This document is an excerpt from the EUR-Lex website
Document 62023CC0784
Opinion of Advocate General Kokott delivered on 6 February 2025.#OÜ Voore Mets and AS Lemeks Põlva v Keskkonnaamet.#Request for a preliminary ruling from the Riigikohus.#Reference for a preliminary ruling – Environment – Directive 2009/147/EC – Conservation of wild birds – Article 5 – Prohibitions to ensure the protection of birds – Article 9 – Derogations – Articles 16 and 17 of the Charter of Fundamental Rights of the European Union – Prohibition on felling trees during the period of bird breeding and rearing.#Case C-784/23.
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 6. Februar 2025.
OÜ Voore Mets und AS Lemeks Põlva gegen Keskkonnaamet.
Vorabentscheidungsersuchen des Riigikohus.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2009/147/EG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Art. 5 – Verbote zur Gewährleistung des Vogelschutzes – Art. 9 – Abweichungen – Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Verbot des Holzschlags während der Brut- und Aufzuchtzeit von Vögeln.
Rechtssache C-784/23.
Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 6. Februar 2025.
OÜ Voore Mets und AS Lemeks Põlva gegen Keskkonnaamet.
Vorabentscheidungsersuchen des Riigikohus.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Umwelt – Richtlinie 2009/147/EG – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Art. 5 – Verbote zur Gewährleistung des Vogelschutzes – Art. 9 – Abweichungen – Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union – Verbot des Holzschlags während der Brut- und Aufzuchtzeit von Vögeln.
Rechtssache C-784/23.
ECLI identifier: ECLI:EU:C:2025:67
SCHLUSSANTRÄGE DER GENERALANWÄLTIN
JULIANE KOKOTT
vom 6. Februar 2025 ( 1 )
Rechtssache C‑784/23
Voore Mets u. a.
(Vorabentscheidungsersuchen des Riigikohus [Oberstes Gericht, Estland])
„Vorabentscheidungsersuchen – Erhaltung der wildlebenden Vogelarten – Richtlinie 2009/147/EG – Art. 5 – Verbote des absichtlichen Tötens von Vögeln, der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern und der Entfernung von Nestern sowie des absichtlichen Störens von Vogelarten – Begriff der ‚Absicht‘ – Holzschläge während der Brutzeit von Vögeln – Art. 2 – Stand der Arten, der den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernisse entspricht – Art. 9 – Ausnahmen von den Verboten – Abwendung erheblicher Schäden an Wäldern – Charta der Grundrechte – Art. 16 – Unternehmerische Freiheit – Art. 17 – Eigentumsrecht“
I. Einleitung
|
1. |
Sowohl die Vogelschutzrichtlinie ( 2 ) als auch die Habitatrichtlinie ( 3 ) verlangen, dass die Mitgliedstaaten bestimmte absichtliche Beeinträchtigungen geschützter Tierarten verbieten, etwa die Tötung von Exemplaren. Für die Verbote der Habitatrichtlinie legt der Gerichtshof den Begriff der „Absicht“ dahin aus, dass er Beeinträchtigungen einschließt, die der Handelnde gewollt oder zumindest in Kauf genommen hat. ( 4 ) Diese Auslegung des Begriffs der „Absicht“ wird in einigen Mitgliedstaaten auch bei den Verboten nach der Vogelschutzrichtlinie angewandt. ( 5 ) Auch Estland vertritt sie im vorliegenden Verfahren. Der Gerichtshof hat diese Auslegung jedoch noch nicht ausdrücklich bestätigt. |
|
2. |
In meinen Schlussanträgen Skydda Skogen habe ich allerdings die Auslegung des Begriffs der „Absicht“ in den Verboten der Vogelschutzrichtlinie bereits untersucht und davor gewarnt, die Auslegung der Habitatrichtlinie in diesem Punkt uneingeschränkt auf die Vogelschutzrichtlinie zu übertragen. ( 6 ) Nunmehr ersucht der Oberste Gerichtshof Estlands, das Riigikohus, den Gerichtshof auf der Grundlage eines Rechtsstreits über die Zulässigkeit von Holzschlägen während der Brutzeit von Vögeln darum, diese Frage zu klären. Für den Fall einer direkten Übertragung der Rechtsprechung zur Habitatrichtlinie auf die Vogelschutzrichtlinie fragt es außerdem, ob eine Ausnahme nach Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie die Arbeiten ermöglichen könnte. Falls auch keine Ausnahme anwendbar ist, möchte es wissen, ob die so ausgelegten Verbote der Vogelschutzrichtlinie mit der unternehmerischen Freiheit und dem Grundrecht auf Eigentum vereinbar sind. |
II. Rechtlicher Rahmen
A. Übereinkommen von Bern
|
3. |
Völkerrechtlich ist vor allem das Übereinkommen von Bern über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume ( 7 ) von Bedeutung. Die Europäische Wirtschaftsgemeinschaft hat dieses Übereinkommen 1982 ratifiziert. ( 8 ) In Estland ist das Übereinkommen am 1. Dezember 1992 in Kraft getreten. ( 9 ) |
|
4. |
Art. 6 des Übereinkommens von Bern enthält grundlegende artenschutzrechtliche Verbote: „Jede Vertragspartei ergreift die geeigneten und erforderlichen gesetzgeberischen und Verwaltungsmaßnahmen, um den besonderen Schutz der in Anhang II aufgeführten wildlebenden Tierarten sicherzustellen. In Bezug auf diese Arten ist insbesondere zu verbieten:
|
|
5. |
Ausnahmen sind in Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens geregelt: „Unter der Voraussetzung, dass es keine andere befriedigende Lösung gibt und die Ausnahme dem Bestand der betreffenden Population nicht schadet, kann jede Vertragspartei Ausnahmen von den Art. 4, 5, 6, 7 und vom Verbot der Verwendung der in Art. 8 bezeichneten Mittel zulassen:
|
B. Unionsrecht
1. Vogelschutzrichtlinie
|
6. |
Nach dem sechsten Erwägungsgrund der Vogelschutzrichtlinie sollen die Schutzmaßnahmen der Situation der einzelnen Vogelarten angepasst werden: „Die zu treffenden Maßnahmen sollten sich auf die verschiedenen auf die Vogelbestände einwirkenden Faktoren erstrecken, und zwar auf die nachteiligen Folgen der menschlichen Tätigkeiten wie insbesondere Zerstörung und Verschmutzung der Lebensräume der Vögel, Fang und Ausrottung der Vögel durch den Menschen sowie den durch diese Praktiken bewirkten Handel; der Umfang dieser Maßnahmen sollte daher im Rahmen einer Vogelschutzpolitik der Situation der einzelnen Vogelarten angepasst werden.“ |
|
7. |
Der zehnte Erwägungsgrund der Vogelschutzrichtlinie verlangt u. a., bestimmte Vogelarten auf einem „ausreichenden Niveau“ zu erhalten: „Einige Arten können aufgrund ihrer großen Bestände, ihrer geografischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand einer jagdlichen Nutzung sein; dies stellt eine zulässige Nutzung dar, sofern bestimmte Grenzen gesetzt und eingehalten werden und diese Nutzung mit der Erhaltung der Bestände dieser Arten auf ausreichendem Niveau vereinbar ist.“ |
|
8. |
Art. 1 der Vogelschutzrichtlinie regelt ihren Anwendungsbereich: „Diese Richtlinie betrifft die Erhaltung sämtlicher wildlebenden Vogelarten, die im europäischen Gebiet der Mitgliedstaaten, auf welches der Vertrag Anwendung findet, heimisch sind. Sie hat den Schutz, die Bewirtschaftung und die Regulierung dieser Arten zum Ziel und regelt die Nutzung dieser Arten.“ |
|
9. |
Art. 2 der Vogelschutzrichtlinie enthält die grundlegende Verpflichtung der Mitgliedstaaten in Bezug auf den Erhalt der Vogelarten: „Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, um die Bestände aller unter Art. 1 fallenden Vogelarten auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung getragen wird.“ |
|
10. |
Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie enthält gebietsunabhängige Verbote: „Unbeschadet der Art. 7 und 9 erlassen die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen zur Schaffung einer allgemeinen Regelung zum Schutz aller unter Art. 1 fallenden Vogelarten, insbesondere das Verbot
c) …;
e) …“ |
|
11. |
Art. 7 der Vogelschutzrichtlinie erlaubt hingegen ausdrücklich die Jagd bestimmter Vogelarten: „(1) Die in Anhang II aufgeführten Arten dürfen aufgrund ihrer Populationsgröße, ihrer geografischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit in der gesamten Gemeinschaft im Rahmen der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften bejagt werden. Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass die Jagd auf diese Vogelarten die Anstrengungen, die in ihrem Verbreitungsgebiet zu ihrer Erhaltung unternommen werden, nicht zunichtemacht. (2) … (4) Die Mitgliedstaaten vergewissern sich, dass bei der Jagdausübung – gegebenenfalls unter Einschluss der Falknerei –, wie sie sich aus der Anwendung der geltenden einzelstaatlichen Vorschriften ergibt, die Grundsätze für eine vernünftige Nutzung und eine ökologisch ausgewogene Regulierung der Bestände der betreffenden Vogelarten, insbesondere der Zugvogelarten, eingehalten werden und dass diese Jagdausübung hinsichtlich der Bestände dieser Arten mit den Bestimmungen aufgrund von Art. 2 vereinbar ist. …“ |
|
12. |
Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie erlaubt Abweichungen von den Verboten von Art. 5: „(1) Die Mitgliedstaaten können, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt, aus den nachstehenden Gründen von den Art. 5 bis 8 abweichen:
