andere Sektoren darauf vorzubereiten, den Gesundheitsbehörden bei der medizinischen Versorgung beizustehen (Triage, Isolierung, Quarantäne, Behandlung, Arzneimittelverabreichungen und Impfungen); zum anderen dienen sie dazu, Maßnahmen, die vor allem in anderen Sektoren zum Einsatz kommen, einzuführen und anzuwenden. Dabei geht es um Fragen der Logistik (z. B. Schaffung von Vorräten/Ressourcen, Mindestanforderungen in Bezug auf Schutzausrüstungen und Medizinprodukte sowie andere Gegenmaßnahmen), Keulung/Dekontaminierung, Strom- und Trinkwasserversorgung, beförderungstechnische Maßnahmen, insbesondere an den Eintritts- und Austrittsstellen der nationalen Hoheitsgebiete, Telekommunikation, Katastrophenschutz, Zivilverteidigung, Schutzräume, Rettungsmaßnahmen, Grundversorgung (Lebensmittel, Wasser u. a.) und Bereitstellung durch die Länder, die über relevante Ressourcen und Ausrüstungen verfügen, Zusammenarbeit zwischen Gesundheitsbehörden und Polizei beim Verbot öffentlicher Versammlungen und bei der Schließung von Einrichtungen, forensische Epidemiologie sowie rechtliche und ethische Implikationen von Gegenmaßnahmen (z. B. Quarantäne, Vertraulichkeit von Fahrgastlisten, Beförderung gefährlicher Güter, Zoll, Kontrolle und Durchsetzung, Beschlagnahmung von Eigentum) usw.

Insbesondere sollten die auf Gemeinschaftsebene für das Risikomanagement zuständigen Einrichtungen des Zolls genutzt werden, um Informationen direkt an Zieleinrichtungen und Grenzkontrollstellen zu senden. Die internationale Zusammenarbeit der Zollbehörden trägt auch dazu bei, die Verteilungskette aufrechtzuerhalten und die rasche Beförderung wichtiger Versorgungsgüter in Zielgebiete zu erleichtern.

Die Bekämpfung von Sicherheitsbedrohungen obliegt in erster Linie den Sicherheitskräften, mit Schwerpunkt auf Maßnahmen zur Antizipation, Prävention und/oder Abwendung einer terroristischen Bedrohung oder eines Anschlags. Die für die öffentliche Sicherheit zuständigen Behörden oder Agenturen der Mitgliedstaaten übernehmen hierbei die Führung. Die Kommission ist im Begriff, ein Netz zu schaffen, in dem die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten miteinander verbunden sind, um eine EU-weite Koordinierung in diesem Bereich zu gewährleisten[23].

Die Folgenbewältigung durch die Mitgliedstaaten umfasst Maßnahmen zum Nachweis/zur Diagnose von freigesetzten Erregern oder Krankheitsausbrüchen und zum Schutz der öffentlichen Gesundheit: Suchaktionen, Rettungsmaßnahmen und ärztliche Behandlung von Opfern; Evakuierung von gefährdeten Menschen; Schutz der First Responders; Verhütung der Krankheitsausbreitung durch Rückverfolgung von Kontaktpersonen, Isolierung und Behandlung der Opfer, Quarantänemaßnahmen für Betroffene, Einschränkung der Bewegungsfreiheit[24] in bestimmten Gebieten und Schließung von Einrichtungen (gesellschaftliche Treffpunkte, Schulen, Theater und andere Versammlungsorte). Die beiden letztgenannten Maßnahmen erfordern die Intervention anderer Behörden als der Gesundheitsdienste und daher die Koordination zwischen den involvierten Stellen und Behörden. Folgenbewältigung konzentriert sich ebenfalls darauf, wichtige staatliche und lokale Dienste wiederherzustellen und Soforthilfe für die Regierung, Unternehmen und Einzelpersonen, die von den Folgen der Krisenreaktion betroffen sind, bereitzustellen. Wird bei einem größeren gesundheitsbezogenen Krisenfall weitergehende gemeinschaftliche Hilfestellung benötigt, könnte das EU-Katastrophenschutzverfahren ein wertvolles Instrument bieten19. Um den Mitgliedstaaten bei ihren Anstrengungen zu helfen, hat die Kommission ein Programm zum Schutz kritischer Infrastrukturen im Rahmen der Terrorismusbekämpfung[25] aufgelegt. Die Kommission beabsichtigt, ein Grünbuch zu den Kernfragen des Europäischen Programms für den Schutz kritischer Infrastrukturen (European Programme for Critical Infrastructure Protection, EPCIP) zu veröffentlichen [26].

