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Document 52000DC0644

Mitteilung der Kommission zum Status der Grundrechtscharta der Europäischen Union

/* KOM/2000/0644 endg. */

52000DC0644

Mitteilung der Kommission zum Status der Grundrechtscharta der Europäischen Union /* KOM/2000/0644 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION ZUM STATUS DER GRUNDRECHTSCHARTA DER EUROPÄISCHEN UNION

DIE MERKMALE DES ENTWURFS DER CHARTA :

1. Die schwierige Aufgabe, einen Entwurf für eine Grundrechte-Charta auszuarbeiten, wurde erfuellt: Das Präsidium des mit dieser Arbeit beauftragten Konvents hat auf einer feierlichen Sitzung vom 2. Oktober 2000 umfassendes Einvernehmen über diesen Entwurf festgestellt und ihn dem Vorsitz des Europäischen Rates übermittelt [1].

[1] Dok. CHARTE 4487/00 (CONVENT 50) vom 28. September 2000.

Der Entwurf bietet zweifellos insofern einen Mehrwert, als damit in einem einzigen Rechtstext Rechte festgeschrieben werden, die derzeit in verschiedenen völkerrechtlichen und nationalen Rechtsinstrumenten verstreut sind. So ist dieser Charta-Entwurf denn auch als die eigentliche Substanz des gemeinsamen europäischen Acquis auf dem Gebiet der Grundrechte zu betrachten.

2. Der Charta-Entwurf ist ein ausgewogener Text, der ehrgeizige Neuerungen aufweist:

- Alle bürgerlichen, politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte sowie die Rechte der Unionsbürger sind in einem einzigen Text zusammengefasst. Damit wird der Grundsatz der Unteilbarkeit der Rechte mit aller Deutlichkeit umgesetzt. Die bislang in den europäischen und völkerrechtlichen Instrumenten bestehende Unterscheidung zwischen bürgerlichen und politischen Rechten einerseits und wirtschaftlichen und sozialen Rechten andererseits wird aufgehoben: Die im Charta-Entwurf aufgelisteten Rechte gliedern sich nach einigen wenigen fundamentalen Prinzipien: der Würde des Menschen, den Grundfreiheiten, der Gleichheit, der Solidarität, den Rechten eines Bürgers und der Justiz.

- Entsprechend dem Grundsatz der Universalität gelten die im Charta-Entwurf aufgelisteten Rechte für alle Menschen, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit oder ihrem Aufenthaltsort. Allerdings leiten sich einige Rechte unmittelbar aus der Unionsbürgerschaft her und gelten entsprechend nur für den EU-Bürger (z.B. das aktive und passive Wahlrecht bei den Wahlen zum Europäischen Parlament und den Kommunalwahlen); andere Rechte wiederum werden bestimmten Personenkategorien eingeräumt (Rechte der Kinder und bestimmte soziale Rechte der Arbeitnehmer).

- Der Entwurf ist zeitgemäß, denn es sind darin Rechte festgeschrieben, die, wie der Schutz personenbezogener Daten und die bioethischen Rechte, zwar nicht wirklich neuartig sind, aber eine Antwort auf die Herausforderungen im Zusammenhang mit den heutigen und noch anstehenden Entwicklungen bei der Informationstechnologie und der Genetik sein sollen.

- Der Entwurf erfuellt außerdem die drängende und legitime Forderung der Öffentlichkeit nach einer transparenten und gerechten Funktionsweise der Gemeinschaftsverwaltung, da er das Recht auf Zugang zu den Verwaltungsdokumenten der Gemeinschaftsorgane und das Recht auf eine gute Verwaltung vorsieht, wie es bisher durch die einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs ausgeformt worden ist.

- Ebenfalls erwähnenswert sind die geschlechtsneutralen Formulierungen: die Charta soll für jeden gelten und beide Geschlechter stehen auf gleichem Fuß.