(2) In den in Abs. 1 genannten Abweichungen ist anzugeben,
|
2. Habitatrichtlinie
|
13. |
Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie verlangt die Festlegung bestimmter Verbote: „(1) Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um ein strenges Schutzsystem für die in Anhang IV Buchst. a) genannten Tierarten in deren natürlichen Verbreitungsgebieten einzuführen; dieses verbietet:
(2) …“ |
|
14. |
Art. 16 Abs. 1 der Habitatrichtlinie enthält Ausnahmen zu Art. 12: „Sofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen, können die Mitgliedstaaten von den Bestimmungen der Art. 12, 13 und 14 sowie des Art. 15 Buchst. a) und b) im folgenden Sinne abweichen:
|
C. Estnisches Recht
|
15. |
Estland hat die maßgeblichen Bestimmungen der Vogelschutzrichtlinie durch das Looduskaitseseadus (Naturschutzgesetz) (LKS) umgesetzt. Nach § 55 Abs. 61 Nr. 1 LKS ist die absichtliche Zerstörung und Beschädigung von Nestern und Eiern von Vögeln oder das Entfernen von ihren Nestern verboten und nach Nr. 2 dieses Absatzes ist das absichtliche Stören von Vögeln, besonders während der Brut- und Aufzuchtzeit, untersagt. § 55 Abs. 3 Nr. 4 und Abs. 61 LKS erlaubt es, Individuen der Tierarten bestimmter Schutzkategorien, darunter Vögel, zu töten sowie Vögel zu stören oder ihre Nester und Eier ausnahmsweise zu beschädigen, wenn dies erforderlich ist, um Schäden an bedeutenden landwirtschaftlichen Kulturen, Nutztieren, Fischzuchten oder anderen bedeutenden Werten abzuwenden. |
III. Sachverhalt und Vorabentscheidungsersuchen
|
16. |
Das Vorabentscheidungsersuchen beruht auf den Klagen von zwei Unternehmen, OÜ Voore Mets und AS Lemeks Põlva, denen das Keskkonnaamet (Umweltamt, Estland) während der Brutzeit von Vögeln Holzschläge auf bestimmten Waldgrundstücken untersagt hatte. |
|
17. |
Voore Mets beabsichtigte, gemäß forstwirtschaftlichen Anmeldungen einen Kahlschlag durchzuführen, d. h. einen Holzschlag, bei dem im Laufe des Jahres grundsätzlich sämtliche Bäume auf der Waldparzelle geschlagen werden, ausgenommen Samenbäume und zur Sicherstellung der Vielfalt der Flora und Fauna notwendige Überhälter. Lemeks Põlva beabsichtigte ebenfalls, hauptsächlich Kahlschläge durchzuführen, in einer Zone aber auch einen Schirmschlag. Ein Schirmschlag soll den wirtschaftlichen Wert des Waldes erhöhen, seine Dichte und Zusammensetzung regulieren sowie die Nutzung des Holzes der in naher Zukunft ausfallenden Bäume ermöglichen. Dabei wird nur ein Teil der Bäume gefällt, der der vom zuständigen Minister durch Verordnung festgelegten Menge entspricht. |
|
18. |
Das Keskkonnaamet (Umweltamt) untersagte die Arbeiten in beiden Fällen zunächst im Mai 2021 vorläufig, weil wissenschaftlich erwiesen sei, dass in jedem Wald mindestens ein Vogelpaar pro Hektar brüte, weswegen die Fortsetzung des Holzschlags die reale Gefahr berge, die Brut und Aufzucht der Vögel zu stören und Nester zu zerstören oder zu beschädigen. Nach Ortsbegehungen ordnete es an, den Holzschlag bis zum 15. (Lemeks Põlva) bzw. 31. Juli 2021 (Voore Mets) einzustellen. |
|
19. |
Auf dem von Lemeks Põlva bearbeiteten Grundstück brüteten mit Sicherheit der Buntspecht (Dendrocopos major, Syn.: Picoides major) und der Buchfink (Fringilla coelebs), wahrscheinlich die Kohlmeise (Parus major) und der Eichelhäher (Garrulus glandarius) sowie möglicherweise der Zilpzalp (Phylloscopus collybita), der Waldlaubsänger (Phylloscopus sibilatrix), die Gartengrasmücke (Sylvia borin), der Zaunkönig (Troglodytes troglodytes), die Heckenbraunelle (Prunella modularis) und das Rotkehlchen (Erithacus rubecula). |
|
20. |
Auch auf dem Grundstück von Voore Mets wurden Vögel beobachtet, die mit hoher Wahrscheinlichkeit in diesem Gebiet nisteten, nämlich der Waldlaubsänger, der Zaunkönig, die Amsel (Turdus merula), die Singdrossel (Turdus philomelos) und der Buchfink. Ferner wurden zwei wahrscheinliche Bruten festgestellt: In einer Spechthöhle wurde ein Nest des Kleibers (Sitta europaea) entdeckt, und die Aktivität eines Gimpelpaars (Pyrrhula pyrrhula) wurde beobachtet. Auf dem betreffenden Grundstück gibt es zahlreiche hohle Bäume, in denen die Vögel nisten könnten, was aber bei der Ortsbegehung nicht beobachtet wurde. Der Holzschlag wurde bis zum31. Juli 2021 ausgesetzt, um auch den Schutz von Spätbrütern sicherzustellen, etwa des Waldlaubsängers, des Fitis (Phylloscopus trochilus) sowie des Zwergschnäppers (Ficedula parva), die dort wahrscheinlich auch vorkommen. |
|
21. |
Voore Mets erhob daraufhin Klage auf Ersatz des Schadens von 2403,52 Euro, während Lemeks Põlva auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der Anordnungen des Keskkonnaamet (Umweltamt) klagte. |
|
22. |
In erster Instanz hielt das jeweilige Verwaltungsgericht die zweite Anordnung, also die Einstellung des Holzschlags bis zum 15. bzw. 31. Juli 2021, für unverhältnismäßig, doch die zweite Instanz wies die Klagen vollumfänglich ab. |
|
23. |
In beiden Verfahren ist nunmehr eine Kassationsbeschwerde beim Riigikohus (Oberstes Gericht) anhängig, das dem Gerichtshof die folgenden Fragen zur Vorabentscheidung vorlegt:
|
|
24. |
OÜ Voore Mets, AS Lemeks Põlva, Estland, die Republik Finnland, das Königreich Schweden sowie die Europäische Kommission, das Europäische Parlament und der Rat der Europäischen Union haben sich schriftlich und in der mündlichen Verhandlung vom 11. Dezember 2024 geäußert. |
IV. Rechtliche Würdigung
|
25. |
Art. 5 Buchst. a, b und d der Vogelschutzrichtlinie verlangt, dass die Mitgliedstaaten die Tötung oder Störung von Vögeln sowie die Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern verbieten, soweit sie „absichtlich“ geschehen. Ähnliche Verbote in Art. 12 der Habitatrichtlinie legt der Gerichtshof dahin gehend aus, dass sie auch Beeinträchtigungen erfassen, die der Handelnde zwar nicht bezweckt, aber in Kauf nimmt. ( 10 ) |
|
26. |
Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen soll daher klären, ob Holzschläge im Rahmen der Waldwirtschaft unter die genannten Verbote fallen, obwohl sie nicht den Zweck verfolgen, Vögel zu beeinträchtigen (dazu unter A). Falls die Verbote anwendbar sind, fragt das Riigikohus (Oberstes Gericht), ob Ausnahmen nach Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie die Arbeiten erlauben können (dazu unter B) und ob Grundrechte den Verboten entgegenstehen (dazu unter C). Zunächst ist allerdings eine Bemerkung zur Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens geboten. |
|
27. |
Voore Mets und Lemeks Põlva vertreten nämlich die Auffassung, das Vorabentscheidungsersuchen sei unzulässig, da das vorlegende Gericht den Rechtsstreit auf der Grundlage meiner Schlussanträge Skydda Skogen ( 11 ) entscheiden könne. Ein Vorabentscheidungsersuchen ist jedoch selbst dann zulässig, wenn der Gerichtshof die betreffenden Fragen bereits entschieden hat. ( 12 ) Daher können Entscheidungsvorschläge in Schlussanträgen die Zulässigkeit eines Vorabentscheidungsersuchens erst recht nicht in Frage stellen. |
A. Fragen 1 bis 3 – Auslegung der Verbote nach Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie
|
28. |
Ausgangspunkt der ersten drei Fragen ist die eingangs erwähnte Rechtsprechung zu Art. 12 der Habitatrichtlinie, wonach die Verbote der absichtlichen Beeinträchtigung von geschützten Arten auch Beeinträchtigungen erfassen, die der Handelnde in Kauf nimmt. Wenn man diese Rechtsprechung auf Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie überträgt, könnte diese Bestimmung insbesondere während der Brutzeit Holzschlägen in der Waldwirtschaft entgegenstehen. |
|
29. |
Wie das Riigikohus (Oberstes Gericht) nämlich überzeugend darlegt, „kann kein vernünftiger Zweifel daran bestehen, dass ein Kahlschlag, der während der Brutzeit der Vögel stattfindet, mehr oder weniger gewiss zur Zerstörung von Nestern und Eiern sowie zum Tod der geschlüpften Jungvögel und zur Störung der Vögel führt, wenn Grund zu der Annahme besteht, dass auf einer Waldparzelle Vögel in beachtlicher Zahl nisten. Wird bei einem Kahlschlag – unwissentlich oder wissentlich – ein Nistbaum gefällt, führt dies zwangsläufig zur Zerstörung des Nests. Selbst wenn der Nistbaum erhalten bleibt, gefährdet nicht nur der störende Lärm, sondern auch der Verlust des bisherigen Lebensraums die nistenden Vögel.“ Estland untermauert diese Einschätzung auf der Grundlage wissenschaftlicher Studien und legt dar, dass auch Schirmschläge erhebliche nachteilige Auswirkungen auf brütende Vögel haben können, denn es besteht die Gefahr, dass Vögel allein wegen der Störung ihren Nestern zu lange fernbleiben oder sie sogar aufgeben. |
|
30. |
