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Document 52014DC0654R(01)

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die kurzfristige Krisenfestigkeit des europäischen Gassystems Vorkehrungen für den Fall einer Unterbrechung der Gaslieferungen aus dem Osten im Herbst und Winter 2014/2015

/* COM/2014/0654 final/2 */

52014DC0654R(01)

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die kurzfristige Krisenfestigkeit des europäischen Gassystems Vorkehrungen für den Fall einer Unterbrechung der Gaslieferungen aus dem Osten im Herbst und Winter 2014/2015 /* COM/2014/0654 final/2 */


1.       Einleitung

Am 28. Mai 2014 hat die Kommission ihre Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung mit einem umfassenden Plan zur Stärkung unserer Energieversorgungssicherheit verabschiedet.[1] Vor dem Hintergrund der Lage in der Ukraine und der möglicherweise damit verbundenen Gefahr einer Unterbrechung der Gaslieferungen in die EU sah die Strategie Maßnahmen vor, die unverzüglich getroffen werden müssen, um die Krisenfestigkeit der EU im Fall einer größeren Gasversorgungsunterbrechung im bevorstehenden Winter zu verbessern. Im Rahmen dieser Sofortmaßnahmen billigte der Europäische Rat am 27. Juni 2014 den Vorschlag der Kommission zur Durchführung eines so genannten Stresstests, bei dem die Fähigkeit des europäischen Gasnetzes, eine gravierende Unterbrechung der Gaslieferungen in die EU in diesem Winter zu bewältigen, geprüft wird.[2]

Anfang Juli forderte die Kommission die Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien der Energiegemeinschaft und Georgien[3] sowie die Schweiz und die Türkei auf, die Auswirkungen verschiedener möglicher Szenarios für eine Unterbrechung der Gaslieferungen in ihre Länder in diesem Winter zu modellieren und Maßnahmen für die Bewältigung von Versorgungsengpässen vorzusehen. Die Kommission ersuchte auch Norwegen mitzuteilen, inwieweit das Land durch die Erhöhung seiner Gaslieferungen auf eine solche Unterbrechung reagieren könnte. Die Kommission schlug drei „Fokusgruppen“ vor, um speziell die Regionen abzudecken, in denen sich die Auswirkungen von Lieferunterbrechungen voraussichtlich am meisten bemerkbar machen werden. Diese Regionen sind die südöstliche Region der EU (Bulgarien, Kroatien, Griechenland, Ungarn und Rumänien), die baltischen Staaten und Finnland sowie die Vertragsparteien der Energiegemeinschaft. Die nationalen Behörden haben während des Sommers hart daran gearbeitet, die relevanten Daten zu erheben und Bewertungen innerhalb kurzer Fristen vorzunehmen. Die nationalen Berichte[4] wurden der Kommission im August und September 2014 vorgelegt. Der Europäische Verbund der Fernleitungsnetzbetreiber („ENTSOG“) hat die Auswirkungen von Lieferunterbrechungen auf das EU-weite Gassystem ebenfalls modelliert, und verschiedene Industrieverbände, die Internationale Energieagentur[5], die G7 und andere wichtige Partnerländer haben auch Beiträge geliefert.

Methodik und Szenarios der „Stresstests“

Die von der Kommission für alle Beteiligten vorgeschlagenen Szenarios bezogen sich auf die Unterbrechung der Gastransitroute durch die Ukraine und auf die Unterbrechung aller russischen Gaslieferungen nach Europa für einen Zeitraum von einem Monat und von sechs Monaten (September bis Februar), wobei in beiden Fällen von durchschnittlichen winterlichen Bedingungen ausgegangen wurde. Außerdem wurde vom Verband ENTSOG ein Unterszenario mit einer Kältewelle von zwei Wochen im Februar entwickelt, um die Auswirkungen einer Spitzennachfrage auf ein bereits belastetes Versorgungssystem zu erfassen. Grundlage für diese Vorschläge waren die bisher gemachten Erfahrungen und die Notwendigkeit, unsere Energiesysteme unter außerordentlich schwierigen Bedingungen zu testen, d. h. ausgehend von der Unterbrechung aller Gasflüsse der wichtigsten externen Erdgaslieferanten Europas.

Die Auswirkungen des Szenarios der Unterbrechung der Durchleitung durch die Ukraine und die Folgen des Szenarios der vollständigen Unterbrechung der russischen Lieferungen auf die südosteuropäischen Länder, die weitgehend über die Ukraine beliefert werden, sind sehr ähnlich, wobei die modellierte Unterbrechung der Durchleitung durch die Ukraine sich auf die baltischen Mitgliedstaaten und auf Finnland nicht auswirkt. Daher bezieht sich die Kommission in dem Bericht hauptsächlich auf die Auswirkungen des Szenarios einer sechsmonatigen Unterbrechung der russischen Gaslieferungen unter normalen winterlichen Bedingungen und mit einer Kältewelle.

Diese Untersuchung war insofern bereits sehr nützlich, als durch sie zum ersten Mal ein vollständiges Bild der potenziellen Auswirkungen einer möglichen schwerwiegenden Unterbrechung der Gaslieferungen aus dem Osten und des diesbezüglichen Vorbereitungsstands des europäischen Gassektors vorliegt.

Die Kommission berichtet in dieser Mitteilung über die wichtigsten Ergebnisse dieses Stresstests und formuliert eine Reihe spezifischer Empfehlungen. Parallel zu dieser Mitteilung haben die Kommissionsdienststellen Arbeitsunterlagen erstellt, die Folgendes enthalten: die Berichte der drei „Fokusgruppen“, einen Bericht über die Zusammenarbeit mit den G7-Staaten und anderen Partnerländern sowie einen Bericht über die Überprüfung der Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung[6]. Zudem ist die Kommission dabei, ihre Empfehlung für die Anwendung der Binnenmarktvorschriften in der Energiegemeinschaft zu verabschieden.

2.       Ergebnisse der Stresstests

2.1         Situation hinsichtlich der Transitflüsse

Parallel zu dem Stresstest und bereits im Frühjahr dieses Jahres hat die Europäische Kommission beträchtliche Anstrengungen unternommen, um in der Auseinandersetzung zwischen der Ukraine und Russland über die Gaszahlungen und Gasschulden einen Kompromiss zu vermitteln mit dem Ziel, ausreichende Gaslieferungen an die Ukraine und einen stabilen Transit in die EU und in andere Vertragsparteien der Energiegemeinschaft sicherzustellen. Im Laufe des Jahres fanden mehrere Sitzungen zwischen der Europäischen Kommission sowie Behörden der Ukraine und Russlands, auch auf Ministerebene, statt. Bei dem letzten trilateralen Ministertreffen am 26. September in Berlin erzielten die Parteien eine Annäherung bei den wichtigsten Punkten eines von der Kommission vorgelegten Kompromissvorschlags. Über dieses „Winterpaket“ wird derzeit in Moskau und Kiew beraten, und das nächste trilaterale Treffen ist im Vorfeld der Tagung des Europäischen Rates im Oktober geplant. Im Fall einer Einigung wären die Gaslieferungen an die Ukraine während des gesamten Winters gesichert.

Insgesamt hängt die Stabilität der für die EU bestimmten russischen Gaslieferungen und des Transits durch die Ukraine von vielen Faktoren ab, wobei die EU nur auf einige davon Einfluss nehmen kann. Daher ist es ratsam, alle möglichen Szenarios in Betracht zu ziehen, auch größere Unterbrechungen der Gasversorgung. In diesem Zusammenhang sollten die Projektionen, auf die im Folgenden näher eingegangen wird, nicht als eine Prognose betrachtet werden, sondern lediglich als ein mögliches Szenario und als eine Grundlage für Notfallmaßnahmen.

Im September und im Oktober 2014 wurde zeitweise weniger Gas an die EU geliefert als erwartet, was nach Auffassung der Kommission Anlass zur Sorge gibt. Insbesondere im September meldete eine Reihe von Unternehmen in der EU einen Rückgang der Lieferungen von Gazprom, wenngleich diese Kürzungen keine negativen Auswirkungen auf die Energieversorgungssicherheit der EU oder ihrer Nachbarländer hatten. Der Gastransport in Gegenflussrichtung („Reverse Flow“) von der Slowakei in die Ukraine war stabil. Die Gasflüsse entgegen der Hauptflussrichtung von Polen in die Ukraine waren zwei Tage lang vorübergehend unterbrochen, wurden jedoch rasch wieder aufgenommen. Darüber hinaus wurden die Lieferungen von Ungarn an die Ukraine am 25. September wegen des ungarischen Imports höherer Gasmengen für die Befüllung der Speicheranlagen auf unbestimmte Zeit ausgesetzt. In Zusammenarbeit mit der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ beobachtet die Kommission die Lage aufmerksam.

2.2         Die Versorgungssituation Europas im Fall einer Lieferunterbrechung

Der Verband ENTSOG hat auf Ersuchen der Kommission verschiedene Szenarios für Lieferunterbrechungen modelliert. Das Modell zeigt, dass in den verschiedenen Szenarios einer sechsmonatigen Lieferunterbrechung der EU und den Vertragsparteien der Energiegemeinschaft ohne die Ukraine nach einer Neuordnung des Energiemixes nach wie vor insgesamt zwischen 5 und 9 Mrd. m³ Gas fehlen würden[7]. Aus ihm geht außerdem hervor, dass – bei Annahme einer maximalen Infrastrukturnutzung und normaler Marktbedingungen[8] – die russischen Lieferungen im Fall solcher sechsmonatigen Unterbrechungen vor allem durch den Import von zusätzlichem LNG ersetzt werden.[9],[10] Obwohl ENTSOG die Preiseffekte der Lieferunterbrechungen nicht modelliert hat, wird die Notwendigkeit, die fehlenden Mengen zu ersetzen, mit Preissteigerungen einhergehen, die dazu führen, dass in erheblichem Umfang zusätzliches LNG importiert wird. Diese Preissignale sorgen dafür, dass Gas – in dem Maße, wie es die Verbindungskapazitäten oder der direkte Zugang zu LNG-Importanlagen zulassen – auf die Märkte gelangt, wo es z. B. für die Wärme- oder die Stromerzeugung am dringendsten benötigt wird. Die höheren Preise werden auch zu einer bedeutenden Inanspruchnahme der Gasspeicher und zu einer freiwilligen Reduzierung der Nachfrage führen.

Die Modellierung macht auch deutlich, welche Länder von Gasversorgungsunterbrechungen am stärksten betroffen wären.

Tabelle 1 – Gasmengen, die je betroffenes Land in einem Zeitraum von sechs Monaten fehlen - Szenario einer Unterbrechung der russischen Gaslieferungen und einer Kältewelle (Gesamtdefizit in Mio. m³ und relatives monatliches Defizit in %)

Quelle: ENTSOG

Abbildung 1 – Ersatz für russisches Gas im Szenario einer sechsmonatigen Unterbrechung russischer Gaslieferungen[11]

Quelle: ENTSOG

ENTSOG hat für diesen Stresstest sowohl ein Szenario „mit Kooperation“ als auch ein Szenario „ohne Kooperation“ modelliert.[12] Das wichtigste Unterscheidungsmerkmal zwischen beiden besteht darin, dass im ENTSOG-Szenario „mit Kooperation“ die gleiche (relative) Lastenteilung als entscheidendes Element vorausgesetzt wird, nach der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten in der Form geübt wird, dass der Gasmangel gleichmäßig auf benachbarte Mitgliedstaten aufgeteilt wird. Bei dem Szenario „ohne Kooperation“ hingegen würden die Mitgliedstaaten die Gasexporte untereinander und an die Vertragsparteien der Energiegemeinschaft verringern oder einstellen, wenn ihre Binnennachfrage nicht mehr vollständig gedeckt werden kann. Bei dem Szenario „mit Kooperation“ wird davon ausgegangen, dass die Ukraine und Moldau[13] kontinuierlich und mit uneingeschränkter Kapazität mit Gas aus den Mitgliedstaaten, zumindest über die Slowakei, beliefert werden, während dem Szenario „ohne Kooperation“ die Annahme zugrunde liegt, dass 50 % der slowakischen Reverse-Flow-Kapazitäten exportiert werden.

Ohne die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und ohne zusätzliche nationale Maßnahmen drohen Bulgarien, Rumänien, Serbien, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien sowie Bosnien und Herzegowina (sowohl im Szenario der Unterbrechung der Durchleitung durch die Ukraine als auch im Szenario der vollständigen Einstellung der russischen Lieferungen) schwere Versorgungsdefizite von 40 % oder deutlich darüber[14], zumindest gegen Ende des Unterbrechungszeitraums von sechs Monaten. Zu Defiziten in der gleichen Größenordnung käme es in Litauen, Estland und Finnland im Szenario einer vollständigen Einstellung der russischen Lieferungen in die EU. Ungarn und Polen[15] wären mit einem Defizit von 30 % bzw. 20 % ebenfalls erheblich betroffen, wenn auch in geringerem Maße. Die Hauptauswirkungen der Versorgungsunterbrechung sind in Abbildung 2 dargestellt.

