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Dokument 62021CC0243

Schlussanträge des Generalanwalts A. M. Collins vom 9. Juni 2022.
TOYA sp. z o.o. und Polska Izba Informatyki i Telekomunikacji gegen Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej.
Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie.
Vorlage zur Vorabentscheidung – Telekommunikation – Richtlinie 2002/19/EG (Zugangsrichtlinie) – Art. 8 Abs. 3 – Richtlinie 2014/61/EU – Art. 1 Abs. 3 und 4 und Art. 3 Abs. 5 – Befugnis der nationalen Regulierungsbehörde, regulatorische Vorabverpflichtungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur eines Netzbetreibers ohne beträchtliche Marktmacht aufzuerlegen – Fehlen eines Rechtsstreits über den Zugang.
Rechtssache C-243/21.

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2022:455

 SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

ANTHONY COLLINS

vom 9. Juni 2022 ( 1 )

Rechtssache C‑243/21

„TOYA“ sp. z o.o.,

Polska Izba Informatyki i Telekomunikacji

gegen

Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej,

Beteiligte:

Polska Izba Komunikacji Elektronicznej

(Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie [Regionalgericht Warschau, Polen])

„Vorlage zur Vorabentscheidung – Telekommunikation – Richtlinie 2014/61/EU – Art. 3 – Befugnis der nationalen Regulierungsbehörde, einem Betreiber ohne beträchtliche Marktmacht Bedingungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur aufzuerlegen – Fehlen eines Rechtsstreits über den Zugang – Art. 1 Abs. 3 – Mindestharmonisierung“

I. Einleitung

1.

Das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen des Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) wirft zwei Fragen zur Auslegung der Richtlinie 2014/61/EU über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation ( 2 ) auf. Erstens, steht die Richtlinie 2014/61, betrachtet im Licht der Richtlinie 2002/21/EG über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für elektronische Kommunikationsnetze und -dienste (Rahmenrichtlinie) ( 3 ) und der Richtlinie 2002/19/EG über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) ( 4 ), dem entgegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde einem Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze, der nicht über beträchtliche Marktmacht auf dem betreffenden Markt verfügt, Bedingungen auferlegt? Zweitens, steht die Richtlinie 2014/61 dem entgegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde Telekommunikationsbetreibern Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zu ihrer physischen Infrastruktur auferlegt, ohne dass dieser Zugang Gegenstand eines Rechtsstreits ist?

II. Rechtlicher Rahmen

A.   Unionsrecht

1. Rahmenrichtlinie

2.

In den Erwägungsgründen der Rahmenrichtlinie werden u. a. folgende Ziele genannt:

„(25)

Unter bestimmten Umständen sind Vorabverpflichtungen aufzuerlegen, um die Entwicklung eines wettbewerbsorientierten Marktes zu gewährleisten. Die Definition der beträchtlichen Marktmacht in der Richtlinie 97/33/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 1997 über die Zusammenschaltung in der Telekommunikation im Hinblick auf die Sicherstellung eines Universaldienstes und der Interoperabilität durch Anwendung der Grundsätze für einen offenen Netzzugang (ONP) … hat sich in den Anfangsphasen der Marktliberalisierung als Kriterium für Vorabverpflichtungen als sinnvoll erwiesen, sie muss nun jedoch an komplexere, dynamischere Märkte angepasst werden. Daher beruht die in der vorliegenden Richtlinie benutzte Definition auf dem Konzept der beherrschenden Stellung nach der einschlägigen Rechtsprechung des Gerichtshofs und des Gerichts … der Europäischen Gemeinschaften.

(27)

Vorabverpflichtungen sollten nur auferlegt werden, wenn kein wirksamer Wettbewerb besteht, d. h. auf Märkten, auf denen es ein oder mehrere Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht gibt, und die Instrumente des nationalen und gemeinschaftlichen Wettbewerbsrechts nicht ausreichen, um das Problem zu lösen. …“

3.

Kapitel III der Rahmenrichtlinie trägt die Überschrift „Aufgaben der nationalen Regulierungsbehörden“. Der darin enthaltene Art. 8 legt politische Ziele und regulatorische Grundsätze fest. Art. 8 Abs. 5 Buchst. f sieht vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden regulatorische Vorabverpflichtungen nur dann auferlegen, wenn es keinen wirksamen und nachhaltigen Wettbewerb gibt. Sobald diese Voraussetzung erfüllt ist, müssen sie solche Verpflichtungen lockern oder aufheben.

4.

Kapitel IV der Rahmenrichtlinie trägt die Überschrift „Allgemeine Bestimmungen“. Art. 14 definiert die „beträchtliche Marktmacht“. In Art. 16 wird das Marktanalyseverfahren beschrieben, das eine nationale Regulierungsbehörde durchführen muss, um festzustellen, ob auf einem relevanten Markt wirksamer Wettbewerb herrscht: Herrscht auf einem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb, so ermittelt die nationale Regulierungsbehörde, welche Unternehmen auf diesem Markt über beträchtliche Marktmacht verfügen.

2. Zugangsrichtlinie

5.

Art. 8 Abs. 2 der Zugangsrichtlinie lautet:

„Wird ein Betreiber aufgrund einer Marktanalyse nach Artikel 16 der [Rahmenrichtlinie] als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft, so erlegt die nationale Regulierungsbehörde diesem im erforderlichen Umfang die in den Artikeln 9 bis 13 der vorliegenden Richtlinie genannten Verpflichtungen auf.“

6.

Die Verpflichtungen in den Art. 9 bis 13 der Zugangsrichtlinie beziehen sich auf: (i) Transparenz, einschließlich der Verpflichtung eines Betreibers zur Veröffentlichung eines Standardangebots ( 5 ), (ii) Gleichbehandlung, (iii) getrennte Buchführung, (iv) Zugang zu bestimmten Netzeinrichtungen und deren Nutzung und (v) Preiskontrolle und Kostenrechnung.

7.

Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie sieht vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden unbeschadet von Art. 5 Abs. 1 und Art. 6 dieser Richtlinie sowie der Art. 12 und 13 der Rahmenrichtlinie Betreibern, die nicht als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht auf einem bestimmten Markt eingestuft wurden, die in den Art. 9 bis 13 genannten Verpflichtungen nicht auferlegen.

3. Richtlinie 2014/61

8.

In den Erwägungsgründen werden die Ziele der Richtlinie wie folgt beschrieben:

„(6)

Angesichts der Notwendigkeit, auf Unionsebene Maßnahmen zur Verbesserung der Breitbandversorgung zu ergreifen – unter anderem durch die Verringerung der mit dem Ausbau der Hochgeschwindigkeits-Breitbandinfrastrukturen verbundenen Kosten – wie in den Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 13./14. Dezember 2012 niedergelegt, wird in der Mitteilung der Kommission mit dem Titel ‚Binnenmarktakte II‘ hervorgehoben, dass zusätzliche Maßnahmen erforderlich sind, um die in der Digitalen Agenda festgelegten Ziele rasch zu verwirklichen, auch durch die Bewältigung der Herausforderungen im Zusammenhang mit den Investitionen in ein Hochgeschwindigkeitsnetz.

