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Document 52016DC0316

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN Sicherung der Vorteile aus der EU-Umweltpolitik durch regelmäßige Umsetzungskontrollen

COM/2016/0316 final

Brüssel, den 27.5.2016

COM(2016) 316 final

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Sicherung der Vorteile aus der EU-Umweltpolitik durch
regelmäßige Umsetzungskontrollen


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Sicherung der Vorteile aus der EU-Umweltpolitik durch
regelmäßige Umsetzungskontrollen

1.Umsetzungslücken und deren Auswirkungen

Im Umweltzustandsbericht 2015 der Europäischen Umweltagentur heißt es: „Kurz- und langfristige Verbesserungen bei der europäischen Umwelt, der menschlichen Gesundheit und dem wirtschaftlichen Wohlstand beruhen auf der vollständigen Umsetzung politischer Maßnahmen und der besseren Eingliederung von Umweltaspekten in die Politikbereiche, die am meisten zu Umweltbelastungen und -auswirkungen beitragen 1 “. Die Kommission hat die Probleme mit der Umsetzung des Umweltrechts und Möglichkeiten zur Behebung von Umsetzungslücken in zwei Mitteilungen aus den Jahren 2008 2 bzw. 2012 3 aufgezeigt.

Umsetzungslücken präsentieren sich von Branche zu Branche und von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat auf unterschiedliche Weise. Sie können das Ergebnis nationaler Vorschriften zur Umsetzung des EU-Umweltrechts sein und sich präsentieren als nicht erreichte vereinbarte wichtige Luftqualitäts-, Wasserqualitäts- und Biodiversitätsziele, nicht fristgerecht fertiggestellte obligatorische Abfall- und Abwasserinfrastrukturen, inadäquater Umgang der Behörden mit der Öffentlichkeit, Nichteinhaltung von Sicherheitsvorschriften, beispielsweise betreffend die fristgerechte Erstellung obligatorischer Umweltprogramme (wie Abfallbewirtschaftungspläne) und Nichteinhaltung einer breiten Palette von Basisvorschriften, beispielsweise des Verbots der Abfalldeponierung.

Wie in der Mitteilung von 2008 über die Umsetzung des Umweltrechts der Europäischen Gemeinschaft hervorgehoben, bestehen die zu bewältigenden Herausforderungen in der Missachtung von zeitlichen Fristen und Fertigstellungsfristen, in einem Mangel an Umweltwissen und Umweltbewusstsein 4 , in fehlenden Verwaltungskapazitäten, unzulänglichen nationalen und regionalen Durchsetzungsvorschriften und -maßnahmen sowie in Unterinvestitionen und in der Aufschiebung von Investitionen in erforderliche Infrastrukturen zur Eindämmung der Umweltverschmutzung 5 .

Die Ergebnisse einer Erhebung nationaler Umweltbehörden aus dem Jahr 2015 deuten darauf hin, dass die Umsetzungsverzögerungen gemeinsame Ursachen haben. 6 Als Hauptgrund wird der Mangel an zuständigen Durchsetzungsbehörden angeführt, worunter auch unzulängliche Kapazitäten in den mit der Umweltrechtsetzung und der Durchsetzung der Umweltvorschriften betrauten Organisationen fallen, gefolgt von unzureichenden Daten, Fakten und Informationen sowie einem Mangel an Qualifikationen auf lokaler Ebene. Genannt wurden auch unangemessene Sanktionen und Geldstrafen bei Gesetzesverstößen, die keine abschreckende Wirkung entfalten.

Weitere Faktoren, die laut Erhebung die Umsetzung von Umweltvorschriften und Umweltpolitik negativ beeinflussen, sind eine fehlende Koordination auf Regierungsebene, die im Interesse der horizontalen (auf Regierungsebene) und vertikalen (zwischen Verwaltungsebenen, d. h. lokal, regional und national) Kohärenz der Prioritäten erforderlich ist, und die unzureichende Berücksichtigung von Umweltbelangen in verschiedenen Politikbereichen, Programmen und Projekten.