Im Szenario „mit Kooperation“ werden die Auswirkungen einer Versorgungsunterbrechung in den am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten und Vertragsparteien der Energiegemeinschaft erheblich abgemildert – vor allem in Bulgarien, Estland, Bosnien und Herzegowina, der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien und Serbien. Gleichzeitig würde es in Griechenland und in Lettland voraussichtlich auch zu einem nicht unerheblichen Defizit kommen[16]. Die auf den Karten grau unterlegten Mitgliedstaaten wären der Simulation zufolge wegen ihrer vorhandenen Gasversorgungsinfrastruktur und ihrer Gasbezugsquellen nicht unmittelbar betroffen.

Abbildung 2 – Karten mit der Darstellung möglicher Lieferunterbrechungen – vor dem Ergreifen weiterer nationaler Maßnahmen – im Februar am Ende des Szenarios einer sechsmonatigen Unterbrechung der russischen Gaslieferungen jeweils für das Szenario mit Kooperation und das Szenario ohne Kooperation bei durchschnittlichen winterlichen Bedingungen[17]

Szenario mit Kooperation || Szenario ohne Kooperation

Quelle: ENTSOG

Auswirkungen einer anhaltenden Lieferunterbrechung auf die Ukraine

Unter den Vertragsparteien der Energiegemeinschaft befindet sich die Ukraine in einer ziemlich einzigartigen Situation. Mit ihren entwickelten, wenn auch modernisierungsbedürftigen Fernleitungs- und Speicherkapazitäten verfügt die Ukraine über Instrumente, mit denen sie das Problem einer Versorgungsunterbrechung auf differenziertere Weise als die anderen Vertragsparteien angehen kann. Die Ukraine verbraucht normalerweise ca. 50 Mrd. m³ Gas pro Jahr, von denen rund 20 Mrd. m³ im Inland gewonnen werden und der Rest überwiegend aus Russland eingeführt wird. Die für den Verbrauch in der Ukraine bestimmten Gaslieferungen aus Russland wurden jedoch am 16. Juni 2014 eingestellt.

Der Stresstest für die Ukraine zeigt, dass die Produktion und die Speicheranlagen des Landes 50 % bis 70 % der Nachfrage decken können, wenn Laststeuerungsmaßnahmen angewandt werden. Nach dem optimistischen Szenario der Ukraine würden Importe aus der EU dazu beitragen, einen Teil des fehlenden Gases zu ersetzen[18]. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war die „Reverse-Flow“-Leitung zwischen der Slowakei und der Ukraine, die Anfang September den Betrieb aufnahm und über die bis zu 27 Mio. m³ Gas pro Tag transportiert werden können, zwei Drittel davon als feste Kapazität.

Eine hypothetische zweiwöchige Kältewelle gegen Ende der sechsmonatigen Lieferunterbrechung würde die Versorgungssicherheitslage sicherlich verschärfen. Wie in Abbildung 3 dargestellt, könnte dem ENTSOG-Modell zufolge auch in diesem Fall in den am stärksten betroffenen Ländern das dramatische Ausmaß der Engpässe, zu denen es bei einem Szenario ohne Kooperation kommen würde, bei einem Szenario mit Kooperation verringert werden. Allerdings wären bei dem Szenario mit Kooperation andere mittel-, ost- und westeuropäische Mitgliedstaaten wie Österreich, die Tschechische Republik, (Nord‑)Deutschland[19], Italien und die Slowakei auch betroffen, da Gas in die Länder fließen würde, in denen die Lieferausfälle höher sind. Laut Modell würden solche Ausfälle weniger als 10 % betragen. Bei diesem Prozentsatz handelt es sich normalerweise um eine Größenordnung, bei der es zu einer preisbedingten (natürlichen) Verringerung der Nachfrage kommen würde, ohne dass zusätzliche Maßnahmen ergriffen werden müssten.

Abbildung 3 – Karten mit der Darstellung möglicher Lieferunterbrechungen – vor dem Ergreifen weiterer nationaler Maßnahmen – im Februar am Ende des Szenarios einer sechsmonatigen Unterbrechung der russischen Gaslieferungen jeweils für das Szenario mit Kooperation und das Szenario ohne Kooperation während einer Kältewelle

Szenario mit Kooperation || Szenario ohne Kooperation

Quelle: ENTSOG

Anfälligkeit des Wärmesektors für eine Gasversorgungsunterbrechung

Ungefähr die Hälfte des Primärenergieverbrauchs in der EU wird für die Raumheizung und Warmwasserbereitung im Wohn- und im Tertiärsektor sowie für Prozesswärme in der Industrie verwendet. Die Raumheizung und die Warmwasserbereitung in Gebäuden sind vor allem in Ungarn, Italien, den Niederlanden und im Vereinigten Königreich besonders gasintensiv (siehe nachstehende Abbildung 4).

Abbildung 4 – Verteilung der Nachfrage nach Endenergie für die Wärmeerzeugung für Raumheizungs- und Warmwasserbereitungszwecke im Wohn- und im Dienstleistungssektor in den Mitgliedstaaten nach Brennstoffart und Energieträger.

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Quelle: Stratego – Bewertung des Wärmemarkts der EU28 für das Jahr 2010

In der EU erfolgen die Raumheizung und die Warmwasserbereitung überwiegend (88 %) durch individuelle Heizungsanlagen für den Eigenverbrauch, während der Anteil der Fernwärme bei 12 % liegt. Dieser Durchschnittswert umfasst jedoch große Unterschiede, da in den nördlichen, in den baltischen und in den mittel- und osteuropäischen Mitgliedstaaten Fernwärme 14 % bis 56 % des Wärmebedarfs[20] deckt und zwischen 10 % und fast die Hälfte der Haushaltskunden versorgt.[21] Im Schnitt werden 44 % der Fernwärmeanlagen mit Gas betrieben, wobei der Anteil in Ländern wie Lettland, Litauen, der Slowakei, Bulgarien und Ungarn, in denen die Fernwärme fest etabliert ist, bis zu 80 % betragen kann. In den baltischen Staaten und in Finnland entfallen daher in der Regel ca. 50 % des gesamten Gasverbrauchs auf den Gasverbrauch von Fernwärme- und von KWK-Anlagen.

Gasbetriebene Fernheizungswerke (außer wenn bei ihnen die Möglichkeit der Umstellung auf andere Brennstoffe besteht) und Kunden dezentraler Wärmesysteme gelten in der Regel als geschützte Verbraucher[22] und sind als letzte von einer etwaigen Versorgungseinschränkung betroffen. Darüber hinaus haben viele Mitgliedstaaten für Wärmekraftwerke die Verpflichtung zur Umstellung auf andere Brennstoffe eingeführt, wenngleich der jeweilige Anteil sehr unterschiedlich ist und von praktisch 100 % in Finnland bis weniger als 20 % in Rumänien und Bulgarien reicht.

2.3         Bewertung der in den nationalen Berichten vorgeschlagenen Maßnahmen

Wie aus den ENTSOG-Szenarios hervorgeht, würden sich mögliche Kürzungen russischer Gaslieferungen auf die Mitgliedstaaten je nach geografischer Lage und den Möglichkeiten der Gasbeschaffung sehr unterschiedlich auswirken. Dieses unterschiedliche Ausmaß der Auswirkungen spiegelt sich auch in den Maßnahmen wider, die die Mitgliedstaaten und die Vertragsparteien der Energiegemeinschaft in ihren Stresstestberichten an die Kommission aufgeführt haben. Während einige der am stärksten gefährdeten Länder in dem Zeitraum, der Gegenstand der Modellierung war, möglicherweise ziemlich schnell auf radikale Maßnahmen zurückgreifen müssen (z. B. Einschränkung der Versorgung oder Freigabe strategischer Vorräte), lassen andere Mitgliedstaaten zu, dass ihr Gassektor auf der Basis der Marktgegebenheiten funktioniert. Wichtig ist die Feststellung, dass ein besonnenes, marktbasiertes Management der Versorgungskrise in den weniger betroffenen Mitgliedstaaten hinsichtlich der Bewältigung der Engpässe insgesamt positive Auswirkungen auf die gesamte EU und auf die Energiegemeinschaft haben wird.

Abbildung 5 – Überblick über die verschiedenen Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten in ihren Berichten ausgehend von einer sechsmonatigen Unterbrechung der Transitlieferungen durch die Ukraine und der sechsmonatigen Unterbrechung aller russischen Gaslieferungen vorgesehen wurden.

Quelle: Nationale Stresstestberichte

2.3.1     Speicherhaltung

Speicherhaltung ist, soweit verfügbar, ein wichtiges Instrument, um in allen Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten der Energiegemeinschaft ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Angebots- und Nachfragesituation zu gewährleisten[23]. Anfang Oktober wies der Füllstand in den Speicheranlagen der EU mit 90 % ein sehr hohes Niveau auf. Nur in zwei Mitgliedstaaten (Ungarn und Portugal) lagen die Füllstände unter 80 %; da Ungarn aber über große Speicherkapazitäten verfügt, liegt das Verhältnis zwischen Speichermenge und Nachfrage dort bereits über dem Durchschnitt.

Abbildung 6 – Füllstände (in %) nach Mitgliedstaaten, Füllmengen als Anteil an der Binnennachfrage (in %) und Speicherkapazität als Anteil an der Binnennachfrage (in %), Oktober 2014[24]

Quelle: Transparenzplattform GSE AGSI und Eurogas; Analyse der Kommission

Nach den in den nationalen Berichten und der Analyse von ENTSOG vorgelegten Zahlen könnten die Speichermengen bei einer lang anhaltenden Krise oder einfach einem kalten Winter allerdings rasch aufgebraucht werden, so dass auf andere Maßnahmen zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit zurückgegriffen werden muss, um sie Versorgung der Kunden zu sichern.

Bei der Bewertung der verschiedenen nationalen Pläne für die Nutzung der Speicheranlagen sind eine Reihe wichtiger Feststellungen anzuführen. Erstens gibt es nur einen geringen oder überhaupt keinen Spielraum für eine kurzfristige physische Erweiterung Speicherkapazitäten. Zweitens werden Länder, die sich auf eine kurzfristige Steigerung der Entnahmemengen verlassen – sofern anschließend keine Maßnahmen ergriffen werden, um zu vermeiden, dass die Speicher zu rasch geleert werden – bei einem Anhalten der Versorgungsstörung die Auswirkungen später zu spüren bekommen, unter anderem in Form eines erheblichen Rückgangs der Entnahmemengen bei niedrigen Füllständen.

In den im Falle einer Krise am stärksten gefährdeten Mitgliedstaaten könnten sich folgende Vorsorgemaßnahmen als wichtig erweisen: Auffüllen der Gasspeicher über die üblichen Füllmengen hinaus und Gewährleistung, dass bei dem Entnahmetempo die Möglichkeit einer anhaltenden Winterperiode berücksichtigt ist. Speicherhaltung kann auf mehr oder weniger marktbasierte Weise zur Gewährleistung der Versorgungssicherheit eingesetzt werden. Mehrere Mitgliedstaaten haben Vorsorgemaßnahmen ergriffen, um die Versorgungssicherheit durch angebotsbezogene Speicherverpflichtungen (z. B. Bulgarien, Dänemark, Frankreich, Italien, Polen, Portugal, die Slowakei und Spanien) und strategische Reserven (z. B. Ungarn) zu gewährleisten. Ferner sind in einigen nationalen Plänen, beispielsweise in Ungarn, Maßnahmen vorgesehen, um das Füllen der Speicher durch reduzierte Fernleitungsentgelte, auf die mitunter ein erheblicher Teil der Speicherhaltungskosten entfällt, attraktiver zu machen. Dabei sollte besonders darauf geachtet werden, dass solche völlig legitimen Maßnahmen, die darauf abzielen, das Füllen der Speicheranlagen – oftmals unter Nutzung von importiertem Gas – zu erleichtern, nicht (effektiv) zu Lasten grenzüberschreitender Transaktionen gehen, die für Gaslieferungen an andere Länder bestimmt sind.

2.3.2     Ersetzen fehlender Mengen durch Steigerung der inländischen Produktion oder durch Erwerb zusätzlicher Gasmengen aus anderen Quellen

Als Ersatz für fehlende Gasmengen aus einer bestimmten Quelle liegt die Option nahe, entsprechende Mengen aus einer anderen Quelle zu importieren oder die inländische Produktion zu steigern.

Im Allgemeinen gibt es nur einen geringen bzw. überhaupt keinen Spielraum, um die Erdgasgewinnung innerhalb der EU so zu steigern, dass kurzfristig eine erhebliche Wirkung erzielt wird, was insbesondere auf technische Zwänge in den bestehenden Systemen zurückzuführen ist.

