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Document 52014DC0144
COMMUNICATION FROM THE COMMISSION TO THE EUROPEAN PARLIAMENT, THE COUNCIL, THE EUROPEAN ECONOMIC AND SOCIAL COMMITTEE AND THE COMMITTEE OF THE REGIONS The EU Justice Agenda for 2020 - Strengthening Trust, Mobility and Growth within the Union
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Die EU-Justizagenda für 2020 - Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Die EU-Justizagenda für 2020 - Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union
/* COM/2014/0144 final */
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Die EU-Justizagenda für 2020 - Stärkung von Vertrauen, Mobilität und Wachstum in der Union /* COM/2014/0144 final */
1.
Einleitung
In
den letzten 15 Jahren hat die EU auf der Grundlage der Verträge von
Maastricht, Amsterdam und Nizza nach und nach einen Europäischen Rechtsraum und
eine EU-Justizpolitik entwickelt. Vor 2009 waren Tätigkeiten in diesem Bereich
durch institutionelle Strukturen gekennzeichnet, die sich von denen in anderen
Bereichen der EU-Politik unterschieden. Insbesondere waren das Europäische
Parlament und der Rat noch nicht gleichberechtigt, und die Prioritäten wurden
hauptsächlich vom Europäischen Rat durch die Verabschiedung teilweise äußerst
detaillierter Fünfjahresprogramme (Programm von Tampere, Haager Programm und
Stockholmer Programm) festgesetzt. Die
heutige EU-Justizpolitik hat sich infolge aufeinanderfolgender Änderungen an
den EU-Verträgen an die anderen EU-Politikbereiche angenähert, insbesondere
durch Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon am 1. Dezember 2009. Das
Europäische Parlament und der Rat sind in den meisten Bereichen der
justiziellen Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen zu Mitgesetzgebern
geworden. Am 1. Dezember 2014 endet eine letzte Übergangsphase. Dadurch
werden derzeit noch bestehende Beschränkungen der gerichtlichen Kontrolle durch
den Gerichtshof der Europäischen Union und der Befugnis der Kommission zur
Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren im Rahmen ihrer Rolle als Hüterin
der Verträge im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen
aufgehoben. Die Kommission wird weiterhin dafür sorgen, dass die
EU-Rechtsvorschriften im Justizbereich ordnungsgemäß durchgeführt werden. Da
auch das Stockholmer Programm des Europäischen Rates[1] und der damit
verbundene Aktionsplan der Kommission[2]
Ende 2014 auslaufen, ist es an der Zeit, eine Bilanz der Fortschritte zu ziehen
und die wichtigsten Herausforderungen zu identifizieren, die uns erwarten, und
zu planen, wie diese bewältigt werden können. In
dieser Mitteilung werden die politischen Prioritäten festgelegt, die angegangen
werden sollten, damit bis 2020 weitere Fortschritte in Richtung eines
vollständig funktionsfähigen gemeinsamen Europäischen Rechtsraums erzielt
werden können, der auf Vertrauen, Mobilität und Wachstum ausgerichtet ist. Bei
der Ausarbeitung dieser Mitteilung hat die Kommission ein breites Spektrum an
Akteuren und Interessenträgern einbezogen, insbesondere im Rahmen der Konferenz
„Assises de la Justice“[3],
und hat eine sehr große Zahl schriftlicher Beiträge erhalten. Auch im
Europäischen Parlament[4],
im Rat[5]
und im Ausschuss der Regionen[6]
wurde das Thema erörtert. Die
Richtungsvorgaben der Kommission speziell in Bezug auf die justizielle
Zusammenarbeit in Zivil- und Strafsachen sollen zu den strategischen Leitlinien
beitragen, die der Europäische Rat gemäß Artikel 68 des Vertrags über die
Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) festlegen muss, sowie zu den
strategischen Prioritäten, die das Europäische Parlament für die weitere
Entwicklung des europäischen Rechtsraums setzen will.
2.
Bisheriger Fortschritt: Grundlagen für einen
europäischen Rechtsraum
Die EU hat Maßnahmen getroffen, um die
Grundlage für „einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ohne
Binnengrenzen“ zu schaffen. Seit Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon wurden
als Ergebnis der engen Zusammenarbeit mit dem Europäischen Parlament und dem
Rat wesentliche Fortschritte in Bezug auf einen besser funktionierenden
gemeinsamen Europäischen Rechtsraum erzielt. Stärkung des
gegenseitigen Vertrauens Die EU-Justizpolitik zielte auf die
Entwicklung eines auf gegenseitiger Anerkennung und gegenseitigem Vertrauen
beruhenden Europäischen Rechtsraums ab, was durch einen Brückenschlag zwischen
den verschiedenen Justizsystemen der Mitgliedstaaten erreicht werden soll.
Dieses Ziel setzt die Schaffung von geeigneten Rechtsgarantien voraus, damit
die betreffenden Brücken zwischen den Rechtssystemen der Mitgliedstaaten solide
strukturiert sind. Im Bereich der Justiz in Strafsachen wurde das gegenseitige
Vertrauen der Mitgliedstaaten gestärkt, indem durch gemeinsame, EU-weit
geltende Mindeststandards schrittweise in der gesamten EU eine Reihe von Rechten
für faire Verfahren zum Schutz von Personen eingeführt wurden, die einer
Straftat verdächtigt oder angeklagt werden[7].