Die Hauptursachen der Umsetzungslücken müssen zumindest aus den beiden folgenden Gründen systematisch und partizipativ vollständig behoben werden.

Erstens - mangelhafte Umsetzung generiert ökologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Kosten. So wurde beispielsweise geschätzt, dass sich die Kosten der Gesundheits- und Umweltschäden, die durch aus europäischen Industrieanlagen freigesetzte Luftschadstoffe verursacht werden, auf mehr als 100 Mrd. Euro pro Jahr belaufen 7 . Die der Nichtumsetzung des Umweltrechts zuzuschreibenden wirtschaftlichen Kosten wurden 2011 auf rund 50 Mrd. EUR/Jahr veranschlagt und umfassen auch die Kosten rechtlicher Verfahren gegen die Mitgliedstaaten (Vertragsverletzungsverfahren) 8 . Dies bedeutet, dass in der EU monatlich über 4 Mrd. EUR unnötiger Kosten entstehen, obgleich die Erfahrung gezeigt hat, dass es sehr viel kostengünstiger ist, Vorschriften von vorne herein einzuhalten anstatt die wirtschaftlichen und ökologischen Kosten des Nichthandelns oder eines zu späten Handelns nachträglich wieder auszugleichen 9 . Die Nichteinhaltung des geltenden Umweltrechts geht auf Kosten der Gesellschaft und der Wirtschaft. Eine vollständige Einhaltung des EU-Abfallrechts bis 2020 könnte beispielsweise weitere 400 000 Arbeitsplätze schaffen und der Abfallbewirtschaftungs- und -recyclingindustrie einen zusätzlichen Jahresumsatz in Höhe von 42 Mrd. EUR sichern 10 . Gleichermaßen ließen sich bei vollständiger Einhaltung der geltenden EU-Wassergesetzgebung und vorbehaltlich des Erreichens eines „guten“ Zustands für alle Wasserkörper Vorteile im Wert von mindestens 2,8 Mrd. EUR erwirtschaften 11 . Die bestehenden großen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Umsetzung behindern auch das Funktionieren des Binnenmarktes (und schaffen ungleiche Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen).

Zweitens - das Nichterreichen der Umweltziele der EU macht sowohl die nationalen als auch die europäischen Behörden in den Augen der Bürger unglaubwürdig. Die hohe Zahl an Vertragsverletzungen, Petitionen und Beschwerden im Umweltbereich 12 und die Probleme mit ihrer Bearbeitung sind ein Zeichen dafür, dass die Umweltvorschriften unzulänglich umgesetzt werden. Zugegebenermaßen haben die nationalen Gerichte und Umweltbehörden, die an erster Stelle für die Umsetzung des EU-Rechts zuständig sind, Anstrengungen zur Um- und Durchsetzung des Umweltrechts unternommen, doch reichten diese nicht aus, um bestehende Umsetzungslücken zu schließen. In diesem Zusammenhang wird auch darauf hingewiesen, dass bestimmte Mitgliedstaaten und Regionen zwar eine ausgezeichnete Erfolgsbilanz bezüglich der Umsetzung des Umweltrechts vorweisen können, andere jedoch einen mitunter erheblichen Rückstand aufholen müssen.