Die erste Frage beruht daher auf der Annahme, dass man bei Holzschlägen während der Brutzeit Beeinträchtigungen von Vögeln zwar nicht bezweckt, aber in Kauf nimmt, und diese Beeinträchtigungen nach Art. 5 Buchst. a, b und d der Vogelschutzrichtlinie grundsätzlich verboten werden müssen. Davon ausgehend fragt das Riigikohus (Oberstes Gericht), ob die Tragweite der Verbote dergestalt begrenzt ist, dass sie nur gelten, soweit sie erforderlich sind, um im Sinne von Art. 2 der Richtlinie die betreffenden Arten auf einem Stand zu halten, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung getragen wird. Die zweite Frage konkretisiert dies für den Kahlschlag und die dritte für den Schirmschlag, wobei das Riigikohus (Oberstes Gericht) in beiden Fällen davon ausgeht, dass auf der betroffenen Fläche keine Individuen von Vogelarten nisten, die sich in einem ungünstigen Erhaltungszustand befinden. |
|
31. |
Die Beantwortung dieser Fragen hängt davon ab, wie man den Begriff der „Absicht“ auslegt, der mit den nach Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie zu verbietenden Beeinträchtigungen verknüpft ist. Es gibt Anhaltspunkte dafür, dass mit diesen Verboten Beeinträchtigungen erfasst werden, die der Handelnde nur in Kauf nimmt (dazu unter 1). Allerdings bestehen gleichzeitig gute Gründe, diese Auslegung abzulehnen (dazu unter 2). Daher habe ich bereits für die vom Riigikohus (Oberstes Gericht) angesprochene Einschränkung dieser Auslegung plädiert (dazu unter 3). Die von mir vorgeschlagene Begrenzung der Verbote ist zumindest im Text des Störungsverbots angelegt (dazu unter 4). Zwischenzeitliche Entwicklungen stellen meine Auffassung nicht grundlegend in Frage (dazu unter 5). Abschließend ist noch eine Anmerkung zur wissenschaftlichen Begründung der notwendigen Feststellungen geboten (dazu unter 6). |
1. Anhaltspunkte für eine weite Auslegung des Begriffs der Absicht in Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie
|
32. |
Die von der Kommission und – mit Einschränkungen – von Estland vertretene weite Auslegung des Absichtsbegriffs könnte auf die Rechtsprechung zur Habitatrichtlinie gestützt werden, da das Schutzsystem der Vogelschutzrichtlinie grundsätzlich ähnlich auszulegen ist. ( 13 ) Wie bereits gesagt, sind in Art. 12 der Habitatrichtlinie ähnliche Verbote absichtlicher Beeinträchtigungen vorgesehen. Zu diesen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass das Tatbestandsmerkmal der Absicht verwirklicht sei, wenn nachgewiesen ist, dass der Handelnde die Tötung eines Exemplars einer geschützten Tierart ( 14 ) bzw. die Störung solcher Arten oder die Zerstörung ihrer Eier ( 15 ) gewollt oder zumindest in Kauf genommen hat. |
|
33. |
Diese Rechtsprechung hat der Gerichtshof im Urteil zum Wald von Białowieża bereits unausgesprochen auf die Vogelschutzrichtlinie übertragen. Dort ging es um den Einschlag und die Entfernung geschädigter, toter oder absterbender Bäume, was ein Bewirtschaftungsplan des betreffenden Schutzgebiets als potenzielle Gefahr für bestimmte, dort besonders geschützte Vogelarten identifizierte. ( 16 ) Diese Maßnahme qualifizierte der Gerichtshof daher als absichtliche Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern sowie als Entfernung von Nestern (Art. 5 Buchst. b der Vogelschutzrichtlinie) und als absichtliches Stören, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit (Art. 5 Buchst. d), ( 17 ) obwohl diese Beeinträchtigungen nicht das Ziel der Maßnahmen waren. |
|
34. |
Der Kommission zufolge kann die weite Auslegung des Begriffs der Absicht auch auf das Übereinkommen von Bern gestützt werden, das die Union durch die Vogelschutzrichtlinie umsetzt ( 18 ) und das daher bei deren Auslegung zu berücksichtigen ist. ( 19 ) Dieses Übereinkommen sieht in Art. 6 ähnliche Verbote vor wie Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie und Art. 12 der Habitatrichtlinie, die sich ebenfalls auf absichtliche ( 20 ) Beeinträchtigungen beziehen. Der Ständige Ausschuss zu diesem Übereinkommen hat beschlossen, dass das absichtliche Beschädigen oder Zerstören von Brut- oder Raststätten auch Handlungen einschließen soll, die zwar nicht in der Absicht einer Beschädigung oder Zerstörung begangen wurden, aber mit dem Wissen, dass diese wahrscheinlich aus der Handlung folgen würde. ( 21 ) |
|
35. |
Dementsprechend werden die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie in verschiedenen Mitgliedstaaten auf Beeinträchtigungen von Vögeln angewandt, die nicht das Ziel der jeweiligen Tätigkeit sind, aber in Kauf genommen werden. ( 22 ) |
2. Gründe für eine engere Auslegung des Begriffs der Absicht in Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie
|
36. |
Gleichwohl habe ich in meinen Schlussanträgen Skydda Skogen ( 23 ) davor gewarnt, die weite Auslegung des Begriffs der Absicht von Art. 12 der Habitatrichtlinie uneingeschränkt auf Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie zu übertragen. In dem auf meine Schlussanträge folgenden Urteil hat sich der Gerichtshof zwar nicht dazu geäußert, sondern insofern ausschließlich Art. 12 der Habitatrichtlinie erörtert. ( 24 ) Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen beruft sich aber auf diese Schlussanträge und die beiden in den Ausgangsfällen betroffenen Unternehmen schlagen vor, ihnen zu folgen. |
|
37. |
Meine Auffassung beruht im Wesentlichen darauf, dass eine weite Auslegung des Begriffs der Absicht bei der Anwendung von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie Auswirkungen hätte, die weit über diejenigen bei der Anwendung von Art. 12 der Habitatrichtlinie hinausgingen (dazu unter a). Auch wäre die so verstandene Verbotsregelung nicht notwendig, um die Ziele der Vogelschutzrichtlinie zu erreichen (dazu unter b). Daher würde sie zu strukturellen Widersprüchen im System der Vogelschutzrichtlinie führen (dazu unter c). |
a) Auswirkungen der weiten Auslegung des Begriffs der Absicht
|
38. |
Der Artenschutz der Habitatrichtlinie ist auf wenige, in der Regel ( 25 ) sehr seltene Arten beschränkt. Weil diese Arten selten sind, ist es notwendig, jedes einzelne Exemplar streng zu schützen, was Art. 12 der Habitatrichtlinie mit dem Begriff des strengen Schutzsystems ( 26 ) deutlich zum Ausdruck bringt. Gleichzeitig bedingt die Seltenheit dieser Arten aber auch, dass Konflikte mit ihnen nicht sehr häufig sind. ( 27 ) |
|
39. |
Dagegen gelten die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie für alle europäischen Vögel, also auch für Allerweltsarten, denen man fast überall ständig begegnet. Und es lässt sich kaum behaupten, dass Beeinträchtigungen dieser Arten von modernen Gesellschaften nicht in Kauf genommen werden. Vielmehr ist bekannt, dass für solche Arten aufgrund von unterschiedlichsten menschlichen Aktivitäten, etwa durch die Errichtung von Gebäuden ( 28 ) oder den Straßenverkehr, ( 29 ) erhebliche Gefahren entstehen. ( 30 ) Voore Mets betont darüber hinaus die Verluste durch Hauskatzen und die Landwirtschaft. |
|
40. |
Würden die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie bereits uneingeschränkt für den Fall gelten, dass solche Beeinträchtigungen nur in Kauf genommen werden, entstünden daher erhebliche Konflikte mit Grundrechten, die das Riigikohus (Oberstes Gericht) mit den Fragen 6 und 7 anspricht. ( 31 ) |
b) Erforderlichkeit der Verbotsregelung zur Erreichung der Ziele der Vogelschutzrichtlinie
|
41. |
Der Gesetzgeber hat dementsprechend schon beim Erlass der Vogelschutzrichtlinie klargestellt, dass sie nicht darauf abzielt, jeden einzelnen Vogel bedingungslos zu schützen. Vielmehr sind nach Art. 2 der Richtlinie die Bestände der Vogelarten auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht, wobei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung getragen wird. ( 32 ) Zwar haben die Mitgliedstaaten insofern vorbehaltlich spezifischer Regelungen einen Abwägungsspielraum. ( 33 ) Die Erwägungsgründe 3, 5, 7 und 8 und vor allem der zehnte Erwägungsgrund der Richtlinie zeigen aber, dass darunter ein „ausreichendes Niveau“ ( 34 ) der Populationen aller wildlebenden Vogelarten zu verstehen ist. ( 35 ) Trotz der kulturellen, wirtschaftlichen und freizeitbezogenen Erfordernisse kann das Niveau einer Art nur „ausreichend“ sein, wenn es den weiteren Bestand der Populationen in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet gewährleistet. ( 36 ) |
|
42. |
Die ausreichende Erhaltung von Allerweltsarten erfordert aber in der Regel keine Verbote, die schon dann eingreifen, wenn eine Beeinträchtigung lediglich in Kauf genommen wird. Selbst wenn bestimmte Arten auf solche Verbote angewiesen sein sollten, gilt dies nicht für Allerweltsarten, die gerade deshalb so häufig sind, weil menschliche Aktivitäten ihren Bestand zumindest bislang nicht gefährden. ( 37 ) |
|
43. |