(7)

Der Ausbau fester und drahtloser Hochgeschwindigkeitsnetze für die elektronische Kommunikation in der gesamten Union erfordert beträchtliche Investitionen, von denen ein bedeutender Anteil auf Hoch- und Tiefbauarbeiten entfällt. Durch die Begrenzung einiger dieser kostenintensiven Hoch- und Tiefbauarbeiten ließe sich der Ausbau der Breitbandnetze effizienter gestalten.

(8)

Ein Großteil dieser Kosten ist bedingt durch Ineffizienzen beim Infrastrukturausbau im Zusammenhang mit der Nutzung bestehender passiver Infrastrukturen (Leitungsrohre, Leerrohre, Einstiegsschächte, Verteilerkästen, Pfähle, Masten, Antennenanlagen, Türme und andere Trägerstrukturen), Engpässe aufgrund mangelnder Koordinierung der Bauarbeiten, aufwändige Genehmigungsverfahren und Engpässe beim Ausbau der Netze im Inneren von Gebäuden, was – insbesondere in ländlichen Gebieten – zu hohen finanziellen Hürden führt.

(9)

Maßnahmen zur effizienteren Nutzung bestehender Infrastrukturen und zur Verringerung von Kosten und Hindernissen bei Neubauten dürften einen bedeutenden Beitrag zum raschen und umfassenden Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation leisten, wobei gleichzeitig ein wirksamer Wettbewerb aufrechterhalten wird, ohne die Sicherheit, Sicherung und ordnungsgemäße Funktionsweise bestehender öffentlicher Infrastrukturen zu beeinträchtigen.

(10)

Einige Mitgliedstaaten haben bereits Maßnahmen zur Verringerung der Kosten des Breitbandausbaus ergriffen. Bisher sind solche Maßnahmen jedoch nur vereinzelt anzutreffen. Eine unionsweite Übernahme dieser Maßnahmen könnte beträchtlich zur Verwirklichung des digitalen Binnenmarkts beitragen. Überdies verhindern unterschiedliche rechtliche Anforderungen zuweilen die Zusammenarbeit der Versorgungsunternehmen und können Markteintrittsschranken für neue Netzbetreiber und Hemmnisse für neue Geschäftsmöglichkeiten darstellen; hierdurch wird das Entstehen eines Binnenmarkts für die Nutzung und den Ausbau physischer Infrastrukturen für Hochgeschwindigkeitsnetze für die elektronische Kommunikation behindert. Schließlich sind die Initiativen der Mitgliedstaaten offensichtlich nicht immer ganzheitlich angelegt; es ist jedoch von entscheidender Bedeutung, dass Maßnahmen sektorenübergreifend und im Hinblick auf den gesamten Ausbauprozess ergriffen werden, wenn eine kohärente und spürbare Wirkung erzielt werden soll.

(11)

Mit dieser Richtlinie sollen einige unionsweit geltende Mindestrechte und ‑pflichten festgelegt werden, um den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation und die sektorenübergreifende Koordinierung zu erleichtern. Es sollte ein Mindestmaß an Fairness bei den Wettbewerbsbedingungen gewährleistet sein, ohne dass dadurch aber – entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip – empfehlenswerte Verfahren und Maßnahmen, die auf nationaler und örtlicher Ebene bereits angewandt werden, und die sich daraus ergebenden detaillierteren Bestimmungen und Bedingungen sowie zusätzliche Maßnahmen zur Ergänzung der Rechte und Pflichten eingeschränkt werden.

(13)

Für die Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze, insbesondere für neue Marktteilnehmer, kann es wesentlich effizienter sein, beim Ausbau elektronischer Kommunikationsnetze bestehende physische Infrastrukturen weiter zu nutzen, auch diejenigen anderer Versorgungsbereiche, vor allem in Gebieten, in denen keine geeigneten elektronischen Kommunikationsnetze vorhanden sind oder es aus wirtschaftlichen Gründen nicht möglich ist, neue physische Infrastrukturen zu errichten. Außerdem können sektorenübergreifende Synergien den Bedarf an Bauarbeiten zum Ausbau elektronischer Kommunikationsnetze und somit auch die damit verbundenen gesellschaftlichen und ökologischen Kosten (Umweltverschmutzung, sonstige Belästigungen, Verkehrsüberlastung) beträchtlich verringern. Daher sollte diese Richtlinie nicht nur für Betreiber öffentlicher [Kommunikationsnetze] gelten, sondern für alle Eigentümer oder Inhaber von Nutzungsrechten – im letzteren Fall unbeschadet etwaiger Eigentumsrechte Dritter – an großen, überall vorhandenen physischen Infrastrukturen, die sich für die Aufnahme von Komponenten elektronischer Kommunikationsnetze eignen, zum Beispiel physische Netze für Dienstleistungen in den Bereichen Strom, Gas, Wasser, Abwasser und Kanalisationssysteme, Fernwärme und Verkehr.

(14)

Im Hinblick auf den Ausbau der elektronischen Hochgeschwindigkeits-Kommunikationsnetze im Binnenmarkt sollte diese Richtlinie das Recht der Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze auf Zugang zu physischen Infrastrukturen festlegen, und zwar unabhängig von ihrem Standort und zu fairen und angemessenen Bedingungen, die mit der normalen Ausübung von Eigentumsrechten vereinbar sind. Die Verpflichtung zur Gewährung von Zugang zu den physischen Infrastrukturen sollte die Rechte der Eigentümer der Grundstücke oder der Gebäude, in denen sich die Infrastrukturen befinden, unberührt lassen.“

9.

Art. 1 („Gegenstand und Geltungsbereich“) der Richtlinie 2014/61 bestimmt:

„(1)   Diese Richtlinie soll den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation erleichtern und entsprechende Anreize schaffen, indem die gemeinsame Nutzung bestehender physischer Infrastrukturen gefördert und ein effizienterer Ausbau neuer physischer Infrastrukturen ermöglicht wird, damit solche Netze zu geringeren Kosten errichtet werden können.

(2)   Mit dieser Richtlinie werden Mindestanforderungen für Bauwerke und physische Infrastrukturen festgelegt mit dem Ziel, bestimmte Aspekte der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten in diesen Bereichen aneinander anzugleichen.

(3)   Die Mitgliedstaaten können im Einklang mit dem Unionsrecht Maßnahmen beibehalten oder einführen, die über die mit dieser Richtlinie festgelegten Mindestanforderungen hinausgehen, um das in Absatz 1 genannte Ziel besser zu erreichen.