2.Die Notwendigkeit eines umfassenden strategischen Ansatzes

Umsetzung ist zwar in erster Linie Aufgabe der Mitgliedstaaten, doch ist die Kommission in ihrer Rolle als Hüterin der Verträge und im Rahmen ihrer Zuständigkeit für die Kontrolle der Anwendung der von der Europäischen Union erlassenen Rechtsvorschriften mitverantwortlich. Vertragsverletzungsverfahren bleiben letztlich ein wichtiges Instrument, um sicherzustellen, dass Rechtsvorschriften ordnungsgemäß angewendet werden, und seit mehreren Jahren schon laufen an die Mitgliedstaaten und insbesondere an die Gebiete mit der schlechtesten Umsetzungsbilanz gerichtete Maßnahmen zur Förderung der Rechtseinhaltung. Sie betreffen unter anderem die Sektoren Abfall- und Wasserwirtschaft. Zielgerichtete Maßnahmen dieser Art sind auch in Zukunft von entscheidender Bedeutung und werden weiterlaufen; sie sollten jedoch Teil eines systemischen Ansatzes sein, der sektorübergreifenden Fragen gewidmet ist, ein umfassendes Bild der Erfolge und Probleme zeichnet sowie Umfang und Bandbreite der Prioritäten festlegt, die nicht nur technische, sondern auch politische Aufmerksamkeit erfordern.

Ein umfassender strategischer Ansatz dieser Art – der derzeit fehlt – dürfte es ermöglichen, die Hauptursachen der Umsetzungslücken schon zu einem früheren Zeitpunkt und im Rahmen einer Partnerschaft zwischen Mitgliedstaaten und Kommission zu identifizieren und zu beseitigen. Ausgehend von dieser Diagnose wäre die Kommission bereit, die Eigenanstrengungen der Mitgliedstaaten mit technischem Know-how und gezielterer finanzieller Unterstützung aus existierenden EU-Mitteln zu untermauern.

Ein solches Vorgehen steht in Einklang mit dem Siebten Umweltaktionsprogramm, welches bessere Rechtsumsetzung als Rahmenbedingung für das Erreichen seiner eigenen Ziele priorisiert und auch der Notwendigkeit Rechnung trägt, den Mitgliedstaaten maßgeschneiderte Analysen und Unterstützung zu bieten und Verständnis und Kenntnis der Umsetzungslücken zu verbessern 13 .

3.Grundsätze und Ziele der Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik

Das übergeordnete Ziel der Initiative zur Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik (Environmental Implementation Review, EIR) besteht darin, die Verwirklichung der Ziele der existierenden Umweltpolitiken und -vorschriften zu fördern und dabei gleichzeitig und gewissenhaft die Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten zu gewährleisten. Die in den bisher vereinbarten Umweltpolitiken und Umweltvorschriften festgeschriebenen Ziele sind die Richtwerte, an denen der Umsetzungsfortschritt gemessen wird.

Der EIR-Prozess sollte integrativ und partizipativ sein. Den Mitgliedstaaten wird empfohlen, wichtige Interessenträger wie Privatwirtschaft, Organisationen der Zivilgesellschaft und Verwaltungshierarchien an der Debatte über die wichtigsten Umsetzungslücken und die diesbezüglichen Lösungsmöglichkeiten zu beteiligen.

Der EIR-Prozess wird flexibel sein, denn er berücksichtigt zum einen die von der Kommission im Rahmen ihrer Bewertung herausgearbeiteten spezifischen nationalen Probleme und erkennt zum anderen uneingeschränkt an, dass die Mitgliedstaaten über die Art und Weise der Umsetzung frei entscheiden können, sofern ihre Maßnahmen dazu führen, dass die mit den Umweltvorschriften und Umweltpolitiken verfolgten gemeinsamen Ziele erreicht werden.

Die Initiative wird die bisherigen Maßnahmen zur Umsetzung der Umweltpolitik ergänzen. Die Ergebnisse werden auf Informationen und Daten beruhen, die von der Kommission (einschließlich Eurostat und der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS)), der Europäischen Umweltagentur (EUA), der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung usw. sowie aus amtlichen nationalen Quellen bereits erfasst wurden. Gleichermaßen werden auch die Ergebnisse der verschiedenen Fitness Checks, denen existierende Umweltvorschriften von der Kommission unterzogen wurden und die auch die Umweltberichterstattung betreffen, sowie die Folgenabschätzungen für künftige Legislativvorschläge in den Überprüfungsprozess einfließen.

