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Dieses Dokument ist ein Auszug aus dem EUR-Lex-Portal.

Dokument 62020CJ0541

Urteil des Gerichtshofs (Große Kammer) vom 4. Oktober 2024.
Republik Litauen u. a. gegen Europäisches Parlament und Rat der Europäischen Union.
Nichtigkeitsklage – Erstes Mobilitätspaket (‚Mobilitätspaket‘) – Verordnung (EU) 2020/1054 – Maximale tägliche und wöchentliche Lenkzeiten – Mindestfahrtunterbrechungen sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten – Organisation der Arbeit der Fahrer, so dass jeder Fahrer in der Lage ist, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zu seinem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückzukehren, um dort seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen – Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug – Frist für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation (V2) – Zeitpunkt des Inkrafttretens – Verordnung (EU) 2020/1055 – Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung – Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge in die Betriebsstätte im Niederlassungsstaat – Verpflichtung betreffend die Zahl der Fahrzeuge und der Fahrer, die normalerweise der Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat zugeordnet sind – Kabotage – Wartezeit von vier Tagen für die Kabotage – Abweichung betreffend die Kabotage als Bestandteil des kombinierten Verkehrs – Richtlinie (EU) 2020/1057 – Spezifische Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor – Frist für die Umsetzung – Binnenmarkt – Sonderregelung für den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen – Gemeinsame Verkehrspolitik – Art. 91 und 94 AEUV – Grundfreiheiten – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Folgenabschätzung – Grundsatz der Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot – Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes – Umweltschutz – Art. 11 AEUV – Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Europäischen Ausschusses der Regionen.
Verbundene Rechtssachen C-541/20 bis C-555/20.

Sammlung der Rechtsprechung – allgemein

ECLI-Identifikator: ECLI:EU:C:2024:818

 URTEIL DES GERICHTSHOFS (Große Kammer)

4. Oktober 2024 ( *1 )

[Text berichtigt mit Beschlüssen vom 19. Dezember 2024 und vom 12. März 2025]

Inhaltsverzeichnis

 

I. Rechtlicher Rahmen

 

A. Völkerrecht

 

B. Unionsrecht

 

1. Bestimmungen über die Arbeitszeit

 

a) Verordnung (EG) Nr. 561/2006

 

b) Verordnung (EU) Nr. 165/2014

 

c) Verordnung 2020/1054

 

2. Bestimmungen über die Anforderung der Niederlassung sowie über die Kabotagebeförderungen und über den kombinierten Verkehr

 

a) Richtlinie 92/106/EWG

 

b) Verordnung Nr. 1071/2009

 

c) Verordnung (EG) Nr. 1072/2009

 

d) Verordnung 2020/1055

 

3. Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern

 

a) Richtlinie 96/71/EG

 

b) Richtlinie 2014/67/EU

 

c) Richtlinie 2018/957

 

d) Richtlinie 2020/1057

 

4. Interinstitutionelle Vereinbarung

 

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

 

III. Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

 

A. Rechtssache C‑541/20

 

B. Rechtssache C‑542/20

 

C. Rechtssache C‑543/20

 

D. Rechtssache C‑544/20

 

E. Rechtssache C‑545/20

 

F. Rechtssache C‑546/20

 

G. Rechtssache C‑547/20

 

H. Rechtssache C‑548/20

 

I. Rechtssache C‑549/20

 

J. Rechtssache C‑550/20

 

K. Rechtssache C‑551/20

 

L. Rechtssache C‑552/20

 

M. Rechtssache C‑553/20

 

N. Rechtssache C‑554/20

 

O. Rechtssache C‑555/20

 

P. Zur Verbindung der Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20

 

IV. Zu den Klagen

 

A. Zur Verordnung 2020/1054

 

1. Übersicht über die Klagegründe

 

2. Zu Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

 

a) Zur Zulässigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

b) Zur Begründetheit

 

1) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

2) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

– Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 durch den Unionsgesetzgeber

 

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

 

3) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

4) Zum Verstoß gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

5) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

6) Zum Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

3. Zu Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

i) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 durch den Unionsgesetzgeber

 

ii) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

 

– Zur Eignung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des verfolgten Ziels

 

– Zur Erforderlichkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

 

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

c) Zum Verstoß gegen die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

d) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

4. Zu Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054

 

a) Vorbemerkungen

 

b) Zum Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

c) Zum Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

d) Zum Verstoß gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

5. Zu Art. 3 der Verordnung 2020/1054

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch den Gerichtshof

 

6. Ergebnis zur Verordnung 2020/1054

 

B. Zur Verordnung 2020/1055

 

1. Übersicht über die Klagegründe

 

2. Zu Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, durch den Unionsgesetzgeber

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

2) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

 

b) Zu den anderen Klagegründen, die sich gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 richten, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

 

3. Zu Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 durch den Unionsgesetzgeber

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

2) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

– Zur Eignung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zur Erreichung des verfolgten Ziels

 

– Zur Erforderlichkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

 

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

c) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

d) Zum Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

e) Zum Verstoß gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

f) Zum Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts und gegen die Verpflichtungen der Union im Bereich des Umweltschutzes

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

4. Zu Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

c) Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

5. Zu Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055

 

a) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

b) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

c) Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

6. Ergebnis zur Verordnung 2020/1055

 

C. Zur Richtlinie 2020/1057

 

1. Übersicht über die Klagegründe

 

2. Zur Unionsregelung für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor

 

3. Zu Art. 1 der Richtlinie 2020/1057

 

a) Zum Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

b) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

i) Vorbemerkungen

 

ii) Zum Vorliegen der behaupteten diskriminierenden Behandlung

 

– Zum Vorwurf der diskriminierenden Behandlung von Beförderungen im Dreiländerverkehr gegenüber bilateralen Beförderungen

 

– Zum Vorwurf der diskriminierenden Behandlung von Beförderungen im kombinierten Verkehr gegenüber bilateralen Beförderungen

 

c) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

 

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 durch den Unionsgesetzgeber

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

2) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057

 

i) Vorbringen der Parteien

 

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

 

– Zur Eignung von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 zur Erreichung des verfolgten Ziels

 

– Zur Erforderlichkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057

 

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057

 

d) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

e) Zum Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

f) Zum Verstoß gegen den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

i) Zum freien Warenverkehr

 

ii) Zum freien Dienstleistungsverkehr

 

g) Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

 

1) Vorbringen der Parteien

 

2) Würdigung durch den Gerichtshof

 

4. Zu Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057

 

a) Vorbringen der Parteien

 

b) Würdigung durch den Gerichtshof

 

5. Ergebnis zur Richtlinie 2020/1057

 

D. Gesamtergebnis zu den Klagen

 

V. Kosten

„Nichtigkeitsklage – Erstes Mobilitätspaket (‚Mobilitätspaket‘) – Verordnung (EU) 2020/1054 – Maximale tägliche und wöchentliche Lenkzeiten – Mindestfahrtunterbrechungen sowie tägliche und wöchentliche Ruhezeiten – Organisation der Arbeit der Fahrer, so dass jeder Fahrer in der Lage ist, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zu seinem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückzukehren, um dort seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen – Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug – Frist für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation (V2) – Zeitpunkt des Inkrafttretens – Verordnung (EU) 2020/1055 – Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung – Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge in die Betriebsstätte im Niederlassungsstaat – Verpflichtung betreffend die Zahl der Fahrzeuge und der Fahrer, die normalerweise der Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat zugeordnet sind – Kabotage – Wartezeit von vier Tagen für die Kabotage – Abweichung betreffend die Kabotage als Bestandteil des kombinierten Verkehrs – Richtlinie (EU) 2020/1057 – Spezifische Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor – Frist für die Umsetzung – Binnenmarkt – Sonderregelung für den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen – Gemeinsame Verkehrspolitik – Art. 91 und 94 AEUV – Grundfreiheiten – Grundsatz der Verhältnismäßigkeit – Folgenabschätzung – Grundsatz der Gleichbehandlung und Diskriminierungsverbot – Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes – Umweltschutz – Art. 11 AEUV – Anhörung des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses sowie des Europäischen Ausschusses der Regionen“

In den verbundenen Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20

[berichtigt mit Beschluss vom 19. Dezember 2024] betreffend Nichtigkeitsklagen nach Art. 263 AEUV, eingereicht am 23. Oktober 2020 (Rechtssachen C‑541/20 bis C‑550/20 und C‑552/20) sowie am 26. Oktober 2020 (Rechtssachen C‑551/20 und C‑553/20 bis C‑555/20),

Republik Litauen, vertreten durch K. Dieninis, R. Dzikovič und V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte im Beistand von R. Petravičius, Advokatas, A. Kisieliauskaitė und G. Taluntyté (C‑541/20 und C‑542/20),

Republik Bulgarien, vertreten zunächst durch M. Georgieva, T. Mitova und L. Zaharieva, dann durch T. Mitova und L. Zaharieva als Bevollmächtigte (C‑543/20 bis C‑545/20),

Rumänien, vertreten durch R. Antonie, L.–E. Baţagoi, M. Chicu, E. Gane, R.–I. Haţieganu, L. Liţu und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte (C‑546/20 bis C‑548/20),

Republik Zypern, vertreten durch I. Neophytou als Bevollmächtigte (C‑549/20 und C‑550/20),

Ungarn, vertreten durch M. Z. Fehér und K. Szíjjártó als Bevollmächtigte (C‑551/20),

Republik Malta, vertreten durch A. Buhagiar als Bevollmächtigte im Beistand von D. Sarmiento Ramírez-Escudero und J. Sedano Lorenzo, Abogados (C‑552/20),

Republik Polen, vertreten durch B. Majczyna, M. Horoszko, D. Krawczyk und D. Lutostańska als Bevollmächtigte (C‑553/20 bis C‑555/20),

Kläger,

unterstützt durch

Königreich Belgien, zunächst vertreten durch S. Baeyens, P. Cottin, L. Delmotte, J.‑C. Halleux, C. Pochet und B. Van Hyfte, dann durch S. Baeyens, P. Cottin, L. Delmotte, C. Pochet und B. Van Hyfte als Bevollmächtigte (C‑552/20),

Republik Estland, zunächst vertreten durch N. Grünberg und M. Kriisa, dann durch M. Kriisa als Bevollmächtigte (C‑541/20, C‑542/20, C‑544/20, C‑545/20, C‑547/20 bis C‑552/20, C‑554/20 und C‑555/20),

Republik Lettland, zunächst vertreten durch K. Pommere, I. Romanovska und V. Soņeca, dann durch J. Davidoviča, K. Pommere und I. Romanovska als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Republik Litauen, vertreten durch K. Dieninis, R. Dzikovič und V. Kazlauskaitė-Švenčionienė als Bevollmächtigte im Beistand von R. Petravičius, Advokatas, A. Kisieliauskaitė und G. Taluntyté (C‑545/20, C‑547/20, C‑549/20, C‑551/20, C‑552/20 und C‑554/20),

Rumänien, vertreten durch R. Antonie, L.‑E. Baţagoi, M. Chicu E. Gane, R.‑I. Haţieganu, L. Liţu und A. Rotăreanu als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑545/20 und C‑549/20 bis C‑555/20),

Streithelfer,

gegen

Europäisches Parlament, zunächst vertreten durch I. Anagnostopoulou, O. Denkov, C. Ionescu–Dima, A. Tamás und S. Toliušis, dann durch I. Anagnostopoulou, O. Denkov, C. Ionescu–Dima, W. D. Kuzmienko, B. D. Simon, S. Toliušis und R. van de Westelaken als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch:

Königreich Dänemark, zunächst vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Søndahl Wolff und L. Teilgård, dann durch V. Pasternak Jørgensen, M. Søndahl Wolff und L. Teilgård, dann durch V. Pasternak Jørgensen und M. Søndahl Wolff, und schließlich durch C. Maertens und M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch J. Möller und D. Klebs, dann durch J. Möller als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Hellenische Republik (C‑542/20, C‑543/20, C‑545/20 bis C‑547/20 und C‑551/20),

Französische Republik, zunächst vertreten durch A.‑L. Desjonquères, A. Ferrand und N. Vincent, dann durch A.‑L. Desjonquères und N. Vincent, dann durch R. Bénard, J.‑L. Carré, V. Depenne, A.‑L. Desjonquères und B. Herbaut, und schließlich durch R. Bénard, M. Guiresse, B. Herbaut und B. Travard als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Großherzogtum Luxemburg, zunächst vertreten durch A. Germeaux und T. Uri, dann durch A. Germeaux als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Republik Österreich, vertreten durch A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Königreich Schweden, zunächst vertreten durch H. Eklinder, J. Lundberg, C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson, dann durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Streithelfer,

und

Rat der Europäischen Union, vertreten durch M. Bencze, I. Gurov, A. Norberg, K. Pavlaki, V. Sanda, A. Sikora-Kaléda, A. Vârnav und L. Vétillard als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch:

Königreich Dänemark, zunächst vertreten durch J. Nymann-Lindegren, M. Søndahl Wolff und L. Teilgård, dann durch V. Pasternak Jørgensen, M. Søndahl Wolff und L. Teilgård, dann durch V. Pasternak Jørgensen und M. Søndahl Wolff, und schließlich durch C. Maertens und M. Søndahl Wolff als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Bundesrepublik Deutschland, zunächst vertreten durch J. Möller und D. Klebs, dann durch J. Möller als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Hellenische Republik (C‑542/20, C‑543/20, C‑545/20 bis C‑547/20 und C‑551/20),

Französische Republik, zunächst vertreten durch A.‑L. Desjonquères, A. Ferrand und N. Vincent, dann durch A.‑L. Desjonquères und N. Vincent, dann durch R. Bénard, J.‑L. Carré, V. Depenne, A.‑L. Desjonquères und B. Herbaut, und schließlich durch R. Bénard, M. Guiresse, B. Herbaut und B. Travard als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Italienische Republik, vertreten durch G. Palmieri als Bevollmächtigte, dann durch S. Fiorentino als Bevollmächtigten im Beistand von A. Lipari und G. Santini, Avvocati dello Stato (C‑541/20 bis C‑555/20),

Großherzogtum Luxemburg, zunächst vertreten durch A. Germeaux und T. Uri, dann durch A. Germeaux als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Königreich der Niederlande, vertreten durch M. K. Bulterman und J. Langer als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Republik Österreich, vertreten durch A. Posch und J. Schmoll als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Königreich Schweden, zunächst vertreten durch H. Eklinder, J. Lundberg, C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson, dann durch H. Eklinder, C. Meyer-Seitz, A. Runeskjöld, M. Salborn Hodgson, R. Shahsavan Eriksson, H. Shev und O. Simonsson als Bevollmächtigte (C‑541/20 bis C‑555/20),

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Große Kammer)

unter Mitwirkung des Präsidenten K. Lenaerts, des Vizepräsidenten L. Bay Larsen, der Kammerpräsidenten E. Regan (Berichterstatter), T. von Danwitz, F. Biltgen und Z. Csehi, der Richter S. Rodin und A. Kumin, der Richterin I. Ziemele, der Richter J. Passer und D. Gratsias, der Richterin M. L. Arastey Sahún und des Richters M. Gavalec,

Generalanwalt: G. Pitruzzella,

Kanzler: R. Şereş und R. Stefanova-Kamisheva, Verwaltungsrätinnen,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 24. und 25. April 2023,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 14. November 2023

folgendes

Urteil

1

Mit ihren Klagen beantragt die Republik Litauen (C‑541/20 und C‑542/20),

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d und Art. 3 der Verordnung (EU) 2020/1054 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen an die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 hinsichtlich der Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (ABl. 2020, L 249, S. 1) oder, hilfsweise, die Verordnung 2020/1054 in vollem Umfang für nichtig zu erklären (C‑541/20),

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2020/1055 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor (ABl. 2020, L 249, S. 17), soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates (ABl. 2009, L 300, S. 51) eingefügt wird, sowie Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären (C‑542/20) und

Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie (EU) 2020/1057 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Festlegung besonderer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 (ABl. 2020, L 249, S. 49) oder, hilfsweise, die Richtlinie 2020/1057 in vollem Umfang für nichtig zu erklären (C‑541/20).

2

Mit ihren Klagen beantragt die Republik Bulgarien (C‑543/20 bis C‑545/20):

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären (C‑543/20),

die Richtlinie 2020/1057 für nichtig zu erklären (C‑544/20) und

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 zur Gänze für nichtig zu erklären sowie Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung oder, hilfsweise, Art. 2 Nr. 4 dieser Verordnung oder, äußerst hilfsweise, diese Verordnung zur Gänze für nichtig zu erklären (C‑545/20).

3

Mit seinen Klagen beantragt Rumänien (C‑546/20 bis C‑548/20),

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären (C‑546/20),

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, sowie Art. 2 Nr. 4 Buchst. a bis c der Verordnung 2020/1055 oder, hilfsweise, diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären (C‑547/20) und

Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären (C‑548/20).

4

Mit ihren Klagen beantragt die Republik Zypern (C‑549/20 und C‑550/20),

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 insgesamt für nichtig zu erklären oder, äußerst hilfsweise, diese Verordnung in vollem Umfang für nichtig zu erklären (C‑549/20) und

die Richtlinie 2020/1057 insgesamt für nichtig zu erklären (C‑550/20).

5

Mit seiner Klage beantragt Ungarn (C‑551/20),

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 sowie gegebenenfalls alle Bestimmungen dieser Verordnung, die mit diesen ein untrennbares Ganzes bilden, oder sogar diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit damit ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, sowie gegebenenfalls alle Bestimmungen der Verordnung 2020/1055, die mit diesem ein untrennbares Ganzes bilden, und

Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, deren Art. 1 Abs. 6 sowie gegebenenfalls alle Bestimmungen dieser Richtlinie, die mit diesem ein untrennbares Ganzes bilden, für nichtig zu erklären.

6

Mit ihrer Klage beantragt die Republik Malta (C‑552/20), Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit damit ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären.

7

Mit ihren Klagen beantragt die Republik Polen (C‑553/20 bis C‑555/20):

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, die Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären (C‑553/20),

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären sowie Art. 2 Nr. 5 Buchst. b dieser Verordnung für nichtig zu erklären, oder, hilfsweise, diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären (C‑554/20) und

Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 sowie Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären (C‑555/20).

I. Rechtlicher Rahmen

A. Völkerrecht

8

Am 9. Mai 1992 wurde in New York das Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen (United Nations Framework Convention on Climate Change, United Nations Treaty Series, Bd. 1771, S. 107, im Folgenden: UNFCCC) angenommen, dessen Endziel es ist, die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der Atmosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Störung des Klimasystems verhindert wird. Am 11. Dezember 1997 verabschiedeten die Vertragsparteien des UNFCCC in dessen Anwendung das Protokoll von Kyoto zu diesem Rahmenübereinkommen.

9

Um das Ende des zweiten Verpflichtungszeitraums des Protokolls von Kyoto, der den Zeitraum 2013‑2020 umfasste, vorwegzunehmen, nahm die Konferenz der Vertragsparteien des UNFCCC am 12. Dezember 2015 das Übereinkommen von Paris über Klimaänderungen an, dessen Hauptziel darin bestand, den Anstieg der Erdtemperatur zwischen 1,5 °C und 2 °C über dem vorindustriellen Niveau zu halten.

10

Art. 2 dieses Übereinkommens bestimmt:

„(1)   Dieses Übereinkommen zielt darauf ab, durch Verbesserung der Durchführung des [UNFCCC] einschließlich seines Zieles die weltweite Reaktion auf die Bedrohung durch Klimaänderungen im Zusammenhang mit nachhaltiger Entwicklung und den Bemühungen zur Beseitigung der Armut zu verstärken, indem unter anderem

a)

der Anstieg der durchschnittlichen Erdtemperatur deutlich unter 2°C über dem vorindustriellen Niveau gehalten wird und Anstrengungen unternommen werden, um den Temperaturanstieg auf 1,5°C über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, da erkannt wurde, dass dies die Risiken und Auswirkungen der Klimaänderungen erheblich verringern würde;

b)

die Fähigkeit zur Anpassung an die nachteiligen Auswirkungen der Klimaänderungen erhöht und die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung so gefördert wird, dass die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird;

c)

die Finanzmittelflüsse in Einklang gebracht werden mit einem Weg hin zu einer hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarmen und gegenüber Klimaänderungen widerstandsfähigen Entwicklung.

(2)   Dieses Übereinkommen wird als Ausdruck der Gerechtigkeit und des Grundsatzes der gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten durchgeführt.“

11

Art. 4 dieses Übereinkommens sieht in seinen Abs. 1 bis 3 vor:

„(1)   Zum Erreichen des in Artikel 2 genannten langfristigen Temperaturziels sind die Vertragsparteien bestrebt, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen, wobei anerkannt wird, dass der zeitliche Rahmen für das Erreichen des Scheitelpunkts bei den Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind, größer sein wird, und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen, um in der zweiten Hälfte dieses Jahrhunderts ein Gleichgewicht zwischen den anthropogenen Emissionen von Treibhausgasen aus Quellen und dem Abbau solcher Gase durch Senken auf der Grundlage der Gerechtigkeit und im Rahmen der nachhaltigen Entwicklung und der Bemühungen zur Beseitigung der Armut herzustellen.

(2)   Jede Vertragspartei erarbeitet, übermittelt und behält aufeinanderfolgende national festgelegte Beiträge bei, die sie zu erreichen beabsichtigt. Die Vertragsparteien ergreifen innerstaatliche Minderungsmaßnahmen, um die Ziele dieser Beiträge zu verwirklichen.

(3)   Jeder nachfolgende national festgelegte Beitrag einer Vertragspartei wird eine Steigerung gegenüber ihrem zum fraglichen Zeitpunkt geltenden national festgelegten Beitrag darstellen und ihre größtmögliche Ambition unter Berücksichtigung ihrer gemeinsamen, aber unterschiedlichen Verantwortlichkeiten und ihrer jeweiligen Fähigkeiten angesichts der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten ausdrücken.“

B. Unionsrecht

1.   Bestimmungen über die Arbeitszeit

a)   Verordnung (EG) Nr. 561/2006

12

Die Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 zur Harmonisierung bestimmter Sozialvorschriften im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnungen (EWG) Nr. 3821/85 und (EG) Nr. 2135/98 des Rates sowie zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3820/85 des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 1) wurde zuletzt durch die Verordnung 2020/1054 in mehreren Bestimmungen geändert.

13

In Kapitel I („Einleitende Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 561/2006 bestimmt Art. 4 Buchst. d bis h dieser Verordnung, der durch die Verordnung 2020/1054 nicht geändert wurde, Folgendes:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

d)

‚Fahrtunterbrechung‘ jeden Zeitraum, in dem der Fahrer keine Fahrtätigkeit ausüben und keine anderen Arbeiten ausführen darf und der ausschließlich zur Erholung genutzt wird;

f)

‚Ruhepause‘ jeden ununterbrochenen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann;

g)

‚tägliche Ruhezeit‘ den täglichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine ‚regelmäßige tägliche Ruhezeit‘ und eine ‚reduzierte tägliche Ruhezeit‘ umfasst;

‚regelmäßige tägliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von mindestens 11 Stunden. Diese regelmäßige tägliche Ruhezeit kann auch in zwei Teilen genommen werden, wobei der erste Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 3 Stunden und der zweite Teil einen ununterbrochenen Zeitraum von mindestens 9 Stunden umfassen muss;

‚reduzierte tägliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von mindestens 9 Stunden, aber weniger als 11 Stunden;

h)

‚wöchentliche Ruhezeit‘ den wöchentlichen Zeitraum, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen kann und der eine ‚regelmäßige wöchentliche Ruhezeit‘ und eine ‚reduzierte wöchentliche Ruhezeit‘ umfasst;

‚regelmäßige wöchentliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von mindestens 45 Stunden;

‚reduzierte wöchentliche Ruhezeit‘ eine Ruhepause von weniger als 45 Stunden, die vorbehaltlich der Bedingungen des Artikels 8 Absatz 6 auf eine Mindestzeit von 24 aufeinander folgenden Stunden reduziert werden kann;

…“

14

In Kapitel II („Fahrpersonal, Lenkzeiten, Fahrtunterbrechungen und Ruhezeiten“) der Verordnung Nr. 561/2006 sahen Art. 8 Abs. 6 und 8 dieser Verordnung in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung Folgendes vor:

„(6)   In zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen hat der Fahrer mindestens folgende Ruhezeiten einzuhalten:

zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder

eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden. Dabei wird jedoch die Reduzierung durch eine gleichwertige Ruhepause ausgeglichen, die ohne Unterbrechung vor dem Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden muss.

Eine wöchentliche Ruhezeit beginnt spätestens am Ende von sechs 24‑Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit.

(8)   Sofern sich ein Fahrer hierfür entscheidet, können nicht am Standort eingelegte tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht werden, sofern das Fahrzeug über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt.“

15

Im selben Kapitel bestimmte Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 561/2006 in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung:

„(2)   Die von einem Fahrer verbrachte Zeit, um zu einem in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Fahrzeug, das sich nicht am Wohnsitz des Fahrers oder der Betriebstätte des Arbeitgebers, dem der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, befindet, anzureisen oder von diesem zurückzureisen, ist nur dann als Ruhepause oder Fahrtunterbrechung anzusehen, wenn sich der Fahrer in einem Zug oder auf einem Fährschiff befindet und Zugang zu einer Koje oder einem Liegewagen hat.

(3)   Die von einem Fahrer verbrachte Zeit, um mit einem nicht in den Geltungsbereich dieser Richtlinie fallenden Fahrzeug zu einem in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Fahrzeug, das sich nicht am Wohnsitz des Fahrers oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers, dem der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, befindet, anzureisen oder von diesem zurückzureisen, ist als andere Arbeiten anzusehen.“

16

In Kapitel IV („Ausnahmen“) der Verordnung Nr. 561/2006 hieß es in Art. 14 in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung:

„(1)   Sofern die Verwirklichung der in Artikel 1 genannten Ziele nicht beeinträchtigt wird, können die Mitgliedstaaten nach Genehmigung durch die Kommission Ausnahmen von den Artikeln 6 bis 9 für unter außergewöhnlichen Umständen durchgeführte Beförderungen zulassen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können in dringenden Fällen eine vorübergehende Ausnahme für einen Zeitraum von höchstens 30 Tagen zulassen, über die die Kommission sofort zu unterrichten ist.

(3)   Die Kommission teilt den übrigen Mitgliedstaaten alle nach diesem Artikel gewährten Ausnahmen mit.“

17

Art. 16 Abs. 2 in Kapitel V („Überwachung und Sanktionen“) der Verordnung Nr. 561/2006, der durch die Verordnung 2020/1054 nicht geändert wurde, lautet:

„Das Verkehrsunternehmen erstellt einen Fahrplan und einen Arbeitszeitplan, in dem für jeden Fahrer der Name, der Standort und der im Voraus festgelegte Zeitplan für die verschiedenen Zeiträume der Lenktätigkeit, der anderen Arbeiten und der Fahrtunterbrechungen sowie die Bereitschaftszeiten angegeben werden.

Jeder Fahrer, der in einem Dienst im Sinne des Absatzes 1 eingesetzt ist, muss einen Auszug aus dem Arbeitszeitplan und eine Ausfertigung des Linienfahrplans mit sich führen.“

18

Im selben Kapitel bestimmt Art. 18 der Verordnung Nr. 561/2006, der durch die Verordnung 2020/1054 nicht geändert wurde:

„Die Mitgliedstaaten ergreifen die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen.“

b)   Verordnung (EU) Nr. 165/2014

19

Die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 4. Februar 2014 über Fahrtenschreiber im Straßenverkehr, zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über das Kontrollgerät im Straßenverkehr und zur Änderung der Verordnung Nr. 561/2006 (ABl. 2014, L 60, S. 1) wurde durch die Verordnung 2020/1054 in mehreren Bestimmungen geändert.

20

In Kapitel I („Grundsätze, Geltungsbereich und Anforderungen“) der Verordnung Nr. 165/2014 sah Art. 3 („Anwendungsbereich“) dieser Verordnung in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung in seinem Abs. 4 Folgendes vor:

„15 Jahre nachdem neu zugelassene Fahrzeuge mit einem Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 ausgerüstet sein müssen, müssen Fahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Zulassungsmitgliedstaat betrieben werden, mit einem solchen Fahrtenschreiber ausgestattet sein.“

21

In Kapitel II („Intelligenter Fahrtenschreiber“) der Verordnung Nr. 165/2014 bestimmte Art. 11 („Einzelvorschriften für intelligente Fahrtenschreiber“) dieser Verordnung in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung:

„Um sicherzustellen, dass der intelligente Fahrtenschreiber den Grundsätzen und Anforderungen dieser Verordnung entspricht, erlässt die Kommission die für die einheitliche Anwendung der Artikel 8, 9 und 10 erforderlichen Einzelvorschriften unter Ausschluss von Bestimmungen, in denen die Aufzeichnung zusätzlicher Daten durch den Fahrtenschreiber vorgesehen würde. Diese Durchführungsrechtsakte werden nach dem in Artikel 42 Absatz 3 genannten Prüfverfahren erlassen.

Die Einzelvorschriften nach Absatz 1 müssen:

a)

bezüglich der Ausführung der Funktionen des intelligenten Fahrtenschreibers gemäß dem vorliegenden Kapitel die notwendigen Anforderungen enthalten, um die Sicherheit, Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Daten zu gewährleisten, die von dem satellitengestützten Positionsbestimmungsdienst und der Fernkommunikationseinrichtung gemäß den Artikeln 8 und 9 an den Fahrtenschreiber übertragen werden;

b)

die verschiedenen Bedingungen und Anforderungen für den satellitengestützten Positionsbestimmungsdienst und die Fernkommunikationseinrichtung gemäß den Artikeln 8 und 9 enthalten, und zwar sowohl für externe Lösungen als auch für den Fall einer Einbettung im Fahrtenschreiber; bei externen Lösungen müssen sie auch die Bedingungen für die Nutzung des satellitengestützten Positionsbestimmungssignals als zweiter Bewegungssensor abdecken;

c)

die notwendigen Normen für die Schnittstelle gemäß Artikel 10 enthalten. Hierzu kann eine Bestimmung über die Vergabe von Zugriffsrechten für Fahrer, Werkstatt und Verkehrsunternehmen und über Kontrollfunktionen für die vom Fahrtenschreiber aufgezeichneten Daten enthalten sein; den Kontrollfunktionen muss ein Authentifizierungs-/Autorisierungsmechanismus für die Schnittstelle zugrunde liegen, wie beispielsweise ein Zertifikat für jede Zugriffsebene, allerdings unter dem Vorbehalt der technischen Machbarkeit.“

22

In Kapitel VI („Benutzungsvorschriften“) der Verordnung Nr. 165/2014 regelt Art. 33 („Verantwortlichkeit des Verkehrsunternehmens“) dieser Verordnung, der durch die Verordnung 2020/1054 nicht geändert wurde, in seinem Abs. 2:

„Das Verkehrsunternehmen bewahrt die Schaublätter und – sofern Ausdrucke gemäß Artikel 35 erstellt wurden – die Ausdrucke in chronologischer Reihenfolge und in lesbarer Form nach der Benutzung mindestens ein Jahr lang auf und händigt den betreffenden Fahrern auf Verlangen eine Kopie aus. Das Verkehrsunternehmen händigt den betreffenden Fahrern ferner auf Verlangen eine Kopie der von den Fahrerkarten heruntergeladenen Daten sowie Ausdrucke davon aus. Die Schaublätter, die Ausdrucke und die heruntergeladenen Daten sind jedem ermächtigten Kontrolleur auf Verlangen vorzulegen oder auszuhändigen.“

23

Art. 1 Abs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2016/799 der Kommission vom 18. März 2016 zur Durchführung der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung der Vorschriften über Bauart, Prüfung, Einbau, Betrieb und Reparatur von Fahrtenschreibern und ihren Komponenten (ABl. 2016, L 139, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2018/502 der Kommission vom 28. Februar 2018 (ABl. 2018, L 85, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung 2016/799) bestimmt:

„Bauart, Prüfung, Einbau, Nachprüfung, Betrieb und Reparatur von intelligenten Fahrtenschreibern und ihren Komponenten müssen den technischen Anforderungen des Anhangs IC dieser Verordnung genügen.“

24

Art. 6 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2016/799 sieht vor:

„Der Anhang IC gilt jedoch ab dem 15. Juni 2019 …“

25

Anhang IC betrifft die Vorschriften für Bau, Prüfung, Einbau und Nachprüfung intelligenter Fahrtenschreiber.

c)   Verordnung 2020/1054

26

In den Erwägungsgründen 1, 2, 4, 6, 8, 13 bis 15, 17 bis 19, 23, 27, 34 und 36 der Verordnung 2020/1054 heißt es:

„(1)

Gute Arbeitsbedingungen für die Fahrer und faire Geschäftsbedingungen für Verkehrsunternehmen sind von überragender Bedeutung für die Schaffung eines sicheren, effizienten und sozial verantwortlichen Straßenverkehrssektors, um Nichtdiskriminierung zu gewährleisten und qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen. Um diesen Prozess zu erleichtern, ist es wesentlich, dass die Sozialvorschriften der Union im Straßenverkehr klar, verhältnismäßig, zweckdienlich, und in wirksamer und kohärenter Weise in der gesamten Union leicht anzuwenden, durchzusetzen und umzusetzen sind.

(2)

Bei der Überprüfung von Wirksamkeit und Effizienz der Umsetzung des derzeitigen Regelwerks an Sozialvorschriften der Union im Straßenverkehr und insbesondere der Verordnung … Nr. 561/2006 … wurden einige Mängel bei der Anwendung dieses Rechtsrahmens festgestellt. Unklare Vorschriften zur wöchentlichen Ruhezeit…, zur Unterbringung während der Ruhezeit und zu Fahrtunterbrechungen im Mehrfahrerbetrieb sowie fehlende Bestimmungen über die Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz haben zu unterschiedlichen Auslegungen und Durchsetzungspraktiken in den Mitgliedstaaten geführt. Durch die von einigen Mitgliedstaaten kürzlich verabschiedeten einseitigen Maßnahmen sind die Rechtsunsicherheit und die Ungleichbehandlung von Fahrern und Unternehmen weiter erhöht worden. Hingegen tragen die täglichen und wöchentlichen Höchstlenkzeiten wirksam zur Verbesserung der sozialen Bedingungen der Kraftfahrer sowie zur allgemeinen Straßenverkehrssicherheit bei. Es bedarf kontinuierlicher Anstrengungen, um deren Einhaltung sicherzustellen.

(4)

Die Ex-post-Bewertung der Verordnung … Nr. 561/2006 hat bestätigt, dass die uneinheitliche und ineffiziente Durchsetzung der Sozialvorschriften der Union vor allem auf unklare Vorschriften, auf eine ineffiziente und uneinheitliche Nutzung der Kontrollinstrumente und auf eine unzureichende Verwaltungszusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten zurückzuführen ist.

(6)

Klare, geeignete, verhältnismäßige und einheitlich durchgesetzte Vorschriften sind ebenfalls von entscheidender Bedeutung für die Verwirklichung der politischen Ziele, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern sowie insbesondere einen unverfälschten und fairen Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmern zu gewährleisten und einen Beitrag zur Sicherheit im Straßenverkehr für alle Straßenverkehrsteilnehmer zu leisten.

(8)

Im grenzüberschreitenden Güterfernverkehr tätige Fahrer sind über lange Zeiträume von ihrem Heimatort abwesend. Die derzeitigen Anforderungen an die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit können diese Zeiträume unnötig verlängern. Daher ist es wünschenswert, die Bestimmungen über die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit so anzupassen, dass es für die Fahrer einfacher ist, grenzüberschreitende Beförderungen in Übereinstimmung mit den Vorschriften durchzuführen und ihren Heimatort für eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit zu erreichen und für alle verkürzten wöchentlichen Ruhezeiten einen vollständigen Ausgleich zu erhalten. …

(13)

Zur Förderung des sozialen Fortschritts sollte angegeben werden, wo die wöchentlichen Ruhezeiten eingelegt werden können, um zu gewährleisten, dass Fahrern angemessene Bedingungen für die Ruhezeit zur Verfügung stehen. Von besonderer Bedeutung ist die Qualität der Unterbringung während der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit, die der Fahrer nicht in der Kabine des Fahrzeugs, sondern in einer geeigneten Unterkunft auf Kosten des Verkehrsunternehmens als Arbeitgeber verbringen sollte. Damit für gute Arbeitsbedingungen und die Sicherheit der Fahrer gesorgt ist, sollte die Anforderung präzisiert werden, dass den Fahrern eine hochwertige und geschlechtergerechte Unterkunft bereitgestellt wird, wenn sie ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten nicht am Heimatort einlegen.