(4)   Sofern eine Bestimmung dieser Richtlinie mit einer Bestimmung der [Rahmenrichtlinie, der Zugangsrichtlinie oder der Richtlinien] 2002/20/EG[ ( 6 )], 2002/22/EG[ ( 7 )] oder 2002/77/EG[ ( 8 )] kollidiert, so sind die einschlägigen Bestimmungen der genannten Richtlinien maßgebend.“

10.

Art. 3 der Richtlinie 2014/61 sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass jeder Netzbetreiber das Recht hat, Unternehmen, die elektronische Kommunikationsnetze betreiben oder für die Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsnetzen zugelassen sind, im Hinblick auf den Ausbau der Komponenten von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation Zugang zu seinen physischen Infrastrukturen anzubieten. Im Gegenzug können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass die Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze das Recht haben, Zugang zu ihren physischen Infrastrukturen zum Zwecke des Ausbaus anderer Netze als elektronischer Kommunikationsnetze anzubieten.

(2)   Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass auf schriftlichen Antrag eines Unternehmens, das öffentliche Kommunikationsnetze bereitstellt oder für die Bereitstellung von elektronischen Kommunikationsnetzen zugelassen ist, jeder Netzbetreiber verpflichtet ist, allen zumutbaren Anträgen auf Zugang zu seinen physischen Infrastrukturen zwecks Ausbaus der Komponenten von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation zu fairen und angemessenen Bedingungen – auch in Bezug auf den Preis – stattzugeben. In diesem schriftlichen Antrag müssen die Komponenten des Projekts, für die Zugang beantragt wird, einschließlich eines genauen Zeitplans angegeben sein.

(5)   Die Mitgliedstaaten schreiben vor, dass die in Absatz 4 genannte nationale Streitbeilegungsstelle unter uneingeschränkter Achtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine verbindliche Entscheidung zur Lösung der gemäß Absatz 4 vorgetragenen Streitigkeit, einschließlich gegebenenfalls der Festlegung fairer und angemessener Bedingungen, einschließlich des Preises, treffen muss.

Die nationale Streitbeilegungsstelle muss die Streitigkeit schnellstmöglich und, sofern keine außergewöhnlichen Umstände vorliegen, in jedem Fall innerhalb von vier Monaten nach Eingang eines vollständigen Antrags lösen; das Recht aller Parteien, ein Gericht mit dem Fall zu befassen, bleibt hiervon unberührt.

Betrifft die Streitigkeit den Zugang zur Infrastruktur des Anbieters eines elektronischen Kommunikationsnetzes und ist die nationale Streitbeilegungsstelle die nationale Regulierungsbehörde, so muss diese gegebenenfalls die in Artikel 8 der [Rahmenrichtlinie] dargelegten Ziele berücksichtigen. …

…“

11.

Nach Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 2014/61 haben Unternehmen, die öffentliche Kommunikationsnetze bereitstellen, das Recht, auf Antrag Zugang zu Mindestinformationen über bestehende physische Infrastrukturen anderer Netzbetreiber zu erhalten.

B.   Polnisches Recht

12.

Art. 17 Abs. 1 und 2 der Ustawa o wspieraniu rozwoju usług i sieci telekomunikacyjnych (Gesetz vom 7. Mai 2010 zur Förderung der Entwicklung von Telekommunikationsdiensten und ‑netzen, im Folgenden: Gesetz zur Förderung der Entwicklung) sieht vor:

„1.   Der Netzbetreiber gewährt den Telekommunikationsunternehmen Zugang zur physischen Infrastruktur und ermöglicht eine gemeinsame Nutzung, um ein Hochgeschwindigkeitsnetz für die Telekommunikation auszubauen.

2.   Die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur erfolgt entgeltlich, sofern die Vertragsparteien nichts anderes vereinbaren.“

13.

Art. 18 Abs. 1 bis 3 und 6 bis 8 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung lautet:

„1.   Die Bedingungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur einschließlich der technischen, operativen und finanziellen Bedingungen der Zusammenarbeit werden von den Parteien in einem Vertrag über den Zugang zur physischen Infrastruktur festgelegt, der zu seiner Wirksamkeit der Schriftform bedarf.

2.   Der Präsident des UKE[ ( 9 )] kann vom Netzbetreiber Informationen über die Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur verlangen.

3.   Nach der Vorlage von Informationen durch den Netzbetreiber über die Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur kann der Präsident des UKE gemäß den in Art. 22 Abs. 1 bis 3 aufgestellten Kriterien durch Entscheidung die Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur festlegen. Art. 22 Abs. 4 gilt entsprechend.

6.   Ein Netzbetreiber, gegenüber dem eine Entscheidung über die Festlegung der Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur ergangen ist, ist verpflichtet, die in Abs. 1 genannten Verträge zu Bedingungen abzuschließen, die nicht weniger günstig sind als die in dieser Entscheidung festgelegten.

7.   Ein Netzbetreiber, gegenüber dem eine Entscheidung über die Festlegung der Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur ergangen ist, gibt auf seiner Website die aktuellen Bedingungen für die Gewährung dieses Zugangs an.

8.   Ein Netzbetreiber, gegenüber dem eine Entscheidung über die Festlegung der Bedingungen für die Gewährung des Zugangs zur physischen Infrastruktur ergangen ist, übermittelt dem Präsidenten des UKE die Information über die Adresse seiner Website, und zwar innerhalb von sieben Tagen ab dem Tag, an dem die Bedingungen für die Gewährung dieses Zugangs dort angegeben werden. Die Information über die Adresse der Website wird durch den Informationspunkt für Telekommunikationsangelegenheiten im Gebiet der Republik Polen, im Folgenden: ‚Informationspunkt für Telekommunikationsangelegenheiten‘, zugänglich gemacht.“

14.

Art. 22 Abs. 1 bis 3 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung bestimmt:

„1.   Der Präsident des UKE erlässt innerhalb von 60 Tagen ab dem Datum des Antrags auf Zugang zur physischen Infrastruktur eine Entscheidung über diesen Zugang, wobei er insbesondere der Notwendigkeit Rechnung trägt, nicht diskriminierende und angemessene Zugangsbedingungen zu gewährleisten.

2.   Der Präsident des UKE sorgt bei der Entscheidung über den Zugang zur physischen Infrastruktur eines Telekommunikationsunternehmens dafür, dass die Entgelte für den Zugang die Deckung der diesem Unternehmen entstandenen Kosten ermöglichen, wobei insbesondere die in Art. 8 der [Rahmenrichtlinie] bestimmten Ziele und die Auswirkungen des Zugangs zur physischen Infrastruktur auf den Geschäftsplan dieses Telekommunikationsunternehmens, insbesondere auf seine Investitionen in Hochgeschwindigkeitsnetze für die Telekommunikation, zu berücksichtigen sind.