Was die Importe anbelangt, so ist der Spielraum für zusätzliche Lieferungen über Erdölfernleitungen aus Nordafrika derzeit begrenzt und die Kapazität der norwegischen Produktion wird bereits fast vollständig ausgeschöpft. LNG ist eindeutig die Importquelle mit dem größten Potenzial, da die LNG-Terminals in der EU über ausreichende Kapazitäten verfügen, um die Lieferung weiterer LNG-Mengen aufzunehmen[25]. Was die Rohstofflage angeht, so ist der weltweite Spotmarkt für LNG groß genug, um zusätzliche Volumina zu liefern, und auch im Seeverkehrssektor sind ausreichende Kapazitäten vorhanden.  Zudem ist LNG durch den jüngsten Rückgang der asiatischen LNG-Preise zu einer wirtschaftlich günstigeren Alternative für die EU geworden.  Da der LNG-Preis allerdings in Zeiten, die von Versorgungsstörungen und Ressourcenknappheit geprägt sind, steigen wird, könnte der Erwerb von Ladungen auf dem Spotmarkt teuer sein[26]. Darüber hinaus könnte der Transport der Ladungen in das Krisengebiet mindestens eine Woche dauern.

2.3.3     Einwirken auf die Nachfrageseite

Die Auswirkungen von Versorgungsstörungen können durch eine Verringerung des Gasbedarfs eingedämmt werden. Generell wurden die Auswirkungen einer etwaigen Nachfrageverringerung (seitens industrieller Abnehmer oder potenziell gasbetriebener Kraftwerke) infolge von Preiserhöhungen im Falle einer Versorgungsunterbrechung in der großen Mehrheit der nationalen Berichte – insbesondere in den am stärksten betroffenen Regionen – nicht bewertet. Nachfrage mit hoher Preiselastizität – deren Anteil auf rund 10 % geschätzt wird – wird voraussichtlich als erste vom Markt verschwinden, indem Anlagen aus wirtschaftlichen Gründen abgeschaltet oder – falls rentabel – auf alternative Brennstoffe (Biomasse oder Öl) umgestellt werden. Marktbasierte, auf Anreizen beruhende Maßnahmen zum Einwirken auf die Nachfrageseite wurden nur in sehr wenigen nationalen Stresstest-Berichten beschrieben, und in den am stärksten betroffenen Ländern gibt es noch keine Erfahrungen mit der Anwendung solcher Maßnahmen.

Das letzte nachfrageseitige Instrument, über das die Behörden verfügen – und das alle nicht zuletzt angesichts der Bestimmungen der Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung einzusetzen bereit sind –, sind Beschränkungen nach einer festgelegten Reihenfolge von Nutzergruppen. Solche Pläne beginnen in der Regel bei den industriellen Nutzern mit der größten Flexibilität und enden bei den geschützten Kunden, insbesondere Privathaushalten. Zu diesen nachfrageseitigen Beschränkungen stellt die Kommission fest, dass die konkreten Auswirkungen der vorgesehenen Beschränkungsmaßnahmen auf die einzelnen Kundengruppen in vielen Plänen nicht quantifiziert bzw. spezifiziert werden, so dass das genaue Ausmaß der potenziellen Folgen von Versorgungsunterbrechungen auf verschiedene Kundengruppen nicht klar ist[27].

2.3.4     Umstellung auf andere Brennstoffe

In vielen betroffenen Mitgliedstaaten werden die Fernwärmesysteme überwiegend mit Erdgas betrieben. Zudem lag der Anteil der Stromerzeugung aus Erdgas im Jahr 2012 in Kroatien, Griechenland, Ungarn, Lettland und Litauen bei mindestens 25 %[28]. Ein Anstieg der Erdgaspreise könnte dazu führen, dass in Krisensituationen aufgrund wirtschaftlicher Überlegungen eine vorübergehende Umstellung auf andere Brennstoffe vorgenommen wird. Darüber hinaus ist in den nationalen Plänen aller Länder, in denen Versorgungsunterbrechungen wahrscheinlich sind, die Möglichkeit der Umstellung auf andere Brennstoffe vorgesehen. Im Rahmen solcher Maßnahmen werden die Nutzer von Anlagen, die auf Zweistoffbetrieb ausgelegt sind, in der Regel aufgefordert, auf einen anderen Brennstoff umzustellen. Die Mitgliedstaaten haben angegeben, dass Verpflichtungen zur Lagerung alternativer Brennstoffe (wie Biomasse oder Öl) vor Ort für eine bestimmte – relativ geringe – Anzahl von Tagen bestehen[29]. Im Allgemeinen erwarten die Mitgliedstaaten in Bezug auf die Vorkehrungen für Brennstoffumstellungen innerhalb der auf nationaler Ebene festgelegten obligatorischen Lieferzeiten keine gravierenden Probleme in Bezug auf Logistik oder Angebot. Allerdings gibt es bislang keine konkreten Erfahrungen mit langen Unterbrechungen und entsprechenden längerfristigen Umstellungen. Falls erforderlich, können unter Berücksichtigung der geltenden Rechtsvorschriften strategische Ölvorräte genutzt werden, um Kraftwerke und Fernwärmeanlagen zu betreiben[30].

Die Kommission stellt fest, dass es in einigen Ländern der Energiegemeinschaft aufgrund mangelnder Öl- und Kohlevorräte zu Heizzwecken zu Problemen kommen kann. Zum Beispiel wären die Ölvorräte in Serbien oder in Bosnien und Herzegowina rasch aufgebraucht, obwohl dort ein Drittel der Fernwärmeanlagen von Gas auf Öl umgestellt werden kann. Auch im Falle Moldaus wäre eine Umstellung von Gas auf Kohle zur Stromerzeugung möglicherweise nicht in vollem Umfang möglich, wenn die Kohlevorräte nicht rechtzeitig angelegt werden.

In verschiedenen nationalen Berichten wird auf die Möglichkeit hingewiesen, insbesondere für Heizzwecke von Gas auf Strom, u. a. aus erneuerbaren Energien (heimische nachhaltige Biomasse, Wärmepumpen usw.), umzustellen und die thermischen Speichermöglichkeiten in Fernwärmesystemen zu nutzen. Während die Nutzung von Strom eine wirksame Maßnahme sein kann, um Engpässe bei der Gasversorgung in erheblichem Umfang abzufedern, müssen jedoch u. a. die Rolle der gasbefeuerten Kraftwerke bei der Sicherung von Reserven und des Ausgleichs innerhalb des Systems sowie die Belastbarkeitsgrenzen des Netzes bei einer anhaltenden außergewöhnlich hohen Nachfrage gebührend bedacht werden[31]. Die Diskussionen zwischen den baltischen Staaten und Finnland sowie zwischen anderen Ländern, z. B. Griechenland und Bulgarien, weisen auf eine Zusammenarbeit und gemeinsame Überlegungen zur Wechselwirkung zwischen den beiden Sektoren hin. Insgesamt bieten die nationalen Berichte und die Bewertung durch ENTSO-E auf der Grundlage der besten verfügbaren Daten nicht den erforderlichen vollständigen Überblick über die Spill-over-Effekte einer Gasversorgungsstörung im Energiesektor.

2.3.5     Zeitliche Planung nicht marktbasierter Maßnahmen

Abbildung 7 gibt die Ergebnisse einer Analyse der Kommission zur potenziellen Zeitplanung für die Einführung nicht marktbasierter Maßnahmen über den gesamten 6-Monatszeitraum der russischen Versorgungsunterbrechung wieder. Einige Unterschiede – abgesehen von den Unterschieden bei der Risikolage – sind wahrscheinlich auch auf politische Entscheidungen zurückzuführen, die in den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Vorgehensweise bei einer Versorgungskrise getroffen werden. Einige Mitgliedstaaten, wie die Tschechische Republik und Deutschland, die – den ENTSO-G-Berechnungen für das „kooperative Szenario“ zufolge – voraussichtlich nur bei einem Kälteschub in geringerem Maße betroffen wären, geben an, dass sie bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt nicht marktbasierte Vorsichtsmaßnahmen treffen, um die Versorgung geschützter Kunden zu gewährleisten. Weitere Unterschiede ergeben sich aus der frühzeitigen Einführung nicht marktbasierter Maßnahmen, z. B. durch Griechenland und Kroatien, während z. B. Bulgarien, Ungarn und Rumänien offensichtlich so lange wie möglich marktbasierten Maßnahmen den Vorzug geben. Zudem ist bei einem Vergleich dieser nationalen Analysen mit den Karten der ENTSO-G zu den bei einer Versorgungskrise betroffenen Gebieten und zum jeweiligen Ausmaß der Beeinträchtigung auch festzustellen, dass im Rahmen des kooperativen Szenarios die Einführung nicht marktbasierter Maßnahmen erheblich verzögert werden kann. Dies legt den Schluss nahe, dass es bei einer engeren Koordinierung Spielraum für eine Verbesserung der Gesamtsituation gibt.

Abbildung 7 – Einführung nationaler Maßnahmen: Übersicht über die zeitliche Staffelung 

Quelle: Nationale Berichte, Analyse der Kommission.

3.         Schlussfolgerungen

3.1         Bewertung der Maßnahmen der Mitgliedstaaten

Eine längere Unterbrechung der Versorgung über die Fernleitung durch die Ukraine und umso mehr aller russischen Gaslieferungen an die EU wird erhebliche Auswirkungen innerhalb der EU haben, wobei die östlichen EU-Mitgliedstaaten und die Länder der Energiegemeinschaft am stärksten betroffen sein werden.

Die nationalen Berichte lassen in Bezug auf die kurzfristige Versorgungssicherheit der EU zwei Hauptproblembereiche erkennen. Zum einen wurden mehrere Infrastrukturprojekte, die nach der Versorgungskrise von 2009 mit dem expliziten Ziel einer erhöhten Versorgungssicherheit auf den Weg gebracht wurden, aus verschiedenen Gründen – die von fehlender politischer Unterstützung über Unzulänglichkeiten im Projektmanagement bis hin zu mangelnder grenzüberschreitender Kooperation reichen – noch nicht (voll) in Betrieb genommen.[32] Zum anderen sind viele der nationalen Strategien für die Versorgungssicherheit von Unilateralität geprägt, zu wenig auf Koordination und/oder Kooperation ausgerichtet. Insgesamt hat dies zur Folge, dass im Bereich der Gasversorgungssicherheit in der Union weniger effizient gehandelt wird als möglich, wie im Folgenden näher zu erläutern ist.

Wie die ENTSOG-Analyse zeigt, stellt eine Kooperation auf der Grundlage optimierter Infrastrukturnutzung und anteilmäßiger Lastenverteilung sowohl die Versorgung geschützter Kunden in den Mitgliedstaaten und den Vertragsparteien der Energiegemeinschaft als auch beträchtliche Ausfuhren in die Ukraine sicher.[33] Neben der Optimierung der inländischen und grenzüberschreitenden Gasflüsse müssen Finnland, die Mitgliedstaaten im Baltikum und in Mittel- und Südosteuropa sowie die Vertragsparteien der Energiegemeinschaft diverse zusätzliche Maßnahmen ergreifen, um sicherzustellen, dass „nicht gelieferte“ Gasmengen oder Fehlmengen an nicht geschützte Kunden möglichst gering gehalten werden. Da die Beschaffung zusätzlicher Gasmengen aus nationaler Erzeugung, externen Quellen oder Speichern im ENTSOG-Model bereits berücksichtigt ist, ist als nächster Schritt – neben anderen an der Nachfrage ansetzenden Maßnahmen – eine preisinduzierte oder verordnete Brennstoffumstellung am wahrscheinlichsten. Ein gutes Beispiel ist Finnland, das – mit bis zu 100 % „nicht gelieferten“ oder fehlenden Gasmengen im modellierten Szenario einer sechsmonatigen Unterbrechung der russischen Lieferungen – auf den ersten Blick als anfälligster Mitgliedstaat erscheinen mag. Zum einen ist jedoch in Finnland der Anteil geschützter Kunden, die Erdgas beziehen, sehr gering. Zum anderen könnte das Land aufgrund des obligatorischen Umstellungsmechanismus und der Pflicht zur Vorhaltung hoher Mengen alternativer Brennstoffe – sowie guter Logistik – aller Wahrscheinlichkeit nach sämtliche Gasmengen ohne Nachfragebeschränkung ersetzen. Die am stärksten betroffenen Mitgliedstaaten im Baltikum, in Mittel- und Südosteuropa sowie die Vertragsparteien der Energiegemeinschaft[34] werden jedoch insbesondere gegen Ende des Modellzeitraums die Einführung von Beschränkungen für nicht geschützte Kunden kaum vermeiden können.

In allen nationalen Berichten werden Maßnahmen vorgeschlagen, mit denen einer etwaigen Versorgungsunterbrechung begegnet werden soll. Die zeitliche Abfolge dieser Maßnahmen ist wichtig, denn es kommt entscheidend darauf an, so lange wie möglich die Funktion des Marktes aufrechtzuerhalten. Funktioniert der Markt, lösen Preissignale neue Lieferungen – vor allem von Flüssiggas – in die EU und innerhalb der EU in jene Länder aus, in der die Knappheit am größten ist, sofern die entsprechenden Infrastrukturen vorhanden sind. Preissignale fördern auch die gewerbliche Nutzung von Speicheranlagen als Mittel zur Gewährleistung des Gleichgewichts zwischen Angebot und Nachfrage und bieten Anreize für eine wirtschaftlich motivierte Bedarfsminderung und Brennstoffumstellung. Die Mitgliedstaaten sollten grenzüberschreitende Gasflüsse nicht behindern. Ein Anstieg der Preise stellt weder eine Versorgungskrise dar noch eine Rechtfertigung für Marktinterventionen unter dem Vorwand der Versorgungssicherheit.