Die Situation der Opfer während des gesamten Strafprozesses wurde ebenfalls
verbessert, indem Mindestrechte, Unterstützung, Beratung und Schutz für die
Opfer und ihre nächsten Angehörigen vorgesehen wurden. Justiz für Wachstum: Beitrag zum
Wirtschaftswachstum In den letzten Jahren hat sich die
EU-Justizpolitik insbesondere aufgrund der Finanz- und Staatsschuldenkrise und
im Einklang mit der Strategie „Europa 2020“ auch zu einem Instrument zur
Unterstützung des wirtschaftlichen Aufschwungs, des Wachstums und der
Strukturreformen entwickelt.[8]
Die EU hat Maßnahmen getroffen, um bei Unternehmen und Verbrauchern nach und
nach das notwendige Vertrauen aufzubauen, damit der Binnenmarkt zu ihren
Gunsten wirklich wie der heimische Markt funktioniert. Bürokratische
Hindernisse und Kosten wurden abgebaut; ein Urteil, das in einem Mitgliedstaat
ergeht, kann nunmehr in einem anderen Mitgliedstaat ohne weitere
Zwischenverfahren anerkannt und vollzogen werden (die Formalität des
„Exequatur“[9]
wurde nach und nach sowohl in zivil- als auch in handelsrechtlichen Verfahren
abgeschafft). Was den Datenschutz betrifft, so befinden sich die Verhandlungen
zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat über eine neue europaweite
Verordnung, mit der die geltenden 28 nationalen Rechtsvorschriften, die den
Schutz personenbezogener Daten derzeit regeln, durch eine einheitliche Regelung
ersetzt werden sollen, bereits in einem fortgeschrittenen Stadium. Mit der
Richtlinie über Verbraucherrechte, die ab Juni 2014 in allen 28
EU-Mitgliedstaaten vollumfänglich gelten wird, werden Verbraucher besser
geschützt und Unternehmen werden von einer Reihe einheitlicher Grundsatzbestimmungen
profitieren, mit denen die Kosten der Regeltreue für EU-weit aktive Händler
erheblich gesenkt werden. Als ein erster Schritt in Richtung einer
EU-„Rettungs- und Sanierungskultur“ zugunsten von Einzelpersonen und
Unternehmen, die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, werden die
bestehenden europäischen Vorschriften bezüglich grenzüberschreitender
Insolvenzverfahren geändert. Die Verbesserung der Unabhängigkeit, Qualität
und Leistungsfähigkeit der nationalen Justizsysteme ist Teil der Programme zur
wirtschaftlichen Anpassung und des Europäischen Semesters. Das
EU-Justizbarometer unterstützt die Mitgliedstaaten und EU-Organe dadurch, dass
es objektive, zuverlässige und vergleichbare Daten zur Leistungsfähigkeit der
nationalen Justizsysteme zur Verfügung stellt. Die EU-Organe haben zudem Maßnahmen ergriffen,
um die finanziellen Interessen der EU und die Gelder der Steuerzahler besser
vor Betrug zu schützen. Dazu zählt insbesondere der Vorschlag der Kommission
zur Einrichtung einer Europäischen Staatsanwaltschaft, mit dem eine Stelle
geschaffen werden soll, die gewährleistet, dass Straftaten zu Schaden des
EU-Haushalts wirksam verfolgt und geahndet, die Täter vor Gericht gebracht und
die Gelder wiedereingezogen werden. Justiz für die Bürgerinnen und Bürger:
Vereinfachung der Justiz Die EU hat Maßnahmen getroffen, die
gewährleisten sollen, dass die Bürger ihr Recht, in einen anderen Mitgliedstaat
zu reisen, dort Waren und Dienstleistungen zu erwerben oder auch dort zu
wohnen, vollumfänglich ausüben können. Die Bürger sollten ihr ganzes Leben lang
in den Genuss der EU-Staatsbürgerschaft kommen und sich überall in der EU zu
Hause fühlen. Dazu wurden beispielsweise die Verfahren bei
grenzüberschreitenden Erbschaften und Ehescheidungen vereinfacht, und die Bürokratiekosten
in den Mitgliedstaaten wurden durch die Abschaffung überholter Formalitäten wie
etwa der Beglaubigung von Urkunden oder Übersetzungen im Rechtsverkehr zwischen
den Mitgliedstaaten gesenkt. Schutz der Grundrechte Als Hüterin der Verträge hat die Kommission
Maßnahmen ergriffen, um die Achtung der EU-Grundrechtecharta („Charta“)
sicherzustellen, einschließlich der Achtung der EU-Bürgerrechte und des
Rechtsstaatsprinzips. Die rechtlich verbindliche Charta ist zu einer
Richtschnur für alle EU-Organe geworden. Die Kommission ist außerdem tätig
geworden, um die Achtung der speziell in den EU-Rechtsvorschriften
niedergelegten Rechte zu gewährleisten; dies gilt insbesondere für das Recht
auf Gleichberechtigung, den Schutz personenbezogener Daten und den
Verbraucherschutz. Dabei wurden auch Maßnahmen zur Stärkung der
Gleichberechtigung durch die Förderung von Frauen in Führungspositionen
ergriffen.
3.
