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Document 51998XG0716

    Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (Vom Rat am 28. Mai 1998 genehmigter Text) erstellt von Prof. Dr. Alegría Borrás Professorin für internationales Privatrecht an der Universität Barcelona

    ABl. C 221 vom 16.7.1998, p. 27–64 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)

    51998XG0716

    Erläuternder Bericht zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (Vom Rat am 28. Mai 1998 genehmigter Text) erstellt von Prof. Dr. Alegría Borrás Professorin für internationales Privatrecht an der Universität Barcelona

    Amtsblatt Nr. C 221 vom 16/07/1998 S. 0027 - 0064


    ERLÄUTERNDER BERICHT zu dem Übereinkommen aufgrund von Artikel K.3 des Vertrags über die Europäische Union über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen (Vom Rat am 28. Mai 1998 genehmigter Text) erstellt von Prof. Dr. ALEGRÍA BORRÁS Professorin für internationales Privatrecht an der Universität Barcelona (98/221/04)

    I. VORGESCHICHTE DES ÜBEREINKOMMENS

    1. Die europäische Integration hatte anfänglich einen im wesentlichen wirtschaftlichen Charakter, weshalb auch die geschaffenen Rechtsinstrumente auf diese Art der Integration ausgerichtet waren. Diese Situation hat sich jedoch in neuerer Zeit grundlegend gewandelt, so daß die Integration heutzutage nicht nur den Wirtschaftsbereich, sondern in fortschreitendem und immer tiefgreifenderem Maße das tägliche Leben des europäischen Bürgers betrifft. Dieser hat nach all den Fortschritten im vermögensrechtlichen Bereich nur schwer Verständnis für Schwierigkeiten im Bereich des Familienrechts. Deshalb war im Rahmen der europäischen Integration auch der familienrechtliche Aspekt in Angriff zu nehmen. Dies zeigen schon die im Europäischen Parlament behandelten Fragen, die nicht nur Aspekte der Auflösung der Ehe betreffen, sondern das Familienrecht ganz allgemein (eheliche Güterstände, Kindschaftssachen, Kindesentführung, Adoption usw.). Das Übereinkommen ist ein erster, konstruktiver und entscheidender Schritt in diese neue Richtung und ebnet möglicherweise den Weg für weitere Rechtsakte im Bereich des Familien- und des Erbrechts.

    2. Dieses Übereinkommen konnte zustande kommen, weil der Vertrag von Maastricht mit seinem Artikel K.3 neue Möglichkeiten im Bereich der justitiellen Zusammenarbeit in Zivilsachen eröffnet hat (siehe Abschnitt II Nummer 11). Zuvor bot allein Artikel 220 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft einen begrenzten Spielraum. In diesem Artikel sind die Mitgliedstaaten übereingekommen, soweit erforderlich untereinander Verhandlungen einzuleiten, um zugunsten ihrer Staatsangehörigen die Förmlichkeiten für die gegenseitige Anerkennung und Vollstreckung richterlicher Entscheidungen und Schiedssprüche zu vereinfachen. Die Kommission hob in einer Note, die sie am 22. Oktober 1959 an die Mitgliedstaaten richtete, um sie zu entsprechenden Verhandlungen einzuladen, hervor:

    "Ein echter Binnenmarkt zwischen den sechs Staaten wird erst dann verwirklicht sein, wenn ein ausreichender Rechtsschutz gewährleistet ist. Es wären Störungen und Schwierigkeiten im Wirtschaftsleben der Gemeinschaft zu befürchten, wenn die sich aus den vielfältigen Rechtsbeziehungen ergebenden Ansprüche nicht erforderlichenfalls auf dem Rechtswege festgestellt und durchgesetzt werden könnten. Da die Gerichshoheit in Zivil- und Handelssachen bei den Mitgliedstaaten liegt und die Wirkungen eines gerichtlichen Aktes jeweils auf ein bestimmtes Staatsgebiet beschränkt bleiben, hängt der Rechtsschutz und damit die Rechtssicherheit im Gemeinsamen Markt wesentlich von der Annahme einer befriedigenden Regelung der Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen durch die Mitgliedstaaten ab."

    Unter direkter oder indirekter Inanspruchnahme von Artikel 220 des EG-Vertrags sind verschiedene Übereinkommen geschlossen worden. Das wichtigste Ergebnis im justitiellen Bereich ist das Brüsseler Übereinkommen vom 27. September 1968 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen mit seinen späteren Änderungen infolge der Erweiterungen der Gemeinschaft. Von dessen Anwendungsbereich ist jedoch eine Reihe von Rechtsgebieten ausgeschlossen, (Artikel 1 Absatz 2). Die Gründe hierfür sind sehr unterschiedlicher Art, und einige der ausgeschlossenen Bereiche sind inzwischen Gegenstand anderer Übereinkünfte, wie beispielsweise des Übereinkommens von Brüssel vom 23. November 1995 über Insolvenzverfahren.

    Hierzu ist noch zu bemerken, daß angesichts der seit Abschluß des Brüsseler Übereinkommens von 1968 vergangenen dreißig Jahre und der Erfahrungen bei dessen Anwendung ein Prozeß zu dessen Revision sowie parallel dazu des Luganer Übereinkommens vom 16. September 1988 (des sogenannten "Parallelübereinkommens") eingeleitet worden ist. Da bislang nur erste Überlegungen angestellt wurden und lediglich zwei Sitzungen der zur Ausarbeitung einer revidierten Fassung eingesetzten Ad-hoc-Gruppe stattgefunden haben, konnten diese Arbeiten bei der Abfassung des hier behandelten Übereinkommens nicht berücksichtigt werden. Es besteht also die Möglichkeit, daß das Übereinkommen zu einem späteren Zeitpunkt an das dann revidierte Brüsseler Übereinkommen angepaßt wird.

    Unter den veränderten Rahmenbedingungen waren die Mitgliedstaaten verständlicherweise bestrebt, den neuen Bedürfnissen der europäischen Bürger gerecht zu werden, und diesem Ziel gehorcht das hier behandelte Übereinkommen. Das Projekt einer Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 auf Familiensachen ist also neueren Datums, wobei zwei Aspekte zu bedenken sind.

    3. Zum einen sind die Gründe zu beleuchten, die im Brüsseler Übereinkommen von 1968 zu dieser Ausklammerung führten. Im Jenard-Bericht (dem erläuternden Bericht zur Urfassung des Brüsseler Übereinkommens) wird die Ausklammerung personenstandsrechtlicher Fragen wie folgt begründet:

    "Selbst wenn man annimmt, daß dem Ausschuß eine Vereinheitlichung der auf diesem Gebiet geltenden Zuständigkeitsregeln gelungen wäre, so wäre es doch unabhängig von dem Inhalt dieser Regeln angesichts der zwischen den Rechtssystemen bestehenden Unterschiede, insbesondere auf dem Gebiet des Internationalen Privatrechts, schwierig gewesen, auf eine Nachprüfung dieser Normen im Exequatur-Verfahren zu verzichten. Damit aber hätte man das Wesen des Übereinkommens verändert und seine fortschrittliche Tendenz geschwächt. Hätte der Ausschuß sich entschlossen, dem Vollstreckungsrichter jedes Nachprüfungsrecht selbst in nichtvermögensrechtlichen Sachen zu versagen, so hätte dies den Richter möglicherweise veranlaßt, den Begriff des ordre public zu weit auszudehnen, um die ihm vorgelegte ausländische Entscheidung auszuschalten. Der Ausschuß hat sich für das kleinere Übel entschieden, indem er die Anwendung des Übereinkommens einschränkte, dafür aber seine Geschlossenheit und seine Fortschritte wahrte. Im Bereich des Personenstandes, der Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie der gesetzlichen Vertretung stellt natürlich die Ehescheidung das Hauptproblem dar, das schwierig ist, weil die einzelnen Rechtsordnungen erheblich voneinander abweichen."

    Das Übereinkommen von 1968 ist somit das "Generalübereinkommen" auf dem Gebiet der Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen auf der Grundlage von Artikel 220 des EG-Vertrags, in dem kein Bereich des Zivil- und Handelsrechts per se ausgeschlossen wird, und hätte daher durchaus den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit und die gesetzliche Vertretung einbeziehen können; deren Ausklammerung ist auf die diesem Bereich eigenen Schwierigkeiten und den Umstand zurückzuführen, daß die wirtschaftliche Integration dadurch nicht unmittelbar berührt wurde.

    4. Zum anderen ist das bedeutsamste Thema im familienrechtlichen Bereich das der Ehescheidung und damit der eherechtlichen Fragen, auf die nun in dem neuen Übereinkommen eingegangen wird. Es ist hervorzuheben, daß im Jenard-Bericht bereits zu einer Zeit, als die Gemeinschaft nur sechs Mitgliedstaaten umfaßte, festgestellt wurde, daß die diesbezüglichen Rechtsordnungen "erheblich voneinander abweichen", womit unbestreitbar sein dürfte, daß diese Vielfalt bei fünfzehn Mitgliedstaaten noch größer ist und folglich auch die eingesetzte Arbeitsgruppe vor eine noch größere Schwierigkeit gestellt war. Die betreffenden Unterschiede betreffen nicht Aspekte von nachgeordneter Bedeutung, sondern situieren sich teilweise sogar auf der Ebene des Verfassungsrechts. In anderen Fällen ergeben sich die Schwierigkeiten daraus, daß die im Übereinkommen erfaßten Rechtskonzepte nicht überall als solche bekannt sind (so kennt beispielsweise das innerstaatliche materielle Recht Finnlands und Schwedens nicht die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe). Aber auch zwischen den Mitgliedstaaten, die alle diese Rechtskonzepte kennen, weichen die einschlägigen Vorschriften beträchtlich voneinander ab (rechtlich relevante Antragsgründe, Erfordernis einer vorherigen Trennung usw.).

    Infolgedessen sind weder die Fristen, deren es zur Abfassung des Übereinkommens bedurfte, noch die in einigen Fällen benötigten Kompromißformeln verwunderlich. Durch die Ausklammerung dieser Thematik im Übereinkommen von 1968 und das Zustandekommen des neuen Übereinkommens wird letztendlich eine klare Trennung von familienrechtlichen und vermögensrechtlichen Angelegenheiten möglich. Die europäische Integration ist in den dreißig Jahren seit der Ausarbeitung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 beträchtlich vorangeschritten. Die Verwirklichung des freien Personenverkehrs und der Umstand, daß immer häufiger Familienbande zwischen Personen entstehen, die Staatsangehörige unterschiedlicher Mitgliedstaaten sind oder in unterschiedlichen Mitgliedstaaten wohnen, erforderten eine rechtspolitische Antwort, die das neue Übereinkommen unter Berücksichtigung der verschiedenen Sachzwänge gibt.

    5. Bereits die Frage, ob ein Übereinkommen über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen überhaupt erforderlich ist, gab Anlaß zu langen Beratungen. Einige Mitgliedstaaten, die Vertragspartei des Haager Übereinkommens vom 1. Juni 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch sind, zeigten sich befriedigt über die mit dessen Anwendung erzielten Ergebnisse. Andere Mitgliedstaaten hingegen, die nicht Vertragspartei des Haager Übereinkommens von 1970 sind, waren nicht bereit, diesem beizutreten. Im wesentlichen legten drei Gründe nahe, ein neues Übereinkommen im europäischen Rahmen auszuarbeiten:

    a) der Wunsch nach einheitlichen Vorschriften für die Zuständigkeit in Ehesachen;

    b) das Erfordernis, die Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in den Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union zeitgemäß und einheitlich zu gestalten;

    c) der Wunsch, durch Vorschriften über die Rechtshängigkeit auszuschließen, daß es in unterschiedlichen Mitgliedstaaten zu Parallelverfahren in Ehesachen und widersprüchlichen Entscheidungen kommt, was eine bedeutsame Neuerung ist, die an sich schon eine ausreichende Rechtfertigung für das Übereinkommen wäre.

    Aus diesen Gründen beschloß der Rat, Verhandlungen über den Abschluß eines diesbezüglichen Übereinkommens einzuleiten. Zu bemerken ist auch noch, daß Artikel 18 des Haager Übereinkommens von 1970 den Vertragsparteien erlaubt, Übereinkommen im selben Bereich zu schließen.

    6. Erstes Ziel des Übereinkommens ist die Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 auf eherechtliche Fragen. Letzeres war somit der Ausgangspunkt bei der Ausarbeitung des Übereinkommens und wird daher in dessen Präambel als solcher genannt. Es war unverzichtbar, eine derart bedeutsame Grundlage zu nutzen, deren Erfolg auf der Hand liegt und zu der überdies eine umfangreiche Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften vorliegt, die auch eine Beurteilung problematischer Aspekte, soweit sie das neue Übereinkommen betreffen, erlaubt. Allerdings bedingt die Verschiedenheit der jeweiligen Bereiche der beiden Übereinkommen in einigen Punkten beträchtliche Unterschiede (so beinhaltet das neue Übereinkommen weder einen allgemeinen Gerichtsstand noch eine Rangordnung bei den Zuständigkeitskriterien) während die Bestimmungen in anderen Punkten (wie bei der Rechtshängigkeit und der automatischen Anerkennung) stärker übereinstimmen können. Das Ergebnis ist also ein anders gestaltetes Übereinkommen, das aber dieselben Ziele verfolgt, d. h. eine Vereinheitlichung der Bestimmungen über die internationale gerichtliche Zuständigkeit und eine Erleichterung der internationalen Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen.

    Sofern nicht ausdrücklich etwas anderes gesagt wird, haben gleichlautende Begriffe des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und des neuen Übereinkommens prinzipiell dieselbe Bedeutung, und es gilt somit die diesbezügliche Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften. Es sei darauf hingewiesen, daß in bezug auf die Bestimmungen, die in der Fassung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 beibehalten wurden, den erläuternden Berichten zu letzerem und zu dessen späteren Änderungen kaum etwas hinzugefügt werden konnte. Es wurde dennoch die Entscheidung getroffen, in diesem Bericht die wesentlichen Stellen der früheren Berichte wiederaufzugreifen, damit die Juristen eine leichtere Konsultierung vornehmen können und nicht neben dem hier vorliegenden Text noch andere Texte heranziehen müssen.

    7. Zu Beginn der 90er Jahre erfolgten im Rahmen der Europäischen Politischen Zusammenarbeit Überlegungen mit dem Ziel, die Möglichkeit eines Übereinkommens auf europäischer Ebene betreffend die Auflösung oder Lockerung des Ehebandes zu prüfen. Ausgehend von einer im Jahre 1992 vom britischen Vorsitz ausgearbeiteten Liste von Fragen und der daraufhin im ersten Halbjahr 1993 vom dänischen Vorsitz erstellten Synthese nahmen die Mitgliedstaaten einen ersten Gedankenaustausch über diese Möglichkeit vor. Unter dem belgischen Vorsitz im zweiten Halbjahr 1993, d. h. noch vor Inkrafttreten des Vertrags über die Europäische Union, nahm an einer Sitzung der betreffenden Arbeitsgruppe Herr Prof. Marc Fallon in seiner Eigenschaft als Sekretär der Europäischen Gruppe für internationales Privatrecht teil, der über den von letzterer ausgearbeiteten sogenannten "Heidelberger Entwurf" berichtete, der am 2. Oktober 1993 in Heidelberg verabschiedet worden war. Die Europäische Gruppe, die sich als Sachverständigengruppe zum Ziel gesetzt hat, Anregungen im Schnittbereich von Gemeinschaftsrecht und internationalem Privatrecht zu geben, hatte einen Vorschlag für ein Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Vollstreckung von Entscheidungen in Familien- und Erbschaftssachen erarbeitet, dessen Anwendungsbereich somit weit über den des hier behandelten Übereinkommens hinausging. Der Zwang, zu Ergebnissen zu kommen, sowie die aus den durchgeführten Studien gewonnenen Erkenntnisse erforderten eine Eingrenzung des Gegenstands der Beratungen im Rahmen der Europäischen Union.

    8. Auf der Brüsseler Tagung des Europäischen Rates vom 10. und 11. Dezember 1993 wurde festgehalten, daß sich dem europäischen Bürger mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Maastricht neue Perspektiven eröffnen und daß dieser Umstand ergänzende Beratungen in bezug auf bestimmte Aspekte des Familienlebens der Bürger erforderlich macht. Unter diesem Blickwinkel sprach sich der Europäische Rat dafür aus, daß die Prüfung der Möglichkeit, den Anwendungsbereich des Brüsseler Übereinkommens von 1968 auf das Familienrecht auszudehnen, entschlossen fortgesetzt wird. Im ersten Halbjahr 1994 richtete der griechische Vorsitz eine Liste von Fragen an die Mitgliedstaaten, um Aufschluß über die möglichen Grundzüge eines derartigen Übereinkommens zu erhalten. Anhand der eingegangenen Antworten wurde ein Synthesedokument erstellt, das als Grundlage diente, als der Europäische Rat im Juni 1994 das Mandat erteilte, die Beratungen zur Ausarbeitung eines Übereinkommensentwurfs aufzunehmen. Im zweiten Halbjahr 1994 legte der deutsche Vorsitz einen Übereinkommensentwurf vor, der allein die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ungültigerklärung einer Ehe betraf. Daraufhin beantragten die spanische und die französische Delegation noch im selben Halbjahr die Einbeziehung des sorgerechtlichen Aspekts in den Anwendungsbereich des Übereinkommens.

    9. Bei der Darlegung der Vorgeschichte des Übereinkommens sind auch die Kontakte zur Haager Konferenz für internationales Privatrecht zu erwähnen. Denn parallel zur Ausarbeitung des Übereinkommens über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen im Rahmen der Europäischen Union erfolgte im Rahmen der Haager Konferenz für internationales Privatrecht eine Revision des Übereinkommens vom 5. Oktober 1961 über die Zuständigkeit der Behörden und das anzuwendende Recht auf dem Gebiet des Schutzes von Minderjährigen. Dem war insofern Rechnung zu tragen, als sich die Möglichkeit bot, in das neue Haager Übereinkommen eine Bestimmung über die Zuständigkeit der Behörden des Landes der Ehescheidung für Maßnahmen zum Schutz der Kinder aufzunehmen, selbst wenn die unterschiedlichen Arbeitsmethoden zu andersartigen Vorgehensweisen zwangen. Während die Europäische Union nämlich als Beobachter bei der Haager Konferenz auftreten kann (und Vertreter der Kommission und des Ratssekretariats in dieser Eigenschaft an den Beratungen in Den Haag teilgenommen haben), ist dies umgekehrt nach dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft und dem Vertrag über die Europäische Union nicht möglich. Aus diesem Grund traten ab dem französischen Vorsitz im ersten Halbjahr 1995 die Troika, das Ratssekretariat und die Kommission am Rande der offiziellen Tagungen immer wieder inoffiziell mit dem Ständigen Büro der Haager Konferenz für internationales Privatrecht zusammen, um die Beziehungen zwischen den in beiden Gremien in Ausarbeitung befindlichen Texten zu erörtern.

    Die anfänglichen Schwierigkeiten im Verhältnis zwischen den beiden in Ausarbeitung befindlichen Übereinkommen konnten nach und nach ausgeräumt werden, und das Ergebnis ist sowohl aus dem hier behandelten Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union als auch aus dem noch nicht in Kraft getretenen Haager Übereinkommen vom 19. Oktober 1996 über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern ersichtlich. Der Rat "Justiz und Inneres" sprach sich auf seiner Tagung am 25. September 1995 dafür aus, bei der Einbeziehung der Frage des Sorgerechts aus Anlaß von Ehesachen in Ergänzung zum Haager Übereinkommen vorzugehen. Demgemäß berücksichtigte die Gruppe nach dem Abschluß des Haager Übereinkommens dessen Bestimmungen und im besonderen die, die das hier behandelte Übereinkommen unmittelbar berühren, d. h. Artikel 10 betreffend die Zuständigkeit der Gerichte, welche die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes aussprechen, für Maßnahmen zum Schutz der Kinder sowie Artikel 52 betreffend das Verhältnis des Haager Übereinkommens zu anderen Übereinkünften und im besonderen die Möglichkeit, daß mehrere Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, die in bezug auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind, Bestimmungen über die im Haager Übereinkommen geregelten Bereiche enthalten.

    10. Die Ausarbeitung des Übereinkommensentwurfs oblag der Gruppe "Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens", die seit 1993 in enger Folge zusammengetreten ist. Die Verhandlungen waren langwierig und in bestimmten Punkten mit besonderen Schwierigkeiten verbunden. Im Dezember 1997 wurde im Rat unter luxemburgischem Vorsitz auf der Grundlage von dessen Vorschlag für einen endgültigen Kompromiß ein abschließendes politisches Einvernehmen in bezug auf eine Reihe von Bestimmungen erzielt.

    Dies ist in groben Zügen die zwar langwierige, doch von Erfolg gekrönte Vorgeschichte des Übereinkommens, auf das im folgenden näher eingegangen wird.

    II. ALLGEMEINE DARSTELLUNG DES ÜBEREINKOMMENS

    11. Das erste Thema, das Aufmerksamkeit verdient, betrifft die Rechtsgrundlage des Textes. Als das Brüsseler Übereinkommen von 1968 geschlossen wurde, konnte lediglich Artikel 220 des Vertrags als Rechtsgrundlage herangezogen werden. Nun aber bestand daneben eine weitere Bestimmung, die als Rechtsgrundlage des Übereinkommens dienen konnte, und zwar die durch den Vertrag von Maastricht eingeführte neue Bestimmung des Artikels K.3 in Verbindung mit Artikel K.1. In Artikel K.1 wird als einer der Bereiche, die für die Verwirklichung der Ziele der Union von "gemeinsamem Interesse" sind, die "justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen" genannt (Nummer 6). Diese Zusammenarbeit trägt ohne Zweifel zur Verwirklichung eines der Ziele der Union bei, nämlich der "Entwicklung einer engen Zusammenarbeit" im Bereich der Justiz (Artikel B).

    Das Übereinkommen ist als spezifische und adäquate Antwort auf die zu behandelnde Problematik zweifellos ein wichtiger Fortschritt im Rahmen der Bestimmungen über die justitielle Zusammenarbeit in Zivilsachen zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Als Rechtsgrundlage des Übereinkommens wurde Artikel K.3 des Vertrags gewählt, obwohl dafür theoretisch auch Artikel 220 in Frage gekommen wäre. Dies hatte zwar Auswirkungen in bezug auf die Ausarbeitung des Übereinkommens, ist jedoch für die Rechtspflege und den Bürger bei der Anwendung des Übereinkommens unerheblich.

    Die Kommission war entsprechend den Bestimmungen des Titels VI in vollem Umfang an den Beratungen der Gruppe beteiligt und wirkte so in aktiver und konstruktiver Weise an der Ausarbeitung des Textes mit. Nach Abschluß der Beratungen der Gruppe wurde der Entwurf des Übereinkommens vom Vorsitz gemäß Artikel K.6 des Vertrags über die Europäische Union dem Europäischen Parlament zur Prüfung vorgelegt.

    Das Europäische Parlament hat seine Stellungnahme auf seiner Plenartagung am 30. April 1998 abgegeben. Die darin zum Ausdruck gebrachten Auffassungen wurden von den entsprechenden Ratsgremien im Laufe des Monats Mai 1998 geprüft.

    Am 28. Mai 1998 wurde das Übereinkommen vom Rat gebilligt und von den Vertretern aller Mitgliedstaaten unterzeichnet.

    12. Die der Ausarbeitung des Übereinkommens zugrundeliegenden Bestrebungen und Leitgedanken ergeben sich aus dessen Präambel, in der vier Aspekte hervorgehoben werden:

    1. der Wunsch, zeitgemäße und einheitliche Regeln für die gerichtliche Zuständigkeit bei Verfahren betreffend die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung sowie die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes einzuführen und den Weg dafür zu ebnen, daß diesbezügliche Entscheidungen, die in den Mitgliedstaaten ergangen sind, von den anderen Mitgliedstaaten rasch und automatisch anerkannt werden;

    2. das Bestreben, Zuständigkeitsregeln hinsichtlich der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten aus Anlaß von Verfahren in Ehesachen festzulegen und davon ausgehend für eine rasche und automatische Anerkennung der betreffenden Entscheidungen und deren Vollstreckung mittels eines vereinfachten Verfahrens zu sorgen;

    3. die Berücksichtigung der Grundsätze, auf denen das Brüsseler Übereinkommen von 1968 beruht, was dazu führte, daß das Übereinkommen sich am Brüsseler Übereinkommen ausrichtet, wenngleich es aufgrund seines Gegenstands anders gestaltet ist;

    4. die Berücksichtigung der Möglichkeit, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften die Zuständigkeit für die Auslegung der Bestimmungen des Übereinkommens zu erteilen.