Dies entbindet gefährdete Mitgliedstaaten jedoch nicht von der Pflicht, Maßnahmen zur Vorbereitung und Reaktion auf eine Notsituation sowie die zeitliche Abfolge ihrer Umsetzung gründlich zu planen. Gefährdete Länder sollten zunächst marktgerechte Maßnahmen voll ausnutzen; reichen diese nicht mehr aus, müssen sie bei Ausrufung eines Notstands möglicherweise auf nicht marktgerechte Maßnahmen zurückgreifen. Sind nicht marktgerechte Maßnahmen erforderlich, kommt es darauf an, dass die am wenigsten verzerrenden und angemessensten Maßnahmen vor jenen angewendet werden, die einen stärkeren Eingriff darstellen, und die grenzüberschreitenden Auswirkungen dieser Maßnahmen gebührend berücksichtigt werden.

3.2         Verstärkter Koordinations- und Kooperationsbedarf

Wie erwähnt, sind die nationalen Berichte im Allgemeinen mehr auf nationale Ansätze ausgerichtet, während die regionale Dimension bei der Ausarbeitung von Strategien für die Versorgungssicherheit zu kurz kommt. Viele Mitgliedstaaten treffen in ihren nationalen Berichten Annahmen über die mangelnde Sicherheit von Lieferungen aus bestimmten Nachbarländern, was sie zu weiteren Annahmen über die Nichtausfuhr veranlasst, die jedoch die Versorgungssicherheit auf regionaler und EU-Ebene schwächen. Kooperation ist daher ein Schlüsselfaktor. Im Baltikum z. B. hat die Speicheranlage Inčukalns eine solche Bedeutung, dass Estland, wenn es keinen Zugriff auf diese Anlage hätte, nach fünf Tagen selbst geschützte Kunden nicht mehr mit Gas versorgen könnte.

Die mangelnde Koordination schlägt sich in einer Reihe von Diskrepanzen zwischen den von den verschiedenen – oft benachbarten – Mitgliedstaaten vorgesehenen Maßnahmen nieder. Dazu zählt, dass die gesteigerten Kapazitäten ein und desselben externen Anbieters für verschiedene Pläne herangezogen werden oder von unterschiedlichen Annahmen für die Gasflüsse über gemeinsame Verbindungsleitungen ausgegangen wird. Dies verspricht nicht nur ineffiziente Ergebnisse insbesondere in einer Krisensituation mit angespannten Märkten, sondern kann auch zu einem falschen Gefühl der Sicherheit führen. Zweifellos erfolgte vor dem Stresstest ein gewisse Koordination und wurde durch neue Gespräche gestärkt, doch zeigt die vergleichende Analyse der Berichte, dass nach wie vor Spielraum für eine engere grenzüberschreitende Koordination und auch der entsprechende Bedarf besteht, damit – als Grundziel – realistische Annahmen für die Gasflüsse über die Verbindungsleitungen gewährleistet sind.

Angesichts der obigen Ausführungen liegt es auf der Hand, dass die grenzüberschreitende Kooperation über die einfache Prüfung der grenzüberschreitenden Konsistenz nationaler Maßnahmen hinausgehen und auch die Ermittlung grenzüberschreitender Synergien und die Verständigung über die Art der Durchführung von Solidarmaßnahmen einschließen muss. Ein solcher Ansatz würde grundsätzlich zu Effizienzsteigerungen führen, nicht nur in wirtschaftlicher Hinsicht, sondern auch in Bezug auf die Gewährleistung sehr kurzfristiger Gasversorgungssicherheit.

Es gibt Beispiele für eine solche Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten, die die Kommission als wirksamen ersten Schritt zur Verbesserung der Versorgungssicherheit auf regionaler Ebene begrüßt. Ein Beispiel ist das geplante Abkommen zwischen Estland und Litauen, dem zufolge die geschützten Kunden beider Länder vor den nicht geschützten Kunden des einzelnen Landes bedient werden. Ein weiteres Beispiel ist das (noch nicht umgesetzte) ungarisch-kroatische Regierungsabkommen zur Versorgungssicherheit, das einen konstruktiven Kooperationsansatz vorsieht. Zudem kann sich Kooperation auch darin äußern, dass Infrastrukturen, etwa Speicheranlagen, gemeinsam genutzt oder Gasmengen, die aufgrund einer erhöhten Stromerzeugung in bestimmten Mitgliedstaaten frei werden, anderen Mitgliedstaaten zur Versorgung geschützter Kunden überlassen werden. Ein interessantes Beispiel in diesem Zusammenhang ist die entstehende Kooperation zwischen Griechenland und Bulgarien, bei der ein Austausch von Erdgas und Strom vorgesehen ist, um beide Netze im Fall gravierender Engpässe zu stabilisieren.

Ein verstärkter Kooperationsansatz setzt voraus, dass zwischen den beteiligten Parteien Vereinbarungen über die organisatorischen, geschäftlichen und rechtlichen Bedingungen der Kooperation im Krisenfall getroffen werden. Um Vertrauen zu schaffen, müssen zuvor eindeutige Regeln auf EU- oder regionaler Ebene vereinbart werden. Möglicherweise ist eine in allen Aspekten verstärkte grenzüberschreitende Kooperation bis zum kommenden Winter nicht vollumfänglich zu realisieren. Dennoch sollten angesichts des erhöhten gegenwärtigen Risikos benachbarte Mitgliedstaaten und Länder diesen Prozess unverzüglich anstoßen oder bereits eingeleitete Initiativen vorantreiben, um zu einer Verständigung über die grundlegenden Informationen sowie einzelstaatliche und gemeinsame Maßnahmen in einer Krisensituation zu gelangen. Die Europäische Kommission könnte solche Vorkehrungen, einschließlich Maßnahmen, die im Bedarfsfall im nächsten Winter umgesetzt werden könnten, im Hinblick auf den möglichst raschen Abschluss einer Übereinkunft unterstützen.

Es bedarf Formen der Kooperation, mit denen Versorgungsengpässe in einem Mitgliedstaat abgemildert werden, indem grenzüberschreitende Lieferungen gewährleistet bzw. ermöglicht werden, selbst wenn diese Lieferungen auch in den „Geberländern“ gewisse Opfer erfordern. Wird dieser Grundsatz angewendet, müssen die koordinierende Rolle der FNB und ihre Zuständigkeit für die Versorgungssicherheit mit Unterstützung der nationalen Energieregulierungsbehörden voll genutzt werden, damit sie Energieflüsse in die Nachbarstaaten bereitstellen können, auch wenn sie in ihrem Zuständigkeitsbereich möglicherweise keine volle Netzfunktion sichergestellt haben. Dies könnte auch eine Gelegenheit zur Verbesserung der langfristigen Versorgungssicherheit durch regionale Partnerschaften sein.

Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf die besondere Rolle jener Mitgliedstaaten, durch deren Hoheitsgebiet das Erdgas auf die „nachgelagerten“ Märkte geleitet wird. In Bezug auf Lieferungen nach Mittel- und Südosteuropa verfügen Deutschland, die Tschechische Republik, Österreich, die Slowakei, Ungarn und Slowenien über besonders wichtige Infrastrukturen, die schon als Grundlage eines funktionierenden Binnenmarkts optimal genutzt werden müssen. In einer besonderen Versorgungssituation muss zudem gewährleistet sein, dass diese Länder auch weiter Erdgas auf jene Märkte gelangen lassen, auf denen bedeutende Engpässe bestehen.

Eine solche Kooperation kann aber keinesfalls eine Einbahnstraße sein. Sie sollte für die Maßnahmen, die sowohl kurz- als auch mittel- und langfristig zur Bewältigung einer Krise erforderlich sind, eine angemessene Kostenaufteilung vorsehen. Die Vorstellung, dass die Kunden in einem Land die Kosten für die Maßnahmen der Versorgungssicherheit tragen und daher einen höheren Schutz genießen sollten, stand oft dem Aufbau kooperativer Systeme im Wege. Solidarmaßnahmen sind keine Zuschüsse oder Schenkungen, sondern Notfallmaßnahmen, zu denen letztlich auch der Begünstigte seinen Teil beitragen muss. Solidarität, die Anreize für schmarotzerhaftes Verhalten bietet, ist keine Solidarität. Ohnehin wäre es unangebracht, Solidarität ausschließlich unter dem Gesichtspunkt kurzfristiger Wirtschaftlichkeit zu betrachten.

Die verstärkte Kooperation bringt nicht nur den Mitgliedstaaten, die im kommenden Winter am stärksten von Notfällen bedroht sind, kurzfristig spürbare Vorteile. Vielmehr liegt es auch im gemeinsamen Interesse, die Einführung der weitreichendsten und radikalsten Maßnahmen – wie Nachfragesteuerung, Handelsbeschränkungen oder Freigabe strategischer Vorräte – hinauszuzögern und auf ein Mindestmaß zu beschränken, da damit der Energiebinnenmarkt dauerhaft unterhöhlt wird. Dies wiederum kann das Vertrauen der Investoren (z. B. in gewerblich genutzte Speicheranlagen) beeinträchtigen und die Anziehungskraft des EU-Marktes für externe Lieferungen aus bestehenden und neuen Quellen schwächen. Ansätze, die auf Isolation und Misstrauen beruhen, widersprechen der zum Aufbau einer echten Energieunion erforderlichen Solidarität. Zugleich verlangt dies aber von den gefährdeten Mitgliedstaaten, alles Erdenkliche zur Vermeidung von Notsituationen zu tun – indem sie die in Kapitel 4 erörterten Schritte einleiten.

4.            Empfehlungen

Die EU-Energiepolitik hat generell zum Ziel, den Energiebinnenmarkt zu vollenden, die Energieeffizienz zu steigern, die Treibhausgasemissionen zu senken sowie externe Versorgungsquellen weiter zu diversifizieren und heimische Energiequellen zu nutzen. All dies wird die Versorgungssicherheit in der EU verbessern. Im Mittelpunkt dieses Berichts stehen allerdings die spezifischen Empfehlungen, durch die sichergestellt wird, dass die EU auf ein konkretes Risiko einer Unterbrechung der Energielieferungen aus dem Osten im kommenden Winter besser vorbereitet ist und entsprechend darauf reagieren kann.

4.1         Dringende Empfehlungen für den bevorstehenden Winter

Die Kommission hat die kurzfristigen Empfehlungen drei Themen zugeordnet: i) Funktionieren des Marktes; ii) eindeutige Definition des Zeitpunkts, wann der Markt nicht mehr funktioniert und Sofortmaßnahmen erforderlich sind; iii) Koordinierung und Zusammenarbeit bei der Notfallplanung und eventuellen Eingriffen.

i) Kurzfristig das Funktionieren des Marktes sicherstellen

1. Kapazitätsmaximierung auf den Verbindungsleitungen und Beseitigung von / Widerstand gegen Beschränkungen des grenzübergreifenden Handels

Die Kapazität der Verbindungsleitungen sollte maximiert und die resultierende Höchstkapazität dem Markt umgehend zur Verfügung gestellt werden, z. B. durch Anwendung wirksamer Engpassmanagementverfahren[35] und Mechanismen für die Kapazitätszuweisung[36]. Im Fall einer Gaskrise können vor allem Ausfuhrbeschränkungen negative Folgen haben. Wie aus einer ENTSOG-Untersuchung hervorgeht, können Ausfuhrbeschränkungen die Schäden einer Gaskrise in den am meisten betroffenen Mitgliedstaaten noch erheblich verschlimmern und hätten zur Folge, dass sich die Zahl der Länder, die mit ernsten Versorgungsstörungen konfrontiert wären, erhöht. Die Kommission verweist in diesem Zusammenhang auf Artikel 11 Absatz 5 der Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung, wonach sicherzustellen ist, dass „keine Maßnahmen ergriffen werden, durch die zu irgendeinem Zeitpunkt die Lastflüsse innerhalb des Binnenmarkts ungebührlich eingeschränkt werden“ oder „durch die wahrscheinlich die Gasversorgung in einem anderen Mitgliedstaat ernsthaft gefährdet wird.“

Die Kommission unterstützt die rasche Umsetzung der Vorschriften über den Zugang Dritter zur Infrastruktur (einschließlich Speicheranlagen), auch in den Fällen, in denen im Rahmen des dritten Energiepakets Ausnahmen gewährt wurden, wie etwa in Lettland und Estland.