Die Kommission führt die Umsetzungsüberprüfung folglich durch, um

ausgehend von bestimmten Richtwerten, die die bisher vereinbarten und in den EU-Umweltvorschriften festgeschriebenen politischen Ziele und wichtigsten Auflagen widerspiegeln, einen fundierten Überblick über den Stand der Umsetzung in den einzelnen Mitgliedstaaten und die wichtigsten Umsetzungslücken zu erhalten;

einen strukturierten Dialog mit den einzelnen Mitgliedstaaten über die Erfolge und die Probleme bei der Bewältigung der Umsetzungslücken und die erforderlichen Maßnahmen zu ermöglichen;

die Mitgliedstaaten im Interesse einer besseren Umsetzung der Umweltvorschriften und Umweltpolitiken der EU gezielt zu unterstützen;

die Compliance-Kultur der EU im Bereich der Umweltpolitik zu stärken;

zur weiteren Verringerung der Umsetzungslücken eine fundierte Grundlage für politische Debatten und Beratungen zwischen den Organen der Union über die horizontalen Herausforderungen, Chancen und Lösungsmöglichkeiten zu schaffen, bewährte Verfahren auszutauschen, gemeinsame Probleme zu identifizieren und EU-weite Erfahrungen bestmöglich zu nutzen und bei Maßnahmen zur Behebung der Umsetzungslücken mit allen Interessenträgern zusammenzuarbeiten.

4.Der Überprüfungszyklus

In einem ersten Schritt sollen alle zwei Jahre länderspezifische Berichte erstellt werden, die sich auf für den betreffenden Mitgliedstaat relevante umweltrechtliche und umweltpolitische Themen konzentrieren. Der erste Teil betrifft Fragen wie Kreislaufwirtschaft, Ressourceneffizienz und Abfallwirtschaft; Biodiversität, Schutz der Meeresumwelt, Bodenschutz, grüne Infrastruktur und Wertschätzung des Naturkapitals; Luftqualität, Wasserqualität und Wasserbewirtschaftung, Chemikalien und nachhaltige Städte. Der zweite Teil widmet sich dem Rechtsrahmen und den Durchführungsinstrumenten, auch in Bereichen wie Qualität der Verwaltungskapazität, Konformitätssicherung, vereinfachter Zugang zu Gerichten und Rechtsbehelfen, Zugang zu Umweltinformationen, Wissen und Fakten; Umweltsteuern, schrittweiser Abbau umweltschädlich wirkender Subventionen, umweltgerechtes öffentliches Beschaffungswesen und Investitionen. Künftig werden Klimaschutz- und Klimaanpassungsmaßnahmen in allen thematischen Bereichen als relevante Querschnittsfragen berücksichtigt.

In den Berichten wird speziell auf die Hauptprobleme und Erfolge der einzelnen Mitgliedstaaten bei der Umsetzung der Umweltvorschriften und Umweltpolitiken der EU und diesbezügliche Handlungsmöglichkeiten eingegangen. Die Berichte werden auf der bisherigen bilateralen Zusammenarbeit zwischen Kommission und Mitgliedstaaten in Fragen der Umsetzung der Umweltpolitik und deren Einbeziehung in andere Politikbereiche basieren und diese weiter lenken. Sie werden den Rahmen für diese bilateralen länderspezifischen Dialoge zwischen Kommission und Mitgliedstaaten sowie sektorale Maßnahmen zur Förderung der Rechtseinhaltung vorgeben. Die Kommission wird die Mitgliedstaaten vor der Fertigstellung der Berichte konsultieren, um sicherzustellen, dass sie korrekt sind. Nach ihrer Annahme durch die Kommission werden die Länderberichte veröffentlicht.