Herausforderungen: Stärkung von Vertrauen,
Mobilität und Wachstum in der Union
Obwohl greifbare Fortschritte in Richtung
eines gemeinsamen Europäischen Rechtsraums ohne Einschränkungen erzielt werden
konnten, besteht auch nach dem Ende des Übergangszeitraums am 1. Dezember
2014 noch Handlungsbedarf. Vertrauen. Gegenseitiges Vertrauen ist der Grundstein, auf dem die
EU-Justizpolitik aufbauen sollte. Zwar hat die EU das Fundament für die
Förderung des gegenseitigen Vertrauens gelegt, es muss jedoch noch weiter
gestärkt werden, damit Bürger, Anwälte und Richter gerichtlichen Entscheidungen
auch dann voll vertrauen, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat ergangen
sind. EU-Instrumente wie der Europäische Haftbefehl oder kollisionsrechtliche
Verordnungen erfordern ein hohes Maß gegenseitigen Vertrauens der
Justizbehörden der unterschiedlichen Mitgliedstaaten. Herrscht gegenseitiges
Vertrauen zwischen Gerichten und Verwaltungsbehörden, so fällt es ihnen
leichter, die Entscheidungen der anderen Einrichtungen anzuerkennen und
durchzusetzen; damit wird der Zugang zur Justiz zu gleichen Bedingungen in
allen Mitgliedstaaten erleichtert. Voraussetzung für gegenseitiges Vertrauen
sind Unabhängigkeit, Qualität und Leistungsfähigkeit der Justizsysteme[10] und die Achtung des
Rechtsstaatsprinzips[11].
Wichtig dabei ist, dass Fortschritte in der Rechtsetzung auch in der Praxis
sichtbar werden. Dazu müssen die bereits auf EU-Ebene vereinbarten
Rechtsvorschriften umgesetzt und wirksam angewendet werden. Auch müssen
wirksame Durchsetzungsinstrumente auf nationaler Ebene zur Verfügung stehen,
damit ein besserer Zugang zur Justiz in allen Mitgliedstaaten garantiert ist. Mobilität. Die Bürgerinnen und Bürger der EU nehmen die ihnen aus den EU-Verträgen
erwachsenden Rechte immer häufiger wahr. Derzeit wohnen fast
14 Mio. EU-Bürger in einem Mitgliedstaat, dessen Staatsbürgerschaft
sie nicht besitzen (2009 waren es nur 12,1 Mio.).[12] Immer häufiger reisen[13], studieren, wählen[14], arbeiten, heiraten[15] oder sterben[16] EU-Bürger in einem
anderen Mitgliedstaat als in dem, in dem sie geboren wurden, oder sie nehmen
dort Gesundheitsleistungen in Anspruch, bekommen Kinder, erwerben Grundbesitz
oder lassen sich scheiden[17].
Auch ohne ihren Heimatstaat zu verlassen erwerben Verbraucher[18] Waren und
Dienstleistungen über die Grenzen hinweg, z. B. online. Trotz der
Fortschritte bezüglich der Ausübung ihrer Rechte treffen EU-Bürger immer noch
auf einige Hindernisse. Sie haben immer noch praktische oder rechtliche
Probleme, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem eigenen die
gleichen Rechte genießen wollen. Die EU muss entschlossen auf eine Ausräumung
dieser Hindernisse hinarbeiten, dabei aber gleichzeitig weiterhin die
Bekämpfung von Missbrauch unterstützen, insbesondere weil die Freizügigkeit der
EU-Bürger derzeit mancherorts in Frage gestellt wird. Das Recht der EU-Bürger,
problemlos in ein anderes EU-Land zu reisen und sich dort aufzuhalten, ist eine
der vier im EU-Recht verankerten Grundfreiheiten und ist Dreh- und Angelpunkt
der europäischen Integration. Die Tatsache, dass die digitale Online-Welt keine
Grenzen kennt, ist ein weiterer Ansporn für die EU, sich mit dem Zusammenspiel
der verschiedenen materiellen Rechtsvorschriften zu befassen. Wachstum. Die EU-Justizpolitik sollte auch weiterhin den wirtschaftlichen
Aufschwung, das Wachstum und den Kampf gegen die Arbeitslosigkeit unterstützen.
Es müssen Strukturreformen durchgeführt werden, damit gewährleistet ist, dass
die Justizsysteme in der Lage sind, schnell, zuverlässig und in
vertrauenswürdiger Weise Recht zu sprechen, womit die Länge von
Gerichtsprozessen erheblich verringert und so die Wirksamkeit anderer
politischer Maßnahmen verstärkt würde. Unternehmen und Verbraucher müssen
darauf vertrauen können, dass sie ihre Rechte aus Verträgen in der ganzen EU
tatsächlich durchsetzen und Streitigkeiten vor Gericht – oder, falls möglich,
außergerichtlich – regeln können, und zwar innerhalb eines vertretbaren
Zeitraums und ohne dabei auf all jene Hindernisse zu treffen, die sich ihnen
heute noch in den Weg stellen. Auch Wachstum in der digitalen Wirtschaft
erfordert Vertrauen seitens der Bürger; derzeit aber bereitet ihnen die
großangelegte Verarbeitung und Überwachung ihrer personenbezogenen Daten bei
der Nutzung von Online-Diensten große Sorgen.
4.
Den Herausforderungen begegnen: Konsolidierung,
Kodifizierung, Ergänzung
Um den Herausforderungen
zu begegnen, die in Bezug auf die Schaffung eines voll funktionstüchtigen
Europäischen Rechtsraums festgestellt wurden, sollte der Schwerpunkt der
EU-Justizpolitik in den kommenden Jahren darauf liegen, die bisherigen
Errungenschaften zu konsolidieren und, sofern erforderlich bzw.
angezeigt, EU-Recht und die Praxis zu kodifizieren sowie den bestehenden
Rechtsrahmen durch neue Initiativen zu ergänzen. Je nach Art der
Herausforderung sollte die zukünftige EU-Justizpolitik auf der Grundlage von
Einzelfallanalysen und Folgenabschätzungen jeweils eine Kombination dieser
Methoden nutzen. Bei der Anwendung dieser
Methoden sollte die EU der Tatsache, dass die Unterschiedlichkeit der
Rechtssysteme und -traditionen in der EU erhalten bleiben muss, in vollem
Umfang Rechnung tragen; Subsidiarität und Proportionalität sind ebenso zu
achten wie die EU-Grundrechtecharta, auf der alle EU-Maßnahmen, insbesondere im
Bereich der Justizpolitik, beruhen müssen.