    13. Zwei wichtige Merkmale des Übereinkommens sind hervorzuheben:

    A. Das Übereinkommen ist ein sogenanntes "Doppelabkommen", da es sowohl Regeln für die direkte Zuständigkeit als auch Vorschriften für die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Entscheidungen enthält. Es folgt dabei dem Muster des Brüsseler Übereinkommens, das seinerzeit in dieser Beziehung neue Maßstäbe setzte, enthält jedoch auch wesentliche Änderungen. So enthält es Regeln für die internationale gerichtliche Zuständigkeit, die von dem in der Sache angerufenen Gericht zu beachten sind und dieses veranlassen müssen, sich für unzuständig zu erklären, wenn es sich nach den Regeln des Übereinkommens nicht für zuständig erachtet. Dies schafft Rechtssicherheit für den Bürger und ein Klima des gegenseitigen Vertrauens, was wiederum die Voraussetzung dafür ist, daß Regeln für eine automatische Anerkennung und stark vereinfachte Regeln für die Vollstreckung aufgestellt werden können.

    B. Wenn das Übereinkommen in den Mitgliedstaaten im Wege der jeweiligen verfassungsrechtlichen Verfahren angenommen worden und in Kraft getreten ist, hat es uneingeschränkte Geltung. Dies bedeutet, daß alle seine Bestimmungen anzuwenden sind und ab dem Zeitpunkt seines Inkrafttretens in den Beziehungen der Vertragsstaaten untereinander jede andere innerstaatliche oder vertragliche Bestimmung ersetzen, es sei denn, im Übereinkommen selbst oder in den jeweiligen verfassungsrechtlichen Bestimmungen ist etwas anderes vorgesehen. Insgesamt handelt es sich um einen Rechtsmechanismus, der auf dem innerstaatlichen Recht jedes Mitgliedstaats basiert und mit diesem verflochten ist. Folglich gilt in Fragen, die vom Übereinkommen nicht geregelt werden, das innerstaatliche Recht.

    14. Das Übereinkommen ist in die sieben folgenden Titel gegliedert:

    >PLATZ FÜR EINE TABELLE>

    Das Kernstück des Übereinkommens und damit auch den Teil, der vor allem im Mittelpunkt der Diskussion stand, bilden selbstverständlich die Titel II und III (gerichtliche Zuständigkeit, Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen). In die Erörterung dieser Themen spielte auch in starkem Maße die Diskussion über den Anwendungsbereich (Titel I) hinein.

    15. Der Titel I des Übereinkommens (Anwendungsbereich) enthält einen einzigen Artikel, der Gegenstand langwieriger Erörterungen war, die nur durch einen politischen Kompromiß abgeschlossen werden konnten, bei dem der Anwendungsbereich des Übereinkommens so festgelegt wurde, daß er sowohl Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe als auch Fragen umfaßt, die sich aus Anlaß derartiger Verfahren hinsichtlich der Ausübung der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder der Ehegatten stellen.

    16. Der Titel II umfaßt die Regeln für die direkte internationale Zuständigkeit, d. h. die Regeln, die von dem in einer Ehesache angerufenen Gericht vor einer Entscheidung zu beachten sind. Diese Bestimmungen haben indessen keinen Einfluß auf die Aufteilung der territorialen Zuständigkeit innerhalb des jeweiligen Mitgliedstaats noch auf die Situation der Mitgliedstaaten ohne ein einheitliches Rechtssystem. Die Regeln für die direkte Zuständigkeit in Ehesachen stellen zweifellos die wichtigste Neuerung des Übereinkommens dar. Die bisherigen Übereinkünfte zu diesen Fragen beschränken sich auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen und beinhalten folglich nur Regeln für eine indirekte Zuständigkeit, d. h. eine Prüfung, die das Gericht des Staates, in dem eine Anerkennung bzw. Vollstreckung beantragt wird (ersuchter Staat), hinsichtlich der Zuständigkeit des Gerichts des Staates vornimmt, in dem die Entscheidung in der Sache selbst ergangen ist.

    Dieser Titel ist in vier Abschnitte gegliedert.

    a) Der erste Abschnitt enthält die Bestimmungen über die Kriterien für die Zuständigkeit, d. h. die Zuständigkeitsregeln im eigentlichen Sinne (Artikel 2 bis 8). Das Kernstück ist dabei Artikel 2, in dem die Kriterien genannt werden, die bei Ehesachen Anwendung finden; hinzu kommt Artikel 3 bezüglich der elterlichen Verantwortung, der durch Artikel 4 mit einer Sonderbestimmung hinsichtlich des Haager Übereinkommens von 1980 ergänzt wird. Artikel 5 behandelt den Gegenantrag, Artikel 6 die Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung, Artikel 7 den ausschließlichen Charakter der Zuständigkeiten nach den vorangegangenen Artikeln und Artikel 8 analog zu Artikel 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 die sogenannten "Restzuständigkeiten".

    b) Der zweite Abschnitt (Artikel 9 und 10) betrifft die Prüfung der Zuständigkeit nach den Kriterien des Übereinkommens und die Feststellung, ob der Antragsgegner in der Lage ist, sich zu verteidigen.

    c) Im dritten Abschnitt (Artikel 11) wird auf den Aspekt der Rechtshängigkeit und abhängiger Verfahren eingegangen.

    d) Der vierte Abschnitt (Artikel 12) behandelt einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen.

    17. Der Titel III ist die logische Folge des Titels II und betrifft die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen. Obwohl es auf den ersten Blick scheinen könnte, daß sich hier nach Lösung der Fragen der vorangegangenen Artikel keine Schwierigkeiten mehr stellten, war dem keineswegs so. Strittig waren im wesentlichen die Folgen der automatischen Anerkennung für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern sowie die Gründe für eine Ablehnung der Anerkennung und der Vollstreckung. Zu beachten war auch die Begrenzung der Anerkennung auf den Aspekt der Statusänderung unter Ausschluß anderer Aspekte (siehe Nummern 22 und 64). Fraglich war auch das Erfordernis der Vollstreckung, was ebenfalls in bezug auf den Anwendungsbereich geregelt wird. Das Verfahren für die Vollstreckung ist im einzelnen ähnlich wie im Brüsseler Übereinkommen geregelt.

    18. In Titel IV sind Übergangsvorschriften, in Titel V allgemeine Bestimmungen, in Titel VI Bestimmungen über die Auslegung durch den Gerichtshof und in Titel VII Schlußbestimmungen enthalten.

    III. ANALYSE DER BESTIMMUNGEN

    TITEL I A. Anwendungsbereich

    Artikel 1 Anwendungsbereich

    19. Dieser Aspekt ist ausschlaggebend für das Wesen des Übereinkommens und für dessen Tragweite, die sich - wie unter Nummer 12 dargelegt wurde - auf Vorschriften über die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Ehesachen erstreckt. Die Bestimmung des Anwendungsbereichs beinhaltet unterschiedliche Teilaspekte, die sich sowohl auf die Art der Verfahren als auch auf deren Gegenstand beziehen.

    20. Was die Art der Verfahren anbelangt, so spricht Absatz 1 von "zivilgerichtlichen Verfahren" unter Ausschluß jeder anderen Art von Verfahren, da zwecks Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe in aller Regel zivilgerichtliche Verfahren betrieben werden. Das Wort "zivilgerichtlich" dient aber auch insofern der klaren Abgrenzung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens, als dieser Begriff nicht nur in Bezug zu Verfahren auf Verwaltungsebene zu setzen ist, wie es in Absatz 2 dieses Artikels getan wird, sondern der Ausgrenzung von lediglich im Rahmen einer Religionsgemeinschaft geltenden Verfahren dient. Daraus ergibt sich folgendes:

    A. Neben zivilgerichtlichen Verfahren werden in den Anwendungsbereich des Übereinkommens weitere nichtgerichtliche Verfahren einbezogen, die in bestimmten Mitgliedstaaten in Ehesachen anerkannt sind. Es handelt sich dabei um in einem Mitgliedstaat amtlich anerkannte Verfahren auf Verwaltungsebene. So gibt es beispielsweise in Dänemark neben dem gerichtlichen Weg den Verwaltungsweg über das Staatsamt (Bezirksverwaltung) bzw. das Københavns Overpræsidium (das für Kopenhagen dieselbe Funktion wie das Staatsamt hat); damit dieser Weg beschritten werden kann, bedarf es eines relevanten Scheidungsgrunds und eines Einvernehmens zwischen den Ehegatten sowohl hinsichtlich der Ehescheidung selbst als auch hinsichtlich damit verbundener Fragen (Sorgerecht, Unterhaltspflicht usw.). Gegen die Entscheidungen des Staatsamt und des Københavns Overpræsidium kann ein Rechtsbehelf beim Justizministerium (Abteilung Zivilrecht) eingelegt werden, dessen Entscheidungen wiederum auf dem üblichen Wege vor Gericht angefochten werden können. In entsprechender Weise hat Finnland 1983 eine Regelung eingeführt, wonach Fragen des Sorgerechts, des Wohnorts der Kinder und des Besuchsrechts am Rande der gerichtlichen Verfahren im Wege einer Vereinbarung geregelt werden können, die vom örtlichen Sozialamt gebilligt werden muß (Gesetz Nr. 361 vom 8.4.1983, Artikel 7, 8, 10, 11 und 12).

    Deshalb wird in Anlehnung an Artikel 1 des Haager Übereinkommens von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch ausdrücklich darauf hingewiesen, daß der Begriff "Gericht" im gesamten Text des Übereinkommens alle gerichtlichen und sonstigen Behörden einschließt, die in Ehesachen tätig werden.

    B. Vom Anwendungsbereich des Übereinkommens ausgeschlossen sind im Rahmen einer Religionsgemeinschaft geltende Verfahren, deren Bedeutung aufgrund der Einwanderung zunehmen kann (z. B. bei Eheschließungen nach den islamischen oder hinduistischen Glaubensgesetzen).

    Der Artikel 42 gewährleistet die weitere Geltung der Verträge, die von einigen Mitgliedstaaten mit dem Heiligen Stuhl geschlossen wurden (s. Erläuterungen zu Artikel 42 unter Nummer 120).

    21. Was den Gegenstand der Verfahren anbelangt, so ist wiederum zwischen rein eherechtlichen Fragen und Fragen der elterlichen Verantwortung zu unterscheiden.

    22. Das Übereinkommen bezieht sich nur auf Verfahren, welche den ehelichen Status an sich betreffen, d. h. die Ungültigerklärung einer Ehe, die Ehescheidung und die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Dementsprechend erstreckt sich die Anerkennung von Entscheidungen über eine Ehescheidung oder die Ungültigerklärung einer Ehe nur auf den Aspekt der Auflösung des Ehebandes. Nicht einbezogen sind Aspekte wie beispielsweise das Verschulden der Ehegatten, das Familienvermögen, die Unterhaltspflicht oder sonstige mögliche Nebenaspekte (Namensführung usw.), obwohl diese natürlich mit dem Aspekt des ehelichen Status verknüpft sind. Die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Unterhaltssachen ist, abgesehen von weiteren internationalen Übereinkünften, im Brüsseler Übereinkommen von 1968 geregelt, das eine besondere Zuständigkeitsregel (Artikel 5 Absatz 2) enthält; des weiteren wurde am 6. November 1990 das Übereinkommen von Rom über die Vereinfachung der Verfahren zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen geschlossen, das allerdings noch nicht in Kraft ist. Verbleibende Fragen unterliegen dem in den Beziehungen zwischen den betreffenden Staaten geltenden innerstaatlichen und internationalen Recht.

    23. Komplexer ist das Thema der elterlichen Verantwortung, da das innerstaatliche Recht in einigen Mitgliedstaaten vorschreibt, daß eine Entscheidung in einer Ehesache auch die Fragen der elterlichen Verantwortung einbezieht, während in anderen Mitgliedstaaten die eherechtlichen Fragen und die Fragen des Schutzes der Kinder streng getrennt werden, weshalb die Entscheidung in der Ehesache nicht notwendigerweise die elterliche Verantwortung regelt und eine Entscheidung über letztere sogar anderen Stellen überlassen werden kann. Daraus ergab sich, daß in bezug auf die elterliche Verantwortung verschiedene Probleme zu klären waren und nur unter Schwierigkeiten erreicht werden konnte, daß alle Mitgliedstaaten dem Wortlaut von Absatz 1 Buchstabe b) zustimmten, womit diese Frage in das Übereinkommen einbezogen und nicht etwa zum Gegenstand einer gesonderten Übereinkunft gemacht wurde, wie dies ursprünglich von einer Delegation vorgeschlagen worden war. Es geht dabei allerdings nur um Fragen der elterlichen Verantwortung aus Anlaß einer Ehesache (siehe hierzu Artikel 3 Absatz 3).

    24. Die erste zu entscheidende Frage war demnach die, ob der Aspekt der elterlichen Verantwortung in das Übereinkommen aufgenommen werden sollte oder nicht. Abgesehen von der obengenannten Unterschiedlichkeit der Rechtsordnungen erwuchsen die Schwierigkeiten auch daraus, daß im Rahmen der Haager Konferenz parallel das Übereinkommen zum Schutz von Kindern ausgearbeitet wurde, das dann 1996 unterzeichnet wurde. Die Auswirkungen dieser Umstände sind aus dem Inhalt von Artikel 3 ersichtlich. Schon der Begriff "elterliche Verantwortung" bereitete Schwierigkeiten, da er in der Rechtsordnung des Mitgliedstaats, in dem diese Verantwortung geprüft wird, definiert sein muß. Der Aspekt der Unterhaltspflicht wurde bereits unter Nummer 22 angesprochen. Der Begriff "elterliche Verantwortung", dessen Übersetzung für einige Länder mit Problemen verbunden sein mag, taucht allerdings bereits in verschiedenen internationalen Übereinkünften und im besonderen im Haager Übereinkommen von 1996 auf, womit sein Gebrauch einer gewissen terminologischen Vereinheitlichung dient.

    25. Die zweite Schwierigkeit bestand darin, zu klären, auf welche Kinder die Bestimmung anwendbar sein sollte. Es bestand Einvernehmen darüber, daß die Bestimmung sowohl die eigenen Kinder des Ehepaares als auch die von beiden Ehegatten adoptierten Kinder erfassen sollte. Einige Mitgliedstaaten brachten jedoch die Möglichkeit zur Sprache, die elterliche Verantwortung nicht nur in bezug auf die gemeinsamen Kinder der Ehegatten zu verstehen, sondern auch in bezug auf die sogenannten "Kinder der Familie", was beispielsweise die Kinder nur eines Ehegatten aus früheren Bindungen einbezogen hätte. Dieses Konzept kennt das englische, das schottische und das niederländische Recht. Es hat sich indessen die Vorstellung durchgesetzt, nur gemeinsame Kinder einzubeziehen, da es um Fragen der elterlichen Verantwortung geht, die sich in enger Verbindung mit einem Antrag auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe stellen. Eine andere Lösung hätte darüber hinaus die Grundrechte eines in einem anderen Mitgliedstaat lebenden zweiten Elternteils beeinträchtigen können. Davon ausgehend enthält Artikel 3 Absatz 3 Bestimmungen über den Zeitpunkt, zu dem die Zuständigkeit der Behörden des Staates, in dem über die Ehesache entschieden wird, für Fragen der elterlichen Verantwortung endet.

    Der Umstand, daß der Anwendungsbereich des Übereinkommens hinsichtlich der elterlichen Verantwortung auf Entscheidungen in bezug auf gemeinsame Kinder der Ehegatten beschränkt wurde, hindert die Mitgliedstaaten allerdings nicht an einem späteren Beschluß über die Anwendung identischer Zuständigkeitskriterien wie der in Artikel 3 genannten in bezug auf "Kinder der Familie", die nicht gemeinsame Kinder der Ehegatten sind. Unterdessen werden die für diese Kinder geltenden Zuständigkeitskriterien durch das Übereinkommen nicht berührt, womit für die Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in bezug auf diese Kinder das innerstaatliche Recht maßgeblich ist.

    26. Schließlich ist unter Berücksichtigung anderer internationaler Rechtstexte und im besonderen des Übereinkommens der Vereinten Nationen von 1989 über die Rechte des Kindes davon auszugehen, daß jedes Kind als Einzelperson zu behandeln ist. Dies bedeutet, daß hinsichtlich des Anwendungsbereichs des Übereinkommens zwar auf die elterliche Verantwortung für "die gemeinsamen Kinder" Bezug genommen wird, daß aber bei der konkreten Anwendung für jedes einzelne Kind die in Artikel 3 vorgesehenen Bedingungen erfuellt sein müssen.

    TITEL II B. Gerichtliche Zuständigkeit

    Erster Abschnitt Allgemeine Bestimmungen

    Artikel 2 Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und Ungültigerklärung einer Ehe

    27. Die gewählten Zuständigkeitsregeln gehorchen objektiven Erfordernissen, tragen den Interessen der Verfahrensparteien Rechnung, ermöglichen eine flexible Regelung, die der Mobilität der Personen angemessen ist, und dienen letztendlich einer Vereinfachung für den Bürger bei gleichzeitiger Wahrung der Rechtssicherheit. Angesichts der gestellten Anforderungen kann es nicht verwundern, daß dieser Artikel zusammen mit Artikel 3 sehr weitgehend im Mittelpunkt der langwierigen Beratungen über dieses Übereinkommen stand. Die gewählte Lösung ist bei einigen der festgelegten Zuständigkeitskriterien das Ergebnis eines heiklen Gleichgewichts. Es waren Kriterien für die Zuständigkeit in Ehesachen festzulegen, ohne auf die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallende Situation einzugehen, daß die Gültigkeit einer Ehe aufgrund eines Antrags auf deren Ungültigerklärung nach dem Tode eines oder beider Ehegatten zu prüfen ist. Derartige Fälle ergeben sich zumeist als Vorabentscheidungsfragen im Rahmen einer Erbsache. Ein solcher Fall unterliegt den einschlägigen internationalen Rechtsinstrumenten wie dem Haager Übereinkommen von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch oder der jeweiligen innerstaatlichen Rechtsordnung, sofern diese eine entsprechende Lösung anbietet.

    28. Im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1968, in dem es zu einem Zusammenspiel der allgemeinen Vorschriften nach Artikel 2 und der besonderen Zuständigkeiten nach Artikel 5 kommt, wurde es hier angesichts der Besonderheiten der Materie für sinnvoll erachtet, sowohl auf eine Bestimmung in Analogie zu Artikel 2 des Brüsseler Übereinkommens und dessen Allgemeinvorschrift bezüglich des Gerichtsstands als auch auf eine Rangordnung bei den festgelegten Kriterien zu verzichten. Der Verzicht auf einen allgemeinen Gerichtsstand zugunsten von im konkreten Fall möglichen Gerichtsständen ergibt sich logischerweise aus dem Umstand, daß aufgrund ehelicher Krisen immer häufiger eine sofortige Änderung der Lebenssituation eintritt.

    Diese Überlegungen haben dazu geführt, daß die gewählten Kriterien in dem im folgenden beschriebenen Sinne objektiver, alternativer und auschließlicher Natur sind.

    Artikel 2 enthält nur Kriterien objektiver Art, die der Prüfung nach Artikel 9 unterliegen. Daher kann, wenn ein Ehegatte seinen Antrag in einem Mitgliedstaat stellt, dessen Gerichte nach den Kriterien des Artikels 2 nicht zuständig sind, die Zuständigkeit dieser Gerichte nicht etwa darauf gegründet werden, daß sich der andere Ehegatte auf das Verfahren eingelassen hat; vielmehr hat das Gericht zu prüfen, ob seine Zuständigkeit gegeben ist oder nicht, und sich im letzteren Fall einer Entscheidung in der Sache zu enthalten. Bezüglich der Rolle, die der Wille der Ehegatten als Kriterium spielt, siehe nachstehend Nummer 31 in bezug auf Artikel 2 Absatz 1 Buchstabe a).

    Entsprechend sind alle Kriterien in Artikel 2 als Alternativmöglichkeiten aufgeführt, wobei auch die Einreihung unter Buchstabe a) oder Buchstabe b) keine Rangordnung begründet. Im Rahmen von Buchstabe a) wird zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit anders als im Brüsseler Übereinkommen von 1968, das sich auf den Wohnsitz stützt, der gewöhnliche Aufenthalt herangezogen. Buchstabe b) enthält unter Berücksichtigung der Besonderheiten bestimmter innerstaatlicher Rechtsordnungen als Zuständigkeitskriterium die Staatsangehörigkeit bzw. den "Wohnsitz" in dem Sinne, den der Begriff "domicile" im Vereinigten Königreich und in Irland hat. Im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (Artikel 52) wendet das angerufene Gericht zur Bestimmung des Ortes, an dem eine Partei ihren Wohnsitz hat, sein innerstaatliches Recht an. Es wurde erörtert, ob eine analoge Bestimmung in bezug auf den gewöhnlichen Aufenthalt aufgenommen werden sollte (siehe hierzu Nummer 31).

    29. Die in diesem Artikel aufgeführten Kriterien sind die einzigen, die für den betreffenden Verfahrensgegenstand herangezogen werden können, womit sie als "ausschließliche" Kriterien bezeichnet werden können (siehe hierzu die Erläuterungen zu Artikel 7). Allerdings darf diese Bezeichnung nicht im Sinne des Brüsseler Übereinkommens verstanden werden, demzufolge in gewissen, in dessen Artikel 16 genannten Bereichen allein die Gerichte eines bestimmten Staates zuständig sind und die übrigen Kriterien dann nebensächlich werden. Im vorliegenden Fall ist die Bezeichnung "ausschließlich" so zu verstehen, daß nur die genannten Kriterien angewandt werden dürfen, und zwar als Alternativmöglichkeiten und ohne jede Rangordnung untereinander. Es handelt sich also um eine erschöpfende Aufzählung. Deshalb war hier die Aufnahme einer Bestimmung wie der von Artikel 28 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 nicht erforderlich.

    30. Bei den Kriterien für die Zuständigkeit der Gerichte eines Staates für Entscheidungen in Ehesachen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, wird zwischen zwei Gruppen (Buchstabe a) und Buchstabe b)) unterschieden. Absatz 2 bezieht sich sodann auf Absatz 1 Buchstabe b) sowie auch auf den letzten Gedankenstrich von Buchstabe a) (zu den Wirkungen der Erklärung siehe Artikel 7 und Artikel 8 Absatz 2).

    Den aufgenommenen Kriterien liegt die Annahme zugrunde, daß eine faktische Bindung zwischen der betreffenden Person und einem Mitgliedstaat besteht. Bestimmte Kriterien wurden einbezogen, weil sie im Rahmen einzelner innerstaatlicher Rechtsordnungen existieren und von den übrigen Mitgliedstaaten akzeptiert wurden bzw. weil Lösungen gefunden werden mußten, die für alle annehmbar sind.

    31. Bei den unter Buchstabe a) aufgeführten Kriterien ist die Bestimmung der internationalen Zuständigkeit nach dem Ort des gewöhnlichen Aufenthalts der beiden Ehegatten zum Zeitpunkt der Antragstellung (erster Gedankenstrich) ein Kriterium, das in den Mitgliedstaaten bereits in starkem Maße zur Anwendung gelangt und das zweifellos in den allermeisten Fällen herangezogen werden wird. Ebenso unproblematisch ist das Kriterium des dritten Gedankenstrichs (gewöhnlicher Aufenthalt des Antragsgegners), da dieses das allgemeine Kriterium für die Zuständigkeit aufgrund des Prinzips actor sequitur ist. In starkem Maße konsensfähig war auch das Kriterium für den Fall eines gemeinsamen Antrags im vierten Gedankenstrich, wonach der Antrag bei den Gerichten des Landes des gewöhnlichen Aufenthalts eines der Ehegatten gestellt werden kann; in diesem Zusammenhang ist darauf hinzuweisen, daß - wiederum im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 - der Wille der Ehegatten eine geringe Rolle spielt und nur in dieser begrenzten Form Berücksichtigung findet; dies ist insofern logisch, als es hier um eherechtliche Streitigkeiten geht.