(14)

Es muss ferner vorgesehen werden, dass Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer so planen, dass Zeiträume der Abwesenheit vom Wohnsitz nicht übermäßig lang sind und die Fahrer lange Ruhezeiten als Ausgleich für reduzierte wöchentliche Ruhezeiten in Anspruch nehmen können. Die Rückkehr sollte so organisiert werden, dass es möglich ist, eine Betriebsstätte des Verkehrsunternehmens im Mitgliedstaat seiner Niederlassung oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen; den Fahrern sollte es freigestellt sein zu wählen, wo sie ihre Ruhezeit verbringen. Für den Nachweis, dass das Verkehrsunternehmen seinen Verpflichtungen zur Organisation der regelmäßigen Rückkehr nachkommt, sollte das Verkehrsunternehmen auf Fahrtenschreiberaufzeichnungen, Dienstpläne der Fahrer oder andere Unterlagen zurückgreifen können. Diese Belege sollten in den Geschäftsräumen des Verkehrsunternehmens verfügbar sein, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.

(15)

Regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten und längere Ruhezeiten dürfen nicht im Fahrzeug oder auf einer Parkfläche verbracht werden, sondern nur in einer geeigneten Unterkunft, die an einen Parkplatz angrenzen kann; daher ist es von größter Bedeutung, dass es den Fahrern ermöglicht wird, sichere und gesicherte Parkflächen zu finden, die ein angemessenes Sicherheitsniveau und geeignete Einrichtungen bieten. Die Kommission hat bereits untersucht, wie die Entwicklung hochwertiger Parkflächen, einschließlich der erforderlichen Mindestanforderungen, gefördert werden kann. Die Kommission sollte daher Normen für sichere und gesicherte Parkflächen erarbeiten. Diese Normen sollten zur Förderung hochwertiger Parkflächen beitragen. Die Normen können überarbeitet werden, um für einen besseren Zugang zu alternativen Kraftstoffen zu sorgen, im Einklang mit den Strategien zur Entwicklung dieser Infrastrukturen. Wichtig ist auch, dass Parkflächen frei von Eis und Schnee gehalten werden.

(17)

Im Interesse der Straßenverkehrssicherheit und der Durchsetzung sollten alle Fahrer umfassend über die Vorschriften zu Lenk- und Ruhezeiten und über die Gefahren von Übermüdung informiert sein. Leicht zugängliche Informationen über verfügbare Einrichtungen zur Verbringung der Ruhezeit sind in diesem Zusammenhang von Bedeutung. Daher sollte die Kommission über eine benutzerfreundliche Internetseite Informationen über sichere und gesicherte Parkflächen bereitstellen. Diese Informationen sollten auf dem neuesten Stand gehalten werden.

(18)

Um zu gewährleisten, dass Parkflächen dauerhaft verkehrssicher und geschützt sind, sollte der Kommission die Befugnis übertragen werden, gemäß Artikel 290 [AEUV] Rechtsakte zur Erarbeitung von Normen für das Dienstniveau auf sicheren und gesicherten Parkflächen und von Verfahren zur Zertifizierung der Sicherheit und Sicherung von Parkflächen zu erlassen. …

(19)

Nach den mit der Verordnung (EU) Nr. 1315/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates (vom 11. Dezember 2013 über Leitlinien der Union für den Aufbau eines transeuropäischen Verkehrsnetzes und zur Aufhebung des Beschlusses Nr. 661/2010/EU [ABl. 2013, L 348, S. 1, im Folgenden: TEN‑V-Verordnung]) erstellten überarbeiteten TEN‑V-Leitlinien ist geplant, dass an Autobahnen etwa alle 100 km Parkflächen eingerichtet werden, um gewerblichen Straßennutzern Parkgelegenheiten mit geeignetem Sicherheits- und Sicherungsniveau zu bieten. Um den Bau angemessener Parkplatzinfrastrukturen zu beschleunigen und zu fördern, ist es wichtig, dass ausreichende Möglichkeiten für eine Kofinanzierung durch die Union gemäß den geltenden und künftigen Rechtsakten der Union über die Bedingungen für diese finanzielle Unterstützung zur Verfügung stehen.

(23)

Die Mitgliedstaaten sollten alle Maßnahmen treffen, die erforderlich sind, damit einzelstaatliche Vorschriften über Sanktionen bei Verstößen gegen die Verordnung … Nr. 561/2006 und die Verordnung … Nr. 165/2014 … auf wirksame, angemessene und abschreckende Weise umgesetzt werden. …

(27)

Die Kostenwirksamkeit der Durchsetzung der Sozialvorschriften, die rasche Entwicklung neuer Technologien, die Digitalisierung in der gesamten Wirtschaft der Union und die Notwendigkeit, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen im internationalen Straßenverkehr zu sorgen, erfordern es, den Übergangszeitraum für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber in zugelassene Fahrzeuge zu verkürzen. Intelligente Fahrtenschreiber werden zu vereinfachten Kontrollen beitragen und somit die Arbeit der nationalen Behörden erleichtern.

(34)

Es ist wichtig, dass in Drittländern niedergelassene Verkehrsunternehmen bei Beförderungen im Straßenverkehr im Gebiet der Union Vorschriften unterliegen, die den Rechtsvorschriften der Union gleichwertig sind. Die Kommission sollte die Anwendung dieses Grundsatzes auf Unionsebene bewerten und angemessene Lösungen vorschlagen, die im Rahmen des Europäischen Übereinkommens über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (Accord Européen sur les Transports Routiers, im Folgenden ‚AETR-Abkommen‘) ausgehandelt werden sollten.

(36)

Da die Ziele dieser Verordnung, nämlich die Sicherheit im Straßenverkehr und die Arbeitsbedingungen von Kraftfahrern in der Union durch die Harmonisierung der Regeln über Lenkzeiten, Pausen und Ruhezeiten im Straßentransport und durch die Harmonisierung der Regeln über die Verwendung und die Durchsetzung der Nutzung von Fahrtenschreibern zu verbessern, von den Mitgliedstaaten nicht ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen der Art der Ziele auf Unionsebene besser zu verwirklichen sind, kann die Union im Einklang mit dem in Artikel 5 [EUV] verankerten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geht diese Verordnung nicht über das für die Verwirklichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.“

27

Art. 1 Nrn. 6 bis 8, 11, 13 und 16 der Verordnung 2020/1054 sieht Folgendes vor:

„Die Verordnung … Nr. 561/2006 wird wie folgt geändert:

6.

Artikel 8 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 6 erhält folgende Fassung:

‚(6) In zwei jeweils aufeinander folgenden Wochen hat der Fahrer mindestens folgende Ruhezeiten einzuhalten:

a)

zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten oder

b)

eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit und eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit von mindestens 24 Stunden.

Eine wöchentliche Ruhezeit beginnt spätestens am Ende von sechs 24‑Stunden-Zeiträumen nach dem Ende der vorangegangenen wöchentlichen Ruhezeit.

Abweichend von Unterabsatz 1 kann ein im grenzüberschreitenden Güterverkehr tätiger Fahrer außerhalb des Mitgliedstaats der Niederlassung zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten einlegen, sofern der Fahrer in vier jeweils aufeinanderfolgenden Wochen mindesten vier wöchentliche Ruhezeiten einlegt, von denen mindestens zwei regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten sein müssen.

Für die Zwecke dieses Absatzes gilt ein Fahrer als im grenzüberschreitenden Verkehr tätig, wenn der Fahrer die zwei aufeinanderfolgenden reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten außerhalb des Mitgliedstaats der Niederlassung des Arbeitgebers und des Landes des Wohnsitzes des Fahrers beginnt.‘

c)

Absatz 8 erhält folgende Fassung:

‚(8) Die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und jede wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, dürfen nicht in einem Fahrzeug verbracht werden. Sie sind in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen.

Alle Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs werden vom Arbeitgeber getragen.‘

d)

Folgender Absatz wird eingefügt:

‚(8a) Verkehrsunternehmen planen die Arbeit der Fahrer so, dass jeder Fahrer in der Lage ist, innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zu der im Mitgliedstaat der Niederlassung des Arbeitgebers gelegenen Betriebsstätte des Arbeitgebers, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist und an der er seine wöchentliche Ruhezeit beginnt, oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine wöchentliche Ruhezeit von mehr als 45 Stunden als Ausgleich für eine reduzierte wöchentliche Ruhezeit zu verbringen.

Hat der Fahrer jedoch zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten gemäß Absatz 6 eingelegt, muss das Verkehrsunternehmen die Arbeit des Fahrers so planen, dass dieser in der Lage ist, bereits vor Beginn der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich eingelegt wird, zurückzukehren.

Das Unternehmen dokumentiert, wie es diese Verpflichtung erfüllt, und es bewahrt die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen auf, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.‘

7.

Folgender Artikel wird eingefügt:

‚Artikel 8a

(1) Die Kommission stellt sicher, dass Kraftfahrer im Straßengüter- und ‑personenverkehr leichten Zugang zu Informationen über sichere und gesicherte Parkflächen haben. Die Kommission veröffentlicht eine Liste aller zertifizierten Parkflächen, damit den Fahrern Folgendes in angemessener Form geboten wird:

Erkennen und Verhindern von unberechtigtem Eindringen,

Beleuchtung und Sichtverhältnisse,

Kontaktstelle und Verfahren für Notfälle,

geschlechtergerechte sanitäre Einrichtungen,

Möglichkeiten zum Kauf von Lebensmitteln und Getränken,

Kommunikationsverbindungen,

Stromversorgung.

Die Liste dieser Parkflächen wird auf einer einheitlichen amtlichen Internetseite veröffentlicht und regelmäßig aktualisiert.

(2) Die Kommission erlässt delegierte Rechtsakte gemäß Artikel 23a, um Normen festzulegen, mit denen das Dienstleistungs- und Sicherheitsniveau der in Absatz 1 genannten Flächen und die Verfahren für die Zertifizierung von Parkflächen detaillierter vorgegeben werden.

(3) An allen zertifizierten Parkflächen kann darauf hingewiesen werden, dass sie gemäß den Normen und Verfahren der Union zertifiziert sind.

Gemäß Artikel 39 Absatz 2 Buchstabe c der [TEN‑V‑]Verordnung … sind die Mitgliedstaaten gehalten, die Schaffung von Parkflächen für gewerbliche Straßennutzer zu fördern.

(4) Die Kommission legt dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht über die Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer und über die Verfügbarkeit gesicherter Parkeinrichtungen sowie über den Ausbau sicherer und gesicherter Parkflächen, die gemäß den delegierten Rechtsakten zertifiziert sind, vor. Dieser Bericht kann eine Liste mit Maßnahmen zur Erhöhung der Zahl und der Qualität sicherer und gesicherter Parkflächen enthalten.‘

8.

Artikel 9 wird wie folgt geändert:

b)

Absatz 2 erhält folgende Fassung:

‚(2) Die von einem Fahrer verbrachte Zeit, um zu einem in den Geltungsbereich dieser Verordnung fallenden Fahrzeug, das sich nicht am Wohnsitz des Fahrers oder der Betriebstätte des Arbeitgebers befindet, der der Fahrer normalerweise zugeordnet ist, anzureisen oder von diesem zurückzureisen, ist nur dann als Ruhepause oder Fahrtunterbrechung anzusehen, wenn sich der Fahrer in einem Zug oder auf einem Fährschiff befindet und Zugang zu einer Schlafkabine, einer Koje oder einem Liegewagen hat.‘

11.

In Artikel 12 werden folgende Absätze angefügt:

‚Sofern die Sicherheit im Straßenverkehr nicht gefährdet wird, kann der Fahrer unter außergewöhnlichen Umständen auch von Artikel 6 Absätze 1 und 2 und von Artikel 8 Absatz 2 abweichen, indem er die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu eine Stunde überschreitet, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen, um eine wöchentliche Ruhezeit einzulegen.

Unter den gleichen Bedingungen kann der Fahrer die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu zwei Stunden überschreiten, sofern eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 30 Minuten eingelegt wurde, die der zusätzlichen Lenkzeit zur Erreichung der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder des Wohnsitzes des Fahrers, um dort eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit einzulegen, unmittelbar vorausgeht.

…‘

13.

Artikel 14 Absatz 2 erhält folgende Fassung:

‚(2) Die Mitgliedstaaten können in dringenden Fällen, die mit außergewöhnlichen Umständen einhergehen, eine vorübergehende Ausnahme für einen Zeitraum von höchstens 30 Tagen zulassen, die hinreichend zu begründen und der Kommission sofort mitzuteilen ist. Die Kommission veröffentlicht diese Informationen unverzüglich auf einer öffentlichen Internetseite.‘

16.

Artikel 19 Absatz 1 erhält folgende Fassung:

‚(1) Die Mitgliedstaaten erlassen Vorschriften über Sanktionen für Verstöße gegen die vorliegende Verordnung und die Verordnung … Nr. 165/2014 und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Anwendung zu gewährleisten. Diese Sanktionen müssen wirksam und verhältnismäßig zum Schweregrad der Verstöße …, sowie abschreckend und nichtdiskriminierend sein. Kein Verstoß gegen die vorliegende Verordnung oder gegen die Verordnung … Nr. 165/2014 darf mehrmals Gegenstand von Sanktionen oder Verfahren sein. …‘“

28

Art. 2 der Verordnung 2020/1054 hat folgenden Wortlaut:

„Die Verordnung (EU) Nr. 165/2014 wird wie folgt geändert:

2.

Artikel 3 Absatz 4 erhält folgende Fassung:

‚(4) Spätestens drei Jahre nach Ablauf des Jahres des Inkrafttretens der in Artikel 11 Absatz 2 genannten Einzelvorschriften müssen folgende Kategorien von Fahrzeugen, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 dieser Verordnung ausgerüstet sein:

a)

Fahrzeuge, die mit einem analogen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind;

b)

Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den bis zum 30. September 2011 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung (EWG) Nr. 3821/85 [des Rates vom 20. Dezember 1985 über das Kontrollgerät im Straßenverkehr (ABl. 1985, L 370, S. 8)] entspricht;

c)

Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den ab dem 1. Oktober 2011 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung … Nr. 3821/85 entspricht, und

d)

Fahrzeuge, die mit einem digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, der den ab dem 1. Oktober 2012 geltenden Spezifikationen in Anhang IB der Verordnung … Nr. 3821/85 entspricht.

(4a) Spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten der in Artikel 11 Absatz 2 genannten Einzelvorschriften müssen Fahrzeuge, die mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß Anhang IC der Durchführungsverordnung … 2016/799 … ausgerüstet sind und in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Zulassung eingesetzt werden, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 der vorliegenden Verordnung ausgerüstet sein.‘

8.

Artikel 11 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 1 erhält folgende Fassung:

‚Um sicherzustellen, dass der intelligente Fahrtenschreiber den Grundsätzen und Anforderungen dieser Verordnung entspricht, erlässt die Kommission die für die einheitliche Anwendung der Artikel 8, 9 und 10 erforderlichen Einzelvorschriften, mit Ausnahme aller Bestimmungen, in denen die Aufzeichnung zusätzlicher Daten durch den Fahrtenschreiber vorgesehen würde.

Die Kommission erlässt bis zum 21. August 2021 Durchführungsrechtsakte mit genauen Vorschriften für die einheitliche Anwendung der Verpflichtung zur Aufzeichnung und Speicherung der Daten zu sämtlichen Grenzüberschreitungen des Fahrzeugs und Tätigkeiten gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 zweiter und dritter Gedankenstrich und Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 2.

…‘“

29

Die technischen Spezifikationen für die intelligenten Fahrtenschreiber nach Art. 11 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 in der durch Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung sind Gegenstand der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1228 der Kommission vom 16. Juli 2021 zur Änderung der Durchführungsverordnung 2016/799 (ABl. 2021, L 273, S. 1) in der durch die Durchführungsverordnung (EU) 2023/980 der Kommission vom 16. Mai 2023 hinsichtlich Übergangsmaßnahmen für die Funktionsweise intelligenter Fahrtenschreiber und deren Nutzung der Galileo Open Service Navigation Message Authentication (Authentisierung von Navigationsnachrichten im Offenen Dienst von Galileo) und zur Änderung der Durchführungsverordnung (EU) 2021/1228 (ABl. 2023, L 134, S. 28) geänderten Fassung (im Folgenden: Durchführungsverordnung 2021/1228). Nach ihrem Art. 1 ändert die Durchführungsverordnung 2021/1228 Anhang IC der Durchführungsverordnung 2016/799 gemäß dem Anhang dieser Durchführungsverordnung 2021/1228.

30

Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2020/1054 bestimmt:

„Diese Verordnung tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.“

2.   Bestimmungen über die Anforderung der Niederlassung sowie über die Kabotagebeförderungen und über den kombinierten Verkehr

a)   Richtlinie 92/106/EWG

31

Im dritten Erwägungsgrund der Richtlinie 92/106/EWG des Rates vom 7. Dezember 1992 über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (ABl. 1992, L 368, S. 38) heißt es:

„Angesichts der zunehmenden Probleme im Zusammenhang mit der Überlastung der Straßen, dem Umweltschutz und der Sicherheit im Straßenverkehr ist es im allgemeinen Interesse notwendig, den kombinierten Verkehr als Alternative zum Straßenverkehr weiter auszubauen.“

32

Art. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Diese Richtlinie gilt unbeschadet der Verordnung (EWG) Nr. 881/92 (des Rates vom 26. März 1992 über den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt in der Gemeinschaft für Beförderungen aus oder nach einem Mitgliedstaat oder durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten (ABl. 1992, L 95, S. 1]).

Im Sinne dieser Richtlinie gelten als ‚kombinierter Verkehr‘ Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten, bei denen der Lastkraftwagen, der Anhänger, der Sattelanhänger mit oder ohne Zugmaschine, der Wechselaufbau oder der Container von mindestens 20 Fuß Länge die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße und den übrigen Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See, sofern diese mehr als 100 km Luftlinie beträgt, zurücklegt, wobei der Straßenzu- oder ‑ablauf erfolgt:

entweder – für die Zulaufstrecke – zwischen dem Ort, an dem die Güter geladen werden, und dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof bzw. – für die Ablaufstrecke – zwischen dem nächstgelegenen geeigneten Umschlagbahnhof und dem Ort, an dem die Güter entladen werden.

oder in einem Umkreis von höchstens 150 km Luftlinie um den Binnen- oder Seehafen des Umschlags.“

33

Art. 4 dieser Richtlinie bestimmt:

„Alle in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmer, welche die Voraussetzungen für den Zugang zum Beruf und für den Zugang zum Markt für den Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten erfüllen, dürfen im Rahmen des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten innerstaatliche oder grenzüberschreitende Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße durchführen, die Bestandteil des kombinierten Verkehrs sind.“

b)   Verordnung Nr. 1071/2009

34

In Kapitel I („Allgemeine Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 1071/2009 sah Art. 3 („Anforderungen für die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers“) dieser Verordnung in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung Folgendes vor:

„(1)   Unternehmen, die den Beruf des Kraftverkehrsunternehmers ausüben, müssen:

a)

über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat verfügen;

b)

zuverlässig sein;

c)

eine angemessene finanzielle Leistungsfähigkeit besitzen und

d)

die geforderte fachliche Eignung besitzen.

(2)   Die Mitgliedstaaten können beschließen, zusätzliche verhältnismäßige und nicht diskriminierende Anforderungen festzulegen, die die Unternehmen im Hinblick auf die Ausübung des Berufs des Kraftverkehrsunternehmers erfüllen müssen.“

35

In Kapitel II („Voraussetzungen zur Erfüllung der Anforderungen von Artikel 3“) der Verordnung Nr. 1071/2009 bestimmte Art. 5 („Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Niederlassung“) dieser Verordnung in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung:

„Um die Anforderung nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a zu erfüllen, muss ein Unternehmen in dem betreffenden Mitgliedstaat

a)

über eine Niederlassung in dem genannten Mitgliedstaat verfügen, mit Räumlichkeiten, in denen seine wichtigsten Unternehmensunterlagen aufbewahrt werden, insbesondere seine Buchführungsunterlagen, Personalverwaltungsunterlagen, Dokumente mit den Daten über die Lenk- und Ruhezeiten sowie alle sonstigen Unterlagen, zu denen die zuständige Behörde Zugang haben muss, um die Erfüllung der in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen überprüfen zu können. Die Mitgliedstaaten können verlangen, dass die Niederlassungen in ihrem Hoheitsgebiet auch andere Unterlagen jederzeit in ihren Räumlichkeiten zur Verfügung halten;

b)

nach Erhalt der Zulassung über ein oder mehrere Fahrzeuge verfügen, die sein Eigentum oder aufgrund eines sonstiges Rechts, beispielsweise aufgrund eines Mietkauf- oder Miet- oder Leasingvertrags, in seinem Besitz sind sowie in dem betreffenden Mitgliedstaat zugelassen sind oder auf andere Art und Weise entsprechend den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats in Betrieb genommen werden;

c)

seine Tätigkeit betreffend die unter Buchstabe b genannten Fahrzeuge tatsächlich und dauerhaft, mittels der erforderlichen verwaltungstechnischen Ausstattung und der angemessenen technischen Ausstattung und Einrichtung, an einer in dem betreffenden Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte ausüben.“

36

Art. 6 der Verordnung Nr. 1071/2009 betrifft nach seiner Überschrift die Voraussetzungen bezüglich der Anforderung der Zuverlässigkeit.

c)   Verordnung (EG) Nr. 1072/2009

37

In den Erwägungsgründen 2, 4, 5, 13 und 15 der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs (ABl. 2009, L 300, S. 72) heißt es:

„(2)

Zur Schaffung einer gemeinsamen Verkehrspolitik gehört unter anderem die Aufstellung gemeinsamer Regeln für den Marktzugang im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr im Gebiet der Gemeinschaft sowie die Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind. Diese Regeln müssen so gestaltet sein, dass sie zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarktes im Verkehr beitragen.

(4)

Die Schaffung einer gemeinsamen Verkehrspolitik erfordert die Beseitigung aller Beschränkungen, die mit der Staatsangehörigkeit des Erbringers der einschlägigen Verkehrsdienstleistungen oder damit zusammenhängen, dass dieser in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassen ist als dem, in dem die Dienstleistungen erbracht werden sollen.

(5)

Damit dies reibungslos und flexibel erreicht werden kann, sollte vor der Anwendung der endgültigen Regelung eine Übergangsregelung für die Kabotage vorgesehen werden, solange die Harmonisierung des Kraftverkehrsmarktes noch nicht abgeschlossen ist.

(13)

Verkehrsunternehmer, die Inhaber der Gemeinschaftslizenz gemäß dieser Verordnung sind, sowie Verkehrsunternehmer, die zur Durchführung bestimmter Kategorien grenzüberschreitender Beförderungen berechtigt sind, sollten im Einklang mit dieser Verordnung zeitweilig zur innerstaatlichen Beförderung in einem anderen Mitgliedstaat zugelassen werden, ohne dort über einen Unternehmenssitz oder eine Niederlassung verfügen zu müssen. …

(15)

Unbeschadet der Bestimmungen des Vertrags über die Niederlassungsfreiheit ist die Kabotagebeförderung die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Verkehrsunternehmer in einem Mitgliedstaat, in dem er nicht niedergelassen ist; sie sollte nicht untersagt werden, sofern sie nicht dergestalt durchgeführt wird, dass dadurch eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat entsteht. Im Hinblick auf die Durchsetzung dieser Forderung sollten die Häufigkeit der Kabotagebeförderungen und der Zeitraum, in dem sie durchgeführt werden können, klarer bestimmt werden. In der Vergangenheit wurden solche innerstaatlichen Beförderungen zeitweilig erlaubt. Praktisch war es aber schwierig festzustellen, welche Dienste erlaubt sind. Daher bedarf es klarer und einfach durchzusetzender Vorschriften.“

38

In Kapitel I („Allgemeine Bestimmungen“) der Verordnung Nr. 1072/2009 bestimmt Art. 2 („Begriffsbestimmungen“) dieser Verordnung, der durch die Verordnung 2020/1055 nicht geändert wurde:

„Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck

1.

‚Fahrzeug‘ ein in einem Mitgliedstaat amtlich zugelassenes Kraftfahrzeug oder eine Fahrzeugkombination, bei der zumindest das Kraftfahrzeug in einem Mitgliedstaat amtlich zugelassen ist, sofern sie ausschließlich für die Güterbeförderung verwendet werden;

2.

‚grenzüberschreitender Verkehr‘:

a)

eine beladen zurückgelegte Fahrt eines Fahrzeugs mit oder ohne Transit durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten oder ein oder mehrere Drittländer, bei der sich der Ausgangspunkt und der Bestimmungsort in zwei verschiedenen Mitgliedstaaten befinden,

b)

eine beladen zurückgelegte Fahrt eines Fahrzeugs von einem Mitgliedstaat in ein Drittland oder umgekehrt, mit oder ohne Transit durch einen oder mehrere Mitgliedstaaten oder ein oder mehrere Drittländer,

c)

eine beladen zurückgelegte Fahrt eines Fahrzeugs zwischen Drittländern mit Transit durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten oder

d)

eine Leerfahrt in Verbindung mit Beförderungen gemäß den Buchstaben a, b und c;

6.

‚Kabotage‘ gewerblichen innerstaatlichen Verkehr, der im Einklang mit dieser Verordnung zeitweilig in einem Aufnahmemitgliedstaat durchgeführt wird;

…“

39

Kapitel III („Kabotage“) der Verordnung Nr. 1072/2009 besteht aus den Art. 8 bis 10.

40

Art. 8 („Allgemeiner Grundsatz“) dieser Verordnung sah in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung vor:

„(1)   Jeder Verkehrsunternehmer, der Inhaber einer Gemeinschaftslizenz ist und dessen Fahrer, wenn er Staatsangehöriger eines Drittlandes ist, eine Fahrerbescheinigung mit sich führt, ist unter den in diesem Kapitel festgelegten Bedingungen zur Durchführung von Kabotage berechtigt.

(2)   Die in Absatz 1 genannten Güterkraftverkehrsunternehmer sind berechtigt, im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung aus einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland in den Aufnahmemitgliedstaat nach Auslieferung der Güter bis zu drei Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug oder im Fall von Fahrzeugkombinationen mit dem Kraftfahrzeug desselben Fahrzeugs durchzuführen. Bei Kabotagebeförderungen erfolgt die letzte Entladung, bevor der Aufnahmemitgliedstaat verlassen wird, innerhalb von sieben Tagen nach der letzten Entladung der in den Aufnahmemitgliedstaat eingeführten Lieferung.

Innerhalb der Frist gemäß Unterabsatz 1 können die Verkehrsunternehmer einige oder alle der Kabotagebeförderungen, zu denen sie gemäß Unterabsatz 1 berechtigt sind, in jedem Mitgliedstaat unter der Voraussetzung durchführen, dass sie auf eine Kabotagebeförderung je Mitgliedstaat innerhalb von drei Tagen nach der Einfahrt des unbeladenen Fahrzeugs in das Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats beschränkt sind.

(3)   Innerstaatliche Güterkraftverkehrsdienste, die im Aufnahmemitgliedstaat von gebietsfremden Verkehrsunternehmern durchgeführt werden, sind nur dann mit dieser Verordnung vereinbar, wenn der Verkehrsunternehmer eindeutige Belege für die grenzüberschreitende Beförderung in den betreffenden Mitgliedstaat sowie für jede einzelne der durchgeführten Kabotagebeförderungen vorweisen kann.

Die in Unterabsatz 1 genannten Belege müssen für jede Beförderung folgende Angaben enthalten:

a)

Name, Anschrift und Unterschrift des Absenders;

b)

Name, Anschrift und Unterschrift des Verkehrsunternehmers;

c)

Name und Anschrift des Empfängers sowie nach erfolgter Lieferung dessen Unterschrift und das Datum der Lieferung;

d)

Ort und Datum der Übernahme der Ware sowie die Lieferadresse;

e)

die übliche Beschreibung der Art der Ware und ihrer Verpackung sowie bei Gefahrgütern ihre allgemein anerkannte Beschreibung, die Anzahl der Packstücke sowie deren besondere Zeichen und Nummern;

f)

die Bruttomasse der Güter oder eine sonstige Mengenangabe;

g)

das amtliche Kennzeichen des Kraftfahrzeugs und des Anhängers.

(4)   Es sind keine zusätzlichen Dokumente erforderlich, um nachzuweisen, dass die in diesem Artikel festgelegten Voraussetzungen erfüllt sind.

(5)   Jeder Verkehrsunternehmer, der im Niederlassungsmitgliedstaat in Übereinstimmung mit dessen Rechtsvorschriften berechtigt ist, den in Artikel 1 Absatz 5 Buchstaben a, b und c gewerblichen Güterkraftverkehr durchzuführen, ist unter den Bedingungen dieses Kapitels berechtigt, die Kabotage der gleichen Art bzw. die Kabotage mit Fahrzeugen der gleichen Kategorie durchzuführen.

(6)   Die Zulassung zur Kabotage im Rahmen von Verkehrsleistungen gemäß Artikel 1 Absatz 5 Buchstaben d und e ist keinerlei Beschränkungen unterworfen.“

41

Art. 10 („Verfahren bei Schutzmaßnahmen“) der Verordnung Nr. 1072/2009 sah in der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung Folgendes vor:

(1)   Im Fall einer ernsten Marktstörung im innerstaatlichen Verkehr innerhalb eines bestimmten geografischen Gebiets, die auf die Kabotage zurückzuführen ist oder durch sie verschärft wird, kann sich jeder Mitgliedstaat an die Kommission wenden, damit Schutzmaßnahmen getroffen werden; der Mitgliedstaat macht der Kommission dabei die erforderlichen Angaben und teilt ihr mit, welche Maßnahmen er gegenüber den in seinem Hoheitsgebiet ansässigen Verkehrsunternehmern zu treffen gedenkt.

(2)   Im Sinne des Absatzes 1 bezeichnet der Ausdruck

‚ernste Marktstörung im innerstaatlichen Verkehr innerhalb eines bestimmten geografischen Gebiets‘ das Auftreten spezifischer Probleme auf diesem Markt, die zu einem möglicherweise anhaltenden deutlichen Angebotsüberhang führen können, der das finanzielle Gleichgewicht und das Überleben zahlreicher Unternehmen im Güterkraftverkehr gefährden könnte;

‚geografisches Gebiet‘ ein Gebiet, das das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder einen Teil davon umfasst oder sich auf das gesamte Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten oder auf einen Teil davon erstreckt.

(3)   Die Kommission prüft den Fall insbesondere anhand der einschlägigen Daten und entscheidet nach Anhörung des Ausschusses nach Artikel 15 Absatz 1 innerhalb eines Monats nach Eingang des Antrags des Mitgliedstaats, ob Schutzmaßnahmen erforderlich sind, und ordnet diese gegebenenfalls an.

Diese Maßnahmen können beinhalten, dass das betreffende geografische Gebiet zeitweilig vom Anwendungsbereich dieser Verordnung ausgenommen wird.

Die gemäß diesem Artikel getroffenen Maßnahmen dürfen höchstens sechs Monate in Kraft bleiben; ihre Geltungsdauer kann unter denselben Geltungsbedingungen einmal verlängert werden.

Die Kommission teilt den Mitgliedstaaten und dem Rat die gemäß diesem Absatz getroffenen Entscheidungen unverzüglich mit.

(4)   Beschließt die Kommission Schutzmaßnahmen, die einen oder mehrere Mitgliedstaaten betreffen, so sind die zuständigen Behörden dieser Mitgliedstaaten gehalten, gegenüber den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Verkehrsunternehmern Maßnahmen gleicher Wirkung zu ergreifen; sie setzen die Kommission davon in Kenntnis. Diese Maßnahmen gelten spätestens ab demselben Zeitpunkt wie die von der Kommission angeordneten Schutzmaßnahmen.

(5)   Jeder Mitgliedstaat kann den Rat binnen 30 Tagen nach der Mitteilung mit einem von der Kommission nach Absatz 3 getroffenen Beschluss befassen. Der Rat kann mit qualifizierter Mehrheit innerhalb von 30 Tagen ab dem Zeitpunkt, zu dem er von einem Mitgliedstaat befasst wurde, oder, im Fall der Befassung durch mehrere Mitgliedstaaten, ab dem Zeitpunkt der ersten Befassung einen anders lautenden Beschluss fassen.

Für den Beschluss des Rates gelten die Geltungsbedingungen nach Absatz 3 Unterabsatz 3. Die zuständigen Behörden der betreffenden Mitgliedstaaten sind gehalten, gegenüber den in ihrem Hoheitsgebiet ansässigen Verkehrsunternehmern Maßnahmen gleicher Wirkung zu ergreifen; sie setzen die Kommission hiervon in Kenntnis. Beschließt der Rat innerhalb der in Unterabsatz 1 genannten Frist nicht, so wird der Beschluss der Kommission endgültig.

(6)   Ist die Kommission der Auffassung, dass die Geltungsdauer der nach Absatz 3 getroffenen Maßnahmen verlängert werden muss, so unterbreitet sie dem Rat einen Vorschlag; der Rat beschließt hierüber mit qualifizierter Mehrheit.“

d)   Verordnung 2020/1055

42

In den Erwägungsgründen 6, 8 und 20 bis 22 der Verordnung 2020/1055 heißt es:

„(6)

Um dem Phänomen der ‚Briefkastenfirmen‘ beizukommen und im Binnenmarkt lauteren Wettbewerb und gleiche Wettbewerbsbedingungen sicherzustellen, muss gewährleistet werden, dass die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kraftverkehrsunternehmer sich tatsächlich und dauerhaft in diesem Mitgliedstaat aufhalten und ihre Verkehrstätigkeit von dort ausüben. Daher ist es unter Berücksichtigung der gewonnenen Erfahrungen erforderlich, die Vorschriften für eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung zu präzisieren und zu stärken, zugleich jedoch einen unverhältnismäßig hohen Verwaltungsaufwand zu vermeiden.

(8)

Gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 muss ein Unternehmen seine Tätigkeit tatsächlich und dauerhaft mittels der angemessenen technischen Ausstattung und Einrichtung an einer im Niederlassungsmitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte ausüben; außerdem sind zusätzliche Anforderungen auf einzelstaatlicher Ebene zulässig, wobei eine der häufigsten Anforderungen darin besteht, dass Parkflächen im Niederlassungsmitgliedstaat vorhanden sein müssen. Diese uneinheitlich angewandten Anforderungen reichen allerdings nicht aus, um einen echten Zusammenhang mit dem Mitgliedstaat zu gewährleisten, um Briefkastenfirmen wirksam zu bekämpfen und das Risiko der Organisation systematischer Kabotage und eines Systems von ‚Autobahn-Nomaden‘ durch ein Unternehmen, zu dem die Fahrzeuge nicht zurückkehren, zu verringern. Angesichts der Tatsache, dass für die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens des Binnenmarkts im Verkehrsbereich konkrete Vorschriften über die Niederlassungsfreiheit und die Erbringung von Dienstleistungen erforderlich sein können, ist es angemessen, die Anforderungen an die Niederlassung und die Anforderungen im Zusammenhang mit der Präsenz von vom Verkehrsunternehmer verwendeten Fahrzeugen im Niederlassungsmitgliedstaat weiter zu harmonisieren. Die Festlegung eines klaren Mindestintervalls für die Rückkehr des Fahrzeugs trägt auch dazu bei, zu gewährleisten, dass diese Fahrzeuge mit der technischen Ausstattung im Niederlassungsmitgliedstaat ordnungsgemäß gewartet werden können, und es erleichtert Kontrollen.