2. Optimierung der Nutzung von Speicheranlagen

Die Transparenz hinsichtlich der Speichermengen hat sich in den vergangenen Jahren erheblich verbessert. Die Organisation „Gas Storage Europe“ (GSE) ist eine vernünftige Initiative, die aktuelle Informationen über praktisch den gesamten Speicherbestand in der EU bereitstellt. Letzte Anstrengungen sind noch von Rumänien (Romgaz) zu unternehmen, das seine Daten über die Speichermengen veröffentlichen und auch auf der GSE-Plattform bereitstellen sollte[37].

Die nationalen Regulierungsbehörden verfügen über Instrumente, um den Marktteilnehmern wirtschaftliche Anreize zur verstärkten Einspeicherung von Gas zu bieten, beispielsweise durch niedrigere Tarife für die Einspeicherung. In Ungarn hat sich dies seit einiger Zeit als wirksam erwiesen. Die Speichermengen sind dadurch in den vergangenen Wochen nachhaltig gestiegen, auch wenn sie dort noch immer knapp unter dem EU-Durchschnitt liegen[38].

Bei der Ausspeicherung von Gas spielen wirtschaftliche Aspekte und nicht unbedingt strategische Erwägungen in Bezug auf die Versorgungssicherheit eine Rolle, insbesondere wenn die diesbezüglichen Verpflichtungen nicht hinreichend durchgesetzt werden. Durch wirtschaftliche Anreize können die Marktteilnehmer davon abgehalten werden, vorzeitig die Gasspeicher zu nutzen, wenn auch auf andere Quellen (z. B. LNG) zurückgegriffen werden könnte. Solche Anreize, wie sie der dänische FNB bereits einsetzt, könnten in Form von Zahlungen an die Besitzer von Speichergas erfolgen, die diese dafür erhalten, dass sie das Gas weiterhin speichern, anstatt es auszuspeichern, wobei diese Zahlungen letztlich auf die Allgemeinheit umgelegt werden.

Sollten solche Anreize wirkungslos bleiben, so können als letztes Mittel und in hinreichend begründeten Fällen abschreckend hohe Tarife oder sogar Obergrenzen/Beschränkungen für die Ausspeicherung in bestimmten Winterperioden erwogen werden. Damit sollte eine umsichtigere Nutzung der Speicherbestände bezweckt werden, vor allem in Zeiten, in denen die Marktlage in der EU weniger angespannt ist. Allerdings ist zu betonen, dass derartige Tarife oder Obergrenzen in einem angemessenen Verhältnis zu den Versorgungssicherheitsrisiken stehen müssen und nicht dazu führen dürfen, dass sich die Versorgungslage in Nachbarländern noch weiter verschärft.

3. Rechtzeitige Umsetzung von Infrastrukturprojekten

Die Kommission begrüßt die bevorstehende Inbetriebnahme des Flüssiggas-Terminals im litauischen Klaipeda. Infrastrukturen dieser Art sind sowohl für die Diversifizierung der Energieversorgung wie auch zur Verwirklichung eines flexibleren Gasnetzes von herausragender Bedeutung. Deshalb muss dafür gesorgt werden, dass Vorhaben, die in den nächsten Monaten abgeschlossen werden sollen, auch unverzüglich in Betrieb gehen können. Insbesondere mit Blick auf den kommenden Winter geht es dabei u. a. um die Verbindungleitung zwischen der Slowakei und Ungarn (1. Januar 2015) und das LNG-Terminal im polnischen Świnoujście (1. Februar 2015). Falls Verzögerungen eintreten, sollten die Mitgliedstaaten die Kommission frühzeitig darüber informieren und die Gründe angeben, damit gegebenenfalls Sofortmaßnahmen ergriffen und die Verzögerungen vermieden oder zumindest verkürzt werden können.

ii) Eindeutige Definition des Zeitpunkts, wann der Markt nicht mehr funktioniert und Sofortmaßnahmen erforderlich sind

4. Einhaltung des Versorgungsstandards gemäß der Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung

Die Gaslieferanten sollten dazu angehalten werden, verantwortungsbewusst Vorkehrungen für verschiedene Versorgungssituationen zu treffen, die im kommenden Winter eintreten könnten. Bei der Gewährleistung der Versorgungssicherheit geht es darum, sich auf mögliche Versorgungsunterbrechungen sorgfältig vorzubereiten, wofür die Behörden und die Industrie eine gemeinsame Verantwortung tragen. In der Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung ist ein Versorgungsstandard festgelegt, den es einzuhalten, umzusetzen und in der Praxis anzuwenden gilt. Die Europäische Kommission wird die vollständige Umsetzung sämtlicher Bestimmungen der Verordnung unterstützen. Jedoch obliegt es den zuständigen nationalen Behörden, die Einhaltung des Versorgungsstandards durchzusetzen und zu kontrollieren, ob die Lieferanten die Versorgungssicherheit hinreichend gewährleisten und genügend Flexibilitätsoptionen haben, um unter verschiedenen Szenarios ihre Kunden im nächsten Winter versorgen zu können.

Falls nicht, sollten die zuständigen nationalen Behörden entweder empfehlen oder vorschreiben (je nach den Instrumenten, die ihnen nach nationalem Recht zur Verfügung stehen), zusätzliches Gas oder Flexibilitätsoptionen auf kommerzieller Basis zu beschaffen. Wie oben ausgeführt, bestehen nur begrenzte Möglichkeiten für den Import von zusätzlichem Fernleitungsgas in die EU, und einige Mitgliedstaaten haben nur eingeschränkt Zugang zu anderen Quellen als Russland. LNG ist daher die entscheidende Alternative, um das Angebot bei ernsten Versorgungsengpässen zu erhöhen. Aus wirtschaftlicher und betrieblicher Sicht kann allerdings die kurzfristige Beschaffung von LNG-Spotmengen in Krisenzeiten teuer und zeitaufwändig sein. Durch eine Erhöhung der gespeicherten Gasmengen oder eine Art von „LNG-Versicherung“, etwa in Form von Kaufoptionen, ließe sich daher sowohl das Preis- wie auch das Betriebsrisiko für die Unternehmen deutlich reduzieren.

Außerdem sollte darüber nachgedacht werden, wie die Marktteilnehmer im Fall ernster Versorgungsunterbrechungen LNG-Käufe – unter Einhaltung des Marktprinzips – so durchführen können, dass sich die wirtschaftliche Lage in dem betreffenden Land nicht weiter wesentlich verschlechtert. Solche klar abgegrenzten spezifischen Kooperationsvereinbarungen könnten auch mit anderen wichtigen LNG-Importeuren wie Japan entwickelt werden.

5. Maßnahmen, um im Fall eines regionalen oder unionsweiten Notfalls den Versorgungsstandard in Ländern mit einem erhöhten Standard zeitweilig einzuschränken

Die Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung verpflichtet die Mitgliedstaaten, unter bestimmten schwierigen Umständen die Gasversorgung geschützter Kunden sicherzustellen. Gleichzeitig müssen die Mitgliedstaaten aber auch im Geiste der Solidarität festlegen, wie erhöhte Versorgungsstandards oder zusätzliche Verpflichtungen, die den Erdgasunternehmen über diese Umstände hinaus auferlegt wurden, im Falle eines unionsweiten oder regionalen Notfalls zeitweilig eingeschränkt werden können. Durch solche zeitweiligen Einschränkungen würden bestimmte Gasmengen verfügbar, die sonst eventuell nicht verwendet würden. Dies wiederum würde die Liquidität am Markt erhöhen und Versorgungsengpässe in anderen Ländern unter Umständen abmildern. Aus den Präventions- und den Notfallplänen[39] geht hervor, dass einige Mitgliedstaaten bereits detaillierte Vorkehrungen für die Anwendung solcher Einschränkungen getroffen haben. Die Kommission wird mit den übrigen Mitgliedstaaten zusammenarbeiten, um geeignete Maßnahmen zu vereinbaren.

6. Maximierung des Brennstoffwechselpotenzials und betriebliche Umsetzung

Die Fähigkeit zur Umstellung auf andere Brennstoffe spielt bei der Vorbeugung und Überwindung von Versorgungsstörungen eine Schlüsselrolle. Obwohl Finnland beispielsweise vollständig von russischem Gas abhängig ist und über keine andere Quelle Gas beziehen kann, wurden dort Maßnahmen mit weitreichenden Verpflichtungen für die Umstellung auf andere Brennstoffe getroffen, so dass eine nachhaltige Alternative zur Verfügung steht. Aus den nationalen Berichten geht hervor, dass beim Brennstoffwechselpotenzial große Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten der Energiegemeinschaft bestehen. Da in den Mitgliedstaaten bereits Pläne[40] bestehen, rund 10 % des Wärmebedarfs mit erneuerbaren Energieträgern zu decken, sollten diese Pläne mit Hilfe der Europäischen Struktur- und Investitionsfonds vorgezogen und dabei die bereits gewonnenen Erfahrungen genutzt werden. Die zuständigen nationalen Behörden sollten dafür sorgen, dass alle administrativen und operativen Maßnahmen zur Förderung eines Brennstoffwechsels in großem Umfang, insbesondere in Fernwärmesystemen, getroffen werden, wozu auch die Erprobung der Anlagen gehört, um sicherzustellen, dass der Brennstoffwechsel tatsächlich funktioniert. Da es derzeit dabei vornehmlich um Öl geht, sind die logistischen Aspekte einer solchen (möglicherweise auf Dauer angelegten) Massenumstellung unbedingt im Voraus zu klären, wozu auch die Nutzung strategischer Ölvorräte in bestimmten Situationen gehört. Dasselbe gilt auch für eine Umstellung auf Biomasse.

In der Industrie ist es möglich, Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) auch abzuschalten und ihre Produktion durch ausschließlich wärmeerzeugende Heizkessel, die in den meisten KWK-Anlagen als Reservekapazität vorhanden sind, zu ersetzen. Voraussetzung hierfür ist allerdings, dass der durch KWK erzeugte Strom durch Netzstrom ersetzt werden kann und sich dies finanziell auch lohnt.

7. Umsetzung kurzfristiger Energieeffizienz- und Nachfragedämpfungsmaßnahmen

Eine wirksame Maßnahme zur Schließung einer Versorgungslücke kann darin bestehen, einen spürbaren Nachfragerückgang zu erzielen, indem Verbraucher dazu angehalten werden, die Raumtemperatur zu senken, oder dabei unterstützt werden, andere Energiesparmaßnahmen zu ergreifen. Entsprechende öffentliche Kampagnen haben sich insofern als wirksam erwiesen, als sie zumindest zum Teil die plötzlich aufgetretenen Versorgungsengpässe im Stromsektor nach dem Unfall in Fukushima in Japan und der Explosion im Elektrizitätswerk Vasilikos in Zypern auffangen konnten. Zu den sofort verfügbaren Maßnahmen, die rasch umgesetzt werden können und mit geringen Vorabinvestitionen verbunden sind, gehören u. a. Abdichtungsmaßnahmen, die Anbringung von Heizkörper-Reflektorplatten sowie die Isolierung von Leitungen. Die Maßnahmen können in unterschiedlicher Weise durchgeführt werden, u. a. über Verpflichtungen der Energiedienstleister im Rahmen der EU-Energieeffizienzrichtlinie. In der Industrie kann die Energienachfrage kurzfristig durch die Durchführung von Energieaudits und die Einführung von Energiemanagementsystemen optimiert werden.

8. Die Rolle des FNB in Notfällen muss klar sein, und es muss sichergestellt werden, dass der FNB seine Rolle kennt

Es sollte geprüft werden, ob es erforderlich ist, dem FNB zusätzliche Zuständigkeiten, die der Aufsicht der nationalen Regulierungsbehörden unterliegen, zu übertragen, damit er über die rein netzbezogene Überwachung des Gleichgewichts von Angebot und Nachfrage hinausgehen und weitergehende präventive oder reaktive Maßnahmen zur Sicherstellung der Versorgungssicherheit ergreifen kann. Diese Maßnahmen könnten darin bestehen, dass der FNB unter bestimmten, genau definierten Umständen Gaseinkäufe tätigt, den Transport in sein Marktgebiet in Auftrag gibt oder einen Vertrag über Speicherkapazitäten schließt. Ein solches System existiert beispielsweise in den Niederlanden, wo der FNB verpflichtet ist, über gespeicherte Gasmengen zu verfügen, und diese bereitstellen muss, wenn die Temperatur unter ein bestimmtes Niveau sinkt.