Soweit die Bestände bestimmter, früher häufigerer Arten dennoch abnehmen, wird es oft wichtiger sein, ihre Lebensräume zu erhalten und angemessen zu bewirtschaften. Denn solche Rückgänge folgen in der Regel auf Änderungen der menschlichen Nutzung dieser Lebensräume. Die Vogelschutzrichtlinie enthält diesen Gedanken bereits, denn Art. 3 verpflichtet die Mitgliedstaaten zum Schutz des Lebensraums aller Vogelarten. ( 38 ) Art. 4 Abs. 7 und Art. 5 Abs. 5 der Renaturierungsverordnung ( 39 ) konkretisieren diese Verpflichtung mittlerweile. |
|
44. |
Die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie zielen dagegen primär auf den Schutz einzelner Exemplare ab und bewirken höchstens mittelbar einen Schutz von Lebensräumen. Sie schon bei der Inkaufnahme der darin aufgeführten Beeinträchtigungen eingreifen zu lassen, wäre gegenüber einem unmittelbaren Schutz von Lebensräumen häufig weniger gut geeignet, diese Bestände zu erhalten, und daher auch nicht das mildeste Mittel. ( 40 ) |
|
45. |
Daher verlangt Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie anders als Art. 12 der Habitatrichtlinie kein strenges Schutzsystem, sondern eine allgemeine Regelung zum Schutz aller europäischen Vögel. Diese soll nach dem sechsten Erwägungsgrund der Vogelschutzrichtlinie der Situation der einzelnen Vogelarten angepasst werden. |
c) Strukturelle Widersprüche im System der Vogelschutzrichtlinie
|
46. |
Damit geht ein weiterer konzeptioneller Unterschied zwischen den Schutzregelungen nach Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie und Art. 12 der Habitatrichtlinie einher. Da Art. 5 für alle europäischen Vogelarten gilt, gibt es keine Möglichkeit, bestimmte Arten von dieser Schutzregelung vollständig auszunehmen. Dagegen erlaubt Art. 19 der Habitatrichtlinie, ihren Anhang IV zu ändern, in dem Arten aufgeführt sind, die nach Art. 12 geschützt werden. |
|
47. |
Die uneingeschränkte weite Auslegung des Absichtsbegriffs und der damit einhergehende strenge Schutz europäischer Vögel würde im Übrigen zu einem Wertungswiderspruch innerhalb der Vogelschutzrichtlinie führen. Denn Art. 7 erlaubt als Ausnahme von den Verboten der Tötung und des Fangs von Vögeln die Jagd bestimmter, in Anhang II aufgeführter Vogelarten, die ansonsten den Verboten von Art. 5 unterliegen. Es ist aber nicht ersichtlich, warum die gezielte Beeinträchtigung dieser Arten durch die Jagd, also im Wesentlichen eine Freizeitaktivität mit sehr geringer wirtschaftlicher Bedeutung, gegenüber allen anderen menschlichen Aktivitäten privilegiert werden sollte, bei denen Beeinträchtigungen dieser Arten nicht bezweckt sind, sondern nur in Kauf genommen werden. Das gilt umso mehr, als diese anderen Aktivitäten für unsere Gesellschaft teilweise von essenzieller Bedeutung sind. Man denke nur an den Bau von Straßen, Gebäuden oder Windkraftanlagen. |
|
48. |
Auch die Ausnahmeregelung von Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie könnte die uneingeschränkt weite Auslegung von Art. 5 nur sehr begrenzt durch einen Ausgleich der widerstreitenden Interessen korrigieren. Während Art. 16 Abs. 1 Buchst. c der Habitatrichtlinie Abweichungen aufgrund einer Vielzahl von Gründen des überwiegenden öffentlichen Interesses erlaubt, sind die Ausnahmen in Art. 9 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie deutlich spezifischer gefasst. |
|
49. |
Wie die Fragen 4 und 5 des Riigikohus (Oberstes Gericht) zeigen, ist es zwar nicht völlig ausgeschlossen, zumindest die wirtschaftliche Nutzung von Wäldern unter Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie zu subsumieren, der Maßnahmen erlaubt, um erhebliche Schäden von Wäldern abzuwenden. Doch eine solche Auslegung wäre nur schwer mit der ständigen Rechtsprechung zu vereinbaren, wonach Art. 9 als Ausnahmeregelung grundsätzlich eng auszulegen ist. ( 41 ) |
|
50. |
Der Unionsgesetzgeber hat außerdem zwischenzeitlich entschieden, dass Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energien der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Vogelschutzrichtlinie dienen. ( 42 ) Solche Vorhaben sind offensichtlich von großem öffentlichen Interesse, doch sie lassen sich auch bei großzügiger Auslegung der Begriffe„öffentliche Gesundheit“ und „öffentliche Sicherheit“ kaum diesen Zielen zuordnen. Diese gesetzgeberische Intervention unterstreicht daher, dass die Ausnahmen von Art. 9 zu eng formuliert sind, um überwiegenden öffentlichen Interessen ausreichend Raum zu geben. |
3. Grundrechtskonforme Auslegung von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie
|
51. |
Aus all den soeben dargelegten Gründen sollte der Gerichtshof die bei Art. 12 Abs. 1 der Habitatrichtlinie vorgenommene Auslegung des Begriffs der Absicht nicht uneingeschränkt auf den Begriff der Absicht in Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie übertragen. ( 43 ) |
|
52. |
Allerdings verbieten die erwähnten Feststellungen im Urteil zum Wald von Białowieża, ( 44 ) die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie ausschließlich auf bezweckte Beeinträchtigungen von Vögeln zu erstrecken. Vielmehr hat der Gerichtshof dort gezeigt, dass es Fälle geben kann, in denen er diese Bestimmung auch auf Beeinträchtigungen anwendet, die der Handelnde nur in Kauf nimmt. Diese Anwendung ist angemessen, wenn seltene oder gefährdete Arten betroffen sind. Bei diesen Arten bleiben die Verbote praktisch im Umfang begrenzt, denn sie kommen eben nur sehr selten zur Anwendung. Gleichzeitig können sie erheblich zur Erhaltung dieser Arten beitragen. ( 45 ) |
|
53. |
Ein angemessener, die Grundrechte der Betroffenen respektierender Ausgleich zwischen den betroffenen Aktivitäten und den Zielen der Richtlinie liegt daher darin, in Kauf genommene Beeinträchtigungen nur unter diese Verbote zu fassen, soweit dies im Licht von Art. 2 der Vogelschutzrichtlinie notwendig ist. Dass diese Auslegung in der Anwendung komplizierter ist, da sie eine Berücksichtigung des Erhaltungszustands der Vogelarten erfordert, ist daher hinzunehmen. Jedenfalls entspricht sie im Ergebnis der weiten Anwendung der Verbote im genannten Urteil zum Wald von Białowieża, denn dort waren sehr seltene Vogelarten in einem für ihren besonderen Schutz ausgewiesenen Gebiet betroffen. ( 46 ) |
|
54. |
Bei dieser Auslegung entfällt auch der angesprochene Wertungswiderspruch zu den Jagdregelungen. ( 47 ) Nach Art. 7 Abs. 1 der Vogelschutzrichtlinie wird die Jagd nämlich nur aufgrund der Populationsgröße der betreffenden Arten, ihrer geografischen Verbreitung und ihrer Vermehrungsfähigkeit der betreffenden Arten zugelassen. Darüber hinaus müssen die Mitgliedstaaten nach Art. 7 Abs. 4 sicherstellen, dass die Jagd mit Art. 2 vereinbar ist. Es handelt sich folglich nicht um seltene oder gefährdete Arten, die des Schutzes durch eine weite Auslegung der Verbote absichtlicher Beeinträchtigung bedürfen. |
|
55. |
Die Verbote gemäß Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie erfassen somit eine Beeinträchtigung, die der Handelnde in Kauf nimmt, nur, wenn sie besonders seltene oder gefährdete Vogelarten betrifft. Denn in diesem Fall ist die Anwendung der Verbote notwendig, um die betreffende Vogelart im Sinne von Art. 2 auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht und dabei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung trägt. ( 48 ) |
4. Zum Störungsverbot nach Art. 5 Buchst. d der Vogelschutzrichtlinie
|
56. |
Die soeben entwickelte Auslegung des Begriffs der absichtlichen Beeinträchtigung würde vor allem eine überschießende Anwendung der Verbote des absichtlichen Tötens sowie der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung von Nestern und Eiern nach Art. 5 Buchst. a und b der Vogelschutzrichtlinie verhindern. |
|
57. |
Beim Verbot der absichtlichen Störung nach Art. 5 Buchst. d der Vogelschutzrichtlinie ist eine entsprechende Begrenzung dagegen bereits im Wortlaut ausdrücklich angelegt. Danach gilt das Verbot des Störens von Vogelarten, insbesondere während der Brut- und Aufzuchtzeit, (nur) sofern sich diese Störung auf die Zielsetzung der Richtlinie erheblich auswirkt. Störungen sind daher nur zu verbieten, wenn sie sich erheblich auf das Ziel auswirken, die Populationen der Vogelarten auf einem ausreichenden Niveau zu erhalten oder sie auf dieses Niveau zu bringen, und somit insbesondere, wenn sie seltene oder gefährdete Vögel bei der Brut oder der Aufzucht beeinträchtigen. ( 49 ) |
|
58. |
Aus dieser Bestimmung könnte man ein argumentum e contrario ableiten, da eine entsprechende ausdrückliche Begrenzung bei den anderen Verboten fehlt. So hat der Gerichtshof es bereits abgelehnt, die Verbote insgesamt, also auch die Verbote bezweckter Beeinträchtigungen, nur auf Vogelarten anzuwenden, die gefährdet sind. ( 50 ) |
|
59. |