Dieser Rückkehrzyklus sollte mit der Verpflichtung des Verkehrsunternehmens gemäß der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates, die Arbeit so zu planen dass der Fahrer in der Lage ist, wenigstens alle vier Wochen nach Hause zurückzukehren, synchronisiert werden, sodass beide Anforderungen in Form der Rückkehr des Fahrers mit dem Fahrzeug wenigstens in jedem zweiten Vier-Wochen-Zyklus erfüllt werden können. Diese Synchronisierung stärkt das Recht des Fahrers auf Rückkehr und verringert das Risiko, dass das Fahrzeug nur zurückgebracht wird, damit die neue Niederlassungsanforderung erfüllt ist. Die Anforderung, in den Niederlassungsmitgliedstaat zurückzukehren, sollte jedoch weder dazu führen, dass eine bestimmte Anzahl von Tätigkeiten im Niederlassungsmitgliedstaat durchgeführt werden muss, noch dass die Möglichkeit der Verkehrsunternehmer, Dienstleistungen überall im Binnenmarkt zu erbringen, anderweitig eingeschränkt wird.

(20)

Die Vorschriften für innerstaatlichen Verkehr, der von einem gebietsfremden Verkehrsunternehmer in einem Aufnahmemitgliedstaat zeitweilig durchgeführt wird (‚Kabotage‘), sollten klar, einfach und leicht durchsetzbar sein und gleichzeitig das bisher erreichte Niveau der Liberalisierung wahren.

(21)

Kabotagebeförderungen sollten dazu beitragen, den Ladefaktor von schweren Nutzfahrzeugen zu vergrößern und Leerfahrten zu verringern, und sollten erlaubt sein, solange sie nicht in einer Weise erfolgen, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat entsteht. Um sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit entsteht, sollte es Verkehrsunternehmern nicht gestattet sein, innerhalb einer bestimmten Frist nach Ablauf eines Zeitraums von Kabotagebeförderungen weitere Kabotagebeförderungen in demselben Mitgliedstaat durchzuführen.

(22)

Während die weitere Liberalisierung nach Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG des Rates im Vergleich zur Kabotage gemäß der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 die Förderung des kombinierten Verkehrs begünstigt hat und grundsätzlich beibehalten werden sollte, muss dafür gesorgt werden, dass sie nicht missbraucht wird. Die Erfahrung zeigt, dass diese Bestimmung in einigen Teilen der Union systematisch dazu verwendet wurde, den vorübergehenden Charakter der Kabotage zu umgehen und die Grundlage für die dauerhafte Präsenz von Fahrzeugen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des Unternehmens zu schaffen. Solche unfairen Praktiken können zu Sozialdumping führen, und sie gefährden die Achtung des Rechtsrahmens für Kabotage. Daher sollte es den Mitgliedstaaten möglich sein, von Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG abzuweichen und die Kabotagebestimmungen der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 anzuwenden, um derartigen Problemen zu begegnen, indem sie eine verhältnismäßige Begrenzung für die dauerhafte Präsenz von Fahrzeugen in ihrem jeweiligen Hoheitsgebiet einführen.“

43

Art. 1 der Verordnung 2020/1055 sieht Folgendes vor:

„Die Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 wird wie folgt geändert:

3. Artikel 5 erhält folgende Fassung:

‚Artikel 5

Voraussetzungen für die Anforderung der Niederlassung

(1)   Um die Anforderung des Artikels 3 Absatz 1 Buchstabe a zu erfüllen, muss ein Unternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat

a)

über Räumlichkeiten verfügen, in denen es auf die Originale seiner wichtigsten Unternehmensunterlagen entweder in elektronischer oder sonstiger Form zugreifen kann, insbesondere seine Beförderungsverträge, Unterlagen zu den Fahrzeugen, über die das Unternehmen verfügt, Buchführungsunterlagen, Personalverwaltungsunterlagen, Arbeitsverträge, Sozialversicherungsunterlagen, Dokumente mit den Daten über den Einsatz und die Entsendung von Fahrern, Dokumente mit den Daten über Kabotage, Lenk- und Ruhezeiten sowie alle sonstigen Unterlagen, zu denen die zuständige Behörde Zugang haben muss, um überprüfen zu können, ob das Unternehmen die in dieser Verordnung festgelegten Voraussetzungen erfüllt;

b)

die Nutzung seiner Fahrzeugflotte so organisieren, dass sichergestellt ist, dass Fahrzeuge, die dem Unternehmen zur Verfügung stehen und in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, spätestens acht Wochen nach Verlassen des Mitgliedstaats zu einer der Betriebsstätten in diesem Mitgliedstaat zurückkehren;

c)

im Unternehmensregister des betreffenden Mitgliedstaats oder in einem ähnlichen Register eingetragen sein, wenn das nach innerstaatlichem Recht vorgeschrieben ist;

d)

der Einkommenssteuer unterliegen und, wenn das nach innerstaatlichem Recht vorgeschrieben ist, über eine gültige Mehrwertsteuernummer verfügen;

e)

nach Erhalt der Zulassung über ein oder mehrere Fahrzeuge verfügen, die entsprechend den Rechtsvorschriften dieses Mitgliedstaats zugelassen sind oder in Betrieb genommen wurden und eingesetzt werden dürfen, unabhängig davon, ob sie sein ausschließliches Eigentum sind oder beispielsweise aufgrund eines Mietkauf- oder Miet- oder Leasingvertrags in seinem Besitz sind;

f)

seine administrativen und gewerblichen Tätigkeiten mittels der angemessenen Ausstattung und Einrichtung in Räumlichkeiten im Sinne des Buchstaben a, die in diesem Mitgliedstaat gelegen sind, tatsächlich und dauerhaft ausüben und seine Beförderungstätigkeit mit den Fahrzeugen nach Buchstabe g mittels der in diesem Mitgliedstaat vorhandenen angemessenen technischen Ausstattung tatsächlich und dauerhaft betreiben;

g)

gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen, die den Anforderungen des Buchstaben e genügen, sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in diesem Mitgliedstaat zugeordnet sind, verfügen.

…‘“

44

Art. 2 der Verordnung 2020/1055 bestimmt:

„Die Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 wird wie folgt geändert:

4.

Artikel 8 wird wie folgt geändert:

a)

Folgender Absatz wird eingefügt:

‚(2a) Kraftverkehrsunternehmen dürfen innerhalb von vier Tagen nach Ende ihrer Kabotagebeförderung in einem Mitgliedstaat keine Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug oder im Fall einer Fahrzeugkombination mit dem Kraftfahrzeug desselben Fahrzeugs im selben Mitgliedstaat durchführen.‘

b)

Absatz 3 Unterabsatz 1 erhält folgende Fassung:

‚(3) Innerstaatliche Güterkraftverkehrsdienste, die im Aufnahmemitgliedstaat von gebietsfremden Verkehrsunternehmern durchgeführt werden, gelten nur dann als mit dieser Verordnung vereinbar, wenn der Verkehrsunternehmer eindeutige Belege für die vorhergehende grenzüberschreitende Beförderung sowie für jede durchgeführte darauf folgende Kabotagebeförderung vorweisen kann. Falls sich das Fahrzeug innerhalb der Frist von vier Tagen vor der grenzüberschreitenden Beförderung in dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats befunden hat, muss der Verkehrsunternehmer zudem eindeutige Belege für alle Beförderungen vorlegen, die in diesem Zeitraum durchgeführt wurden.‘

c)

Folgender Absatz wird eingefügt:

‚(4a) Die Belege nach Absatz 3 werden dem Kontrollberechtigten des Aufnahmemitgliedstaats während der Straßenkontrolle auf Verlangen ausgehändigt oder übermittelt. Sie können vorgezeigt oder unter Verwendung eines revidierbaren strukturierten Formats elektronisch übermittelt werden, das direkt für die Speicherung und die Verarbeitung durch Computer genutzt werden kann, beispielsweise einem elektronischen Frachtbrief (e-CMR) gemäß dem Zusatzprotokoll zum Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) betreffend den elektronischen Frachtbrief vom 20. Februar 2008. Der Fahrer ist berechtigt, während der Straßenkontrolle die Hauptverwaltung, den Verkehrsleiter oder jede andere Person oder Stelle zu kontaktieren, um in Absatz 3 genannte Belege vor dem Abschluss der Straßenkontrolle bereitzustellen.‘

5.

Artikel 10 wird wie folgt geändert:

b)

Folgender Absatz wird angefügt:

‚(7) Zusätzlich zu den Absätzen 1 bis 6 des vorliegenden Artikels und abweichend von Artikel 4 der Richtlinie 92/106/EWG können Mitgliedstaaten, wenn das zur Vermeidung von Missbrauch der letztgenannten Bestimmung durch unbegrenzte und ununterbrochene Verkehrsdienste in Form von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten erforderlich ist, vorsehen, dass Artikel 8 der vorliegenden Verordnung für Verkehrsunternehmer im Fall solcher Zu- oder Ablaufverkehre auf der Straße innerhalb dieses Mitgliedstaats Anwendung findet. Für derartige Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße können die Mitgliedstaaten einen längeren als den in Artikel 8 Absatz 2 der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Zeitraum von sieben Tagen und einen kürzeren als den in Artikel 8 Absatz 2a der vorliegenden Verordnung vorgesehenen Zeitraum von vier Tagen vorsehen. Die Anwendung von Artikel 8 Absatz 4 der vorliegenden Verordnung auf derartige Beförderungen berührt nicht die Anforderungen, die sich aus der Richtlinie 92/106/EWG ergeben. Mitgliedstaaten, die von der im vorliegenden Absatz vorgesehenen Abweichung Gebrauch machen, unterrichten hiervon die Kommission, bevor sie ihre einschlägigen einzelstaatlichen Maßnahmen anwenden. Sie überprüfen diese Maßnahmen mindestens alle fünf Jahre und unterrichten die Kommission über die Ergebnisse dieser Überprüfung. Sie machen die Vorschriften, einschließlich der jeweiligen Fristen, in transparenter Weise öffentlich zugänglich.‘“

3.   Bestimmungen über die Entsendung von Arbeitnehmern

a)   Richtlinie 96/71/EG

45

Art. 1 („Gegenstand und Anwendungsbereich“) der Richtlinie 96/71/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1996 über die Entsendung von Arbeitnehmern im Rahmen der Erbringung von Dienstleistungen (ABl. 1997, L 18, S. 1) in der durch die Richtlinie (EU) 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Juni 2018 (ABl. 2018, L 173, S. 16) geänderten Fassung sieht vor:

„(–1)   Mit dieser Richtlinie wird der Schutz entsandter Arbeitnehmer während ihrer Entsendung im Verhältnis zur Dienstleistungsfreiheit sichergestellt, indem zwingende Vorschriften in Bezug auf die Arbeitsbedingungen und den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer festgelegt werden, die eingehalten werden müssen.

(3)   Diese Richtlinie findet Anwendung, soweit die in Absatz 1 genannten Unternehmen eine der folgenden länderübergreifenden Maßnahmen treffen:

a)

einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht,

oder

b)

einen Arbeitnehmer in eine Niederlassung oder ein der Unternehmensgruppe angehörendes Unternehmen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsenden, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht,

oder

c)

als Leiharbeitsunternehmen oder als einen Arbeitnehmer überlassendes Unternehmen einen Arbeitnehmer einem entleihenden Unternehmen überlassen, das seinen Sitz im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats hat oder dort seine Tätigkeit ausübt, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem Leiharbeitsunternehmen oder dem einen Arbeitnehmer zur Verfügung stellenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht.

…“

46

Art. 2 („Begriffsbestimmung“) Abs. 1 dieser Richtlinie bestimmt:

„Im Sinne dieser Richtlinie gilt als entsandter Arbeitnehmer jeder Arbeitnehmer, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet.“

47

Art. 3 („Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen“) dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)   Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass unabhängig von dem auf das jeweilige Arbeitsverhältnis anwendbaren Recht die in Artikel 1 Absatz 1 genannten Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern bezüglich der nachstehenden Aspekte auf der Grundlage der Gleichbehandlung die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, festgelegt sind,

durch Rechts- oder Verwaltungsvorschriften und/oder

durch für allgemein verbindlich erklärte Tarifverträge oder Schiedssprüche oder durch Tarifverträge oder Schiedssprüche, die anderweitig nach Absatz 8 Anwendung finden:

a)

Höchstarbeitszeiten und Mindestruhezeiten;

b)

bezahlter Mindestjahresurlaub;

c)

Entlohnung, einschließlich der Überstundensätze; dies gilt nicht für die zusätzlichen betrieblichen Altersversorgungssysteme;

d)

Bedingungen für die Überlassung von Arbeitskräften, insbesondere durch Leiharbeitsunternehmen;

e)

Sicherheit, Gesundheitsschutz und Hygiene am Arbeitsplatz;

f)

Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen von Schwangeren und Wöchnerinnen, Kindern und Jugendlichen;

g)

Gleichbehandlung von Männern und Frauen sowie andere Nichtdiskriminierungsbestimmungen;

h)

Bedingungen für die Unterkünfte von Arbeitnehmern, wenn sie vom Arbeitgeber für Arbeitnehmer, die von ihrem regelmäßigen Arbeitsplatz entfernt sind, zur Verfügung gestellt werden;

i)

Zulagen oder Kostenerstattungen zur Deckung von Reise‑, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für Arbeitnehmer, die aus beruflichen Gründen nicht zu Hause wohnen.

(3)   Die Mitgliedstaaten können gemäß ihren üblichen Verfahren und Praktiken nach Konsultation der Sozialpartner beschließen, Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c) in den in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben a) und b) genannten Fällen nicht anzuwenden, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteigt.

(4)   Die Mitgliedstaaten können gemäß ihren Rechtsvorschriften und/oder Praktiken vorsehen, dass durch Tarifverträge im Sinne des Absatzes 8 für einen oder mehrere Tätigkeitsbereiche in den in Artikel 1 Absatz 3 Buchstaben a) und b) genannten Fällen von Absatz 1 Unterabsatz 1 Buchstabe c) sowie von dem Beschluss eines Mitgliedstaats nach Absatz 3 abgewichen werden kann, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteigt.

…“

b)   Richtlinie 2014/67/EU

48

Art. 9 der Richtlinie 2014/67/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Mai 2014 zur Durchsetzung der Richtlinie 96/71 und zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt‑Informationssystems („IMI-Verordnung“) (ABl. 2014, L 159, S. 11) betrifft die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung von Arbeitnehmern.

c)   Richtlinie 2018/957

49

Der 15. Erwägungsgrund der Richtlinie 2018/957 lautet:

„Da die Arbeit im internationalen Straßenverkehr durch besonders hohe Mobilität gekennzeichnet ist, wirft die Umsetzung dieser Richtlinie in diesem Sektor besondere rechtliche Fragen und Schwierigkeiten auf, die im Rahmen des „Mobilitätspakets“ durch besondere Regeln für den Straßenverkehr, die auch der verstärkten Bekämpfung von Betrug und Missbrauch dienen, anzugehen sind.“

50

Art. 3 Abs. 3 dieser Richtlinie sieht vor:

„Diese Richtlinie gilt für den Straßenverkehrssektor ab dem Geltungsbeginn eines Gesetzgebungsakts zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über Mindestbedingungen für die Durchführung der Verordnungen (EWG) Nr. 3820/85 und (EWG) Nr. 3821/85 des Rates über Sozialvorschriften für Tätigkeiten im Kraftverkehr sowie zur Aufhebung der Richtlinie 88/599/EWG des Rates (ABl. 2006, L 102, S. 35)] bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71… und der Richtlinie 2014/67… für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor.“

d)   Richtlinie 2020/1057

51

In den Erwägungsgründen 1 bis 4, 7 bis 13, 15 und 43 der Richtlinie 2020/1057 heißt es:

„(1)

Im Interesse, einen sicheren, effizienten und sozial verantwortlichen Straßenverkehrssektor zu schaffen, müssen sowohl angemessene Arbeitsbedingungen und ein angemessener Sozialschutz für Kraftfahrer als auch angemessene Geschäftsbedingungen und ein fairer Wettbewerb für die Kraftverkehrsunternehmen (im Folgenden ‚Unternehmen‘) sichergestellt werden. Angesichts des hohen Grades der Arbeitskräftemobilität im Straßenverkehrssektor sind sektorspezifische Vorschriften erforderlich, um für ein Gleichgewicht zwischen der Freiheit der Unternehmen zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen, dem freien Warenverkehr, angemessenen Arbeitsbedingungen und dem Sozialschutz für Kraftfahrer zu sorgen.

(2)

Angesichts des naturgemäß hohen Grades der Mobilität der Straßenverkehrsdienstleistungen ist besonders darauf zu achten, dass die Kraftfahrer die ihnen zustehenden Rechte wahrnehmen können und die Unternehmen, bei denen es sich meist um kleine Unternehmen handelt, sich nicht unverhältnismäßigen administrativen Hürden oder diskriminierenden Kontrollen gegenübersehen, die ihre Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen unangemessen einschränken. Aus demselben Grund müssen nationale Vorschriften für den Straßenverkehr verhältnismäßig sowie gerechtfertigt sein und der Notwendigkeit Rechnung tragen, angemessene Arbeitsbedingungen und einen angemessenen Sozialschutz für Kraftfahrer zu gewährleisten und die Ausübung der Dienstleistungsfreiheit im Straßenverkehr auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zwischen in- und ausländischen Unternehmen zu erleichtern.

(3)

Für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarktes ist es entscheidend, dass ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer und der Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch in- und ausländische Unternehmen auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs besteht.

(4)

Bei der Überprüfung der Wirksamkeit und Effizienz der geltenden Sozialvorschriften der Union im Straßenverkehrssektor sind einige Schlupflöcher und Mängel bei der Durchsetzung, wie etwa in Bezug auf die Nutzung von Briefkastenfirmen, zutage getreten. Ferner bestehen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Auslegung, Umsetzung und Anwendung dieser Bestimmungen, was einen hohen Verwaltungsaufwand für Kraftfahrer und Unternehmen verursacht. Das führt zu Rechtsunsicherheit, was wiederum nachteilig für die Sozial- und Arbeitsbedingungen der Kraftfahrer sowie die Bedingungen für einen fairen Wettbewerb für die Unternehmen in dem Sektor ist.

(7)

Um die wirksame und verhältnismäßige Durchführung der Richtlinie [96/71] im Straßenverkehrssektor sicherzustellen, sind sektorspezifische Vorschriften erforderlich, die die Besonderheiten der hohen Mobilität der Arbeitnehmer in diesem Sektor berücksichtigen und ein Gleichgewicht zwischen dem Sozialschutz für Kraftfahrer und der Freiheit der Unternehmen zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen herstellen. Die Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern gemäß der Richtlinie [96/71] und die Bestimmungen über die Durchsetzung dieser Vorschriften gemäß der Richtlinie [2014/67] gelten für den Straßenverkehrssektor und sollten den besonderen Vorschriften der vorliegenden Richtlinie unterliegen.

(8)

Angesichts der hohen Mobilität im Verkehrssektor werden Kraftfahrer in der Regel nicht für lange Zeiträume im Rahmen von Dienstleistungsverträgen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt, wie das manchmal in anderen Sektoren der Fall ist. Es sollte daher klargestellt werden, unter welchen Umständen die Bestimmungen der Richtlinie [96/71] über die langfristige Entsendung nicht für solche Kraftfahrer gelten.

(9)

Ausgewogene sektorspezifische Vorschriften für die Entsendung sollten auf dem Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Kraftfahrer und der erbrachten Dienstleistungen sowie mit dem Gebiet des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats basieren. Zur Erleichterung der Durchsetzung dieser Vorschriften sollte zwischen den verschiedenen Arten von Beförderungen in Abhängigkeit vom Grad der Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats unterschieden werden.

(10)

Wenn ein Kraftfahrer bilaterale Beförderungen von dem Mitgliedstaat, in dem das Unternehmen niedergelassen ist (im Folgenden ‚Niederlassungsmitgliedstaat‘), in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlands oder zurück in den Niederlassungsmitgliedstaat durchführt, ist die Art des Dienstes eng mit dem Niederlassungsmitgliedstaat verbunden. Es ist möglich, dass ein Kraftfahrer während einer Fahrt mehrere bilaterale Beförderungen durchführt. Es wäre eine unverhältnismäßige Einschränkung der Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Straßenverkehrsdienstleistungen, wenn die Entsendevorschriften – und damit die im Aufnahmemitgliedstaat garantierten Beschäftigungsbedingungen – für solche bilateralen Beförderungen gelten würden.

(11)

Es sollte klargestellt werden, dass eine grenzüberschreitende Beförderung im Transit durch das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats keine Entsendung darstellt. Diese Beförderungen sind dadurch gekennzeichnet, dass der Kraftfahrer den Mitgliedstaat durchfährt, ohne Fracht zu laden oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen, und daher keine wesentliche Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Kraftfahrers und dem im Transit durchfahrenen Mitgliedstaat besteht. Die Einstufung der Anwesenheit des Kraftfahrers in einem Mitgliedstaat als Transit wird daher nicht durch Halte, beispielsweise aus hygienischen Gründen, beeinträchtigt.

(12)

Wenn ein Kraftfahrer eine Beförderung im kombinierten Verkehr durchführt, gilt, dass die Art der erbrachten Dienstleistung auf der Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße eng mit dem Mitgliedstaat der Niederlassung verbunden ist, wenn die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst eine bilaterale Beförderung darstellt. Wenn jedoch die Beförderung auf der Straße innerhalb des Aufnahmemitgliedstaats oder als nicht bilaterale grenzüberschreitende Beförderung durchgeführt wird, besteht eine hinreichende Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, und daher sollten die Entsendevorschriften Anwendung finden.

(13)

Wenn ein Kraftfahrer andere Arten von Beförderungen, insbesondere Kabotagebeförderungen oder nicht bilaterale grenzüberschreitende Beförderungen, durchführt, besteht eine hinreichende Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats. Die Verbindung ist im Fall von Kabotagebeförderungen im Sinne [der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1073/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 über gemeinsame Regeln für den Zugang zum grenzüberschreitenden Personenkraftverkehrsmarkt und zur Änderung der Verordnung Nr. 561/2006 (ABl. 2009, L 300, S. 88)] gegeben, da die gesamte Beförderung in einem Aufnahmemitgliedstaat stattfindet und die Dienstleistung somit eng mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaates verbunden ist. Eine nicht-bilaterale grenzüberschreitende Beförderung zeichnet sich dadurch aus, dass der Kraftfahrer eine grenzüberschreitende Beförderung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats, des entsendenden Unternehmens durchführt. Die erbrachten Dienste weisen daher eher eine Verbindung mit dem jeweiligen Aufnahmemitgliedstaat als mit dem Niederlassungsmitgliedstaat auf. In diesen Fällen sind sektorspezifische Vorschriften nur für die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen erforderlich.

(15)

Die Unternehmen der Union stehen in zunehmendem Maße im Wettbewerb mit Unternehmen aus Drittstaaten. Daher muss unbedingt sichergestellt werden, dass Unternehmen der Union nicht diskriminiert werden. Gemäß Artikel 1 Absatz 4 der Richtlinie [96/71] darf Unternehmen mit Sitz in einem Nichtmitgliedstaat keine günstigere Behandlung zuteilwerden als Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat. Dieser Grundsatz sollte auch für die besonderen Entsendevorschriften der vorliegenden Richtlinie gelten. Er sollte insbesondere dann gelten, wenn Unternehmen aus Drittländern Beförderungen im Rahmen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte durchführen, die ihnen Zugang zum Unionsmarkt gewähren.

(43)

Die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung dieser Richtlinie sollten ab dem Tag 18 Monate nach dem Tag des Inkrafttretens dieser Richtlinie gelten. Die Richtlinie … 2018/957 des Europäischen Parlaments und des Rates gilt gemäß ihrem Artikel 3 Absatz 3 ab dem 2. Februar 2022 für den Straßenverkehrssektor.“

52

Art. 1 („Besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern“) der Richtlinie 2020/1057 sieht vor:

„(1)   Dieser Artikel legt besondere Regeln für bestimmte Aspekte der Richtlinie [96/71], die die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor betreffen, sowie der Richtlinie [2014/67], die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung dieser Kraftfahrer betreffen, fest.

(2)   Diese besonderen Regeln gelten für Kraftfahrer, die bei in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Unternehmen beschäftigt sind, die die länderübergreifende Maßnahme nach Artikel 1 Absatz 3 Buchstabe a der Richtlinie [96/71] treffen.

(3)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie [96/71] gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie [96/71], wenn er bilaterale Beförderungen von Gütern durchführt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie bedeutet eine bilaterale Beförderung von Gütern die Verbringung von Gütern auf der Grundlage eines Beförderungsvertrags vom Niederlassungsmitgliedstaat im Sinne des Artikels 2 Nummer 8 der Verordnung … Nr. 1071/2009 in einen anderen Mitgliedstaat oder ein Drittland oder von einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland in den Niederlassungsmitgliedstaat.

Ab dem 2. Februar 2022, welcher dem Tag entspricht, ab dem Kraftfahrer die Daten über den Grenzübertritt gemäß Artikel 34 Absatz 7 der Verordnung … Nr. 165/2014 manuell aufzeichnen müssen, wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahme für bilaterale Beförderungen von Gütern im Sinne der Unterabsätze 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch dann an, wenn der Kraftfahrer über eine bilaterale Beförderung hinaus in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, eine Tätigkeit der Be- und/oder Entladung vornimmt, sofern der Fahrer die Waren nicht in demselben Mitgliedstaat lädt und entlädt.

Erfolgt im Anschluss an eine bilaterale Beförderung, die im Niederlassungsmitgliedstaat beginnt und während der keine zusätzliche Tätigkeit ausgeführt wird, eine bilaterale Beförderung in den Niederlassungsmitgliedstaat, so gilt die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß Unterabsatz 3 für höchstens zwei zusätzliche Be- und/oder Entladungen gemäß den Voraussetzungen des Unterabsatzes 3.

Die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 des vorliegenden Absatzes gilt nur bis zu dem Tag, ab dem Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat erstmals zugelassen werden, gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 4 der Verordnung … Nr. 165/2014 mit intelligenten Fahrtenschreibern ausgerüstet sein müssen, die die Anforderungen an die Aufzeichnung von Grenzüberschreitungen und zusätzlichen Tätigkeiten gemäß Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 derselben Verordnung erfüllen. Ab diesem Tag gelten die Ausnahmeregelungen für zusätzliche Tätigkeiten gemäß den Unterabsätzen 3 und 4 des vorliegenden Absatzes nur noch für Kraftfahrer, die Fahrzeuge nutzen, die mit intelligenten Fahrtenschreibern gemäß den Artikeln 8, 9 und 10 der genannten Verordnung ausgestattet sind.

(4)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie [96/71], ist ein Kraftfahrer nicht als ‚entsandt‘ im Sinne der Richtlinie [96/71] anzusehen, wenn er bilaterale Beförderungen von Fahrgästen ausführt.

Für die Zwecke dieser Richtlinie ist eine bilaterale Beförderung von Fahrgästen im grenzüberschreitenden Gelegenheits- oder Linienverkehr im Sinne der Verordnung … Nr. 1073/2009 dann gegeben, wenn ein Kraftfahrer eine der folgenden Tätigkeiten ausführt:

a)

Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat aufnimmt und in einem anderen Mitgliedstaat oder in einem Drittland wieder absetzt;

b)

Fahrgäste in einem Mitgliedstaat oder in einem Drittland aufnimmt und sie im Niederlassungsmitgliedstaat wieder absetzt oder

c)

Fahrgäste im Niederlassungsmitgliedstaat aufnimmt und wieder absetzt, um örtliche Ausflüge in einen anderen Mitgliedstaat oder in ein Drittland gemäß der Verordnung … Nr. 1073/2009 durchzuführen.

Ab dem 2. Februar 2022, was dem Zeitpunkt entspricht, ab dem Kraftfahrer gemäß Artikel 34 Absatz 7 der Verordnung … Nr. 165/2014 Angaben zu Grenzübertritten manuell aufzeichnen müssen, wenden die Mitgliedstaaten die Ausnahmeregelung auf bilaterale Beförderungen von Fahrgästen nach den Unterabsätzen 1 und 2 des vorliegenden Absatzes auch an, wenn der Kraftfahrer zusätzlich zu einer bilateralen Beförderung einmal Fahrgäste aufnimmt; und/oder einmal in den Mitgliedstaaten oder Drittländern, durch die er fährt, Fahrgäste wieder absetzt, sofern Kraftfahrer keine Beförderung von Fahrgästen zwischen zwei Orten innerhalb des Durchfuhrmitgliedstaats anbietet. Dasselbe gilt für die Rückfahrt.

Die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten gemäß Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes gilt nur bis zu dem Tag, ab dem Fahrzeuge, die in einem Mitgliedstaat erstmals zugelassen werden, mit einem den in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 1 der Verordnung … Nr. 165/2014 genannten Spezifikationen entsprechenden intelligenten Fahrtenschreiber ausgerüstet sein müssen, der die in Artikel 8 Absatz 1 Unterabsatz 4 derselben Verordnung genannten Anforderungen an die Aufzeichnung von Grenzüberschreitungen und zusätzlichen Tätigkeiten erfüllt. Ab diesem Tag gilt die Ausnahmeregelung für zusätzliche Tätigkeiten nach Unterabsatz 3 des vorliegenden Absatzes nur noch für Kraftfahrer, die Fahrzeuge nutzen, die mit intelligenten Fahrtenschreibern im Sinne der Artikel 8, 9 und 10 der genannten Verordnung ausgestattet sind.

(5)   Abweichend von Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie [96/71] gilt ein Kraftfahrer nicht als für die Zwecke der Richtlinie [96/71] entsandt, wenn der Kraftfahrer das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats im Transit durchfährt, ohne Güter zuzuladen oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen.

(6)   Ungeachtet des Artikels 2 Absatz 1 der Richtlinie [96/71] gilt ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie [96/71], wenn Kraftfahrer im kombinierten Verkehr im Sinne der Richtlinie [92/106] die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Absatz 3 des vorliegenden Artikels besteht.

(7)   Ein Kraftfahrer, der eine Kabotagebeförderung im Sinne der Verordnungen … Nr. 1072/2009 und … Nr. 1073/2009 durchführt, gilt als entsandt im Sinne der Richtlinie [96/71].

(10)   Verkehrsunternehmen mit Sitz in einem Nicht-Mitgliedstaat werden nicht günstiger behandelt als Unternehmen mit Sitz in einem Mitgliedstaat, auch wenn sie Beförderungen im Rahmen bilateraler oder multilateraler Übereinkünfte durchführen, die ihnen Zugang zum Unionsmarkt oder Teilen davon gewähren.

(11)   Abweichend von Artikel 9 Absätze 1 und 2 der Richtlinie [2014/67] dürfen die Mitgliedstaaten nur die folgenden Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen für die Entsendung von Kraftfahrern vorschreiben:

a)

die Verpflichtung für das in einem anderen Mitgliedstaat niedergelassene Unternehmen, spätestens bei Beginn der Entsendung den zuständigen nationalen Behörden des Mitgliedstaats, in den der Kraftfahrer entsendet wird, unter Verwendung eines mehrsprachigen Standardformulars der öffentlichen Schnittstelle des – durch die Verordnung (EU) Nr. 1024/2012 [des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Oktober 2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt‑Informationssystems und zur Aufhebung der Entscheidung 2008/49/EG der Kommission (‚IMI-Verordnung‘) (ABl. 2012, L 316, S. 1)] geschaffenen – Binnenmarkt‑Informationssystems (IMI) eine Entsendemeldung zu übermitteln. …

…“

53

Art. 9 („Umsetzung“) Abs. 1 Unterabs. 1 und 2 der Richtlinie 2020/1057 bestimmt:

„Die Mitgliedstaaten erlassen und veröffentlichen bis zum 2. Februar 2022 die Vorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Sie wenden diese Vorschriften ab dem 2. Februar 2022 an.“

4.   Interinstitutionelle Vereinbarung

54

In den Nrn. 12 bis 16 der Interinstitutionellen Vereinbarung zwischen dem Europäischen Parlament, dem Rat der Europäischen Union und der Europäischen Kommission vom 13. April 2016 über bessere Rechtsetzung (ABl. 2016, L 123, S. 1, im Folgenden: Interinstitutionelle Vereinbarung), die in deren Kapitel III („Instrumente für eine bessere Rechtsetzung“) enthalten sind, heißt es unter der Überschrift „Folgenabschätzung“:

„(12)

Die drei Organe stimmen darin überein, dass Folgenabschätzungen zur qualitativen Verbesserung der Rechtsvorschriften der Union beitragen.

Folgenabschätzungen stellen ein Instrument dar, das den drei Organen dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen, und sind kein Ersatz für politische Entscheidungen im demokratischen Entscheidungsprozess. Folgenabschätzungen dürfen weder zu unnötigen Verzögerungen im Rechtsetzungsverfahren führen, noch dürfen sie die Fähigkeit der Mitgesetzgeber, Änderungen vorzuschlagen, beeinträchtigen.

Mit einer Folgenabschätzung sollten das Vorhandensein, der Umfang und die Auswirkungen eines Problems sowie die Frage geklärt werden, ob ein Tätigwerden der Union angezeigt ist oder nicht. Mit einer Folgenabschätzung sollten alternative Lösungswege und nach Möglichkeit die potenziellen kurz- und langfristigen Kosten und Vorteile aufgezeigt werden, beruhend auf einer integrierten und ausgewogenen Bewertung der wirtschaftlichen, ökologischen und sozialen Auswirkungen sowie unter Vornahme einer qualitativen wie auch einer quantitativen Prüfung. Die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit sollten uneingeschränkt geachtet werden, ebenso wie die Grundrechte. Ferner sollten in einer Folgenabschätzung nach Möglichkeit die ‚Kosten des Nicht-Europas‘ sowie die Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit und der mit den verschiedenen Lösungen verbundene Verwaltungsaufwand unter besonderer Berücksichtigung der [kleinen und mittleren Unternehmen (im Folgenden: KMU)] (‚Vorfahrt für KMU‘), digitaler Aspekte und der territorialen Auswirkungen behandelt werden. Folgenabschätzungen sollten sich auf korrekte, objektive und vollständige Angaben stützen und im Hinblick auf Umfang und Schwerpunkt verhältnismäßig sein.

(13)

Die Kommission wird ihre Gesetzgebungsinitiativen und Initiativen ohne Gesetzgebungscharakter, delegierten Rechtsakte und Durchführungsmaßnahmen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen ist, einer Folgenabschätzung unterziehen. Die im Arbeitsprogramm der Kommission oder in der gemeinsamen Erklärung aufgeführten Initiativen werden generell von einer Folgenabschätzung begleitet.

Bei der Durchführung ihrer eigenen Folgenabschätzungen wird die Kommission möglichst umfassende Konsultationen durchführen. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle der Kommission wird die Folgenabschätzungen einer objektiven Qualitätskontrolle unterziehen. Die Endergebnisse der Folgenabschätzungen werden dem Europäischen Parlament, dem Rat und den nationalen Parlamenten zur Verfügung gestellt und bei Annahme der Kommissionsinitiative zusammen mit der Stellungnahme bzw. den Stellungnahmen des Ausschusses für Regulierungskontrolle öffentlich bekannt gemacht.

(14)

Das Europäische Parlament und der Rat werden bei der Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge der Kommission in vollem Umfang die Folgenabschätzungen der Kommission berücksichtigen. Zu diesem Zweck werden die Folgenabschätzungen so dargelegt, dass das Europäische Parlament und der Rat die Entscheidungen der Kommission leichter prüfen können.

(15)

Wenn sie dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten, werden das Europäische Parlament und der Rat Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen wesentlichen Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchführen. Das Europäische Parlament und der Rat werden in der Regel die Folgenabschätzung der Kommission als Ausgangspunkt für ihre weiteren Arbeiten zugrundelegen. Was als ‚wesentliche‘ Abänderung zu betrachten ist, sollte das jeweilige Organ bestimmen.

(16)

Die Kommission kann auf eigene Initiative oder auf Aufforderung durch das Europäische Parlament oder den Rat die eigene Folgenabschätzung ergänzen oder sonstige Analysetätigkeiten durchführen, die sie für erforderlich hält. Dabei wird die Kommission sämtliche verfügbaren Informationen, die jeweils erreichte Phase des Gesetzgebungsprozesses und die Notwendigkeit, unnötige Verzögerungen in diesem Prozess zu vermeiden, berücksichtigen. Die Mitgesetzgeber werden jedem in diesem Zusammenhang von der Kommission zusätzlich vorgelegten Element uneingeschränkt Rechnung tragen.“

55

Nr. 42 der Interinstitutionellen Vereinbarung, die zu deren Kapitel VII („Umsetzung und Anwendung der Rechtsvorschriften der Union“) gehört, hat folgenden Wortlaut:

„Die drei Organe betonen, dass die Rechtsvorschriften der Union in den Mitgliedstaaten zügig und korrekt angewendet werden müssen. Die Frist für die Umsetzung von Richtlinien wird so kurz wie möglich gehalten und wird in der Regel nicht mehr als zwei Jahre betragen.“

II. Vorgeschichte des Rechtsstreits

56

Am 31. Mai 2017 nahm die Kommission mehrere Vorschläge an, die Teil eines „Mobilitätspakets I“, auch „Mobilitätspaket“ genannt, sind, mit dem bestimmte Aspekte der Rechtsvorschriften der Union für den Straßenverkehrssektor geändert werden sollten.