Davon ausgehend wird in einem zweiten Schritt der Rahmen für hochrangige Diskussionen über signifikante Umsetzungslücken geschaffen, die mehrere Mitgliedstaaten gleichzeitig betreffen. Die wichtigsten Ergebnisse der 28 länderspezifischen Berichte werden in einem Begleitdokument zusammengefasst, das zusammen mit den Berichten veröffentlicht wird. Je nach Relevanz der Ergebnisse würde die Kommission konkrete Themenpapiere erarbeiten, um zusammen mit dem Rat bestimmte Fragen zu vertiefen, die für mehrere Mitgliedstaaten relevant sind und besondere Aufmerksamkeit und Anstrengung verdienen. Diese Themenpapiere würden dem Rat anschließend zur Erörterung der Vorgehensweisen, Erfahrungen und bewährten Praktiken, die bei derartigen Fragestellungen zum Einsatz kommen, vorgelegt, insbesondere, wenn sich diese Fragen grenzüberschreitend auf die Umwelt und die Wettbewerbsfähigkeit auswirken.

Die Kommission wird auch das Europäische Parlament über ihre wichtigsten horizontalen Ergebnisse unterrichten und somit ihrer in den Verträgen verankerten Aufsichtsfunktion gerecht. Sie wird zu diesen wichtigen horizontalen Ergebnissen außerdem mit dem Ausschuss der Regionen in Verbindung treten, um in Zusammenarbeit mit lokalen und regionalen Vertretern stärker für bestimmte Aktionen zu sensibilisieren 14 . Die Ergebnisse dieser Dialoge werden die Grundlage für die Folgemaßnahmen der Kommission zu jedem EIR-Zyklus bilden.

Ab dem zweiten Zyklus wird die Kommission über erzielte Umsetzungsfortschritte berichten, auch als Folgemaßnahme zu den Schlussfolgerungen aus dem vorangegangenen Zyklus.

5.Erwartete Vorteile

In Ergänzung der Durchsetzung soll der EIR-Prozess dafür sorgen, dass die umweltpolitischen und umweltrechtlichen Ziele auf wirksamere und effizientere Weise verwirklicht werden. Ein deutlicher Vorteil dieser Vorgehensweise besteht darin, dass kritische Fragen und möglicherweise auch strukturelle Lösungen präventiv und auf transparente Weise und in bestimmten Fällen sogar schon vor Ablauf der Umsetzungsfristen und vor Anlauf etwaiger Durchsetzungsmaßnahmen angesprochen werden können. Kenntnis des systemischen Vorgehens der Mitgliedstaaten und ihres Erfolgs bei der Bekämpfung der Hauptursachen der Umsetzungslücken spielen bei der Entscheidung über die Vorgehensweise der Kommission eine entscheidende Rolle. Bessere Umsetzung stärkt nicht nur das Vertrauen der Bürger in das Umweltrecht der Union, sondern auch das gegenseitige Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten und schafft ausgewogene Wettbewerbsbedingungen für die Wirtschaftsakteure im Binnenmarkt 15 . Zudem ist bessere Rechtsetzung auch eine Frage der besseren Umsetzung: Je höher der Umfang, in dem die Ziele der geltenden Vorschriften erreicht werden, desto geringer der Regelungsaufwand, der zusätzlich erforderlich wäre, um diese Vorschriften zu überarbeiten oder weitere Vorschriften zu erlassen.

Die Mitgliedstaaten werden die Möglichkeit erhalten, bewährte Verfahren sowie Wissen und Fachkenntnisse auszutauschen, um ihre individuellen Umweltprobleme besser anzugehen zu können. Gemeinsame Umweltprobleme werden genau identifiziert und gegebenenfalls gemeinsam behoben. In der Regel führt besseres Verständnis zu mehr Akzeptanz und Unterstützung für die Ergebnisse der EIR-Überprüfung. Ein vollständiges Bild der in den einzelnen Mitgliedstaaten getroffenen Maßnahmen kann Möglichkeiten eröffnen, voneinander zu lernen („peer to peer“), und dürfte auch dazu beitragen, dass EU-Mittel gezielter eingesetzt werden und zu höheren Absorptionsraten führen und dass die tatsächlichen Bedürfnisse und Prioritäten einer intelligenten Investitionspolitik hervorgehoben werden. Die Erfolge, die die Mitgliedstaaten bei der Bewältigung ihrer Umweltprobleme verzeichnen und die Kosten bzw. Nutzen der notwendigen Maßnahmen werden zudem stärker ins Blickfeld der Öffentlichkeit und der Interessenträger gerückt.