- In formaler Hinsicht ist auf die Klarheit und Knappheit des Wortlauts hinzuweisen, was die Charta für alle Menschen, an die sie sich richtet, verständlich machen dürfte. Somit ist die erste Voraussetzung erfuellt, damit der Forderung des Europäischen Rates von Köln nach einer "für die Unionsbürger sichtbaren" Verankerung der außergewöhnlichen Bedeutung und der Tragweite der Grundrechte nachgekommen werden kann. Doch ist dies auch Voraussetzung dafür, dass die Charta die in den Anwendungsbereichen des Gemeinschaftsrechts erforderliche Rechtssicherheit bieten kann.

3. Angesichts dieser Merkmale, die im übrigen den von der Kommission in ihrer Mitteilung vom 13. September [2] formulierten Erwartungen entsprechen, kann der Vertreter der Kommission im Konvent dem Charta-Entwurf uneingeschränkt zustimmen.

[2] Kom (2000) 559.

Die Kommission hegt keine Zweifel an dem durch den Charta-Entwurf erbrachten Mehrwert und ist der Überzeugung, dass dieser Mehrwert - ungeachtet des Status, welcher der Charta letztlich verliehen wird - für ihren Erfolg bürgt.

STATUS UND WIRKUNGEN DER CHARTA

4. Seitdem der Europäische Rat von Köln die Ausarbeitung eines Charta-Entwurfs beschlossen hat, steht die Frage nach dem Status der Charta im Zentrum der Diskussionen. Die Staats- und Regierungschefs haben hierfür einen Zwei-Phasen-Ansatz vorgesehen:

- zunächst soll die Charta feierlich durch das Europäische Parlament, die Kommission und den Rat proklamiert werden,

- anschließend wird zu prüfen sein, "ob und gegebenenfalls auf welche Weise die Charta in die Verträge aufgenommen werden sollte" [3].

[3] Tagung des Europäischen Rates in Köln vom 3. und 4. Juni 1999; Schlussfolgerungen des Vorsitzes, Anhang IV.

5. Mehrere Stellungnahmen liegen bereits vor.

Das Europäische Parlament hat sich in zwei Entschließungen am 16. März [4] und am 2. Oktober 2000 [5] entschieden für eine verbindliche, in die Verträge einbezogene Charta ausgesprochen. Den selben Standpunkt haben auch der Wirtschafts-und Sozialausschuss [6] und der Ausschuss der Regionen [7] im September 2000 eingenommen.

[4] Entschließung A5-0064/2000 zur Erarbeitung einer Charta der Grundrechte der Europäischen Union, veröffentlicht im Protokoll über die Plenartagung vom 16. März 2000.

[5] Entschließung B5-767/2000 zur Charta der Grundrechte der Europäischen Union, veröffentlicht im Protokoll über die Plenartagung vom 3. Oktober 2000.

[6] Entschließung 1005/2000 vom 20 .September 2000.

[7] Entschließung 140/2000 vom 20. September 2000.

Auch die Repräsentanten der Zivilgesellschaft haben sich bei den vom Konvent veranstalteten öffentlichen Anhörungen mehrheitlich in diesem Sinne geäußert. Die Erwartungen, die der Beschluss, eine Charta auszuarbeiten, in der Öffentlichkeit geweckt hat, werden sich kaum erfuellen lassen, wenn die Charta lediglich proklamiert und anschließend nicht in die Verträge einbezogen wird.

Zahlreiche Konventsmitglieder aus unterschiedlichen Gremien und politischen Richtungen haben sich für eine Einfügung der Charta in die Verträge ausgesprochen.

Die Kommission hat sich in ihrer Mitteilung vom 13. September verpflichtet, eine weitere Mitteilung zum Status der Charta vorzulegen.

6. Bereits im Dezember 1999 hatte die Kommission bei der Beantwortung einer mündlichen Anfrage eines Abgeordneten des Europäischen Parlaments Gelegenheit, auf den Status der Charta einzugehen [8]. Sie hat damals erklärt, der Konvent müsse sowohl bei den Beratungen als auch im sich daraus ergebenden Entwurf die beiden von den Staats- und Regierungschefs beschlossenen Optionen in bezug auf den endgültigen Status der Charta, d.h. entweder eine in die Verträge eingefügte, rechtlich verbindliche Charta oder eine feierlich proklamierte Charta, offen lassen.