4.1.
Konsolidierung
Beim Vorantreiben der EU-Justizagenda sollte
die EU zuallererst die bisherigen Errungenschaften konsolidieren und
sicherstellen, dass die Grundrechte geachtet und die im EU-Recht verankerten
Rechte verwirklicht werden. Auf EU-Ebene vereinbarte Instrumente müssen von den
Mitgliedstaaten umgesetzt, wirksam durchgeführt und eingesetzt werden. Bei
Missachtung dieser Rechte sollten wirksame Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen. i)
Aufrechterhaltung der Grundrechte Die EU sollte sich weiterhin bemühen, in ihrer
Anwendung der Charta vorbildlich zu bleiben. Dazu müssen alle EU-Organe und die
Mitgliedstaaten bei der Umsetzung des EU-Rechts Maßnahmen zur Förderung der
wirksamen Anwendung der Charta und des Sekundärrechts zum Schutz bestimmter
Rechte treffen; zu denken ist dabei etwa an das Recht auf Schutz
personenbezogener Daten, an die Geschlechtergleichheit, die Bürgerrechte, das
Recht auf ein faires Verfahren oder die Rechte von Kindern. Ein wirksamer
Schutz dieser Rechte in der gesamten EU ist unerlässlich, damit die Bürger
darauf vertrauen, dass der Europäische Rechtsraum korrekt funktioniert. Dazu
gehören auch die Rechte der Angehörigen von Minderheiten oder die besonders
schutzbedürftiger Personen wie Kinder, Opfer von Straftaten und Menschen mit
Behinderungen. Darüber hinaus sollte der gemeinsame Kampf gegen
fremdenfeindliche und rassistische Hassreden und Straftaten in der EU weiterhin
entschlossen fortgesetzt werden. Rat und Fachwissen der EU-Agentur für
Grundrechte sind für die Entwicklung der EU-Politik von großer Bedeutung, auch
in Strafsachen. Die EU sollte außerdem weiterhin daran
arbeiten, die Gleichberechtigung von Männern und Frauen in Bezug auf Entgelt,
Renten und die Teilnahme am Arbeitsmarkt – auch in Spitzenpositionen –
sicherzustellen. Damit soll gewährleistet werden, dass Europa alle verfügbaren
Talente in vollem Umfang nutzt. ii)
Gewährleistung wirksamer Rechtsbehelfe Ohne wirksame Rechtsbehelfe gibt es keine
Rechte. Die EU sollte ihre Anstrengungen zur Gewährleistung des Rechts auf
einen wirksamen Rechtsbehelf vor einem Gericht bei Verletzung des EU-Rechts
(Artikel 47 der Charta) fortführen; dies betrifft auch Fälle, in denen die
nationalen Verfahren es den Bürgern sehr schwer machen, die ihnen gemäß
EU-Recht zustehenden Rechte in grenzüberschreitenden Angelegenheiten
einzufordern. Um die schnelle Beilegung von Streitigkeiten
weiter zu erleichtern, sollten die Mitgliedstaaten die Nutzung anderer Arten
von in der EU entwickelten außergerichtlichen Streitbeilegungsverfahren und
Rechtsbehelfsmechanismen fördern, die eine rasche, effiziente und
kostengünstigere Beilegung von Streitigkeiten erlauben könnten. Zu diesen
Mechanismen und Instrumenten gehören beispielsweise Schlichtung, alternative
Streitbelegung, Online-Streitbeilegung, SOLVIT, das europäische Verfahren für
geringfügige Forderungen und der jüngst vereinbarte Europäische Beschluss zur
vorläufigen Kontenpfändung. Verwaltungsbehördliche Überprüfungen, die
Arbeit der nationalen Durchsetzungsbehörden und Verfahren vor
Gleichstellungsstellen können ebenfalls eine Rolle spielen. Für die Wirksamkeit
bestimmter EU-Rechte wie des Freizügigkeitsrechts und des Rechts auf Schutz
personenbezogener Daten ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den nationalen
Behörden bzw. den Verwaltungsstellen besonders wichtig. Um EU-weiten Verstößen
gegen das Verbraucherschutzrecht besser entgegentreten zu können, muss die
Zusammenarbeit der nationalen Durchsetzungsbehörden gestärkt werden. Die
Unabhängigkeit der Durchsetzungsbehörden muss in den Fällen, in denen sie dem
EU-Recht nach erforderlich ist – wie im Fall der Datenschutzbehörden –, gewährleistet
sein. Auch gut funktionierende Verwaltungsgerichte
sind unerlässlich für die Wirksamkeit des EU-Rechts.
iii) Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten
Das EU-Recht hat so große Auswirkungen auf das
tägliche Leben der Bürger und Unternehmen in der EU, dass jeder Angehörige der
nationalen Rechtsberufe – von Anwälten und Gerichtsvollziehern einerseits bis
hin zu Richtern und Staatsanwälten andererseits – auch über Kenntnisse des
EU-Rechts verfügen und in der Lage sein muss, neben seinem nationalen Recht auch
das EU-Recht auszulegen und wirksam durchzusetzen. Im dezentralisierten
Rechtssystem der Union müssen nationale Richter oft zu „Unionsrechtsrichtern“
werden, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Die Fortbildung der Angehörigen der
Rechtsberufe auf dem Gebiet des EU-Rechts ist daher von größter Bedeutung,
damit das EU-Recht ordnungsgemäß durchgeführt und angewendet sowie
gegenseitiges Vertrauen in die Justizsysteme aufgebaut wird, so dass die
Angehörigen der Rechtsberufe einander auch über die Grenzen hinweg vertrauen
und zusammenarbeiten können. In den Jahren 2011 und 2012 haben über
130 000 Angehörige der Rechtsberufe eine Fortbildung im EU-Recht erhalten.