Die Kommission erhält die Möglichkeit, potenzielle systemische Lösungen für Probleme bei der Umsetzung der Umweltpolitik aufzuzeigen, bereits zu einem früheren Zeitpunkt dafür zu sensibilisieren und den Präventivcharakter der Einhaltung des Unionsrechts zu stärken. Die Mitgliedstaaten erhalten so die Möglichkeit, regelungsbedürftige Fragen - im Einklang mit den Grundsätzen der öffentlichen Ordnung gemäß Artikel 191 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union 16 - schon im Vorfeld zu identifizieren. Der EIR-Prozess wird auch verdeutlichen, mit welchen Herausforderungen die nationalen Behörden bei der Anwendung des Unionsrechts konfrontiert sind, was auch für die Überprüfung existierender oder neuer Umweltvorschriften hilfreich ist. Die Initiative wird dazu führen, dass Daten, die der Kommission bereits vorliegen, besser genutzt werden, denn sie setzt voraus, dass verfügbare Informationen gezielter und nach Ländern zusammengetragen und bewertet werden. Darüber hinaus dürften auch die Ergebnisse der Initiative für regulatorische Überwachung 17 dafür sorgen, dass künftig bessere Umweltdaten zur Verfügung stehen. Und schließlich wird die EIR-Initiative auch einen Querschnittsüberblick über die wichtigsten Umsetzungsprobleme liefern.

6.Verbindungen zu anderen Initiativen

Der EIR-Prozess soll allgemeinere Umsetzungsmaßnahmen und -initiativen ergänzen. Er betrifft ein breites Spektrum an Themen, die mitunter länderspezifische Informationen liefern, die für den Prozess des Europäischen Semesters relevant sein könnten und eingehendere Dialoge und einen Erfahrungsaustausch über bestimmte Umweltthemen, die für die Agenda für Wachstum und Beschäftigung von Bedeutung sind, ermöglichen werden. Die Initiative wird außerdem dazu beitragen, dass mehr über die Qualität der öffentlichen Verwaltung bekannt wird, deren Mangel eine der Ursachen der Umsetzungslücken im Umweltbereich ist, ein Argument, das mit der allgemeinen Analyse der Verwaltungsqualität im Rahmen des Europäischen Semesters übereinstimmt.

Im Sinne der Agenda für bessere Rechtsetzung 18 stellt diese Initiative klar, wie bedeutend es ist, dass bestehende rechtliche und politische Verpflichtungen erfüllt werden. Die EU verfügt über einen gut entwickelten umweltpolitischen Rahmen, der zahlreiche Richtlinien und andere „weiche“ politische Ziele und Einzelziele umfasst, die in der Regel auf Sektorbasis umgesetzt werden. Im Rahmen der EIR-Initiative sollen die wichtigsten Umsetzungsprobleme in den Umweltsektoren der einzelnen Mitgliedstaaten systemisch herausgearbeitet werden, auch im Interesse der Förderung der politischen Kohärenz. Die Initiative wird auch zu einer besseren Rechtsetzung beitragen, indem aufgezeigt wird, wie existierende Instrumente in der Praxis funktionieren und etwaige Korrekturen vorgenommen werden können.