Die hier vorgeschlagene Auslegung von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie zielt jedoch nicht darauf ab, bestimmte Arten aus seinem Anwendungsbereich auszuschließen oder die Reichweite der Verbote für alle Arten zu reduzieren. Die Verbote bezweckter Beeinträchtigung sollen vielmehr uneingeschränkt allen Arten zugutekommen. |
|
60. |
Mein Auslegungsvorschlag greift vielmehr die Erinnerung an die Ziele der Vogelschutzrichtlinie auf, die im Störungsverbot enthalten ist. Er soll eine für diese Ziele nicht notwendige Einschränkung von Grundrechten vermeiden. Diese ist zu befürchten, wenn die Verbote ohne jede Einschränkung auf Beeinträchtigungen von Vögeln erstreckt werden, die nicht bezweckt, sondern lediglich in Kauf genommen werden, obwohl eine solche Anwendung für die Erhaltung der betroffenen Arten nicht notwendig ist. |
5. Jüngere Entwicklungen
|
61. |
Seit meinen Schlussanträgen Skydda Skogen gab es weitere Entwicklungen, die allerdings nicht zu einer grundlegend neuen Beurteilung der Rechtslage führen. |
|
62. |
Ein späteres Urteil in einem Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen könnte man im Sinne einer Übertragung des Absichtsbegriffs von Art. 12 der Habitatrichtlinie auf Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie verstehen. Der Gerichtshof wiederholt die Feststellungen zur Auslegung des Begriffs der Absicht in Art. 12 und stellt anschließend eine Verletzung beider Bestimmungen fest. ( 51 ) Aber diese Feststellung könnte sich auch darin erschöpfen, dass die gegenständliche weit gefasste Ausnahme des innerstaatlichen Rechts von den Verboten, die aufgrund der beiden Bestimmungen zu erlassen sind, unabhängig davon, ob der Begriff der Absicht erfüllt ist, einen Verstoß darstellt. Die innerstaatliche Ausnahme galt nämlich für jede „entsprechend den Anforderungen der guten Praxis im Bereich der Waldbewirtschaftung durchgeführte Waldbewirtschaftung“ ( 52 ) und erlaubte daher potenziell auch bezweckte Beeinträchtigungen von Vögeln. |
|
63. |
Von größerer Bedeutung ist, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Regelungen zur erleichterten Genehmigung von Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energien, etwa von Windkraft, von einem Gleichlauf zwischen Art. 12 der Habitatrichtlinie und Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie auszugehen scheint und damit insbesondere von einer Übertragung des Absichtsbegriffs. Die Vermutung, dass diese Vorhaben der öffentlichen Gesundheit und Sicherheit im Sinne von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a der Vogelschutzrichtlinie dienen, habe ich bereits angesprochen. ( 53 ) Sie wird von einer weiteren Vermutung begleitet, dass solche Vorhaben im Sinne von Art. 16 der Habitatrichtlinie im überwiegenden öffentlichen Interesse liegen, sowie von weiteren Erleichterungen einer Rechtfertigung von Maßnahmen, die die Verbote des Artenschutzes verletzen. Darüber hinaus werden derartige Vorhaben unter bestimmten Bedingungen von den Anforderungen des Artenschutzes nach Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie befreit. ( 54 ) Der 37. Erwägungsgrund der Richtlinie 2023/2413 erläutert die letztgenannte Regelung damit, dass die gelegentliche Tötung oder Störung von Vögeln durch Anlagen zur Erzeugung erneuerbarer Energie nicht als absichtlich angesehen werden sollte, wenn geeignete Vermeidungsmaßnahmen ergriffen und überwacht werden. |
|
64. |
Diese rechtlich hochkomplexen Regelungen wären aber nicht notwendig, wenn die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie nur Handlungen erfassen würden, die eine Beeinträchtigung von Vögeln bezwecken. Vorhaben zur Nutzung erneuerbarer Energien mögen Vögel gefährden, aber sie bezwecken keine solche Gefährdung, sondern nehmen sie höchstens in Kauf. |
|
65. |
Man darf die Bedeutung dieser Regelungen allerdings auch nicht übertreiben. Der Unionsgesetzgeber hat dort nicht ausdrücklich entschieden, dass der Begriff der Absicht in Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie bereits erfüllt ist, wenn die verbotenen Beeinträchtigungen nur in Kauf genommen werden. Die neuen Regelungen stellen vielmehr vor allem eine Reaktion auf die Befürchtung dar, dass der Artenschutz auf der Grundlage einer weiten Auslegung des Absichtsbegriffs den Ausbau der erneuerbaren Energien übermäßig behindern könnte. |
|
66. |
Darüber hinaus verbleibt für die neu geschaffenen Ausnahmen immer noch ein Anwendungsbereich, falls – wie von mir vorgeschlagen – die Anwendung des weiten Absichtsbegriffs beim Vogelschutz vom Erhaltungszustand der Art abhängig ist. Denn zumindest bei seltenen oder gefährdeten Arten gelten die Verbote – vorbehaltlich der Sonderregelungen für erneuerbare Energien – auch, wenn die Beeinträchtigung nur in Kauf genommen wird. |
|
67. |
Die zwischenzeitlichen Entwicklungen stehen somit einer Auslegung des Absichtsbegriffs in Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie nicht entgegen, wonach eine Beeinträchtigung, die der Handelnde in Kauf nimmt, nur verboten ist, wenn sie besonders seltene oder gefährdete Vogelarten betrifft. |
6. Wissenschaftliche Begründung der notwendigen Feststellungen
|
68. |
Die zweite und die dritte Frage beziehen sich u. a. darauf, wie die Gefährdung von Vögeln durch die jeweilige Maßnahme festzustellen ist. Es soll geklärt werden, ob es für die Anwendbarkeit der Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie auf Holzschläge ausreicht, wenn aufgrund wissenschaftlicher Daten und der Beobachtung einzelner Vögel davon ausgegangen werden kann, dass in dem betreffenden Wald etwa zehn Vogelpaare pro Hektar nisten, ohne dass Grund zu der Annahme besteht, dass auf der Fläche des Holzschlags Individuen von Vogelarten nisten, die sich in einem ungünstigen Zustand befinden. |
|
69. |
Nach der hier vorgeschlagenen Auslegung von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie und den mitgeteilten Informationen über die betroffenen Vogelvorkommen erscheint es unwahrscheinlich, dass dieser Teil der Fragen für die Entscheidung der Ausgangsfälle notwendig ist. |
|
70. |
Daher ist nur der Vollständigkeit halber anzumerken, dass die zuständigen Behörden die notwendigen Feststellungen für die Entscheidung, ob die Verbote einer Tätigkeit entgegenstehen, auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse treffen müssen. ( 55 ) |
|
71. |
Das bedeutet insbesondere, dass die zuständigen Stellen das „ausreichende Niveau“ der betreffenden Vogelart, ( 56 ) das sichergestellt werden muss, auf der Grundlage dieser Informationen bestimmen müssen. Sie müssen aber auch wissenschaftliche Studien berücksichtigen, denen Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, ob eine bestimmte Art bei bestimmten Tätigkeiten des Schutzes bedarf, wenn die Beeinträchtigungen nur in Kauf genommen werden. |
|
72. |
Da in Anhang I der Vogelschutzrichtlinie gemäß Art. 4 Abs. 1 Arten aufgeführt werden sollen, die besonders selten oder besonders gefährdet sind, liegt in dem Umstand, dass eine solche Art von dem in Kauf genommenen Risiko betroffen ist, ein Indiz dafür, dass die Verbote von Art. 5 zur Anwendung kommen müssen. Allerdings kann ein solches Indiz auf der Grundlage der besten verfügbaren wissenschaftlichen Informationen entkräftet werden. Daher ist nicht von vornherein auszuschließen, dass der im Zusammenhang mit der Verfügung gegenüber Voore Mets erwähnte Zwergschnäpper zumindest in Estland keines besonderen Schutzes bedarf, wie Voore Mets in der mündlichen Verhandlung unter Berufung auf die Kriterien der Weltnaturschutzunion (IUCN) vorgetragen hat, obwohl er in Anhang I aufgeführt ist. |
|
73. |
Die genannten Prüfungspflichten obliegen den Mitgliedstaaten. Dagegen kann von Privaten nicht verlangt werden, ihr Verhalten umfassend an den besten wissenschaftlichen Informationen zum Vogelschutz auszurichten. Sie dürfen vielmehr davon ausgehen, dass sie grundsätzlich erlaubte Tätigkeiten ausüben können, soweit sie die dafür vorausgesetzte Sorgfalt aufwenden. Auch Private müssen jedoch Warnungen und Anweisungen beachten, die die zuständigen Behörden aufgrund der Feststellung von Gefährdungen aussprechen, die mit Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie unvereinbar sind. ( 57 ) |
|
74. |
Das nach den Angaben Estlands praktizierte System der Kontrolle von Holzschlägen während der Brutzeit scheint diesem Ansatz zu entsprechen. Nachdem sich gezeigt hatte, dass die Vogelpopulationen in diesem Mitgliedstaat insbesondere in alten Waldbeständen zurückgingen, hat das Keskkonnaamet (Umweltamt) in einem ersten Schritt auf der Grundlage der Lebensraumtypen und des Alters der jeweiligen Bestände die Risiken für Vögel bestimmt und alle Waldflächen auf dieser Grundlage in drei Risikoklassen eingeteilt. Es hat diese Informationen im Internet veröffentlicht, damit die Waldbesitzer sie bei ihren Planungen berücksichtigen können. In einem zweiten Schritt überprüft das Keskkonnaamet (Umweltamt) nach der Anmeldung von Holzschlägen die Lage vor Ort und untersagt die Arbeiten, wenn sie mit besonderen Gefahren für Vögel verbunden sind. In der mündlichen Verhandlung legte Estland dar, dass auf dieser Grundlage im Jahr 2023 nach 2500 Kontrollbesuchen in 32 Fällen Holzschläge untersagt wurden. |