[8] Mündliche Anfrage 0-0698/99 von Herrn David Martin.

Gleichzeitig hat sie festgestellt, die Charta müsse zwei wesentliche Ziele verwirklichen: Sichtbarkeit für den Bürger und Rechtssicherheit in den Anwendungsbereichen des Unionsrechts.

7. In diesem Sinne wurde, übrigens auch auf Anregung von Roman Herzog, dem Vorsitzenden des Konvents, beschlossen, den Entwurf so auszuarbeiten, "als ob" er in die Verträge eingefügt werden müsse, so dass dem Europäischen Rat die Wahl überlassen bliebe.

Dieser "als ob"-Ansatz hat die Beratungen des Konvents geprägt. Hätte man nur eine feierlich zu verkündende Charta entwerfen wollen, wäre es nicht notwendig gewesen, die "Allgemeinen Bestimmungen" (Kapitel VII), d.h. die wichtigsten Bestimmungen auszuarbeiten, deren Formulierung die meisten Schwierigkeiten bereitet hat.

Die Bedeutung der Allgemeinen Bestimmungen muss herausgestellt werden: sie bieten die Gewähr für die Wirksamkeit der Charta.

Darin ist präzisiert, was die Charta ist, nämlich ein Instrument, mit dem kontrolliert werden kann, ob die Organe und die Mitgliedstaaten die Grundrechte beachten, wenn sie im Geltungsbereich des Unionsrechts handeln. Das geht eindeutig aus Artikel 51 Absatz 1 hervor, der besagt, dass die Charta für die Organe und Einrichtungen der Union sowie für die Mitgliedstaaten gilt, sofern diese das Unionsrecht durchführen.

9. Diese Bestimmungen sollen aber auch die Antwort auf die wichtigen Fragen liefern, die sich im Falle einer Einbeziehung der Charta in die Verträge stellen werden.

Nach Auffassung der Kommission enthält der Entwurf in diesem Zusammenhang sachdienliche Hinweise:

- Beachtung der Autonomie des Unionsrechts: Die Charta muss sich nicht nur harmonisch in das Rechtssystem der Union einfügen; ebenso wichtig ist es, dass dabei die Grundsätze dieses Systems beachtet werden. Das gilt nicht zuletzt für das Prinzip der Autonomie des gemeinschaftlichen Rechtssystems gegenüber dem Völkerrecht und den nationalen Rechtsordnungen. Die Charta trägt dieser Autonomie Rechnung. Das geht ausdrücklich und in ausreichender Weise aus dem letzten Satz von Artikel 52 Absatz 3 hervor: nichts steht der Möglichkeit entgegen, dass das Unionsrecht einen umfassenderen Schutz als die Europäische Menschenrechtskonvention gewährleistet.

- Verhältnis zwischen der Charta und der Europäischen Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten: Die Gefahr einer Abweichung zwischen den in der Menschenrechtskonvention und den in der Charta, sowie die eventuelle Gefahr einer Abweichung zwischen der Rechtsprechung des Gerichtshofs in Strassburg und der des Gerichtshofs in Luxemburg, verankerten Rechten und Freiheiten wurde im Zuge der Ausarbeitung des Entwurfs genau analysiert. Die Formulierung von Artikel 52 Absatz 3 ist in dieser Hinsicht völlig zufriedenstellend. Im Übrigen bestand über diese Formulierung, die auch von den Europarat-Beobachtern im Konvent unterstützt wurde, ein ebenso umfassendes Einvernehmen wie über die anderen Bestimmungen des Entwurfs: vorbehaltlich der Autonomie des Unionsrechts haben die in der Charta festgeschriebenen Rechte, soweit sie Rechten entsprechen, die bereits in der Menschenrechtskonvention verankert sind, die gleiche Bedeutung und Tragweite wie letztere. Die Gefahr einer Abweichung zwischen der Rechtsprechung des Gerichtshofs für Menschenrechte und der des Gerichtshofs der Europaïschen Gemeinschaften sollte somit beseitigt werden. In der Frage des Beitritts der Union zur Menschenrechtskonvention ist der Entwurf "neutral", doch die Frage bleibt offen: Die Charta wird den Sinn eines Beitritts, der zur Folge hätte, dass die Union sich einer externen Kontrolle der Grundrechte unterwerfen würde, nicht in Frage stellen; umgekehrt würde der Beitritt zur Konvention die EU-Charta nicht irrelevant erscheinen lassen.