57

Dazu gehörten erstens der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (COM[2017] 277 final, im Folgenden: Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“), zweitens der Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor (COM[2017] 281 final, im Folgenden: Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“) und drittens der Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/22 bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor (COM[2017] 278 final, im Folgenden: Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“).

58

Diesen Vorschlägen waren zwei Folgenabschätzungen beigefügt, von denen sich die eine auf den ersten und den dritten dieser Vorschläge (SWD[2017] 186 final, im Folgenden: Folgenabschätzung – Sozialer Teil) und die andere auf den zweiten Vorschlag (SWD[2017] 194 final, im Folgenden: Folgenabschätzung – Teil Niederlassung) bezog.

59

Der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss (EWSA) gab am 18. Januar 2018 zwei verschiedene Stellungnahmen zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor (COM[2017] 281 final – 2017/0123 [COD]) (ABl. 2018, C 197, S. 38) bzw. zum Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/22/EG bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71/EG und der Richtlinie 2014/67/EU für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor (COM[2017] 278 final – 2017/0121 [COD]) und zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Verordnung (EG) Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung (EU) Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern (COM[2017] 277 final – 2017/0122 [COD]) (ABl. 2018, C 197, S. 45) ab. Der Europäische Ausschuss der Regionen (AdR) gab am 1. Februar 2018 eine Stellungnahme zu diesen drei Vorschlägen mit dem Titel „Europa in Bewegung: Arbeitsrechtliche Aspekte des Straßengüterverkehrs“ (ABl. 2018, C 176, S. 57) ab.

60

Nach Beratungen sowohl im Parlament und im Rat als auch zwischen diesen beiden Organen wurde während der Verhandlungen vom 11. und 12. Dezember 2019 im Rahmen des interinstitutionellen Trilogs zwischen dem Rat, dem Parlament und der Kommission ein Kompromiss über die drei Vorschläge der Kommission erzielt.

61

Am 7. April 2020 erhielten diese bei der Abstimmung im Rat über den Erlass der drei in Rede stehenden Rechtsakte die Unterstützung einer qualifizierten Mehrheit der Mitgliedstaaten, wobei allerdings neun von ihnen, nämlich die Republik Bulgarien, die Republik Estland, die Republik Zypern, die Republik Lettland, die Republik Litauen, Ungarn, die Republik Malta, die Republik Polen und Rumänien, sich gegen diesen Erlass aussprachen.

62

Am 15. Juli 2020 nahmen das Parlament und der Rat die Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 sowie die Richtlinie 2020/1057 (im Folgenden zusammen: angefochtene Rechtsakte) an.

III. Anträge der Parteien und Verfahren vor dem Gerichtshof

A. Rechtssache C‑541/20

63

Die Republik Litauen beantragt,

Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie in vollem Umfang für nichtig zu erklären,

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d und Art. 3 der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, diese Verordnung in vollem Umfang für nichtig zu erklären, und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

64

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Republik Litauen die Kosten aufzuerlegen.

65

Mit Beschluss vom 13. April 2021, Litauen/Parlament und Rat (C‑541/20 R, EU:C:2021:264), hat die Vizepräsidentin des Gerichtshofs den Antrag der Republik Litauen auf Aussetzung des Vollzugs von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d und Art. 3 der Verordnung 2020/1054 zurückgewiesen.

66

Mit Beschlüssen vom 27. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Litauen zugelassen.

67

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

68

In der mündlichen Verhandlung vom 25. April 2023 hat die Republik Litauen ihren Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2020/1057 zurückgenommen.

B. Rechtssache C‑542/20

69

Die Republik Litauen beantragt,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird,

Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

70

Mit Beschlüssen vom 26. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Litauen zugelassen.

71

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

C. Rechtssache C‑543/20

72

Die Republik Bulgarien beantragt,

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, diese Verordnung in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

73

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Republik Bulgarien die Kosten aufzuerlegen.

74

Mit Beschlüssen vom 29. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Bulgarien zugelassen.

75

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

D. Rechtssache C‑544/20

76

Die Republik Bulgarien beantragt,

die Richtlinie 2020/1057 für nichtig zu erklären und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

77

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Republik Bulgarien die Kosten aufzuerlegen.

78

Mit Beschlüssen vom 29. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Bulgarien zugelassen.

79

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

E. Rechtssache C‑545/20

80

Die Republik Bulgarien beantragt,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, Art. 1 Nr. 3 zur Gänze für nichtig zu erklären;

Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären oder, hilfsweise, Art. 2 Nr. 4 zur Gänze für nichtig zu erklären;

äußerst hilfsweise, diese Verordnung zur Gänze für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

81

Mit Beschlüssen vom 29. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Bulgarien zugelassen.

82

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

83

Mit Beschluss vom 3. Juni 2022, Bulgarien/Parlament und Rat (C‑545/20 R, EU:C:2022:445), hat der Vizepräsident des Gerichtshofs den Antrag der Republik Bulgarien, auf Aussetzung des Vollzugs von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, von Art. 1 Nr. 3 insgesamt oder, äußerst hilfsweise, der Verordnung 2020/1055 in vollem Umfang zurückgewiesen.

F. Rechtssache C‑546/20

84

Rumänien beantragt,

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

85

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

Rumänien die Kosten aufzuerlegen.

86

Mit Beschlüssen vom 21. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Lettland als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge Rumäniens zugelassen.

87

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

G. Rechtssache C‑547/20

88

Rumänien beantragt,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

Art. 2 Nr. 4 Buchst. a bis c der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären;

hilfsweise, diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

89

Mit Beschlüssen vom 22. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland und die Republik Litauen als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge Rumäniens zugelassen.

90

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

91

Mit Beschluss vom 3. Juni 2022, Rumänien/Parlament und Rat (C‑547/20 R, EU:C:2022:446), hat der Vizepräsident des Gerichtshofs den Antrag Rumäniens auf Aussetzung des Vollzugs von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, zurückgewiesen.

H. Rechtssache C‑548/20

92

Rumänien beantragt,

Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

93

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

Rumänien die Kosten aufzuerlegen.

94

Mit Beschlüssen vom 22. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland und die Republik Lettland als Streithelferinnen zur Unterstützung der Anträge Rumäniens zugelassen.

95

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

I. Rechtssache C‑549/20

96

Die Republik Zypern beantragt,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, oder, hilfsweise, Art. 1 Nr. 3 insgesamt für nichtig zu erklären;

äußerst hilfsweise, die Verordnung 2020/1055 insgesamt für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

97

Mit Beschlüssen vom 12. Mai 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Zypern zugelassen.

98

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

J. Rechtssache C‑550/20

99

Die Republik Zypern beantragt,

die Richtlinie 2020/1057 für nichtig zu erklären und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

100

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Republik Zypern die Kosten aufzuerlegen.

101

Mit Beschlüssen vom 29. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Zypern zugelassen.

102

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

K. Rechtssache C‑551/20

103

Ungarn beantragt,

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 sowie gegebenenfalls die Bestimmungen dieser Verordnung, die mit diesen ein untrennbares Ganzes bilden, oder sogar diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit damit ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, sowie gegebenenfalls die Bestimmungen der Verordnung 2020/1055, die mit diesem ein untrennbares Ganzes bilden, für nichtig zu erklären,

Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, deren Art. 1 Abs. 6 sowie gegebenenfalls die Bestimmungen dieser Richtlinie, die mit diesem ein untrennbares Ganzes bilden, für nichtig zu erklären, und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

104

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

Ungarn die Kosten aufzuerlegen.

105

Mit Beschlüssen vom 13. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge Ungarns zugelassen.

106

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

L. Rechtssache C‑552/20

107

Die Republik Malta beantragt,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird,

Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

108

Mit Beschlüssen vom 22. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Belgien, die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Malta zugelassen.

109

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

M. Rechtssache C‑553/20

110

Die Republik Polen beantragt,

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

111

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen.

112

Mit Beschlüssen vom 27. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Polen zugelassen.

113

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

N. Rechtssache C‑554/20

114

Die Republik Polen beantragt,

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären;

Art. 2 Nr. 5 Buchst. b dieser Verordnung für nichtig zu erklären;

hilfsweise, diese Verordnung insgesamt für nichtig zu erklären;

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

115

Mit Beschlüssen vom 27. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland, die Republik Litauen und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Polen zugelassen.

116

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

O. Rechtssache C‑555/20

117

Die Republik Polen beantragt,

Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 sowie Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, diese Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären, und

dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen.

118

Das Parlament und der Rat beantragen,

die Klage insgesamt abzuweisen und

der Republik Polen die Kosten aufzuerlegen.

119

Mit Beschlüssen vom 27. April 2021 hat der Präsident des Gerichtshofs die Republik Estland, die Republik Lettland und Rumänien als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge der Republik Polen zugelassen.

120

Mit Beschlüssen vom selben Tag hat der Präsident des Gerichtshofs das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Parlaments und des Rates sowie die Italienische Republik als Streithelferin zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen.

P. Zur Verbindung der Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20

121

Mit Beschluss vom 13. Oktober 2023 hat der Präsident des Gerichtshofs gemäß Art. 54 Abs. 2 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs beschlossen, die Rechtssachen C‑541/20 bis C‑555/20 sowohl zu gemeinsamem mündlichen Verfahren, soweit dieses noch nicht abgeschlossen ist, als auch zu gemeinsamer das Verfahren beendender Entscheidung zu verbinden.

IV. Zu den Klagen

A. Zur Verordnung 2020/1054

122

Die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) beantragen die Nichtigerklärung mehrerer Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 oder, hilfsweise, dieser Verordnung insgesamt.

123

Erstens zielen die von der Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn erhobenen Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 ab, der Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 durch einen neuen Abs. 8 ersetzt hat, der es den Fahrern im Wesentlichen verbietet, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder wöchentlichen Ruhezeiten von mehr als 45 Stunden, die als Ausgleich für eine vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt werden, in einem Fahrzeug zu verbringen (im Folgenden: Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug).

124

Zweitens begehren die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, mit dem in Art. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 ein Abs. 8a eingefügt wurde, der die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen vorsieht, die Arbeit ihrer Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer in der Lage ist, alle drei oder vier Wochen, je nachdem, ob er zuvor zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten eingelegt hat, zur Betriebsstätte dieses Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, um dort mindestens ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen (im Folgenden: Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054).

125

Drittens ist die von Ungarn erhobene Klage auch auf die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 gerichtet, der Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 165/2014 durch einen neuen Abs. 4 und einen neuen Abs. 4a ersetzt hat, mit denen der Zeitpunkt des Inkrafttretens der Verpflichtung zum Einbau intelligenter Fahrtenschreiber der zweiten Generation (im Folgenden: Fahrtenschreiber V2) vorverlegt wurde.

126

Viertens schließlich ist die Klage der Republik Litauen auch auf die Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 gerichtet, soweit dieser Artikel in seinem Abs. 1 den Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Verordnung auf den 20. Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union festlegt.

1.   Übersicht über die Klagegründe

127

Die Republik Litauen stützt ihre Klage (Rechtssache C‑541/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 45 AEUV, zweitens einen Verstoß gegen Art. 26 AEUV (erster Teil) und das allgemeine Diskriminierungsverbot (zweiter Teil), drittens einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV sowie die Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels und viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend macht. Zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 macht dieser Mitgliedstaat drei Klagegründe geltend, mit denen er erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens einen Verstoß gegen die in Art. 296 AEUV vorgesehene Begründungspflicht und drittens einen Verstoß gegen den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV rügt.

128

Die Republik Bulgarien stützt ihre Klage (Rechtssache C‑543/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf fünf Klagegründe. Mit dem ersten, dem zweiten und dem dritten Klagegrund, die sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung richten, rügt sie einen Verstoß erstens gegen Art. 45 AEUV (erster Teil) sowie gegen Art. 21 Abs. 1 AEUV und Art. 45 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (im Folgenden: Charta) (zweiter Teil), zweitens gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls (Nr. 2) über die Anwendung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit, das dem EU-Vertrag und dem AEU-Vertrag beigefügt ist (im Folgenden: Protokoll über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit), sowie drittens gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit. Mit dem vierten Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 richtet, wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der in Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 dieses Protokolls verankert ist, gerügt. Mit dem fünften Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d dieser Verordnung richtet, wird ein Verstoß gegen die Grundsätze der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots nach Art. 18 AEUV sowie den Art. 20 und 21 der Charta, gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen nach Art. 4 Abs. 2 EUV und – „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“ – gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV gerügt.

129

Rumänien stützt seine Klage (Rechtssache C‑546/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf drei Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund, der sich gegen diese beiden Bestimmungen richtet, wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 4 EUV gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung richtet, wird ein Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV gerügt. Mit dem dritten, aus zwei Teilen bestehenden Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d dieser Verordnung richtet, wird ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV gerügt.

130

Zur Stützung seines Antrags (Rechtssache C‑551/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 macht Ungarn als einzigen Klagegrund einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend. Dieser Mitgliedstaat stützt seinen Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 dieser Verordnung auf drei Klagegründe, mit denen er erstens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens einen Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes und drittens einen Verstoß gegen die in Art. 151 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verpflichtung, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, rügt.

131

Die Republik Polen stützt ihre Klage (Rechtssache C‑553/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf fünf Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 4 EUV, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, drittens gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV, viertens gegen Art. 94 AEUV und fünftens gegen Art. 11 AEUV sowie Art. 37 der Charta geltend macht.

132

Die Anträge der Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d, Art. 1 Nr. 6 Buchst. c, Art. 2 Nr. 2 und Art. 3 der Verordnung 2020/1054 sind nacheinander zu prüfen.

2.   Zu Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

133

Zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) im Wesentlichen einen Verstoß gegen Folgendes geltend:

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (erster bis dritter Teil des vierten Klagegrundes der Republik Litauen, zweiter Klagegrund der Republik Bulgarien, zweiter Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens und erster Klagegrund der Republik Polen),

den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot (zweiter Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen, erster Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien und zweiter Teil des dritten Klagegrundes Rumäniens),

den Grundsatz der Rechtssicherheit (vierter Teil des vierten Klagegrundes der Republik Litauen, dritter Klagegrund der Republik Bulgarien und zweiter Klagegrund der Republik Polen),

die Freizügigkeit der Unionsbürger nach Art. 21 Abs. 1 AEUV und Art. 45 der Charta (zweiter Teil des ersten Klagegrundes der Republik Bulgarien),

das Funktionieren des Binnenmarkts nach Art. 26 AEUV (erster Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen),

die Freizügigkeit der Arbeitnehmer nach Art. 45 AEUV (erster Klagegrund der Republik Litauen und erster Teil des ersten Klagegrundes der Republik Bulgarien),

die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (zweiter Klagegrund Rumäniens),

die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik, die in Art. 91 Abs. 2 AEUV (zweiter Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, und dritter Klagegrund der Republik Polen) und in Art. 94 AEUV (zweiter Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, und vierter Klagegrund der Republik Polen) vorgesehen sind, sowie

die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes (dritter Klagegrund der Republik Litauen und fünfter Klagegrund der Republik Polen).

a)   Zur Zulässigkeit

1) Vorbringen der Parteien

134

In der Rechtssache C‑543/20 äußert der Rat Zweifel an der Zulässigkeit der Klageanträge der Republik Bulgarien auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, da mit diesen Anträgen in Wirklichkeit nicht die Gültigkeit dieser Bestimmung in Frage gestellt, sondern eine Klärung ihrer Auslegung begehrt werde.

135

Der Rat erinnert in diesem Zusammenhang daran, dass eine Bestimmung des abgeleiteten Unionsrechts möglichst so auszulegen ist, dass sie mit den Bestimmungen der Verträge vereinbar ist. Er weist darauf hin, dass im vorliegenden Fall Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nach Ansicht der Republik Bulgarien einer solchen unionsrechtskonformen Auslegung unterzogen werden könne, was zur Folge hätte, dass der Gerichtshof, wenn dies der Fall sein sollte, die zur Stützung ihrer Anträge geltend gemachten Klagegründe nicht prüfen müsste. Daher sei entweder die von diesem Mitgliedstaat vertretene Auslegung zutreffend, in welchem Fall er die Gültigkeit dieser Bestimmung nicht in Frage stellen würde, oder diese Auslegung wäre fehlerhaft, da es eine andere vertragskonforme Auslegung gebe; in diesem Fall wären alle geltend gemachten Klagegründe als unbegründet zurückzuweisen.

136

Es sei nicht hinnehmbar, dass ein Mitgliedstaat seine privilegierte Stellung nach Art. 263 AEUV nutze, um die Rechtmäßigkeit von Gesetzgebungsakten des Unionsrechts allein zu dem Zweck in Frage zu stellen, ihre Bedeutung zu klären, indem er dem Gerichtshof verschiedene Auslegungen vorlege und ihn auffordere, einige von ihnen zu verwerfen. Wie Art. 267 AEUV könne Art. 263 AEUV nicht herangezogen werden, um dem Gerichtshof hypothetische Fragen zu stellen.

137

Die Republik Bulgarien ist der Ansicht, dass die Anträge ihrer Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zulässig seien.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

138

Aus Art. 263 AEUV in Verbindung mit Art. 264 AEUV ergibt sich, dass eine auf der Grundlage der erstgenannten Bestimmung erhobene Klage auf Nichtigerklärung einer der in Abs. 1 dieser Bestimmung genannten Handlungen auf die Nichtigerklärung dieser Handlung gerichtet sein muss. Daraus folgt, dass eine Klage, deren Klageantrag auf die Auslegung einer solchen Handlung durch den Gerichtshof abzielt, keine Grundlage in Art. 263 AEUV findet und als unzulässig abzuweisen ist.

139

Beantragt eine Partei gemäß Art. 263 AEUV die Nichtigerklärung eines Rechtsakts der Union und hat sie in ihrer Klageschrift, wie es Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung verlangen, die zur Stützung ihres Antrags geltend gemachten Klagegründe und Argumente sowie eine kurze Darstellung dieser Klagegründe angegeben, muss der Gerichtshof jedoch zwangsläufig und unabhängig von einem dahin gehenden Antrag des Klägers die Richtigkeit der Auslegung des angefochtenen Rechtsakts prüfen, die die Prämisse dieser Klagegründe und Argumente bildet. Wenn der Gerichtshof diesen Rechtsakt nämlich anders auslegt, kann dies ausreichen, um die Zurückweisung der Letzteren als unbegründet zu rechtfertigen.

140

Im vorliegenden Fall enthält die von der Republik Bulgarien in der Rechtssache C‑543/20 eingereichte Klageschrift klar und genau die Klagegründe und Argumente, die zur Stützung ihrer Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 geltend gemacht werden, sowie eine kurze Darstellung dieser Klagegründe. Aus dieser Klageschrift geht somit hervor, dass mit der in dieser Rechtssache erhobenen Klage die Rechtmäßigkeit dieser Bestimmung gemäß Art. 263 AEUV unter Beachtung der Anforderungen von Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung in Frage gestellt werden soll.

141

Im Übrigen geht aus dieser Klageschrift hervor, dass die von der Republik Bulgarien geltend gemachten Klagegründe und Argumente von der Prämisse ausgehen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 dahin auszulegen ist, dass diese Bestimmung die Fahrer verpflichtet, je nach Fall alle drei oder vier Wochen entweder zu der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, um ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu nehmen, ohne dass den Fahrern die Möglichkeit eingeräumt wird, selbst den Ort zu wählen, an dem sie diese Ruhezeit verbringen möchten.

142

Die Prüfung dieser Klagegründe und Argumente erfordert daher, dass der Gerichtshof prüft, ob die in der vorstehenden Randnummer angeführte Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, die ihre Prämisse darstellt, zutreffend ist.

143

Zwar räumt die Republik Bulgarien in einem einleitenden Teil ihrer Klageschrift zum einen selbst ein, dass diese Bestimmung auch dahin ausgelegt werden kann, dass sie den Fahrern keine solche Verpflichtung auferlegt, an einen der beiden in ihr genannten Orte zurückzukehren, so dass es den Fahrern freisteht, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit an dem Ort zu verbringen, an dem sie dies wünschen, und zum anderen, dass, falls der Gerichtshof einer solchen Auslegung folgen sollte, die Klagegründe und Argumente, die zur Stützung ihrer Klage geltend gemacht werden und mit denen ein Verstoß gegen die Grundfreiheiten der Freizügigkeit der Arbeitnehmer und der Unionsbürger sowie gegen die Grundsätze der Verhältnismäßigkeit, der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot gerügt wird, nicht geprüft zu werden brauchten. Dieser Umstand rechtfertigt es jedoch nicht, die Klage als unzulässig abzuweisen. Der Gerichtshof ist nämlich jedenfalls verpflichtet, die Richtigkeit der Auslegung dieser Bestimmung zu prüfen, die die Prämisse dieser Klagegründe und Argumente bildet.

144

Daher ist die Einrede der Unzulässigkeit zurückzuweisen, die der Rat gegen den Antrag der Republik Bulgarien auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 erhoben hat.

b)   Zur Begründetheit

145

Aus dem Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 geht hervor, dass die Klagegründe, mit denen diese Mitgliedstaaten einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot, die durch den AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten und die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den Umweltschutz rügen, auf der Prämisse beruhen, dass diese Bestimmung in dem in Rn. 141 des vorliegenden Urteils genannten Sinne auszulegen ist, d. h. dahin, dass die Fahrer verpflichtet seien, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, wodurch ihnen die Möglichkeit genommen werde, selbst den Ort zu wählen, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen möchten.

146

Da die Republik Litauen, die Republik Bulgarien und die Republik Polen dem Unionsgesetzgeber jedoch insoweit vorwerfen, gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen zu haben, weil Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht hinreichend klar sei, sind als Erstes die Klagegründe und Argumente zu prüfen, mit denen ein Verstoß gegen diesen Grundsatz geltend gemacht wird.

1) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

i) Vorbringen der Parteien

147

Die Republik Litauen im Rahmen ihres vierten Klagegrundes betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, die Republik Bulgarien mit ihrem dritten Klagegrund und die Republik Polen mit ihrem zweiten Klagegrund machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 wegen mangelnder Klarheit hinsichtlich seiner genauen Tragweite nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergäben.

148

Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar seien, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren könnten. Es sei zwar zulässig, dass eine Regelung vage sei, abstrakte Begriffe enthalte oder einen Ermessensspielraum einräume, doch gelte dies nur unter der Voraussetzung, dass sie nicht zu Willkür führe und von der Rechtsprechung präzisiert werden könne, was hier nicht der Fall sei.

149

Erstens sind die Republik Bulgarien und die Republik Polen der Ansicht, dass die Natur der Verpflichtungen der Fahrer oder Verkehrsunternehmen selbst nicht klar definiert sei. Der Wortlaut von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 lasse nämlich erhebliche Zweifel daran bestehen, ob die Fahrer für die Inanspruchnahme ihrer wöchentlichen Ruhezeit einen anderen Ort als die beiden in dieser Bestimmung genannten Orte wählen könnten, ob die Einhaltung der sich aus dieser Bestimmung ergebenden Verpflichtung den Fahrern oder den Verkehrsunternehmen obliege und ob diese Unternehmen im letztgenannten Fall nur verpflichtet seien, dem Fahrer freie Zeit einzuräumen und ihm ein Verkehrsmittel zur Verfügung zu stellen, damit er seine Ruhezeit an einem der beiden angegebenen Orte verbringen könne, oder ob sie auch dafür zu sorgen hätten, dass sich der Fahrer tatsächlich an einen dieser Orte begebe, was der 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung eher nahelege, der sich darauf beziehe, dass der Verkehrsunternehmer seinen Verpflichtungen „zur Organisation der regelmäßigen Rückkehr“ nachkomme.

150

Die Republik Litauen und die Republik Bulgarien sind der Ansicht, dass die einzige Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, die mit den Grundfreiheiten der Fahrer und dem Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedingungen im Einklang stehe, in der Annahme bestehe, dass diese Bestimmung den Fahrer nicht verpflichte, an seinen Wohnsitz oder in den Mitgliedstaat der Niederlassung seines Arbeitgebers zurückzukehren, sondern dass der Verkehrsunternehmer die Arbeit des Fahrers so organisieren müsse, dass dessen Freiheit, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit an dem Ort zu nehmen, wo er dies wolle, nicht beeinträchtigt werde. Nach Ansicht der Republik Bulgarien sollte der Arbeitgeber jedoch, selbst wenn diese Bestimmung eine solche Tragweite habe, nur dann einer solchen Verpflichtung unterliegen, wenn der Fahrer den Wunsch zum Ausdruck bringe, an einen dieser beiden Orte zurückzukehren.

151

Zweitens sind die Republik Litauen und die Republik Polen der Ansicht, dass es sehr schwierig sei, zu bestimmen, wie das Verkehrsunternehmen die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung konkret zu erfüllen habe. Die Republik Litauen macht insoweit geltend, der Unionsgesetzgeber habe nicht festgelegt, wie diese Verpflichtung in der Praxis eingehalten werden müsse. So würden weder die Modalitäten der Rückkehr des Fahrers, wie die Kosten und der Nachweis der Rückkehr, noch die einer Rückkehrverweigerung und ihre Folgen in Bezug auf Sanktionen gegen den Arbeitgeber und gegebenenfalls den Arbeitnehmer präzisiert. Auch der Begriff „Wohnsitz“ des Fahrers sei nicht klar definiert. Insbesondere sei unklar, ob ein Fahrer aus einem Drittland in dieses oder den vorübergehenden Wohnsitz des betreffenden Mitgliedstaats zurückkehren müsse, und es sei allgemein ungewiss, ob sich dieser Ausdruck auf den betreffenden Mitgliedstaat oder auf eine bestimmte Anschrift des Wohnsitzes beziehe. All diese Unsicherheiten würden eine einheitliche Anwendung der Verordnung 2020/1054 unmöglich machen. Die Republik Polen trägt vor, dieser Verordnung lasse sich nicht entnehmen, wie das Verkehrsunternehmen den Fahrer verpflichten müsse, von der ihm angebotenen Rückkehrmöglichkeit Gebrauch zu machen. Auch sei nicht klar, welches Fahrzeug zu diesem Zweck verwendet werden müsse. Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung könnte somit den Verkehrsunternehmern Verpflichtungen auferlegen, die sie überhaupt nicht erfüllen könnten, ohne gegen das Grundrecht der Arbeitnehmer auf persönliche Freiheit zu verstoßen.

152

Drittens macht die Republik Polen geltend, dass die Frage, ob der Rückkehr an den Wohnsitz nicht die Rückkehr an die Betriebsstätte des Arbeitgebers vorausgehen müsse, auch Anlass zu erheblichen Zweifeln gebe. In Anbetracht des Wortlauts von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 sei es nämlich unklar, ob das Verkehrsunternehmen dadurch, dass es den Fahrern die unmittelbare Rückkehr zu ihrem Wohnsitz erlaube, der Verpflichtung nachkomme, ihnen eine Ruhezeit zu garantieren, da die Fahrer an der Betriebsstätte des Arbeitgebers „ihre wöchentliche Ruhezeit beginnen“. Dieser Mangel an Genauigkeit könnte die Verkehrsunternehmen dazu anhalten, den Fahrern ein Beförderungsmittel zur Betriebsstätte des Arbeitgebers und dann erst an ihren Wohnsitz zur Verfügung zu stellen, was für Fahrer, die weit von dieser Betriebsstätte entfernt wohnten, eine Ruhepause von geringerer Qualität bedeuten würde.

153

Viertens ist die Republik Polen der Ansicht, es sei nicht klar, ob der Fahrtenschreiber, dessen Aufzeichnungen die nach Art. 8 Abs. 8a Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in diese Verordnung eingefügt worden sei, erforderlichen Nachweise darstellten, der des Fahrzeugs sei, mit dem der Fahrer an die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder seinen Wohnsitz zurückgekehrt sei, oder der Fahrtenschreiber des gewöhnlich vom Fahrer benutzten Fahrzeugs. Nach Art. 33 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 müssten die mittels Fahrtenschreibern aufgezeichneten Daten mindestens ein Jahr lang aufbewahrt werden. Nach dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 könnte das Verkehrsunternehmen jedoch auch andere Dokumente verwenden, um die Einhaltung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung nachzuweisen, ohne dass Art. 8 Abs. 8a der Verordnung Nr. 561/2006 jedoch die Dauer der Aufbewahrung dieser Dokumente festlege.

154

Zwar können die Mitgliedstaaten unter bestimmten Voraussetzungen Maßnahmen zur Durchführung des Unionsrechts erlassen, doch sollte in den Verordnungen der Inhalt dieser nationalen Maßnahmen hinreichend genau festgelegt werden. Dies sei jedoch bei Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht der Fall, der den zuständigen nationalen Behörden ein zu weites Ermessen einräume oder ein übermäßig breites Spektrum heterogener nationaler Lösungen ermögliche. Diese Verordnung solle jedoch gerade die Rechtssicherheit in Bezug auf die den Verkehrsunternehmern obliegenden Verpflichtungen erhöhen. Diese Verpflichtungen sollten daher in einem unmittelbar anwendbaren Rechtsakt der Union umfassend und unbestreitbar definiert werden, um die einheitliche Anwendung des Unionsrechts im Binnenmarkt zu gewährleisten. Die Präzisierungen der Bestimmungen dieser Verordnung durch die verschiedenen Mitgliedstaaten führten im Gegenteil zu unterschiedlichen Anwendungen in den Mitgliedstaaten, die die Rechtsunsicherheit verstärkten.

155

Fünftens ist die Republik Bulgarien der Ansicht, dass die Rechtsunsicherheit, zu der Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 führe, durch die widersprüchlichen Auslegungen belegt werde, die sich sowohl aus der Begründung ergäben, die der Rat im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens in erster Lesung vorgelegt habe, als auch aus den Erläuterungen des Parlaments zu einer letztlich nicht angenommenen Abänderung. Sie werde auch durch die Erklärungen bestätigt, die die Kommission in Beantwortung von Klarstellungsersuchen der Vertreter des Verkehrssektors abgegeben habe, sowie durch die Dokumente „Fragen und Antworten“ betreffend u. a. die Verordnung 2020/1054 („Mobility Package I – Social Rules, Driving and rest times, Questions and Answers, Parts 1 and 2“ [„Mobilitätspaket 1 – Sozialvorschriften – Lenk- und Ruhezeiten – Fragen und Antworten – Teile 1 und 2“], 25. November 2020 und 21. April 2021), die Leitlinien enthielten, die jedenfalls nicht verbindlich seien.

156

Sechstens weist die Republik Bulgarien darauf hin, dass mangels Rechtssicherheit nicht ausgeschlossen werden könne, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 von lokalen Behörden oder Unionsbürgern dahin ausgelegt werde, dass er die Fahrer verpflichte, alle drei oder vier Wochen an ihren Wohnsitz oder in den Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen sei, zurückzukehren. So gehe aus einem Bericht der belgischen Polizei hervor, dass gegen ein Verkehrsunternehmen allein deshalb eine Geldbuße verhängt worden sei, weil der kontrollierte Fahrer nach 13 Wochen nicht zurückgekehrt sei, ohne dass beurteilt worden wäre, an welchem Ort der Fahrer seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit habe verbringen wollen, und zwar auch dann, wenn er die Möglichkeit gehabt habe, an seinen Wohnsitz oder in den Mitgliedstaat, in dem sein Arbeitgeber niedergelassen sei, zurückzukehren.

157

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

158

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs gebietet der Grundsatz der Rechtssicherheit, dass Rechtsvorschriften – vor allem dann, wenn sie nachteilige Folgen haben können – klar und bestimmt sowie in ihrer Anwendung für den Einzelnen vorhersehbar sind. Insbesondere verlangt dieser Grundsatz, dass eine Regelung es den Betroffenen ermöglicht, den Umfang der ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen, und dass die Betroffenen ihre Rechte und Pflichten eindeutig erkennen und sich darauf einstellen können (Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat, C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 223 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

159

Diese Erfordernisse sind jedoch weder dahin zu verstehen, dass sie den Unionsgesetzgeber darin hindern, im Rahmen einer von ihm erlassenen Norm einen abstrakten Rechtsbegriff zu verwenden, noch dahin, dass sie gebieten, dass in einer solchen abstrakten Norm die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Gesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann (Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat, C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 224 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

160

Es ist somit nicht erforderlich, dass ein Gesetzgebungsakt selbst Angaben technischer Natur enthält, da der Unionsgesetzgeber einen allgemeinen Rechtsrahmen schaffen kann, der gegebenenfalls später konkretisiert wird (Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak, C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

161

Folglich verletzt die Tatsache, dass ein Gesetzgebungsakt den Behörden, die mit seiner Durchführung betraut sind, ein Ermessen verleiht, als solche nicht das Erfordernis der Vorhersehbarkeit, sofern der Umfang dieses Ermessens und die Modalitäten seiner Ausübung im Hinblick auf das verfolgte legitime Ziel hinreichend deutlich festgelegt sind, um angemessenen Schutz vor Willkür zu bieten (Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat, C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 225 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

162

Ebenso wenig verpflichtet der Grundsatz der Rechtssicherheit dazu, die Rechtsordnung unverändert aufrechtzuerhalten, da es dem Unionsgesetzgeber im Rahmen seines Ermessens freisteht, die bestehende Rechtslage zu ändern (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Juni 2021, Jumbocarry Trading, C‑39/20, EU:C:2021:435, Rn. 50).

163

Anhand dieser Erwägungen ist die Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu beurteilen.

164

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser Bestimmung in Art. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 ein Abs. 8a eingefügt wird, der drei Unterabsätze umfasst.

165

Nach Unterabs. 1 planen Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer so, dass jeder Fahrer in der Lage ist, innerhalb jedes Zeitraums von vier aufeinanderfolgenden Wochen zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort je nach Fall ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen.

166

Unterabs. 2 sieht vor, dass, wenn der Fahrer zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten gemäß Art. 8 Abs. 6 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung eingelegt hat, das Verkehrsunternehmen die Arbeit des Fahrers so planen muss, dass dieser in der Lage ist, in der dritten Woche zurückzukehren, um seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit zu nehmen.

167

Schließlich dokumentiert nach Unterabs. 3 das Verkehrsunternehmen, wie es diese Verpflichtung erfüllt, und es bewahrt die betreffenden Unterlagen in seinen Geschäftsräumen auf, damit sie auf Verlangen der Kontrollbehörden vorgelegt werden können.

168

Was erstens das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien und der Republik Polen betrifft, wonach sich Art. 8 Abs. 8a der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eingefügt wurde, zum einen nicht entnehmen lasse, ob die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung den Fahrern oder Verkehrsunternehmen obliege, und zum anderen, ob es den Fahrern freistehe, einen anderen Ort als die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder ihren Wohnsitz zu wählen, um ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen, ist festzustellen, dass, wie aus dem Wortlaut von Art. 8 Abs. 8a, insbesondere aus den Wendungen „Verkehrsunternehmen planen“ in den ersten beiden Unterabsätzen und „[d]as Unternehmen dokumentiert, wie es diese Verpflichtung erfüllt“ in Unterabs. 3, klar hervorgeht, sich die in Art. 8 Abs. 8a enthaltenen Bestimmungen nicht an die Fahrer, sondern an die Verkehrsunternehmen richten, indem diesen die Verpflichtung auferlegt wird, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer, wie sich aus dem in den ersten beiden Unterabsätzen verwendeten Ausdruck „in der Lage ist“ ergibt, je nach Fall die Möglichkeit hat, alle drei oder vier Wochen entweder zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen.