    32. Größere Probleme stellten sich hinsichtlich der Annahme der übrigen in Absatz 1 genannten Kriterien. So war zwar prinzipiell nichts dagegen einzuwenden, daß die Gerichte des Staates des letzten gewöhnlichen Aufenthalts der Ehegatten zuständig sind, sofern einer von ihnen dort noch seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (zweiter Gedankenstrich). Einige Mitgliedstaaten sahen hier jedoch ein Problem im Hinblick auf die Situation des anderen Ehegatten, der oft aufgrund der ehelichen Krise in das Land zurückkehrt, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er vor der Eheschließung wohnte, und der dann den Beschränkungen des fünften und des sechsten Gedankenstrichs unterliegt, die mit Sicherheit Auswirkungen im Bereich der Rechtshängigkeit haben werden (siehe Artikel 11).

    In diesen beiden Bestimmungen wird nämlich ausnahmsweise das forum actoris auf der Grundlage des gewöhnlichen Aufenthalts, wenn auch nur unter Zusatzbedingungen, zugelassen. So ermöglicht der fünfte Gedankenstrich die Zuständigkeit der Gerichte des Mitgliedstaats des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers, wenn dieser sich seit mindestens einem Jahr in diesem Staat aufgehalten hat. Da einige Mitgliedstaaten die so gewählte Lösung nicht für ausreichend hielten und unter Berücksichtigung des Umstands, daß ein Ehegatte häufig seinen neuen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat begründet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er seinen "Wohnsitz" im Sinne des Begriffs "domicile" des britischen und des irischen Rechts hat, wurde mit dem sechsten Gedankenstrich die Möglichkeit aufgenommen, daß die Gerichte des Staates des gewöhnlichen Aufenthalts des Antragstellers zuständig sind, wenn dieser sich seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung in diesem Staat aufgehalten hat und zudem dessen Staatsangehörigkeit besitzt bzw. dort seinen Wohnsitz im Sinne des britischen und des irischen Rechts hat. Letztere Bestimmung wurde im Gefolge des im Dezember 1997 erzielten politischen Einvernehmens eingefügt, nachdem einige Mitgliedstaaten in aller Form mitgeteilt hatten, daß die Annahme dieser Zuständigkeitsregel im Hinblick auf einen Gesamtkompromiß ein unerläßliches Element von größter Bedeutung sei.

    Die Lösung trägt der Situation des Ehegatten Rechnung, der in sein Herkunftsland zurückkehrt, ohne daß damit ein Kriterium eingeführt würde, das sich ausschließlich auf den Gerichtsstand des Antragstellers stützt: Zum einen wird mit der Staatsangehörigkeit bzw. dem Wohnsitz eine erste Bindung zu dem betreffenden Mitgliedstaat unter Beweis gestellt; zum anderen muß der Antragsteller sich seit mindestens sechs Monaten unmittelbar vor der Antragstellung in diesem Staat aufgehalten haben. Letztere Anforderung löste eine Diskussion speziell zu der Frage aus, wie im Fall eines Ehegatten, der aufgrund einer ehelichen Krise in sein Herkunftsland zurückkehrt, der gewöhnliche Aufenthalt zu bestimmen ist. Das Bestehen einer derartigen Bindung ist vom Gericht zu beurteilen. Es wurde zwar in Erwägung gezogen, eine Vorschrift zur Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts in Analogie zu Artikel 52 des Brüsseler Übereinkommens betreffend die Bestimmung des Wohnsitzes aufzunehmen, doch wurde schließlich beschlossen, dies nicht zu tun. Indessen wurde dem Umstand besonders Rechnung getragen, daß der Gerichtshof bei verschiedenen Gelegenheiten - wenn auch nicht bezüglich des Brüsseler Übereinkommens von 1968 - folgende Definition des ständigen Wohnsitzes gegeben hat: "der Ort, den der Betroffene als ständigen oder gewöhnlichen Mittelpunkt seiner Lebensinteressen in der Absicht gewählt hat, ihm Dauerhaftigkeit zu verleihen, wobei für die Feststellung dieses Wohnsitzes alle hierfür wesentlichen tatsächlichen Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind." Verworfen wurden somit Vorschläge, es als ausreichend zu betrachten, wenn der Antragsteller mindestens während eines Gesamtzeitraums von einem Jahr innerhalb des der Antragstellung unmittelbar vorausgehenden Fünfjahreszeitraums seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem jeweiligen Staat hatte, selbst mit der Zusatzbedingung, daß er dessen Staatsangehöriger ist bzw. dort seinen Wohnsitz hat.

    Im übrigen ist zu hoffen, daß das gegenseitige Vertrauen, das bei der Ausarbeitung dieses neuen Übereinkommens ebenso wie bereits beim Brüsseler Übereinkommen von 1968 Pate stand, stärker wiegt als noch vorhandene Bedenken gegen die Möglichkeit, daß die Gerichte eines anderen Staates in einer Sache entscheiden.

    33. Ebenfalls alternativ zu den bisher genannten Kriterien, jedoch aus Gründen der Systematik getrennt, wird die Möglichkeit aufgeführt (Absatz 1 Buchstabe b)), daß die Ehesache den Gerichten des Staates vorgelegt wird, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen oder in dem sie auf Dauer ihren gemeinsamen Wohnsitz genommen haben. Diese Bestimmung verdient besondere Aufmerksamkeit und bedarf gesonderter Erläuterungen.

    Zunächst ist die Anforderung hervorzuheben, daß es sich um die gemeinsame Staatsangehörigkeit oder den gemeinsamen Wohnsitz beider Ehegatten handeln muß. Einige Mitgliedstaaten waren dafür, auch die Möglichkeit zuzulassen, daß nur einer der Ehegatten diese Bedingung erfuellt. Davon wurde jedoch Abstand genommen, da auf diese Weise ein reines forum actoris begründet worden wäre, bei dem in vielen Fällen keinerlei faktische Bindung zu dem betreffenden Staat bestanden hätte, womit gegen den Geist des Übereinkommens verstoßen worden wäre.

    Der Umstand, daß die Möglichkeit eingeräumt wird, daß sich mit der Sache die Gerichte des Staates befassen, dessen Staatsangehörigkeit beide Ehegatten besitzen oder in dem beide Ehegatten ihren Wohnsitz haben, bedeutet nicht, daß die Gerichte in jedem Fall frei nach dem einen oder anderen Kriterium vorgehen können. Vielmehr haben sich die Mitgliedstaaten nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Rechtsordnung für das eine oder das andere Kriterium zu entscheiden. Das heißt, daß beispielsweise für Spanien die gemeinsame Staatsangehörigkeit in Frage kommen kann, für das Vereinigte Königreich und Irland hingegen das Kriterium des Wohnsitzes.

    Entsprechend wird in Artikel 2 Absatz 2 vorgeschrieben, daß die einzelnen Mitgliedstaaten zum Zeitpunkt der Annahme des Übereinkommens in einer Erklärung angeben, ob sie im Rahmen von Absatz 1 Buchstabe b) das Kriterium der Staatsangehörigkeit oder das des Wohnsitzes anwenden.

    Das Übereinkommen sagt nichts über die Auswirkungen einer doppelten Staatsangehörigkeit aus, womit die Gerichte jedes Staates demnach im Rahmen der diesbezüglichen allgemeinen Gemeinschaftsbestimmungen die jeweiligen innerstaatlichen Vorschriften anzuwenden haben.

    34. Probleme bei der Übersetzung des Übereinkommens in die verschiedenen Sprachen verlangten eine gewisse Präzisierung des Begriffs "Wohnsitz", die nur dieses Übereinkommen betrifft. Diese erfolgt in Artikel 2 Absatz 3. Die Schwierigkeiten und Klärungen im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 wurden bereits erwähnt und sind somit bekannt. Die dort aufgestellten Kriterien konnten jedoch im Fall des neuen Übereinkommens insofern nicht übernommen werden, da dieses Ehesachen betrifft und daher auch die Staatsangehörigkeit als Kriterium zur Bestimmung der internationalen Zuständigkeit einzubeziehen war. Während indessen die Staatsangehörigkeit ein Kriterium ist, dessen Bedeutung kaum Schwierigkeiten aufwirft, ist die Situation weitaus komplexer in bezug auf den Begriff "Wohnsitz", der mit der Bedeutung aufgenommen wurde, die der Begriff "domicile" im britischen und im irischen Recht hat. Zur Hervorhebung seiner Sonderbedeutung erscheint der Begriff daher auch in der Mehrzahl der Sprachfassungen in Anführungszeichen. Er ist also keinesfalls mit dem ebenfalls in Absatz 1 verwendeten Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts gleichzusetzen.

    Die Delegation des Vereinigten Königreichs hat in einem ausführlichen Dokument Erläuterungen zu dem Konzept des domicile gegeben, die sich allein auf die Anwendung dieses Übereinkommens beziehen und keinen Anspruch auf eine erschöpfende Darlegung des Begriffs erheben. Der Hauptzweck des domicile besteht darin, eine Person dem Land zuzuordnen, in dem sie auf Dauer oder auf unbefristete Zeit ihren Wohnsitz genommen hat. Auf der Grundlage dieses Konzepts wird diese Person für verschiedene häufige Zwecke, vor allem in wichtigen Fragen der familiären Beziehungen und des Familienvermögens, der Rechtsordnung dieses Landes unterworfen. Die Rechtsvorschriften des Vereinigten Königreichs zielen darauf ab, daß jede Person jederzeit ein und nur ein domicile hat. Zu diesem Zweck bestehen neben Vorschriften zur Bestimmung des domicile von Kindern (domicile of origin) auch Vorschriften zur Festlegung des domicile von Erwachsenen, und zwar sowohl hinsichtlich der Begründung eines neuen domicile (domicile of choice) als auch hinsichtlich einer Wiederbegründung des ursprünglichen domicile (revival of the domicile of origin). Dieselben Grundsätze gelten für das irische Recht.

    Artikel 3 Elterliche Verantwortung

    35. Nachdem in Artikel 1 geklärt wurde, daß in den Anwendungsbereich des Übereinkommens auch Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung (zur Verwendung dieses Begriffs siehe die Erläuterungen zu Artikel 1) aus Anlaß von Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe fallen, wird in Artikel 3 festgelegt, wann und unter welchen Umständen die Stellen des Staates, dessen Gerichte nach den in Artikel 2 aufgestellten Kriterien für eine Entscheidung in der Ehesache zuständig sind, auch zuständig sind, um Entscheidungen bezüglich der elterlichen Verantwortung für die gemeinsamen Kinder zu erlassen. Zu diesem Zweck wurde Artikel 3 in drei Absätze aufgegliedert, wovon die beiden ersten dazu dienen, die Zuständigkeit der Stellen des Staates, dessen Gerichte für die Entscheidung in der Ehesache zuständig sind, zu verankern, im Fall des zweiten Absatzes bezüglich der Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem Staat haben. Im dritten Absatz wird die zeitliche Begrenzung dieser Zuständigkeit geregelt.

    36. Aufbau und Inhalt dieser Bestimmung sind das Ergebnis schwieriger Verhandlungen, sowohl unter dem gemeinschaftsinternen Aspekt als auch im Hinblick auf die über die Gemeinschaft hinausgehenden internationalen Beziehungen und insbesondere das Haager Übereinkommen von 1996. Die Vereinbarkeit mit letzterem wird jedoch dadurch erleichtert, daß beschlossen wurde, daß das hier behandelte Übereinkommen nur für die Kinder gilt, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem der Mitgliedstaaten haben.

    Nachdem zwischen den Mitgliedstaaten die Frage der Einbeziehung dieses Aspekts in den Anwendungsbereich des Übereinkommens geregelt war, verlagerte sich die Problematik auf die Festlegung der Zuständigkeitskriterien, denn es stellten sich zwar keine Schwierigkeiten für den Fall, daß das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Staat hat, dessen Gerichte für die Ehesache zuständig sind, wohl aber für den, daß das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat.

    Nun wird aber - was die Sache noch komplexer machte - in Artikel 52 Absatz 2 des Haager Übereinkommens von 1996 gesagt, daß "dieses Übereinkommen die Möglichkeit unberührt läßt, daß ein oder mehrere Vertragsstaaten Vereinbarungen treffen, die Bestimmungen über die in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten enthalten", sofern sich diese Vereinbarungen auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der Staaten, die Vertragsparteien solcher Vereinbarungen sind, beschränken. Daraus ergibt sich also, daß ab dem Zeitpunkt, zu dem beide Übereinkommen in Kraft sind, das hier behandelte Übereinkommen in bezug auf Kinder mit gewöhnlichem Aufenthalt in einem der ihm beigetretenen Mitgliedstaaten der Europäischen Union Vorrang hat, während in den übrigen Fällen das Haager Übereinkommen gilt.

    37. Artikel 3 Absatz 1 ist in dieser Beziehung insofern völlig unproblematisch, als hier die internationale Zuständigkeit in bezug auf Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung für ein gemeinsames Kind der Ehegatten festgelegt wird, das seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem Mitgliedstaat hat, dessen Gerichte auch für die Entscheidung in der Ehesache zuständig sind. Es ist festzuhalten, daß dies keineswegs bedeutet, daß in diesem Staat dieselbe Stelle in der Ehesache und hinsichtlich der elterlichen Verantwortung zu entscheiden hat; der Sinn der Bestimmung liegt vielmehr lediglich darin, daß die Entscheidung in beiden Fragen Stellen ein und desselben Mitgliedstaates obliegt. Tatsächlich wird es sich dabei in einigen Mitgliedstaaten um dieselbe Stelle, in anderen um unterschiedliche Stellen handeln. Für die Zwecke des Übereinkommens ist allein maßgeblich, daß es sich um Stellen ein und desselben Mitgliedstaats handelt, während alles übrige der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung überlassen bleibt.

    38. In Absatz 2 wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen die Stellen des Staates, dessen Gerichte für die Entscheidung über die Ehescheidung zuständig sind, auch die Zuständigkeit für die Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung haben, wenn das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt nicht in diesem, sondern in einem anderen Mitgliedstaat hat. Für diesen Fall enthält Absatz 2 die zweifache Anforderung, daß zumindest einer der Ehegatten die elterliche Verantwortung für das Kind hat und daß die Zuständigkeit der betreffenden Gerichte von den Ehegatten anerkannt worden ist und im Einklang mit dem Wohl des Kindes steht. Diese Bestimmung ist Artikel 10 Absatz 1 des Haager Übereinkommens von 1996 entnommen, womit gewährleistet wird, daß es nicht zu einem Widerspruch zwischen Artikel 3 Absatz 2 des hier behandelten Übereinkommens und den einschlägigen Bestimmungen des Haager Übereinkommens von 1996 kommt. Die Bestimmung des Haager Übereinkommens ist nahezu gleichlautend, wobei nur in bezug auf die Eltern vorgeschrieben wird, daß einer von ihnen zu Beginn des Verfahrens seinen gewöhnlichen Aufenthalt in dem betreffenden Staat und ein Elternteil die elterliche Verantwortung für das Kind haben muß.

    Dieser Unterschied ergibt sich aus dem Gegenstand der beiden Übereinkommen: Während das Haager Übereinkommen den Schutz von Kindern betrifft, bezieht sich das hier behandelte Übereinkommen auf Ehesachen, bei denen sich die Bindung der Eltern in bezug auf einen Staat zur Bestimmung der diesbezüglichen Zuständigkeit aus den in Artikel 2 aufgestellten Kriterien ergibt. In Artikel 3 Absatz 2 geht es nur darum, eine Antwort auf einen besonderen Sachverhalt zu finden, und die beste Lösung war dabei in der Tat, die Kriterien des Haager Übereinkommens von 1996 aufzugreifen.

    39. In dem Übereinkommen wurde Abstand davon genommen, eine perpetuatio jurisdictionis des Gerichtsstands der Ehescheidung in bezug auf den Schutz der gemeinsamen Kinder zu begründen; daher wird in Absatz 3 geregelt, wann die nach den Absätzen 1 und 2 gegebene Zuständigkeit endet, wobei je nach Fall einer von drei Gründen vorliegen kann. Diese Bestimmung lehnt sich an Artikel 10 Absatz 2 des Haager Übereinkommens von 1996 an, womit jeglicher Widerspruch zwischen beiden Texten ausgeschlossen werden sollte.

    a) Buchstabe a) betrifft den Regelfall, daß die Entscheidung in der Ehesache rechtskräftig geworden ist, d. h. daß es nicht mehr möglich ist, Berufung oder irgendeinen anderen Rechtsbehelf gegen sie einzulegen. Ab diesem Zeitpunkt finden die Absätze 1 und 2 keine Anwendung mehr, es sei denn, der in Buchstabe b) genannte Fall liegt vor. Die elterliche Verantwortung ist dann nach dem innerstaatlichen Recht oder den einschlägigen internationalen Übereinkünften zu regeln.

    b) Neben diesen Regelfall wird in Buchstabe b) - unbeschadet der unter Buchstabe c) enthaltenen Restvorschrift - der Fall gestellt, daß zu dem Zeitpunkt, zu dem die Entscheidung in der Ehesache rechtskräftig wird, d. h. in keiner Weise mehr angefochten werden kann, noch ein Verfahren bezüglich der elterlichen Verantwortung anhängig ist; in diesem Fall ist der Zeitpunkt maßgeblich, zu dem die Entscheidung in diesem die elterliche Verantwortung betreffenden Verfahren rechtskräftig wird; die Zuständigkeit hinsichtlich der elterlichen Verantwortung kann also ausgeübt werden, auch wenn die Entscheidung über die Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe bereits rechtskräftig geworden ist. Eine derartige Bestimmung war insofern erforderlich, als vorstellbar ist, daß bei einer Behandlung durch verschiedene Stellen innerhalb desselben Landes oder sogar durch ein und dieselbe Stelle die Entscheidung in der Ehesache bereits rechtskräftig ist, während das Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung noch nicht abgeschlossen ist. Daher endet die diesbezügliche Zuständigkeit erst bei Abschluß des letzteren Verfahrens. Dabei wird davon ausgegangen, daß ein einmal eingeleitetes Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung fortzuführen ist, bis eine endgültige Entscheidung ergeht. Aufgrund des Umstands, daß der Antrag in der Ehesache beschieden wurde, darf weder bei den Eltern noch bei den Kindern die Erwartung enttäuscht werden, daß das Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung in dem Mitgliedstaat abgeschlossen werden kann, in dem es eingeleitet wurde. Obwohl dies nicht ausdrücklich gesagt wird, soll so erreicht werden, daß es zwar nicht zu einer perpetuatio jurisdictionis kommt, daß aber auch ein aus Anlaß einer Ehesache anhängiges Verfahren betreffend die elterliche Verantwortung nicht unterbrochen wird.

    c) Buchstabe c) enthält eine Rest- bzw. Sondervorschrift für den Fall, daß das Verfahren aus einem anderen Grund beendet wurde (wenn beispielsweise der Scheidungsantrag zurückgezogen wird oder einer der Ehegatten stirbt).

    Artikel 4 Internationale Kindesentführung

    40. Eine und möglicherweise die schwerwiegendste Eventualität in bezug auf den Schutz der gemeinsamen Kinder bei ehelichen Krisen ist die Gefahr, daß das Kind von einem Elternteil aus dem Land seines gewöhnlichen Aufenthalts entführt wird, mit allen Folgen, die dies für die Stabilität und die Sicherheit des Kindes mit sich bringt. Bei der Behandlung dieser Problematik kommt dem Haager Übereinkommen vom 25. Oktober 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung besondere Bedeutung zu. Allerdings können Übereinkommen zum Schutz von Kindern wie das Haager Übereinkommen von 1996 oder das hier behandelte Übereinkommen betreffend Ehesachen, das Fragen des Schutzes der gemeinsamen Kinder bei ehelichen Krisen einbezieht, nachteilige Auswirkungen hinsichtlich der Rückgabe von Minderjährigen haben, wenn nicht geeignete Vorkehrungen getroffen werden. Dies ist der Sinn des Artikels 4 des hier behandelten Übereinkommens.

    41. Es wurde eine besondere Zuständigkeitsvorschrift eingeführt, die auf das Haager Übereinkommen von 1980 Bezug nimmt, womit eine andere Situation als in Artikel 39 betreffend das Verhältnis zu bestimmten anderen Übereinkommen entsteht. Denn während dort dem hier behandelten Übereinkommen Vorrang gegenüber anderen Übereinkommen zwischen den Staaten, die diesen ebenfalls angehören, eingeräumt wird, enthält Artikel 4 die Bestimmung, daß die aus Artikel 3 erwachsende Zuständigkeit in den Grenzen auszuüben ist, die durch das Haager Übereinkommen von 1980 und insbesondere dessen Artikel 3 und 16 vorgegeben sind. Damit wird gewährleistet, daß der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes weiterhin als Zuständigkeitskriterium dienen kann, auch wenn infolge eines widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens faktisch eine Änderung des Aufenthaltsorts eingetreten ist.

    Die Erwähnung dieser beiden Artikel ist aus verschiedenen Gründen von Bedeutung. Zum einen deshalb, weil Artikel 3 des Haager Übereinkommens von 1980 besagt, daß das Verbringen oder Zurückhalten eines Minderjährigen als widerrechtlich gilt, wenn

    "a) dadurch das Sorgerecht verletzt wird, das einer Person, Behörde oder sonstigen Stelle allein oder gemeinsam nach dem Recht des Staates zusteht, in dem das Kind unmittelbar vor dem Verbringen oder Zurückhalten seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, und

    b) dieses Recht im Zeitpunkt des Verbringens oder Zurückhaltens allein oder gemeinsam tatsächlich ausgeübt wurde oder ausgeübt worden wäre, falls das Verbringen oder Zurückhalten nicht stattgefunden hätte.

    Das unter Buchstabe a) genannte Sorgerecht kann insbesondere kraft Gesetzes, aufgrund einer gerichtlichen oder behördlichen Entscheidung oder aufgrund einer nach dem Recht des betreffenden Staates wirksamen Vereinbarung bestehen."

    Zum anderen ist diese Bezugnahme insofern wichtig, als Artikel 16 über die für das hier behandelte Übereinkommen relevanten Auswirkungen des widerrechtlichen Verbringens oder Zurückhaltens eines Kindes folgendes aussagt:

    "Ist den Gerichten oder Verwaltungsbehörden des Vertragsstaats, in den das Kind verbracht oder in dem es zurückgehalten wurde, das widerrechtliche Verbringen oder Zurückhalten des Kindes im Sinn des Artikels 3 mitgeteilt worden, so dürfen sie eine Sachentscheidung über das Sorgerecht erst treffen, wenn entschieden ist, daß das Kind aufgrund dieses Übereinkommens nicht zurückzugeben ist, oder wenn innerhalb angemessener Frist nach der Mitteilung kein Antrag nach dem Übereinkommen gestellt wird."

    Der dem Artikel 16 des Haager Übereinkommens eingeräumte Vorrang verhindert damit, obwohl der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts sich geändert hat und daher daran gedacht werden könnte, die Kriterien des hier behandelten Übereinkommens anzuwenden, daß in die elterliche Verantwortung eingreifende Maßnahmen getroffen werden, bevor über die Frage der Rückgabe des Kindes entschieden wurde.

    Dieser Artikel geht davon aus, daß die Mitgliedstaaten Vertragsparteien des Haager Übereinkommens von 1980 sind. Daher hätten künftige neue Mitgliedstaaten bei einem Beitritt auch dem Haager Übereinkommen von 1980 beizutreten, wenn sie noch nicht Vertragspartei desselben sind.

    Artikel 5 Gegenantrag

    42. Diese Bestimmung enthält die übliche Vorschrift bezüglich des Gegenantrags in dem Sinne, daß dem Gericht, bei dem der ursprüngliche Antrag anhängig ist, auch die Zuständigkeit für einen eventuellen Gegenantrag zufällt. Wegen der Begrenzung des Anwendungsbereichs des Übereinkommens und des Umstands, daß die darunter fallenden Angelegenheiten häufig mit anderen Rechtssachen verknüpft sind, war die Einschränkung erforderlich, daß diese Regel nur gilt, sofern beide Anträge in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Diese Bestimmung ist in Beziehung zu setzen zu Artikel 11 (siehe die Erläuterungen zu diesem Artikel betreffend die Rechtshängigkeit), der einen anderen Sachverhalt beschreibt, wenn auch die Wirkungen in vielen Fällen dieselben sein können.