3.   Entgelte für den Zugang zur physischen Infrastruktur einer Einrichtung, die im öffentlichen Interesse liegende Aufgaben erfüllt, werden in einer Höhe festgesetzt, die eine teilweise Deckung der ihr für die Aufrechterhaltung dieser Infrastruktur entstehenden Kosten ermöglicht.“

III. Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

15.

Am 10. Mai 2017 ersuchte der Prezes Urzędu Komunikacji Elektronicznej (Präsident des Amtes für elektronische Kommunikation, Polen, im Folgenden: Präsident des UKE) die TOYA sp. z o.o., bei der es sich um ein Telekommunikationsunternehmen und einen Netzbetreiber handelt, gemäß Art. 17 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung um die Übermittlung von Informationen über die Bedingungen für den Zugang zu ihrer physischen Infrastruktur. Am 6. Dezember 2017 leitete der Präsident des UKE ein Verwaltungsverfahren ein, um die Bedingungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur von TOYA festzulegen. In der Zeit vom 8. März bis zum 7. April 2018 und in der Zeit vom 3. Juli bis zum 2. August 2018 führte der Präsident des UKE im Rahmen dieses Verfahrens zwei getrennte Konsultationen durch. Am11. September 2018 erließ der Präsident des UKE gemäß der nationalen Regelung zur Umsetzung der Richtlinie 2014/61 eine Entscheidung, nach der TOYA bereit sein musste, Verträge abzuschließen und Anträge auf Zugang zu ihrer physischen Infrastruktur anzunehmen (im Folgenden: angefochtene Entscheidung). Am selben Tag erließ der Präsident des UKE sechs ähnliche Entscheidungen gegenüber sechs anderen Telekommunikationsbetreibern.

16.

In der angefochtenen Entscheidung ist als Rechtsgrundlage u. a. Art. 18 Abs. 3 in Verbindung mit Art. 17 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung angegeben. Die Entscheidung legt die Bedingungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur von TOYA in Bezug auf Kabelkanalanlagen (Anhang 1) und Telekommunikationsschächte in Gebäuden (Anhang 2) fest. Sie verpflichtet TOYA dazu, dafür zu sorgen, dass sie zum Abschluss von Rahmen- und Einzelverträgen und zur Annahme von Anträgen auf Zugang zu ihrer physischen Infrastruktur in Übereinstimmung mit den oben genannten Zugangsbedingungen bereit ist.

17.

In der angefochtenen Entscheidung wird ausgeführt, dass der Rückgriff auf Art. 17 Abs. 1 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung als Rechtsgrundlage gerechtfertigt sei, um Telekommunikationsunternehmen den Zugang zur physischen Infrastruktur einschließlich ihrer gemeinsamen Nutzung zu gewährleisten, damit ein Hochgeschwindigkeitsnetz für die Telekommunikation errichtet werden könne. Unter der Überschrift „Regulatorische Zielsetzungen“ wird in der angefochtenen Entscheidung ausgeführt, dass der Präsident des UKE eine Reihe strategischer Dokumente berücksichtigt habe, darunter die in Nr. 34 der vorliegenden Schlussanträge erwähnte Digitale Agenda und die Ziele der Richtlinie 2014/61, die sich insbesondere aus deren Erwägungsgründen 4 bis 9 ergäben. In der angefochtenen Entscheidung heißt es auch, dass sie zur Harmonisierung der Fristen, Verfahren und Marktpreise im Zusammenhang mit der Zurverfügungstellung von Kabelkanalanlagen beitragen werde.

18.

Die angefochtene Entscheidung nimmt Bezug auf einen Einwand der PIKE ( 10 ), dass im Hinblick auf Unternehmen mit einem geringen Marktanteil, bei denen keine Marktbedenken festgestellt worden seien, ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorliege. In Beantwortung dieses Einwands wurde in der angefochtenen Entscheidung darauf hingewiesen, dass das Verfahren vor dem Präsidenten des UKE die Beilegung von Streitigkeiten über den Zugang zu Kabelkanalanlagen betroffen habe. Was die Voraussetzungen betreffe, unter denen der Präsident des UKE Entscheidungen zur Festlegung der Bedingungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur erlassen dürfe, so erwähne das Gesetz zur Förderung der Entwicklung weder den Umfang der im Eigentum des Unternehmens stehenden Infrastruktur noch die Zahl der Streitigkeiten.

19.

In der angefochtenen Entscheidung wird auch auf Art. 22 Abs. 1 und Abs. 2 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung verwiesen, der bestimme, dass der Präsident des UKE eine Entscheidung über den Zugang zur physischen Infrastruktur erlasse, wobei er der Notwendigkeit Rechnung trage, nicht diskriminierende und angemessene Zugangsbedingungen zu gewährleisten und die Entgelte so festzusetzen, dass das Telekommunikationsunternehmen die Kosten für die Bereitstellung eines solchen Zugangs zurückerhalten könne. Dabei seien die Ziele von Art. 8 der Rahmenrichtlinie zu berücksichtigen.

20.

TOYA focht die angefochtene Entscheidung vor dem Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) an. Sie ist der Ansicht, dass eine nationale Regulierungsbehörde nach Art. 3 Abs. 2 und 5 und Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2014/61 sowie nach dem zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie in Verbindung mit Art. 8 Abs. 2 und 3 der Zugangsrichtlinie und Art. 8 Abs. 5 Buchst. f der Rahmenrichtlinie nur von Telekommunikationsbetreibern mit beträchtlicher Marktmacht die Veröffentlichung eines Standardangebots im Sinne von Art. 9 der Zugangsrichtlinie verlangen könne. Die angefochtene Entscheidung stehe in Widerspruch zum Unionsrecht, weil weder eine Marktanalyse durchgeführt worden sei, um festzustellen, ob TOYA über beträchtliche Marktmacht verfüge, noch eine Streitigkeit über den Zugang zur physischen Infrastruktur im Sinne von Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2014/61 bestehe.

21.

Das vorlegende Gericht hegt Zweifel, ob die Bestimmungen des nationalen Rechts, auf die die angefochtene Entscheidung gestützt ist, mit dem Unionsrecht vereinbar sind, und hat insbesondere Klärungsbedarf, was die Auslegung der Richtlinie 2014/61 im Licht der Zugangsrichtlinie anbelangt. Darüber hinaus möchte es wissen, welche EU-Richtlinien anzuwenden sind, da die Zugangsrichtlinie und die Rahmenrichtlinie durch die Richtlinie (EU) 2018/1972 über den europäischen Kodex für die elektronische Kommunikation ( 11 ) aufgehoben und ersetzt wurden. Daher hat es das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1.