7. Zwischenergebnis
|
75. |
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass die Verbote gemäß Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie eine Beeinträchtigung, die der Handelnde in Kauf nimmt, nur erfassen, wenn sie besonders seltene oder im Licht der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse besonders gefährdete Vogelarten betrifft. Denn in diesen Fällen ist die Anwendung der Verbote notwendig, um die betreffende Vogelart im Sinne von Art. 2 auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht und dabei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung trägt. |
|
76. |
Der Vollständigkeit halber ist zu ergänzen, dass es den Mitgliedstaaten nach Art. 193 AEUV und Art. 14 der Vogelschutzrichtlinie natürlich freisteht, strengere Maßnahmen zum Schutz von Vögeln zu ergreifen. ( 58 ) |
B. Fragen 4 und 5 – Rechtfertigung von Ausnahmen nach Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie durch das Eigentum
|
77. |
Mit den Fragen 4 und 5 möchte das Riigikohus (Oberstes Gericht) erfahren, ob Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich in Verbindung mit Art. 2 der Vogelschutzrichtlinie Ausnahmen von den Verboten von Art. 5 für Kahl- oder Schirmschläge erlaubt, um einen erheblichen Schaden am Eigentum an Waldflächen abzuwenden. |
|
78. |
Diese Fragen werden offensichtlich für den Fall gestellt, dass die in den Ausgangsfällen geplanten Holzschläge unter die Verbote der absichtlichen Tötung von Vögeln nach Art. 5 Buchst. a der Vogelschutzrichtlinie, der absichtlichen Zerstörung oder Beschädigung von Nestern nach Art. 5 Buchst. b und der absichtlichen Störung von Vögeln nach Art. 5 Buchst. d fallen. Wenn der Gerichtshof der hier vorgeschlagenen Auslegung von Art. 5 folgt, erscheint eine Anwendung dieser Verbote anhand der vorliegenden Informationen über die betroffenen Vogelarten jedoch unwahrscheinlich, so dass es nicht notwendig wäre, diese Fragen zu beantworten. |
|
79. |
Nicht überzeugend ist dagegen die Auffassung der Kommission, die Fragen seien schon deshalb hypothetisch, weil Voore Mets und Lemeks Põlva keine Abweichung von den Verboten nach Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie beantragt hätten. Es hängt nämlich vom innerstaatlichen Recht ab, ob ein solcher Antrag notwendig war oder ob die Behörde die Möglichkeit einer Abweichung von Amts wegen prüfen musste. |
|
80. |
Es ist jedenfalls sinnvoll, die Anwendbarkeit der Ausnahme zu untersuchen. Denn dabei wird sich zeigen, dass sie kaum geeignet ist, die unangemessenen Folgen einer weiten Auslegung des Begriffs der Absicht zu verhindern. |
|
81. |
Der Gerichtshof hat bereits dargelegt, dass Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie zwar eine weitgehende Abweichung von der allgemeinen Schutzregelung gestattet, er aber nur eine konkrete und gezielte Anwendung vorsieht, um bestimmten Erfordernissen und besonderen Situationen Rechnung zu tragen. ( 59 ) Er hat auch entschieden, dass diese Bestimmung als Ausnahme eng auszulegen ist und dass die Beweislast für das Vorliegen der erforderlichen Voraussetzungen für jede Abweichung die Stelle treffen muss, die über sie entscheidet. ( 60 ) |
|
82. |
Die von Estland hervorgehobenen zusätzlichen Anforderungen von Art. 9 Abs. 2 unterstreichen den Ausnahmecharakter einer Abweichung. Denn danach müssen in der Abweichung insbesondere Angaben zu den betroffenen Vogelarten und zu den näheren Umständen gemacht werden, unter denen eine Abweichung möglich ist. Außerdem müssen die notwendigen Kontrollen und eine Stelle festgelegt werden, die befugt ist, zu erklären, dass die erforderlichen Voraussetzungen gegeben sind, und zu beschließen, welche Mittel, Einrichtungen und Methoden in welchem Rahmen von wem angewandt werden können. |
|
83. |
Wenn man unterstellt, dass in Estland die nötigen gesetzlichen Voraussetzungen für eine Abweichung zugunsten von Holzschlägen vorliegen, kann dieser Mitgliedstaat nach Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie zur Abwendung erheblicher Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischereigebieten und Gewässern von Art. 5 abweichen, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt. |
|
84. |
Der Schutz von Wäldern ist dabei nicht nur auf den Lebensraum Wald und seine ökologischen Funktionen bezogen, sondern schließt seinen Wert als Wirtschaftsgut ein. Denn Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie erlaubt auch Maßnahmen zum Schutz von Kulturen, Viehbeständen und Fischereigebieten. Diese Schutzgüter sind nicht vorrangig ökologischer Natur, sondern sie zeichnen sich durch ihre wirtschaftliche Nutzung aus. |
|
85. |
Wie das Riigikohus (Oberstes Gericht) zutreffend darlegt, zeigt sich die wirtschaftliche Funktion des Waldschutzes noch deutlicher im Übereinkommen von Bern. Art. 9 Abs. 1 Buchst. a zweiter Spiegelstrich des Übereinkommens erlaubt Ausnahmen von den Verboten zur Verhütung ernster Schäden an Kulturen, Viehbeständen, Wäldern, Fischgründen, Gewässern und anderem Eigentum. Der Schutz des Waldes ist daher im Übereinkommen nur ein Beispiel für den Schutz von Eigentum. Als Bestandteil von Eigentum kommt dem Wald vor allem eine Funktion als Wirtschaftsgut zu. |
|
86. |
Dagegen ist der Schutz des Waldes als Lebensraum vorrangig Schutzgut von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a vierter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie, der Ausnahmen zum Schutz der Pflanzen- und Tierwelt erlaubt. |
|
87. |
Allerdings zielt Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie nicht darauf ab, die wirtschaftliche Nutzung der genannten Schutzgüter, also auch von Wäldern, unmittelbar zu ermöglichen oder zu fördern. Erlaubt sind danach vielmehr Maßnahmen zur Abwendung erheblicher Schäden, die also einen gewissen Umfang erreichen müssen. ( 61 ) Lemeks Põlva nennt einen Befall durch Borkenkäfer als Beispiel. |
|
88. |
Nach dem Vorabentscheidungsersuchen liegt das Interesse der betreffenden Unternehmen an Holzschlägen während der Brutzeit dagegen vorrangig darin, ihre Ressourcen auch in diesem Zeitraum effizient nutzen zu können. Die Folgen einer zeitlichen Einschränkung der wirtschaftlichen Nutzung eines Waldes oder von nicht dringlichen Pflegemaßnahmen wie Schirmschlägen können jedoch bei einer engen Auslegung der Bestimmung kaum als erheblicher Schaden am Wald angesehen werden. |
|
89. |
Auch vom Umfang her bewegt sich der von Voore Mets geltend gemachte Schaden von 2403,52 Euro in einem sehr überschaubaren Rahmen. Daher ist dieses Interesse zwar legitim, doch es kann nicht ohne Weiteres gegenüber dem Schutz von Vögeln überwiegen. Denn in diesem Fall würde fast jede Einschränkung einer wirtschaftlichen Nutzung der in Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie genannten Schutzgüter einen ausreichenden Schaden darstellen, um in den Genuss der Ausnahme zu kommen. Die Ausnahme würde damit zur Regel. |
|
90. |
Hinzu kommt, dass eine Ausnahme nach Art. 9 der Vogelschutzrichtlinie nur zulässig ist, sofern es keine andere zufriedenstellende Lösung gibt. Die streitgegenständlichen Holzschläge könnten jedoch auch außerhalb der Brutzeit durchgeführt werden. Gerade Holzschläge im Winter sollen sogar besonders vorteilhaft sein. Die Staatsforste des Freistaats Bayern (Deutschland) nennen als Gründe dafür den Bodenschutz, einen geringeren Wasseranteil des Holzes, ein geringeres Risiko des Befalls durch Insekten oder Pilze sowie im Laubwald die Arbeitssicherheit, da kein Laub die Sicht auf die Krone verhindert. ( 62 ) Und wenn man die Holzernte so organisiert, dass im Winter ein ausreichender Vorrat geschlagen wird, um die Nachfrage im folgenden Jahr zu befriedigen, ist es entgegen dem Vorbringen der beiden Unternehmen auch nicht nötig, im Sommer Holz zu importieren. |
|
91. |
Eine deutlich großzügigere Auslegung der Voraussetzungen für eine Ausnahme wäre allerdings zur Vermeidung von Grundrechtsverletzungen geboten, falls die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie auch bei der Inkaufnahme der Beeinträchtigung von Arten anwendbar wären, die diesen Schutz nicht benötigen. Denn das legitime Interesse am Schutz dieser Vögel durch die genannten Verbote ist sehr gering, während die Ausgangsverfahren zeigen, dass die Einschränkungen für die betroffenen Unternehmen zumindest spürbar sind. |