Das entspricht einem Viertel aller Richter und Staatsanwälte in der EU. Nunmehr
ist es an der Zeit, die Fortbildung einen Schritt weiter zu treiben und auch
Gerichtsbedienstete und Angehörige der Rechtsberufe schon von Anfang an mit dem
EU-Recht vertraut zu machen. Die Erfahrungen im Rahmen des Europäischen Netzes
für die Aus- und Fortbildung von Richtern und Staatsanwälten sollten
konsolidiert und ausgeweitet werden, so dass alle neuen Richter und
Staatsanwälte davon erfasst werden. Auch Möglichkeiten des e-Learning sollten
so weit wie möglich ausgenutzt werden. Die EU sollte die bestehenden Netzwerke voll
ausnutzen, um die Fortbildung der Angehörigen der Rechtsberufe zu erleichtern;
Ziel ist es, bis 2020 50 % von ihnen, also insgesamt 700 000
Angehörigen der Rechtsberufe, eine Fortbildung im EU-Recht zuteilwerden zu
lassen. Die Kommission ist bereit, die Bemühungen zu unterstützen: das Programm
„Justiz“ für den Zeitraum 2014-2020 zeigt deutlich, welche Bedeutung sie der
Fortbildung beimisst. 35 % der insgesamt 378 Mio. EUR, die für
das Programm vorgesehenen sind, werden zur Unterstützung hochwertiger
Fortbildungsmaßnahmen für alle Angehörigen der Rechtsberufe verwendet, in deren
Rahmen vorbildliche Verfahren zu Themen wie Studienpläne und interaktive
Fortbildungsmethoden ausgetauscht werden sollen. iv) Informations- und Kommunikationstechnologien Informations- und Kommunikationstechnologien
erleichtern Bürgern und Unternehmen den Zugang zur Justiz (e-Justiz). Das Europäische Justizportal[19] oder andere
einschlägige Portale zur Information der Bürger und Unternehmen über ihre
Rechte wie „Ihr Europa“[20]
sollten zu operativen Instrumenten weiterentwickelt werden, die den Zugang zur
Justiz erleichtern und durch die bürokratische Hindernisse und unnötige
Verfahren in den Mitgliedstaaten abgebaut werden, insbesondere bei zivil-und
handelsrechtlichen Verfahren. Das Europäische Justizportal kann auch die
grenzüberschreitende Zusammenarbeit erleichtern, indem dort den Bürgern und
Angehörigen der Rechtsberufe z. B. Vorlagen und Formulare in allen
Amtssprachen der EU zur Verfügung gestellt werden. Mit einer Vernetzung
nationaler Register auf EU-Ebene sollte dafür gesorgt werden, dass Angehörige
der Rechtsberufe, Bürger und Unternehmen Zugang zu den von ihnen benötigten
Informationen aus anderen Mitgliedstaaten erhalten. Zu diesen Registern zählen
Unternehmensregister, Grundbücher und Insolvenzregister sowie Nachlassregister.
Die Vorteile der E-Justiz-Instrumente sind
nicht auf grenzübergreifende Zusammenhänge beschränkt. Direkte elektronische
Kommunikation zwischen Bürgern, Angehörigen der Rechtsberufe, Unternehmen und
Gerichten ist im Europäischen Rechtsraum bereits Realität, und die EU sollte
Initiativen in diesem Bereich unterstützen. Vor dem Hintergrund der laufenden
Strukturreformen und der Bemühungen um eine moderne öffentliche Verwaltung ist
die Digitalisierung der nationalen Justizsysteme ein Schlüsselinstrument für
die Gewährleistung leistungsfähiger nationaler Justizsysteme. Die EU sollte die Verwendung elektronischer
Instrumente fördern, da diese den Bürgern, Unternehmen, Angehörigen der
Rechtsberufe und Gerichten echte Vorteile bringen können, auch in Bezug auf den
Zugang zur Rechtsprechung der Gerichte in anderen Mitgliedstaaten. v)
Operative Zusammenarbeit Die Angehörigen der Rechtsberufe in Europa
müssen zusammenarbeiten, um Informationen rasch und sicher austauschen zu können
und Unterstützung von ihren Kollegen in anderen Mitgliedstaaten zu erhalten.
Eine Verbesserung der operativen Zusammenarbeit aller beteiligten Akteure ist
von äußerster Bedeutung, insbesondere um gegenseitiges Vertrauen zu schaffen. Bestehende Mechanismen und Netzwerke in Zivil-
und Strafsachen wie die Europäischen Justiziellen Netze sollten gestärkt und
ihr Potenzial voll ausgeschöpft werden, auch online. Eurojust muss seine Rolle voll ausfüllen,
wobei ihm die aktuelle Reform zugutekommen dürfte, und wird auch nach der
Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft, die ihre Aktivitäten zumindest
anfangs auf die Bekämpfung von Betrug zulasten der finanziellen Interessen der
Union konzentrieren wird, eine wichtige EU-Stelle für die Koordinierung der Strafverfolgung
bleiben. Bei anderen grenzüberschreitenden Straftaten wird Eurojust eine
Schlüsselrolle zukommen, weswegen seine Wirksamkeit noch weiter gestärkt werden
muss. In diesem Zusammenhang sollte das Potenzial gemeinsamer Ermittlungsteams
bestmöglich ausgenutzt werden.
4.2.