Ist Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 und Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2014/61 dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen dem entgegenstehen, dass eine nationale Regulierungsbehörde einem Betreiber, der über eine physische Infrastruktur verfügt und gleichzeitig ein Anbieter öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder ‑netze ist, aber nicht als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, die Verpflichtung zur Anwendung der von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen zur Regulierung des Zugangs zur physischen Infrastruktur dieses Betreibers auferlegen kann, einschließlich der Regeln und des Verfahrens zum Abschluss von Verträgen und der für den Zugang erhobenen Entgelte, unabhängig davon, ob ein Rechtsstreit über den Zugang zur physischen Infrastruktur dieses Betreibers und ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt bestehen?

Hilfsweise (Variante II):

2.

Ist Art. 67 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 68 Abs. 2 und 3 der Richtlinie 2018/1972 in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 und Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2014/61 dahin auszulegen, dass diese Bestimmungen dem entgegenstehen, dass eine nationale Regulierungsbehörde einem Betreiber, der über eine physische Infrastruktur verfügt und gleichzeitig ein Anbieter öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder ‑netze ist, aber nicht als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, die Verpflichtung zur Anwendung der von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen zur Regulierung des Zugangs zur physischen Infrastruktur dieses Betreibers auferlegen kann, einschließlich der Regeln und des Verfahrens zum Abschluss von Verträgen und der für den Zugang erhobenen Entgelte, unabhängig davon, ob ein Rechtsstreit über den Zugang zur physischen Infrastruktur dieses Betreibers und ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt bestehen?

22.

TOYA, der Präsident des UKE, die griechische und die polnische Regierung sowie die Europäische Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

IV. Rechtliche Würdigung

A.   Zur Tragweite der Vorlage

23.

Ich möchte drei Vorbemerkungen zur Tragweite der Vorlage machen, von denen die erste die Zweifel des vorlegenden Gerichts betrifft, welche der EU-Richtlinien in zeitlicher Hinsicht anwendbar ist.

24.

Die angefochtene Entscheidung wurde am 11. September 2018 erlassen. Wie das vorlegende Gericht und TOYA ausführen, hat sie weiter Wirkungen entfaltet, nachdem am 21. Dezember 2020 durch Art. 125 der Richtlinie 2018/1972 sowohl die Rahmenrichtlinie als auch die Zugangsrichtlinie aufgehoben worden waren.

25.

Die Rahmenrichtlinie und die Zugangsrichtlinie waren zum Zeitpunkt des Erlasses der angefochtenen Entscheidung in Kraft. Sie sind daher für die Beurteilung der Vereinbarkeit der Bestimmungen des nationalen Rechts, auf denen diese Entscheidung beruht, mit dem Unionsrecht relevant. Die Richtlinie 2018/1972 ist zum Zeitpunkt der vorliegenden Schlussanträge weiterhin in Kraft, und an ihrer Anwendbarkeit bestehen keine Zweifel.

26.

Daraus folgt, dass der Gerichtshof die erste und nicht die zweite Frage des vorlegenden Gerichts zu beantworten hat.

27.

Zweitens enthalten die von TOYA, dem Präsidenten des UKE und der polnischen Regierung eingereichten Stellungnahmen eingehende Prüfungen der angefochtenen Entscheidung und ihrer Rechtsgrundlage ( 12 ). Jedoch ist, wie TOYA selbst einräumt, in einem Verfahren nach Art. 267 AEUV, das auf einer klaren Aufgabentrennung zwischen den nationalen Gerichten und dem Gerichtshof beruht, allein das nationale Gericht für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts des Ausgangsrechtsstreits sowie die Auslegung und Anwendung des nationalen Rechts zuständig ( 13 ). Es ist nicht Sache des Gerichtshofs, über die Art oder die Merkmale einer nationalen Entscheidung oder über deren innerstaatliche Rechtsgrundlage zu entscheiden.

28.

Drittens weist die Kommission in ihren Erklärungen darauf hin, dass eine nationale Regulierungsbehörde bei der Ausübung der Befugnis, auf der Grundlage der Richtlinie 2014/61 im Voraus Bedingungen festzulegen, bestimmte Grundsätze beachten und bestimmte Verfahrensanforderungen einhalten muss, die sich aus dieser Richtlinie, der Rahmenrichtlinie, der Zugangsrichtlinie und der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergeben. Aus der Vorlageentscheidung geht nicht hervor, dass das vorlegende Gericht den Gerichtshof um eine Klärung dieses Aspekts ersucht hätte. Auch die anderen Verfahrensbeteiligten sind in ihren Erklärungen nicht darauf eingegangen. Daher braucht sich der Gerichtshof mit diesen Erwägungen nicht aufzuhalten.

B.   Erste Frage

29.

Wie sich aus der Einleitung ergibt, umfasst die erste Frage zwei Bestandteile. Erstens, steht die Richtlinie 2014/61 in Verbindung mit der Zugangsrichtlinie dem entgegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde Zugangsbedingungen für einen Anbieter elektronischer Kommunikationsnetze festlegt, der nicht über beträchtliche Marktmacht verfügt? Zweitens, steht die Richtlinie 2014/61 dem entgegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde solche Bedingungen festlegt, ohne dass der Zugang zur physischen Infrastruktur Gegenstand eines Rechtsstreits ist?

30.

TOYA ist der Ansicht, dass beide Bestandteile bejaht werden sollten ( 14 ). Der Präsident des UKE, die griechische und die polnische Regierung und die Kommission sind anderer Ansicht, allerdings aus unterschiedlichen Gründen. Die griechische Regierung und die Kommission stützen sich auf eine wörtliche und systematische Auslegung der betreffenden Richtlinien. Der Präsident des UKE und die polnische Regierung konzentrieren ihre Erklärungen auf die Art der angefochtenen Entscheidung und ihre Rechtsgrundlage. Sie stützen sich auf die Mindestharmonisierungsbestimmung in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2014/61, um die Rechtmäßigkeit der TOYA nach nationalem Recht auferlegten Maßnahmen zu rechtfertigen ( 15 ).

31.

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs sind bei der Auslegung einer Vorschrift des Unionsrechts der Wortlaut der einschlägigen Vorschrift sowie ihr Zusammenhang und die Ziele zu berücksichtigen, die mit der Regelung, zu der sie gehört, verfolgt werden ( 16 ). Im vorliegenden Fall möchte ich vor der Würdigung des Wortlauts der Richtlinie 2014/61 zunächst die Ziele und den Zusammenhang der drei hier in Rede stehenden Richtlinien untersuchen.

1. Zu den Zielen und dem Zusammenhang der einschlägigen Richtlinien

32.

