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Document E2015J0029

Urteil des Gerichtshofs vom 22. September 2016 in der Rechtssache E-29/15 — Sorpa bs. gegen The Competition Authority (Wettbewerbsbehörde) (Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung — Begriff des Unternehmens — von Kommunen eingerichtete Kooperationsstrukturen — Abfallbewirtschaftung — Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse — Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern — Preisdiskriminierung)

ABl. C 123 vom 20.4.2017, p. 7–7 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

20.4.2017   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 123/7


URTEIL DES GERICHTSHOFS

vom 22. September 2016

in der Rechtssache E-29/15

Sorpa bs. gegen The Competition Authority (Wettbewerbsbehörde)

(Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung — Begriff des Unternehmens — von Kommunen eingerichtete Kooperationsstrukturen — Abfallbewirtschaftung — Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse — Anwendung unterschiedlicher Bedingungen bei gleichwertigen Leistungen gegenüber Handelspartnern — Preisdiskriminierung)

(2017/C 123/08)

In der Rechtssache E-29/15, Sorpa bs. gegen The Competition Authority — ERSUCHEN des obersten isländischen Gerichtshofs (Hæstiréttur Íslands) an den Gerichtshof nach Artikel 34 des Abkommens zwischen den EFTA-Staaten zur Errichtung einer Überwachungsbehörde und eines Gerichtshofs betreffend die Auslegung des EWR-Abkommens, insbesondere des Artikels 54 — erließ der Gerichtshof, bestehend aus dem Präsidenten Carl Baudenbacher (Berichterstatter) sowie den Richtern Per Christiansen und Páll Hreinsson, am 22. September 2016 ein Urteil mit folgendem Tenor:

1.

Eine Kommune kann als ein Unternehmen im Sinne des Artikels 54 EWR-Abkommen gelten, wenn sie eine wirtschaftliche Tätigkeit ausübt, die darin besteht, Güter oder Dienstleistungen auf dem Markt anzubieten. Bei der Feststellung, ob es sich bei einer Tätigkeit wie Abfallbewirtschaftung um eine wirtschaftliche Tätigkeit handelt, ist zu berücksichtigen, ob sie im Wettbewerb mit privaten Unternehmen erbracht wird. In diesem Zusammenhang muss dem Umstand, dass für die Erbringung von Dienstleistungen der Abfallbewirtschaftung erhaltene Gebühren nicht die Kosten übersteigen dürfen, Rechnung getragen werden, wenn das Vorliegen einer Wettbewerbssituation auf dem Markt beurteilt wird.

2.

Abfallbewirtschaftung kann eine Dienstleistung von allgemeinem wirtschaftlichen Interesse im Sinne des Artikels 59 Absatz 2 EWR-Abkommen darstellen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, ob die Kommunen durch die Anwendung von Artikel 54 EWR-Abkommen daran gehindert würden, die ihnen übertragenen Dienstleistungen der Abfallbewirtschaftung zu erbringen oder diese Dienstleistungen unter wirtschaftlich annehmbaren Bedingungen zu erbringen.

3.

Bei der Feststellung, ob eine öffentliche Stelle, die Dienstleistungen der Abfallbewirtschaftung erbringt, als Unternehmen im Sinne der Wettbewerbsregeln des EWR-Abkommens gilt, ist es unerheblich, ob es sich bei dieser Stelle um eine Kommune oder eine Kooperationsstruktur mehrerer Kommunen handelt.

4.

Artikel 54 EWR-Abkommen ist nicht auf wettbewerbsschädigendes Verhalten anwendbar, das den Unternehmen durch nationale Rechtsvorschriften vorgeschrieben wird, oder wenn diese Vorschriften einen Rechtsrahmen bilden, der an sich jede Möglichkeit für wettbewerbliche Tätigkeiten ausschließt. Artikel 54 EWR-Abkommen kann jedoch anwendbar sein, wenn die nationalen Rechtsvorschriften Unternehmen nicht an selbstständigen Verhaltensweisen hindern, durch die der Wettbewerb verhindert, eingeschränkt oder verfälscht wird.

5.

Gewährt ein EWR-Staat durch nationale Rechtsvorschriften öffentlichen Stellen eine Ausnahme von der Anwendung der EWR-Wettbewerbsregeln, etwa durch die Gewährung besonderer oder ausschließlicher Rechte, so hat dies im Einklang mit den EWR-Wettbewerbsregeln, insbesondere Artikel 59 Absatz 1 EWR-Abkommen, zu erfolgen.

6.

Die Eigentümer einer kommunalen Kooperationsstruktur können als die Handelspartner der Kooperationsstruktur im Sinne von Artikel 54 Absatz 2 Buchstabe c EWR-Abkommen betrachtet werden, es sei denn, sie bilden ein einziges Unternehmen mit der Kooperationsstruktur.

7.

Wird den Eigentümern im Gegensatz zu anderen Kunden ein Rabatt gewährt, erfahren diese anderen Kunden durch das marktbeherrschende Unternehmen einen Wettbewerbsnachteil im Sinne des Artikels 54 Absatz 2 Buchstabe c EWR-Abkommen, sofern sie mit den Eigentümern des marktbeherrschenden Unternehmens auf einem dem dominierten Markt vorgelagerten oder nachgelagerten Markt im Wettbewerb stehen.


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