Kodifizierung
Eine Kodifizierung existierender Gesetze und
Praxis kann die Kenntnis, das Verständnis und die Anwendung von
Rechtsvorschriften, das gegenseitige Vertrauen sowie die Kohärenz und
Rechtssicherheit erhöhen und zu einer Vereinfachung und dem Abbau
bürokratischer Hindernisse beitragen. Was die Kohärenz der Rechtsvorschriften
und Klarheit für Bürger und andere „Nutzer“ des Rechts allgemein angeht, so
kann eine Kodifizierung bestimmter Teile der EU-Rechtsvorschriften im Zusammenhang
mit der Justiz oder der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der
Europäischen Union auf diesem Gebiet in einer Reihe von Fällen nützlich sein. ·
Zivil- und Handelsrecht: Seit dem Jahr 2000 hat die EU eine erhebliche Anzahl an Vorschriften
im Bereich des Zivil- und Handelsrechts und des Kollisionsrechts erlassen. Die
EU sollte prüfen, ob eine Kodifizierung der existierenden Rechtsinstrumente
insbesondere für den Bereich des Kollisionsrechts nützlich sein könnte. ·
Verbraucherrechte: Nach
einer Bewertung, wie die Richtlinie über Verbraucherrechte und die damit
zusammenhängenden Rechtsvorschriften allgemein funktionieren, sollten
Kodifizierungsinitiativen auf der Grundlage des geltenden Rechts angedacht und
bewertet werden. Ziel sollte es sein, die Verbraucher für ihre Rechte zu
sensibilisieren, die sich zum Teil überschneidenden Richtlinien zu vereinfachen
und die Unternehmen dabei zu unterstützen, die gleichen Bestimmungen auf
unterschiedliche Zusammenhänge anzuwenden. ·
Strafrecht: Die
EU-Rechtsvorschriften zu den Verfahrensrechten in Strafsachen finden sich
derzeit in einer erheblichen Anzahl unterschiedlicher Rechtsinstrumente, die in
den letzten Jahren nach und nach entwickelt und verabschiedet wurden. Es könnte
untersucht werden, ob die Notwendigkeit besteht, die Verfahrensrechte im
Strafprozess in einem einzigen Instrument zu kodifizieren, um die
Ausgangsbedingungen weiter anzugleichen und die Kohärenz des Schutzes
Beschuldigter weiter zu verbessern. Zur Förderung von Vertrauen und gegenseitiger
Zusammenarbeit sollte auch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen
Union in Bezug auf die von den nationalen Verwaltungsstellen bei der Anwendung
des EU-Rechts zu beachtenden Regeln und Grundsätze berücksichtigt werden.
4.3.
Ergänzung
Die Justizpolitik entwickelt sich insbesondere
durch die zunehmende Mobilität der Bürger und Unternehmen dynamisch weiter.
Daher könnten, wo dies erforderlich erscheint, Initiativen zur Ergänzung der
bestehenden Politik und Rechtsinstrumente in Betracht gezogen werden. Dies
sollte immer mit dem Ziel geschehen, das gegenseitige Vertrauen zu stärken, das
Leben der Bürger zu erleichtern und zu weiterem Wachstum beizutragen. Die
Notwendigkeit und der Mehrwert solcher Ergänzungsinitiativen muss genauso
sorgfältig bewertet werden wie in anderen Bereichen der EU-Politik. Außerdem
ist dabei immer die Vielfältigkeit der Rechtssysteme und -traditionen der
Mitgliedstaaten zu berücksichtigen. Der zu wählende Ansatz – beispielsweise
gegenseitige Anerkennung, Bestimmung des anwendbaren Rechts, herkömmliche
Harmonisierung oder harmonisierte fakultative materiell- oder
verfahrensrechtliche Regelungen – wird von dem jeweiligen Problem abhängen. Stärkung des gegenseitigen Vertrauens. Damit gegenseitiges Vertrauen entstehen kann, müssen die Justizsysteme
unabhängig, hochwertig und leistungsfähig sein. Bestehende oder festgestellte
Unzulänglichkeiten sollten korrigiert werden, damit Bürger und Unternehmen sich
voll und ganz auf das Justizsystem verlassen können, mit dem sie zu tun haben.
Ein weiteres wichtiges Element zur Gewährleistung des gegenseitigen Vertrauens
sowohl in Zivil- als auch in Strafsachen ist die Garantie, dass die
Verfahrensrechte beider Parteien gewahrt bleiben. Es könnte geprüft werden, ob
die Notwendigkeit besteht, die Verfahrensrechte im Zivilprozess zu stärken,
z. B. in Bezug auf die Zustellung von Schriftstücken und die
Beweisaufnahme oder um besser zu gewährleisten, dass den Interessen von Kindern
die größte Bedeutung beigemessen wird. Um eine reibungslosere Zusammenarbeit in
Strafsachen zu erreichen, könnte die gegenseitige Anerkennung von Instrumenten,
aufbauend auf der bisher geleisteten Arbeit in Bereichen wie der Anerkennung
von Geldstrafen, Einziehungsentscheidungen und der Aberkennung von Rechten,
weiter ausgebaut werden. Nach Errichtung der Europäischen Staatsanwaltschaft
wird die Praxis zeigen, wo möglicherweise Bedarf an Ergänzungsmaßnahmen
besteht. Beitrag zum Wirtschaftswachstum. Möglicherweise sind zusätzliche justizpolitische Initiativen
erforderlich, um weiter zum Wachstum beizutragen, indem z. B. die
Entwicklung einer EU-„Rettungs- und Sanierungskultur“ bei Insolvenzen weiter
vorangetrieben wird. Mindeststandards im Bereich des materiellen
Insolvenzrechts, die eine frühzeitige Restrukturierung tragfähiger Unternehmen,
die sich in finanziellen Schwierigkeiten befinden, erlauben, könnten für alle
Mitgliedstaaten wünschenswert sein. Technische Entwicklungen, insbesondere auf
Märkten mit hohem Wachstumspotenzial (wie dem Cloud-Markt) machen es
erforderlich, dass das Zivilrecht der EU immer auf dem neuesten Stand ist.