    Artikel 6 Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung

    43. In bestimmten Rechtssystemen kommt es recht häufig vor, daß eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung umgewandelt wird. Im besonderen ist in einigen Staaten die Trennung ein unerläßlicher erster Schritt für die spätere Erwirkung der Ehescheidung, wobei in aller Regel vorgeschrieben wird, daß zwischen der Erwirkung der Trennung und der Ehescheidung ein gewisser Zeitraum liegt. Diese Unterscheidung ist anderen Rechtssystemen hingegen fremd.

    Die Gruppe "Erweiterung des Brüsseler Übereinkommens" einigte sich auf die Formulierung dieser Vorschrift, nachdem sie geprüft hatte, ob es eventuell weitere Fälle gibt, in denen Anträge auf Ergänzung oder Aktualisierung einer Entscheidung in einer Ehesache gestellt werden könnten. Das Ergebnis dieser Prüfung war die Feststellung, daß diese Bestimmung allein den Fall der Umwandlung einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes in eine Ehescheidung zu erfassen hat.

    In derartigen Fällen ermöglicht die Bestimmung des Übereinkommens, die Ehescheidung entweder in dem Staat, dessen Gerichte gemäß Artikel 2 zuständig sind, oder in dem Staat, in dem die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ausgesprochen wurde, zu erwirken, wobei zugrunde gelegt wird, daß die Möglichkeit einer derartigen Umwandlung an sich nicht aus Übereinkommen resultiert, sondern im innerstaatlichen materiellen Recht des betreffenden Staates vorgesehen sein muß.

    Artikel 7 Ausschließlicher Charakter der Zuständigkeiten nach den Artikeln 2 bis 6

    44. Auf die wesentlichen Merkmale der Zuständigkeitsregeln des Übereinkommens, d. h. daß nur die in den Artikeln 2 bis 6 aufgeführten Kriterien als Alternativmöglichkeiten und ohne jede Rangordnung untereinander angewandt werden dürfen, wurde bereits in den Erläuterungen zu Artikel 2 (siehe Nummer 29) hingewiesen. In Artikel 7 wird nun speziell auf den ausschließlichen und ausschließenden Charakter abgestellt, der für alle in den vorhergehenden Artikeln enthaltenen Kriterien im Hinblick auf die Bestimmung der Zuständigkeit der Gerichte eines Staates gilt. Dabei ist zu berücksichtigen, daß sich der ausschließliche Charakter der Zuständigkeitsregeln auf Ehesachen und Fragen der elterlichen Verantwortung in Verbindung mit diesen bezieht, nicht hingegen auf die Zuständigkeitsregeln für den Fall, daß es unabhängig von einer Ehesache um den Schutz von Minderjährigen geht. Der ausschließende Charakter ist unbeschadet der in Artikel 8 Absatz 1 und Artikel 38 Absatz 2 enthaltenen Bestimmungen zu verstehen.

    45. Nachdem in Artikel 2 als Kriterium festgelegt wurde, daß der gewöhnliche Aufenthalt eines Ehegatten unter den dort genannten Bedingungen oder aber die Staatsangehörigkeit bzw. der Wohnsitz (siehe Erklärung nach Artikel 2 Absatz 2, auf die unter Nummer 33 eingegangen wurde) gegeben sein muß, bestimmt Artikel 7, daß ein Gericht nur nach Maßgabe der vorangegangenen Artikel angerufen werden darf. Diese Einschränkung der Zuständigkeitsregeln führt zu den in Artikel 8 behandelten Restzuständigkeiten. So sind, wenn das Vereinigte Königreich das Kriterium des Wohnsitzes und Spanien das der Staatsangehörigkeit wählt, für einen Ehegatten britischer Staatsangehörigkeit mit Wohnsitz in Spanien und gewöhnlichem Aufenthalt in Brasilien die Bedingungen von Artikel 7 nicht erfuellt, während er durchaus Gegenstand eines Antrags sein kann, der nach Artikel 8 gestellt wird.

    Artikel 8 Restzuständigkeiten

    46. Dieser Artikel entspricht den exorbitanten Zuständigkeitsregeln der Artikel 3 und 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. Es sind jedoch Unterschiede zu jenem Übereinkommen festzustellen. Aufgrund der Merkmale der in den vorangegangenen Artikeln vorgesehenen Zuständigkeitsregeln erübrigte sich eine Bestimmung wie Artikel 3 des Brüsseler Übereinkommens von 1968.

    47. Im Anschluß an die Bestimmungen des Artikels 7 (ausschließlicher Charakter der Zuständigkeiten nach den Artikeln 2 bis 6) nimmt dieser Artikel auf die Zuständigkeitsvorschriften des einzelstaatlichen Rechts Bezug, die nur im Rahmen dieses Artikels zur Anwendung gelangen können. Einige Mitgliedstaaten waren der Auffassung, daß sich die Zuständigkeit in den Fällen, in denen einer der beiden Ehegatten in einem Nichtmitgliedstaat wohnt und keines der Zuständigkeitskriterien des Übereinkommens erfuellt ist, nach dem Recht bestimmen müßte, das in dem jeweils betroffenen Mitgliedstaat gilt. Im Gegensatz dazu wurde eine vom Integrationsgedanken geprägte Lösung gewählt, wonach der Antragsteller, der Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats hat, in diesen Fällen die innerstaatlichen Vorschriften dieses Staates wie ein Inländer geltend machen kann. Voraussetzung dafür ist, daß der Antragsgegner weder seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat noch die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzt oder seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat hat, je nachdem, welches Kriterium aufgrund der Erklärung nach Artikel 2 Absatz 2 gilt (siehe oben).

    Diese Zuständigkeiten wurden unter Berücksichtigung ihres Charakters und ihrer Stellung im Rahmen der im Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeitskriterien "Restzuständigkeiten" genannt. Diese Bezeichnung wurde der Formulierung "über die Grenzen der Gemeinschaft hinausgehende Rechtsstreitigkeiten" vorgezogen. Aufgrund der Funktion, die dieser Artikel erfuellt und die der des Artikels 4 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 gleicht, wurde im Unterschied zu dessen Artikel 3 auf eine Aufzählung dieser Zuständigkeiten verzichtet.

    Einige Mitgliedstaaten, wie z. B. die Niederlande, kennen in ihrem innerstaatlichen Recht keine Zuständigkeit, die im Verhältnis zu Artikel 2 des Übereinkommens als "Restzuständigkeit" bezeichnet werden könnte.

    In anderen Rechtsordnungen gibt es hingegen durchaus Zuständigkeiten dieser Art. Folgende Beispiele können angeführt werden:

    Für Deutschland können als Restzuständigkeiten die in § 606a Nummern 1, 3 und 4 der Zivilprozeßordnung vorgesehenen Zuständigkeiten bezeichnet werden, wonach die deutschen Gerichte international zuständig sind, wenn 1. ein Ehegatte Deutscher ist oder bei der Eheschließung war, 2. ein Ehegatte Staatenloser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Deutschland ist oder 3. ein Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, es sei denn, daß die zu fällende Entscheidung offensichtlich nach dem Recht keines der Staaten anerkannt würde, denen einer der Ehegatten angehört.

    Für Finnland gilt nach Artikel 8 des Gesetzes über bestimmte familienrechtliche Situationen mit internationalen Aspekten ("Laki eräistä kansainvälisluontoisista perheoikeudellisista suhteista"/"Lag angående vissa familjerättsliga förhållanden av internationell natur") in der Fassung von 1987, daß die finnischen Gerichte auch dann, wenn keiner der Ehegatten seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Finnland hat, für die Ehesache zuständig sind, sofern die Gerichte des Staates, in dem der eine oder der andere Ehegatte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, unzuständig sind oder sofern deren Befassung unvertretbare Schwierigkeiten verursachen würde und es unter Berücksichtigung der Umstände angebracht erscheint, die Zuständigkeit zu übernehmen (forum conveniens).

    Für Spanien gibt es diesbezüglich nur eine Bestimmung in Artikel 22 Absatz 3 der Gerichtsordnung (Ley Orgánica del Poder Judicial) vom 1. Juli 1985, derzufolge der Antrag in Spanien gestellt werden kann, wenn der Antragsteller die spanische Staatsangehörigkeit besitzt und in Spanien wohnt, ohne daß eine der Voraussetzungen nach Artikel 2 Absatz 1 des Übereinkommens erfuellt ist, sowie die in Artikel 22 Absatz 2 vorgesehene ausdrückliche oder stillschweigende Anerkennung der Zuständigkeit der spanischen Gerichte. Die übrigen Kriterien der spanischen Vorschriften über die internationale Zuständigkeit in Ehesachen sind auch im Übereinkommen enthalten, nämlich die Fälle, daß beide Ehegatten zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Spanien haben oder daß beide Ehegatten, unabhängig von ihrem gewöhnlichen Aufenthalt, die spanische Staatsangehörigkeit besitzen, sofern sie ihren Antrag gemeinsam stellen oder ein Ehegatte ihn mit Zustimmung des anderen stellt.

    In Frankreich sind aufgrund von Artikel 14 des Zivilgesetzbuchs (Code civil) die französischen Gerichte zuständig, wenn der Antragsteller die französische Staatsangehörigkeit besitzt.

    Was Irland betrifft, so besteht eine Zuständigkeit der irischen Gerichte für die Ungültigerklärung einer Ehe (Artikel 39 des Gesetzes von 1995 über das Familienrecht - Family Law Act), für eine Ehescheidung (Artikel 39 des Gesetzes von 1996 über das Scheidungsrecht - Family Law (Divorce) Act) bzw. für eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (Artikel 31 des Gesetzes von 1989 über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Änderung des Familienrechts - Judicial Separation and Family Law Reform Act), wenn einer der Ehegatten zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens seinen Wohnsitz im Sinne von Artikel 2 Absatz 3 in Irland hat.

    In Italien gründen sich die Restzuständigkeiten auf die Artikel 3, 4, 32 und 37 des Gesetzes Nr. 218 vom 31. Mai 1995 zur Änderung der italienischen Vorschriften betreffend das internationale Privatrecht.

    Im Vereinigten Königreich ist zwischen Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Ungültigerklärung einer Ehe oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes einerseits und Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung aus Anlaß derartiger Verfahren andererseits zu unterscheiden. In bezug auf Verfahren betreffend die Ehescheidung, die Ungültigerklärung einer Ehe oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes fallen unter diesen Artikel die Kriterien, die darauf basieren, daß eine der Parteien zum Zeitpunkt der Antragstellung ihren Wohnsitz im Vereinigten Königreich hat oder dort während eines Jahres unmittelbar vor diesem Zeitpunkt ihren gewöhnlichen Aufenthalt hatte. Bei Verfahren betreffend die Ehescheidung oder die Trennung sind die schottischen Sheriff Courts zuständig, wenn eine der Parteien in dem betreffenden Gerichtsbezirk in den 40 Tagen unmittelbar vor der Antragstellung gewohnt hat oder dort während eines Zeitraums von mindestens 40 Tagen, dessen Ende gegenüber dem Zeitpunkt der Antragstellung nicht mehr als 40 Tage zurückliegt, gewohnt hat und zu diesem Zeitpunkt keinen bekannten Aufenthalt in Schottland hat. Für Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung aus Anlaß von Entscheidungen über die Ehescheidung, die Ungültigerklärung einer Ehe oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes sind die Gerichte des Vereinigten Königreichs, einschließlich der Sheriff Courts in Schottland, zuständig, wobei sie jedoch in dem Fall, daß bei einem ausländischen Gericht ein entsprechendes Verfahren anhängig ist, einen weiten Ermessensspielraum besitzen, um sich für unzuständig zu erklären, solange das ausländische Verfahren weiter betrieben wird, und zwar vor einem Gericht, das nach dessen innerstaatlichem Recht zuständig ist.

    Im Fall von Schweden sind die Regeln für die Zuständigkeit der schwedischen Gerichte für Ehescheidungen in dem Gesetz von 1904 über bestimmte Fragen des internationalen Rechts in bezug auf Ehe und Vormundschaft (Lag om vissa internationella rättsförhållanden rörande äktenskap och förmynderskap) in der Fassung von 1973 enthalten. Was Artikel 8 des Übereinkommens anbelangt, so sind die schwedischen Gerichte für eine Ehescheidung zuständig, wenn beide Ehegatten schwedische Staatsangehörige sind, wenn der Antragsteller schwedischer Staatsangehörigkeit ist und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Schweden hat oder zu irgendeinem Zeitpunkt nach Erreichung seines achtzehnten Lebensjahrs dort hatte oder aber die Regierung die Genehmigung erteilt, daß über die Sache in Schweden entschieden wird. Eine solche Genehmigung kann von der Regierung nur dann erteilt werden, wenn einer der beiden Ehegatten schwedischer Staatsangehörigkeit ist oder wenn es dem Antragsteller unmöglich ist, die Gerichte des Staates anzurufen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

    48. Ausgehend von den in den Artikeln 2 bis 6 des Übereinkommens enthaltenen Zuständigkeitskriterien wird in Artikel 8 Absatz 1 die Trennungslinie zwischen diesen Kriterien des Übereinkommens mit Ausschließlichkeitscharakter und der Anwendbarkeit der innerstaatlichen Zuständigkeitsvorschriften gezogen, so daß die geographischen Grenzen des Übereinkommens deutlich werden. Die in Artikel 8 Absatz 2 vorgesehenen Voraussetzungen können wie folgt erläutert werden:

    a) Der Antragsteller muß Staatsangehöriger eines Mitgliedstaats sein und seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat haben. Damit wird der Grundsatz der Gleichstellung zwischen den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten für die Zwecke des Absatzes 1 niedergelegt.

    b) In bezug auf den Antragsgegner müssen zwei Bedingungen erfuellt sein: einerseits muß er seinen gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb der Mitgliedstaaten haben; andererseits darf er nicht (nach Maßgabe der in Artikel 2 Absatz 2 vorgesehenen Erklärung) die Staatsangehörigkeit eines Mitgliedstaats besitzen beziehungsweise seinen Wohnsitz in einem Mitgliedstaat haben. Beide Bedingungen müssen erfuellt sein, da sonst das eine oder andere Zuständigkeitskriterium nach Artikel 2 anzuwenden wäre.

    Zweiter Abschnitt C. Prüfung der Zuständigkeit und der Zulässigkeit des Verfahrens

    Artikel 9 Prüfung der Zuständigkeit

    49. Es ist zu unterstreichen, daß es im Rahmen des Übereinkommens von ganz besonderer Bedeutung ist, daß das in einer Sache angerufene Gericht von Amts wegen die Frage seiner Zuständigkeit prüft, ohne daß ein diesbezüglicher Antrag einer Partei erforderlich ist. Der Grund hierfür liegt darin, daß die innerstaatlichen Rechtssysteme in bezug auf eherechtliche Fragen besonders sensibel sind, wohl mehr noch als in bezug auf die unter das Brüsseler Übereinkommen von 1968 fallenden vermögensrechtlichen Fragen.

    In Anbetracht der erheblichen Unterschiede zwischen den innerstaatlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten und des Spielraums, den die Kollisionsnormen bieten, ist es leicht vorstellbar, daß einer der Ehegatten unter Ausnutzung des alternativen Charakters der Zuständigkeitskriterien nach Artikel 2 versucht, seinen Antrag in einer Ehesache bei den Gerichten eines Staates zu stellen, in dem gemäß dessen Kollisionsnormen Vorschriften gelten, die für ihn günstiger sind. Aus diesem Grund muß das Gericht, wenn es in der Hauptsache angerufen wird, eine Prüfung seiner Zuständigkeit vornehmen, nicht aber, wenn die Angelegenheit in dem betreffenden Mitgliedstaat nur in der Nebensache erörtert wird.

    Zu dieser Frage siehe das in den Erläuterungen zu Artikel 46 dargelegte besondere Problem Irlands in Verbindung mit der Anerkennung ausländischer Entscheidungen.

    Artikel 10 Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens

    50. Zweck dieser Bestimmung ist es, das Recht auf Verteidigung zu gewährleisten. Die im vorangegangenen Artikel vorgesehene Prüfung der Zuständigkeit allein reicht dazu nicht aus; es bedarf auch einer Bestimmung über die Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens, nach der das Verfahren auszusetzen ist, bis festgestellt ist, daß es dem Antragsgegner möglich war, das verfahrenseinleitende Schriftstück so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte, oder daß alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind. Damit wird bezweckt, daß sich das Gericht vergewissern kann, daß seine internationale Zuständigkeit wohlbegründet ist und daß infolgedessen Gründe für eine Ablehnung der Anerkennung soweit wie möglich ausgeschlossen sind.

    51. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 20 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und in Verbindung damit auf die Bestimmungen des Haager Übereinkommens von 1965 über die Zustellung im Ausland. Bezweckt wird, daß das Gericht seine Zuständigkeit bei Vorliegen eines der in dem hier behandelten Übereinkommen vorgesehenen Gerichtsstände in den Fällen prüft, in denen sich der Antragsgegner auf das Verfahren nicht einläßt. Es wurde eine einfachere Formulierung als in den anderen Übereinkommen gewählt, die jedoch die wesentlichen Punkte enthält:

    a) Das Gericht ist zur Aussetzung des Verfahrens verpflichtet; es handelt sich nicht um eine fakultative Bestimmung.

    b) Die Wahrung der Verteidigungsrechte des Antragsgegners wird vom Gericht geprüft, und zwar sowohl im Hinblick auf die Frage, ob es dem Antragsgegner möglich war, das Schriftstück "so rechtzeitig zu empfangen, daß er sich verteidigen konnte", als auch im Hinblick auf die Frage, ob "alle hierzu erforderlichen Maßnahmen getroffen worden sind".

    Nachdem am 26. Mai 1997 das Übereinkommen über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union unterzeichnet wurde, ist vorgesehen, daß ab dessen Inkrafttreten dessen Artikel 19 an die Stelle von Absatz 1 des hier behandelten Artikels tritt. Da dieses Übereinkommen der Europäischen Union von 1997 vorzeitig angewandt werden kann, wird es schrittweise und nicht zu einem allgemeinen Inkraftsetzungszeitpunkt an die Stelle des Haager Übereinkommens treten. Da es aber die Artikel 15 und 16 des Haager Übereinkommens übernimmt, ist der Übergang vom einen zum anderen Übereinkommen mit keinen nennenswerten Änderungen verbunden.

    Dritter Abschnitt D. Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren

    Artikel 11 Rechtshängigkeit und abhängige Verfahren

    52. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens und steht insoweit in Verbindung mit Artikel 13 des Haager Übereinkommens von 1996, als sie den Schutz von Kindern betrifft. Sie ist eine der Bestimmungen, die bis zum letzten Moment umstritten waren, was auf zweierlei Gründe zurückzuführen ist.

    Zum einen sind in der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften zu Artikel 21 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 die Schwierigkeiten deutlich geworden, die sich aus dem derzeitigen Wortlaut dieser Bestimmung und bei der Abgrenzung gegenüber den im Zusammenhang stehenden Verfahren ergeben, da in vielen Fällen Verfahren wegen Rechtshängigkeit ausgesetzt werden mußten. Nicht umsonst ist unter anderem diesem Artikel 21 bei der gemeinsamen Revision des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens, mit der im Januar 1998 begonnen wurde, besondere Aufmerksamkeit zu schenken; allerdings bleiben die bisherigen Vorarbeiten ohne Auswirkung auf den hier behandelten Text.

    Zum anderen kommen die Unterschiede zwischen den Rechtsordnungen der einzelnen Staaten in dieser Frage besonders deutlich zum Ausdruck. So mußte der Rechtslage in bestimmten Staaten, wie Schweden und Finnland, Rechnung getragen werden, deren innerstaatliche Vorschriften als einzige rechtliche Möglichkeit für die Auflösung eines Eheverhältnisses zwischen lebenden Ehegatten die Ehescheidung, nicht aber eine Trennung oder die Ungültigerklärung einer Ehe kennen, wobei einige Gründe für eine Ehescheidung in diesen Ländern Gründen für eine Ungültigerklärung in anderen Rechtsordnungen entsprechen.

    Die Unterschiedlichkeit der in den einzelnen Mitgliedstaaten geltenden Vorschriften berührt auch das Konzept der Rechtshängigkeit selbst. Dieser Begriff wird in einigen Staaten - wie Frankreich, Spanien, Italien und Portugal, wo es sich um denselben "Gegenstand" (objet), denselben "Grund" (cause) und dieselben Parteien handeln muß - enger ausgelegt als in anderen, wo das Konzept der Rechtshängigkeit weiter gefaßt ist und nur denselben "Anspruch" und dieselben Parteien voraussetzt.

    Da die Rechtshängigkeit als ein Mittel konzipiert ist, mit dem vermieden werden soll, daß zu denselben Fragen Parallelverfahren betrieben werden und möglicherweise daraufhin Entscheidungen ergehen, die miteinander unvereinbar sind, mußte eine Bestimmung gefunden werden, die ausgehend von dem Grundprinzip prior temporis eine Lösung für Familiensachen bietet, die anders gelagert sind als Vermögenssachen. Die Rechtshängigkeit im herkömmlichen Sinne löste nicht alle Probleme, und es galt, eine neue Formel zu finden, die dem verfolgten Ziel gerecht wird. Nach umfangreichen Erörterungen schlug der luxemburgische Vorsitz den Wortlaut vor, der schließlich von den Mitgliedstaaten akzeptiert wurde.

    53. Absatz 1 enthält die herkömmliche Vorschrift der Rechtshängigkeit, d. h. den Grundsatz prior temporis, der auf alle unter das Übereinkommen fallenden Rechtssachen anwendbar ist, sofern sie denselben Anspruch und dieselben Parteien betreffen. Um die Gefahr eines negativen Kompetenzkonflikts zu vermeiden, wurde festgelegt, daß das später angerufene Gericht das Verfahren von Amts wegen aussetzt, bis die Zuständigkeit des zuerst angerufenen Gerichts geklärt ist.

    54. Absatz 2 stellt eine Neuerung dar und trägt speziell den Unterschieden in den Rechtsordnungen der Staaten hinsichtlich der Zulässigkeit der Trennung, der Ehescheidung und der Ungültigerklärung einer Ehe Rechnung. Diese Bestimmung bezieht sich somit auf einen Sachverhalt, der mit dem Begriff "abhängige Verfahren" erfaßt wird und als "unechte Rechtshängigkeit" bezeichnet werden könnte.

    Besonders diese Bestimmung, die vom luxemburgischen Vorsitz als Kompromißlösung vorgeschlagen wurde, ist in Verbindung mit Absatz 3 zu sehen, denn Fälle nach Absatz 1 werden möglicherweise relativ selten sein. Diese Bestimmung wurde einer anderen vorgeschlagenen Lösung vorgezogen, die darin bestanden hätte, im Interesse der Rechtssicherheit und zur Umgehung von Problemen für die Staaten, die weder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes noch die Ungültigerklärung einer Ehe kennen, den Gerichten Vorrang einzuräumen, die die weiterreichende Entscheidung erlassen können. Andere Staaten hätten eine flexiblere Regelung in Analogie zu der im Brüsseler Übereinkommen von 1968 für die im Zusammenhang stehenden Verfahren vorgezogen.

    Auf den ersten Blick könnte Absatz 2 als eine Wiederholung oder als unnötig empfunden werden, da die darin enthaltene Lösung dieselbe ist wie in Absatz 1, wenn auch für Fälle, in denen die Anträge nicht denselben Anspruch betreffen. Eine solche Einschätzung wäre aber unrichtig, da im Unterschied zu Absatz 1, der auch die elterliche Verantwortung einbezieht, der Anwendungsbereich dieses Absatzes 2 ganz bewußt auf Anträge auf Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe beschränkt wurde: nur für diese Anträge gilt die Vorschrift der Rechtshängigkeit in Fällen, wo diese nicht denselben Anspruch betreffen.

    55. In Absatz 3 ist festgelegt, welche Folgen sich daraus ergeben, daß das zuerst angerufene Gericht seine Zuständigkeit anerkennt. Diese Bestimmung enthält eine allgemeine Vorschrift, wonach das später angerufene Gericht sich zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig erklärt. Weiter enthält sie eine besondere Vorschrift, wonach der Antragsteller, der einen Antrag bei dem später angerufenen Gericht gestellt hat, diesen Antrag, sofern er dies wünscht, dem Gericht vorlegen kann, das sich als zuerst befaßtes Gericht für zuständig erklärt hat. Allerdings sind die Einleitungsworte von Absatz 3 Unterabsatz 2 ("in diesem Fall") so auszulegen, daß der Antragsteller seinen Antrag nur dann dem Gericht vorlegen kann, das sich als zuerst befaßtes Gericht für zuständig erklärt hat, wenn das später angerufene Gericht sich für unzuständig erklärt. Die in Absatz 3 enthaltene Bestimmung ist Teil des im Dezember 1997 erzielten politischen Einvernehmens, weshalb die Gruppe sich darauf beschränkt hat, sie in eine angemessene Form zu bringen. Es sei jedoch darauf hingewiesen, daß einige Mitglieder der Gruppe mit dem weiten Anwendungsbereich dieses Absatzes 3 nicht einverstanden waren und sich dafür aussprachen, daß die dem Antragsteller des späteren Antrags eingeräumte Möglichkeit auf die in Absatz 2 erfaßten Fälle beschränkt bleibt.