FNB mit solchen Aufgaben auf nationaler Ebene müssen sich grenzüberschreitend effizient abstimmen. Darüber hinaus muss unbedingt sichergestellt werden, dass die Rolle des FNB genau präzisiert und ausdrücklich nur auf genau definierte Fälle von Marktversagen beschränkt ist. Die gemeinwirtschaftliche Aufgabe, die dem FNB in diesem Fall auferlegt würde, sollte nicht gegen die grundlegende Marktorganisation des EU-Energiebinnenmarkts verstoßen, in der FNB nicht aktiv im Rohstoffhandel oder auf dem Versorgungsmarkt tätig sein dürfen.

iii) Koordinierung und Zusammenarbeit sowohl in der Notfallplanung als auch bei möglichen Interventionen

9. Notwendigkeit einer Weiterentwicklung der regionalen Zusammenarbeit im Bereich der Sicherheit der Erdgasversorgung

Grundsätzlich sollten alle Staaten in enger Abstimmung und Zusammenarbeit grenzübergreifend darauf hinarbeiten, entweder Verbindungsleitungen zu bauen oder sicherzustellen, dass solche Verbindungsleitungen zugunsten beider Seiten wirksam genutzt werden können. In bestimmten Fällen (z. B. Griechenland und Bulgarien) sollte eine solche Zusammenarbeit noch weiter gehen, um die mögliche besondere Gefährdung der Versorgungssicherheit durch eventuelle Gas- und Stromversorgungsengpässe, die durch ein Abkommen abgemildert werden könnten, anzugehen. Die regionale Zusammenarbeit kann auch auf die Gewährleistung der Versorgungssicherheit zum Schutz der Verbraucher konzentriert werden, wie dies von Litauen und Estland geplant wird. Eine weitere Möglichkeit der regionalen Zusammenarbeit ist die Nutzung von Speicheranlagen im Notfall.

Außerdem sollte darüber nachgedacht werden, wie LNG-Käufe von Marktteilnehmern bei ernsthaften Versorgungsunterbrechungen – unter Einhaltung der Grundsätze der Marktwirtschaft – so durchgeführt werden können, dass sich die wirtschaftliche Lage im betreffenden Land dadurch nicht weiter wesentlich verschlechtert. Solche klar abgegrenzten spezifischen Kooperationsvereinbarungen könnten innerhalb der EU, aber auch mit anderen wichtigen LNG-Importländern wie Japan entwickelt werden.

10. Mehr Transparenz erforderlich

Die FNB und die nationalen Regulierungsbehörden, aber auch die Mitgliedstaaten sollten in ihrem gegenseitigen Handeln sowie gegenüber Interessenträgern und der Öffentlichkeit größtmögliche Transparenz anstreben. In einem Verbundnetz und in der Phase der Vollendung des Binnenmarktes haben die Maßnahmen eines Mitgliedstaats oder eines Landes (bzw. seiner Marktteilnehmer) Auswirkungen auf die übrigen Märkte. In einer Situation verstärkter Spannungen, wie wir sie derzeit erleben, können alle Maßnahmen politisch interpretiert werden. Es ist daher von größter Bedeutung, derartige Maßnahmen zu erläutern, um Bedenken zu zerstreuen und Vertrauen aufzubauen.

11. Die ständige Überwachungsfunktion der Kommission und der Einsatz der Koordinierungsgruppe „Erdgas“

Die Koordinierungsgruppe „Erdgas“ wurde 2004 eingerichtet[41] und durch die Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung wesentlich gestärkt. In den letzten Jahren hat sie sich zu einer nützlichen Plattform für Diskussionen und den Informationsaustausch über die Sicherheit der Gasversorgung entwickelt. Dies hat wiederum zu mehr Transparenz und zur Vertrauensbildung zwischen allen seinen Mitgliedern geführt.

Die Kommission wird den Stand der Versorgungssicherheit in enger Zusammenarbeit mit den zuständigen nationalen Behörden aufmerksam beobachten. Sie wird weiterhin regelmäßige Sitzungen der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ einberufen, um den Austausch mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern zu diesem Thema zu pflegen; sie wird ferner Dringlichkeitssitzungen der Koordinierungsgruppe „Erdgas“ für den Informationsaustausch und die Erörterung von Maßnahmen im Falle möglicher oder tatsächlicher Versorgungsunterbrechungen nutzen. Die Kommission übernimmt außerdem die Maßnahmenkoordinierung und sorgt dafür, dass der Notfall ausgerufen und nicht marktgerechte Maßnahmen im Einklang mit der Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung durchgeführt werden.

Da die Analyse der Auswirkungen von Unterbrechungen der Gasversorgung auf den Stromsektor bislang keine eindeutigen Ergebnisse geliefert hat, sollte die Koordinierungsgruppe „Erdgas“ diese Frage mit der Unterstützung von ENTSOG und ENTSO-E weiterverfolgen, um zu erwartende Spill-over-Effekte zu identifizieren.

12. Zusammenarbeit mit Drittstaaten

Die Europäische Kommission hat die wichtigsten internationalen Partner im Energiebereich gebeten, Beiträge, insbesondere Bemerkungen oder Vorschläge hinsichtlich des Potenzials an Flexibilität für zusätzliche Gaslieferungen, zu dieser Mitteilung beizusteuern. Zu diesen Partnern gehören u. a. die Mitglieder der G-7, die nicht der EU angehören, sowie Norwegen, die Schweiz, die Türkei und die Internationale Energieagentur (IEA). Die Kommission ersucht diese wichtigen externen Partner im Energiebereich, darunter sowohl diejenigen mit LNG-Exportkapazitäten und ‑potenzial als auch die LNG-Importeure, die Zusammenarbeit, die mit diesem Bericht begonnen hat, auch im Rahmen der G-7 und der IEA fortzusetzen.

4.2         Mittelfristige Maßnahmen (bis Ende 2015)

13. Empfehlung der Kommission, die Vorschriften des Energiebinnenmarkts zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Vertragsstaaten der Energiegemeinschaft anzuwenden

Eine engere Zusammenarbeit der Behörden und eine kohärente Anwendung der EU-Binnenmarktvorschriften an den Grenzen zwischen den Vertragsparteien und den EU-Mitgliedstaaten sind Aspekte, durch die die Defizite bei der Versorgungssicherheit in den Vertragsstaaten und den EU-Mitgliedstaaten verringert werden könnten. Positive Beispiele dafür sind die Lösungen, die im Falle der Umkehrflüsse von der Slowakei in die Ukraine gefunden worden sind. Die kohärente Anwendung des dritten Energiebinnenmarktpakets ist eine Grundlage, auf der die grenzübergreifende Zusammenarbeit weiter ausgebaut werden kann.

Um diese Zusammenarbeit durch einem förmlichen Akt  zu erleichtern, wird die Kommission eine Empfehlung an die EU-Mitgliedstaaten, bei der Anwendung des dritten Pakets mit den Vertragsparteien zusammenzuarbeiten, sowie zu Fragen der Versorgungssicherheit herausgeben. Für den Fall nicht funktionierender Gasmärkte und einer Nichtumsetzung des dritten Pakets seitens der Vertragsparteien weist die Kommission jedoch darauf hin, dass die Empfehlungen der EU die erforderlichen Verhandlungen zwischen den EU-Mitgliedstaaten und den Vertragsparteien der Region über die Nutzung gemeinsamer Infrastrukturen und die besonderen Nutzungsbedingungen im Krisenfall nicht ersetzen können.

14. Beschleunigung der Durchführung und Inbetriebnahme von zentralen Projekten von gemeinsamem Interesse bzw. Projekten von Interesse für die Energiegemeinschaft 

Es sollten alle erforderlichen Maßnahmen getroffen werden, um die Durchführung zentraler Infrastrukturvorhaben, die von größter Bedeutung für die Versorgungssicherheit sind, zu beschleunigen bzw. nicht weiter zu verzögern[42]. Dazu gehören z. B. die Verbindungsleitungen zwischen Rumänien und Bulgarien, zwischen Griechenland und Bulgarien, zwischen Bulgarien und Serbien und zwischen Rumänien und Moldau, die die Kommission auf der Grundlage klarer und absehbarer Termine für die Inbetriebnahme ausgewählt hat. Diese Projekte sollten rasch vorangebracht und bis Ende 2015 abgeschlossen werden. Die Kommission wird solche Projekte weiterverfolgen und steht für noch ausstehende Verhandlungen zwischen den Parteien unterstützend zur Verfügung, damit all diese Projekte vorangebracht und rasch abgeschlossen werden können.

15. Neubewertung der Ausnahmeregelungen für Gastransporte in Gegenflussrichtung („Reverse Flow“)

Gastransporte in Gegenflussrichtung ermöglichen den Mitgliedstaaten eine wirklich flexible Vernetzung untereinander. In der Regel sind hierfür nur geringfügige Investitionen erforderlich, die aber erhebliche Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in einer ganzen Region haben, was an den Investitionen in die Umkehr der Flussrichtung der Yamal-Pipeline an der deutsch-polnischen Grenze und unlängst an der slowakisch-ukrainischen Grenze deutlich wird. Die Mitgliedstaaten sollten zusammenarbeiten, um zu überprüfen, ob sich die Umstände, unter denen Ausnahmeregelungen für Gastransportvorhaben in Gegenflussrichtung beantragt wurden, angesichts der verschärften Versorgungssicherheitslage nicht wesentlich verändert haben, insbesondere auch angesichts der Tatsache, dass viele Mitgliedstaaten in jüngster Zeit erheblich von den zusätzlichen Handels- und Liefermöglichkeiten aufgrund solcher neuer Transportwege profitiert haben. Dies gilt insbesondere für die „Reverse-Flow“-Fähigkeit einiger Hauptgasleitungen, die gegenwärtig nur von Osten nach Westen verlaufen (Obergailbach, Waidhaus und die BBL-Verbindungsleitung zwischen den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich), sowie für die Verbindungsleitung zwischen Österreich und Ungarn.

16. Brennstoffumstellung durch Fernwärme und Kraft-Wärme-Kopplung in Haushalten, im Tertiärsekor und in der Industrie

Fernwärmenetze bieten technische Flexibilität, weil sie aus zahlreichen und vielfältigen Versorgungsquellen gespeist werden können. Erdgasnetze können auf alternative Energiequellen wie Biomasse, Abwärme, Kraft-Wärme-Kopplung, Solarenergie und Erdwärme, Wärmepumpen, Siedlungsabfälle usw. umgestellt werden. Die Umstellung kann je nach Größen- und Kapazitätsanforderungen in 1–2 Jahren vollzogen werden.

Dort, wo Fernwärmesysteme bereits existieren, aber nicht alle Gebäude eines Gebiets angeschlossen sind, kann eine Ausweitung dieser Systeme, durch die die Gasversorgung über individuelle Gasheizungen ersetzt wird, eine kostengünstige Möglichkeit für eine Umstellung auf lokale erneuerbare und andere kohlenstoffarme Energieträger sein.

Eine Umstellung von industriellen Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen (KWK) und mittleren KWK-Anlagen im tertiären Sektor (Krankenhäuser, Einkaufszentren, Bürokomplexe) auf erneuerbare oder kohlenstoffarme Energieträger kann je nach Größen- und Kapazitätsanforderungen in 1–2 Jahren erreicht werden.

Branchen mit hohem Wärmebedarf (z. B. Zellstoff- und Papierindustrie), die Selbsterzeuger auf der Grundlage von gasbetriebenen KWK-Anlagen und/oder ausschließlich wärmeerzeugenden Heizkesseln sind, könnten mit Blick auf die Wärmespeicherung oder die Möglichkeit des Wechsels zwischen Gas und Strom für die Wärmeerzeugung ebenfalls in Flexibilitätsmaßnahmen investieren. Dies wäre rentabel, wenn genügend Flexibilität bestünde, um im Falle eines Überschusses bei der Stromerzeugung (aus erneuerbaren Energieträgern) von den niedrigen Preisen zu profitieren.

17. Verringerung der Energienachfrage in der Industrie und Energieumwandlung

In der Industrie und im Energieumwandlungssektor (Erzeugung, Verteilung) besteht ein großes Potenzial für Energieeffizienzmaßnahmen, die die Nachfrage zu niedrigen Kosten und mit kurzen Amortisationszeiten (weniger als 2 Jahre) verringern können, z. B. durch bessere Prozesskontrolle und ‑steuerung und präventive Instandhaltung. Die Feststellung des kurzfristigen mit keinerlei oder nur geringen Kosten verbundenen Effizienzverbesserungspotenzials erfordert in energieintensiven Industrien eine raschere Durchführung von Energieaudits und schnellere Einführung von Energiemanagementsystemen im Rahmen der Energieeffizienzrichtlinie.

5.            Ausblick

Die Erfahrungen mit der Anwendung der Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung zeigen deutliche Verbesserungen bei der Versorgungssicherheit der EU seit 2009, aber auch weiteren Spielraum für eine Stärkung des EU-Rechtsrahmens. Im Einklang mit der Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung vom 28. Mai 2014 wird die Kommission die vorhandenen Mechanismen zur Gewährleistung der Energieversorgungssicherheit überprüfen und gegebenenfalls Verbesserungen vorschlagen.

Parallel dazu beabsichtigt die Kommission, (weiterhin) mit bestimmten (Gruppen von) Mitgliedstaaten zusammenzuarbeiten, um Lösungen für Probleme auszuarbeiten, die im Rahmen dieses Stresstests als potenzielle Risikofaktoren identifiziert wurden.

Die Kommission wird die vorstehenden Empfehlungen deshalb in zwei unterschiedlichen Richtungen weiterverfolgen. Zunächst wird sie – gemeinsam mit der ACER und den ENTSOs – eine ständige Überwachung der Umsetzung der kurzfristigen Empfehlungen einrichten und – falls erforderlich – Unterstützung bei der Einleitung oder dem Fortgang von Projekten und Diskussionen leisten. Sie wird ferner die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten, dem Europäischen Parlament und den Interessenträgern fortsetzen, um die wichtigsten Ziele im Bereich der Strom- und Erdgasversorgungssicherheit in der EU in den kommenden Jahren festzulegen.