C. Fragen 6 und 7 – Vereinbarkeit der Verbotsregelung mit Grundrechten
|
92. |
Für den Fall, dass Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie es auch unter Berücksichtigung von Art. 9 nicht erlaubt, während der Brut- und Aufzuchtzeit von Vögeln einen Kahl- oder Schirmschlag durchzuführen, obwohl der Holzschlag keine Vogelarten beeinträchtigt, die sich in einem ungünstigen Zustand befinden, will das Riigikohus (Oberstes Gericht) erfahren, ob eine solche Regelung im Einklang mit den Art. 16 und 17 der Charta der Grundrechte steht. Diese Grundrechte schützen die unternehmerische Freiheit und das Eigentum. |
|
93. |
Schon nach dem Wortlaut der Fragen ist es nicht notwendig, auf diese Fragen zu antworten, wenn der Gerichtshof die hier vorgeschlagene Auslegung von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie ( 63 ) übernimmt oder andernfalls zumindest Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich der Vogelschutzrichtlinie großzügig auslegt. ( 64 ) |
|
94. |
Wenn der Gerichtshof jedoch feststellen sollte, dass die Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie auf alle europäischen Vogelarten anzuwenden sind, wenn die Beeinträchtigung lediglich in Kauf genommen wird, und dass gleichzeitig die Ausnahme von Art. 9 Abs. 1 Buchst. a dritter Spiegelstrich keine Holzschläge während der Brutzeit von Vögeln ermöglicht, so würde sich tatsächlich die Frage stellen, ob diese Regelungen mit den genannten Grundrechten vereinbar sind. Sie wäre daher entgegen der Auffassung des Rates und der Kommission entscheidungserheblich. |
|
95. |
Denn das Verbot von Holzschlägen während der Brutzeit von Vögeln beschränkt die unternehmerische Freiheit und zugleich die Nutzung des Eigentums an dem betreffenden Wald. Voore Mets und Lemeks Põlva tragen sogar vor, dass sie aufgrund dieser Einschränkungen einen Teil ihrer Arbeitnehmer vorübergehend entlassen müssten. |
|
96. |
Zwar lässt Art. 52 Abs. 1 der Charta Einschränkungen der Ausübung der in der Charta verankerten Rechte zu, sofern diese Einschränkungen gesetzlich vorgesehen sind, den Wesensgehalt der genannten Rechte und Freiheiten achten und unter Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit erforderlich sind sowie den von der Union anerkannten dem Gemeinwohl dienenden Zielsetzungen oder den Erfordernissen des Schutzes der Rechte und Freiheiten anderer tatsächlich entsprechen. Daher dürfen diese Einschränkungen keinen im Hinblick auf den verfolgten Zweck unverhältnismäßigen, nicht tragbaren Eingriff bewirken, der die betreffenden Grundrechte in ihrem Wesensgehalt antastet. ( 65 ) |
|
97. |
Der Schutz der Umwelt ( 66 ) und daher auch der Vogelschutz ( 67 ) sind in diesem Sinne dem Gemeinwohl dienende Zielsetzungen. Dies gilt umso mehr, als wildlebende Vögel Teil des gemeinsamen Erbes der Mitgliedstaaten sind. ( 68 ) |
|
98. |
Es ist jedoch zweifelhaft, ob der Vogelschutz die Einschränkung der genannten Grundrechte durch eine weite Auslegung der Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie und eine enge Auslegung der Ausnahmen von Art. 9 tatsächlich rechtfertigen könnte. |
|
99. |
Diese Auslegung wäre zwar geeignet, um den Vogelschutz zu fördern. Auch liegen keine Hinweise auf mildere Maßnahmen vor, die ein ähnliches Schutzniveau erreichen würden. |
|
100. |
Das so erreichte Schutzniveau wäre jedoch höher als vom Unionsgesetzgeber mit der Vogelschutzrichtlinie bezweckt. Denn nach Art. 2 der Vogelschutzrichtlinie sollen die Mitgliedstaaten die Vogelarten nur auf einen Stand bringen und dort halten, der unter Berücksichtigung der wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernisse den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht. |
|
101. |
Eine Einschränkung von Grundrechten durch die Anwendung der Verbote von Art. 5 der Vogelschutzrichtlinie auf Arten, die sich auch ohne die Verbote auf diesem Stand befinden, ist daher nicht erforderlich. Diese Einschränkung kann daher durch das Ziel der Vogelschutzrichtlinie nicht gerechtfertigt werden. Sie würde hingegen durch die von mir vorgeschlagene grundrechtkonforme Auslegung vermieden. |
V. Ergebnis
|
102. |
Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, das Vorabentscheidungsersuchen wie folgt zu beantworten: Die Verbote gemäß Art. 5 der Richtlinie 2009/147/EG über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten erfassen eine Beeinträchtigung, die der Handelnde in Kauf nimmt, nur, wenn sie besonders seltene oder im Licht der besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnisse besonders gefährdete Vogelarten betrifft. Denn in diesen Fällen ist die Anwendung der Verbote notwendig, um die betreffende Vogelart im Sinne von Art. 2 der Richtlinie auf einem Stand zu halten oder auf einen Stand zu bringen, der insbesondere den ökologischen, wissenschaftlichen und kulturellen Erfordernissen entspricht und dabei den wirtschaftlichen und freizeitbedingten Erfordernissen Rechnung trägt. |
( 1 ) Originalsprache: Deutsch.
( 2 ) Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. 2010, L 20, S. 7) in der Fassung der Verordnung (EU) 2019/1010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juni 2019 zur Angleichung der Berichterstattungspflichten im Bereich der Rechtsvorschriften mit Bezug zur Umwelt und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 166/2006 und (EU) Nr. 995/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, der Richtlinien 2002/49/EG, 2004/35/EG, 2007/2/EG, 2009/147/EG und 2010/63/EU des Europäischen Parlaments und des Rates, der Verordnungen (EG) Nr. 338/97 und (EG) Nr. 2173/2005 des Rates und der Richtlinie 86/278/EWG des Rates (ABl. 2019, L 170, S. 115).
( 3 ) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. 1992, L 206, S. 7) in der durch die Richtlinie 2013/17/EU des Rates vom 13. Mai 2013 (ABl. 2013, L 158, S. 193) geänderten Fassung.
( 4 ) Urteile vom 18. Mai 2006, Kommission/Spanien (Fischotter) (C‑221/04, EU:C:2006:329, Rn. 71), vom 10. November 2016, Kommission/Griechenland (Kyparissia) (C‑504/14, EU:C:2016:847, Rn. 159), und vom 4. März 2021, Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2021:166, Rn. 51).
( 5 ) Vgl. § 44 des deutschen Bundesnaturschutzgesetzes, der die Verbote ohne das Merkmal der Absicht umsetzt, den Avis des französischen Conseil d’État vom 9. Dezember 2022 (463563, FR:CESEC:2022:463563.20221209) zu einem Windkraftvorhaben und den Beschluss des österreichischen Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2024 (W104 2227635-1/149Z) über das Vorabentscheidungsersuchen in der Rechtssache C‑131/24, VIRUS, zu einem Straßenbauvorhaben.
( 6 ) Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nrn. 79 bis 90.
( 7 ) Übereinkommen über die Erhaltung der europäischen wildlebenden Pflanzen und Tiere und ihrer natürlichen Lebensräume, aufgelegt am 19. September 1979 in Bern (ABl. 1982, L 38, S. 3).
( 8 ) Beschluss 82/72/EWG des Rates vom 3. Dezember 1981 (ABl. 1982, L 38, S. 1).
( 9 ) https://www.coe.int/en/web/conventions/cets-number-/-abridged-title-known?module=signatures-by-treaty&treatynum=104.
( 10 ) Urteile vom 18. Mai 2006, Kommission/Spanien (Fischotter) (C‑221/04, EU:C:2006:329, Rn. 71), vom 10. November 2016, Kommission/Griechenland (Kyparissia) (C‑504/14, EU:C:2016:847, Rn. 159), und vom 4. März 2021, Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2021:166, Rn. 51).
( 11 ) Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699.
( 12 ) Urteil vom 6. Oktober 2021, Consorzio Italian Management und Catania Multiservizi (C‑561/19, EU:C:2021:799, Rn. 37).
( 13 ) Urteil vom 23. April 2020, Kommission/Finnland (Frühjahrsjagd auf die männliche Eiderente) (C‑217/19, EU:C:2020:291, Rn. 84).
( 14 ) Urteile vom 18. Mai 2006, Kommission/Spanien (Fischotter) (C‑221/04, EU:C:2006:329, Rn. 71), und vom 10. November 2016, Kommission/Griechenland (Kyparissia) (C‑504/14, EU:C:2016:847, Rn. 159).
( 15 ) Urteil vom 4. März 2021, Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2021:166, Rn. 51).
( 16 ) Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 253 und 254).
( 17 ) Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 259).
( 18 ) Bericht über das Übereinkommen zur Erhaltung der europäischen wild lebenden Pflanzen und Tiere (1997–1998) (Art. 9 Abs. 2) (vorgelegt von der Europäischen Kommission), SEK(2001) 515 endg.
( 19 ) Vgl. zu anderen internationalen Übereinkommen Urteile vom 24. November 1992, Poulsen und Diva Navigation (C‑286/90, EU:C:1992:453, Rn. 9), vom 3. September 2008, Kadi und Al Barakaat International Foundation/Rat und Kommission (C‑402/05 P und C‑415/05 P, EU:C:2008:461, Rn. 291), vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a. (C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 123), und vom 11. Juli 2018, Bosphorus Queen Shipping (C‑15/17, EU:C:2018:557, Rn. 44).