- die Charta, die Befugnisse der Union und das Subsidiaritätsprinzip: Die Charta darf kein Instrument sein, mit dem der Gemeinschaft neue Kompetenzen oder der Union neue Aufgaben zugewiesen werden. Zudem ist das Subsidiaritätsprinzip zu beachten. Artikel 51 ist in diesem Punkt unmissverständlich, wie im Übrigen auch Punkt 5 der Präambel, der belegt, dass sich die Verfasser eingehend mit dieser Problematik befasst haben.

- das Verhältnis zwischen der Charta und den nationalen Verfassungen: Die Besorgnis, die Charta werde die Mitgliedstaaten zu einer Änderung ihrer Verfassungen zwingen, erweist sich als unbegründet: Änderungen werden nicht erforderlich sein, und zwar nicht aufgrund einer allgemeinen Bestimmung des Entwurfs, sondern wegen der Definition der darin vorgesehenen Rechte. Alle Bemerkungen, die im Laufe der Beratungen des Konvents zu diesem Punkt, u.a. von den Regierungsvertretern, vorgebracht worden sind, wurden in vollem Umfang berücksichtigt. Es steht außer Zweifel, dass die Charta in ihrem Geltungsbereich nicht an die Stelle der nationalen Verfassungen tritt, wenn es gilt, die Achtung der Grundrechte auf innerstaatlicher Ebene durchzusetzen. Abgesehen davon würde sich im Falle einer Einbeziehung der Charta in die Verträge das Verhältnis zwischen Primärrecht der Union und nationalem Recht nicht verändern.

- erheblich mehr Rechtssicherheit: Die Kommission ist nunmehr, da die Beratungen abgeschlossen sind, der Überzeugung, dass die Charta die Rechtssicherheit hinsichtlich der Grundrechte nicht schwächen wird. Das Gegenteil wird der Fall sein: sie wird sie wesentlich erhöhen, da sie eine klare Orientierungshilfe für den Gerichtshof sein wird, der nach wie vor bei der Auslegung der Menschenrechte verstreute und teilweise unsichere Quellen heranziehen muss. Außerdem wird die Charta weder die in den Verträgen vorgesehenen Rechtsmittel noch die gerichtlichen Strukturen ändern, denn in ihrem verfügenden Teil sieht sie keine neuen Wege für den Zugang zur gemeinschaftlichen Gerichtsbarkeit vor.

10. Es kann also mit ziemlich großer Sicherheit davon ausgegangen werden, dass die Charta, unabhängig davon, welchen Status sie erhält, Wirkungen entfalten wird, und zwar auch in rechtlicher Hinsicht. Die Kommission hat am 3. Oktober 2000 vor dem Europäischen Parlament [9] den Standpunkt vertreten, dass es kaum denkbar wäre, wenn sie selbst und der Rat bei der Gesetzgebungstätigkeit eine von ihnen proklamierte Charta ignorieren würden, die auf Wunsch des Europäischen Rates von sämtlichen - in einem Gremium vereinigten - Legitimitätsträgern auf EU- und innerstaatlicher Ebene ausgearbeitet worden ist.

[9] Mündliche Anfrage 0-0115/00 von Herrn Giorgio Napolitano.

Auch der Gerichtshof wird sich aller Voraussicht nach an dieser Charta orientieren, zumal er bei seiner Rechtsetzung bereits andere Rechtsinstrumente betreffend die Grundrechte heranzieht. Auf jeden Fall dürfte die Charta dadurch rechtsverbindlich werden, dass der Gerichtshof sie in ihrer Eigenschaft als Teil der allgemeinen Grundsätze des Gemeinschaftsrechts auslegen wird.