    Es ist auf jeden Fall zu betonen, daß die in Absatz 3 dieses Artikels enthaltene Bestimmung von der in Artikel 5 (Gegenantrag) verschieden ist. So handelt es sich bei der Bestimmung des Artikels 5 um eine Zuständigkeitsregel, während die Bestimmung des Artikels 11 eine Vorschrift über die Anwendung der Zuständigkeitsvorschriften im Falle abhängiger Verfahren ist. Es sei auch auf die unterschiedliche Funktionsweise dieser Bestimmungen hingewiesen: so wird es Fälle geben, in denen kein Gegenantrag gestellt werden kann (z. B. weil bestimmte Fristen nicht erfuellt sind), während es jederzeit möglich sein wird, die Bestimmung von Artikel 11 Absatz 3 anzuwenden.

    56. Die Einbeziehung der Bestimmung über abhängige Verfahren hatte zur Folge, daß ein Artikel betreffend im Zusammenhang stehende Verfahren gestrichen wurde, da in dem unter das Übereinkommen fallenden Bereich keine Fälle bekannt sind, die über den in dieser Bestimmung vorgesehenen Rahmen hinausgehen.

    57. Es sei hervorgehoben, daß das später angerufene Gericht sich nach dieser Vorschrift stets zugunsten des zuerst angerufenen Gerichts für unzuständig zu erklären hat, auch wenn das innerstaatliche Recht des dann zuständigen Mitgliedstaats die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe nicht kennt. Dies wäre beispielsweise der Fall, wenn in Schweden ein Antrag auf Ehescheidung und dann in Österreich ein Antrag auf Ungültigerklärung der betreffenden Ehe gestellt würde: das österreichische Gericht müßte sich für unzuständig erklären, obgleich das schwedische Recht die Ungültigerklärung einer Ehe nicht vorsieht. Wenn die Ehescheidung in Schweden jedoch erst einmal rechtskräftig ist, kann die daran interessierte Partei ein österreichisches Gericht anrufen, um zu erreichen, daß die Wirkungen der Ehescheidung, die die Ungültigerklärung der Ehe nach österreichischem Recht hätte, erforderlichenfalls ex tunc gelten und nicht nur ex nunc, wie es normalerweise bei einer Scheidung der Fall ist, wobei zudem zu berücksichtigen ist, daß sich die Anerkennung nach dem Übereinkommen auf die Änderung des Personenstands beschränkt (siehe Nummer 64). Dasselbe gilt auch für den umgekehrten Fall. Das heißt, daß das Übereinkommen durchaus erlaubt, daß eine österreichische Entscheidung über die Ungültigkeit einer Ehe in Schweden die Wirkungen einer Ehescheidung hat. Diese komplizierte Sachlage würde bei einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes jedoch nicht entstehen, da es sich zwar um einen im schwedischen Recht ebenfalls unbekannten Rechtsbegriff handelt, die Ehescheidung aber Wirkungen entfaltet, die über die der Trennung hinausgehen und diese überlagern.

    Vierter Abschnitt E. Einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen

    Artikel 12

    58. Zu der Bestimmung betreffend einstweilige Maßnahmen einschließlich Sicherungsmaßnahmen ist zu sagen, daß derartige Maßnahmen in bezug auf Verfahren, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, nicht dessen Zuständigkeitsregeln unterliegen, daß dieser Artikel jedoch nur für dringende Fälle gilt. Diese Bestimmung greift Artikel 24 des Brüsseler Übereinkommens auf, geht allerdings über dessen Inhalt hinaus. Obgleich dieser Artikel 24 Probleme aufwirft, die derzeit im Rahmen der Revision des Brüsseler und des Luganer Übereinkommens geprüft werden, wurde davon Abstand genommen, hier zu innovieren oder einige der diesbezüglich gemachten Anregungen aufzugreifen. Hier wie auch in anderen gleich gelagerten Fällen wird zu einem späteren Zeitpunkt zu entscheiden sein, wie und in welcher Form etwaige Verbesserungen, die im Brüsseler Übereinkommen vorgenommen werden, in die entsprechende Bestimmung des hier behandelten Übereinkommens einzubeziehen sind.

    59. Was den Inhalt der Bestimmung betrifft, so ist darauf hinzuweisen, daß die einstweiligen Maßnahmen einschließlich der Sicherungsmaßnahmen sich zwar nur auf Verfahren beziehen dürfen, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, und daß sie nur in dringenden Fällen anwendbar sind, daß sie aber sowohl Personen als auch Güter betreffen und somit Aspekte umfassen können, die nicht unter das Übereinkommen fallen, sofern diese im Recht des jeweiligen Mitgliedstaats geregelt sind. Die Unterschiede gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen sind insofern erheblich, als die in dessen Artikel 24 vorgesehenen Maßnahmen zum einen auf Aspekte beschränkt sind, die in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, zum anderen aber extraterritoriale Wirkung haben. Die Maßnahmen, die ergriffen werden können, sind sehr vielfältiger Natur, da sie sowohl Personen als auch Güter betreffen können, die sich in dem Staat befinden, in dem die Maßnahmen ergriffen wurden, was in bezug auf eherechtliche Streitigkeiten unbedingt notwendig ist. Es wird weder die Art der Maßnahmen noch deren Beziehung zu dem Antrag in der Ehesache präzisiert. Die Maßnahmen können daher auch Aspekte betreffen, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, mit der die Anwendbarkeit des innerstaatlichen Rechts begründet wird, womit für diesen Bereich von den im ersten Teil des Übereinkommens vorgesehenen Regeln abgewichen wird. In der Bestimmung heißt es, daß diese Maßnahmen in einem Staat auch dann ergriffen werden können, wenn für die Entscheidung in der Hauptsache ein Gericht eines anderen Mitgliedstaats zuständig ist. Die Maßnahmen finden jedoch keine Anwendung mehr, wenn das zuständige Gericht eine Entscheidung auf der Grundlage eines der im Übereinkommen vorgesehenen Zuständigkeitskriterien erläßt und diese Entscheidung nach Maßgabe des Übereinkommens anerkannt (oder vollstreckt) wird. Sonstige Maßnahmen in bezug auf Aspekte, die nicht in den Anwendungsbereich des Übereinkommens fallen, beispielsweise die der Güterstände, behalten so lange ihre Geltung, bis von einem zuständigen Gericht eine entsprechende Entscheidung getroffen wird.

    Die Bestimmung dieses Artikels stellt lediglich auf territoriale Wirkungen in dem Staat ab, in dem die Maßnahmen ergriffen werden.

    TITEL III F. Anerkennung und Vollstreckung

    Artikel 13 Bedeutung des Begriffs "Entscheidung"

    60. Die Bestimmungen dieses Artikels sind zum Teil denen des Artikels 25 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 entnommen. Es geht darum, den Begriff "Entscheidung" für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung zu definieren. Im Anschluß an die in Absatz 1 enthaltene allgemeine Definition wird in Absatz 2 präzisiert, daß die Bestimmungen des Titels III auch für den Beschluß über die Gerichtskosten und deren Höhe gelten. Bei diesem Artikel ist auch zu berücksichtigen, daß ebenfalls Entscheidungen einbezogen sind, die von Behörden im Sinne von Artikel 1 Absatz 2 getroffen werden (siehe Nummer 20 Buchstabe A).

    In einigen Sprachfassungen wird für die Entscheidung im Ursprungsstaat und für die Entscheidung über die Vollstreckung derselbe Begriff verwendet (z. B. in der deutschen Fassung jeweils "Entscheidung"). In anderen Sprachfassungen wurden hier jeweils unterschiedliche Begriffe gebraucht.

    Eingehend erörtert wurde die Frage, ob der Begriff "Entscheidung" nur positive Entscheidungen oder auch negative Entscheidungen in einem Mitgliedstaat, d. h. Entscheidungen, die nicht zur Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe geführt haben, betreffen soll. Da zum einen das erteilte Mandat in der Ausarbeitung eines Übereinkommens bestand, das die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigkeitserklärung einer Ehe erleichtern soll, und zum anderen zwischen den Mitgliedstaaten erhebliche Unterschiede im Bereich der Ehescheidung und der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes bestehen, wurde der Begriff "Entscheidung" auf positive Entscheidungen beschränkt, die tatsächlich zu einer Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe geführt haben. In bezug auf Entscheidungen über die elterliche Verantwortung im Rahmen des Anwendungsbereichs des Übereinkommens und nach den Zuständigkeitsregeln des Artikels 3 ist zu bemerken, daß eine positive Entscheidung für eine andere Person als die, zu deren Gunsten sie ausfällt, durchaus auch negative Wirkungen hinsichtlich der elterlichen Verantwortung haben kann. Sie ist damit natürlich ebenfalls eine Entscheidung im Sinne des Übereinkommens.

    Besondere Beachtung ist Scheidungsurteilen der niederländischen und der belgischen Gerichte zu schenken. Nach niederländischem Recht müssen Scheidungsurteile amtlich eingetragen werden, damit die Scheidung wirksam wird; erfolgt diese Eintragung nicht binnen sechs Monaten nach dem Urteil, so verliert dieses seine Rechtswirksamkeit. Nach belgischem Recht (Artikel 1275, 1303, 1309 und 1310 der Gerichtsordnung - Code judiciaire/Gerechtelijk wetboek) muß der verfügende Teil der Entscheidung über die Ehescheidung oder die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes binnen eines Monats, nachdem sie dem Standesbeamten mitgeteilt wurde, in das Personenstandsregister eingetragen werden; bei Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Ehe gilt diese Rechtsvorschrift nicht. Erfolgt die Eintragung der Entscheidung nicht, so hat dies allerdings nur zur Folge, daß die Ehescheidung dritten Personen nicht entgegengehalten werden kann.

    Die genaue Definition der Entscheidungen "über die elterliche Verantwortung" bleibt den innerstaatlichen Rechtsordnungen überlassen. Was diesen Begriff betrifft, siehe die Erläuterungen zu Artikel 1.

    Was die Gerichtskosten betrifft, so ist in bezug auf die Anwendung des Haager Übereinkommens von 1954 über den Zivilprozeß und des Haager Abkommens von 1980 über die Erleichterung des internationalen Zugangs zu den Gerichten der in Artikel 38 Absatz 1 enthaltenen Bestimmung Rechnung zu tragen.

    61. Für Absatz 3 gibt es einen besonderen Grund. Das Brüsseler Übereinkommen von 1968 enthält im Anschluß an den Titel über die Anerkennung und Vollstreckung einen gesonderten Titel über öffentliche Urkunden und Prozeßvergleiche, deren Anerkennung oder Vollstreckung nur aus Gründen der öffentlichen Ordnung abgelehnt werden kann. Es wurde zunächst geprüft, ob dasselbe für den Bereich Ehesachen vorgesehen oder auf eine solche Bestimmung verzichtet werden sollte. Es stellte sich jedoch nach Prüfung der einzelstaatlichen Rechtsvorschriften heraus, daß es zwar in einigen Staaten keine konkreten Fälle gibt, die eine derartige Bestimmung erforderlich machen, daß sie für andere Staaten aber unerläßlich ist, wie z. B. im Hinblick auf Fälle, die in Schottland auftreten, und die in Finnland von der zuständigen Behörde genehmigten Sorgerechtsvereinbarungen. Bei der Prüfung der diesbezüglichen Möglichkeiten ergab sich, daß in diesem Fall eine strikte Analogie zum Brüsseler Übereinkommen nicht gerechtfertigt wäre, und es wurde für angemessener erachtet, in Artikel 13 einen Absatz 3 einzufügen, in dem "öffentliche Urkunden, die in einem Mitgliedstaat aufgenommen und vollstreckbar sind, sowie vor einem Richter im Laufe eines Verfahrens geschlossene Vergleiche, die in dem Mitgliedstaat, in dem sie zustande gekommen sind, vollstreckbar sind" den in Absatz 1 des Artikels genannten "Entscheidungen" gleichgestellt werden.

    Im Vereinigten Königreich werden öffentliche Urkunden, auch wenn sie von allen Gerichten für die Zwecke der Vollstreckung anerkannt werden, nur im Rahmen des schottischen Rechtssystems aufgenommen. Dabei muß es sich um Urkunden handeln, die von einer öffentlichen Stelle aufgenommen wurden und in den öffentlichen Registern der Higher Courts von Schottland, den sogenannten Books of Council and Session und Books of the Sheriff Court, eingetragen werden können. Durch die Eintragung in diese Register wird die Urkunde einer Gerichtsentscheidung gleichgestellt. In der Praxis des schottischen Familienrechts können solche Urkunden alle Aspekte der Neugestaltung des Verhältnisses der Ehegatten nach der Scheidung betreffen. Sie können demnach Aspekte umfassen, die nicht unter das Übereinkommen fallen, wie die ehelichen Güterstände, möglicherweise aber auch Aspekte in bezug auf die Kinder, die nicht unter die elterliche Verantwortung fallen. Damit soll eine Untersuchung gegenüber den Vereinbarungen getroffen werden, die gemäß Artikel 4 des Children (Scotland) Act aus dem Jahre 1995 von unverheirateten Eltern in bezug auf die elterliche Verantwortung für ihre Kinder getroffen werden können.

    Obgleich die Einwendung der öffentlichen Ordnung (ordre public) oft gewiß ausreichend gewesen wäre, um erforderlichenfalls zu verhindern, daß Vergleiche der in Absatz 3 genannten Art in Personenstandssachen in einem anderen Staat Wirkungen entfalten, erschien es nicht angemessen, eine Bestimmung in Analogie zu Artikel 50 des Brüsseler Übereinkommens aufzunehmen, da in Ehesachen noch andere Gründe für die Nichtanerkennung vorliegen können (z. B. Artikel 15 Absatz 2 Buchstabe b)); infolgedessen ist auf die Frage der Nichtanerkennung von Vergleichen zusammen mit den Gründen für die Nichtanerkennung gerichtlicher Entscheidungen einzugehen.

    Erster Abschnitt G. Anerkennung

    Artikel 14 Anerkennung einer Entscheidung

    62. Die Bestimmungen dieses Artikels gehen zurück auf Artikel 26 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. In Anbetracht des Gegenstands des hier behandelten Übereinkommens gibt es jedoch einen wesentlichen Unterschied, und zwar in bezug auf die Wirkungen, die die Anerkennung entfaltet. Folglich bestand zwar auch Einvernehmen über die Bestimmung in Absatz 1, wonach Entscheidungen, die in einem Mitgliedstaat ergangen sind, in allen Mitgliedstaaten automatisch, d. h. ohne ein besonderes Verfahren, anerkannt werden, nicht hingegen über die sich daraus ergebenden Wirkungen und insbesondere die in diesem Bereich wichtigste Wirkung, nämlich die bezüglich der Beischreibung in den Personenstandsbüchern.

    63. Daher wurde erst nach längeren Erörterungen eine Einigung über Artikel 14 Absatz 2 in dem Sinne erzielt, daß für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern eines Mitgliedstaats kein besonderes Verfahren erforderlich ist und das Vorliegen einer entsprechenden rechtskräftigen Entscheidung, die in einem anderen Mitgliedstaat ergangen ist, ausreicht. Es handelt sich demnach nicht um eine gerichtliche Anerkennung, sondern um eine Anerkennung zwecks Eintragung in den Personenstandsbüchern.

    Bei der Abfassung dieser Bestimmung wurde dem Artikel 8 des Übereinkommens vom 8. September 1967 über die Anerkennung von Entscheidungen in Ehesachen, das im Rahmen der Internationalen Kommission für das Zivilstandswesen ausgearbeitet wurde, Rechnung getragen. Sie stellt zweifellos eine wichtige Änderung dar, die von den europäischen Bürgern sehr positiv aufgenommen werden wird, weil sie die am häufigsten angestrebte Wirkung betrifft und nach Inkrafttreten des Übereinkommens zu einer Zeit- und Geldersparnis führt, weil dann die Beischreibung in den Personenstandsbüchern ohne jegliche weitere Entscheidung erfolgt, was gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen von 1968 einen erheblichen Fortschritt bedeutet. Es sei darauf hingewiesen, daß es sich um eine rechtskräftige Entscheidung handeln muß, d. h. eine Entscheidung, gegen die nach dem Recht des Ursprungsstaats keine weiteren ordentlichen Rechtsbehelfe eingelegt werden können, was ebenfalls eine Änderung gegenüber dem Brüsseler Übereinkommen von 1968 darstellt (zur vorzulegenden Urkunde siehe Artikel 33 Absatz 3).

    64. Wie bereits in den Ausführungen zu Artikel 1 betreffend den Anwendungsbereich des Übereinkommens im Hinblick auf die ausgeschlossenen Bereiche dargelegt wurde, so gilt auch hier, daß die Anerkennung nach Artikel 14 nicht in der Entscheidung ebenfalls geregelte Fragen wie das Verschulden der Ehegatten, die ehelichen Güterstände, die Unterhaltspflicht oder sonstige Folgen wirtschaftlicher oder anderer Art betrifft. Sie bezieht sich somit ausschließlich auf die Anerkennung der Auflösung der Ehe bzw. der Trennung ohne Auflösung des Ehebandes (siehe Nummer 22). In bezug auf die einstweiligen Maßnahmen siehe Artikel 12 (Nummer 59).

    65. Analog zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 kann die Feststellung beantragt werden, daß die ausländische Entscheidung anzuerkennen ist oder daß sie nicht anzuerkennen ist; zu diesem Zweck gilt gemäß Absatz 3 das für die Vollstreckung vorgesehene Verfahren. Der Begriff "Partei, die ein Interesse hat" zur Bezeichnung desjenigen, der die Feststellung beantragen kann, daß eine Entscheidung anzuerkennen oder nicht anzuerkennen ist, verlangt eine weite Auslegung in Verbindung mit den geltenden innerstaatlichen Rechtsvorschriften, und als solche Partei kann somit auch die Staatsanwaltschaft oder eine andere entsprechende Stelle betrachtet werden, wenn dies in dem Staat, in dem die Anerkennung oder Nichtanerkennung beantragt wird (ersuchter Staat), dem Verständnis entspricht.

    66. Die Bestimmung über die im Vorfeld einer Entscheidung zu klärende Frage der Anerkennung geht mit gewissen Änderungen zurück auf Artikel 26 des Brüsseler Übereinkommens. Aus Einfachheitsgründen erscheint es ratsam, daß die Gerichte, die in der Hauptsache entscheiden, auch dafür zuständig sind, als Vorfrage über die Anerkennung einer Entscheidung zu befinden.

    Artikel 15 Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung

    67. In Analogie zu Artikel 27 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 sind in diesem Artikel die Gründe für die Nichtanerkennung bzw. Nichtvollstreckung aufgeführt. Hier waren in Anbetracht des Gegenstands des Übereinkommens auch die Gründe für die Nichtanerkennung gemäß Artikel 23 des Haager Übereinkommens von 1996 zu berücksichtigen, damit später eine aufeinander abgestimmte Anwendung der beiden Übereinkommen möglich ist. Entgegen der Auffassung einiger Staaten, die den Gründen für die Nichtanerkennung nur fakultativen Charakter geben wollten, tendierte die Mehrheit der Staaten zu Gründen mit obligatorischem Charakter, wie in Artikel 27 des Brüsseler Übereinkommens. Neben den in dieser Bestimmung enthaltenen Regeln sind die Einschränkungen gemäß Artikel 16 und die Bezugnahme auf Artikel 43 zu beachten.

    68. Der Aufbau dieses Artikels mag etwas verwundern. So sind in Absatz 1 die Gründe für die Nichtanerkennung von Entscheidungen betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe enthalten, während sich Absatz 2 auf die Gründe für die Nichtanerkennung von Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung bezieht, die aus Anlaß von Verfahren in Ehesachen ergangen sind. Der Grund für diese Aufgliederung liegt darin, daß beide Arten von Entscheidungen zwar eng mit der Ehesache verknüpft sind, sie aber gemäß der innerstaatlichen Zuständigkeitsverteilung in dem Staat, in dem sie ergangen sind, von verschiedenen Stellen erlassen worden sein können. Ein weiterer Grund für diese Aufgliederung liegt darin, daß der Gegenstand der Ehesache und der Gegenstand des die elterliche Verantwortung betreffenden Verfahrens so verschieden sind, daß auch die Nichtanerkennungsgründe in beiden Fällen zwangsläufig anders gelagert sind. Daher erschien es ratsam, die Gründe für die Nichtanerkennung der beiden Arten von Entscheidungen in verschiedenen Absätzen aufzuführen.

    69. Was die Nichtanerkennung von Entscheidungen betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe betrifft, so besteht der erste Grund wie üblich darin, daß die Anerkennung im offensichtlichen Widerspruch zur öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staats stuende; die Mitgliedstaaten legen weiterhin Wert auf eine solche Bestimmung, obgleich die Erfahrung zeigt, daß die analoge Bestimmung von Artikel 27 Nummer 1 des Brüsseler Übereinkommens in der Praxis nicht herangezogen zu werden brauchte. Allerdings ist die Sensibilität in bezug auf die Grundprinzipien, die Einwendungen der öffentlichen Ordnung rechtfertigen, bei Vermögenssachen auch geringer als bei Familiensachen. Hier ist zudem zu beachten, daß gemäß Artikel 18 des Übereinkommens die Entscheidung keinesfalls in der Sache selbst nachgeprüft werden darf, daß gemäß Artikel 17 die Anerkennung einer ausländischen Entscheidung nicht deshalb abgelehnt werden darf, weil eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe in dem Staat, in dem die Anerkennung beantragt wird, nicht zulässig wäre, und daß gemäß Artikel 16 Absatz 3 das Kriterium der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) nicht auf die Zuständigkeitsvorschriften anwendbar ist.

    In diesem Bereich besteht also eine große Sensibilität von seiten der Mitgliedstaaten, die auf die erheblichen Unterschiede zurückzuführen ist, die deren Rechtsordnungen im Hinblick auf die Ehescheidung aufweisen. So befürchteten diejenigen Mitgliedstaaten, in denen die Auflösung des Ehebandes leichter erfolgt, daß Entscheidungen ihrer Gerichte in den Mitgliedstaaten mit strengeren Vorschriften nicht anerkannt würden. Um beiden Staatengruppen Sicherheiten zu bieten, ist ein System eingeführt worden, in dem zwar einerseits die Nichtanerkennung wegen offensichtlicher Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) des ersuchten Staats beibehalten wird (Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a)), in dem aber in Artikel 17 andererseits festgelegt wird, daß die Anerkennung nicht mit der Begründung abgelehnt werden darf, daß derselbe Sachverhalt eine Ehescheidung, Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder Ungültigerklärung einer Ehe dort nicht zuläßt (siehe Erläuterungen zu Artikel 17). Bei der Anerkennung hat das zuständige Gericht die im Ursprungsstaat ergangene Entscheidung im Lichte der im vorstehenden Absatz genannten Bestimmungen zu prüfen. Diese Lösung lehnt sich an das Haager Übereinkommen von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung und der Trennung von Bett und Tisch an, dem einige Mitgliedstaaten angehören.

    Im Zusammenhang mit dieser Frage ist auch die Erklärung Irlands zu beachten (siehe hierzu Artikel 46 Absatz 2), auch unter Berücksichtigung von Artikel 9 betreffend die Prüfung der Zuständigkeit durch das in der Sache angerufene Gericht.

    70. In Absatz 1 Buchstabe b) ist der Grund für die Nichtanerkennung aufgeführt, der im Rahmen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 (Artikel 27 Nummer 2) für die Nichtanerkennung am häufigsten herangezogen wurde und der infolgedessen unter allen Nichtanerkennungsgründen die meisten Probleme in den Fällen, in denen sich der Antragsgegner auf das Verfahren nicht eingelassen hat, weil er nicht ordnungsgemäß oder nicht so rechtzeitig benachrichtigt wurde, daß er sich verteidigen konnte. Hier wurde dieser Bestimmung des Brüsseler Übereinkommens ein Aspekt hinzugefügt. So hat gemäß dieser Bestimmung die Anerkennung zu erfolgen (was letzten Endes die normale Folge des angestrebten Funktionierens des Übereinkommens ist), wenn der Antragsgegner die Entscheidung in eindeutiger Weise akzeptiert, was beispielsweise gegeben ist, wenn er Schritte im Hinblick auf eine neue Eheschließung unternommen hat.