( 20 ) In den beiden verbindlichen Sprachfassungen werden die Begriffe „intentionelle“ (Französisch) und „deliberate“ (Englisch) verwendet. Die nicht verbindliche deutsche Übersetzung verwendet dagegen sowohl den Begriff der Absicht (Art. 6 Buchst. a) als auch – meiner Ansicht nach unzutreffend – den Begriff „mutwillig“ (Art. 6 Buchst. b, c und d).
( 21 ) Nr. 3 Buchst. b der Resolution Nr. 1 (1989) vom 9. Juni 1989. Siehe dazu schon meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Spanien (Fischotter) (C‑221/04, EU:C:2005:777, Nr. 39).
( 22 ) Siehe die Nachweise in Fn. 5.
( 23 ) Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nrn. 79 bis 90.
( 24 ) Urteil vom 4. März 2021, Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2021:166, Rn. 48).
( 25 ) Möckel, S., „35 Jahre Europäische Vogelschutzrichtlinie“, Natur und Recht 2014, S. 381 (387), verweist allerdings zutreffend auf die weit verbreiteten Fledermäuse, deren Arten alle dem strengen Schutz der Habitatrichtlinie unterliegen.
( 26 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Spanien (Fischotter) (C‑221/04, EU:C:2005:777, Nr. 50).
( 27 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 80).
( 28 ) Vgl. Etwa Machtans, C. S., Wedeles, C. H. R., und Bayne, E. M., „A first estimate for Canada of the number of birds killed by colliding with building windows“, Avian Conservation and Ecology, 8.2 (2013), S. 5.
( 29 ) Vgl. etwa Slater, F. M., „An assessment of wildlife road casualties – the potential discrepancy between numbers counted and numbers killed“, Web Ecology 3.1 (2002), S. 33.
( 30 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 81).
( 31 ) Dazu nachfolgend, Nrn. 92 ff.
( 32 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 82).
( 33 ) Vgl. Urteile vom 8. Juli 1987, Kommission/Belgien (247/85, EU:C:1987:339, Rn. 8) und Kommission/Italien (262/85, EU:C:1987:340, Rn. 8), sowie vom 19. Januar 1994, Association pour la protection des animaux sauvages u. a. (C‑435/92, EU:C:1994:10, Rn. 20).
( 34 ) Vgl. Urteile vom 27. April 1988, Kommission/Frankreich (252/85, EU:C:1988:202, Rn. 28), vom 16. Oktober 2003, Ligue pour la protection des oiseaux u. a. (C‑182/02, EU:C:2003:558, Rn. 17), und vom 23. April 2020, Kommission/Finnland (Frühjahrsjagd auf die männliche Eiderente) (C‑217/19, EU:C:2020:291, Rn. 68), sowie Schlussanträge des Generalanwalts Geelhoed in der Rechtssache WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:116, Nr. 50) und meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Irland (C‑418/04, EU:C:2006:569, Nrn. 111 und 112).
( 35 ) Vgl. meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 97).
( 36 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Eesti Suurkisjad (C‑629/23, EU:C:2024:1029, Nrn. 70 bis 83).
( 37 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 83).
( 38 ) Urteil vom 13. Juni 2002, Kommission/Irland (Moorschneehuhn) (C‑117/00, EU:C:2002:366, Rn. 15 ff.).
( 39 ) Verordnung (EU) 2024/1991 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2024 über die Wiederherstellung der Natur und zur Änderung der Verordnung (EU) 2022/869 (ABl. L, 2024/1991).
( 40 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 84).
( 41 ) Siehe dazu nachfolgend, Nrn. 77 ff.
( 42 ) Art. 3 der Verordnung (EU) 2022/2577 des Rates vom 22. Dezember 2022 zur Festlegung eines Rahmens für einen beschleunigten Ausbau der Nutzung erneuerbarer Energien (ABl. 2022, L 335, S. 36) in der Fassung der Verordnung (EU) 2024/223 des Rates vom 22. Dezember 2023 (ABl. L, 2024/223) und Art. 16f der Richtlinie (EU) 2018/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 zur Förderung der Nutzung von Energie aus erneuerbaren Quellen (ABl. 2018l, L 328, S. 82) in der Fassung der Richtlinie (EU) 2023/2413 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Oktober 2023 zur Änderung der Richtlinie (EU) 2018/2001, der Verordnung (EU) 2018/1999 und der Richtlinie 98/70/EG im Hinblick auf die Förderung von Energie aus erneuerbaren Quellen und zur Aufhebung der Richtlinie (EU) 2015/652 des Rates (ABl. L, 2023/2413).
( 43 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 87).
( 44 ) Siehe oben, Nr. 33.
( 45 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 88).
( 46 ) Urteil vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 18).
( 47 ) Siehe oben, Nr. 47.
( 48 ) Meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nr. 90).
( 49 ) Im Einzelnen meine Schlussanträge in den verbundenen Rechtssachen Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2020:699, Nrn. 96 bis 100).
( 50 ) Urteil vom 4. März 2021, Föreningen Skydda Skogen (C‑473/19 und C‑474/19, EU:C:2021:166, Rn. 36 und 44).
( 51 ) Urteil vom 2. März 2023, Kommission/Polen (Waldbewirtschaftung und gute Praxis der Waldbewirtschaftung) (C‑432/21, EU:C:2023:139, Rn. 77 bis 79).
( 52 ) Vgl. die Wiedergabe von Art. 14b Abs. 3 des polnischen Waldgesetzes im Urteil vom 2. März 2023, Kommission/Polen (Waldbewirtschaftung und gute Praxis der Waldbewirtschaftung) (C‑432/21, EU:C:2023:139, Rn. 15).
( 53 ) Siehe oben, Nr. 50.
( 54 ) Art. 6 der Verordnung (EU) 2022/2577 (zitiert in Fn. 42) sowie Art. 15c Abs. 1, Art. 15e Abs. 2 und 4 sowie Art. 16a Abs. 5 der Richtlinie (EU) 2018/2001 in der Fassung der Richtlinie (EU) 2023/2413 (zitiert in Fn. 42).
( 55 ) Vgl. Urteile vom 17. April 2018, Kommission/Polen (Wald von Białowieża) (C‑441/17, EU:C:2018:255, Rn. 113), vom 17. März 2021, One Voice und Ligue pour la protection des oiseaux (C‑900/19, EU:C:2021:211, Rn. 30), und vom 29. Juli 2024, ASCEL (C‑436/22, EU:C:2024:656, Rn. 65 und 74).
( 56 ) Siehe oben, Nr. 41.
( 57 ) Vgl. meine Schlussanträge in der Rechtssache Kommission/Spanien (Fischotter) (C‑221/04, EU:C:2005:777, Nr. 52).
( 58 ) Vgl. Urteil vom 21. Juli 2011, Azienda Agro-Zootecnica Franchini und Eolica di Altamura (C‑2/10, EU:C:2011:502, Rn. 49 und 50).
( 59 ) Urteile vom 8. Juli 1987, Kommission/Belgien (247/85, EU:C:1987:339, Rn. 7),vom 7. März 1996, Associazione Italiana per il WWF u. a. (C‑118/94, EU:C:1996:86, Rn. 21), und vom 11. November 2010, Kommission/Italien (C‑164/09, EU:C:2010:672, Rn. 28).
( 60 ) Urteile vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 34), und vom 23. April 2020, Kommission/Finnland (Frühjahrsjagd auf die männliche Eiderente) (C‑217/19, EU:C:2020:291, Rn. 66).
( 61 ) Urteil vom 8. Juli 1987, Kommission/Belgien (247/85, EU:C:1987:339, Rn. 56).
( 62 ) Bayerische Staatsforste, Je kälter und trockener, desto besser, https://www.baysf.de/de/medienraum/themenspecials/forstwirtschaft-im-winterwald.html.
( 63 ) Siehe oben, Nr. 75.
( 64 ) Siehe oben, Nr. 91.
( 65 ) Urteile vom 13. Dezember 1979, Hauer (44/79, EU:C:1979:290, Rn. 23), vom 14. Dezember 2004, Swedish Match (C‑210/03, EU:C:2004:802, Rn. 72), vom 20. September 2016, Ledra Advertising u. a./Kommission und EZB (C‑8/15 P bis C‑10/15 P, EU:C:2016:701, Rn. 70).
( 66 ) Urteile vom 15. Januar 2013, Križan u. a. (C‑416/10, EU:C:2013:8, Rn. 114), vom 13. Februar 2014, Kommission/Vereinigtes Königreich (C‑530/11, EU:C:2014:67, Rn. 70), und vom 27. Januar 2022, Sātiņi-S (C‑234/20, EU:C:2022:56, Rn. 64 und 65).
( 67 ) Urteil vom 8. September 2022, Ministerstvo životního prostředí (Papageienart Hyazinth-Ara) (C‑659/20, EU:C:2022:642, Rn. 64).
( 68 ) Siebter Erwägungsgrund der Vogelschutzrichtlinie sowie Urteile vom 8. Juli 1987, Kommission/Belgien (247/85, EU:C:1987:339, Rn. 9), vom 7. März 1996, Associazione Italiana per il WWF u. a. (C‑118/94, EU:C:1996:86, Rn. 20), vom 8. Juni 2006, WWF Italia u. a. (C‑60/05, EU:C:2006:378, Rn. 24), und vom 2. März 2023, Kommission/Polen (Waldbewirtschaftung und gute Praxis der Waldbewirtschaftung) (C‑432/21, EU:C:2023:139, Rn. 73).