169

Wie der Generalanwalt in Nr. 126 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, erlegt Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Verkehrsunternehmen somit eine Verpflichtung zur Organisation der Arbeit der Fahrer in dem Sinne auf, dass diese Unternehmen in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber unter Einsatz aller Mittel, über die sie im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit ihren Fahrern verfügen, die Rückkehr der Fahrer während ihrer Arbeitszeit an einen der beiden in dieser Bestimmung genannten Orte, nämlich die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den Wohnsitz der Fahrer, ermöglichen müssen, wobei diese Verpflichtung im Übrigen auf einen dieser beiden Orte beschränkt ist und sich somit nicht auf andere Orte erstreckt.

170

Die in der vorstehenden Randnummer genannte Verpflichtung gilt jedoch unbeschadet der Freiheit des Fahrers, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit an dem Ort zu verbringen, an dem er dies wünscht.

171

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 erlegt den Fahrern nämlich keine Verpflichtung hinsichtlich des Ortes auf, an dem ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit genommen wird. Insbesondere garantiert diese Bestimmung, wie der achte Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 bestätigt, den Fahrern zwar das „Recht“, an einen der beiden in ihr genannten spezifischen Orte zurückzukehren, um diese Ruhezeit zu beginnen oder zu verbringen, doch erlegt sie den Fahrern insoweit keine Verpflichtung auf. Sie sieht also nicht vor, dass die Fahrer unter allen Umständen zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückkehren müssen, da es ihnen freisteht, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit an dem Ort zu verbringen, an dem sie dies wünschen.

172

Die Tragweite, die der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 aufgestellten Verpflichtung beizumessen ist, wird im Übrigen durch den 14. Erwägungsgrund dieser Verordnung bestätigt, in dem dargelegt wird, dass, um zu verhindern, dass die Fahrer über einen übermäßig langen Zeitraum von ihrem Wohnsitz abwesend sind, Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer so planen müssen, dass „es möglich ist“, je nach Fall, alle drei oder vier Wochen die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen, wobei ausdrücklich klargestellt wird, dass es den Fahrern „freigestellt sein [sollte] zu wählen, wo sie ihre Ruhezeit verbringen“.

173

Daraus ergibt sich somit, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zwar die Freiheit der Fahrer bei der Wahl des Ortes, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit beginnen oder verbringen wollen, unberührt lässt, der Unionsgesetzgeber jedoch vor allem und grundsätzlicher darauf geachtet hat, dass auf die Fahrer kein Druck ausgeübt wird, damit sie sich angeblich dafür entscheiden, nicht zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren. In dieser Hinsicht wurde in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 49) darauf hingewiesen, dass es für die Fahrer schwierig sei, die Freiheit ihrer Wahl nachzuweisen, wenn sie sich dafür entschieden, ihre Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen.

174

Es ist nämlich darauf hinzuweisen, dass, da der Arbeitnehmer als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen ist, verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann oder dass ein Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden kann, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 14. Mai 2019, CCOO, C‑55/18, EU:C:2019:402, Rn. 44 und 45 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

175

Somit kann Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien nicht dahin ausgelegt werden, dass er es einem Arbeitgeber erlaubt, sich von der Verpflichtung, die Arbeit seiner Fahrer zu so zu planen, um ihre Rückkehr zu ermöglichen, mit der Begründung zu befreien, dass diese im Voraus und allgemein auf das ihnen durch diese Bestimmung eingeräumte Recht verzichtet hätten, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit an dem Ort zu nehmen, an dem sie dies wünschen.

176

Wie der Rat zutreffend ausgeführt hat, ergänzt Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 somit Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 561/2006, dessen Inhalt im Wesentlichen durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. b der Verordnung 2020/1054 nicht geändert wurde und aus dem sich ergibt, dass, wenn der Fahrer das Fahrzeug an einem anderen Ort als seinem Wohnsitz oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers verlässt, die verbrachte Zeit, um zu einem Fahrzeug anzureisen oder von diesem zurückzureisen, grundsätzlich nicht als Teil der Ruhepause anzusehen ist. In diesem Kontext garantiert Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Fahrern nunmehr das Recht, das Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 561/2006 zugrunde liegt, einen dieser beiden Orte zu erreichen, um dort ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen. Da die für diese Rückkehr erforderliche Zeit nicht unter die Ruhepause, sondern unter die Arbeitszeit fällt, ist es Sache des Arbeitgebers, etwaige mit dieser Rückkehr verbundene Kosten zu tragen.

177

Daraus folgt, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Verkehrsunternehmen verpflichtet, die Arbeit ihrer Fahrer so zu planen, dass sie je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte des Unternehmens oder zu ihrem Wohnsitz zurückkehren können, um dort ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen.

178

Da andernfalls die Wirksamkeit des Rechts des Fahrers auf Rückkehr zu einem der in der vorstehenden Randnummer genannten Orte beeinträchtigt würde, verpflichtet diese Bestimmung das Verkehrsunternehmen grundsätzlich auch, auf eigene Kosten die Rückkehr dieses Fahrers zu planen, es sei denn, der Fahrer entscheidet sich dafür, nicht dorthin zurückzukehren, um dort seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen. Daher ist ein Verkehrsunternehmen nicht verpflichtet, die notwendigen Schritte zu unternehmen, um die Rückkehr eines bestimmten Fahrers zu planen, wenn dieser es über seine Entscheidung informiert hat, nicht an einen dieser Orte zurückkehren zu wollen.

179

Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen verpflichtet Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Verkehrsunternehmen daher auch nicht, die Fahrer zu zwingen, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit tatsächlich an ihrem eigenen Wohnsitz zu verbringen, da ein Arbeitgeber nämlich nicht vorschreiben kann, an welchem Ort sein Arbeitnehmer diese Ruhezeit verbringen wird, und erst recht nicht die Tätigkeiten eines Fahrers kontrollieren, wenn er nicht arbeitet.

180

Aus diesen Erwägungen folgt auch, dass es entgegen dem, was die Republik Litauen in Betracht zieht, weder eine Sanktion gegen den Fahrer geben kann, wenn er sich weigert, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit an seinem Wohnsitz zu verbringen, noch gegen das Verkehrsunternehmen, wenn der Fahrer nicht an einen der in dieser Bestimmung genannten Orte zurückkehrt, sofern dieses Unternehmen nachweisen kann, dass sich der Fahrer aus freien Stücken dafür entschieden hat, von der Rückkehrmöglichkeit, die es zu organisieren beabsichtigte, keinen Gebrauch zu machen.

181

Was zweitens das Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Polen betrifft, die Verordnung 2020/1054 enthalte keine näheren Angaben zur praktischen Umsetzung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung, die die Rückkehr der Fahrer, insbesondere die Organisation einer etwaigen Rückkehr durch die Verkehrsunternehmen, erlauben soll, ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 159 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Grundsatz der Rechtssicherheit den Unionsgesetzgeber nicht darin hindert, im Rahmen einer von ihm erlassenen Norm einen abstrakten Rechtsbegriff zu verwenden, und auch nicht gebietet, dass in einer solchen abstrakten Norm die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Gesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann.

182

Die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verlangt somit vom Unionsgesetzgeber weder, dass er alle spezifischen Modalitäten der Durchführung der Bestimmungen eines Gesetzgebungsakts festlegt, noch, dass er alle konkreten Situationen erfasst, auf die diese Bestimmungen Anwendung finden können, da der Unionsgesetzgeber, wie sich aus der in Rn. 160 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, berechtigt ist, im Bemühen um Flexibilität, und um unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu handeln, einen allgemeinen Rechtsrahmen zu schaffen, der gegebenenfalls später konkretisiert werden muss.

183

Daher kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, dass er in einer Bestimmung mit allgemeiner Geltung wie Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht alle praktischen Modalitäten für die Organisation der Arbeit im Hinblick auf die etwaige Rückkehr der Fahrer festgelegt hat, insbesondere diejenigen, die das Beförderungsmittel betreffen, das sie für diese Rückkehr verwenden können. Solche Klarstellungen hätten die Flexibilität beeinträchtigt, die der Unionsgesetzgeber den Verkehrsunternehmen in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber einräumen wollte, um im Rahmen des mit ihren Fahrern begründeten Arbeitsverhältnisses selbst über die konkreten Modalitäten der Ausübung der entsprechenden Rechte der Fahrer nach Maßgabe jeder besonderen Situation zu entscheiden. Da andernfalls dieses Flexibilitätsgebot missachtet würde, kann dem Unionsgesetzgeber auch nicht vorgeworfen werden, in einer solchen Bestimmung mit allgemeiner Geltung nicht die Modalitäten erläutert zu haben, nach denen die Verkehrsunternehmen die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung mit der Beachtung der Freiheit der Fahrer in Einklang bringen müssen, den Ort zu wählen, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen wollen, da solche Modalitäten nämlich von jedem Einzelfall abhängen.

184

Ebenso ist das Vorbringen der Republik Litauen zurückzuweisen, dass der Begriff „Wohnsitz“ des Fahrers nicht klar definiert sei. Im Hinblick auf die gewöhnliche Bedeutung dieses Ausdrucks und nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, wonach sich der Wohnsitz danach bestimmt, wo sich der gewöhnliche Mittelpunkt der Interessen des Betroffenen befindet (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 11. November 2004, Adanez-Vega, C‑372/02, EU:C:2004:705, Rn. 37, sowie vom 11. September 2014, B., C‑394/13, EU:C:2014:2199, Rn. 26 und die dort angeführte Rechtsprechung), ist nämlich davon auszugehen, dass sich dieser Begriff klar und deutlich auf einen bestimmten Ort bezieht und nicht, wie von der Republik Litauen in Betracht gezogen, auf das gesamte Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats.

185

Was die besondere Situation von Fahrern aus Drittstaaten betrifft, kann auch nicht geltend gemacht werden, dass der Umstand, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 diese Situation nicht ausdrücklich regelt, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit darstellt, da nach dieser Bestimmung das Verkehrsunternehmen die Rückkehr solcher Fahrer während ihrer Arbeitszeit entweder an ihren gegebenenfalls in einem Drittland gelegenen Wohnort oder an die Betriebsstätte des Arbeitgebers im Unionsgebiet ermöglichen muss.

186

Was drittens das speziellere Vorbringen der Republik Polen in diesem Zusammenhang betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Verkehrsunternehmen offenbar die Verpflichtung auferlege, sicherzustellen, dass die Fahrer zunächst zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückkehren könnten, bevor sie anschließend zu ihrem eigenen Wohnsitz zurückkehren könnten, wodurch ihnen die Möglichkeit genommen werde, unmittelbar an den Wohnsitz zurückzukehren, so kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung im Licht des 14. Erwägungsgrundes dieser Verordnung ergibt sich nämlich, dass die Fahrer die Möglichkeit haben müssen, an den ersten „oder“ an den zweiten dieser beiden spezifischen Orte zurückzukehren, um dort ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen. Die angeblichen praktischen Komplikationen, die mit der Verpflichtung eines Fahrers verbunden sein sollen, zunächst zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückzukehren, bevor er an seinen Wohnsitz zurückkehren kann, beruhen somit auf einem falschen Verständnis dieser Bestimmung durch diesen Mitgliedstaat.

187

Im Übrigen trifft es zwar zu, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den Fahrern nicht vorschreibt, zunächst zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückzukehren, bevor sie entsprechend ihrem Wunsch zu ihrem Wohnsitz zurückkehren, doch verbietet er einem Verkehrsunternehmen in seiner Eigenschaft als Arbeitgeber nicht, die von ihm beschäftigten Fahrer unter der Voraussetzung, dass diese Verpflichtung während der Arbeitszeit auferlegt wird, zu verpflichten, zunächst zu dieser Betriebsstätte zurückzukehren, da eine solche Verpflichtung hinsichtlich der Arbeitszeit unter das auf das Arbeitsverhältnis zwischen diesem Unternehmen und seinen Fahrern anwendbare Recht fällt.

188

Außerdem nimmt eine solche etwaige Verpflichtung, zunächst an die Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückzukehren, den betroffenen Fahrern keineswegs das Recht, den Ort zu wählen, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit nehmen wollen, nachdem sie gegebenenfalls der Weisung ihres Arbeitgebers nachgekommen sind, zu dieser Betriebsstätte zurückzukehren, und damit eine Verpflichtung erfüllt haben, die ihnen aufgrund des mit diesem begründeten Arbeitsverhältnisses obliegt.

189

Was viertens das Vorbringen der Republik Polen betrifft, wonach Unterabs. 3 von Art. 8 Abs. 8a der Verordnung Nr. 561/2006, der durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in die Verordnung Nr. 561/2006 eingefügt worden sei, hinsichtlich der Art, wie die Verkehrsunternehmen die Einhaltung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung nachweisen müssten, unklar sei, ist darauf hinzuweisen, dass diese Nachweispflicht nach dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 sowohl durch Fahrtenschreiberaufzeichnungen, Dienstpläne der Fahrer als auch durch alle anderen Unterlagen erfüllt werden kann.

190

Daraus ergibt sich, wie der Generalanwalt in Nr. 140 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass der Unionsgesetzgeber den Verkehrsunternehmen eine gewisse Flexibilität einräumen wollte, indem er ihnen die Möglichkeit einräumte, mit Hilfe aller hierfür relevanten Unterlagen sowohl die Einhaltung der Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 als auch die Art und Weise nachzuweisen, in der diese Verpflichtung gegebenenfalls in einem bestimmten Fall mit der vom Fahrer geäußerten Entscheidung, seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit an einem anderen Ort als seinem Wohnsitz zu nehmen, in Einklang gebracht wurde. Eine solche Flexibilität steht im Übrigen im Einklang mit der Flexibilität, die der Unionsgesetzgeber den Verkehrsunternehmen in Bezug auf die Organisation der Rückkehr des Fahrers selbst bietet.

191

Insoweit bedeutet der Umstand, dass Art. 8 Abs. 8a Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 561/2006, der durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in diese Verordnung eingefügt wurde, nicht genauer festlegt, auf welche Weise, insbesondere mit welchen Unterlagen, die Verkehrsunternehmen nachweisen können, dass sie ihrer Verpflichtung nach dieser Bestimmung nachkommen, nicht, dass diese Bestimmung gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt.

192

Zunächst sind nämlich die Erfordernisse des Grundsatzes der Rechtssicherheit nicht dahin zu verstehen, wie sich aus der in Rn. 159 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, dass sie gebieten, dass in einer Norm die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Unionsgesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann. Folglich muss eine Bestimmung wie die in Art. 8 Abs. 8a Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 561/2006 vorgesehene, die durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eingefügt wurde, die auf eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte anwendbar ist, nicht im Einzelnen angeben oder regeln, auf welche Sachverhalte sie Anwendung finden soll.

193

Was sodann die Fahrtenschreiberaufzeichnungen betrifft, die nach dem 14. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 relevante Nachweise darstellen können, enthält die Verordnung Nr. 165/2014 in der durch Art. 2 der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung selbst eine Reihe spezieller Bestimmungen, die die Kontrolle der Einhaltung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 561/2006 gewährleisten sollen, wobei die Kommission nach Art. 2 Nr. 8 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 mit dem Erlass genauer Vorschriften für die einheitliche Anwendung der Verpflichtung zur Aufzeichnung und Speicherung bestimmter Daten betreffend die Arbeitszeit betraut ist.

194

Soweit es im Übrigen erforderlich sein sollte, bestimmte konkrete Modalitäten für die Erfüllung der Verpflichtungen aus Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 durch die Verkehrsunternehmen, wie die Verpflichtungen im Bereich des Nachweises der Einhaltung dieser Bestimmung, noch genauer zu bestimmen, ist darauf hinzuweisen, dass Art. 18 der Verordnung Nr. 561/2006, der durch die Verordnung 2020/1054 nicht geändert wurde, die Mitgliedstaaten gemäß Art. 291 Abs. 1 AEUV ausdrücklich ermächtigt, die zur Durchführung der Verordnung Nr. 561/2006 erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen. Nach ständiger Rechtsprechung können die Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Durchführung einer Verordnung erlassen, wenn sie deren unmittelbare Anwendbarkeit nicht vereiteln, deren unionsrechtliche Natur nicht verbergen und die Ausübung des ihnen durch die betreffende Verordnung verliehenen Wertungsspielraums innerhalb der Grenzen dieser Vorschriften konkretisieren (Urteil vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark, C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 28 und die dort angeführte Rechtsprechung).

195

Sofern es an einer präzisen Regelung auf Unionsebene oder auf nationaler Ebene hinsichtlich der Art und Weise, in der die Verkehrsunternehmen nachweisen müssen, dass sie die ihnen nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 obliegende Verpflichtung erfüllen, fehlt, ist es schließlich Sache dieser Unternehmen selbst, in ihrer Eigenschaft als Arbeitgeber, im Rahmen der vom Unionsgesetzgeber gebotenen Flexibilität eine zuverlässige und wirksame Methode festzulegen, indem sie alle Mittel einsetzen, über die sie im Rahmen des Arbeitsverhältnisses mit ihren Fahrern verfügen, mit der die Einhaltung der Beweisanforderung in Bezug auf diese Verpflichtung sichergestellt werden kann (vgl. entsprechend Urteil vom 30. Januar 2019, Planta Tabak, C‑220/17, EU:C:2019:76, Rn. 33 und die dort angeführte Rechtsprechung).

196

Was fünftens das Vorbringen der Republik Bulgarien betrifft, das auf bestimmte Hinweise aus dem Gesetzgebungsverfahren gestützt wird, genügt die Feststellung, dass weder die Erläuterungen des Parlaments zu den in diesem Verfahren verworfenen Abänderungen noch diejenigen, die der Rat in seiner Begründung zum Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ dargelegt hat, die Zwischenhandlungen darstellen, die von den Unionsorganen zur Vorbereitung des Erlasses eines Gesetzgebungsakts erlassen wurden, ohne ihren Standpunkt endgültig festzulegen, sich auf die Auslegung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auswirken können, wie sie sich aus dem Wortlaut der vom Unionsgesetzgeber erlassenen endgültigen Fassung dieser Bestimmung ergibt. Daraus folgt, dass solche Dokumente nicht zu Rechtsunsicherheit führen können.

197

Gleiches gilt für die Erklärungen, die die Kommission nach dem Erlass der Verordnung 2020/1054 abgegeben hat, wie diejenigen, die in den in Rn. 155 des vorliegenden Urteils angeführten Dokumenten „Fragen und Antworten“ betreffend diese Verordnung enthalten sind, da diese Dokumente, die im Übrigen nicht ungewöhnlich sind, rechtlich nicht verbindlich sind (vgl. entsprechend Urteil vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark, C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 47). Diese Erklärungen können daher keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung belegen.

198

Sechstens schließlich kann der von der Republik Bulgarien geltend gemachte Umstand, dass von der belgischen Polizei allein deshalb eine Geldbuße verhängt worden sei, weil der kontrollierte Fahrer nach 13 Wochen nicht zurückgekehrt sei, ohne dass beurteilt worden wäre, an welchem Ort der Fahrer seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit habe verbringen wollen, obwohl der Fahrer die Möglichkeit gehabt habe, an seinen Wohnsitz oder in den Mitgliedstaat, in dem sein Arbeitgeber niedergelassen sei, zurückzukehren, selbst wenn er erwiesen wäre, nicht belegen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstößt. Ein solcher Verstoß kann nämlich vernünftigerweise nicht aus der Art und Weise abgeleitet werden, in der die nationalen Behörden diese Bestimmung im Einzelfall angewandt haben.

199

Folglich sind der vierte Teil des vierten Klagegrundes der Republik Litauen, der dritte Klagegrund der Republik Bulgarien und der zweite Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

200

Daraus folgt, dass die übrigen Klagegründe und Argumente, die die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgebracht haben, zurückzuweisen sind, wie die beiden erstgenannten Mitgliedstaaten in ihrer Klage und in der mündlichen Verhandlung selbst ausdrücklich anerkannt haben, da sie auf der falschen Prämisse beruhen, dass diese Bestimmung die Fahrer verpflichte, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, ohne ihnen zu gestatten, selbst den Ort zu wählen, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen möchten.

2) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

i) Vorbringen der Parteien

201

Die Republik Litauen, mit dem ersten bis dritten Teil ihres vierten Klagegrundes, die Republik Bulgarien, mit ihrem zweiten Klagegrund, Rumänien, mit dem zweiten Teil seines ersten Klagegrundes, und die Republik Polen, mit ihrem ersten Klagegrund, machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben.

202

Erstens bestreiten diese vier Mitgliedstaaten die Verhältnismäßigkeit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung als solche.

203

Als Erstes sind die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen der Ansicht, dass diese Verpflichtung wegen ihrer negativen Folgen für die Verkehrsunternehmen, insbesondere was die erheblichen finanziellen Kosten für diese Unternehmen angehe, nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei.

204

Zum einen führe diese Verpflichtung zu Betriebskosten im Zusammenhang mit der Organisation der Rückkehr in den Niederlassungsmitgliedstaat sowie zu Einkommensverlusten im Zusammenhang mit der Zeit für diese Rückkehr, in der die Fahrer, die in unbeladenen Fahrzeugen reisten, keine gewinnbringende Tätigkeit ausübten, was zu einer Beschränkung der Geschäftstätigkeit und zu einem Rückgang der Einnahmen führe. Zum anderen bringe die den Verkehrsunternehmen durch den dritten Unterabsatz von Art. 8 Abs. 8a der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eingefügt worden sei, auferlegte Verpflichtung, zu dokumentieren, wie sie der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung nachkämen, auch erhebliche zusätzliche Belastungen mit sich.

205

Die Verkehrsunternehmen seien überwiegend KMU, für die alle diese Belastungen besonders schwerwiegend seien. Der EWSA habe auf die Notwendigkeit hingewiesen, diese Belastungen zu begrenzen, und der AdR habe seinerseits darauf hingewiesen, dass die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union größere Schwierigkeiten hätten, das Zentrum des Binnenmarkts zu erreichen. Außerdem sei die in Rede stehende Bestimmung in der Zeit der durch die Covid‑19-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise erlassen worden, was ihre negativen Auswirkungen vergrößere.

206

Als Zweites sei die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Fahrer nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

207

Zunächst machen die Republik Litauen und die Republik Bulgarien geltend, dass diese Verpflichtung gegen diesen Grundsatz verstoße, da sie dadurch, dass sie das Recht der Fahrer einschränke, selbst zu wählen, wo sie ihre Ruhezeit verbringen wollten, und damit ihre Freizügigkeit beeinträchtige, eine offensichtlich ungeeignete Maßnahme darstelle, die über das hinausgehe, was zur Erreichung des Ziels, das in der Verbesserung der Bedingungen bestehe, unter denen Arbeitnehmer sich erholen könnten, erforderlich sei. In diesem Rahmen macht die Republik Polen geltend, dass diese Verpflichtung gegen Art. 4 Buchst. f der Verordnung Nr. 561/2006 verstoße, wonach der Ausdruck „Ruhepause“ jeden ununterbrochenen Zeitraum umfasse, in dem ein Fahrer frei über seine Zeit verfügen könne. Dieser Mitgliedstaat macht ferner geltend, der Unionsgesetzgeber habe in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 willkürlich die Orte bestimmt, an denen die Fahrer ihre Ruhezeit nehmen müssten.

208

Sodann tragen die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen vor, dass die höhere Zahl von Fahrten, die mit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung verbunden seien, zu einer zusätzlichen Ermüdung der Fahrer führe, insbesondere für diejenigen, die in die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union zurückkehren müssten. Das durch diese Verpflichtung verursachte Ungleichgewicht für diese Fahrer beeinträchtige ihre Gesundheit und ihre Arbeitsfähigkeit angesichts der Erschöpfung, die der intensive Rhythmus der Rückkehr bei ihnen verursache. Dies hätte auch negative Auswirkungen auf die Sicherheit des Straßenverkehrs. Daher sei die in Rede stehende Maßnahme nicht geeignet, das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel zu erreichen, die Arbeitsbedingungen der Fahrer in der Union sowie die Straßenverkehrssicherheit zu verbessern.

209

Schließlich macht Rumänien geltend, obwohl eines der Ziele der Verordnung 2020/1054, wie sich aus ihrem ersten Erwägungsgrund ergebe, darin bestehe, qualifizierte Arbeitskräfte im Straßenverkehr anzuziehen, setze die erzwungene Verlagerung von Verkehrsunternehmen, die durch die mit dieser neuen Verpflichtung verbundenen Kosten verursacht werde, eine große Zahl von ihnen der Gefahr aus, ihren Arbeitsplatz zu verlieren oder in einen anderen Mitgliedstaat auszuwandern, um die Tätigkeit, für die sie qualifiziert seien, weiterhin ausüben zu können. Nach den Informationen, die Rumänien zur Verfügung stünden, beabsichtigten mehr als 45 % der in diesem Mitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmen, Gesellschaften und Tochtergesellschaften zu gründen oder ihre Tätigkeit in Mitgliedstaaten Westeuropas zu verlagern, um die negativen Auswirkungen der Maßnahmen des „Mobilitätspakets“ abzumildern. Diese negativen Auswirkungen entstünden in einem Sektor, der für die Volkswirtschaft von entscheidender Bedeutung sei, da die Güterkraftverkehrsdienstleistungen zu den Sektoren gehörten, die die wichtigsten Ausfuhren für Rumänien erzeugten und die erheblich zum Gleichgewicht der nationalen Handelsbilanz beitrügen.

210

Als Drittes sind die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen der Ansicht, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung wegen ihrer negativen Auswirkungen auf die Umwelt nicht mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei. Diese Verpflichtung impliziere die Planung zusätzlicher Fahrten für die Abfahrt und Rückkehr von Tausenden von Fahrern pro Tag. Insbesondere seien die Fahrer, die aus Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union kämen, objektiv verpflichtet, sehr weite Strecken zu reisen, die weit über die Strecken ihrer Kollegen in Mittel- und Westeuropa hinausgingen, wo der Großteil der Beförderungen in der Union stattfinde. Außerdem würden die Rückfahrten wahrscheinlich mit einer verringerten Ladung oder sogar ohne Ladung erfolgen, wodurch Tausende von Fahrzeugen gezwungen würden, leer zu reisen. Dieser erhebliche Anstieg der Zahl der Fahrten würde zu einer Erhöhung der Emissionen an Kohlendioxyd (CO2) führen und erhebliche Auswirkungen auf die Umwelt haben.

211

Als Viertes machen die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen geltend, dass es für die Fahrer und die Verkehrsunternehmen weniger belastende Lösungen gebe. Die Freiheit der Fahrer hätte nämlich gewahrt werden können, indem eine Verpflichtung der Verkehrsunternehmen vorgesehen worden wäre, die Rückkehr nur in den Fällen zu organisieren, in denen die Fahrer zurückkehren wollten. Auf diese Weise hätten die Verkehrsunternehmen keine übermäßigen zusätzlichen Kosten zu tragen. Diese Alternativlösung gewährleiste mehr Flexibilität und damit einen angemessenen Schutz der Rechte der Fahrer. Im Übrigen weist die Republik Polen darauf hin, dass eine Maßnahme in diesem Sinne vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Parlaments im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens vorgeschlagen worden sei.

212

Zweitens beanstanden Rumänien und die Republik Polen die vom Unionsgesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit der von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Maßnahme und insbesondere das Fehlen einer Folgenabschätzung zur endgültigen Fassung der Bestimmung unter Verstoß gegen die Interinstitutionelle Vereinbarung, insbesondere deren Nrn. 12 bis 15. Der Unionsgesetzgeber habe somit mehrere relevante Umstände für die Situation, die diese Bestimmung regeln solle, nicht geprüft.

213

Als Erstes macht die Republik Polen geltend, der Unionsgesetzgeber habe nicht geprüft, ob die Erfüllung der Verpflichtung nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zu einer Intensivierung des Verkehrs beitrage. In der Praxis, und da diese Verpflichtung über den Straßenverkehr erfüllt werde, ziehe jedoch die Einhaltung dieser Verpflichtung 8880000 Rückreisen in einem Jahr nach sich. Außerdem habe der Unionsgesetzgeber die beträchtlichen Entfernungen, die die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union beschäftigten Fahrer für die Erfüllung dieser Verpflichtung zurücklegen müssten, nicht berücksichtigt.

214

Als Zweites macht die Republik Polen geltend, der Unionsgesetzgeber habe keine angemessene Analyse der Auswirkungen der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung auf die Sicherheit der Fahrer vorgenommen. Der Gesetzgeber habe die Stellungnahme des EWSA betreffend den Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ außer Acht gelassen, mit dem dieser Ausschuss bedauert habe, dass die vorgeschlagenen Änderungen nicht auf einer gründlichen Bewertung der Sicherheit der Fahrgäste und Fahrer sowie der Straßenverkehrssicherheit in Bezug auf die Ermüdung von Fahrern beruhten. Rumänien macht geltend, die Auswirkungen wiederholter langer Reisen über kurze Zeiträume auf die Letzteren seien beim Erlass dieser Bestimmung nicht berücksichtigt worden.

215

Als Drittes bringt die Republik Polen vor, im Gegensatz zu seiner ursprünglichen Fassung verpflichte der endgültige Text von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Verkehrsunternehmen, ohne dass insoweit eine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei, dazu, zu dokumentieren, wie sie der darin vorgesehenen Verpflichtung nachkämen, und diese Unterlagen aufzubewahren, um sie im Fall einer Kontrolle vorlegen zu können. Einer derartigen Verpflichtung hätte eine umfassende Analyse ihrer Auswirkungen vorausgehen müssen, bei der die Tatsache berücksichtigt werde, dass es sich bei den Verkehrsunternehmen überwiegend um KMU handele.

216

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

217

Mit ihrem Vorbringen stellen die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen die Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Frage. Da Rumänien und die Republik Polen im Übrigen bestreiten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung geprüft hat, ist zunächst dieses letztgenannte Vorbringen zu prüfen.

– Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 durch den Unionsgesetzgeber

218

Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs muss der Unionsgesetzgeber in der Lage sein, vor dem Gerichtshof zu belegen, dass er den fraglichen Rechtsakt erlassen hat, indem er sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat. Zu diesem Zweck muss er zumindest in der Lage sein, die Grunddaten, auf deren Grundlage dieser Rechtsakt erlassen wurde und von denen die Ausübung seines Ermessens abhing, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 116 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

219

Allerdings verfügt der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen, das sich nicht nur auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern auch auf die Feststellung dieser Grunddaten bezieht (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 114 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

220

Insoweit ist nach ständiger Rechtsprechung die Form, in der diese Daten aufgeführt sind, ohne Bedeutung. Der Unionsgesetzgeber kann nicht nur die Folgenabschätzung, sondern auch jede andere Informationsquelle berücksichtigen (Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 31 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

221

So hat der Gerichtshof klargestellt, dass sich aus dem Wortlaut der Nrn. 12 bis 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung keine Verpflichtung ergibt, unter allen Umständen eine Folgenabschätzung durchzuführen (Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 82).

222

Die Interinstitutionelle Vereinbarung sieht in Nr. 14 zwar vor, dass das Parlament und der Rat bei der Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge der Kommission die Folgenabschätzungen der Kommission in vollem Umfang berücksichtigen müssen, in Nr. 12 dieser Vereinbarung heißt es jedoch, dass diese „ein Instrument [darstellen], das den drei Organen dabei hilft, fundierte Entscheidungen zu treffen, und … kein Ersatz für politische Entscheidungen im demokratischen Entscheidungsprozess [sind]“. Somit sind das Parlament und der Rat, auch wenn sie verpflichtet sind, die Folgenabschätzungen der Kommission zu berücksichtigen, gleichwohl nicht an deren Inhalt gebunden, insbesondere was die darin enthaltenen Beurteilungen betrifft (Urteil vom 21. März 2024, Landeshauptstadt Wiesbaden, C‑61/22, EU:C:2024:251, Rn. 101 und die dort angeführte Rechtsprechung).

223

Daher ist der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber eine andere, gegebenenfalls belastendere Maßnahme als die nach der Folgenabschätzung empfohlene getroffen hat, für sich genommen kein geeigneter Beweis dafür, dass er die Grenzen dessen überschritten hat, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich war (Urteil vom 21. März 2024, Landeshauptstadt Wiesbaden, C‑61/22, EU:C:2024:251, Rn. 102 und die dort angeführte Rechtsprechung).

224

Ebenso ergibt sich aus der Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass, wenn der Unionsgesetzgeber wesentliche Aspekte des von der Kommission vorgelegten Vorschlags ändert, Nr. 15 der Interinstitutionellen Vereinbarung keine zwingende Verpflichtung zulasten des Unionsgesetzgebers schafft, die Folgenabschätzung der Kommission zu aktualisieren, sondern nur die Möglichkeit vorsieht, eine solche Aktualisierung vorzunehmen, wenn das Parlament und der Rat dies „für zweckmäßig und erforderlich halten“ (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 43).

225

Demnach bildet zwar die Erstellung von Folgenabschätzungen einen Abschnitt des Rechtsetzungsverfahrens, der im Allgemeinen durchgeführt werden muss, sobald eine Gesetzgebungsinitiative erhebliche wirtschaftliche, ökologische oder soziale Auswirkungen haben kann, die Nichtdurchführung einer solchen Folgenabschätzung kann jedoch nicht als Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingestuft werden, wenn sich der Unionsgesetzgeber in einer besonderen Lage befindet, die es erforderlich macht, davon abzusehen, und über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt, die es ihm ermöglichen, die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahme zu beurteilen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 84 und 85).

226

Insoweit kann es auch dazu kommen, dass der Unionsgesetzgeber, um sein Ermessen tatsächlich auszuüben, im Lauf des Gesetzgebungsverfahrens verfügbar gewordene wissenschaftliche Daten und weitere Feststellungen, einschließlich der von den Mitgliedstaaten bei den Sitzungen des Rates verwendeten wissenschaftlichen Unterlagen, die sich nicht in dessen Besitz befinden, berücksichtigen muss (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 86 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Der Unionsgesetzgeber kann auch Informationen berücksichtigen, die allgemein und allen interessierten Personen oder Unternehmen zugänglich sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Juli 2010, Afton Chemical, C‑343/09, EU:C:2010:419, Rn. 39).

227

Im vorliegenden Fall steht fest, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung 2020/1054 über eine Folgenabschätzung verfügte und dass diese u. a. die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung betraf. Nachdem nämlich in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 20), der Begleitunterlage zum Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“, auf die negativen Auswirkungen auf die Gesundheit der Fahrer im Hinblick auf Stress und Ermüdung aufgrund der langen Zeiträume der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz hingewiesen worden war, wurde darin im Einzelnen die Auswirkung einer Maßnahme, die den Fahrern die Inanspruchnahme ihrer wöchentlichen Ruhezeit an ihrem Wohnsitz erleichtert, geprüft (Teil 1/2, S. 41, 55 und 63).

228

In diesem Zusammenhang sah Art. 1 Nr. 5 Buchst. c dieses Vorschlags die Einfügung eines Abs. 8b in Art. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 vor, der bestimmte, dass ein Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer so zu planen hat, dass die Fahrer in der Lage sind, innerhalb jedes Zeitraums von drei aufeinanderfolgenden Wochen mindestens eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit am Wohnort zu verbringen.

229

Zwar war, wie die Republik Polen zur Stützung ihres Vorbringens zutreffend ausführt, die endgültige Fassung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung, wie sie vom Unionsgesetzgeber erlassen wurde, nicht Gegenstand einer ergänzenden Folgenabschätzung, obwohl sie von Art. 1 Nr. 5 Buchst. c des Vorschlags für eine „Arbeitszeitverordnung“ abweicht.

230

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der in den Rn. 220 bis 226 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Unionsgesetzgeber nicht nur nicht verpflichtet ist, unter allen Umständen über eine Folgenabschätzung zu verfügen, sondern eine solche Folgenabschätzung ihn auch nicht bindet, so dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung waren. Daher kann der bloße Umstand, dass der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall in der Verordnung 2020/1054 eine andere Bestimmung als die erlassen hat, die die Kommission auf der Grundlage der Folgenabschätzung – Sozialer Teil vorgeschlagen hatte, nicht für den Nachweis ausreichen, dass der Unionsgesetzgeber keine Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgenommen hat.

231

Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen werden diese Erwägungen durch die Interinstitutionelle Vereinbarung, insbesondere deren Nr. 15, in keiner Weise in Frage gestellt. Zwar heißt es in dieser Bestimmung, dass „das … Parlament und der Rat Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen wesentlichen Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchführen [werden]“, doch enthält diese Nr. 15, wie in Rn. 224 des vorliegenden Urteils ausgeführt, keine zwingende Verpflichtung zulasten dieser Organe, da sie nur die Möglichkeit vorsieht, eine solche Folgenabschätzung durchzuführen, wenn das Parlament und der Rat nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut „dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten“.