Im Jahr 2002 wurden zahlreiche Richtlinien und Änderungsrichtlinien kodifiziert, um die Entwicklung wettbewerbsorientierter Märkte im Telekommunikationsbereich zu erleichtern. Die Rahmenrichtlinie sah vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden die relevanten Märkte nach wettbewerbsrechtlichen Grundsätzen bestimmen und Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht identifizieren, denen bestimmte Verpflichtungen auferlegt werden konnten, um die Entwicklung solcher wettbewerbsorientierten Märkte zu erleichtern. Es wurden vier Einzelrichtlinien erlassen, darunter die Zugangsrichtlinie über den Zugang und die Zusammenschaltung von Telekommunikationsnetzen. In Rechtsvorschriften von 2009 wurde auf die Notwendigkeit hingewiesen, Investitionen, Innovation und Netzwerke der nächsten Generation zu fördern, ohne die in dem 2002 angenommenen Richtlinienpaket enthaltenen Regulierungsziele und ‑grundsätze zu ändern ( 17 ).

33.

Zu den Hauptzielen der Gesetzespakete von 2002 und 2009 zählte die Verbesserung des Wettbewerbs, indem den nationalen Regulierungsbehörden ermöglicht wurde, Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht Verpflichtungen aufzuerlegen. Gleichwohl sahen die Rahmenrichtlinie und die Zugangsrichtlinie auch die Möglichkeit vor, dass die nationalen Regulierungsbehörden Betreibern Verpflichtungen auferlegen, die nicht über beträchtliche Marktmacht verfügen. Der 23. Erwägungsgrund der Rahmenrichtlinie nimmt Bezug auf die Vorteile einer gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen aus städtebaulichen, gesundheits- oder umweltpolitischen Gründen, soweit möglich durch freiwillige Vereinbarungen. Art. 12 der Rahmenrichtlinie in der durch die Richtlinie 2009/140/EG ( 18 ) geänderten Fassung trägt die Überschrift „Gemeinsame Unterbringung und gemeinsame Nutzung von Netzbestandteilen und dazugehörigen Einrichtungen durch Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze“. Er gestattete den nationalen Regulierungsbehörden, unter bestimmten Umständen und unter bestimmten Voraussetzungen in objektiver, transparenter und nicht diskriminierender Weise die Verpflichtung zur gemeinsamen Nutzung von Einrichtungen oder das Ergreifen von Maßnahmen zur Koordinierung öffentlicher Bauarbeiten vorzuschreiben. Der Rückgriff auf Art. 12 der Rahmenrichtlinie setzte nicht voraus, dass die nationale Regulierungsbehörde vorab festgestellt hatte, dass ein Telekommunikationsbetreiber über beträchtliche Marktmacht verfügte ( 19 ). Art. 5 Abs. 1 der Zugangsrichtlinie erlaubte den nationalen Regulierungsbehörden, einen angemessenen Zugang und eine geeignete Zusammenschaltung unter bestimmten Bedingungen zu fördern und zu garantieren, unbeschadet etwaiger Maßnahmen in Bezug auf Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht ( 20 ).

34.

Im Mai 2010 veröffentlichte die Kommission die Digitale Agenda für Europa (im Folgenden: Digitale Agenda), um aus einem digitalen Binnenmarkt, der auf einem schnellen bis extrem schnellen Internet beruht, einen nachhaltigen wirtschaftlichen und sozialen Nutzen zu ziehen ( 21 ). Sie war der Ansicht, ohne ein Eingreifen bestehe das Risiko, dass es zu einem suboptimalen Endergebnis, also zu einer Konzentration schneller Breitbandnetze in einigen wenigen dicht besiedelten Zonen mit hohen Einstiegskosten und Preisen komme. Dies führte zum Erlass zweier im Rahmen des vorliegenden Vorabentscheidungsersuchens relevanter Initiativen.

35.

Im September 2010 erließ die Kommission zunächst die Empfehlung 2010/572/EU ( 22 ) über den regulierten Zugang zu Zugangsnetzen der nächsten Generation (NGA). Diese Empfehlung bezog sich hauptsächlich auf Verpflichtungen, die Unternehmen auferlegt wurden, die aufgrund eines Marktanalyseverfahrens nach Art. 16 der Rahmenrichtlinie als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft worden waren. Allerdings konnten die Mitgliedstaaten den Betreibern elektronischer Kommunikationsnetze gemäß Art. 12 der Rahmenrichtlinie auch die gemeinsame Nutzung von Einrichtungen vorschreiben, wenn dies dadurch gerechtfertigt war, dass eine Verdopplung dieser Infrastruktur wirtschaftlich ineffizient oder praktisch unmöglich gewesen wäre, sofern dadurch Engpässe in der baulichen Infrastruktur und in Abschluss-Segmenten beseitigt wurden.

36.

Davon unabhängig wurde in der Digitalen Agenda vorgeschlagen, dass die zuständigen Behörden sicherstellen sollten, dass bei öffentlichen und privaten Bauvorhaben Breitbandnetzanschlüsse und die entsprechende Verkabelung in Gebäuden systematisch vorgesehen werden, Wegerechte eingeräumt werden und die vorhandene passive Infrastruktur für die Verkabelung kartografisch erfasst wird ( 23 ). Diese Initiative führte schließlich zum Erlass der Richtlinie 2014/61, die den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation erleichtern und entsprechende Anreize schaffen soll, indem die gemeinsame Nutzung bestehender physischer Infrastrukturen gefördert und ein effizienterer Ausbau neuer physischer Infrastrukturen ermöglicht wird, damit solche Netze zu geringeren Kosten errichtet werden können ( 24 ).

2. Zum Wortlaut der Richtlinie 2014/61

37.

Der Wortlaut der Richtlinie 2014/61 macht deutlich, dass ihre Anwendung nicht auf Situationen beschränkt ist, in denen Unternehmen als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft werden oder in denen auf den Märkten kein wirksamer Wettbewerb herrscht. Die Art. 3 und 4 der Richtlinie 2014/61 befassen sich mit dem Zugang zur vorhandenen physischen Infrastruktur und der diesbezüglichen Transparenz. Versorgungsnetzbetreiber u. a. in den Bereichen Energie, Wasser und Verkehr sowie Betreiber öffentlicher Kommunikationsnetze sind berechtigt, den Zugang zur physischen Infrastruktur anzubieten. Es besteht eine allgemeine Verpflichtung der Netzbetreiber – und nicht nur der als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuften Unternehmen –, allen zumutbaren Anträgen auf Zugang zu ihren physischen Infrastrukturen zwecks Ausbaus der Komponenten von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation zu fairen und angemessenen Bedingungen – auch in Bezug auf den Preis – stattzugeben ( 25 ). Die Mitgliedstaaten gewährleisten, dass in Fällen, in denen der Zugang verweigert oder keine Einigung über die konkreten Geschäftsbedingungen erzielt wird, jede Partei die zuständige nationale Streitbeilegungsstelle mit dem Fall befassen kann ( 26 ). Diese Stelle muss dann eine verbindliche Entscheidung zur Lösung der Streitigkeit treffen und gegebenenfalls faire und angemessene Bedingungen, einschließlich des Preises, festlegen ( 27 ).