Der EIR-Prozess steht in Zusammenhang mit dem laufenden Fitness-Check der Umweltberichterstattung, der ein kohärenteres und besser koordiniertes Konzept für die Übermittlung von Informationen über die Umsetzung und Einhaltung der Vorschriften hervorbringen soll. Dieses Ziel wird für den EIR-Prozess insofern von großem Nutzen sein, als relevante Informationen über den Stand der Umsetzung und die „Zielentfernung“ verfügbar werden, die Ausgangspunkt für den Dialog und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten sind. Es dürfte auch das proaktive Konzept der EIR-Initiative untermauern, indem über das Risiko künftiger Nichtkonformität aufgeklärt und die Suche nach zeitgerechten Lösungen erleichtert wird. Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch Zugang zu Umweltinformationen, Beteiligung der Öffentlichkeit und Zugang zu Gerichtsbarkeit ist für die Umsetzung von grundlegender Bedeutung. Dasselbe gilt für die Konformitätssicherung, d. h. kombinierte Aktionen der öffentlichen Behörden zur Verhinderung von Rechtsverstößen durch Förderung der Rechtseinhaltung und der Zusammenarbeit mit der Wirtschaft, wobei Verstöße durch Kontrollen und andere Formen der Konformitätsüberwachung ermittelt und mit Durchsetzungsmaßnahmen verhindert werden. Die EIR-Initiative wird all diese Themen abdecken und somit umfassende Kohärenz gewährleisten.

7.Schlussfolgerungen und Perspektive

Mit dieser Mitteilung wird ein Prozess eingeleitet, der das neuerliche Engagement der Kommission für eine bessere Umsetzung der Umweltpolitik und des Umweltrechts widerspiegelt. Ziel ist mehr Transparenz und Inklusivität, um zu gewährleisten, dass wichtige gesellschaftliche Ziele mit existierenden Vorschriften und Politiken wirksamer und in enger Koordination mit anderen einschlägigen Politikbereichen erreicht werden.

Um dies zu bewerkstelligen, wird die Kommission Länderberichte veröffentlichen und diese nach und nach verbessern. Sie kann dies jedoch nicht im Alleingang tun. Der Prozess erfordert das Zusammenwirken der betreffenden EU-Organe, der Mitgliedstaaten und anderer Akteure. Die Erstellung der länderspezifischen Zweijahresberichte stellt für die Mitgliedstaaten keine zusätzliche Belastung dar und bedeutet keine neuen Berichtspflichten. Der Mehrwert dieser Initiative und das Gewicht der erwarteten, vorstehend aufgeführten Vorteile wird letztlich von den Folgemaßnahmen abhängen, die die nationalen Behörden anschließend ergreifen werden. Um diesen Follow-up zu erleichtern, wird die Kommission ihre Arbeit in den verschiedenen technischen Arbeitsgruppen für sektorale Themen wie Wasser, Abfall, Natur, Luft oder Industrieemissionen fortsetzen.