232

Jedenfalls ist zum einen festzustellen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die von der Kommission in ihrem Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ vorgesehene Regel der Rückkehr der Fahrer alle drei Wochen auf den Fall beschränkt, dass der Fahrer gemäß der Ausnahmeregelung in Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 eingefügt wurde, zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten genommen hat. Nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der letzteren Verordnung ist somit die Rückkehr der Fahrer alle vier Wochen die Grundregel.

233

Zum anderen sieht Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vor, dass das Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer auch so planen kann, dass jeder Fahrer entweder an seinen Wohnsitz oder an die Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückkehren kann. Die letztgenannte Option müsste, wie der Rat ausgeführt hat, geeignet sein, die Einhaltung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung zu erleichtern, insbesondere dann, wenn, wie in Rn. 185 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Fahrer in einem Drittland oder an einem Ort wohnt, der von der Betriebsstätte des Arbeitgebers weit entfernt ist.

234

Daraus folgt, dass eine Verpflichtung zur Durchführung einer ergänzenden Folgenabschätzung im vorliegenden Fall umso weniger geboten war, als die letztlich vom Unionsgesetzgeber in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gewählte Bestimmung für die Verkehrsunternehmen flexibler ist als die von der Kommission vorgeschlagene, so dass ihre Auswirkungen auf diese Unternehmen geringer sind.

235

Keines der von Rumänien und der Republik Polen vorgebrachten Argumente ist geeignet, darzutun, dass der Unionsgesetzgeber verpflichtet gewesen wäre, über eine solche ergänzende Folgenabschätzung in Bezug auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung zu verfügen.

236

Was erstens das Vorbringen Rumäniens und der Republik Polen betrifft, der Unionsgesetzgeber habe die Auswirkungen der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung wegen der damit verbundenen zusätzlichen Fahrten auf das Verkehrsaufkommen nicht geprüft, ergibt sich aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 20 und 21), dass bereits vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung, und auch wenn es gewisse Unterschiede je nachdem gab, ob die Fahrer in einem Mitgliedstaat beschäftigt waren, der ab dem 1. Mai 2004 oder vor diesem Zeitpunkt der Union beigetreten ist, die meisten Fahrer unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat ihr Arbeitgeber niedergelassen war, mindestens alle vier Wochen an ihren Wohnsitz zurückkehrten. Insbesondere weist diese Folgenabschätzung insoweit darauf hin, dass zwar immer mehr Fahrer, die hauptsächlich in einem der Union seit dem 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaat beschäftigt sind, lange Zeiträume weit weg von zuhause verbringen, dass aber selbst diese Fahrer in der Regel nur zwischen zwei und vier aufeinanderfolgenden Wochen auf der Straße verbrachten, bevor sie an ihren Wohnsitz zurückkehrten, während die Fahrer, die in einem Mitgliedstaat beschäftigt sind, der der Union vor diesem Zeitpunkt beigetreten ist, in der Regel nicht mehr als eine bis zwei Wochen von ihrem Wohnsitz abwesend sind. Daraus ergibt sich, dass der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, um die Auswirkungen von diesem Art. 1 Nr. 6 Buchst. d auf das Verkehrsaufkommen zu beurteilen.

237

Zweitens ist das Vorbringen der Republik Polen, der Unionsgesetzgeber habe keine angemessene Analyse der Auswirkungen der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung auf die Sicherheit der Fahrer vorgenommen, aus dem in der vorstehenden Randnummer dargelegten Grund zurückzuweisen.

238

Was drittens das Vorbringen dieses Mitgliedstaats betrifft, dass es an einer Folgenabschätzung zu der Maßnahme fehle, die in Art. 8 Abs. 8a Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eingefügt wurde, vorgesehen sei, wonach die Verkehrsunternehmen zu dokumentieren haben, wie sie die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung erfüllen, genügt die Feststellung, dass diese Maßnahme, mit der einem der in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil festgestellten Hauptprobleme begegnet werden soll, nämlich der Schwierigkeit, die Einhaltung der geltenden Vorschriften der Union, u. a. im Sozialbereich, durchzusetzen (Teil 1/2, S. 14 bis 17), untrennbar mit dieser Verpflichtung verbunden ist, die Gegenstand einer Folgenabschätzung war und deren Einhaltung sie sicherstellen soll. Im Übrigen kann, wie sich aus dem 14. Erwägungsgrund der letzteren Verordnung ergibt und wie in Rn. 189 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der von dieser Maßnahme vorgesehene Nachweis durch alle Unterlagen erfüllt werden, da der Unionsgesetzgeber insoweit keine besonderen Modalitäten vorgeschrieben hat.

239

Daher ist das Vorbringen Rumäniens und der Republik Polen, der Unionsgesetzgeber habe die Auswirkungen der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung nicht geprüft, zurückzuweisen.

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

240

Der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zu den allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts gehört, verlangt nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass die Handlungen des Unionsgesetzgebers zur Erreichung der mit der betreffenden Regelung verfolgten legitimen Ziele geeignet sind und nicht über die Grenzen dessen hinausgehen, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist, wobei, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen ist und die dadurch bedingten Nachteile nicht außer Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen dürfen (Urteil vom 16. Februar 2022, Ungarn/Parlament und Rat, C‑156/21, EU:C:2022:97, Rn. 340 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

241

Auf diesen Grundsatz verweist Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit.

242

Was die gerichtliche Nachprüfbarkeit der Einhaltung der sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen betrifft, hat der Gerichtshof dem Unionsgesetzgeber im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten ein weites Ermessen in Bereichen zugebilligt, in denen seine Tätigkeit sowohl politische als auch wirtschaftliche oder soziale Entscheidungen verlangt und in denen er komplexe Prüfungen und Beurteilungen vornehmen muss. Es geht somit nicht darum, ob eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche war; sie ist vielmehr nur dann rechtswidrig, wenn sie gemessen an dem Ziel, das der Unionsgesetzgeber zu verfolgen beabsichtigt, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 112 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

243

Auch bei einem weiten Ermessen ist der Unionsgesetzgeber jedoch verpflichtet, seine Entscheidung auf objektive Kriterien zu stützen und zu untersuchen, ob die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige, oder gar erhebliche, wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können. Nach Art. 5 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit müssen nämlich die Entwürfe von Gesetzgebungsakten berücksichtigen, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten wird und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen muss (Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 115 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

244

Es ist Sache des Unionsgesetzgebers, wenn der fragliche Rechtsakt Gegenstand eines gerichtlichen Rechtsbehelfs ist, vor dem Gerichtshof zu belegen, dass er beim Erlass dieses Rechtsakts sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, indem er alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt hat. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich bereits aus Rn. 218 des vorliegenden Urteils ergibt, zumindest in der Lage sein muss, die Grunddaten, die zur Begründung der angefochtenen Maßnahmen dieses Rechtsakts zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung seines Ermessens abhing, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen.

245

Insoweit ist es Sache des Klägers, die Gründe aufzuzeigen, aus denen die sich aus der normativen Entscheidung des Unionsgesetzgebers ergebenden Nachteile im Vergleich zu den im Übrigen mit ihr verbundenen Vorteilen unverhältnismäßig sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 177 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

246

Wenn der betreffende Unionsrechtsakt Auswirkungen in allen Mitgliedstaaten hat und die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der mit diesem Rechtsakt verfolgten Ziele voraussetzt, kann der Versuch, ein solches Gleichgewicht herzustellen, indem die besondere Situation aller Mitgliedstaaten berücksichtigt wird, für sich genommen nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden (Urteile vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 167, sowie vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 106).

247

Die Grundsätze, die sich aus der in den Rn. 240 bis 246 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergeben, gelten in vollem Umfang für die Maßnahmen im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik, wie die in der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen, die auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassen wurde und die politische Entscheidungen und komplexe Prüfungen ihrer wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen impliziert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 112 und 113). Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat der AEU-Vertrag das Parlament und den Rat mit der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik betraut und ihnen zu diesem Zweck ein weitreichendes Ermessen zum Erlass angemessener gemeinsamer Regeln verliehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 29 und 56 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

248

Im Licht dieser Erwägungen ist zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.

249

Das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel, anhand dessen ihre Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist, besteht, wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 1, 2, 6, 8, 14 und 36 dieser Verordnung ergibt, darin, die Arbeitsbedingungen und die Straßenverkehrssicherheit der Fahrer in der Union zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass die Fahrer in regelmäßigen Abständen an ihren Wohnsitz zurückkehren können, um ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu verbringen, damit der Zeitraum der Abwesenheit der Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr von ihrem Wohnsitz nicht übermäßig lang ist. Das Ziel dieser Bestimmung ist daher, dem Fehlen von klaren Vorschriften über die wöchentliche Ruhezeit und die Rückkehr von Fahrern an ihren Wohnsitz abzuhelfen.

250

Dieses Ziel fügt sich in den Rahmen des allgemeineren Ziels der Verordnung 2020/1054 ein, das nach ihrem ersten Erwägungsgrund darin besteht, faire Geschäftsbedingungen für Verkehrsunternehmen sicherzustellen, damit ein sicherer, effizienter und sozial verantwortlicher Straßenverkehrssektor geschaffen wird, um Nichtdiskriminierung zu gewährleisten und qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen. Unter diesem Blickwinkel sollen mit dieser Verordnung Sozialvorschriften der Union im Straßenverkehr festgelegt werden, die klar, verhältnismäßig, zweckdienlich, und in wirksamer und kohärenter Weise in der gesamten Union leicht anzuwenden, durchzusetzen und umzusetzen sind.

251

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen, die die Rechtmäßigkeit dieser verschiedenen Ziele nicht in Frage stellen, machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 als solcher gegen die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen verstoße.

252

Um festzustellen, ob diese Bestimmung diesen Grundsatz beachtet, ist zu prüfen, ob die in ihr vorgesehene Verpflichtung geeignet ist, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen, das darin besteht, die Arbeitsbedingungen und die Straßenverkehrssicherheit der Fahrer zu verbessern, indem gewährleistet wird, dass die Zeiträume der Abwesenheit von Fahrern, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführen, von ihrem Wohnsitz nicht übermäßig lang sind, ob sie nicht offensichtlich über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und ob sie im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist.

Zur Eignung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des verfolgten Ziels

253

Was erstens die Eignung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung zur Erreichung des verfolgten Ziels betrifft, genügt die Feststellung, dass eine Maßnahme, die die Verkehrsunternehmen verpflichtet, es den Fahrern zu ermöglichen, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, um dort ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen, geeignet ist, sicherzustellen, dass diese Fahrer nicht während langer Zeiträume von ihrem Wohnsitz abwesend sind, da sie ihnen die Möglichkeit gibt, wenn sie dies wünschen, in regelmäßigen Abständen von höchstens vier Wochen dorthin zurückzukehren, nachdem sie gegebenenfalls gemäß den konkreten Modalitäten der Umsetzung dieser Verpflichtung gemäß den in den Rn. 186 bis 188 und 233 des vorliegenden Urteils genannten Möglichkeiten der Verkehrsunternehmen die Betriebsstätte des Arbeitgebers erreicht haben.

254

Zwar ergibt sich aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 20 und 21), dass schon vor Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zahlreiche Fahrer unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat ihr Arbeitgeber niedergelassen war, bereits alle zwei bis vier Wochen an ihren Wohnsitz zurückkehrten, so dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung nur begrenzte Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen haben dürfte.

255

Entgegen dem Vorbringen der Republik Polen kann daraus jedoch nicht abgeleitet werden, dass diese Verpflichtung zur Erreichung des verfolgten Ziels ungeeignet ist.

256

Auch wenn eine bereits große Zahl von in der Union beschäftigten Fahrern vor dem Erlass der Verordnung 2020/1054 mindestens alle vier Wochen an ihren Wohnsitz zurückkehrte, war dies nämlich nicht bei allen diesen Fahrern der Fall. Außerdem wurde in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 20), wie in der von der Kommission vor Erlass dieser Verordnung durchgeführten Studie über die Sozialvorschriften für den Verkehrssektor („Ex-post evaluation of social legislation in road transport and its enforcement, Final report“ [„Ex-post-Bewertung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr und ihre Durchsetzung, Abschlussbericht“, Juni 2016, im Folgenden: Ex‑post-Bewertung der Sozialvorschriften], S. 24), auf die im vierten Erwägungsgrund dieser Verordnung Bezug genommen wird, festgestellt, dass die Zeiträume der Abwesenheit vom Wohnsitz für die in der Union beschäftigten Fahrer in den letzten zehn Jahren erheblich zugenommen haben. So garantiert Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung gerade den betroffenen Fahrern einen erhöhten sozialen Schutz und gewährleistet gleichzeitig durch die Anwendung einer verbindlichen und einheitlichen Regel in der Union einen faireren Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmen und eine Verbesserung der Straßenverkehrssicherheit in der gesamten Union.

257

Unter diesen Umständen durfte der Unionsgesetzgeber davon ausgehen, dass diese Bestimmung zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels geeignet ist.

Zur Erforderlichkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

258

Zweitens wird die Erforderlichkeit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung von der Republik Bulgarien, Rumänien und der Republik Polen mit der Begründung bestritten, dass es weniger belastende alternative Maßnahmen gebe.

259

Insoweit trifft es zwar zu, dass die Möglichkeit, diese Verpflichtung auf die Fälle zu beschränken, in denen sich die Fahrer für die Rückkehr entscheiden, im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens in Betracht gezogen wurde, wie sich aus der von der Republik Polen angeführten Stellungnahme des Ausschusses für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten des Parlaments ergibt.

260

Diese Alternative hat der Unionsgesetzgeber jedoch nicht gewählt. Da der Fahrer, wie bereits in Rn. 174 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die schwächere Partei des Vertragsverhältnisses mit seinem Arbeitgeber darstellt, hätte eine solche Option nämlich dazu führen können, dass die Wahl des Fahrers nicht völlig frei wäre, weil dieser Druck hätte ausgesetzt werden können, um eine Wahl zu treffen, die den Interessen des Arbeitgebers entspricht. Die Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 49) hat gerade in Bezug auf die Inanspruchnahme der wöchentlichen Ruhezeit auf die Schwierigkeit hingewiesen, das Bestehen einer tatsächlichen Wahlfreiheit der Fahrer nachzuweisen.

261

Unter diesen Umständen durfte der Unionsgesetzgeber davon ausgehen, dass die von der Republik Bulgarien, Rumänien und der Republik Polen in Betracht gezogene alternative Maßnahme nicht zum gleichen Ergebnis führen würde wie Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054.

Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054

262

Was drittens die Verhältnismäßigkeit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung betrifft, ist zu prüfen, ob diese Bestimmung, wie die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen geltend machen, unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels eine übermäßige Belastung im Hinblick auf ihre negativen Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen, die Fahrer und die Umwelt auferlegt.

263

Betreffend das im Allgemeininteresse liegende Ziel nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 ist darauf hinzuweisen, dass die Union, wie sich aus Art. 3 Abs. 3 EUV ergibt, nicht nur einen Binnenmarkt errichtet, sondern sich auch für die nachhaltige Entwicklung Europas auf der Grundlage einer in hohem Maße wettbewerbsfähigen sozialen Marktwirtschaft einsetzt, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt und u. a. den sozialen Schutz fördert. Die Union hat somit nicht nur eine wirtschaftliche, sondern auch eine soziale Zielrichtung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, AGET Iraklis, C‑201/15, EU:C:2016:972, Rn. 76 und 77 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Nach der Präambel des AEU-Vertrags stellt die stetige Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen ein „wesentliches Ziel“ der Union dar.

264

Insoweit bestimmt Art. 90 AEUV, dass die Ziele der Verträge im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik verfolgt werden. Außerdem stellt Art. 9 AEUV speziell für die Ziele im Bereich der Sozialpolitik klar, dass die Union den Erfordernissen im Zusammenhang mit diesen Zielen bei der Festlegung und Durchführung ihrer Politik und ihrer Maßnahmen Rechnung trägt. Somit hat der Unionsgesetzgeber diesen Zielen in vollem Umfang Rechnung zu tragen, zu denen nach Art. 151 Abs. 1 AEUV u. a. die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes sowie ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes gehören.

265

Die Bedeutung dieser Ziele kann negative wirtschaftliche Folgen selbst beträchtlichen Ausmaßes für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen (vgl. entsprechend Urteile vom 23. Oktober 2012, Nelson u. a., C‑581/10 und C‑629/10, EU:C:2012:657, Rn. 81, sowie vom 2. September 2021, Irish Ferries, C‑570/19, EU:C:2021:664, Rn. 98).

266

In diesem Kontext ist auch darauf hinzuweisen, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs, wenn ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein kann, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union in Art. 9 AEUV zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Erfordernisse im Zusammenhang mit der Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus und der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gehören. In einem solchen Fall kann der Unionsgesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz dieser allgemeinen Interessen und übergreifenden Ziele zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen (Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 41 und 42 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

267

Insbesondere hat der Gerichtshof insoweit festgestellt, dass der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarkts, berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um, durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, den sozialen Schutz der betroffenen Arbeitnehmer zu erhöhen und den Wettbewerb auf diesem Markt fairer zu machen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 62 und 64).

268

In der Folgenabschätzung – Sozialer Teil, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“, hat die Kommission nicht nur festgestellt, dass die langen Zeiträume der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz negative Auswirkungen auf die Gesundheit der Fahrer im Hinblick auf Stress und Ermüdung haben können, sondern auch, dass die Zeiträume der Abwesenheit vom Wohnsitz für die in der Union beschäftigten Fahrer in den letzten zehn Jahren wegen der Internationalisierung des Verkehrsmarkts offenbar erheblich zugenommen haben, wobei sie ausgeführt hat, dass der Mangel an Fahrern zumindest teilweise durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verursacht worden war, die dem Image und der Attraktivität des Berufs des Kraftfahrers schadet (Teil 1/2, S. 9 und 20).

269

Im Licht dieser Erwägungen ist erstens das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen zu den negativen Folgen für die Verkehrsunternehmen zu prüfen, die sich aus der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung ergeben sollen.

270

Insoweit ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber darauf geachtet hat, diesen Unternehmen ein gewisses Maß an Flexibilität zu gewährleisten, um solche Folgen abzumildern.

271

Zunächst betrifft nämlich Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht alle wöchentlichen Ruhezeiten, sondern nur diejenigen, die die Fahrer in jedem Zeitraum von vier Wochen verbringen, wobei dieser Zeitraum nur dann auf drei Wochen verkürzt wird, wenn die Fahrer zuvor zwei aufeinanderfolgende reduzierte wöchentliche Ruhezeiten eingelegt haben.

272

Sodann räumt der Gesetzgeber, dadurch, dass er die Modalitäten für die Durchführung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung nicht genau festlegt, den Verkehrsunternehmen einen Handlungsspielraum ein, indem er ihnen ermöglicht, die Art und Weise zu wählen, die sie zur Erfüllung dieser Verpflichtung für die am besten geeignete halten.

273

Im Übrigen gibt diese Bestimmung, wie bereits in den Rn. 186 und 233 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dem Arbeitgeber die Möglichkeit, die Rückkehr der Fahrer, wenn sie dies wünschen, entweder an ihren Wohnsitz oder an die Betriebsstätte dieses Arbeitgebers zu organisieren, während die Kommission in Art. 1 Nr. 5 Buchst. c ihres Vorschlags für eine „Arbeitszeitverordnung“ nach einem strengeren Ansatz beabsichtigte, den Arbeitgeber zu verpflichten, diese Rückkehr nur an den Wohnsitz seiner Fahrer zu organisieren.

274

Schließlich bietet Art. 12 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 11 der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung zusätzliche Flexibilitätselemente in Bezug auf die Rückkehr der Fahrer. Dieser Art. 1 Nr. 11 erlaubt es nämlich ausnahmsweise dem Fahrer, um die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder den Wohnsitz des Fahrers zu erreichen, um eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder einzulegen, die tägliche und die wöchentliche Lenkzeit um bis zu eine Stunde oder sogar um bis zu zwei Stunden zu überschreiten, sofern eine ununterbrochene Fahrtunterbrechung von 30 Minuten eingelegt wurde, die der zusätzlichen Lenkzeit unmittelbar vorausgeht, soweit die Lenkzeitverlängerung durch eine gleichwertige Ruhepause ausgeglichen wird, die zusammen mit einer beliebigen Ruhezeit ohne Unterbrechung bis zum Ende der dritten Woche nach der betreffenden Woche genommen werden muss. Aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 51) geht hervor, dass diese Änderung es den Fahrern, insbesondere denen, die lange grenzüberschreitende Fahrten durchführen, ermöglichen soll, zu ihrem Wohnsitz oder der Betriebsstätte des Arbeitgebers zu gelangen, um eine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit an diesem Wohnsitz oder an einem anderen privaten Ort ihrer Wahl zu nehmen.

275

Was insbesondere das Vorbringen zu den Kosten betrifft, die Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 für die Verkehrsunternehmen mit sich bringt, ist darauf hinzuweisen, dass die Stärkung des Sozialschutzes bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern durch den Unionsgesetzgeber, im vorliegenden Fall durch die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung, die ihre Arbeitsbedingungen verbessern soll, indem gewährleistet wird, dass die Zeiträume der Abwesenheit vom Wohnsitz nicht übermäßig lang sind, zusätzliche Kosten für die Arbeitgeber mit sich bringen kann, die verpflichtet sind, die Einhaltung dieser Verpflichtung sicherzustellen. Der Umstand, dass eine vom Unionsgesetzgeber eingeführte Verpflichtung für die Verkehrsunternehmen, die sie zu tragen haben, bestimmte Kosten verursachen kann, stellt jedoch für sich genommen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, sofern diese Kosten nicht offensichtlich unverhältnismäßig zum verfolgten Ziel sind.

276

Was insoweit zunächst das Vorbringen der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 wegen der Notwendigkeit, die Rückkehr der Fahrer zu organisieren, wovon ein erheblicher Teil in unbeladenen Fahrzeugen erfolge, erhebliche zusätzliche Kosten für Unternehmen mit sich bringe, die häufig KMU seien, genügt der Hinweis, dass sich diese Mitgliedstaaten darauf beschränken, eine solche Auswirkung auf die Kosten der Verkehrsunternehmen allgemein und abstrakt geltend zu machen, ohne konkrete Anhaltspunkte dafür vorzutragen, inwiefern diese Auswirkung im Hinblick auf das verfolgte Ziel unverhältnismäßig sein soll. Die Republik Polen weist im Übrigen selbst darauf hin, dass die Kosten, die durch eine Rückkehr zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zum Wohnsitz des Fahrers entstünden, „schwer zu bewerten“ seien und dass es „schwierig [sei], die Berechnung der Kosten vorzulegen“.

277

Wie sich jedoch aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 20 und 21) ergibt, kehrten schon vor dem Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die meisten Fahrer unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat ihr Arbeitgeber niedergelassen war, alle vier Wochen an ihren Wohnsitz zurück.

278

Was sodann das Vorbringen Rumäniens und der Republik Polen betrifft, diese Bestimmung erlege den Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten, die als „Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union“ eingestuft würden, besonders schwerwiegende Belastungen im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Mitgliedstaaten auf, die je nach Fall als „Mitgliedstaaten im Zentrum der Union“ oder als „Mitgliedstaaten im westlichen Teil der Union“ eingestuft würden, ist festzustellen, dass die Kosten im Zusammenhang mit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung für die Verkehrsunternehmen größer sein können, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, die sich für ein Geschäftsmodell entschieden haben, das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, an Empfänger zu erbringen, die in vom ersten Mitgliedstaat entfernten Mitgliedstaaten ansässig sind, und deren Fahrer somit ihre Beförderungen weit entfernt von ihrem Wohnsitz erbringen.

279

Wie der Rat jedoch zu Recht hervorgehoben hat, benötigen gerade die Fahrer, die von Verkehrsunternehmen beschäftigt werden, die sich für ein solches Geschäftsmodell entschieden haben, den Schutz, der sich aus der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Harmonisierungsregel ergibt, am meisten, was die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung bestätigt, um das mit ihr verfolgte Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen.

280

Soweit das fragliche Geschäftsmodell im Wesentlichen von Verkehrsunternehmen verwendet wird, die in bestimmten Mitgliedstaaten niedergelassen sind, ergibt sich im Übrigen aus der in Rn. 246 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dann, wenn der betreffende Unionsrechtsakt Auswirkungen in allen Mitgliedstaaten hat und die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der mit diesem Rechtsakt verfolgten Ziele voraussetzt, der Versuch, ein solches Gleichgewicht herzustellen, indem die Situation aller Mitgliedstaaten berücksichtigt wird, für sich genommen nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden kann.

281

Außerdem ergibt sich aus der in den Rn. 266 und 267 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung, dass der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarkts berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, mit dem Ziel, durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, den sozialen Schutz der Fahrer zu erhöhen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

282

Im vorliegenden Fall wollte der Unionsgesetzgeber mit der Änderung der Rechtsvorschriften der Union über die Arbeitszeit der Fahrer, wie sich aus dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 ergibt, gerade ein neues Gleichgewicht herstellen, das zum einen dem Interesse der Kraftfahrer, in den Genuss besserer Arbeitsbedingungen und einer erhöhten Straßenverkehrssicherheit zu kommen, und zum anderen dem Interesse der Arbeitgeber, ihre Beförderungstätigkeiten zu fairen Geschäftsbedingungen auszuüben, Rechnung trägt.

283

Indem der Unionsgesetzgeber auf diese Weise die verschiedenen betroffenen Interessen gewichtet hat, durfte er im Rahmen des weiten Ermessens, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, davon ausgehen, dass der erhebliche Anstieg der Zeiträume, die die in der Union beschäftigten Fahrer von ihrem Wohnsitz abwesend waren, in den letzten zehn Jahren die Einführung einer spezifischen Maßnahme zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen der betroffenen Fahrer erforderlich macht und dass die negativen Auswirkungen der langen Zeiträume der Abwesenheit von ihrem Wohnsitz auf ihre Gesundheit schwerwiegender waren als die negativen Folgen, insbesondere in Bezug auf die Kosten für eine Reihe von Unternehmen, die mehr oder weniger dauerhafte Dienstleistungen in anderen Mitgliedstaaten als denjenigen erbringen, in denen sie niedergelassen sind. Ein solcher Ausgleich steht im Einklang mit den sozialen Zielen der Union, die u. a. in Art. 9 AEUV genannt sind.

284

Somit kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 unterschiedliche Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen hat, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, doch müssen die etwaigen negativen Auswirkungen, die sich daraus für bestimmte Arbeitgeber im Bereich von Belastungen ergeben können, gegen die positiven Auswirkungen abgewogen werden, die sich daraus für alle in der Union beschäftigten Fahrer im Bereich des sozialen Schutzes ergeben werden. Der Umstand, dass die Wirkungen dieser Bestimmung nicht in allen Mitgliedstaaten identisch sind, belegt daher nicht, dass der Unionsgesetzgeber eine offensichtlich unverhältnismäßige Maßnahme erlassen hätte.

285

Was im Übrigen das Vorbringen der Republik Polen zu den Kosten betrifft, die sich aus der Dokumentationspflicht gemäß Art. 8 Abs. 8a Unterabs. 3 der Verordnung Nr. 561/2006 ergeben, wie er durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eingefügt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass mit dieser Dokumentationspflicht einem der in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil festgestellten Hauptprobleme begegnet werden soll, nämlich der Schwierigkeit, die Einhaltung der geltenden Vorschriften der Union durchzusetzen (Teil 1/2, S. 14 bis 17). Außerdem kann die Einhaltung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung, wie u. a. bereits in Rn. 189 des vorliegenden Urteils ausgeführt, durch jedes Dokument und damit insbesondere durch die Fahrtenschreiberaufzeichnungen und die Dienstpläne der Fahrer nachgewiesen werden, was die Kosten der so verlangten Unterlagen begrenzen kann. Nach Art. 16 Abs. 2 der Verordnung Nr. 561/2006 und Art. 33 Abs. 2 der Verordnung Nr. 165/2014 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung mussten die Verkehrsunternehmen diese beiden letztgenannten Arten von Dokumenten nämlich bereits erstellen und mindestens ein Jahr lang aufbewahren.

286

Was schließlich das auf die Covid‑19-Pandemie gestützte Vorbringen betrifft, genügt der Hinweis, dass es dem Unionsgesetzgeber nicht oblag, die Auswirkungen dieser Pandemie im Rahmen der Verordnung 2020/1054 zu beseitigen, die darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern, zumal andere spezifische Rechtsakte der Union ein solches Ziel hatten, wie im Bereich des Verkehrs die Verordnung (EU) 2020/698 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 25. Mai 2020 zur Festlegung besonderer und vorübergehender Maßnahmen im Hinblick auf den COVID-19-Ausbruch hinsichtlich der Erneuerung oder Verlängerung bestimmter Bescheinigungen, Lizenzen und Genehmigungen und der Verschiebung bestimmter regelmäßiger Kontrollen und Weiterbildungen in bestimmten Bereichen des Verkehrsrechts (ABl. 2020, L 165, S. 10). Die Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie sind daher für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 mit den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen unerheblich.

287

Jedenfalls erlaubt Art. 14 Abs. 2 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 13 der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung den Mitgliedstaaten in dringenden Fällen, die mit außergewöhnlichen Umständen einhergehen, eine vorübergehende Ausnahme von der Anwendung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 561/2006 u. a. in Bezug auf Lenk- und Ruhezeiten für einen Zeitraum von höchstens 30 Tagen zuzulassen, die hinreichend zu begründen und der Kommission sofort mitzuteilen ist.

288

Was zweitens das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen zu den negativen Folgen für die Fahrer betrifft, die sich aus der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung ergeben sollen, ist zunächst das Vorbringen als unbegründet zurückzuweisen, mit dem diese Mitgliedstaaten geltend machen, dass diese Bestimmung das Recht der Fahrer einschränke, den Ort zu wählen, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen wollten. Dieses Vorbringen beruht nämlich, wie sich aus den Rn. 168 bis 180 des vorliegenden Urteils ergibt, auf der falschen Prämisse, dass diese Bestimmung den Fahrern die Möglichkeit nehme, für die Inanspruchnahme dieser Ruhezeit einen anderen Ort frei zu wählen. Dieses Vorbringen ist daher, wie in Rn. 200 dieses Urteils ausgeführt, allein aus diesem Grund zurückzuweisen.

289

Das Vorbringen der Republik Polen in diesem Zusammenhang, dass die Orte, an denen die Fahrer nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verpflichtet seien, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit je nach Fall alle drei oder vier Wochen zu beginnen oder zu verbringen, willkürlich seien, ist zurückzuweisen. Abgesehen von den Ausführungen in der vorstehenden Randnummer lässt sich nämlich nicht ernsthaft bestreiten, dass die Betriebsstätte des Arbeitgebers und der Wohnsitz des Fahrers, die objektiv Orte darstellen, an denen ein Fahrer je nach Fall seine wöchentliche Ruhezeit beginnen oder verbringen kann, wie der Generalanwalt in den Nrn. 211 und 212 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, in einem tatsächlichen Zusammenhang mit diesem Fahrer stehen.

290

Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof bereits entschieden hat, dass die Hauptbetriebsstätte, der ein Fahrer normalerweise zugeordnet ist, dem Ort zu entsprechen hat, von dem aus der Fahrer – im Rahmen der normalen Ausübung seines Dienstes – regelmäßig seinen Dienst verrichtet, um ein mit einem Kontrollgerät ausgestattetes Fahrzeug zu übernehmen und zu lenken, und an den er bei Beendigung des Dienstes zurückkehrt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. April 2010, Smit Reizen, C‑124/09, EU:C:2010:238, Rn. 27 und 31).

291

Zum anderen entspricht, wie bereits in Rn. 184 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nach ständiger Rechtsprechung der Staat, in dem die betroffenen Personen ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben, dem Staat, in dem sich auch der gewöhnliche Mittelpunkt ihrer Interessen befindet.

292

Was sodann das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 aufgrund der Rückkehr über weite Entfernungen zu einer erhöhten Ermüdung der Fahrer führe, kann diesem Vorbringen nicht gefolgt werden. Nach Art. 9 Abs. 2 und 3 der Verordnung Nr. 561/2006, dessen Inhalt durch Art. 1 Nr. 8 Buchst. b der Verordnung 2020/1054 im Wesentlichen nicht geändert wurde, stellt nämlich die von einem Fahrer für die Rückkehr zur Betriebsstätte seines Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz aufgewendete Zeit Arbeitszeit dar. Wie der Rat zu Recht ausgeführt hat, erläutern diese Mitgliedstaaten jedoch nicht, weshalb die für eine solche Rückkehr aufgewandte Arbeitszeit ermüdender sein soll als die Arbeitszeit für jede andere Fahrt, die im Rahmen einer vom Arbeitgeber übertragenen Beförderung durchgeführt wird. In Wirklichkeit ergibt sich sowohl aus der Ex‑post-Bewertung betreffend die Sozialgesetzgebung (S. 24) als auch aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 20), dass die langen Zeiträume, die die Fahrer außerhalb ihres Wohnsitzes verbracht hätten, gerade zu Ermüdung und Stress führten, was im Übrigen von keinem dieser vier Mitgliedstaaten bestritten wird.

293

Was schließlich das Vorbringen Rumäniens betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 wegen des Risikos des Verlusts von Arbeitsplätzen infolge von Insolvenzen und Standortverlagerungen von Verkehrsunternehmen die Interessen der Fahrer beeinträchtige, so ist dieses Vorbringen mangels konkreter Anhaltspunkte, die es stützen könnten, spekulativ.

294

Was drittens das Vorbringen zu den negativen Auswirkungen auf die Umwelt betrifft, die sich aus der in diesem Art. 1 Nr. 6 Buchst. d vorgesehenen Verpflichtung ergeben sollen, tragen die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen insbesondere vor, dass diese Verpflichtung die Planung einer Vielzahl zusätzlicher Fahrten über weite Strecken implizieren werde. Wie jedoch u. a. in Rn. 236 des vorliegenden Urteils ausgeführt, hat die Folgenabschätzung – Sozialer Teil gezeigt, dass die meisten Fahrer, einschließlich derjenigen, die in den der Union seit dem 1. Mai 2004 beigetretenen Mitgliedstaaten beschäftigt waren, bereits vor dem Erlass dieser Bestimmung in regelmäßigen Abständen von weniger als vier Wochen an ihren Wohnsitz zurückkehrten.

295

Außerdem ist es entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen keineswegs unvermeidlich, dass die Fahrer leere Fahrzeuge benutzen, um das ihnen durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verliehene Recht auszuüben. Zum einen können nämlich im Rahmen der Flexibilität, die diese Bestimmung den Verkehrsunternehmen bei der Erfüllung der darin vorgesehenen Verpflichtung lässt, diese auf andere Transportmittel wie öffentliche Verkehrsmittel zurückgreifen, deren Verwendung nicht zwangsläufig zusätzliche Emissionen mit sich bringt, die mit der Erfüllung dieser Verpflichtung als solcher verbunden sind. Zum anderen ist es denkbar, dass die Rückkehr an einen der beiden in dieser Bestimmung genannten Orte mit einer Rückkehr der Fahrzeuge des Verkehrsunternehmens an dessen Betriebsstätte im Rahmen der gewöhnlichen Beförderungstätigkeiten gekoppelt werden kann.

296

Unter diesen Umständen weist die behauptete Auswirkung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf die Umwelt, insbesondere in Form einer etwaigen Erhöhung der Schadstoffemissionen, keinen unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Bestimmung auf, sondern hängt von den organisatorischen Entscheidungen ab, die die Verkehrsunternehmen zur Umsetzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung treffen.

297

Daher ist festzustellen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 keine Nachteile mit sich bringt, die offensichtlich unverhältnismäßig zu dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel sind.

298

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass dieser Bestimmung die Grenzen seines Ermessens überschritten hat.

299

Daher ist das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen, mit dem die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in Frage gestellt werden soll, zurückzuweisen.