38.

Nach dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/61 sollten gegebenenfalls geltende spezifischere Regulierungsmaßnahmen (lex specialis) Vorrang vor den in dieser Richtlinie (lex generalis) vorgesehenen Mindestrechten und ‑pflichten haben. In der Richtlinie 2014/61 ist somit bestimmt, dass sie die Regelungen der Rahmenrichtlinie und der Zugangsrichtlinie nicht berührt. Im 17. Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/61 heißt es, dass für als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestufte Betreiber geltende Verpflichtungen zur Gewährung des Zugangs zu physischen Infrastrukturen bereits durch spezifische Rechtsvorschriften geregelt sind, die durch die Richtlinie 2014/61 nicht berührt werden sollten. Der 31. Erwägungsgrund erwähnt die Möglichkeit, dass Mitgliedstaaten auf der Grundlage von Art. 12 der Rahmenrichtlinie bereits Maßnahmen in Bezug auf die Kollokation und die gemeinsame Nutzung von Netzbestandteilen und Einrichtungen ergriffen haben ( 28 ).

39.

Aus dem Vorstehenden ergibt sich, dass das Ziel der Richtlinie 2014/61 darin besteht, die Verfügbarkeit der als digitale Infrastruktur der Gesellschaft von morgen angesehenen Hochgeschwindigkeitsnetze für die elektronische Kommunikation sicherzustellen. Die Richtlinie 2014/61 findet sektorübergreifend Anwendung und greift auf regulatorische Mechanismen wie Transparenz, behördliche Aufsicht und Streitbeilegung zurück, um andere Ziele als die Förderung des Wettbewerbs an sich zu erreichen. Sie sieht ein weiter gefasstes Recht vor, Zugang zur physischen Infrastruktur zu verlangen und zu erhalten, als es in Bezug auf Betreiber, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, in der Rahmenrichtlinie und der Zugangsrichtlinie vorgesehen ist. Da die Rahmenrichtlinie und die Zugangsrichtlinie auch die Möglichkeit vorsehen, den nicht als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuften Betreibern Zugangsverpflichtungen aufzuerlegen, besteht weder ein Konflikt noch ein Widerspruch zwischen diesen Richtlinien und der Richtlinie 2014/61.

40.

Daher steht die Zugangsrichtlinie dem nicht entgegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde Betreibern, die nicht als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft worden sind, Bedingungen für den Zugang zur physischen Infrastruktur auferlegt. Mit anderen Worten können die nationalen Regulierungsbehörden Bedingungen nach der Richtlinie 2014/61 auferlegen, auch wenn nicht festgestellt wird, dass auf dem relevanten Markt kein wirksamer Wettbewerb herrscht.

41.

Was den zweiten Bestandteil der ersten Frage angeht, nämlich ob die Richtlinie 2014/61 dem entgegensteht, dass eine nationale Regulierungsbehörde Bedingungen festlegt, ohne dass der Zugang zur physischen Infrastruktur Gegenstand eines Rechtsstreits ist, ist zu berücksichtigen, dass Art. 1 Abs. 2 dieser Richtlinie Mindestanforderungen festlegt. Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2014/61 sieht vor, dass die Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Unionsrecht Maßnahmen beibehalten oder einführen können, die über diese Mindestanforderungen hinausgehen, um das Ziel, den Ausbau von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation zu erleichtern und entsprechende Anreize zu schaffen, indem die gemeinsame Nutzung bestehender physischer Infrastrukturen gefördert und ein effizienterer Ausbau neuer physischer Infrastrukturen ermöglicht wird, damit solche Netze zu geringeren Kosten errichtet werden können, besser zu erreichen ( 29 ).

42.

Während die Richtlinie 2014/61 somit vorsieht, dass ihr Ziel dadurch erreicht werden kann, dass Streitigkeiten über die Zugangsbedingungen einschließlich des Preises im Nachhinein, also nachdem sie entstanden sind, beigelegt werden können, sind auch nationale Maßnahmen zulässig, die über die in der Richtlinie 2014/61 vorgesehenen Maßnahmen hinausgehen, um dieses Ziel besser zu erreichen ( 30 ).

43.

Die Kommission ist der Auffassung, dass der im nationalen Recht vorgesehene Ex-ante-Ansatz dazu dient, erhebliche Hindernisse für den Zugang zur physischen Infrastruktur zu überwinden. Die Kommission und die polnische Regierung weisen darauf hin, dass sowohl der Ex-ante-Ansatz als auch der Ex-post-Ansatz dem Zweck dient, das Ziel der Richtlinie 2014/61 zu erreichen. In diesem Zusammenhang ist interessanterweise zu beobachten, dass nach dem Zusammenfassenden Bericht über die öffentliche Konsultation zur Bewertung und Überprüfung der Richtlinie 2014/61 eine Mehrheit der Befragten der Ansicht ist, dass die Schwierigkeiten bei der Vereinbarung von Zugangsbedingungen mit den Eigentümern physischer Infrastruktur und ein langsames oder ineffizientes Streitbeilegungsverfahren (der Ex-post-Ansatz) zu einem teureren und/oder langsameren Ausbau der Netze führten. Es scheint daher nicht unvernünftig anzunehmen, dass der offenbar in den einschlägigen polnischen Rechtsvorschriften vorgesehene Ex-ante-Ansatz im Hinblick auf eine erleichterte Erreichung der verfolgten Ziele gewisse Vorzüge gegenüber dem in der Richtlinie 2014/61 beschriebenen Ex-post-Ansatz haben könnte.

44.

Meines Erachtens ist daher die nationale Regelung, sofern das nationale Gericht zu dem Ergebnis kommt, dass der darin vorgesehene Ex-ante-Ansatz dasselbe Ziel verfolgt wie der Ex-post-Ansatz der Richtlinie 2014/61, grundsätzlich mit dieser Richtlinie vereinbar.

V. Ergebnis

45.

Ich schlage dem Gerichtshof daher vor, die vom Sąd Okręgowy w Warszawie (Regionalgericht Warschau, Polen) vorgelegte Frage wie folgt zu beantworten:

Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 2002/19/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Zugang zu elektronischen Kommunikationsnetzen und zugehörigen Einrichtungen sowie deren Zusammenschaltung (Zugangsrichtlinie) in Verbindung mit Art. 3 Abs. 5 und Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2014/61/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation steht dem nicht entgegen, dass eine nationale Regulierungsbehörde einem Betreiber, der über eine physische Infrastruktur verfügt und gleichzeitig ein Anbieter öffentlich zugänglicher elektronischer Kommunikationsdienste oder ‑netze ist, aber nicht als Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurde, die Verpflichtung zur Anwendung der von dieser Behörde im Voraus festgelegten Bedingungen zur Regulierung des Zugangs zur physischen Infrastruktur dieses Betreibers auferlegen kann, einschließlich der Regeln und des Verfahrens zum Abschluss von Verträgen und der für den Zugang erhobenen Entgelte, unabhängig davon, ob ein Rechtsstreit über den Zugang zur physischen Infrastruktur dieses Betreibers und ein wirksamer Wettbewerb auf dem Markt bestehen.