(1) http://www.eea.europa.eu/soer EUA, 2015. Die Umwelt in Europa: Zustand und Ausblick 2015: Synthesebericht. Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, siehe , S. 15.
(2) http://ec.europa.eu/environment/legal/law/pdf/com_2008_773_en.pdf COM(2008) 773 final  
(3) COM (2012)95 finalhttp://eur-lex.europa.eu/legal-content/EN/TXT/PDF/?uri=CELEX:52012DC0095&from=EN http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52012DC0095
(4) http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/?uri=CELEX:52012DC0095 In der Mitteilung COM(2012) 95 wurde bestätigt, dass es bei den Informationen über die Anwendung nach wie vor Probleme gibt: , S. 4.
(5) http://ec.europa.eu/environment/legal/law/pdf/com_2008_773_en.pdf COM(2008) 773 final
(6) http://impel.eu/wp-content/uploads/2015/07/Implementation-Challenge-Report-23-March-2015.pdf IMPEL, 2015. Challenges in the practical implementation of EU environmental law and how IMPEL could help overcome them. Schlussbericht des Netzes der Europäischen Union für die Durchführung und Durchsetzung des Umweltrechts vom 23. März 2015, , S. 6 und S. 44, Abb. 3.2.
(7) http://www.eea.europa.eu/soer EUA, 2015. Die Umwelt in Europa: Zustand und Ausblick 2015: Synthesebericht. Europäische Umweltagentur, Kopenhagen, siehe , S. 19-20.
(8) http://ec.europa.eu/environment/enveco/economics_policy/pdf/report_sept2011.pdf http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:52012DC0095&from=EN Die Kosten der Nichtumsetzung des EU-Umweltrechts (COWI, 2011) , S. 9; COM(2012) 95 final , S. 3.
(9) http://www.eea.europa.eu/publications/late-lessons-2 Siehe z. B. die Fallstudien über die Kosten zu späten Handelns oder des Nichthandelns im EUA-Bericht „Späte Lehren aus frühen Warnungen: Wissenschaft, Vorsorge, Innovation“ (2013). .
(10) http://ec.europa.eu/environment/waste/studies/pdf/study%2012%20FINAL%20REPORT.pdf GD ENV, 2011. Implementing EU legislation for Green Growth. Studie des Bio Intelligence Service, mit Übersicht über den Anteil der einzelnen Mitgliedstaaten an der Umsatz- und Arbeitsplatzgenerierung, siehe
(11) http://www.europarl.europa.eu/thinktank/en/document.html?reference=EPRS_STU(2015)536369 Wissenschaftlicher Dienst des Europäischen Parlaments, 2015. Wasserrecht: Bericht über die Kosten des Verzichts auf EU-politisches Handeln. Siehe
(12) http://ec.europa.eu/atwork/applying-eu-law/docs/annual_report_32/com_2015_329_de.pdf COM(2015) 329 final, Jahresbericht der Kommission: Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts 2014, , S. 8: von insgesamt 3715 neuen Beschwerden, die 2014 eingegangen sind, betrafen 508 die Umwelt; S. 13; von insgesamt 893 neuen Vertragsverletzungsverfahren, die 2014 eingeleitet wurden, betrafen 174 die Umwelt.
(13) http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013D1386&from=DE Beschluss Nr. 1386/2013/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. November 2013 über ein allgemeines Umweltaktionsprogramm der Union für die Zeit bis 2020 „Gut leben innerhalb der Belastbarkeitsgrenzen unseres Planeten“ (7. UAP) Siehe  
(14) http://eur-lex.europa.eu/legal-content/DE/TXT/PDF/?uri=CELEX:32013D1386&from=DE Beispielsweise über die vom Ausschuss der Regionen und der Kommission eingerichtete und im 7. UAP (S. 189) genannte technische Plattform für Zusammenarbeit im Umweltbereich  
(15) http://ec.europa.eu/environment/enveco/economics_policy/pdf/report_sept2011.pdf So gibt es beispielsweise ungleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen Unternehmen, die Abfälle vorschriftsgemäß behandeln, und solchen, die Abfälle illegal ausführen. Siehe: Die Kosten der Nichtumsetzung des EU-Umweltrechts (COWI, 2011) , S. 67
(16) Artikel 191 Absatz 2 AEUV: „Die Umweltpolitik der Union zielt unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Gegebenheiten in den einzelnen Regionen der Union auf ein hohes Schutzniveau ab. Sie beruht auf den Grundsätzen der Vorsorge und Vorbeugung, auf dem Grundsatz, Umweltbeeinträchtigungen mit Vorrang an ihrem Ursprung zu bekämpfen, sowie auf dem Verursacherprinzip.“
(17) http://ec.europa.eu/environment/legal/reporting/fc_overview_en.htm Überwachung der Einhaltung des Umweltrechts und Berichterstattung – Der Fitness-Check für Überwachung und Berichterstattung. Siehe  
(18) http://ec.europa.eu/smart-regulation/better_regulation/documents/com_2015_215_de.pdf Mitteilung zur besseren Rechtsetzung vom 19. Mai 2015 (COM(2015) 215)  
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