    71. Die Unvereinbarkeit der betreffenden Entscheidung mit anderen Entscheidungen ist Gegenstand zweier weiterer Bestimmungen in Absatz 1 Buchstabe c) und Buchstabe d). Anders als in Artikel 27 Nummer 5 des Brüsseler Übereinkommens gilt nicht die Bedingung, daß derselbe Anspruch vorgelegen haben muß.

    Die erste dieser beiden Bestimmungen betrifft die Unvereinbarkeit der Entscheidung mit einer Entscheidung, die in einem Verfahren zwischen denselben Parteien in dem Staat, in dem die Anerkennung beantragt wird, ergangen ist, unabhängig davon, ob die letztere Entscheidung vor oder nach der im Ursprungsstaat ergangenen Entscheidung erlassen wurde. Ein besonderes Problem stellt sich, wenn eine Entscheidung eine Ehescheidung und die andere eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes beinhaltet. Dies sei an einem Beispiel erläutert. Man nehme an, daß im Staat A eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ergeht und zu einem späteren Zeitpunkt im Staat B eine Entscheidung über eine Ehescheidung. Wird die Anerkennung dieser letzteren Entscheidung im Staat A beantragt, so kann diese Anerkennung nicht mit dem Argument verweigert werden, daß die Entscheidung mit der früheren Entscheidung im Staat A unvereinbar sei, da die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes als Vorstufe der Scheidung betrachtet werden kann und folglich mit einem späteren Scheidungsurteil nicht kollidiert. Wird hingegen beantragt, daß die im Staat A ergangene Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes im Staat B anerkannt wird, in dem die Ehe geschieden wurde, so ist diese Anerkennung zu verweigern, da die Entscheidung über die Trennung im Staat B durch ein Scheidungsurteil ersetzt wurde. Diese Auslegung hat den Vorteil, daß sie gewährleistet, daß der eheliche Status der Ehegatten in allen fünfzehn Mitgliedstaaten in gleicher Weise gesehen wird. Eine andere Auslegung würde dazu führen, daß Ehegatten möglicherweise in vierzehn Mitgliedstaaten als geschieden und nur im Staat A als getrennt betrachtet werden.

    Die zweite dieser beiden Bestimmungen betrifft die Fälle, in denen die andere Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Nichtmitgliedstaat in einem Verfahren zwischen denselben Parteien ergangen ist und zwei Bedingungen erfuellt: a) Es muß sich um eine frühere Entscheidung handeln; b) sie muß die notwendigen Voraussetzungen für ihre Anerkennung im ersuchten Mitgliedstaat erfuellen. Auch dies soll an einem Beispiel veranschaulicht werden: in dem Nichtmitgliedstaat E ergeht eine Entscheidung über eine Trennung ohne Auflösung des Ehebandes, welche die Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Mitgliedstaat B erfuellt. Zu einem späteren Zeitpunkt ergeht im Mitgliedstaat C zwischen denselben Ehegatten eine Entscheidung über die Ehescheidung, deren Anerkennung im Mitgliedstaat B beantragt wird. In diesem Fall ist die Entscheidung im Mitgliedstaat C über die Ehescheidung nicht unvereinbar mit der früheren Entscheidung im Nichtmitgliedstaat E über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und wird daher im Mitgliedstaat B anerkannt. In dem gegenteiligen Fall, daß in dem Nichtmitgliedstaat E eine Entscheidung über die Ehescheidung ergangen ist und später im Mitgliedstaat C eine Entscheidung über die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes ergeht, hat der Mitgliedstaat B die Anerkennung der im Mitgliedstaat C ergangenen Entscheidung zu verweigern, da diese mit einer in dem Nichtmitgliedstaat E ergangenen Entscheidung über die Ehescheidung, die die Voraussetzungen für ihre Anerkennung im Mitgliedstaat B erfuellt, unvereinbar ist.

    72. Was die Entscheidungen betreffend die elterliche Verantwortung anbelangt, die im weiten Sinne zu verstehen sind und also nicht nur gerichtliche Entscheidungen, sondern auch alle Entscheidungen anderer Behörden umfassen, sofern sie aus Anlaß der Ehescheidung ergehen, so sind die Gründe für die Nichtanerkennung in Absatz 2 aufgeführt. Über die obige allgemeine Begründung der gesonderten Aufführung dieser Gründe für die Nichtanerkennung gegenüber den Gründen für die Nichtanerkennung von Entscheidungen in Ehesachen hinaus sind zu den hier aufgeführten Nichtanerkennungsgründen einige besondere Bemerkungen zu machen.

    73. Die Bestimmung betreffend die öffentliche Ordnung (ordre public), die in Absatz 2 Buchstabe a) erneut erscheint, entspricht in vollem Umfang der Vorschrift von Artikel 23 Absatz 2 Buchstabe d) des Haager Übereinkommens von 1996 und besagt, daß für eine Ablehnung der Anerkennung eine offensichtliche Unvereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung nicht ausreicht, sondern dabei auch das Wohl des Kindes zu berücksichtigen ist.

    Unter Buchstabe c) ist der Fall aufgeführt, daß sich die betreffende Person auf das Verfahren nicht eingelassen hat; auf diesen Fall treffen die Erläuterungen zu Absatz 1 Buchstabe b) dieses Artikels ebenfalls zu.

    Wie auch im Haager Übereinkommen von 1996 (Artikel 23 Absatz 2 Buchstaben b) und c)) werden als Gründe für die Nichtanerkennung (unter den Buchstaben b) und d)) die Sachverhalte aufgeführt, daß das Kind nicht die Möglichkeit hatte, gehört zu werden, bzw. daß einer Person, die geltend macht, daß die Entscheidung in ihre elterliche Verantwortung eingreift, nicht die Möglichkeit eingeräumt worden ist, gehört zu werden. Was die Anhörung des Kindes betrifft, so hat diese nach den Vorschriften zu erfolgen, die in dem betreffenden Mitgliedstaat gelten, unter anderem nach den Vorschriften des Übereinkommens der Vereinten Nationen vom 20. November 1989 über die Rechte des Kindes und insbesondere nach dessen Artikel 12, der wie folgt lautet:

    "(1) Die Vertragsstaaten sichern dem Kind, das fähig ist, sich eine eigene Meinung zu bilden, das Recht zu, diese Meinung in allen das Kind berührenden Angelegenheiten frei zu äußern, und berücksichtigen die Meinung des Kindes angemessen und entsprechend seinem Alter und seiner Reife.

    (2) Zu diesem Zweck wird dem Kind insbesondere Gelegenheit gegeben, in allen das Kind berührenden Gerichts- oder Verwaltungsverfahren entweder unmittelbar oder durch einen Vertreter oder eine geeignete Stelle im Einklang mit den innerstaatlichen Verfahrensvorschriften gehört zu werden."

    Unter den Buchstaben e) und f) schließlich wird als Grund für die Nichtanerkennung die Unvereinbarkeit mit einer anderen Entscheidung aufgeführt, wobei danach unterschieden wird, ob letztere Entscheidung in dem ersuchten Mitgliedstaat ergangen ist oder aber in einem anderen Mitgliedstaat oder dem Nichtmitgliedstaat, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Da es hier ausschließlich um die elterliche Verantwortung geht, bezieht sich die Unvereinbarkeit der Entscheidung, deren Anerkennung beantragt wird, in beiden Fällen auf eine später als diese ergangene Entscheidung, weil frühere Entscheidungen bereits im Rahmen der Entscheidung aus Anlaß der Ehescheidung berücksichtigt worden sein müssen. Mit dieser Bestimmung sollen Widersprüche vermieden werden, die sich beispielsweise zwischen einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung über Ehescheidung und Sorgerecht und einer inländischen Entscheidung über die Aberkennung der Vaterschaft ergeben könnten. Zu beachten sind in dieser Beziehung auch die Erläuterungen zu Artikel 3 Absatz 3 (Ende der Zuständigkeit der in der Ehesache entscheidenden Gerichte für Fragen der elterlichen Verantwortung).

    Artikel 16 Nichtanerkennung und Tatsachenfeststellungen

    74. Im Gefolge des Artikels 15 ist in Artikel 16 Absatz 1 vorgesehen, daß eine Entscheidung nicht anerkannt wird, wenn ein Fall des Artikels 43 vorliegt, der sich an Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 anlehnt (siehe Erläuterungen zu Artikel 43 unter Nummer 125). Dieser Artikel 43 gibt einem Mitgliedstaat die Möglichkeit, eine in einem anderen Mitgliedstaat ergangene Entscheidung nicht anzuerkennen, wenn diese nicht aufgrund einer in den Artikeln 2 bis 7 vorgesehenen Zuständigkeit, sondern gemäß Artikel 8 allein nach innerstaatlichem Recht ergangen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn er mit einem Drittstaat ein Abkommen geschlossen hat, das zwischen ihnen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anzuwenden ist. Artikel 16 Absatz 1 stellt somit eine Ausnahme in bezug auf die Anerkennung von Entscheidungen dar, die in einem Mitgliedstaat im Rahmen der gemäß Artikel 8 möglichen Restzuständigkeiten ergangen sind.

    75. Daraus ergibt sich, daß der ersuchte Mitgliedstaat die Zuständigkeitskriterien zu prüfen hat, auf deren Grundlage die Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat ergangen ist. Diesbezüglich werden dem Gericht jedoch gewisse Beschränkungen auferlegt. Zum einen ist das ersuchte Gericht gemäß Absatz 2 an die Tatsachenfeststellungen des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats gebunden. Zum anderen darf es gemäß Absatz 3 weder die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsmitgliedstaats nachprüfen noch die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) auf die in den Artikeln 2 bis 8 enthaltenen Zuständigkeitsregeln ausdehnen.

    Artikel 17 Unterschiede beim anzuwendenden Recht

    76. Diese Bestimmung steht in Verbindung mit Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe a) (siehe Erläuterungen dazu unter Nummer 69). Sie ist begründet durch Bedenken der Staaten mit flexibleren materiellrechtlichen Ehescheidungsvorschriften, daß die von ihren Gerichten erlassenen Entscheidungen in einem anderen Staat mit der Begründung nicht anerkannt werden könnten, daß ihnen Sachverhalte zugrunde liegen, die nach dem innerstaatlichen Recht des ersuchten Staats nicht relevant sind. Diese Bestimmung steht folglich einer allzu kategorischen Geltendmachung der öffentlichen Ordnung entgegen. Als Beispiel kann der Fall einer Ehescheidung als Folge einer Trennung ohne Auflösung des Ehebandes genannt werden: wenn die Ehescheidung im Ursprungsmitgliedstaat nach einer zweijährigen Trennung ausgesprochen werden kann, könnte eine überzogene Auslegung des Prinzips der öffentlichen Ordnung in einem um Anerkennung ersuchten Staat, dessen Recht eine fünfjährige Trennung vorschreibt, zu einer Verweigerung der Anerkennung führen.

    Die Schwierigkeiten, die in der Gruppe bei der Abfassung der Bestimmung aufgetreten sind, haben dazu geführt, daß im Text lediglich auf das "Recht" des ersuchten Mitgliedstaats Bezug genommen wird und der Zusatz "innerstaatlich" gestrichen wurde: diese Streichung dient der Einbeziehung sowohl der innerstaatlichen materiellrechtlichen Vorschriften als auch der Bestimmungen des internationalen Privatrechts. Es soll nur vermieden werden, daß Unterschiede im materiellen Recht der Mitgliedstaaten dazu führen, daß keine Anerkennung erfolgt und somit das eigentliche Ziel des Übereinkommens ausgehöhlt wird.

    Artikel 18 Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache

    77. Dieser Artikel enthält die herkömmliche Vorschrift über den Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache aus Anlaß der Anerkennung oder Vollstreckung. Diese Bestimmung ist dieselbe wie in Artikel 29 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und in anderen Übereinkünften über die Anerkennung. Sie ist in Übereinkünften dieser Art notwendig, damit es nicht zu einer Verfälschung des eigentlichen Zwecks des Exequatur-Verfahrens kommt, der ja nicht darin besteht, daß das Gericht des ersuchten Staates erneut über etwas befindet, worüber das Gericht des Ursprungsstaats bereits entschieden hat.

    78. Gegen die Einbeziehung dieser Vorschriften in das Übereinkommen machten einige Mitgliedstaaten insofern Bedenken geltend, als davon ausgehend auf einen unveränderlichen Charakter der in bezug auf die elterliche Verantwortung ergriffenen Maßnahmen geschlossen werden könne. Mit der Bestimmung soll ausgeschlossen werden, daß die betreffenden Maßnahmen im Rahmen des Exequatur-Verfahrens nachgeprüft werden, was aber keinesfalls die Unveränderlichkeit dieser Maßnahmen zur Folge haben kann. Das Grundprinzip ist folglich, daß im ersuchten Mitgliedstaat keine Nachprüfung der ursprünglichen Entscheidungen erfolgen darf, was sich logischerweise aus der Tatsache ergibt, daß es sich hier um ein "Doppelabkommen" handelt. Eine Änderung der Umstände kann jedoch sehr wohl dazu führen, daß die Schutzmaßnahmen nachzuprüfen sind, wie dies stets in Situationen der Fall ist, die aufgrund ihres langfristigen Charakters möglicherweise gewisser Änderungen bedürfen. In diesem Sinne geht beispielsweise aus Artikel 27 des Haager Übereinkommens von 1996 eindeutig hervor, daß der Ausschluß einer Nachprüfung in der Sache nicht einer etwaigen Überprüfung der ergriffenen Schutzmaßnahmen entgegensteht. Ebenso ist der hier behandelte Artikel 18 so zu verstehen, daß die zuständige Stelle aufgrund einer späteren Änderung der Umstände durchaus eine neue Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung erlassen kann.

    Artikel 19 Aussetzung des Anerkennungsverfahrens

    79. Es handelt sich hier um eine Bestimmung, die in Verbindung mit denjenigen Bestimmungen des Übereinkommens (namentlich Artikel 14 Absatz 2) zu sehen ist, wonach es für die automatische Anerkennung und insbesondere für die Beischreibung in den Personenstandsbüchern keines besonderen Verfahrens bedarf, wenn gegen die Entscheidung im Ursprungsstaat nach dessen Recht keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können.

    Nach Artikel 19 hingegen kann das Gericht des Mitgliedstaats, bei dem ein Antrag auf Anerkennung gestellt wird, das Verfahren aussetzen, wenn gegen die Entscheidung ein ordentlicher Rechtsbehelf eingelegt worden ist. Zur Aussetzung der Vollstreckung siehe Artikel 27 (und die diesbezüglichen Erläuterungen unter Nummer 94).

    In bezug auf die in Irland oder im Vereinigten Königreich ergangenen Entscheidungen wird ferner den Besonderheiten der betreffenden innerstaatlichen Rechtsordnungen Rechnung getragen.

    Zweiter Abschnitt H. Vollstreckung

    Artikel 20 Vollstreckbare Entscheidungen

    80. Diese Bestimmung enthält die Regeln für die Erlangung des Exequatur, die Voraussetzung dafür ist, daß eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden kann. Es geht infolgedessen lediglich darum, daß die in den nachfolgenden Artikeln genannten Gerichte auf Antrag einer berechtigten Partei über eine etwaige Vollstreckung in dem Staat, in dem diese beantragt wird, entscheiden, wobei sie diese nur aus den Gründen ablehnen können, die in Artikel 15 (Gründe für die Nichtanerkennung einer Entscheidung) und Artikel 16 aufgeführt sind (siehe Artikel 23 Absatz 2 sowie die diesbezüglichen Erläuterungen unter Nummer 89). In bezug auf Ehesachen bedarf es aufgrund des Anwendungsbereichs des Übereinkommens und der Tatsache, daß die Anerkennung ohne weiteres die Beschreibung in den Personenstandsbüchern erlaubt, nur einer Regelung für die Anerkennung. Hingegen sind die Bestimmungen über die Vollstreckung in bezug auf die Ausübung der elterlichen Verantwortung für ein gemeinsames Kind erforderlich.

    Für die Zwecke des Antrags auf Vollstreckung sind unter der "berechtigten Partei" nicht nur die Ehegatten und die Kinder zu verstehen, sondern für die Staaten, in denen dies vorgesehen ist, auch die staatliche Gewalt (Staatsanwaltschaft oder entsprechende Stelle).

    81. In dieser Bestimmung geht es lediglich darum, die Vollstreckung einer in einem anderen Staat ergangenen Entscheidung betreffend die elterliche Verantwortung zu ermöglichen, während für das Verfahren der Vollstreckung selbst das innerstaatliche Recht des jeweiligen Staates gilt. So ist nach Erlangung des Exequatur in einem Staat dessen innerstaatliches Recht dann für die konkreten Vollstreckungsmaßnahmen maßgeblich.

    Mit den nachfolgenden Bestimmungen soll ein für alle Mitgliedstaaten einheitliches Verfahren zur Erlangung des Exequatur geschaffen werden, das die in den innerstaatlichen Rechtsordnungen oder in anderen Übereinkünften enthaltenen diesbezüglichen Vorschriften ersetzt.

    Absatz 2 trägt den Besonderheiten im Vereinigten Königreich Rechnung.

    Artikel 21 Örtlich zuständige Gerichte

    82. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 32 des Brüsseler Übereinkommens von 1968, ist im Unterschied zu diesem jedoch in drei Absätze gegliedert: der erste Absatz nennt die Gerichte mit internationaler Zuständigkeit für die Vollstreckung, während die beiden letzten Absätze sich auf das örtlich zuständige Gericht innerhalb des Vollstreckungsstaats beziehen. Diese Bestimmungen gelten sowohl für die Anerkennung im Wege von Artikel 14 Absatz 3 als auch für die Vollstreckung. Ihr Ziel ist es, dem europäischen Bürger das Leben zu erleichtern, da dieser so von vornherein weiß, an welche Gerichte er sich zu wenden hat.

    83. In Absatz 1 werden die Behörden aufgeführt, die für die Vollstreckung international zuständig sind. Dabei gilt fast dieselbe Regelung wie nach Artikel 32 Absatz 1 des Brüsseler Übereinkommens von 1968.

    84. In bezug auf die Bestimmung des innerhalb eines Staats örtlich zuständigen Gerichts weicht die hier gewählte Lösung hingegen von der des Brüsseler Übereinkommens von 1968 ab. Der Grund dafür liegt in der Tatsache, daß es sowohl um Entscheidungen in Ehesachen als auch um Entscheidungen über die elterliche Verantwortung geht und die Standpunkte infolgedessen erheblich voneinander abwichen: so waren einige Mitgliedstaaten der Auffassung, daß die Vorschrift gestrichen und die Frage den innerstaatlichen Rechtsordnungen überlassen werden sollte, während diese Vorschrift anderen Mitgliedstaaten unverzichtbar erschien, wenn sie auch deren Inhalt gerne zur Diskussion stellen wollten.

    Bei der schließlich gewählten Lösung wird zwischen zwei Fällen unterschieden, je nachdem, ob es sich um einen Antrag auf Vollstreckung oder um einen Antrag auf Anerkennung handelt. Dies ist eine Erweiterung gegenüber den im Brüsseler Übereinkommen vorgesehenen Möglichkeiten.

    Es wird also zunächst die Vorschrift für den Regelfall, d. h. den Exequator-Antrag, aufgestellt. In Absatz 2 Buchstabe a) ist vorgesehen, daß die örtliche Zuständigkeit bei dem Gericht des Ortes liegt, an dem die Person, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt ist, ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder an dem das Kind, auf das sich der Antrag bezieht, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Es stellte sich jedoch heraus, daß es Fälle geben kann, in denen sich weder der gewöhnliche Aufenthalt der Person, gegen die der Antrag gestellt ist, noch der gewöhnliche Aufenthalt des Kindes in dem Mitgliedstaat befinden, in dem der Vollstreckungsantrag gestellt wird; für diesen Fall ist unter Buchstabe b) vorgesehen, daß der Antrag bei dem Gericht des Orts der angestrebten Vollstreckung zu stellen ist.

    Für den zweiten Fall hingegen, nämlich den eines Antrags auf Anerkennung oder Nichtanerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung, überläßt Absatz 3 die Frage den innerstaatlichen Rechtsvorschriften des Staats, in dem der Antrag gestellt wird.

    Artikel 22 Stellung des Antrags auf Vollstreckung

    85. In diesem und den nachfolgenden Artikeln werden verschiedene Aspekte im Hinblick auf das für die Vollstreckung einer Entscheidung geltende Verfahren geregelt. Wie im Brüsseler Übereinkommen von 1968 gilt eine Regelung, die auf einem auf Antrag einer Partei geführten Verfahren beruht, das gemeinschaftlichen Charakter hat, d. h. daß dasselbe zügige und unkomplizierte Verfahren in allen Mitgliedstaaten gilt, was zweifellos einen Vorteil darstellt. Das Verfahren folgt naheliegenderweise demselben Schema wie im Brüsseler Übereinkommen von 1968, wobei lediglich die Änderungen vorgenommen wurden, die sich aus dem unterschiedlichen Gegenstand der beiden Übereinkommen ergeben. Davon abgesehen wird in den Erläuterungen zum Großteil dieser Bestimmungen entsprechend dem Hinweis zu Anfang dieses Berichts auf die Berichte zu den verschiedenen Fassungen des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und insbesondere auf den Jenard-Bericht zurückgegriffen.

    Diese Bestimmung betrifft das konkrete Vorgehen von seiten des Antragstellers. Zunächst besagt sie, daß sich die Formvorschriften für die Stellung des Antrags nach dem Recht des Staates bestimmen, in dem die Vollstreckung erwirkt werden soll (Absatz 1). Der Inhalt des Antrags im einzelnen, die Anzahl der dem Gericht vorzulegenden Ausfertigungen, die Bestimmung der für die Entgegennahme des Antrags zuständigen Gerichtsstelle, gegebenenfalls die Sprache, in der der Antrag abzufassen ist, sowie die Notwendigkeit der Mitwirkung eines Anwalts oder anderen Sachvertreters richten sich somit nach den innerstaatlichen Rechtsvorschriften.

    86. Ferner hat der Antragsteller nach Absatz 2 in dem Bezirk des angerufenen Gerichts für die Zwecke der Zustellung entweder ein Wahldomizil zu begründen oder einen Zustellungsbevollmächtigten zu benennen. Diese Vorschrift ist in zweifacher Hinsicht bedeutsam: zum einen für die Mitteilung der Entscheidung an den Antragsteller (Artikel 24), zum zweiten im Hinblick auf einen mit beiderseitigem rechtlichen Gehör verbundenen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckungsentscheidung (Artikel 26).

    87. Schließlich ist in Absatz 3 vorgesehen, daß dem Antrag die in den Artikeln 33 und 34 genannten Urkunden beizufügen sind. Zu den Folgen einer Nichtbeifügung dieser Urkunden siehe Artikel 35 (und die diesbezüglichen Erläuterungen unter Nummer 107).

    Artikel 23 Entscheidung des Gerichts

    88. In Absatz 1 wird der einseitige Charakter des Exequatur-Verfahrens in dem Sinne festgelegt, daß dieses von einer der Parteien beantragt wird und der Person, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt ist, kein Gehör gewährt werden darf, auch nicht in Ausnahmefällen, da dies zu einer systematischen Umwandlung des einseitigen Verfahrens in ein kontradiktorisches führen würde. Die Verteidigungsrechte sind insofern gewahrt, als die Person, gegen die das Exequatur erlangt worden ist, die Möglichkeit hat, einen Rechtsbehelf gegen die Vollstreckungsentscheidung einzulegen.