300

Folglich sind der erste bis dritte Teil des vierten Klagegrundes der Republik Litauen, der zweite Klagegrund der Republik Bulgarien, der zweite Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens und der erste Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

3) Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

i) Vorbringen der Parteien

301

Die Republik Litauen, mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes, die Republik Bulgarien, mit dem ersten Teil ihres fünften Klagegrundes, und Rumänien, mit dem zweiten Teil seines dritten Klagegrundes bringen vor, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem in Art. 18 AEUV vorgesehenen Diskriminierungsverbot ergäben. Die Republik Bulgarien macht ferner einen Verstoß gegen die Art. 20 und 21 der Charta sowie gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 EUV und gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV geltend, „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“.

302

Als Erstes machen diese drei Mitgliedstaaten geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot, da er zu einer Diskriminierung von Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und denjenigen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union führe. Die Organisation der Arbeit der Lastkraftwagenfahrer in einer Weise, dass sie mindestens alle vier Wochen zu ihrem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers zurückkehren könnten, sei nämlich für die Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten mit einem großen nationalen Markt, deren Fahrer Beförderungen im Mitgliedstaat der Niederlassung des Verkehrsunternehmens in der Nähe ihres Wohnsitzes durchführten, deutlich weniger belastend als für Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union, deren nationaler Markt begrenzt sei und die sich auf die grenzüberschreitenden Beförderungen konzentrierten. Insbesondere macht Rumänien geltend, dass die in diesem Art. 1 Nr. 6 Buchst. d vorgesehene Verpflichtung zu erheblichen Verlusten für die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmen führen könne, Verluste, die jedenfalls deutlich höher seien, als die der in den Mitgliedstaaten in Mittel- oder Westeuropa ansässigen Verkehrsunternehmen. Außerdem müssten bei der Bewertung der Auswirkungen der Verordnung 2020/1054 auf den Beförderungsmarkt und insbesondere der in ihrem Art. 1 Nr. 6 Buchst. d vorgesehenen Verpflichtung die anderen Elemente des ersten Mobilitätspakets berücksichtigt werden. Eine Gesamtbewertung dieses Mobilitätspakets mache nämlich deutlich, dass sie für die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen insgesamt diskriminierenden Charakter habe.

303

Die Republik Litauen macht außerdem geltend, dass die durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 geschaffene Diskriminierung gegenüber den Verkehrsunternehmen, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassen seien, die Ausübung der charakteristischen Freiheiten des Binnenmarkts behindere, da sich diese Unternehmen im Vergleich zu den Verkehrsunternehmen, die im Zentrum der Union und in den dieses Zentrum umgebenden Regionen niedergelassen seien, in einer nachteiligen Situation befänden. Diese Bestimmung stelle somit eine protektionistische Maßnahme dar, mit der die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen in einem Teil des Unionsgebiets vom Beförderungsmarkt verdrängt würden und die dazu bestimmt sei, den Umfang der Tätigkeiten dieser Unternehmen zu verringern. Diese Unternehmen müssten den Fahrern nicht nur Arbeitsbedingungen anbieten, die ihren freien Verkehr beschränkten, sondern auch ihre Tätigkeit so planen, dass ein Teil der Fahrten, die mit den Fahrzeugen durchgeführt würden, unrentabel sei oder die Fahrzeuge leer fuhren, bis die Fahrer ersetzt würden oder nach ihrer Ruhezeit von der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder ihrem Wohnsitz zurückkehrten.

304

Als Zweites machen die Republik Litauen und die Republik Bulgarien geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 führe zu einer Diskriminierung zwischen den Fahrern, die von den Verkehrsunternehmen beschäftigt seien, die in Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässig seien, und solchen, die von Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union beschäftigt seien, da die Rückkehr in den Mitgliedstaat des Wohnsitzes weite Reisen innerhalb kurzer Zeiträume erfordere, was die Fahrer nicht unbedingt wünschten. In ein und demselben Mitgliedstaat diskriminiere die in Rede stehende Verpflichtung auch zwischen den örtlichen Fahrern und solchen aus anderen Mitgliedstaaten. Außerdem befänden sich die Arbeitnehmer, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union beschäftigt seien, in einer objektiv komplizierteren Lage, da sie, um ihren Anspruch auf regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit wahrzunehmen, größere Entfernungen zurücklegen und mehr Zeit verlieren müssten als die Arbeitnehmer, die in den Regionen um das Zentrum der Union beschäftigt seien.

305

Als Drittes macht die Republik Bulgarien geltend, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung auch gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten verstoße, da sich die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union in einer deutlich ungünstigeren Lage befänden.

306

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

307

Zunächst ist das Vorbringen der Republik Bulgarien zurückzuweisen, mit der sie einen Verstoß gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV geltend macht, da dieser Mitgliedstaat unter Missachtung der in Rn. 139 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Anforderungen aus Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung diesen Verstoß geltend macht, ohne sein Vorbringen speziell zu begründen, sondern lediglich auf Art. 95 Abs. 1 AEUV Bezug nimmt, „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“.

308

Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass der Grundsatz der Gleichbehandlung ein allgemeiner Grundsatz des Unionsrechts ist, der in Art. 20 der Charta niedergelegt ist; das Diskriminierungsverbot von Art. 21 Abs. 1 der Charta stellt eine besondere Ausprägung dieses Grundsatzes dar, der verlangt, dass vergleichbare Sachverhalte nicht unterschiedlich und unterschiedliche Sachverhalte nicht gleichbehandelt werden dürfen, es sei denn, dass eine solche Behandlung objektiv gerechtfertigt ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 24. Februar 2022, Glavna direktsia Pozharna bezopasnost i zashtita na naselenieto, C‑262/20, EU:C:2022:117, Rn. 58, sowie vom 14. Juli 2022, Kommission/VW u. a., C‑116/21 P bis C‑118/21 P, C‑138/21 P und C‑139/21 P, EU:C:2022:557, Rn. 95 und 140 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

309

Die Vergleichbarkeit der jeweiligen in Rede stehenden Situationen ist nicht allgemein und abstrakt, sondern spezifisch und konkret anhand aller diese Situationen kennzeichnenden Merkmale zu beurteilen. Diese Merkmale sind u. a. im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, die die fragliche Unterscheidung einführt, zu bestimmen und zu beurteilen. Außerdem sind die Grundsätze und Ziele des Regelungsbereichs zu berücksichtigen, in den diese Maßnahme fällt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 26. Juni 2018, MB [Geschlechtsumwandlung und Altersrente], C‑451/16, EU:C:2018:492, Rn. 42, und vom 10. Februar 2022, OE [Gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten – Kriterium der Staatsangehörigkeit], C‑522/20, EU:C:2022:87, Rn. 20 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

310

Eine unterschiedliche Behandlung vergleichbarer Situationen ist gerechtfertigt, wenn sie auf einem objektiven und angemessenen Kriterium beruht, d. h., wenn sie im Zusammenhang mit einem rechtlich zulässigen Ziel steht, das mit der in Rede stehenden Regelung verfolgt wird, und wenn diese unterschiedliche Behandlung in angemessenem Verhältnis zu dem mit der betreffenden Behandlung verfolgten Ziel steht (Urteile vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 47, sowie vom 27. Januar 2022, Fondul Proprietatea, C‑179/20, EU:C:2022:58, Rn. 72 und die dort angeführte Rechtsprechung).

311

Was insbesondere das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit betrifft, ist dieser Grundsatz zwar in Art. 21 Abs. 2 der Charta niedergelegt, doch bestimmt Art. 52 Abs. 2 der Charta, dass die Ausübung der durch die Charta anerkannten Rechte, die in den Verträgen geregelt sind, im Rahmen der darin festgelegten Bedingungen und Grenzen erfolgt. Dies ist bei Art. 21 Abs. 2 der Charta der Fall, der, wie die Erläuterungen zur Charta der Grundrechte (ABl. 2007, C 303, S. 17) zu dieser Bestimmung bestätigen, Art. 18 Abs. 1 AEUV entspricht und entsprechend Anwendung findet (Urteil vom 10. Oktober 2019, Krah, C‑703/17, EU:C:2019:850, Rn. 18 und die dort angeführte Rechtsprechung).

312

Insoweit verbietet Art. 18 AEUV, der den allgemeinen Grundsatz des Verbots jeder Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit aufstellt, nicht nur unmittelbare Diskriminierungen wegen der Staatsangehörigkeit, sondern auch alle Formen der mittelbaren Diskriminierung, die durch die Anwendung anderer Unterscheidungsmerkmale tatsächlich zu dem gleichen Ergebnis führen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Oktober 2012, Kommission/Österreich, C‑75/11, EU:C:2012:605, Rn. 49 und die dort angeführte Rechtsprechung).

313

Der Gerichtshof hat zur gerichtlichen Kontrolle der Wahrung des Grundsatzes der Gleichbehandlung und des Diskriminierungsverbots durch den Unionsgesetzgeber entschieden, dass dieser im Rahmen der Ausübung der ihm übertragenen Zuständigkeiten über ein weites Ermessen verfügt, wenn er in einem Bereich tätig wird, der politische, wirtschaftliche und soziale Entscheidungen beinhaltet, und wenn er komplexe Beurteilungen und Prüfungen vornehmen muss. Eine in diesem Bereich erlassene Maßnahme kann nur dann rechtswidrig sein, wenn sie zur Erreichung des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziels offensichtlich ungeeignet ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Februar 2022, OE [Gewöhnlicher Aufenthalt eines Ehegatten – Kriterium der Staatsangehörigkeit], C‑522/20, EU:C:2022:87, Rn. 21 und die dort angeführte Rechtsprechung). Selbst wenn der Unionsgesetzgeber über ein solches Ermessen verfügt, ist er jedoch verpflichtet, seine Entscheidung auf Kriterien zu stützen, die objektiv sind und in angemessenem Verhältnis zu dem mit der in Rede stehenden Regelung verfolgten Ziel stehen, und dabei alle sachlichen Umstände sowie die zum Zeitpunkt des Erlasses der in Rede stehenden Maßnahme verfügbaren technischen und wissenschaftlichen Daten zu berücksichtigen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 58).

314

Bei der Ausübung seiner Beurteilungsbefugnis muss der Unionsgesetzgeber neben dem verfolgten Ziel den betroffenen Interessen in vollem Umfang Rechnung tragen. Bei der Prüfung der mit verschiedenen möglichen Maßnahmen verbundenen Belastungen ist zu bedenken, dass zwar die Bedeutung der angestrebten Ziele sogar beträchtliche Folgen wirtschaftlicher Art zum Nachteil bestimmter Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen kann; die Ausübung der Beurteilungsbefugnis des Unionsgesetzgebers darf jedoch nicht zu Ergebnissen führen, die offenkundig weniger angemessen als die Ergebnisse aufgrund anderer für diese Ziele ebenfalls geeigneter Maßnahmen sind (Urteil vom 16. Dezember 2008, Arcelor Atlantique et Lorraine u. a., C‑127/07, EU:C:2008:728, Rn. 59 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

315

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 aufgestellte Regel, soweit sie die Verkehrsunternehmen verpflichtet, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass diese die Möglichkeit haben, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zu der Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, unterschiedslos für alle betroffenen Verkehrsunternehmen gilt, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, für alle Fahrer, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und dem Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen ist, sowie für alle Mitgliedstaaten, so dass sie keine nach dem Unionsrecht verbotene unmittelbare Diskriminierung enthält.

316

Daher ist im Einklang mit der in den Rn. 308 bis 310 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob diese Bestimmung in ungerechtfertigter Weise eine identische Vorschrift auf unterschiedliche Sachverhalte anwendet, insbesondere im Licht des mit ihr verfolgten Ziels, und daher eine nach dem Unionsrecht verbotene mittelbare Diskriminierung darstellt, da sie, wie die klagenden Mitgliedstaaten im Wesentlichen geltend machen, schon ihrer Natur nach geeignet sei, sich auf die in den Mitgliedstaaten, die ihrer Ansicht nach „an der Peripherie der Union“ gelegen sind, niedergelassenen Verkehrsunternehmen, die bei diesen Unternehmen beschäftigten Fahrer und diese Gruppe von Mitgliedstaaten stärker auszuwirken.

317

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung, wie in den Rn. 249 und 250 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen und die Straßenverkehrssicherheit der Fahrer in der Union zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass sie die Möglichkeit haben, nicht übermäßig lang von ihrem Wohnsitz abwesend zu sein, und auch einen unverfälschten und fairen Wettbewerb zwischen Verkehrsunternehmen im Unionsgebiet zu gewährleisten.

318

Was erstens das Vorliegen einer angeblichen Diskriminierung zwischen den in der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen betrifft, kann, auch wenn Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 unterschiedslos für alle diese Unternehmen gilt, nicht ausgeschlossen werden, dass diese Bestimmung, wie in Rn. 278 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geeignet ist, sich stärker auf die Verkehrsunternehmen auszuwirken, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, die sich für ein Geschäftsmodell entschieden haben, das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, an Empfänger zu erbringen, die in vom ersten Mitgliedstaat weit entfernten Mitgliedstaaten ansässig sind.

319

Wie in Rn. 236 des vorliegenden Urteils ausgeführt, geht jedoch aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil hervor, dass ein erheblicher Teil dieser Verkehrsunternehmen, einschließlich derjenigen aus einem Mitgliedstaat, der der Union seit dem 1. Mai 2004 beigetreten ist, ihre Tätigkeiten bereits in einer Weise ausübte, die mit der nunmehr in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung vereinbar war.

320

In diesem Kontext führt diese Bestimmung keineswegs zu einer Diskriminierung zwischen den Verkehrsunternehmen, sondern zielt vielmehr, wie sich aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 17 und 18) und dem ersten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 ergibt, darauf ab, die ungleichen Wettbewerbsbedingungen für die Verkehrsunternehmen zu beseitigen, die zuvor die unterschiedlichen nationalen Auslegungen und Praktiken, aufgrund des Fehlens klarer Vorschriften über die Rückkehr der Fahrer, hatten fördern können, indem die Arbeitsbedingungen der Fahrer, insbesondere der in Rn. 316 des vorliegenden Urteils genannten, verbessert und damit sowohl die Sicherheit im Straßenverkehr als auch ein unverfälschter und fairer Wettbewerb zwischen den Verkehrsunternehmen gewährleistet werden.

321

Wie sich aus der in den Rn. 266 und 267 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, ist der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarkts, berechtigt, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um, durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, den sozialen Schutz der Fahrer zu erhöhen.

322

Eine Bestimmung des Unionsrechts kann daher als solche nicht allein deshalb als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot angesehen werden, weil sie für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Folgen hat, wenn diese Situation die Folge unterschiedlicher Bedingungen für den Betrieb ist, unter denen sie insbesondere aufgrund ihres geografischen Standorts stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 21. Juni 1958, Wirtschaftsvereinigung Eisen- und Stahlindustrie u. a./Hohe Behörde, 13/57, EU:C:1958:10, S. 304, sowie vom 13. November 1973, Werhahn Hansamühle u. a./Rat und Kommission, 63/72 bis 69/72, EU:C:1973:121, Rn. 17), und nicht die Folge einer rechtlichen Ungleichheit, die der angefochtenen Bestimmung inhärent wäre.

323

Selbst wenn Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zu einer Gleichbehandlung unterschiedlicher Sachverhalte im Sinne der in Rn. 308 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung führen sollte, wäre diese Behandlung jedenfalls durch die im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik gemäß Art. 90 AEUV verfolgten Ziele objektiv gerechtfertigt. Zu diesen Zielen gehören u. a. die in der Präambel des AEU-Vertrags und in Art. 151 Abs. 1 AEUV genannte Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sowie die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gemäß Art. 9 und Art. 151 Abs. 1 AEUV.

324

Insoweit hat der Unionsgesetzgeber die Grenzen des Ermessens, über das er im Licht der in Rn. 313 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung verfügt, nicht dadurch überschritten, dass er sich dafür entschieden hat, durch den Erlass einer unterschiedslos auf alle in der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen anwendbaren Bestimmung bestimmte Praktiken zu verhindern, die als Beitrag zur Verschlechterung der Beschäftigungsbedingungen der Fahrer identifiziert wurden, auch wenn diese Entscheidung bedeutet, dass bestimmte Verkehrsunternehmen höhere Kosten tragen müssen.

325

Im Licht der tatsächlichen Umstände sowie der zum Zeitpunkt des Erlasses der fraglichen Bestimmung verfügbaren technischen und wissenschaftlichen Daten hat der Unionsgesetzgeber diese Entscheidung nämlich auf Kriterien gestützt, die im Sinne der in den Rn. 313 und 314 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung objektiv sind und in angemessenem Verhältnis zu den verfolgten Zielen stehen, wobei er den betroffenen Interessen in vollem Umfang Rechnung getragen hat.

326

Was zweitens das von der Republik Litauen und der Republik Bulgarien geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung zwischen Fahrern betrifft, beruht das Vorbringen dieser beiden Mitgliedstaaten im Wesentlichen, wenn nicht ausschließlich, auf der falschen Prämisse, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Fahrer verpflichte, zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, ohne dass sie den Ort frei wählen könnten, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbrächten. Insoweit ist dieses Vorbringen daher, wie bereits in Rn. 200 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zurückzuweisen.

327

Im Übrigen befinden sich alle in der Union beschäftigten Fahrer hinsichtlich ihres Rechts auf Inanspruchnahme der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit in einer vergleichbaren Situation. Insbesondere müssen diese Fahrer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und dem Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen ist, in der Lage sein, diese Ruhezeit regelmäßig an ihrem Wohnsitz zu verbringen, wenn sie dies wünschen.

328

Unter diesen Umständen kann, wie der Generalanwalt in Nr. 342 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber das ihm zustehende weite Ermessen offensichtlich überschritten hat, indem er es unterlassen hat, zwischen den verschiedenen Fahrern nach der Entfernung zu unterscheiden, die sie zurücklegen müssen, um zu ihrem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Arbeitgebers zurückzukehren, obwohl eine solche Unterscheidung dazu geführt hätte, dass bestimmte Fahrer aufgrund des von ihrem Arbeitgeber gewählten Geschäftsmodells von dem sozialen Schutz ausgeschlossen worden wären, der durch die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Maßnahme garantiert wird.

329

Wie nämlich der Rat zu Recht geltend macht, müssen alle Fahrer des Straßenverkehrssektors, die sich in Bezug auf ihr Recht auf Inanspruchnahme der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit in einer vergleichbaren Situation befinden, dieselben Rechte erhalten, insbesondere was die Rückkehr zu ihrem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Arbeitgebers angeht, und zwar trotz der unterschiedlichen Belastungen, die die Ausübung dieser Rechte für ihre jeweiligen Arbeitgeber nach Maßgabe des von ihnen gewählten Geschäftsmodells mit sich bringen könnte.

330

Wie in Rn. 279 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sind es gerade die Fahrer, die bei den Verkehrsunternehmen beschäftigt sind, die ihre Dienstleistungen im Wesentlichen oder sogar vollständig an Empfänger erbringen, die in Mitgliedstaaten ansässig sind, die von dem Mitgliedstaat, in dem diese Unternehmen ihren Sitz haben, entfernt liegen, und die daher ihre Beförderungen grundsätzlich weit von ihrem Wohnsitz entfernt erbringen, die den durch die Harmonisierungsregel in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eingeführten Schutz am meisten benötigen.

331

Was drittens das von der Republik Bulgarien geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung zwischen den Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen den in Art. 4 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen betrifft, beruht das Vorbringen dieses Mitgliedstaats im Wesentlichen, wenn nicht ausschließlich, auf der falschen Prämisse, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Fahrer verpflichte, zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, ohne dass sie den Ort frei wählen könnten, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbrächten. Insoweit ist dieses Vorbringen daher zurückzuweisen.

332

Selbst wenn man unterstellt, dass einige Mitgliedstaaten von dieser Bestimmung trotz ihrer unterschiedslosen Anwendbarkeit mittelbar mehr als andere betroffen wären, genügt im Übrigen der Hinweis, dass nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Rechtsakt der Union, der dazu bestimmt ist, die Normen der Mitgliedstaaten einander anzugleichen, sofern er in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gilt, nicht als diskriminierend angesehen werden kann, da eine solche Harmonisierungsmaßnahme zwangsläufig je nach dem bisherigen Stand der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken unterschiedliche Auswirkungen zeitigt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, EU:C:1990:391, Rn. 20).

333

Diese Erwägungen können nicht durch das Vorbringen Rumäniens in Frage gestellt werden, wonach sich aus der Gesamtheit der Bestimmungen des den Gegenstand der drei Klagen dieses Mitgliedstaats in den Rechtssachen C‑546/20 bis C‑548/20 bildenden „Mobilitätspakets“ eine allgemeine diskriminierende Wirkung ergebe. Rumänien hat nämlich in der Rechtssache C‑546/20 nicht dargetan, dass sich aus Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 eine Diskriminierung ergebe. Im Übrigen sind die Rügen dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die Verordnung 2020/1055 und die Richtlinie 2020/1057 im Rahmen der Klagegründe und Argumente zu prüfen, die er zur Stützung seiner Klagen in den Rechtssachen C‑547/20 und C‑548/20 zur Stützung seiner Anträge auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung dieser Unionsrechtsakte geltend macht.

334

Folglich ist der erste Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen. Der zweite Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen und der zweite Teil des dritten Klagegrundes Rumäniens sind als unbegründet zurückzuweisen.

4) Zum Verstoß gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

i) Vorbringen der Parteien

335

Erstens machen die Republik Litauen mit ihrem ersten Klagegrund und die Republik Bulgarien mit dem ersten Teil ihres ersten Klagegrundes geltend, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 verletze Art. 45 AEUV, da er die Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz oder an die Betriebsstätte des Arbeitgebers vorschreibe, ohne die Möglichkeit vorzusehen, dass die Fahrer selbst wählen könnten, wo sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen wollten. Diese Mitgliedstaaten weisen im Übrigen darauf hin, dass die Fahrer nach Art. 4 Buchst. f der Verordnung Nr. 561/2006 das Grundrecht hätten, den Ort zu wählen, an dem sie ihre Ruhezeit verbrachten.

336

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nähme den Fahrern auch ihr Recht, sich in einem Mitgliedstaat aufzuhalten, um dort eine Beschäftigung auszuüben und nach Beendigung einer Beschäftigung im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verbleiben. Die Fahrer könnten nämlich nicht im Aufnahmemitgliedstaat verbleiben, nachdem sie dort Beförderungen durchgeführt hätten.

337

Das Recht der Arbeitnehmer, bei Einstellung und Beschäftigung nicht diskriminiert zu werden, könne, wie der Gerichtshof im Urteil vom 7. Mai 1998, Clean Car Autoservice (C‑350/96, EU:C:1998:205, Rn. 20 und 21), entschieden habe, nur dann seine volle Wirkung entfalten, wenn die Arbeitgeber ein entsprechendes Recht darauf hätten, Arbeitnehmer nach Maßgabe der Bestimmungen über die Freizügigkeit einstellen zu können. Mit dem Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 habe der Unionsgesetzgeber eine Regelung eingeführt, die die Verkehrsunternehmen verpflichte, gegen die Arbeitnehmerfreizügigkeit zu verstoßen, indem sie ihnen die Verpflichtung auferlege, die Fahrer zu zwingen, gegen ihren Willen zu ihrem Wohnsitz oder zur Betriebsstätte des Unternehmens zurückzukehren. Diese Bestimmung führe somit zu einer Diskriminierung der im Straßenverkehrssektor tätigen Fahrer gegenüber Arbeitnehmern, die in anderen Bereichen des Verkehrs tätig seien.

338

Zweitens macht die Republik Litauen mit ihrem ersten Teil ihres zweiten Klagegrundes geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht mit dem in Art. 26 AEUV genannten Ziel eines wirksamen und wettbewerbsfähigen Funktionierens des Binnenmarkts vereinbar sei. Art. 1 Nr. 6 Buchst. d behindere nämlich zum einen die Freizügigkeit der Arbeitnehmer und diskriminiere zum anderen die Arbeitnehmer, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union beschäftigt seien, gegenüber den Arbeitnehmern, die in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union und in den dieses Zentrum umgebenden Regionen beschäftigt seien.

339

Die Ersteren befänden sich in einer objektiv komplizierteren Lage, da sie, um ihren Anspruch auf regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit wahrzunehmen, größere Entfernungen zurücklegen und mehr Zeit verlieren müssten als die Zweiteren. Ebenso werde die Ausübung der charakteristischen Freiheiten des Binnenmarkts für die Verkehrsunternehmen, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassen seien, behindert, da sich diese im Vergleich zu den Unternehmen, die im Zentrum der Union niedergelassen seien, in einer nachteiligen Situation befänden. Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 sei somit aus den gleichen Gründen wie den in Rn. 303 des vorliegenden Urteils im Zusammenhang mit dem Vorbringen eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeführten eine protektionistische Maßnahme.

340

Drittens macht die Republik Bulgarien mit dem zweiten Teil ihres ersten Klagegrundes geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen Art. 21 Abs. 1 AEUV und Art. 45 der Charta verstoße.

341

Als Unionsbürger hätten Fahrer nämlich das Recht, sich während ihrer Ruhezeit im Gebiet der Union frei zu bewegen. Die Verpflichtung, das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats zu verlassen und sich an einen bestimmten Ort zu begeben, um dort ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu verbringen, stelle daher eine Beschränkung der durch diese Bestimmungen gewährleisteten Freizügigkeit dar.

342

Außerdem sei diese Beschränkung nicht durch das legitime Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedingungen gerechtfertigt.

343

Zum einen sei die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung zur Erreichung dieses Ziels nicht geeignet. Das Recht der Fahrer, frei über ihre Ruhezeit zu verfügen, sollte nämlich die Freiheit umfassen, den Ort zu wählen, an dem sie diese Ruhezeit verbringen wollen, und zu entscheiden, ob sie zu diesem Zweck reisen wollen oder nicht, wobei insbesondere die Häufigkeit der Rückkehrzyklen in den Wohnsitzstaat sowie die Zunahme des Stresses und der Ermüdung durch die häufigen und langen Reisen im Zusammenhang mit der Erfüllung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr zu berücksichtigen seien. Die fragliche Maßnahme müsse den betroffenen Arbeitnehmern einen tatsächlichen Vorteil verschaffen, der erheblich zu ihrem sozialen Schutz beitrage.

344

Zum anderen gehe diese Verpflichtung über das hinaus, was zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels erforderlich sei. Das Ziel, eine regelmäßige Rückkehr der Fahrer zu ihrem Wohnsitz zu gewährleisten, könne nämlich ebenso wirksam durch eine Maßnahme wie die vom Parlament bevorzugte erreicht werden, die darin bestehe, den Fahrern das Recht einzuräumen, einen anderen Ruheort zu wählen, sofern diese Wahl dem Arbeitgeber mindestens eine Woche vor der Inanspruchnahme einer solchen Ruhezeit schriftlich mitgeteilt worden sei.

345

Viertens macht Rumänien mit seinem zweiten Klagegrund geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, auch wenn er unterschiedslos anwendbar sei, die in Art. 49 AEUV verankerte Niederlassungsfreiheit ungerechtfertigt einschränke.

346

Zum einen bringe Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 neue Verwaltungspflichten für die Verkehrsunternehmen, die zu einem Anstieg der getragenen Kosten führten. Diese Unternehmen müssten nämlich u. a. in der Lage sein, die Organisation der regelmäßigen Rückkehr der Fahrer durch Fahrtenschreiberaufzeichnungen, Dienstpläne der Fahrer oder andere Unterlagen nachzuweisen. Außerdem sei die Gründung eines Verkehrsunternehmens in einem Mitgliedstaat an der Peripherie der Union im Hinblick auf die Kosten der über Tausende von zusätzlichen Kilometern durchgeführten Fahrten alle vier Wochen, um die Rückkehr aus den Mitgliedstaaten, in denen sich die Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen konzentriere, zu organisieren, weniger rentabel.

347

Zum anderen führe Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zu einem Rückgang der Einnahmen der Verkehrsunternehmen. Da es sich bei den meisten dieser Unternehmen um KMU handele, habe die Einhaltung der sich daraus ergebenden Maßnahmen nämlich Auswirkungen auf einen erheblichen Teil des Marktes, insbesondere im Hinblick auf die Zeiträume, in denen die Fahrer keine gewinnbringende Tätigkeit ausübten, und führe somit zu einer Beschränkung der Geschäftstätigkeit dieser Unternehmen. Diese Bestimmung schaffe somit für die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen einen Anreiz, Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen zu gründen oder sogar ihre Tätigkeit in die Mitgliedstaaten im Zentrum oder im westlichen Teil der Union zu verlagern, wobei sie eine abschreckende Wirkung auf die in den letzteren Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmen in Bezug auf die Gründung von Gesellschaften in den ersteren habe. Diese Verlagerung beruhe jedoch nicht auf einer wirklichen Entscheidung, sondern sei die Folge der Zwänge, die sich aus der Verpflichtung ergäben, die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 aufgestellten neuen Voraussetzungen einzuhalten.

348

Fünftens macht Rumänien im Rahmen des zweiten Teils seines ersten Klagegrundes geltend, dass die Verpflichtung der Verkehrsunternehmer, ihre Tätigkeit so zu planen, dass die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten den Anforderungen von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 entsprächen, zu ungerechtfertigten Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs führen könne. Die Republik Bulgarien macht im Rahmen ihres fünften Klagegrundes ebenfalls geltend, dass diese Bestimmung gegen diese Grundfreiheit verstoße.

349

Rumänien betont insoweit, dass die Verkehrsunternehmen aufgrund von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 ihre Tätigkeiten so organisieren müssten, dass diese Ruhezeiten diesen Anforderungen entsprächen. Die meisten von ihnen seien aber KMU, wie sich aus der Tatsache ergebe, dass in diesem Mitgliedstaat etwa 83 % der Verkehrsunternehmen zwischen einem und fünf Fahrzeuge besäßen. In diesem Kontext bestimmten die Maßnahmen, die ergriffen worden seien, um dieser Bestimmung nachzukommen, auch die Zeiträume, in denen die Fahrer keine gewinnbringende Tätigkeit ausübten, was zu einem Rückgang der Einnahmen führen könne. Da die Organisation der Rückkehr der Fahrer für die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union höhere Verluste mit sich brächte, wären diese gezwungen, ihre Tätigkeiten, um ihre Kosten zu senken, auf die Mitgliedstaaten in Westeuropa auszurichten, indem sie dort Tochtergesellschaften oder Zweigniederlassungen gründeten oder sogar ihre Tätigkeit dorthin verlagern. Der Verkehrssektor sei aber für die nationale Wirtschaft, insbesondere für die Ausfuhren, von wesentlicher Bedeutung.

350

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

351

Zunächst ist das Vorbringen der Republik Bulgarien zurückzuweisen, mit dem sie einen Verstoß gegen die „Dienstleistungsfreiheit“ geltend macht, da dieser Mitgliedstaat unter Missachtung der in Rn. 139 des vorliegenden Urteils wiedergegebenen Anforderungen aus Art. 21 Abs. 1 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union und Art. 120 Buchst. c der Verfahrensordnung diesen Verstoß geltend macht, ohne sein Vorbringen speziell zu begründen.

352

Nach dieser Klarstellung ist darauf hinzuweisen, dass auf dem Gebiet des Verkehrs der freie Dienstleistungsverkehr nicht durch Art. 56 AEUV geregelt wird, der den freien Dienstleistungsverkehr im Allgemeinen betrifft, sondern durch die Spezialvorschrift von Art. 58 Abs. 1 AEUV, wonach „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr [gelten]“, also die Bestimmungen des Titels VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der die Art. 90 bis 100 AEUV umfasst (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 29, und vom 21. Dezember 2023, Kommission/Dänemark [Höchstparkdauer], C‑167/22, EU:C:2023:1020, Rn. 39).

353

Daraus folgt, dass die Verkehrsdienstleistungen im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV vom Anwendungsbereich von Art. 56 AEUV ausgeschlossen sind (Urteile vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 160, sowie vom 21. Dezember 2023, Kommission/Dänemark [Höchstparkdauer], C‑167/22, EU:C:2023:1020, Rn. 39 und die dort angeführte Rechtsprechung).

354

Die Anwendung des Grundsatzes des freien Verkehrs der Verkehrsdienstleistungen muss daher nach dem AEU-Vertrag durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden, wie sie in den Art. 90 bis 100 AEUV geregelt ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 30).

355

Insoweit ist insbesondere zunächst darauf hinzuweisen, dass das Parlament und der Rat nach Art. 91 Abs. 1 AEUV gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des EWSA und des AdR zur Durchführung dieser gemeinsamen Politik unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs erstens für den internationalen Verkehr aus oder nach dem Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln aufstellen, zweitens für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festlegen, drittens Maßnahmen zur Verbesserung der Verkehrssicherheit erlassen und viertens alle sonstigen zweckdienlichen Vorschriften erlassen. Beim Erlass dieser Maßnahmen hat der Unionsgesetzgeber nach Art. 91 Abs. 2 AEUV den Fällen Rechnung zu tragen, in denen die Anwendung den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte. Sodann hat nach Art. 94 AEUV jede Maßnahme auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen, die im Rahmen der Verträge getroffen wird, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen. Schließlich verbietet Art. 95 Abs. 1 AEUV Diskriminierungen im Verkehr innerhalb der Union, die darin bestehen, dass ein Verkehrsunternehmer in denselben Verkehrsverbindungen für die gleichen Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland unterschiedliche Frachten und Beförderungsbedingungen anwendet.

356

Die in Art. 56 AEUV gewährleistete Dienstleistungsfreiheit kann daher auf Verkehrsdienstleistungen nur insoweit Anwendung finden, als sie ein auf der Grundlage der verkehrsbezogenen Bestimmungen der Verträge erlassener Rechtsakt der Union für anwendbar erklärt (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 5. Oktober 1994, Kommission/Frankreich, C‑381/93, EU:C:1994:370, Rn. 12 und 13; vom 6. Februar 2003, Stylianakis, C‑92/01, EU:C:2003:72, Rn. 24, sowie vom 21. Dezember 2023, Kommission/Dänemark [Höchstparkdauer], C‑167/22, EU:C:2023:1020, Rn. 40).

357

Dagegen finden die in den Art. 49 bis 55 AEUV enthaltenen Vorschriften des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit auf den Verkehr unmittelbar Anwendung (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 22. Dezember 2010, Yellow Cab Verkehrsbetrieb, C‑338/09, EU:C:2010:814, Rn. 33).

358

Daraus folgt, wie der Generalanwalt in den Nrn. 48 und 50 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dass sich die Regelung des Verkehrs im Unionsrecht dadurch kennzeichnet, dass ein Niederlassungsrecht in jedem Mitgliedstaat, das auf dem AEU-Vertrag beruht, zum einen, mit einem Recht der Verkehrsunternehmer auf freie Erbringung von Verkehrsdienstleistungen, zum anderen, kombiniert angewandt wird, das nur insoweit garantiert wird, als dieses Recht durch vom Unionsgesetzgeber im Rahmen der in den Art. 90 bis 100 AEUV vorgesehenen gemeinsamen Verkehrspolitik erlassene Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde. Diese Sonderregelung schränkt somit die Möglichkeit für die Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten ein, vorübergehend ihre Straßenverkehrsdienstleistungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat ihrer Niederlassung zu erbringen, während die Staatsangehörigen aller Mitgliedstaaten das Recht haben, sich in Ausübung der in den Art. 49 bis 55 AEUV verankerten Grundfreiheit dauerhaft in einem anderen Mitgliedstaat niederzulassen und dort den Beruf des Verkehrsunternehmers zu den gleichen Bedingungen wie die Staatsangehörigen dieses Mitgliedstaats auszuüben.

359

Im vorliegenden Fall ist, was erstens den behaupteten Verstoß zum einen gegen Art. 26 AEUV, der das Funktionieren des Binnenmarkts betrifft, und zum anderen gegen Art. 21 Abs. 1 AEUV und Art. 45 Abs. 1 der Charta, die die Freizügigkeit der Unionsbürger betreffen, sowie gegen Art. 45 AEUV über die Freizügigkeit der Arbeitnehmer anbelangt, festzustellen, dass die von der Republik Litauen und der Republik Bulgarien insoweit vorgebrachten Klagegründe und Argumente ausschließlich auf der – in den Rn. 168 bis 180 des vorliegenden Urteils dargelegten – falschen Prämisse beruhen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 die Fahrer verpflichte, zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückzukehren, ohne dass sie den Ort frei wählen könnten, an dem sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbrächten. Diese Klagegründe und Argumente sind daher, wie bereits in Rn. 200 dieses Urteils ausgeführt, allein aus diesem Grund zurückzuweisen.