Auch die Bereitschaftsplanung in anderen Ländern ist von wesentlicher Bedeutung, wenn die Europäische Union vor Gesundheitsrisiken geschützt werden soll, die von diesen Ländern auf die EU übergreifen könnten. Es ist notwendig, einen koordinierten Ansatz innerhalb und außerhalb der EU zu schaffen, um die Gesundheit der EU-Bürger vor bereits bekannten oder unvorhergesehenen Bedrohungen zu schützen. Was die Außenpolitik anbelangt, so arbeitet die EU bereits mit Drittländern und internationalen Organisationen – insbesondere Einrichtungen der Vereinten Nationen (z. B. Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen, FAO), WHO, Weltbank usw. – zusammen, um anderen Ländern in gesundheitsbezogenen Krisensituationen beizustehen. Die Europäische Union übernimmt die Aufgabe, allen Staaten, die um Hilfe ersuchen, nicht nur während einer Pandemie, sondern auch schon zuvor, zu helfen. Dies gilt insbesondere für die am wenigsten entwickelten und am meisten gefährdeten Länder Afrikas and Asiens. Ferner fördert die Kommission die Einbindung der Partnerländer der Europäischen Nachbarschaftspolitik (European Neighbourhood Policy, ENP) in die europäischen Netze (z. B. Netz für übertragbare Krankheiten) und hat Aktionspläne mit der Ukraine, Moldawien, Israel, Jordanien, Marokko und Tunesien ausgearbeitet.

Die von der Kommission geschaffene Krisenkoordinationsstruktur soll – gestützt auf das ARGUS-System – die sektorübergreifende Koordinierung bei größeren Krisenfällen sicherstellen.

4. FAZIT

Die vorliegende Mitteilung verdeutlicht die Erfordernisse und Ziele der allgemeinen Planung für gesundheitsbezogene Krisenfälle und für die Entwicklung koordinierter Vorgehensweisen innerhalb und außerhalb der EU, um die EU-Bürger vor bereits bekannten oder unvorhergesehenen Gesundheitsbedrohungen zu schützen. Es besteht eine fortwährende Notwendigkeit, Pläne und Vorkehrungen, die separat in einzelnen Politikfeldern auf EU-Ebene geschaffen wurden, in eine gemeinsame Plattform zu integrieren, und gemeinsame Überlegungen zu allen Facetten eines gesundheitsbezogenen Krisenfalls anzustellen, um kohärente und frühzeitige Maßnahmen und Initiativen in den betroffenen Sektoren ergreifen zu können. Die Ermittlung und Verbindung von Management- und Kontrollstrukturen in der EU sowie Peer-to-Peer-Kontakte und Echtzeit-Kommunikation zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission sind in diesem Kontext von entscheidender Bedeutung – zwischen den Leitern der Planung, den höchsten Politikberatern in Sachen öffentliche Gesundheit sowie den höchsten Politikberatern im Bereich der Abstimmung zwischen Wirtschaftssektoren. Es besteht dringender Handlungsbedarf, um diesbezügliche Fortschritte zu erzielen.

Ferner wird die Kommission prüfen, ob die derzeitigen EU-Maßnahmen für gesundheitsbezogene Krisenfälle ausreichen angesichts sich rasch verändernder Umstände und steigender Erwartungen oder ob Aktualisierungen bzw. neue Initiativen erforderlich sind.

- Die Kommission wird sich weiterhin dafür einsetzen, die Koordinierung über alle EU-Politikfelder hinweg zu verbessern. Instrumente hierfür sind das ARGUS-System zur Verbindung der gemeinschaftlichen Schnellwarnsysteme und das Krisenkoordinationszentrum, um frühzeitige Initiativen und Reaktionen in jedem einzelnen Politikbereich zu ermöglichen.