Dieser Herausforderung könnte mit einem klareren und kohärenteren Rahmen für
das Zivil- und Vertragsrecht begegnet werden, wobei dieser Rahmen auch aus
fakultativen Systemen bestehen könnte, die dem Subsidiaritätsprinzip
entsprechen und der Vielfältigkeit der nationalen Rechtssysteme Rechnung
tragen. Den Unternehmen würden so gleiche Ausgangsbedingungen geboten und
gleichzeitig die Interessen der Verbraucher besser geschützt. Die Durchsetzung
der Verbraucherschutzrechte ist nach wie vor Aufgabe der einzelnen
Mitgliedstaaten, obwohl die grenzüberschreitenden Einkäufe zunehmen. Eine
bessere Durchsetzung oder eine Klarstellung bestehender Verbraucherschutzrechte
könnten zu einem größeren Vertrauen der Verbraucher beitragen. Den Bürgern das Leben leichter machen. Es könnte geprüft werden, ob Bestimmungen zur Ergänzung der in den
EU-Verträgen aufgeführten Bürgerrechte erlassen werden sollten, damit das Recht
jedes Bürgers auf aktive Teilhabe am demokratischen Leben der Union seine volle
Wirksamkeit entfalten kann und mobile EU-Bürger sich in ihrem
Aufnahmemitgliedstaat besser integrieren können. Um Situationen zu vermeiden,
in denen Bürger z. B. im Zusammenhang mit Personenstandsregistern
Problemen begegnen, sollte die EU prüfen, ob zusätzlich zu den bereits
vorliegenden Vorschlägen weitere Maßnahmen erforderlich sind, um die Akzeptanz
öffentlicher Dokumente, die für Bürger und Unternehmen von besonderer
praktischer Bedeutung bei der Ausübung ihrer Freizügigkeit sind, zu
erleichtern, beispielsweise Regeln bezüglich des Familiennamens. In Strafsachen
erhalten Opfer nicht immer eine zufriedenstellende Entschädigung, insbesondere
seitens des Täters. Es wäre zu prüfen, ob diesbezüglich Maßnahmen getroffen
werden sollten. Außerdem sollten nationale Strategien zur Integration der Roma
durch konkrete Maßnahmen auf nationaler und lokaler Ebene verwirklicht werden.
Hierzu sollte die Nutzung der EU-Mittel optimiert und geprüft werden, wie diese
gezielter zur Integration der Roma eingesetzt werden können. Damit sichergestellt ist, dass EU-Bürger und
-Unternehmen auch in ihren Beziehungen zu Drittländern geschützt sind, muss die
EU aktiv an internationalen Foren teilnehmen und die Beziehungen zu
ihren Partnern pflegen. Ziel sollte es sein, in den Beziehungen zu Drittländern
für Unterstützung der bisherigen Errungenschaften der EU bezüglich des
Rechtsschutzes und der Festsetzung von Standards (beispielsweise beim Schutz
personenbezogener Daten) zu werben und die Beziehungen auf dieser Basis
weiterzuentwickeln. Besondere Aufmerksamkeit sollte dabei der Förderung
leistungsfähiger Justizsysteme zuteilwerden, insbesondere in Beitritts- und
Nachbarländern. Im multilateralen Bereich wird das Hauptaugenmerk auf einer
effizienteren Zusammenarbeit mit der Haager Konferenz für Internationales
Privatrecht liegen, bei der die EU in zivil- und handelsrechtlichen Fragen mit
einer Stimme spricht. In Bezug auf den Beitritt der EU zur
Europäischen Menschenrechtskonvention – den die Kommission auf der Grundlage
eines Mandats des Rates von 2010 bis 2014 ausgehandelt hat und der aufgrund des
allgemeinen Grundrechtesystems, das den Europäischen Rechtsraum stützt, von
äußerster Bedeutung ist – müssen letzte Hindernisse überwunden werden. Sobald
der Gerichtshof sein Gutachten zum Ergebnis dieser Verhandlungen abgegeben hat,
sollte die EU unter umfassender Berücksichtigung desselben alle für einen
raschen Abschluss der Verhandlungen und der Ratifizierungsverfahren in den
Mitgliedstaaten erforderlichen Maßnahmen treffen, um ihre Verpflichtung aus den
Verträgen zu erfüllen.
5.
Fazit
Die EU-Justizpolitik ist für die europäische
Integration immer wichtiger geworden und ist für viele EU-Bürger greifbare
Realität. Bei der Durchsetzung der gemeinsamen Werte, auf denen die Union
beruht, spielt sie eine wichtige Rolle, genau wie bei der Förderung des
Wirtschaftswachstums und der Wirksamkeit der übrigen politischen Maßnahmen der
EU. Eine gut konzipierte EU-Justizpolitik kann gewährleisten, dass die Vorteile
eines gemeinsamen Europäischen Rechtsraums, der vertrauenswürdig ist und
reibungslos funktioniert, Einzelpersonen und Unternehmen tatsächlich zugute
kommen, insbesondere denjenigen, die von ihrem Recht auf Freizügigkeit Gebrauch
machen. In der EU-Justizagenda für
2020, die nunmehr mit dem Europäischen Parlament und dem Rat sowie mit der
breiten Öffentlichkeit erörtert wird, ist die Ausrichtung festgelegt, die die
Kommission der politischen Arbeit der EU in den nächsten Jahren zu geben
gedenkt. Die Ergebnisse dieser Erörterung sollten auch in die strategischen
Leitlinien einfließen, die der Europäische Rat gemäß Artikel 68 AEUV
festlegt. Sollen die Ziele dieser
Agenda in die Tat umgesetzt werden, so sind andauernde und entschlossene
Bemühungen aller EU-Organe und Mitgliedstaaten erforderlich, sowie die
umfassende Einbindung sämtlicher Interessenträger, darunter insbesondere der
Bürger als „Endnutzer“ der Justizsysteme und der Angehörigen der Rechtsberufe.