[1] Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung, COM(2014) 330 final.

http://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52014DC0330&from=EN

[2] Schlussfolgerungen des Europäischen Rats vom 27. Juni 2014, EUCO 79/14 http://www.consilium.europa.eu/uedocs/cms_Data/docs/pressdata/en/ec/143478.pdf

[3] Die Vertragsparteien sind die Republik Albanien, Bosnien und Herzegowina, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien, die Republik Moldau, die Republik Montenegro, die Republik Serbien, die Ukraine und die Übergangsverwaltung der Vereinten Nationen für das Kosovo gemäß der Entschließung 1244 des Sicherheitsrates der Vereinten Nationen. Die Republik Georgien ist Beitrittskandidat der Energiegemeinschaft.

[4] Die nationalen Berichte wurden durch einen gemeinsamen Bericht für die drei baltischen Staaten und Finnland ersetzt.

[5] Die IEA hat eine umfassende Analyse des Markts für Flüssigerdgas (LNG) vorgelegt.

[6] Verordnung (EU) Nr. 994/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Oktober 2010 über Maßnahmen zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung und zur Aufhebung der Richtlinie 2004/67/EG des Rates, ABl. 295 vom 12.11.2010, S. 1.

[7] Dies entspricht ca. 1-2 % des jährlichen Verbrauchs in der EU.

[8] Es ist anzumerken, dass diese Voraussetzungen in der Praxis leider nicht immer gegeben sind.

[9] Im extremsten Szenario würde sich der Anteil von LNG am Energiemix um 130 % von 24 Mrd. m³ auf 56 Mrd. m³ erhöhen.

[10] Wichtig ist, dass der Analyse des Verbands ENTSOG zufolge eine Erhöhung der Kapazität der OPAL-Pipeline (eine der Verlängerungen der Nord-Stream-Pipeline mit einem Trassenverlauf von Greifswald in Norddeutschland nach Brandov an der deutsch-tschechischen Grenze) von derzeit 50 % auf 100 % aufgrund von Beschränkungen hinsichtlich der Infrastruktur für den Transport nach Osten nicht zu einer Verringerung der in den östlichen Mitgliedstaaten fehlenden Gasmengen führen wird. Der Effekt, der sich aus der Erhöhung der Kapazität auf 100 % ergibt, wird sich darauf beschränken, LNG in Westeuropa zu ersetzen.

[11] Das Gesamtdefizit von 22 % umfasst auch die Mengen, die über EU-Mitgliedstaaten nicht an die Türkei und nach Kaliningrad geliefert werden.

[12] ENTSOG verwendet in seinem Bericht an die Kommission für diese beiden Szenarios die Begriffe „suboptimal“ und „optimal“.

[13] Ungeachtet dessen, dass ENTSOG von Lieferungen ausgeht, behindern im Fall der Republik Moldau kommerzielle und rechtliche Probleme den Betrieb der Verbindungsleitung Iasi-Ungheni von Rumänien nach Moldau, obwohl sie offiziell eröffnet wurde und technisch funktioniert. Ohne eine Lösung des Problems wird es daher in Moldau im Fall einer Lieferunterbrechung ein Gasdefizit von 100 % geben.

[14] Bis zu 100 %.

[15] Auswirkungen auf Polen gibt es nur im Szenario der vollständigen Unterbrechung der russischen Lieferungen.

[16] Das Szenario „mit Kooperation“ hat Auswirkungen auf die Situation dieser beiden Mitgliedstaaten, da beide von Mitgliedstaaten mit einem sehr hohen Risiko einer Versorgungsunterbrechung umgeben sind. Allerdings verfügen sie selbst über Infrastruktur – Speicheranlagen in Lettland und LNG-Wiederverdampfungsanlagen in Griechenland –, die ihnen einen Puffer bieten. Wird eine gemeinsame Nutzung einer solchen Infrastruktur zugelassen, ändert sich bei ihnen das Gleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage.

[17] Beide Karten veranschaulichen die Auswirkungen einer sechsmonatigen Unterbrechung russischer Lieferungen im Monat Februar. Alle nationalen Maßnahmen, die z. B. die Laststeuerung, den vorgeschriebenen Brennstoffwechsel usw. betreffen, gehen von diesem voraussichtlichen Defizit aus. Daher können Mitgliedstaaten, die aus einer rein auf die Gasnetzinfrastruktur bezogenen Perspektive – wie Finnland – keine Optionen zu haben scheinen, auf andere spezifische nationale Maßnahmen zurückgreifen, etwa auf das ausgefeilte System des für gasbetriebene Stromerzeugungs- und Wärmeanlagen vorgeschriebenen Brennstoffwechsels.

[18] Ein solches Szenario sieht insbesondere Umkehrflüsse mit voller Kapazität aus der Slowakei, Ungarn und Polen sowie eine Senkung des Verbrauchs im Fernwärmesektor und in der Industrie vor.

[19] Das so sogenannte Marktgebiet NetConnect Germany.

[20] In Schweden, Dänemark und der Slowakei liegt dieser Anteil bei jeweils 56 %, 53 % bzw. 54 % und in Finnland bei 47 %. In Rumänien, Bulgarien, Slowenien und Österreich beträgt der Anteil zwischen 14 % und 19 %.

[21] In Schweden, Dänemark, Finnland, Lettland, Litauen, Polen und der Slowakei verwenden mehr als 40 % der Haushaltskunden Fernwärme für die Beheizung ihrer Wohnung. In Deutschland, Österreich, Ungarn, Slowenien, Bulgarien, Kroatien, Rumänien und der Tschechischen Republik werden 10 % bis 40 % der Kunden mit Fernwärme versorgt.

[22] Durch die Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung wurde die Kategorie der so genannten geschützten Kunden eingeführt. Zu dieser Kategorie gehören Haushalte sowie, wenn der betreffende Mitgliedstaat dies so festlegt, wesentliche soziale Einrichtungen und KMU, wobei bestimmte Grenzen gelten, und Fernwärmeanlagen, die keinen Brennstoffwechsel vornehmen können und Wärme an andere geschützte Kunden liefern.

[23] Es sei darauf hingewiesen, dass die Nutzung der Speicheranlagen in der Regel auf nationaler Ebene betrachtet wurde.

[24] Derzeit melden praktisch alle Speicheranlagenbetreiber – mit Ausnahme von  Gazprom Export und den Betreibern der rumänischen Speicheranlagen – ihre Füllmengen an die Transparenz-Website von Gas Storage Europe AGSI.

[25] Insgesamt belaufen sich die Kapazitäten zur Wiedervergasung von LNG in der EU auf rund 200 Mrd. Kubikmeter pro Jahr, die allerdings überwiegend an der Mittelmeer- und der Atlantikküste konzentriert sind. Daher wird die Fähigkeit vieler einzelner LNG-Terminals zur Versorgung der verschiedenen von Engpässen betroffenen Regionen durch die begrenzten Verbindungskapazitäten beschränkt.

[26] Die IEA geht davon aus, dass die Preise um bis zu 100 % steigen könnten.

[27] An dieser Stelle sei auf einen konkreten Plan der Ukraine hingewiesen, nach dem zur Reduzierung der Binnennachfrage ein neues Gesetz eingeführt werden soll, nach dem der Verbrauch um 20 bis 30 % gesenkt werden muss, und zwar vor allem durch eine Verringerung der Nachfrage in den Sparten Fernwärme, Haushalte und chemische Industrie sowie durch die Einführung von Maßnahmen im öffentlichen Sektor. Auch wenn derartige Kürzungen durchsetzbar sind, sind die Auswirkungen auf die Verbraucher nur schwer vorherzusagen.

[28] Die Nutzung von Gas zur Stromerzeugung ist in den letzten Jahren zurückgegangen, was allerdings auf niedrige oder negative Gewinnspannen im Vergleich zur kohlebasierten Stromerzeugung zurückging.

[29] Die obligatorischen Lagervorräte decken in der Regel etwa 5 bis 15 Tage ab. Eine bemerkenswerte Ausnahme ist Finnland, wo es Brennstoff- Bevorratungsverpflichtungen von bis zu 5 Monaten gibt.

[30] Richtlinie 2009/119/EG des Rates vom 14. September 2009 zur Verpflichtung der Mitgliedstaaten, Mindestvorräte an Erdöl und/oder Erdölerzeugnissen zu halten.

[31] So ist in einigen Mitgliedstaaten in der Balkanregion beispielsweise unklar, in welchem Maße eine umfassende Umstellung auf Strom in Verbindung mit den Auswirkungen der Überschwemmungen vom Frühjahr 2014 und dem Rückgang der Erdgaslieferungen an Wärmekraftwerke zu ernsthaften Defiziten in der Stromversorgung führen würde. Diese Bedenken wurden in den nationalen Berichten nicht im Einzelnen untersucht.

[32] Dazu zählen insbesondere die Verbindungsleitungen zwischen Griechenland und Bulgarien, zwischen Rumänien und Bulgarien, zwischen Bulgarien und Serbien, zwischen der Republik Moldau und Rumänien, zwischen Ungarn und der Slowakei sowie das rumänische „Reverse-Flow“-Projekt. Zudem sind einige Verbindungsleitungen physisch noch nicht zum bidirektionalen Pumpen von Erdgas in der Lage und beeinträchtigen damit die Systemflexibilität insgesamt.

[33] Die Versorgungsengpässe werden aber alle Wahrscheinlichkeit nach nicht so schwerwiegend sein, als dass sie auch geschützte Kunden betreffen würden. Im Szenario „ohne Kooperation“ sind die geschützten Verbraucher besonders in Bosnien und Herzegowina sowie in der ehemaligen jugoslawischen Republik Mazedonien gefährdet, während die Beschränkungen für nicht geschützte Kunden auch in anderen betroffenen Ländern deutlich gravierender ausfallen dürften.

[34] Estland, Lettland, Litauen, Polen, Ungarn, Rumänien, Bulgarien, Griechenland, Bosnien und Herzegowina, die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien und Serbien.

[35] Gemäß Beschluss 2012/490/EU der Kommission zur Änderung von Anhang I der Verordnung (EG) Nr. 715/2009.

[36] Gemäß Verordnung (EU) Nr. 984/2013 der Kommission. Die Verordnung gilt – unbeschadet des Nutzens einer früheren Anwendung – ab dem 1. November 2015.

[37] Gemäß Artikel 19 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 715/2009 über die Bedingungen für den Zugang zu den Erdgasfernleitungsnetzen.

[38] Gleichzeitig hat aber das Auffüllen der Speicher mit zusätzlichem, durch die Ukraine transportiertem russischen Gas leider auch zu einer Aussetzung der Ausfuhren in die Ukraine geführt.

[39] Gemäß der Verordnung zur Gewährleistung der sicheren Erdgasversorgung müssen die Mitgliedstaaten einen Präventionsplan mit den für die Risikobeseitigung oder -eindämmung notwendigen Maßnahmen sowie einen Notfallplan mit Maßnahmen zur Beseitigung oder Eindämmung der Folgen einer Störung der Erdgasversorgung aufstellen.

[40] Siehe Nationale Aktionspläne für erneuerbare Energie.

[41] Gemäß der Richtlinie 2004/67.

[42] Siehe die im Einzelnen in der Mitteilung der Kommission über die Strategie für eine sichere europäische Energieversorgung aufgeführten Projekte, Seite 23 und 24.