- Voraussetzung für die angemessene Reaktion auf Gesundheitsbedrohungen in der EU ist die Existenz von regelmäßig aktualisierten nationalen Bereitschaftsplänen für gesundheitsbezogene Krisenfälle in den Mitgliedstaaten. Die Kommission wird die begonnenen Arbeiten fortsetzen: Austausch, Vergleich und Verbesserung der nationalen Pläne zu Pocken, SARS und Influenza, Aktualisierung des technischen Leitfadens zur allgemeinen Bereitschaftsplanung und Erarbeitung von Algorithmen, Terminologie und gemeinsamen Vereinbarungen zur Einleitung spezifischer Gegenmaßnahmen. Eine dringende Aufgabe für die Zukunft ist die Organisation weiterer Übungen und ein Peer-Review-Prozess für die nationalen Pläne. Follow-up, Tests und Übungen in Bezug auf die Interoperabilität der Pläne, wie bereits für gesundheitsbezogene Krisenfälle unternommen (z. B. Pocken, Influenzapandemien und natürliche oder technische Katastrophen), dürften das Vertrauen der EU-Bürger in die nationalen Pläne stärken.

- Neben diesen planungstechnischen Erfordernissen ist es wesentlich, dass die Personen, die auf nationaler Ebene als Einsatzleiter bei gemeinsamen Krisenmaßnahmen fungieren werden, in ausreichendem Maße zusammenarbeiten, um ein gemeinsames Netz zu bilden und zu gemeinsamen Strategien für EU-weit koordinierte Maßnahmen zu gelangen: nur wenn diese menschlichen Netze funktionieren, werden die EU-Bürger zuversichtlich sein, dass sie im konkreten Krisenfall den vollen Schutz einer kohärenten grenzübergreifenden Bereitschaftsplanung genießen.

[1] KOM(2003) 320 endg. vom 2.6.2003.

[2] ABl. L 21 vom 26.1.2000, S. 32.

[3] KOM(2004) 201 endg. vom 26.03.2004.

[4] SAN 104, 9882/04 vom 2.6.2005.

[5] http://www.who.int/csr/resources/publications/influenza/WHO_CDS_CSR_GIP_2005_5.pdf

[6] ABl. L 142 vom 30.4.2004, S. 1.

[7] COM(2005) 607 endg vom 28.11.2005

[8] ABl. L 268 vom 3.10.1998, S.1.

[9] http://europa.eu.int/comm/health/horiz_keydocs_en.htm#3

[10] http://www.europa.eu.int/agencies/index_en.htm

[11] http://europa.eu.int/comm/health/ph_projects/2003/action2/action2_2003_03_en.htm

[12] KOM(2003) 320 endg. vom 2.6.2003.

[13] KOM(2004) 701 endg. vom 24.11.2004.

[14] Entwurf eines Beschlusses der Kommission vom xxx zur Änderung ihrer Geschäftsordnung.

[15] KOM(2005) 115 endg.

[16] Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen (Text von Bedeutung für den EWR) – Verbesserung des Gemeinschaftsverfahrens für den Katastrophenschutz, KOM(2005) 137 endg. vom 20.4.2005.

[17] Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Schaffung eines Krisenreaktions- und Vorbereitungsinstruments für Katastrophenfälle, KOM(2005) 113 endg. vom 6.4.2005.

[18] 2005/12/EG: Entscheidung des Rates vom 20. Dezember 2004 zur Änderung der Entscheidung 1999/847/EG in Bezug auf die Verlängerung des Aktionsprogramms der Gemeinschaft für den Katastrophenschutz, ABl. L 6 vom 8.1.2005, S. 7.

[19] 2001/792/EG, Euratom: Entscheidung des Rates vom 23. Oktober 2001 über ein Gemeinschaftsverfahren zur Förderung einer verstärkten Zusammenarbeit bei Katastrophenschutzeinsätzen, ABl. L 297 vom 15.11.2001, S. 7.

[20] http://europa.eu.int/comm/health/ph_threats/com/Influenza/influenza_key03_en.pdf

[21] KOM (2005) 108 endg. vom 6.4.2005.

[22] KOM(2005) 304 endg. vom 5.7.2005.

[23] KOM(2004) 701 endg.

[24] Richtlinie 2004/38/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 über das Recht der Unionsbürger und ihrer Familienangehörigen, sich im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten frei zu bewegen und aufzuhalten, zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1612/68 und zur Aufhebung der Richtlinien 64/221/EWG, 68/360/EWG, 72/194/EWG, 73/148/EWG, 75/34/EWG, 75/35/EWG, 90/364/EWG, 90/365/EWG und 93/96/EWG (Text von Bedeutung für den EWR), ABl. L 158, vom 30.4.2004. S. 77-123.

[25] KOM(2004) 702 endg. vom 20.10.2004.

[26] KOM(2005) 576 endg.

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