( 1 ) Originalsprache: Englisch.

( 2 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 (ABl. 2014, L 155, S. 1).

( 3 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 (ABl. 2002, L 108, S. 33), in geänderter Fassung (im Folgenden: Rahmenrichtlinie).

( 4 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 (ABl. 2002, L 108, S. 7), in geänderter Fassung (im Folgenden: Zugangsrichtlinie).

( 5 ) Art. 9 Abs. 2 und 4 der Zugangsrichtlinie.

( 6 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über die Genehmigung elektronischer Kommunikationsnetze und ‑dienste (Genehmigungsrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 21).

( 7 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und ‑diensten (Universaldienstrichtlinie) (ABl. 2002, L 108, S. 51).

( 8 ) Richtlinie der Kommission vom 16. September 2002 über den Wettbewerb auf den Märkten für elektronische Kommunikationsnetze und ‑dienste (ABl. 2002, L 249, S. 21).

( 9 ) Definiert in Nr. 15 der vorliegenden Schlussanträge.

( 10 ) Die Polska Izba Komunikacji Elektronicznej w Warszawie (PIKE) (Polnische Kammer für Elektronische Kommunikation [PIKE], Warschau, Polen) gab im Verfahren vor dem Präsidenten des UKE eine Stellungnahme ab und unterstützt TOYA im Verfahren vor dem vorlegenden Gericht. Die Polska Izba Informatyki i Telekomunikacji (PIIT) (Polnische Kammer für Informationstechnologie und Telekommunikation [PIIT], Polen) hat gegen die angefochtene Entscheidung ebenfalls ein Rechtsmittel eingelegt. Das vorlegende Gericht hat diese beiden Rechtsmittel zwar miteinander verbunden, aber die von der PIIT geltend gemachten Rechtsmittelgründe sind für das vorliegende Vorabentscheidungsersuchen unerheblich.

( 11 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2018 (ABl. 2018, L 321, S. 36).

( 12 ) TOYA trägt vor, die angefochtene Entscheidung habe alle Merkmale einer an einen Betreiber mit beträchtlicher Marktmacht gerichteten Entscheidung, während ihr die Merkmale einer Entscheidung über die Beilegung einer Streitigkeit über den Zugang gemäß Art. 3 der Richtlinie 2014/61 fehlten. Die polnische Regierung und der Präsident des UKE treten dieser Auffassung entgegen. Sie verweisen auf den Umstand, dass die Zugangsrichtlinie und die Rahmenrichtlinie einerseits und die Richtlinie 2014/61 andererseits durch zwei verschiedene Gesetze, nämlich die Ustawa prawo telekomunikacyjne (Telekommunikationsgesetz vom 16. Juli 2004) und das Gesetz zur Förderung der Entwicklung, in polnisches Recht umgesetzt worden seien. Im polnischen Recht bestünden erhebliche Unterschiede zwischen Referenzangeboten, die von Betreibern mit beträchtlicher Marktmacht gemäß Art. 42 des Telekommunikationsgesetzes vom 16. Juli 2004 veröffentlicht würden, und Entscheidungen über den Zugang zur physischen Infrastruktur im Sinne der Art. 17 und 18 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung. Die angefochtene Entscheidung sei in Ausübung der Befugnisse erlassen worden, die dem Präsidenten des UKE durch die Art. 17 und 18 des Gesetzes zur Förderung der Entwicklung eingeräumt worden seien, mit dem die Richtlinie 2014/61 umgesetzt werde.

( 13 ) Urteil vom 9. Juli 2020, Raiffeisen Bank und BRD Groupe Société Générale (C‑698/18 und C‑699/18, EU:C:2020:537, Rn. 46).

( 14 ) Siehe Nr. 20 der vorliegenden Schlussanträge.

( 15 ) Siehe Nr. 23 der vorliegenden Schlussanträge.

( 16 ) Urteil vom 17. September 2015, KPN (C‑85/14, EU:C:2015:610, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

( 17 ) Vgl. z. B. Savin, A., EU Telecommunications Law, Elgar European Law Series, 2018, Kapitel 1 und 2.

( 18 ) Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. November 2009 (ABl. 2009, L 337, S. 37).

( 19 ) Gemäß Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie gilt die Anforderung, die in den Art. 9 bis 13 vorgesehenen Verpflichtungen nur Telekommunikationsbetreibern aufzuerlegen, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, unbeschadet von Art. 12 der Rahmenrichtlinie.

( 20 ) Art. 8 Abs. 3 der Zugangsrichtlinie, der die Anforderung enthält, die in den Art. 9 bis 13 vorgesehenen Verpflichtungen nur Telekommunikationsbetreibern aufzuerlegen, die als Unternehmen mit beträchtlicher Marktmacht eingestuft wurden, gilt auch unbeschadet von Art. 5 Abs. 1 derselben Richtlinie. Vgl. Urteile vom 12. November 2009, TeliaSonera Finland (C‑192/08, EU:C:2009:696), und vom 17. September 2015, KPN (C‑85/14, EU:C:2015:610).

( 21 ) Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Eine Digitale Agenda für Europa, 19. Mai 2010 (KOM[2010] 245 endg.).

( 22 ) ABl. 2010, L 251, S. 35.

( 23 ) Vgl. Abschnitt 2.4.1 der Digitalen Agenda, Nr. 9 der vorrangigen Maßnahmen in der von der Kommission im Oktober 2012 veröffentlichten Binnenmarktakte II („Gemeinsam für neues Wachstum“) und Erwägungsgründe 1 bis 10 der Richtlinie 2014/61.

( 24 ) Art. 1 Abs. 1 der Richtlinie 2014/61.

( 25 ) Art. 3 Abs. 2 der Richtlinie 2014/61.

( 26 ) Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 2014/61.

( 27 ) Art. 3 Abs. 5 der Richtlinie 2014/61.

( 28 ) Siehe Nr. 33 der vorliegenden Schlussanträge. Eine Würdigung des Wortlauts der Richtlinie 2014/61 in mehreren anderen Sprachfassungen, u. a. der spanischen, französischen, italienischen, niederländischen, polnischen und portugiesischen, führt zu demselben Ergebnis.

( 29 ) Ähnlich der elfte Erwägungsgrund der Richtlinie 2014/61.

( 30 ) Art. 3 Abs. 2 bis 5 der Richtlinie 2014/61.

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