Eine solche Einbindung ist unerlässlich zur Entwicklung von Lösungen, die den
tatsächlichen praktischen Herausforderungen, denen Bürger und Unternehmen
tagtäglich begegnen, gerecht werden und ihren Erwartungen entsprechen. Justiz
und Bürgerrechte sollten im Jahr 2020 auf keinerlei Grenzen innerhalb der EU
mehr stoßen. [1] Das Stockholmer Programm – Ein offenes und
sicheres Europa im Dienste und zum Schutz der Bürger (ABl. C 115 vom
4.5.2010). [2] Ein Raum der Freiheit, der Sicherheit und des
Rechts für die Bürger Europas - Aktionsplan zur Umsetzung des Stockholmer
Programms (KOM(2010) 171 endgültig vom 20.4.2010). [3] Assises de la Justice – Shaping Justice policies in Europe for the years to come – 21. und 22. November
2013. Die Ergebnisse, Diskussionspapiere und schriftlichen Beiträge sind
verfügbar unter http://ec.europa.eu/justice/events/assises-justice-2013/index_en.htm. [4] Auf zwei Plenartagungen des Europäischen
Parlaments sowie in einer Reihe von Ausschusssitzungen insbesondere der
Ausschüsse JURI, LIBE, AFCO und DROI. [5] In zwei informellen Sitzungen des Rat Justiz
und Inneres sowie auf Ebene der Arbeitsgruppen (CATS, FREMP und Arbeitsgruppe
für Zivilrecht). [6] In der Fachkommission CIVEX. [7] Jährlich werden in der EU über 8 Millionen
Strafverfahren eingeleitet. [8] Die wichtigsten Impulse in Bezug auf „Justiz
für Wachstum“ gingen von der spanischen Ratspräsidentschaft im Jahr 2010
(Schlussfolgerungen des Rates zu Maßnahmen im Bereich der Justiz im
Zusammenhang mit der Konjunkturerholung – 23.4.2010) sowie von der irischen
Präsidentschaft 2013 aus (http://eu2013.ie/media/eupresidency/content/documents/EU-Pres_Prog_GERMAN_A4.pdf - Seite 26.) [9] Das Exequatur ist ein Konzept des
internationalen Privatrechts und bezeichnet das Erfordernis einer
Gerichtsentscheidung zur Vollstreckung eines ausländischen Schiedsspruchs oder
eines ausländischen Urteils im Inland. [10] Mitteilung der Kommission – „Das EU-Justizbarometer –
ein Instrument für eine leistungsfähige, wachstumsfördernde Justiz –
COM(2013) 160 und Mitteilung
der Kommission – „Das
EU-Justizbarometer 2014“ –
COM(2014)155. [11] Mitteilung der Kommission „Ein neuer EU-Rahmen zur
Stärkung des Rechtsstaatsprinzips“ (COM(2014) 158). [12] Derzeit wohnen 13,7 Mio. EU-Bürger in einem
Mitgliedstaat, dessen Staatsbürgerschaft sie nicht besitzen; 2009 waren es nur
12,1 Mio. (Datenquelle: Eurostat). [13] Europa ist einer der weltweit größten Reisemärkte, auf
dem jedes Jahr über 550 Mio. Reisen verkauft werden, einschließlich Reisen
außerhalb der EU (Datenquelle: Eurostat, wiederzufinden in SWD(2013) 263
final). [14] Der Anteil der in einem anderen Mitgliedstaat
wohnhaften und ins Wählerverzeichnis eingetragenen Personen betrug 1994
5,9 %. Im Jahr 2009 betrug der Anteil schon 11,6 %. [15] Ca. 16 Mio. (13 %) der insgesamt
122 Mio. Ehen in der Union haben eine grenzüberschreitende Dimension. Von
den insgesamt 2,4 Mio. Eheschließungen in der Union im Jahr 2007 hatten
300 000 eine grenzüberschreitende Dimension (Quelle: SEC(2011) 327). [16] Geschätzte 450 000 Familien in Europa müssen sich
jedes Jahr mit Erbschaften mit internationaler Dimension auseinandersetzen, die
ein geschätztes Gesamtvermögen von 120 Mrd. EUR betreffen (Quelle:
SEC(2009) 410). [17] In Europa gibt es ca. 16 Mio. internationale
Paare, und jedes Jahr stellt sich für mindestens 650 000 von ihnen die
Frage, wie sie ihren Besitz aufteilen, wenn ihre Ehe oder ihre Partnerschaft
zerbricht (Quelle: SEC(2011) 327). [18] In Europa gibt es über 500 Mio. Verbraucher.
Die Verbraucherausgaben machen 56 % des Bruttoinlandsprodukts der
Europäischen Union aus; diese Zahl zeigt, wie sehr Verbraucher die europäische
Wirtschaft voranbringen können (Quelle: Europäische Verbraucheragenda 2012,
COM(2012) 225). [19] https://e-justice.europa.eu/ [20] http://europa.eu/youreurope/