    Das Gericht hat lediglich über die Vollstreckung zu entscheiden und darf bei diesem Anlaß keine Nachprüfung sorgerechtlicher Maßnahmen, beispielsweise in Anwendung des Haager Übereinkommens von 1996, vornehmen, da Artikel 39 dies verbietet. Das Gericht hat seine Entscheidung "ohne Verzug" zu erlassen; es wurde nicht für zweckmäßig erachtet, diesbezüglich eine Frist zu setzen, da eine solche Frist für die Gerichte nicht üblich ist und zudem im Fall der Nichteinhaltung keine entsprechende Sanktion zur Verfügung gestanden hätte. Da das Exequatur in aller Regel auf der Grundlage des gegenseitigen Vertrauens erteilt wird, das auf der Annahme beruht, daß alle Gerichte der Gemeinschaft das Übereinkommen korrekt anwenden, wird in diesem Fall, wie auch im Brüsseler Übereinkommen von 1968, auf ein zügiges Verfahren mit nur einseitigem rechtlichen Gehör abgestellt, zumal für die Fälle, in denen Schwierigkeiten auftreten, die in den nachfolgenden Artikeln des Übereinkommens vorgesehenen Rechtsbehelfe zur Verfügung stehen.

    89. Absatz 1 führt dazu, daß der Antrag nur aus einem der in den Artikeln 15 und 16 aufgeführten Gründe abgelehnt werden (Absatz 2) und keine Nachprüfung in der Sache stattfinden darf (Absatz 3).

    Artikel 24 Mitteilung der Entscheidung

    90. In diesem Artikel wird festgelegt, daß die Mitteilung der Entscheidung an den Antragsteller gemäß dem Recht des Staats zu erfolgen hat, in dem der Vollstreckungsantrag gestellt worden ist. Diese Bestimmung zeigt die Bedeutung der Begründung eines Wahldomizils bzw. der Benennung eines Zustellungsbevollmächtigten (siehe Artikel 22) und hat Auswirkungen auf die Einlegung der Rechtsbehelfe, auf die sich die folgenden Artikel beziehen.

    Artikel 25 Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über die Zulassung der Vollstreckung

    91. Analog zum Brüsseler Übereinkommen gestattet dieser Artikel einen etwaigen Rechtsbehelf der Person, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt ist, gegen die Entscheidung, mit der die Vollstreckung zugelassen wird, während die Artikel 28 und 29 die Regelung für Rechtsbehelfe in den Fällen enthalten, in denen die Zulassung der Vollstreckung nicht für angemessen erachtet wurde.

    Da das Übereinkommen, wenn es wie vorgesehen funktioniert, zur Erteilung des Exequatur führen soll, wird für die Einlegung eines Rechtsbehelfs logischerweise nur eine kurze Frist eingeräumt, die einen Monat beträgt (Absatz 1). Hat die Partei, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt war, ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Staat als dem, in dem die Vollstreckungsentscheidung ergangen ist, so beträgt die Frist zwei Monate ab dem Tag der Zustellung, die entweder persönlich oder in der Wohnung der betreffenden Partei erfolgt sein muß. Diese Frist kann nicht wegen weiter Entfernung verlängert werden.

    Artikel 26 Für den Rechtsbehelf zuständiges Gericht und Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf

    92. In Absatz 1 werden die Gerichte aufgeführt, bei denen ein Rechtsbehelf gegen die Vollstreckungsentscheidung eingelegt werden kann. In diesem Fall findet ein kontradiktorisches Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör statt, im Gegensatz zu dem Vollstreckungsantrag und der Vollstreckungsentscheidung mit einseitigem Charakter. Es sei hier betont, daß das Übereinkommen für das Rechtsbehelfsverfahren lediglich ein solches beiderseitiges rechtliches Gehör verlangt, während die Vollstrekkungsentscheidung in einem einseitigen Verfahren ergeht. Dabei ist besondere Umsicht wegen sprachlicher Unterschiede geboten und der Begriff "kontradiktorisch" ("mit beiderseitigem rechtlichen Gehör") keinesfalls mit dem Begriff "streitig" gleichzusetzen. So handelt es sich in einigen Staaten um ein Verfahren sowohl mit "kontradiktorischem" als auch mit "streitigem" Charakter, während dies in anderen Staaten nicht der Fall ist. Es ist also stets ein "kontradiktorisches" Verfahren (mit beiderseitigem rechtlichen Gehör) zu führen, wohingegen die Frage, ob es sich bei dem Rechtsbehelfsverfahren auch um ein "streitiges" Verfahren handelt oder nicht, von den innerstaatlichen Rechtsvorschriften abhängt, wie auch das Verfahren dem Recht des jeweiligen Gerichtstandes unterliegt (lex fori regit processum).

    93. Gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf können nur noch in Deutschland die Rechtsbeschwerde, in Österreich der Revisionsrekurs bzw. in den übrigen Staaten andere Rechtsbehelfe höchsten Grades eingelegt werden. Mit dieser Einschränkung der möglichen Rechtsbehelfe sollen unnötige Verfahren vermieden werden, die ohne sachliche Begründung nur zu Verzögerungszwecken eingelegt werden könnten. Schließlich geht es darum, den Zweck des Übereinkommens zu wahren, der darin besteht, die Freizügigkeit von Entscheidungen zu ermöglichen. Dementsprechend befürworteten einige Delegationen sogar die völlige Streichung des in Absatz 2 vorgesehenen Rechtsbehelfs. Es wurde jedoch für zweckmäßiger erachtet, dieselbe Regelung wie im Brüsseler Übereinkommen beizubehalten, zumal von dieser Möglichkeit im Rahmen des Familienrechts nur selten Gebrauch gemacht werden dürfte.

    Artikel 27 Aussetzung des Verfahrens

    94. In bestimmten Fällen kann es vorkommen, daß eine Entscheidung im Ursprungsstaat vollstreckbar ist, obgleich bereits ein Rechtsbehelf eingelegt worden ist oder die Frist für dessen Einlegung noch nicht verstrichen ist. In bezug auf diese Fälle galt es zu vermeiden, daß die Situation durch Erteilung des Exequatur für die Entscheidung noch komplizierter wird. Infolgedessen hat das Gericht, das über den Rechtsbehelf zu befinden hat, gemäß dieser Bestimmung die Möglichkeit, nicht jedoch die Verpflichtung, das Verfahren auszusetzen, wenn über den ordentlichen Rechtsbehelf im Ursprungsstaat noch nicht entschieden wurde oder die Frist für dessen Einlegung noch nicht verstrichen ist. Die Aussetzung kann nur auf Antrag der Partei erfolgen, die den Rechtsbehelf eingelegt hat.

    Zur Aussetzung der Anerkennung siehe Artikel 19 (und die Erläuterungen unter Nummer 79).

    95. In Absatz 2 wird den Besonderheiten Irlands und des Vereinigten Königreichs Rechnung getragen.

    Artikel 28 Zuständiges Gericht für einen Rechtsbehelf gegen eine Entscheidung über die Ablehnung der Vollstreckung

    96. Parallel zu dem Rechtsbehelf bei Zulassung der Vollstreckung hat der Antragsteller auch die Möglichkeit, gegen eine Ablehnung der Vollstreckung einen Rechtsbehelf einzulegen; auch hier werden in Absatz 1 die Gerichte aufgeführt, die für diesen Rechtsbehelf zuständig sind. Im Gegensatz zum ersteren Fall wird hier jedoch keinerlei Frist für die Einlegung des Rechtsbehelfs vorgeschrieben. Der Grund dafür besteht wie im Brüsseler Übereinkommen von 1968 darin, daß dem Antragsteller bei einer Ablehnung seines Antrags das Recht einzuräumen ist, einen Rechtsbehelf zu einem Zeitpunkt einzulegen, der ihm zweckmäßig erscheint, und daß er beispielsweise Zeit braucht, um die erforderlichen Urkunden beizubringen. Auch hier bedingt der Zweck des Übereinkommens das unterschiedliche Vorgehen: die Entscheidung soll in aller Regel vollstreckt werden, und es sind infolgedessen Erleichterungen vorzusehen, damit dieser Zweck, nachdem die erste Entscheidung hinsichtlich einer Vollstreckung ohne Verzug und im Rahmen eines einseitigen Verfahrens ergangen ist, auch erreicht wird.

    97. Da es sich auch hier um ein Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör zu handeln hat und die Rechte der Partei, gegen die der Vollstreckungsantrag gestellt worden ist, zu wahren sind, ist in Absatz 2 vorgesehen, daß diese von der Einlegung des Rechtsbehelfs zu unterrichten ist; ferner ist Artikel 10 (Prüfung der Zulässigkeit des Verfahrens) anzuwenden, falls sich diese Partei auf das Verfahren nicht einläßt, ob sie nun ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem Mitgliedstaat oder in einem Nichtmitgliedstaat hat.

    Artikel 29 Anfechtung der Entscheidung über den Rechtsbehelf

    98. Wie nach Artikel 26 Absatz 2 (siehe Erläuterungen unter Nummer 93) sind auch gegen die Entscheidung über den Rechtsbehelf nur die im einzelnen aufgeführten weiteren Rechtsbehelfe zulässig.

    Artikel 30 Teilvollstreckung

    99. Wie Artikel 42 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 betrifft dieser Artikel zwei unterschiedliche Aspekte. In Absatz 1 geht es um den Fall, daß sich die Entscheidung auf verschiedene Ansprüche bezieht und daß die Vollstreckung nicht für alle diese Ansprüche zugelassen werden kann: in diesem Fall läßt das Gericht die Vollstreckung nur für einen oder mehrere Ansprüche zu. In Absatz 2 hingegen geht es um den Fall, daß der Antragsteller nur eine teilweise Vollstreckung der Entscheidung beantragt.

    Artikel 31 Prozeßkostenhilfe

    100. Nach dem Muster anderer Übereinkünfte betreffend die Vollstreckung wird hier festgelegt, daß der Antragsteller, wenn ihm im Ursprungsstaat in irgendeiner Form Prozeßkostenhilfe oder Kostenbefreiung gewährt wurde, auch in dem Staat, in dem er die Vollstreckung beantragt, diesbezüglich die günstigste Behandlung erfährt, die nach dessen Recht möglich ist.

    Artikel 32 Sicherheitsleistung oder Hinterlegung

    101. Im Hinblick auf die Partei, die in einem Mitgliedstaat die Anerkennung oder Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung beantragt, übernimmt dieser Artikel den gängigen Grundsatz der Befreiung von jeglicher Art von Sicherheitsleistung oder Hinterlegung (cautio judicatum solvi).

    Dritter Abschnitt I. Gemeinsame Vorschriften

    Artikel 33 Urkunden

    102. Hier ist zwischen den verschiedenen Absätzen und den darin im einzelnen geregelten Aspekten zu unterscheiden.

    103. Zunächst sind in Absatz 1 die Urkunden aufgeführt, die einem Antrag sowohl auf Anerkennung oder Nichtanerkennung als auch auf Vollstreckung einer Entscheidung in jedem Fall beizufügen sind. Wie in allen Vollstreckungsübereinkünften wird die Vorlage einer Ausfertigung der Entscheidung verlangt, welche die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfuellt, wobei für letzteres nach der Regel locus regit actum das Recht des Ortes maßgeblich ist, an dem die Entscheidung ergangen ist. Gegebenenfalls ist ferner eine Urkunde vorzulegen, durch die nachgewiesen wird, daß der Antragsteller im Ursprungsmitgliedstaat Prozeßkostenhilfe erhalten hat.

    104. Absatz 2 bezieht sich auf die Urkunden, die bei einer im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidung vorzulegen sind, und ist logischerweise auf Fälle beschränkt, in denen die Anerkennung oder die Vollstreckung beantragt wird, denn wenn eine Nichtanerkennung beantragt wird, dürfte der Normalfall bei im Versäumnisverfahren ergangenen Entscheidungen wohl der sein, daß derartige Schriftstücke nicht vorliegen. Die Person, welche die Anerkennung oder Vollstreckung beantragt, hat also einen Nachweis in der vorgeschriebenen Form über die Zustellung des verfahrenseinleitenden Schriftstücks oder eines gleichwertigen Schriftstücks oder - im Fall einer Entscheidung betreffend die Ehescheidung, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes oder die Ungültigerklärung einer Ehe - eine Urkunde vorzulegen, aus der hervorgeht, daß der Antragsgegner in eindeutiger Weise mit dem Inhalt dieser Entscheidung einverstanden ist (siehe Erläuterungen zu Artikel 15 betreffend die Gründe für die Nichtanerkennung).

    Absatz 2 Buchstabe b) ist analog zu Artikel 15 Absatz 1 Buchstabe b) und Absatz 2 Buchstabe c) abgefaßt.

    105. Schließlich wird in Absatz 3 die Urkunde genannt, die zusätzlich zu den Urkunden nach den Absätzen 1 und 2 im Hinblick auf eine Beischreibung in den Personenstandsbüchern vorzulegen ist. Da die Personenstandsbücher zur Beurkundung der in ihnen enthaltenen Daten dienen, wird für eine entsprechende Beischreibung die Vorlage einer Urkunde verlangt, aus der hervorgeht, daß gegen die ergangene Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsstaats keine weiteren Rechtsbehelfe eingelegt werden können.

    Artikel 34 Weitere Urkunden

    106. Außer den gemäß Artikel 33 vorzulegenden Urkunden hat die Partei, welche die Vollstreckung beantragt, nachzuweisen, daß die Entscheidung nach dem Recht des Ursprungsmitgliedstaats vollstreckbar ist und daß sie zugestellt worden ist.

    Artikel 35 Fehlen von Urkunden

    107. Im Geiste des Übereinkommens und im Interesse der Verwirklichung seiner Ziele sind in bezug auf das Erfordernis der Vorlage von Urkunden gewisse Erleichterungen vorgesehen; so kann das Gericht eine Frist für die Vorlage der Urkunden einräumen, sich mit gleichwertigen Urkunden begnügen oder von dem Erfordernis der Vorlage ganz absehen, wenn es den Sachverhalt für eindeutig hält (z. B. im Fall vernichteter Urkunden). Diese Möglichkeit besteht jedoch nur für die Urkunden, die gemäß Artikel 33 Absatz 1 Buchstabe b) und Absatz 2 vorzulegen sind, nicht hingegen für die Urkunden, deren Vorlage gemäß Artikel 33 Absatz 3 im Hinblick auf die Beischreibung in den Personenstandsbüchern erforderlich ist. Eine Ausfertigung der betreffenden Entscheidung ist also stets erforderlich.

    Was die Auswirkungen eines Fehlens der in den vorangegangenen Artikeln verlangten Urkunden bei Stellung des Vollstreckungsantrags betrifft, so ist diese Bestimmung in Verbindung mit Artikel 22 zu sehen. Auf der Grundlage der eingehenden Erörterung dieser Frage im Rahmen der Beratungen über das Brüsseler Übereinkommen von 1968 wird davon ausgegangen, daß das Gericht den Antrag für unzulässig erklären kann, wenn die vorgelegten Urkunden trotz der in bezug auf die Vollständigkeit der Unterlagen vorgesehenen Erleichterungen nicht ausreichen und das Gericht nicht in den Besitz der gewünschten Informationen gelangt.

    108. Die mit dem Übereinkommen beabsichtigte Vereinfachung kommt auch darin zum Ausdruck, daß eine Übersetzung der Urkunden nur auf Verlangen des zuständigen Gerichts erforderlich ist. Ist dies der Fall, so kann die Übersetzung zudem von einer Person beglaubigt werden, die hierzu in einem der Mitgliedstaaten, und zwar nicht unbedingt im Ursprungsstaat oder im ersuchten Staat, befugt ist.

    Artikel 36 Legalisation oder ähnliche Förmlichkeit

    109. Der Verzicht auf das Erfordernis einer Legalisation oder ähnlichen Förmlichkeit betrifft die in den Artikeln 33 und 34 sowie in Artikel 35 Absatz 2 genannten Urkunden sowie gegebenenfalls die Urkunde über eine Vollmacht im Rahmen des Verfahrens zur Erlangung des Exequatur (siehe hierzu auch Artikel 22 Absatz 2). Auch in diesem Punkt wurde das Brüsseler Übereinkommen von 1968 übernommen.

    TITEL IV J. Übergangsvorschriften

    Artikel 37

    110. Diese Bestimmung entspricht Artikel 54 des Brüsseler Übereinkommens von 1968. Als allgemeine Regel gilt, daß das Übereinkommen nur für gerichtliche Verfahren, öffentliche Urkunden und vor einem Richter im Laufe eines Verfahrens geschlossene Vergleiche gilt, die eingeleitet, aufgenommen bzw. geschlossen worden sind, nachdem das Übereinkommen im Ursprungsmitgliedstaat, und, sofern die Anerkennung oder Vollstreckung beantragt wird, im ersuchten Staat in Kraft getreten ist. Infolgedessen ist das Übereinkommen nicht anzuwenden, wenn die Einleitung des Verfahrens und der Erlaß der Entscheidung vor Inkrafttreten des Übereinkommens (siehe hierzu Artikel 47 Absätze 3 und 4 sowie Artikel 48 Absatz 4) erfolgt sind.

    111. Hingegen kann eine später ergangene Entscheidung mit den im Übereinkommen vorgesehenen Erleichterungen vollstreckt werden, selbst wenn das betreffende Verfahren vor dessen Inkrafttreten eingeleitet wurde, sofern a) das Übereinkommen zwischen dem Ursprungsmitgliedstaat und dem ersuchten Staat in Kraft ist und b) die vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats übernommene Zuständigkeit mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II oder eines Abkommens übereinstimmte, das zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens zwischen diesen beiden Staaten in Kraft war. Die Formulierung "mit den Zuständigkeitsvorschriften des Titels II . . . übereinstimmen" bedeutet, daß in diesem Fall das Gericht des ersuchten Staats die Zuständigkeit des Gerichts des Ursprungsstaats zu prüfen hat, da diese dort nicht auf Betreiben des Antragsgegners aufgrund des Übereinkommens geprüft werden konnte (siehe diesbezüglich Artikel 9; siehe ferner in Verbindung mit Artikel 40 Absatz 2).

    TITEL V K. Allgemeine Bestimmungen

    Artikel 38 Verhältnis zu anderen Übereinkünften

    112. Absatz 1 dieses Artikels enthält die allgemeine Bestimmung, wonach dieses Übereinkommen zwischen den Mitgliedstaaten die zwischen ihnen bestehenden zwei- oder mehrseitigen Übereinkünfte ersetzt. Im Gegensatz zum Brüsseler Übereinkommen von 1968 (Artikel 55) wurde hier darauf verzichtet, die einschlägigen Übereinkünfte aufzulisten. Der Grund liegt darin, daß dieses Übereinkommen für die Bereiche, auf die es anzuwenden ist (Artikel 1), gegenüber anderen Übereinkünften das Hauptinstrument darstellt. Eine besondere Situation liegt allerdings in bezug auf bestimmte multilaterale Übereinkommen vor, auf die in Artikel 39 doch Bezug genommen wird (siehe Erläuterungen zu diesem Artikel). Zwei- oder mehrseitige Übereinkünfte sind nur in den in Artikel 40 genannten Fällen anwendbar.

    113. Die nordischen Mitgliedstaaten der Europäischen Union (Dänemark, Finnland und Schweden) sind Vertragsparteien des Übereinkommens vom 6. Februar 1931 zwischen Dänemark, Finnland, Island, Norwegen und Schweden mit Bestimmungen des internationalen Privatrechts über Ehe, Adoption und Vormundschaft. Dieses Übereinkommen wurde letztmals durch eine 1973 in Stockholm getroffene Übereinkunft geändert. Als Ergebnis des im Dezember 1997 im Rahmen der Europäischen Union erzielten politischen Einvernehmens wird in Artikel 38 Absatz 2 auf die Sondersituation Bezug genommen und den nordischen Mitgliedstaaten die Möglichkeit eingeräumt, in ihren gegenseitigen Beziehungen weiterhin das genannte Übereinkommen anzuwenden. Allerdings sind dafür die in dieser Bestimmung genannten Bedingungen zu erfuellen.

    Die Anwendung des Übereinkommens von 1931 durch die nordischen Mitgliedstaaten in deren Beziehungen steht im Einklang mit Artikel K.7 des Vertrags über die Europäische Union, wonach der Begründung einer engeren Zusammenarbeit zwischen zwei oder mehr Mitgliedstaaten nichts entgegensteht, soweit sie der im hier behandelten Übereinkommen vorgesehenen Zusammenarbeit nicht zuwiderläuft und diese nicht behindert.

    a) Nach Artikel 38 Absatz 2 Buchstabe a) des Übereinkommens steht es jedem der nordischen Mitgliedstaaten frei, zu erklären, daß anstelle der Bestimmungen des hier behandelten Übereinkommens das Übereinkommen von 1931 ganz oder teilweise in seinen Beziehungen zu den anderen nordischen Staaten anwendbar ist. Diese Erklärung hat zum Zeitpunkt der Notifizierung der Annahme des Übereinkommens nach den verfassungsrechtlichen Vorschriften des betreffenden Staates zu erfolgen. Die Erklärung gilt, solange sie nicht ganz oder teilweise widerrufen wird.

    Gemäß dem politischen Einvernehmen vom Dezember 1997 soll diese Ausnahme von der Allgemeingültigkeit des Übereinkommens nur dann zur Anwendung gelangen, wenn beide Ehegatten Staatsangehörige eines nordischen Mitgliedstaats sind und auch ihren gewöhnlichen Aufenthalt in einem dieser Staaten haben. Deshalb verpflichtet sich jeder der nordischen Mitgliedstaaten, der Gebrauch von der Möglichkeit einer weiteren Anwendung des nordischen Übereinkommens macht, in einer Erklärung im Anhang des Übereinkommens, Artikel 7 Absatz 2 des nordischen Übereinkommens nicht mehr anzuwenden, da diese Bestimmung die Staatsangehörigkeit nur eines Ehegatten voraussetzt, und sich darum zu bemühen, in naher Zukunft die im Rahmen des nordischen Übereinkommens geltenden Zuständigkeitskriterien im Lichte des Grundsatzes des Verbots einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit zu überprüfen (siehe Artikel 8, Nummer 47).

    Zudem kann jeder der nordischen Staaten in der Erklärung im Anhang erklären, daß die nach dem nordischen Übereinkommen geltenden Gründe für eine Ablehnung der Anerkennung in der Praxis so angewendet werden, daß Kohärenz zu Titel III des hier behandelten Übereinkommens besteht.

    b) Nach Absatz 2 Buchstabe b) wird der Grundsatz des Verbots einer Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit befolgt und der Kontrolle durch den Gerichtshof unterworfen.

    c) Absatz 2 Buchstabe c) besagt, daß die Zuständigkeitskriterien in künftigen Übereinkünften zwischen den nordischen Mitgliedstaaten, die im Übereinkommen geregelte Bereiche betreffen, im Einklang mit dessen Bestimmungen stehen müssen.

    d) Eine Entscheidung, die in einem nordischen Mitgliedstaat in Anwendung des nordischen Übereinkommens ergangen ist, wird in den übrigen Mitgliedstaaten nach Titel III des hier behandelten Übereinkommens anerkannt und vollstreckt, sofern das von dem nordischen Gericht angewandte Zuständigkeitskriterium einem der in Titel II aufgestellten Kriterien entspricht.

    114. In Absatz 3 wird den Mitgliedstaaten prinzipiell untersagt, in ihren Beziehungen untereinander Übereinkünfte zu schließen oder anzuwenden, die nicht der Erleichterung oder Ergänzung der Bestimmungen des Übereinkommens dienen. Den Mitgliedstaaten steht es indessen frei, weiter zu gehen als das Übereinkommen; so könnten zwei Mitgliedstaaten beispielsweise eine Übereinkunft schließen, um auf alle oder einige der Gründe für die Nichtanerkennung gemäß Artikel 15 zu verzichten. Diese Bestimmung gehorcht derselben Logik wie Artikel 39.

    Artikel 39 Verhältnis zu bestimmten multilateralen Übereinkommen

    115. Dieser Artikel enthält die Vorschrift, daß das Übereinkommen vor anderen internationalen Übereinkommen, denen die Mitgliedstaaten angehören, insoweit Vorrang hat, als Bereiche betroffen sind, die in beiden geregelt sind.