Anhang 1: Spezifische Empfehlungen für die am meisten betroffenen Mitgliedstaaten

Mitgliedstaat || Exponiertheit[1] || SPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Estland || 204 Mio. m3 100 % || ­ Gewährleistung der politischen Unterstützung, die erforderlich ist, um wichtige Vereinbarungen über gemeinsame Notfallmaßnahmen zu heiklen Fragen wie dem zu teilenden Gasvolumen und seinem Bestimmungsmarkt zu erzielen ­ Zügige Annahme eines gemeinsamen Notfallplans und eines gemeinsamen Präventionsplans ­ Fertigstellung einer Vereinbarung mit Litauen vor Dezember über die Notfallversorgung geschützter Kunden über das LNG-Terminal in Klaipėda ­ Prüfung der Möglichkeit einer Aufstockung der Brennstoffvorräte mit Blick auf einen Brennstoffwechsel, damit Anlagen im Notfall weiterbetrieben werden können, bis neue Lieferungen alternativer Brennstoffe eintreffen ­ Sondierung von Marktlösungen wie unterbrechbaren Verträgen zur Deckung oder Verringerung des Gasbedarfs im Falle einer Versorgungsunterbrechung ­ Gewährleistung des Zugangs Dritter zum Gassystem trotz der Ausnahme vom dritten Energiepaket ­ Gewährleistung des klaren politischen Willens, Investitionen in Infrastrukturen wie Balticonnector (Verbindungsleitung zwischen Estland und Finnland) und dem regionalen LNG-Terminal zu beschleunigen

Lettland || 39 Mio. m3 15 % || ­ Gewährleistung der politischen Unterstützung, die erforderlich ist, um wichtige Vereinbarungen über gemeinsame Notfallmaßnahmen zu heiklen Fragen wie dem zu teilenden Gasvolumen und seinem Bestimmungsmarkt zu erzielen ­ Zügige Annahme eines gemeinsamen Notfallplans und eines gemeinsamen Präventionsplans ­ Gewährleistung des Zugangs Dritter zum Gasspeicher in Incukalns und zum lettischen Gastransportsystem trotz der Ausnahme vom dritten Energiepaket ­ Prüfung marktbasierter Lösungen und nachfrageseitiger Maßnahmen, um die Auswirkungen der Krise abzumildern ­ Überarbeitung der Definition des Begriffs „geschützte Kunden“, um sie an die Definition in anderen Mitgliedstaaten in der Region anzugleichen und mit der Verordnung (EU) Nr. 994/2010 in Einklang zu bringen

Litauen || 693 Mio. m3 59 % || ­ Gewährleistung der politischen Unterstützung, die erforderlich ist, um wichtige Vereinbarungen über gemeinsame Notfallmaßnahmen zu heiklen Fragen wie dem zu teilenden Gasvolumen und seinem Bestimmungsmarkt zu erzielen ­ Zügige Annahme eines gemeinsamen Notfallplans und eines gemeinsamen Präventionsplans ­ Prüfung der Möglichkeit einer Erhöhung der Brennstoffvorräte mit Blick auf einen Brennstoffwechsel, damit Anlagen im Notfall weiterbetrieben werden können, bis neue Lieferungen alternativer Brennstoffe eintreffen ­ Fortsetzung der Arbeiten zur Modernisierung der Fernleitung Klaipėda-Kursenai, damit das LNG-Terminal Klaipėda besser genutzt werden kann

Finnland || 2255 Mio. m3 100 % || ­ Gewährleistung der politischen Unterstützung, die erforderlich ist, um wichtige Vereinbarungen über gemeinsame Notfallmaßnahmen zu heiklen Fragen wie dem zu teilenden Gasvolumen und seinem Bestimmungsmarkt zu erzielen ­ Zügige Annahme eines gemeinsamen Notfallplans und eines gemeinsamen Präventionsplans ­ Gewährleistung der Durchführbarkeit des Brennstoffwechsels bei Notfällen durch Ausräumung möglicher Hindernisse, die die Ersetzung von Vorräten beeinträchtigen können, insbesondere in Bezug auf die Logistik ­ Gewährleistung des klaren politischen Willens, Investitionen in Infrastrukturen wie Balticonnector (die Verbindungsleitung zwischen Estland und Finnland) und dem regionalen LNG-Terminal zu beschleunigen ­ Fortsetzung der Arbeiten zum Ausbau der örtlichen LNG-Terminals (Turku, Pori, Tornio)

Bulgarien || 843 Mio. m3 76 % || ­ Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit Griechenland über den Strom-Gas-Austausch im Notfall, mit Schwerpunkt auf dem Gleichgewicht der Interessen ­ Prüfung der Möglichkeit eines ähnlichen Strom-Gas-Austauschs mit der Türkei ­ Notfallplan mit dem Kraft-Wärme-Kopplungs- und dem Wärmesektor sowie der Industrie in Bezug auf eine in großem Umfang erfolgende Umstellung ­ Fertigstellung der Verbindungsleitung zwischen Rumänien und Bulgarien ­ Verpflichtung, Gasdurchleitungen an die ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien zu ermöglichen ­ Verbesserung der Transparenz des Gassektors und beschleunigte Umsetzung der Binnenmarktvorschriften, die den Handel betreffen ­ Als letztes Mittel Prüfung einer befristeten Sonderausnahme von den Umweltvorschriften für das Kohlekraftwerk Varna durch die Europäische Kommission

Griechenland || 109 Mio. m3 18 % || ­ Unterzeichnung einer Absichtserklärung mit Bulgarien über den Strom-Gas-Austausch im Notfall, mit Schwerpunkt auf dem Gleichgewicht der Interessen ­ Notfallplan mit dem Kraft-Wärme-Kopplungs- und dem Wärmesektor sowie der Industrie in Bezug auf eine in großem Umfang erfolgende Umstellung ­ Entwicklung eines Notfallplans für die wirtschaftliche Versorgungssicherheit ­ Prüfung einer Vereinbarung mit der Türkei, um Gaslieferungen auch im Fall einer Versorgungsunterbrechung sicherzustellen

Rumänien || 1027 Mio. m3 32 % || ­ Definition des Begriffs „geschützte Kunden“ im Einklang mit der Verordnung zur Gewährleistung einer sicheren Erdgasversorgung ­ Fertigstellung der Verbindungsleitung zwischen Rumänien und Bulgarien ­ Zusammenarbeit mit der Republik Moldau bei den Bedingungen, unter denen Gas über das Hauptleitungsnetz geliefert werden kann ­ Prüfung der Möglichkeiten des rumänischen Systems, die Kapazität der Verbindungsleitung Ungarn-Rumänien zu erhöhen ­ Veröffentlichung von Speicherdaten durch Romgaz auf der Transparenzplattform Gas Storage Europe

Ungarn || 2170 Mio. m3 35 % || ­ Verbesserung der Transparenz im Energiesektor ­ Verpflichtung zur Lösung von Problemen in der Testphase der Slowakei-Ungarn-Pipeline, sodass sie am 1. Januar 2015 in Betrieb genommen werden kann ­ Vereinbarung mit Nachbarländern, die bei einem Versorgungsnotfall eine vollständige Nutzung (Gasentnahme und -transport) von Verbindungsleitungen zu Marktbedingungen und auf Basis des Solidaritätsprinzips ermöglicht. In diesem Zusammenhang zügige Umsetzung von Aspekten der Versorgungssicherheit in der zwischenstaatlichen Vereinbarung mit Kroatien, die auch Gastransporte in Gegenflussrichtung (reverse flows) nach Ungarn ermöglicht.

Kroatien || 41 Mio. m3 12 % || ­ Neubewertung des hohen Anteils geschützter Kunden ­ Zügige Umsetzung von Aspekten der Versorgungssicherheit in der zwischenstaatlichen Vereinbarung mit Ungarn, die auch Gastransporte in Gegenflussrichtung (reverse flows) in dieses Land ermöglicht.

Anhang 2: Spezifische Empfehlungen für Vertragsparteien der Energiegemeinschaft

Vertragsparteien || Exponiertheit || SPEZIFISCHE EMPFEHLUNGEN

Bosnien und Herzegowina || 139 Mio. m3 100 % || ­ Erhöhung der Heizölvorräte bis Ende November 2014, damit  die Wärmeerzeugung von Gas auf Öl umgestellt werden kann ­ Enge Auslegung der Definition des Begriffs „geschützte Kunden“ und Öffnung des Marktes für Strom und Gas auf nationaler Ebene insbesondere für Nichthaushaltskunden bis Ende November 2014 ­ Einleitung einer grundlegenden Reform des Gassektors auf nationaler Ebene, so dass der Zugang Dritter für alle Entitäten erlaubt wird, und Entflechtung der Betreiber, was zu einer flexiblen Nutzung der Infrastruktur führt, bis Januar 2015 ­ Aufnahme einer Kooperation mit Serbien und Ungarn bei der Ausarbeitung und Umsetzung technischer Vorschriften für den koordinierten Betrieb des Systems für den Zugang Dritter für die bestehenden Verbindungsleitungen. Aufnahme von Beratungen im November 2014

Ehemalige jugoslawische Republik Mazedonien || 128 Mio. m3 100 % || ­ Da Haushalte nur sehr wenig Gas direkt verbrauchen, Gewährleistung der Heizölversorgung zu Marktbedingungen, damit Brennstoffwechsel möglich ist (November 2014) ­ Ausarbeitung von im Notfall anzuwendenden Gasverbrauchsminderungsplänen für alle Industriebetriebe (November 2014) ­ Angesichts eines hohen Verbrauchsanteils der Industrie ist es wichtig, eine Definition des Begriffs „geschützte Kunden“ einzuführen, die auf Haushalte und die empfindlichsten Sektoren (z. B. öffentliche Verwaltung) begrenzt ist, und die vollständige Öffnung der Strom- und Gasmärkte auf nationaler Ebene mindestens für Nichthaushaltsverbraucher vorzusehen (Januar 2015)

Republik Moldau || Entfällt || ­ Detaillierte Festlegung des Potenzials nachfrageseitiger Maßnahmen (Verringerung des Verbrauchs und Umstellung auf Öl für Heizzwecke und auf Strom) auf der Ebene einzelner Unternehmen sowie bei Haushalten und der öffentlichen Verwaltung. Aufnahme in den in Ausarbeitung befindlichen Aktionsplan bis November 2014. ­ Erteilung aller erforderlichen Genehmigungen und Lizenzen für den Betrieb der Verbindungsleitung Iasi – Ungheni zwischen Rumänien und der Republik Moldau, Anwendung nichtdiskriminierender Gastarife bei Einfuhren aus Rumänien. Abschluss dieser Maßnahmen bis November 2014 ­ Dringende Durchführung der notwendigen Bauarbeiten für die Anbindung der Infrastruktur, die zur Verteilung von Gas aus der Verbindungsleitung auf dem Gebiet der Republik Moldau dient ­ Zusammenarbeit mit der Ukraine und Rumänien bei den Bedingungen, unter denen die Ukraine und Rumänien bereit wären, Moldau über die Hauptfernleitungsnetze zu versorgen. Anfrage bei der Ukraine bezüglich der Bedingungen für Zugang zu und Nutzung der Speicherkapazitäten in Bogorodchany in der Westukraine. Aufnahme von Beratungen im November 2014

Serbien || 631 Mio. m3 64 % || ­ Festlegung des genauen und realistischen Umfangs potenzieller Kürzungen für Industriezweige, wobei die Gruppe der geschützten Kunden auf Haushalte und die am meisten gefährdeten Industriezweige begrenzt werden sollte (bis Ende November 2014) ­ Entflechtung sowie Gewährleistung eines effektiven Zugangs Dritter zu ungenutzten Kapazitäten der bestehenden Fernleitungen und der Gasspeicher im Einklang mit den ausführlichen Bestimmungen des dritten Pakets bis Januar 2015 ­ Koordinierung mit Ungarn sowie Bosnien und Herzegowina bei der Ausarbeitung und Umsetzung  technischer Vorschriften für den koordinierten Betrieb eines Systems für den Zugang Dritter. Aufnahme von Beratungen im November 2014 ­ Einleitung aller erforderlichen Schritte für den Beginn des Baus der Verbindungsleitung zwischen Bulgarien und Serbien, damit sie 2015 betriebsbereit ist

Ukraine || 5000 Mio. m3 [2] || ­ Ausarbeitung einer für beide Seiten zufriedenstellenden Vereinbarung über die Wiederaufnahme der Lieferung von russischem Gas an die Ukraine im Winter auf Basis des Vorschlags für ein „Interim-Winterpaket“, den die Kommission in den laufenden trilateralen Gesprächen vorgelegt hat (bis Oktober 2014) ­ Dringende Aufstockung der Brennstoffvorräte im Land und Prüfung aller Möglichkeiten zur Erhöhung der Gaslieferungen aus heimischen Quellen sowie der Einfuhren (bis November 2014) ­ Prüfung des vollständigen Potenzials nachfrageseitiger Maßnahmen sowie des Brennstoffwechsels sowohl für Fernwärme, in den verschiedenen Industriezweigen sowie bei Haushalten und der öffentlichen Verwaltung im Rahmen des nationalen Energienotfallplans (bis Oktober 2014) ­ Überprüfung und Aktualisierung aller Notfallverfahren in den verschiedenen Energiesektoren unter Berücksichtigung der speziellen Bedrohungen für den kommenden Winter, entsprechend den Empfehlungen im nationalen Energienotfallplan (bis Oktober 2014) ­ Dringliche Fortsetzung der Reformen des Gassektors mit Öffnung des Gas- und des Strommarktes, Betrieb der Fernleitungen und Gasspeicher sowie Entflechtung (bis Januar 2015)

Montenegro, Kosovo* und Albanien || Entfällt || ­ Da die Energiebilanz von Montenegro, Kosovo* und Albanien kein Gas aufweist, kann eine Unterbrechung der Gaslieferungen nur indirekte Auswirkungen haben, und zwar in Form eines steigenden Strombedarfs auf regionaler Ebene. Die Kommission empfiehlt, die Entwicklung von Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt aufmerksam zu beobachten.

[1] Gasmengen, die je betroffenes Land in einem Zeitraum von sechs Monaten fehlen - Szenario einer Unterbrechung der russischen Gaslieferungen und einer Kältewelle (Gesamtdefizit in Mio. m³ und relatives monatliches Defizit in %).

[2] Exponiertheit nach eigener Einschätzung im nationalen Bericht.

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