11. Der Inhalt der Charta, ihre rechtlich präzise Formulierung, ihre politische Bedeutung und ihr hoher Symbolwert: all das spricht nach Auffassung der Kommission dafür, dass die Charta früher oder später in die Verträge aufzunehmen sein wird. Diese Frage der vertraglichen Verankerung sollte also nicht theoretisch-doktrinär, sondern vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Effizienz und juristischen Vernunft geprüft werden. So empfiehlt es sich aus Gründen der Sichtbarkeit und der Rechtssicherheit, dass die Charta nicht im Wege der gerichtlichen Auslegung, sondern kraft ihres Status rechtsverbindlich wird.

Praktisch geht es darum, die Frage zu beantworten, wann und wie die Einfügung in die Verträge vollzogen werden soll.

WELCHE ENTSCHEIDUNGEN SIND HEUTE ERFORDERLICH-

12. Nach Ansicht der Kommission ist es von allergrößter Bedeutung, dass die Charta in Zukunft ihre volle Wirkung entfalten kann. Allerdings will sie die ohnehin bereits ziemlich kompakte politische Agenda nicht noch mehr überfrachten. Es obliegt den Staats- und Regierungschefs, hier eine Lösung zu finden. Die Kommission jedenfalls ist aufgrund ihrer politischen Analyse zu der Überzeugung gelagt, dass jegliche Entscheidung in diesem Punkt folgenden, bereits genannten Aspekten Rechnung tragen sollte:

* Bewertung des Inhalts der Charta,

* Erhöhung der Rechtssicherheit,

* Sichtbarkeit der Rechte für den Bürger,

* Verankerung des europäischen Vorhabens insgesamt in durch die Grundrechte geschützten Wertvorstellungen.

Davon abgesehen stehen den Staats- und Regierungschefs sowohl in bezug auf die technischen Modalitäten als auch auf den Zeitplan der Einfügung mehrere Möglichkeiten offen.

Zum Zeitplan: Der Europäische Rat könnte diesen Punkt - auf seiner Tagung in Biarritz - auf die Tagesordnung der derzeitigen Regierungskonferenz setzen. Allerdings ist hier die Bedeutung der Arbeiten zu berücksichtigen, die der Europäische Rat der Regierungskonferenz bereits aufgetragen hat. Zudem darf die Perspektive einer Neuordnung der Verträge, wie sie von der Kommission in einem Beitrag zur Regierungskonferenz (Mitteilung vom 12. Juli 2000 über einen Grundlagenvertrag für die EU [10]) vorgeschlagen worden ist, nicht ignoriert werden.

[10] KOM (2000) 434.

Die Kommission sieht eine enge Verknüpfung zwischen der Neuordnung der Verträge und der Einbeziehung der Charta in diese Verträge. Deshalb sollten die Staats- und Regierungschefs in Nizza zumindest einen Prozess in Gang setzen, der in diese Richtung geht, und dabei deutliche Ziele, Modalitäten und Verfahren festlegen.

Nur wenn diese Perspektive eröffnet wird, kann beim Bürger Überzeugungsarbeit geleistet und festgelegt werden, wie praktisch vorzugehen ist, um zu greifbaren Ergebnissen zu gelangen.

Zu den technischen Modalitäten: Der Europäische Rat könnte zu gegebener Zeit beschließen, im EU-Vertrag für die Charta einen neuen Titel "Grundrechte" zu schaffen oder sie als Protokoll im Anhang zu den Verträgen einzufügen.

Auf jeden Fall wird die Frage zu beantworten sein, ob Artikel 6 Absatz 2 des EU-Vertrags nicht geändert werden muss. Es dürfte allen Beteiligten klar sein, dass - auch wenn selbstverständlich alle Möglichkeiten für künftige Weiterentwicklungen offen gehalten werden müssen - die Charta als feierliche Grundsatzerklärung im Lichte dieser Bestimmung nicht ignoriert werden kann. Nach Auffassung der Kommission sollte sich die Regierungskonferenz nach der Tagung des Europäischen Rates in Biarritz mit dieser Frage befassen: zu prüfen wäre eine mögliche Änderung der besagten Bestimmung unter Beachtung der in Köln vorgegebenen Reihenfolge,d.h. erst Proklamation der Charta auf der Tagung des Europäischen Rates in Nizza, dann Einbeziehung in die Verträge.

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