    Aus der Bestimmung ergibt sich der Vorrang des hier behandelten Übereinkommens - und infolgedessen seine obligatorische Anwendung - vor anderen Übereinkommen. Verworfen wurde der Vorschlag einiger Staaten, eine nur fakultative Anwendung des Übereinkommens im Hinblick auf eines oder mehrere der genannten Übereinkommen vorzusehen, der sogar darauf abzielte, die innerstaatlichen Vorschriften anzuwenden, sofern diese günstiger sind. Rechtssicherheit und Vertrauensschutz verlangen die Bestimmung, die schließlich gewählt wurde und die die obligatorische und vorrangige Anwendung dieses Übereinkommens beinhaltet. Besonders hervorzuheben ist, daß das Übereinkommen insofern, als in seinen Anwendungsbereich auch Fragen der elterlichen Verantwortung für ein Kind beider Ehegatten fallen, in Fällen, in denen sich aus Anlaß des Ehescheidungsverfahrens die Frage des Schutzes der Kinder stellt, Vorrang vor dem Haager Übereinkommen von 1996 hat, wenn auch nur in bezug auf Kinder, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in den Mitgliedstaaten haben. Die Tatsache, daß auch das Haager Übereinkommen von 1970 über die Anerkennung der Ehescheidung aufgeführt wird, bedeutet ebenso, daß dem hier behandelten Übereinkommen, das im übrigen ein "Doppelabkommen" darstellt, Vorrang einzuräumen ist.

    116. Es sei darauf hingewiesen, daß nicht alle Mitgliedstaaten sämtlichen in diesem Artikel genannten Übereinkommen angehören und daß deren Aufnahme in diesen Artikel auch nicht bedeutet, daß den Mitgliedstaaten nahegelegt wird, ihnen beizutreten. Die Bestimmung enthält lediglich eine konkrete Vorschrift über das Verhältnis zwischen dem hier behandelten Übereinkommen und anderen Vertragstexten.

    117. Die hier aufgestellte Regel ist klar von der Situation in Artikel 4 zu unterscheiden, wo es um eine besondere Zuständigkeitsregel zur vorrangigen Berücksichtigung des Haager Übereinkommens von 1980 über die zivilrechtlichen Aspekte internationaler Kindesentführung geht. Beim Europäischen Übereinkommen vom 20. Mai 1980 über die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen über das Sorgerecht für Kinder und die Wiederherstellung des Sorgeverhältnisses liegt, auch wenn es häufig alternativ zum Haager Übereinkommen herangezogen worden ist, insofern ein anderer Sachverhalt vor, als die Voraussetzungen für seine Anwendung erheblich von denen des Haager Übereinkommens abweichen, insbesondere was das Erfordernis des Vorliegens einer Sorgerechtsentscheidung betrifft, so daß allein schon deshalb diese Bestimmung des hier behandelten Übereinkommens notwendig war.

    Artikel 40 Fortbestand der Wirksamkeit

    118. Dieser Artikel enthält eine Bestimmung über die weitere Geltung der in den Artikeln 38 und 39 genannten internationalen Übereinkünfte sowohl für die Rechtsgebiete, für die das hier behandelte Übereinkommen nicht gilt (Absatz 1), als auch für die Entscheidungen, die vor Inkrafttreten dieses Übereinkommens ergangen sind (Absatz 2), ohne daß für letzteren Fall über Artikel 37 hinaus eine Übergangsbestimmung vorgesehen wäre, die eine Anerkennung dieser Entscheidungen nach dem Übereinkommen gestatten würde, sofern sie aufgrund einer im Übereinkommen anerkannten Zuständigkeit ergangen sind.

    Artikel 41 Übereinkünfte zwischen den Mitgliedstaaten

    119. Wenn Mitgliedstaaten, die Vertragsparteien des Übereinkommens sind, besondere Übereinkünfte zur Ergänzung des Übereinkommens oder zur Erleichterung von dessen Anwendung geschlossen haben, werden die nach Maßgabe dieser Übereinkünfte ergangenen Entscheidungen in einem anderen Mitgliedstaat unbeschadet der in Titel III vorgesehenen Nichtanerkennungsgründe anerkannt und vollstreckt; diese Lösung ergibt sich logisch aus der Tatsache, daß diese Übereinkünfte, da es sich um Zusatzübereinkünfte handelt, nicht die Bestimmungen dieses Übereinkommens verletzen können und eine derartige Lösung daher dem Inhalt des Übereinkommens nicht entgegensteht.

    Artikel 42 Verträge mit dem Heiligen Stuhl

    120. Im Zusammenhang mit dem Anwendungsbereich des Übereinkommens (siehe Erläuterungen zu Artikel 1 unter Nummer 20 Buchstabe B) wurde bereits darauf hingewiesen, daß für bestimmte Verträge mit dem Heiligen Stuhl eine Sonderregelung gilt. Damit soll der Schwierigkeit Rechnung getragen werden, die sich in bezug auf Portugal stellte, wo nach Artikel XXV des Konkordats (Bezeichnung für internationale Verträge mit dem Heiligen Stuhl) zwischen Portugal und dem Heiligen Stuhl vom 7. Mai 1940 in der geänderten Fassung des Zusatzprotokolls vom 4. April 1975 sowie nach den Artikeln 1625 und 1626 des portugiesischen Zivilgesetzbuchs für die Ungültigerklärung einer nach den Regeln des Konkordats geschlossenen katholischen Ehe allein die Kirchengerichte zuständig sind.

    Es ist darauf hinzuweisen, daß das Zusatzprotokoll von 1975 für das hier behandelte Übereinkommen insofern nicht relevant ist, als es sich auf eine Änderung des Artikels XXIV des Konkordats in dem Sinne beschränkt, daß den Zivilgerichten gestattet wird, die Scheidung von nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehen auszusprechen, was nach der ursprünglichen Fassung des Konkordats weder Zivilgerichten noch Kirchengerichten möglich war, da das kanonische Recht die Auflösung der Ehe durch Scheidung nicht kennt.

    Für Portugal bestand das Problem in der ausschließlichen Zuständigkeit der Kirchengerichte für die Ungültigerklärung von nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehen. Denn Portugal würde seine aufgrund des Konkordats eingegangenen internationalen Verpflichtungen verletzen, wenn es durch die Ratifizierung des Übereinkommens den Zivilgerichten (aufgrund Artikel 2 ff.) eine Zuständigkeit für die Ungültigerklärung derartiger portugiesischer Ehen einräumen würde.

    Die Wahrung der Geltung des Konkordats gemäß Artikel 42 Absatz 1 gibt Portugal somit die Möglichkeit einer Nichtanerkennung sowohl der Zuständigkeit von Zivilgerichten als auch deren etwaiger Entscheidungen über die Ungültigerklärung einer nach den Regeln des Konkordats geschlossenen Ehe.

    Zum anderen werden nach Absatz 2 die nach den Regeln des Konkordats und des portugiesischen Zivilgesetzbuchs ergangenen Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Ehe nach ihrer Bestätigung gemäß portugiesischem Recht auch in den übrigen Mitgliedstaaten anerkannt.

    Diesbezüglich hat Italien (siehe hierzu Nummer 129 in bezug auf Artikel 46) die dem Übereinkommen beigefügte Erklärung abgegeben, wonach sich Italien die Möglichkeit vorbehält, hinsichtlich der Entscheidungen der portugiesischen Kirchengerichte die Verfahren anzuwenden und die Überprüfungen vorzunehmen, die in seiner eigenen Rechtsordnung aufgrund seiner mit dem Heiligen Stuhl geschlossenen Verträge für entsprechende kirchengerichtliche Entscheidungen vorgesehen sind.

    121. Die Situation in Spanien und in Italien ist insofern anders als in Portugal, als die Zuständigkeit der Kirchengerichte für die Ungültigerklärung einer Ehe nicht ausschließlich ist, sondern konkurrierend, und ein besonderes Verfahren für die zivilrechtliche Anerkennung derartiger Entscheidungen vorgesehen ist. Aus diesem Grund sind diese Konkordate in einem gesonderten Absatz aufgeführt, womit bei diesen Entscheidungen dieselben Bestimmungen für die Anerkennung gelten, obgleich eine solche ausschließliche Zuständigkeit nicht gegeben ist.

    122. Im Fall von Spanien handelt es sich um die Vereinbarung vom 3. Januar 1979 über Rechtsangelegenheiten zwischen dem Heiligen Stuhl und dem spanischen Staat. Gemäß dem darin enthaltenen Artikel VI Absatz 2 können die Parteien nach den Bestimmungen des kanonischen Rechts die Kirchengerichte anrufen, um die Ungültigerklärung der Ehe oder eine Pontifikalerklärung darüber zu erlangen, daß die Ehe nicht vollzogen wurde. Auf Antrag einer der Parteien sind diese kirchlichen Entscheidungen zivilrechtlich wirksam, wenn sie durch eine Entscheidung des zuständigen Zivilgerichts für mit dem staatlichen Recht im Einklang stehend erklärt werden.

    Die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes und die Ehescheidung hingegen fallen in die Zuständigkeit der Zivilgerichte. Die ausschließliche Zuständigkeit der Kirchengerichte für die Ungültigerklärung einer Ehe entfiel mit Inkrafttreten der spanischen Verfassung von 1978 zugunsten einer konkurrierenden Zuständigkeit der Zivil- und der Kirchengerichte und einer damit möglichen Anerkennung zivilrechtlicher Wirkungen. Dabei sind neben der genannten Vereinbarung von 1979 der Artikel 80 des spanischen Zivilgesetzbuchs und die Zweite Zusatzbestimmung (Disposición Adicional Segunda) zu dem Gesetz Nr. 30 vom 7. Juli 1981 zu berücksichtigen, mit der die Regelung über die Ehe im Zivilgesetzbuch geändert und das Verfahren festgelegt wurde, das im Hinblick auf die Ungültigerklärung einer Ehe, die Trennung ohne Auflösung des Ehebandes bzw. die Ehescheidung gilt. Aus den genannten Bestimmungen geht folgendes hervor: 1) Entscheidungen nach kanonischem Recht können nur dann zivilrechtliche Wirkungen entfalten, wenn beide Parteien dem zustimmen bzw. keine der Parteien Einwände dagegen erhebt. 2) Bestehen keine Einwände, so entscheiden die ordentlichen Gerichte, ob die kirchliche Entscheidung zivilrechtliche Wirkungen entfaltet oder nicht, und nehmen, wenn ja, die Vollstreckung der Entscheidung gemäß den Bestimmungen des Zivilgesetzbuchs bezüglich der Gründe für die Ungültigerklärung bzw. Auflösung einer Ehe vor. 3) Die Gründe für die Ungültigerklärung einer Ehe nach kanonischem Recht und nach spanischem Zivilrecht sind nicht kongruent. Daher stellt sich die Frage, ob nur die kirchlichen Entscheidungen, die mit dem staatlichen Recht "in Einklang gebracht" wurden, zivilrechtlich wirksam sein können. 4) Artikel 80 des spanischen Zivilgesetzbuchs nimmt Bezug auf Artikel 954 der spanischen Zivilprozeßordnung, in dem die Voraussetzungen für die Vollstreckung ausländischer Urteile festgelegt sind. Es ist davon auszugehen, daß diese Bezugnahme in den Fällen relevant ist, in denen sich der Antragsgegner auf das Verfahren nicht einläßt. Insgesamt ist der wichtigste Aspekt somit der, ob eine der Parteien gegen den Antrag auf zivilrechtliche Anerkennung einer kirchlichen Entscheidung betreffend die Ungültigerklärung einer Ehe Einwände erhoben hat.

    123. Im Fall von Italien geht es um die Vereinbarung vom 18. Februar 1984 zwischen dem Heiligen Stuhl und der Italienischen Republik, mit der der Lateranvertrag vom 11. Februar 1929 geändert wurde. In deren Artikel 8 Absatz 2 ist vorgesehen, daß vollstreckbare Entscheidungen von Kirchengerichten betreffend die Ungültigerklärung einer Ehe aufgrund einer Entscheidung der zuständigen Corte d'appello in Italien rechtswirksam sind, wenn a) das Kirchengericht insofern in der Sache zuständig war, als es sich um eine nach den im selben Artikel festgelegten Bestimmungen geschlossene Ehe handelte, b) das Verfahren vor den Kirchengerichten die Vorbringungs- und Verteidigungsrechte der Parteien gemäß den wesentlichen Grundsätzen des italienischen Rechts gewahrt hat und c) die übrigen Voraussetzungen des italienischen Rechts in bezug auf die Erklärung der Rechtswirksamkeit ausländischer Urteile erfuellt sind. Trotz der Aufhebung von Artikel 796 ff. der italienischen Zivilprozeßordnung (Codice di Procedura Civile) durch das Gesetz Nr. 218 vom 31. Mai 1995 zur Änderung der italienischen Vorschriften betreffend das internationale Privatrecht (Artikel 73) wird in der Praxis davon ausgegangen, daß diese Artikel aufgrund von Artikel 2 des Gesetzes (Internationale Übereinkünfte) für die Anerkennung von kirchengerichtlichen Entscheidungen über die Ungültigkeit einer Ehe weiterhin Geltung haben.

    124. In Absatz 4 wird wie auch in Artikel 38 verlangt, daß die Mitgliedstaaten, die Parteien dieser internationalen Verträge oder Konkordate sind, dem Verwahrer des Übereinkommens eine Abschrift dieser Verträge übermitteln und diesen ferner über alle Änderungen oder Kündigungen dieser Verträge unterrichten. Die Kündigung oder Änderung eines dieser Verträge wird dem Verwahrer notifiziert, der die Mitgliedstaaten unterrichtet. Für eine Streichung aus der Liste der Verträge gilt Artikel 49 Absatz 3.

    Artikel 43 Nichtanerkennung und Nichtvollstreckung von Entscheidungen auf der Grundlage von Artikel 8

    125. Diese Bestimmung geht zurück auf Artikel 59 des Brüsseler Übereinkommens von 1968 und ist in Verbindung mit Artikel 16 Absatz 1 zu sehen (siehe Erläuterungen unter Nummer 74). Mit diesem Artikel sollen die Wirkungen von Entscheidungen, die aufgrund der Restzuständigkeiten ergangen sind, in den Mitgliedstaaten abgeschwächt werden. Gemäß Artikel 43 kann ein Mitgliedstaat die Anerkennung einer in einem anderen Mitgliedstaat ergangenen Entscheidung ablehnen, wenn diese nicht aufgrund einer in den Artikeln 2 bis 7 vorgesehenen Zuständigkeit, sondern gemäß Artikel 8 allein nach innerstaatlichem Recht ergangen ist. Dies gilt jedoch nur, wenn der betreffende Mitgliedstaat mit einem Drittstaat ein Abkommen geschlossen hat, das zwischen ihnen auf die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen anzuwenden ist und den Mitgliedstaat verpflichtet, Entscheidungen, die in einem anderen Mitgliedstaat ausschließlich nach Maßgabe des Artikels 8 ergangen ist, nicht anzuerkennen. Daraus ergibt sich, daß Artikel 8 kein gemeinsames Vorgehen vorschreibt und es den Mitgliedstaaten somit freisteht, derartige Abkommen zu schließen.

    Artikel 44 Mitgliedstaaten mit zwei oder mehreren Rechtssystemen

    126. Mit diesem Artikel wird unmittelbar den Bestimmungen des Haager Übereinkommens von 1996 zum Schutz von Kindern in bezug auf die Mitgliedstaaten Rechnung getragen, in denen die verfahrensrechtlichen Vorschriften in zwei oder mehreren Rechtsordnungen geregelt sind. Für diese Fälle waren zusätzliche Regeln für die Bestimmung der jeweils relevanten Gebietseinheit aufzustellen. Diese Regeln beziehen sich allerdings nur auf die im Rahmen des Übereinkommens möglichen Bindungskriterien.

    TITEL VI L. Gerichtshof

    Artikel 45

    127. Die Anerkennung der Festlegung der Zuständigkeit des Gerichtshofes zum Zwecke der Sicherstellung einer einheitlichen Auslegung des Übereinkommens war sehr umstritten. Einige Delegationen erachteten eine solche Zuständigkeit als einen wichtigen Aspekt und sahen sich in ihrer Haltung durch die Praxis der einheitlichen Auslegung des Brüsseler Übereinkommens von 1968 bestätigt. Andere Delegationen wünschten keine derartige Zuständigkeit oder zumindest deren Beschränkung auf Verfahren bei bestimmten obersten Gerichten der einzelnen Mitgliedstaaten, womit die Gerichte der Mitgliedstaaten, die als Rechtsmittelinstanz entscheiden, ausgeschlossen worden wären.

    Die gewählte Lösung stellt einen Kompromiß dar, wonach in dem Übereinkommen selbst lediglich die Zuständigkeit des Gerichtshofes festgelegt wird, während die Bestimmungen über die Ausübung dieser Zuständigkeit in einem Protokoll geregelt sind, das vom Rat zur gleichen Zeit wie das Übereinkommen ausgearbeitet wurde (siehe hierzu den Bericht zu dem Protokoll). Ihm zufolge können nur die Gerichte und Stellen derjenigen Mitgliedstaaten, die außer dem Übereinkommen auch das Protokoll ratifizieren, den Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften anrufen.

    TITEL VII M. Schlußbestimmungen

    Artikel 46 Erklärungen und Vorbehalte

    128. Das Integrationserfordernis bei einem innergemeinschaftlichen Übereinkommen bedingt die Bestimmung in Absatz 1, wonach abgesehen von den Bestimmungen von Artikel 38 Absatz 2 (nordisches Übereinkommen) und Artikel 42 (Konkordate) keine Vorbehalte zulässig sind.

    129. Die für einige Mitgliedstaaten aufgrund bestimmter Sachverhalte bestehenden Schwierigkeiten waren Anlaß dafür, daß in Absatz 2 das Einverständnis der Mitgliedstaaten mit den Erklärungen Irlands (siehe Erläuterungen zu Artikel 9 unter Nummer 49) und Italiens (siehe Erläuterungen zu Artikel 42 unter Nummer 120) festgehalten und damit gleichzeitig die Möglichkeit etwaiger weiterer Erklärungen mit demselben Gegenstand ausgeschlossen wurde.

    Die Situation Irlands verdient besondere Beachtung: Irland hat keinerlei Schwierigkeit damit, Ehescheidungen anzuerkennen, die in einem anderen Mitgliedstaat aus Gründen oder nach Regeln ergangen sind, die von einer größeren Liberalität geprägt sind als die in Irland geltenden Scheidungsgründe und -regeln. Hingegen möchte Irland nachprüfen, ob die Parteien, welche die Ehescheidung beantragt haben, ihren gewöhnlichen Aufenthalt tatsächlich in dem betreffenden Mitgliedstaat hatten, so daß Situationen ausgeschlossen werden, in denen ein Betrug oder eine Verletzung der Ziele des Übereinkommens und damit möglicherweise ein Verstoß gegen die irische Verfassung vorliegt. In Anbetracht von Artikel 16 Absatz 3, wonach sich die Überprüfung der Vereinbarkeit mit der öffentlichen Ordnung (ordre public) nicht auf die Prüfung der Zuständigkeit erstrecken darf, liegt diesem Mitgliedstaat in besonderem Maße daran, daß die Gerichte der Ursprungsmitgliedstaaten nachprüfen, ob die Bindungskriterien nach Artikel 2 (Zuständigkeit für Entscheidungen in Ehesachen) tatsächlich vorliegen. Allerdings konnte der ursprüngliche irische Vorschlag nicht angenommen werden, das Übereinkommen dahin gehend zu ändern, daß es möglich gewesen wäre, die Anerkennung oder Vollstreckung einer in einem anderen Mitgliedstaat ausgesprochenen Ehescheidung zu verweigern, wenn die Zuständigkeit für letztere nicht auf einer faktischen Bindung eines oder beider Ehegatten in bezug auf den betreffenden Mitgliedstaat beruhte. Dieser Vorschlag war nicht annehmbar, weil er einen der wesentlichen Grundsätze des Übereinkommens in Frage gestellt hätte, nämlich den des gegenseitigen Vertrauens der Mitgliedstaaten, wonach eine in einem Mitgliedstaat ergangene Entscheidung in dem Mitgliedstaat, in dem ihre Anerkennung oder Vollstreckung beantragt wird, nicht in der Sache selbst nachgeprüft werden darf (siehe hierzu Artikel 18). Die Delegationen trugen indessen dem Umstand Rechnung, daß die irische Verfassung spezielle Bestimmungen bezüglich der Ehescheidung enthält und letztere erst vor kurzem im Wege eines Referendums in Irland eingeführt wurde. So wurde die dem Übereinkommen beigefügte Erklärung akzeptiert, die für einen Übergangszeitraum von fünf Jahren gilt und erneuert werden kann. Längerfristig schließt diese Lösung eine umfassende Anwendung der Bestimmungen des Übereinkommens nicht aus.

    130. Absatz 3 enthält Bestimmungen über den Widerruf dieser Erklärungen und den Zeitpunkt, zu dem ein Widerruf wirksam wird.

    Artikel 47 Annahme und Inkrafttreten

    131. Gemäß diesem Artikel erfolgt das Inkrafttreten des Übereinkommens entsprechend den Vorschriften, die vom Rat der Europäischen Union in dieser Beziehung festgelegt worden sind.

    Das Übereinkommen tritt neunzig Tage nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem der letzte der fünfzehn Staaten, die am 28. Mai 1998, dem Tag der Annahme des Rechtsakts des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens, Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind, seine Urkunde über die Annahme des Übereinkommens hinterlegt hat.

    132. Indessen bietet - wie bei den früheren Übereinkünften zwischen den Mitgliedstaaten betreffend die justitielle Zusammenarbeit - Absatz 4 jedem Mitgliedstaat die Möglichkeit, daß er bei der Annahme oder später erklärt, daß dieses Übereinkommen für ihn mit vorzeitiger Wirkung gegenüber den Mitgliedstaaten anwendbar ist, die eine Erklärung gleichen Inhalts abgegeben haben. Eine derartige Erklärung wird neunzig Tage nach ihrer Hinterlegung wirksam.

    Allerdings können die Mitgliedstaaten nicht erklären, daß der Gerichtshof in der Zeit der vorzeitigen Anwendung für die Auslegung des Übereinkommens zuständig ist, da hierfür die Annahme der Bestimmungen des Übereinkommens durch alle fünfzehn Mitgliedstaaten sowie dessen Inkrafttreten erforderlich ist.

    Artikel 48 Beitritt

    133. Das Übereinkommen steht allen Staaten, die Mitglied der Europäischen Union werden, zum Beitritt offen, dessen Modalitäten in diesem Artikel geregelt werden. Hingegen kann ein Staat, der nicht Mitglied der Europäischen Union ist, dem Übereinkommen nicht beitreten.

    Wenn das Übereinkommen zu dem Zeitpunkt, zu dem ein neuer Mitgliedstaat ihm beitritt, bereits in Kraft getreten ist, tritt es für diesen Staat neunzig Tage nach der Hinterlegung seiner Beitrittsurkunde in Kraft. Wenn das Übereinkommen hingegen nach Ablauf dieses Zeitraums noch nicht in Kraft getreten ist, so tritt es für diesen Staat wie für die übrigen Staaten nach den in Artikel 47 Absatz 3 genannten Bedingungen in Kraft. In diesem Fall kann der dem Übereinkommen beitretende Mitgliedstaat eine Erklärung über die vorzeitige Anwendung abgeben.

    Der Beitritt des neuen Mitgliedstaats ist hingegen nicht Voraussetzung dafür, daß das Übereinkommen für die anderen Staaten, die zum Zeitpunkt der Annahme des Rechtsakts des Rates über die Ausarbeitung des Übereinkommens Mitglied der Europäischen Union sind, in Kraft tritt.

    Artikel 49 Änderungen

    134. Diese Bestimmung regelt, auf welchem Wege Änderungen des Übereinkommens vorgenommen werden können. Die Mitgliedstaaten und die Kommission können gemäß den Bestimmungen des Titels VI des Vertrags über die Europäische Union Änderungen vorschlagen. Je nach Art der vorgeschlagenen Änderungen sind zwei Fälle zu unterscheiden.

    135. Im ersten Fall, der in den Absätzen 1 und 2 geregelt ist, werden die Änderungen vom Rat ausgearbeitet, der sie den Mitgliedstaaten zur Annahme gemäß ihren verfassungsrechtlichen Vorschriften empfiehlt.

    136. Für den zweiten Fall wird in Absatz 3 ein vereinfachtes Verfahren festgelegt, nach dem der Rat Änderungen in bezug auf die Gerichte oder die Rechtsbehelfe nach Artikel 21 Absatz 1, Artikel 26 Absätze 1 und 2, Artikel 28 Absatz 1 und Artikel 29 beschließen kann.

    Artikel 50 Verwahrer und Veröffentlichungen

    137. Zum Verwahrer des Übereinkommens wird der Generalsekretär des Rates bestimmt.

    Das Generalsekretariat unterrichtet die Mitgliedstaaten über alle das Übereinkommen betreffenden Notifizierungen und veröffentlicht diese in der Reihe C des Amtsblatts der Europäischen Gemeinschaften.

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