360

Was zweitens den von Rumänien geltend gemachten Verstoß gegen die Niederlassungsfreiheit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 49 Abs. 1 AEUV die Beschränkungen der freien Niederlassung von Staatsangehörigen eines Mitgliedstaats im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats nach Maßgabe der Bestimmungen in Titel IV Kapitel 2 des Dritten Teils des AEU-Vertrags verboten sind.

361

Wie sich aus Rn. 357 des vorliegenden Urteils ergibt, finden diese Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Niederlassungsfreiheit auf den Verkehr unmittelbar und, im Unterschied zur Dienstleistungsfreiheit, nicht über den Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags über den Verkehr Anwendung.

362

Nach ständiger Rechtsprechung ist mit der Niederlassungsfreiheit, die Art. 49 AEUV den Staatsangehörigen der Mitgliedstaaten zuerkennt und die für sie die Aufnahme und Ausübung selbständiger Erwerbstätigkeiten sowie die Gründung und Leitung von Unternehmen unter den gleichen Bedingungen wie den im Recht des Niederlassungsstaats für dessen eigene Angehörigen festgelegten umfasst, gemäß Art. 54 AEUV für die nach den Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats gegründeten Gesellschaften, die ihren satzungsmäßigen Sitz, ihre Hauptverwaltung oder ihre Hauptniederlassung innerhalb der Union haben, das Recht verbunden, ihre Tätigkeit in dem betreffenden Mitgliedstaat durch eine Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben (Urteil vom 22. September 2022, Admiral Gaming Network u. a., C‑475/20 bis C‑482/20, EU:C:2022:714, Rn. 36 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

363

Der Begriff der „Niederlassung“ im Sinne des AEU-Vertrags ist also ein sehr weiter Begriff, der die Möglichkeit für einen Angehörigen eines Mitgliedstaats impliziert, in stabiler und kontinuierlicher Weise am Wirtschaftsleben eines anderen Mitgliedstaats als seines Herkunftsstaats teilzunehmen und daraus Nutzen zu ziehen, im Unterschied zum freien Dienstleistungsverkehr, mit dem ein solcher Staatsangehöriger seine Tätigkeit in einem anderen Mitgliedstaat vorübergehend ausübt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 30. November 1995, Gebhard, C‑55/94, EU:C:1995:411, Rn. 25 und 26).

364

Dieser Begriff impliziert daher die tatsächliche Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mittels einer festen Einrichtung im Aufnahmemitgliedstaat auf unbestimmte Zeit. Daher setzt er eine tatsächliche Ansiedlung des betreffenden Wirtschaftsteilnehmers und die Ausübung einer wirklichen wirtschaftlichen Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat voraus (Urteil vom 2. September 2021, Institut des Experts en Automobiles, C‑502/20, EU:C:2021:678, Rn. 32 und die dort angeführte Rechtsprechung).

365

Als Beschränkung der Niederlassungsfreiheit sind nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs alle Maßnahmen anzusehen, die die Ausübung der in Art. 49 AEUV garantierten Freiheit unterbinden, behindern oder weniger attraktiv machen (Urteile vom 7. September 2022, Cilevičs u. a., C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 61 und die dort angeführte Rechtsprechung, sowie vom 8. Juni 2023, Prestige and Limousine, C‑50/21, EU:C:2023:448, Rn. 61), wobei dieses Verbot nicht nur für nationale Maßnahmen, sondern auch für Maßnahmen der Unionsorgane gilt (vgl. entsprechend zur Dienstleistungsfreiheit Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 104 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

366

Insoweit ist noch darauf hinzuweisen, dass nach dem AEU-Vertrag auch eine geringfügige oder wenig bedeutende Beschränkung dieser Grundfreiheit grundsätzlich untersagt ist (Urteil vom 22. September 2022, Admiral Gaming Network u. a., C‑475/20 bis C‑482/20, EU:C:2022:714, Rn. 40 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

367

Nach ständiger Rechtsprechung ist eine Beschränkung der Niederlassungsfreiheit nur dann zulässig, wenn sie erstens aus einem zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt und zweitens verhältnismäßig ist, was bedeutet, dass sie geeignet sein muss, die Erreichung der verfolgten Zielsetzung in kohärenter und systematischer Weise zu gewährleisten, und nicht über das hinausgehen darf, was hierzu erforderlich ist (Urteile vom 7. September 2022, Cilevičs u. a., C‑391/20, EU:C:2022:638, Rn. 65, sowie vom 8. Juni 2023, Prestige and Limousine, C‑50/21, EU:C:2023:448, Rn. 64).

368

Im vorliegenden Fall stellt Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, der unterschiedslos für alle in den Anwendungsbereich der Verordnung Nr. 561/2006 fallenden Verkehrsunternehmen unabhängig davon gilt, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, entgegen dem Vorbringen Rumäniens keine auch nur geringfügige Beschränkung der in Art. 49 AEUV garantierten Niederlassungsfreiheit dar.

369

Zum einen schränkt Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in keiner Weise das Recht von in anderen Mitgliedstaaten als Rumänien niedergelassenen Verkehrsunternehmen ein, dort ihre Beförderungstätigkeiten durch die Gründung einer Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur auszuüben.

370

Zum anderen behindert diese Bestimmung auch nicht das Recht in Rumänien niedergelassener Verkehrsunternehmen, ihre Tätigkeiten in anderen Mitgliedstaaten ihrer Wahl durch die Gründung einer Tochtergesellschaft, Zweigniederlassung oder Agentur in diesen Mitgliedstaaten auszuüben.

371

Diese Erwägungen werden durch das Vorbringen Rumäniens zu den Kosten, die mit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung für die Verkehrsunternehmen verbunden sein sollen, nicht in Frage gestellt.

372

Zwar können die Verkehrsunternehmen, die vor dem Erlass dieser Bestimmung die Arbeit ihrer Fahrer nicht so organisiert haben, dass diese je nach Fall alle drei oder vier Wochen in den Mitgliedstaat, in dem diese Unternehmen ihren Sitz haben, oder an ihren Wohnsitz zurückkehren können, aufgrund der Einführung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung möglicherweise zusätzliche Belastungen zu tragen haben. Eine solche Auswirkung betrifft diese Unternehmen jedoch unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind, und zwar wegen des von ihnen gewählten Geschäftsmodells.

373

Im Übrigen trifft es zwar zu, dass sich die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung stärker auf die Verkehrsunternehmen auswirken kann, deren Fahrer lange Fahrten außerhalb der Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder ihres Wohnsitzes zurücklegen, da sie für diese Unternehmen bestimmte zusätzliche Kosten und etwaige Einkommensverluste mit sich bringen kann. Diese unterschiedliche Auswirkung, die auf das von diesen Unternehmen gewählte Geschäftsmodell zurückgeht, spiegelt jedoch keineswegs das Vorliegen einer Beschränkung der Niederlassungsfreiheit wider, da diese Bestimmung, wie in Rn. 370 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Freiheit der Verkehrsunternehmen keineswegs einschränkt, sich in anderen Mitgliedstaaten niederzulassen, indem sie sich dort ansiedeln und dort die Tätigkeit eines Verkehrsunternehmers mittels einer festen Einrichtung tatsächlich ausüben.

374

Was drittens und letztens das Vorbringen Rumäniens betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zu ungerechtfertigten Beschränkungen des freien Dienstleistungsverkehrs führen könne, genügt der Hinweis, dass selbst dann, wenn die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung geeignet wäre, die Verkehrsdienstleistungen, die zu dem in den Rn. 372 und 373 des vorliegenden Urteils genannten Geschäftsmodell gehören, weniger attraktiv zu machen, daraus kein Verstoß gegen die Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr folgen würde.

375

Wie sich nämlich aus den Rn. 352 bis 358 dieses Urteils ergibt, wird der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs nicht durch Art. 56 AEUV geregelt, der den freien Dienstleistungsverkehr im Allgemeinen betrifft, sondern durch die Spezialvorschrift von Art. 58 Abs. 1 AEUV, wonach für den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs die Art. 90 bis 100 AEUV gelten, die den Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags über die gemeinsame Verkehrspolitik bilden. Die Anwendung des Grundsatzes des freien Verkehrs der Verkehrsdienstleistungen muss daher nach dem AEU-Vertrag durch die Verwirklichung der gemeinsamen Verkehrspolitik erreicht werden, die unter die vom Parlament und vom Rat auf der Grundlage insbesondere von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassenen Bestimmungen fällt.

376

Genau dies ist Gegenstand der Verordnung 2020/1054, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassen hat, um die Verordnung Nr. 561/2006 zu ändern, die ihrerseits auf der Grundlage von Art. 71 des EG-Vertrags, jetzt Art. 91 AEUV, erlassen wurde, um bestimmte Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu harmonisieren.

377

Daraus ergibt sich, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 177 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Unionsgesetzgeber berechtigt ist, durch die Anpassung eines Gesetzgebungsakts zur Verbesserung des sozialen Schutzes der betroffenen Arbeitnehmer die Bedingungen zu ändern, unter denen die Dienstleistungsfreiheit im Bereich des Straßenverkehrs ausgeübt wird, da nach Art. 58 Abs. 1 AEUV der Grad der Liberalisierung in diesem Bereich nicht unmittelbar durch Art. 56 AEUV, sondern vom Unionsgesetzgeber selbst im Rahmen der Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik bestimmt wird. Die vom Unionsgesetzgeber auf dem Gebiet des freien Verkehrs der Verkehrsdienstleistungen erlassenen Maßnahmen können daher nicht nur bezwecken, die Ausübung dieser Freiheit zu erleichtern, sondern gegebenenfalls auch, den Schutz anderer von der Union anerkannter grundlegender Interessen zu gewährleisten, die durch diese Freiheit beeinträchtigt werden können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 105), einschließlich der in der Präambel des AEU-Vertrags und in Art. 151 Abs. 1 AEUV genannten Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sowie der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gemäß Art. 9 und Art. 151 Abs. 1 AEUV.

378

Außerdem soll die gemeinsame Verkehrspolitik der Union, wie sich aus Art. 90 AEUV ergibt, die Verfolgung der Ziele der Verträge ermöglichen, zu denen die in der vorstehenden Randnummer genannten Ziele gehören.

379

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen der zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassenen Maßnahmen, wie sie in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehen sind, berechtigt ist, Maßnahmen zur Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen und zur Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes der von Verkehrsunternehmen beschäftigten Fahrer zu erlassen, um sicherzustellen, dass sie nicht während langer Zeiträume von ihrem Wohnsitz abwesend sind.

380

Folglich ist das in Rn. 351 des vorliegenden Urteils wiedergegebene Vorbringen der Republik Bulgarien im Rahmen ihres fünften Klagegrundes, mit dem sie einen Verstoß gegen die Dienstleistungsfreiheit geltend macht, als unzulässig zurückzuweisen. Im Übrigen sind der erste Klagegrund und der erste Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen, der erste Klagegrund der Republik Bulgarien, der zweite Klagegrund Rumäniens sowie das Vorbringen dieses Mitgliedstaats zu einem Verstoß gegen die Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr im Rahmen des zweiten Teils seines ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

5) Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

i) Vorbringen der Parteien

381

Rumänien macht im Rahmen des Vorbringens zur Stützung des zweiten Teils seines ersten Klagegrundes betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, und die Republik Polen macht mit ihrem dritten bzw. vierten Klagegrund geltend, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen die sich aus Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV ergebenden Anforderungen verstoßen habe.

382

Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV bringt die Republik Polen erstens vor, der oberflächliche Charakter der Folgenabschätzung – Sozialer Teil und das Fehlen einer Folgenabschätzung in Bezug auf die schließlich in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 erlassene Maßnahme ließen nicht die Annahme zu, dass den Auswirkungen dieser Bestimmung auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen gebührend Rechnung getragen worden seien. Obwohl der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfüge, könne sich die ihm obliegende Verpflichtung, bestimmten Auswirkungen Rechnung zu tragen, nicht einfach darauf beschränken, von ihnen Kenntnis zu nehmen, da Art. 91 Abs. 2 AEUV sonst seine Wirksamkeit genommen würde.

383

Was zum einen die Auswirkungen auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen betrifft, ist die Republik Polen der Ansicht, dass in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil insbesondere nicht die Folgen des Anstiegs der Zahl der Reisen auf den Haupttransitstrecken der Union berücksichtigt worden seien, die sich auf 8880000 Rückreisen in einem Jahr belaufe. Diese zusätzlichen Fahrten erhöhen laut diesem Mitgliedstaat die Überlastung auf den Straßen und verstärkten so die Verschlechterung des Zustands der Straßeninfrastruktur, die die Folgenabschätzung – Sozialer Teil festgestellt habe. In diesem Zusammenhang sei das „Vierte-Potenz-Gesetz“ zu berücksichtigen, ausgearbeitet von der American Association of State Highway and Transportation Officials (AASHTO), der amerikanischen Normungsorganisation, die die Auswirkungen der Fahrzeuge auf die Straßeninfrastruktur belege, wonach die Verschlechterung der Straßen exponentiell, zur vierten Potenz, mit der Erhöhung des Gewichts des Fahrzeugs steige. Obwohl Lastkraftwagen weniger zahlreich seien als Personenkraftwagen, sei ihre Auswirkung auf die Infrastruktur sehr viel größer.

384

Was zum anderen die Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigung angehe, so beeinträchtige die Zunahme des Straßenverkehrs auch die Lebensqualität in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten. Die Republik Polen ist der Ansicht, dass die rechtlichen Änderungen in Bezug auf den Straßenverkehr zu einem Anstieg der Zahl der risikobehafteten Verhaltensweisen der Fahrer um durchschnittlich 19 % führen würden, die mit der Versuchung zusammenhingen, gegen die Regelung zu verstoßen, um sich dieser neuen Verpflichtung anzupassen oder sie zu umgehen, wobei gleichzeitig die Zahl der tödlichen Unfälle steige. Ebenso wenig seien die nachteiligen Folgen für die Fahrer und die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmen, bei denen die durchschnittliche Dauer der Rückfahrten zur Betriebsstätte des Arbeitgebers erheblich höher sei, noch der zusätzliche administrative und organisatorische Aufwand für die Verkehrsunternehmen, bei denen mehr als die Hälfte KMU seien, berücksichtigt worden. Dies würde zu einer wahrscheinlichen Gefahr der Insolvenz zahlreicher Verkehrsunternehmen oder ihrer Verlegung in die Mitgliedstaaten im Zentrum der Union führen. Ebenso trägt Rumänien vor, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung für die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmen zu einer stärkeren Erhöhung der Kosten und zu einem stärkeren Rückgang der Einnahmen als für die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union führen würde, was zur Verlagerung einer großen Zahl von ihnen in diese letzteren Mitgliedstaaten führen werde.

385

Was zweitens den Verstoß gegen Art. 94 AEUV betrifft, macht die Republik Polen geltend, der Unionsgesetzgeber habe beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmen, insbesondere der KMU, die den größten Teil davon in der Union ausmachten, nicht Rechnung getragen. In der Folgenabschätzung – Sozialer Teil seien nämlich die Auswirkungen dieser Bestimmung auf die KMU oberflächlich geprüft worden, obwohl ihnen damit zusätzlicher administrativer und organisatorischer Aufwand auferlegt werde. Rumänien ist ebenfalls der Ansicht, dass die in der letzteren Bestimmung vorgesehene Verpflichtung aus diesem Grund die Situation der Verkehrsunternehmen ernstlich beeinträchtige.

386

Im Übrigen betont die Republik Polen, dass die Erhöhung der Kilometerzahl, die sich zwangsläufig aus dieser Verpflichtung ergebe, im Gesamtkontext des ersten Mobilitätspakets gesehen werden sollte, zu dem auch die Verordnung 2020/1055 gehöre. Die Anwendung der Bestimmungen dieser Verordnung führe jedoch jedes Jahr zu Fahrten von 2035200000 km nur für Fahrzeuge, die zu den Betriebsstätten in Polen zurückkehrten. Unter der Annahme, dass 60 % dieser Fahrten ohne Ladung durchgeführt würden, würden diese Fahrzeuge im Laufe eines Jahres 1221120000 km leer fahren. Der Unionsgesetzgeber habe von den zahlreichen verfügbaren Maßnahmen, die gewährleisten sollten, dass die Arbeitnehmer ihr Recht auf Erholung ausübten, die Maßnahme gewählt, die für die Verkehrsunternehmen am belastendsten sei.

387

Eine der Auswirkungen dieser Situation sei der Rückzug vom Markt eines Teils der Verkehrsunternehmen aus dem KMU-Sektor mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union, bei denen es aufgrund ihrer Entfernung vom Zentrum der Union besonders schwierig sei, die administrativen und organisatorischen Anforderungen an die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung zu erfüllen. Ein Teil der Verkehrsunternehmen könnte auch beschließen, ihre Betriebsstätte in die Mitgliedstaaten im Zentrum der Union zu verlegen. Die Annahme, dass die unternehmerische Entscheidung, das Unternehmen zu verlagern, ihm nicht schaden könne, stehe im Widerspruch zu dem Umstand, dass die Verlegung des Sitzes eines Unternehmens eine erhebliche Belastung für seinen Betrieb darstelle. Außerdem seien die KMU im Unterschied zu multinationalen Unternehmen an den Ort gebunden, von dem aus sie ihre Dienstleistungen erbrächten.

388

Nach Ansicht der Republik Polen zeigt auch die Tatsache, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung während der Covid‑19-Pandemie vorgeschrieben worden sei, dass die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmen nicht berücksichtigt worden sei. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie seien aber besonders im Verkehrssektor spürbar gewesen, da dieser einem Rückgang der Nachfrage und den Beschränkungen des Überschreitens der Binnengrenzen ausgesetzt gewesen sei, die von den Mitgliedstaaten wieder eingeführt worden seien. Diese Wirkungen seien jedoch bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eingetreten.

389

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

390

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass, wie in den Rn. 352, 354 und 355 des vorliegenden Urteils ausgeführt, sowohl Art. 91 Abs. 2 AEUV als auch Art. 94 AEUV zu Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags gehören, der die gemeinsame Verkehrspolitik betrifft.

391

Was erstens den behaupteten Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber nach dieser Bestimmung beim Erlass von Maßnahmen nach Abs. 1 dieses Artikels, die zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten dienen, den Fällen Rechnung zu tragen hat, in denen die Anwendung dieser Maßnahmen den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte.

392

Da die Verordnung 2020/1054 vom Unionsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassen wurde, wobei diese Rechtsgrundlage im Rahmen der vorliegenden Klagen nicht beanstandet wird, oblag es dem Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung die sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV ergebenden Anforderungen zu berücksichtigen.

393

Insoweit verpflichtet Art. 91 Abs. 2 AEUV den Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, deren Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen „Rechnung zu tragen“, was sich in den größeren Rahmen einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen einfügt. Wie der Generalanwalt in Nr. 285 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, weist die Verwendung des Wortes „ernstlich“ außerdem darauf hin, dass Art. 91 Abs. 2 AEUV eine erhebliche Auswirkung der in Rede stehenden Maßnahmen auf diese Parameter und nicht ein bloßes Betroffensein verlangt.

394

Somit ergibt sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV, dass die schwerwiegenden Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen angesichts des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik beim Erlass von Maßnahmen zu diesem Zweck verfügt, keine absoluten Grenzen darstellen, sofern er diesen Gesichtspunkten Rechnung trägt.

395

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen, die sich aus dem Erlass einer auf Art. 91 Abs. 1 AEUV gestützten Maßnahme ergeben, verpflichtet ist, die verschiedenen in Rede stehenden Interessen ausgewogen zu berücksichtigen, um die von ihm verfolgten legitimen Ziele zu erreichen. Somit steht allein der Umstand, dass dieser dem Lebensstandard und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen und damit den wirtschaftlichen Interessen der Verkehrsunternehmen Rechnung zu tragen hat, dem nicht entgegen, dass für diese Unternehmen bindende Maßnahmen erlassen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 72 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

396

Daraus ergibt sich, dass Art. 91 Abs. 2 AEUV im Wesentlichen die Verpflichtung des Unionsgesetzgebers widerspiegelt, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu handeln, indem er Maßnahmen erlässt, die zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sind und nicht offensichtlich über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

397

Abgesehen davon, dass die im Rahmen der Prüfung des angeblichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemachten Klagegründe und Argumente zurückgewiesen worden sind, haben Rumänien und die Republik Polen zur Stützung der vorliegenden Klagegründe und Argumente, mit denen ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV geltend gemacht wird, keine zusätzlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die ihre Behauptung stützen könnten, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung schwerwiegende Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen habe, denen der Unionsgesetzgeber bei der Einführung dieser Verpflichtung unter Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV nicht Rechnung getragen habe.

398

Im Übrigen überschneiden sich diese Klagegründe und Argumente, entweder vollständig in Bezug auf Rumänien oder weitgehend in Bezug auf die Republik Polen, mit denen, die bereits zur Stützung der Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht worden sind.

399

Was als Erstes die Auswirkungen von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen betrifft, beruht das Vorbringen der Republik Polen, mit dem sie beanstandet, die Folgenabschätzung – Sozialer Teil habe die negativen Auswirkungen dieser Bestimmung auf die Straßeninfrastruktur nicht geprüft, vollständig auf der Prämisse, dass die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass sie zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückkehren könnten, zu einer erheblichen Zunahme des Verkehrs führe. Wie sich jedoch aus den Rn. 236 und 295 des vorliegenden Urteils ergibt, ist diese Prämisse falsch, da sie zum einen voraussetzt, dass vor dem Erlass dieser Maßnahme eine geringe Zahl von Fahrern an den einen oder anderen Ort zurückgekehrt ist, und zum anderen, dass diese Rückkehr zwangsläufig mit dem vom Fahrer benutzten Fahrzeug erfolgen muss.

400

Im Übrigen verbietet es, wie in Rn. 295 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 dem Verkehrsunternehmen nicht, die Rückkehr des Fahrers mit dessen Durchführung einer Beförderung in den Mitgliedstaat, in dem sich diese Orte befinden, zusammenfallen zu lassen, um die leeren Rückfahrten zu begrenzen, die ausschließlich dazu bestimmt sind, ihre Verpflichtung aus dieser Bestimmung zu erfüllen. Insoweit erläutert die Republik Polen jedoch nicht, inwiefern eine solche Rückkehr die Straßeninfrastruktur stärker beeinträchtigen sollte als jede andere Fahrt, die diese Fahrer mit ihrem Fahrzeug im Rahmen der gewöhnlichen Beförderungen ihres Arbeitgebers durchführen. Im Übrigen ist auch nicht nachgewiesen worden, dass ein Fahrzeug, das nicht zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zum Wohnsitz des Fahrers zurückkehrt, zwangsläufig stehen bleibt und folglich während des entsprechenden Zeitraums nicht verwendet wird, um die gewöhnlichen Tätigkeiten des Verkehrsunternehmens fortzusetzen.

401

Was als Zweites die Auswirkungen dieses Art. 1 Nr. 6 Buchst. d auf die Lebensqualität in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten und die Gefahren betrifft, die sich aus der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung für die Straßenverkehrssicherheit ergeben, stützt sich das Vorbringen der Republik Polen im Wesentlichen auch auf dieselbe falsche Prämisse, wonach diese Bestimmung zu einer erheblichen Zunahme des Verkehrs führe, was nicht die Feststellung erlaubt, dass der Unionsgesetzgeber diese Auswirkungen nicht berücksichtigt habe. Außerdem ist das Vorbringen dieses Mitgliedstaats, soweit er beanstandet, dass der Unionsgesetzgeber die Auswirkungen dieser Bestimmung auf die in bestimmten Mitgliedstaaten beschäftigten Fahrer wegen der beträchtlichen Entfernungen, die sie zurückzulegen hätten, und der sich daraus ergebenden erhöhten Ermüdung nicht geprüft habe, aus den bereits in Rn. 292 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

402

Was als Drittes die Auswirkungen von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 auf die Beschäftigung betrifft, trägt die Republik Polen vor, dass diese Bestimmung zusätzlichen administrativen und organisatorischen Aufwand mit sich bringe, so dass „sehr wahrscheinlich die Gefahr besteht“, dass zahlreiche Verkehrsunternehmen insolvent würden oder in die Mitgliedstaaten „im Zentrum der Union“ verlegt würden. Eine solche Behauptung ist jedoch mangels konkreter Anhaltspunkte, die sie stützen könnten, als spekulativ und jedenfalls als unzureichend anzusehen, um eine schwerwiegende Auswirkung auf die Beschäftigung nachzuweisen. Gleiches gilt, wie in den Rn. 276 und 293 des vorliegenden Urteils ausgeführt, für die ebenso allgemeine und abstrakte Behauptung Rumäniens, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung aufgrund der Erhöhung ihrer Kosten und des Rückgangs ihrer Einnahmen zur Standortverlagerung der Verkehrsunternehmen führen werde, die in bestimmten Mitgliedstaaten niedergelassen seien.

403

Insoweit können diese Argumente die Feststellungen der Kommission in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 60 und 61) nicht in Frage stellen, wonach sich die Maßnahmen in Bezug auf die Arbeitszeit und die Modalitäten der wöchentlichen Ruhezeit positiv auf die Attraktivität des Berufs des Kraftfahrers und damit auf das Angebot auf dem Arbeitsmarkt auswirken sollten, wobei in dieser Folgenabschätzung festgestellt wurde, dass der Mangel an Fahrern zum Teil durch die Verschlechterung der Arbeitsbedingungen verursacht wurde, die dem Ansehen und der Attraktivität des Berufs schadet (Teil 1/2, S. 9). Wie sich aus einer von der Republik Polen angeführten Studie („Transport of the Future. Report on prospects for the development of road transport in Poland in 2020-2030“ [„Die Beförderung der Zukunft. Bericht über die Entwicklungsperspektiven des Straßenverkehrs in Polen im Zeitraum 2020‑2030“], 2019, S. 42) ergibt, sind es gerade die weiten Strecken in Entfernung vom Wohnsitz, die einen der Gründe für einen solchen Mangel darstellen.

404

Jedenfalls ist noch festzustellen, dass entgegen dem Vorbringen Rumäniens und der Republik Polen die bloße Tatsache, dass bestimmte Verkehrsunternehmen wegen der Erhöhung des den Fahrern durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 garantierten sozialen Schutzes höhere Kosten und höheren Verwaltungsaufwand tragen könnten, keineswegs als ein Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik angesehen werden kann, der einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV darstellt.

405

Wenn nämlich, wie in Rn. 266 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, kann der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union in Art. 9 AEUV zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gehört. In einem solchen Fall kann der Unionsgesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz dieser allgemeinen Interessen und übergreifenden Ziele zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen.

406

Was zweitens den behaupteten Verstoß gegen Art. 94 AEUV betrifft, sieht diese Bestimmung vor, dass jede Maßnahme „auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“, die im Rahmen der Verträge getroffen wird, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen hat.

407

Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 regelt jedoch nicht die Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen für Güter oder Fahrgäste, sondern legt die Bedingungen fest, unter denen die Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit nehmen können, indem er vorsieht, dass die Verkehrsunternehmen die Arbeit der Fahrer so zu planen haben, dass sie je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückkehren können. Daher wirkt sich diese Bestimmung zu mittelbar auf die Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen für Güter oder Fahrgäste aus, um unter Art. 94 AEUV zu fallen, was ausreicht, um das Vorbringen Rumäniens und der Republik Polen zurückzuweisen, mit dem ein Verstoß gegen diese Bestimmung geltend gemacht wird.

408

Folglich sind das Vorbringen Rumäniens im Rahmen des zweiten Teils des ersten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV gerügt wird, sowie der dritte und der vierte Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

6) Zum Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes

i) Vorbringen der Parteien

409

Die Republik Litauen, mit ihrem dritten Klagegrund, und die Republik Polen, mit ihrem fünften Klagegrund, machen geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes verstoßen habe. Die Republik Litauen macht insoweit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV sowie die „Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels“ geltend, während die Republik Polen einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta vorbringt.

410

Diese Mitgliedstaaten weisen darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber nach diesen Bestimmungen den Erfordernissen des Umweltschutzes sowohl bei der Festlegung und Durchführung anderer Unionspolitiken als auch im Rahmen anderer Unionsmaßnahmen Rechnung tragen müsse. Das in Art. 191 AEUV festgelegte Ziel des Umweltschutzes könne nämlich nur durch Maßnahmen, die gemäß Art. 192 AEUV im Rahmen einer gesonderten und autonomen Politik erlassen würden, weder berücksichtigt noch verwirklicht werden. Der in Art. 11 AEUV verankerte Grundsatz der Einbeziehung ermögliche es, die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes mit den anderen Interessen und Zielen der Union in Einklang zu bringen.

411

Nach Ansicht der Republik Polen erlaubt eine Auslegung dahin, dass Art. 11 AEUV Bereiche des Unionsrechts und keine besonderen Maßnahmen betreffe, es nicht, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen. Die Zugehörigkeit der Verordnung 2020/1054 zu einem umfassenderen Paket zur Verringerung der Schadstoffemissionen aus dem Straßenverkehrssektor beweise nicht, dass die Auswirkungen dieser Verordnung auf die Umwelt, insbesondere auf die Möglichkeit, die in den von der Union im Umweltbereich erlassenen Dokumenten und Rechtsakten festgelegten Umweltziele zu erreichen, angemessen berücksichtigt worden seien. Außerdem könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Ziele im Bereich der Reduktion der Treibhausgasemissionen nach ihrer Festlegung unverändert blieben, unabhängig von den zusätzlichen Emissionen, die in Zukunft infolge der Erfüllung von Verpflichtungen entstünden, die sich aus einer neuen Unionsregelung ergäben.

412

Die Republik Litauen und die Republik Polen teilen die von Generalanwalt Geelhoed in den Nrn. 59 und 60 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:66) vertretene Auslegung, wonach nur wenn ökologische Belange offensichtlich nicht berücksichtigt oder vollständig außer Acht gelassen wurden, Art. 11 AEUV als Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften der Union dienen kann. Stehe fest, dass eine besondere Maßnahme des Unionsgesetzgebers die Verwirklichung der Ziele beeinträchtige, die er in anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt habe, müsse der Unionsgesetzgeber die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen und gegebenenfalls geeignete Änderungen an den im Umweltbereich geltenden Rechtsakten vornehmen.

413

Im vorliegenden Fall habe der Unionsgesetzgeber gegen diese Verpflichtung verstoßen, da er die Auswirkungen der Umsetzung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung auf die Umweltanforderungen nicht geprüft habe.

414

Die Umsetzung der letztgenannten Verpflichtung führe aber zu zusätzlichen Fahrten von Lastkraftwagen, einschließlich Leerfahrten, über weite Strecken, aus denen sich Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen ergäben, die zahlreiche gesundheitliche Probleme verursachten. Die Umweltauswirkungen der angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 seien auch kumulativ mit denen der Verordnung 2020/1055 und der Richtlinie 2020/1057 zu untersuchen, die ebenfalls Teil des „Mobilitätspakets“ seien, die die Lastkraftwagenfahrer ebenfalls zu zusätzlichen Fahrten zwängen.

415

Die Republik Litauen bringt außerdem ihre Überzeugung zum Ausdruck, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung unweigerlich die Effizienz des Verkehrssystems verringern und die Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels beeinträchtigen werde.

416

Die Republik Polen weist insbesondere darauf hin, dass nach den Schätzungen der Internationalen Straßentransport-Union (IRU), wie sie sich aus ihrem offenen Brief vom 26. Oktober 2018 ergäben, die in der Verordnung 2020/1055 vorgeschriebene Rückkehr von Fahrzeugen für sich genommen mehr als 100000 t CO2 zusätzlich pro Jahr erzeuge. Auch ein von KPMG erstellter Bericht („Impact assessment regarding provisional agreement on Mobility Package I“ [„Folgenabschätzung zur vorläufigen Vereinbarung über das erste Mobilitätspaket“],20. Februar 2020) zeige – ausgehend von dem Beispiel bulgarischer Verkehrsunternehmer –, dass sich der jährliche Anstieg der CO2-Emissionen aufgrund dieser verpflichtenden Rückkehr der Fahrzeuge nach Bulgarien auf etwa 71000 t belaufen werde. Nach einer anderen Schätzung des European Centre for International Political Economy (ECIPE) (Europäisches Zentrum für internationale politische Ökonomie) (Bauer, M., „4 Million Tonnes Additional CO2 due to Proposed EU Cabotage Laws in Mobility Package“ [„4 Mio. t zusätzliches CO2 aufgrund des Vorschlags für Unionsvorschriften über die Kabotage im Mobilitätspaket“], Januar 2020), ausgehend von den Berechnungen von KPMG für den bulgarischen Sektor des internationalen Verkehrs und Eurostat-Daten, beliefen sich die zusätzlichen CO2-Emissionen für die gesamte Union aus dem Entwurf zur Änderung der Bestimmungen über die Kabotage auf etwa 4 Mio. t. Nach den eigenen Bewertungen der Republik Polen erzeugten die zusätzlichen Leerfahrten, die durch die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge, die für den polnischen Fahrzeugbestand von mehr als 2,5 t im grenzüberschreitenden Verkehr gelte, vorgeschrieben würden, 672024 t CO2.

417

Nach Ansicht der Republik Litauen und der Republik Polen sind diese zusätzlichen CO2-Emissionen geeignet, die Verwirklichung der von der Union verfolgten Klimaziele bis 2050 zu behindern, wie sie in der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Europäischen Rat, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 11. Dezember 2019„Der europäische Grüne Deal“, (COM[2019] 640 final [im Folgenden: Grüner Deal] genannt seien, Ziele, die der Europäische Rat in einer Tagung vom 12. Dezember 2019 unterstützt habe. Die Republik Polen verweist außerdem auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 17. September 2020„Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030 – In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren“ (COM[2020] 562 final, S. 26).

418

Die Republik Polen ist der Ansicht, diese zusätzlichen CO2-Emissionen könnten auch die Verwirklichung der Ziele der Verordnung (EU) 2018/842 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2018 zur Festlegung verbindlicher nationaler Jahresziele für die Reduzierung der Treibhausgasemissionen im Zeitraum 2021 bis 2030 als Beitrag zu Klimaschutzmaßnahmen zwecks Erfüllung der Verpflichtungen aus dem Übereinkommen von Paris sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 525/2013 (ABl. 2018, L 156, S. 26) durch die Mitgliedstaaten in Frage stellen.

419

Die zusätzlichen Emissionen von Luftschadstoffen könnten die Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Richtlinie (EU) 2016/2284 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. Dezember 2016 über die Reduktion der nationalen Emissionen bestimmter Luftschadstoffe, zur Änderung der Richtlinie 2003/35/EG und zur Aufhebung der Richtlinie 2001/81/EG (ABl. 2016, L 344, S. 1) erheblich behindern. Diese zusätzlichen Emissionen könnten auch die mit der Richtlinie 2008/50/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Mai 2008 über Luftqualität und saubere Luft für Europa (ABl. 2008, L 152, S. 1) verfolgten Ziele gefährden.

420

Keiner der angefochtenen Rechtsakte, aus denen sich das „Mobilitätspaket“ zusammensetze, behandle diese verschiedenen Auswirkungen. In der Folgenabschätzung – Sozialer Teil stelle die Kommission lediglich fest, dass sie keine Auswirkungen der in Betracht gezogenen Optionen auf die Umwelt festgestellt habe. Diese Feststellung sei jedoch weder untermauert noch glaubhaft.

421

Obwohl einige Mitgliedstaaten und die Kommission darauf hingewiesen hätten, dass die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge sowie die Beschränkungen für die Kabotagebeförderung, auf den Anstieg der Leerfahrten und der CO2-Emissionen berücksichtigt werden müssten, und die Notwendigkeit betont hätten, die Auswirkungen aller dieser Maßnahmen auf Unionsebene zu analysieren, habe der Unionsgesetzgeber diese Bedenken außer Acht gelassen. Die von der für Verkehrsangelegenheiten zuständigen Kommissarin, Frau Vălean, angekündigte Ausarbeitung zusätzlicher Analysen vor Ende 2020 zu den Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge in den Niederlassungsmitgliedstaat alle acht Wochen und der Beschränkungen für Beförderungen im kombinierten Verkehr, gleiche diese Verletzung keineswegs aus, ja bestätige sogar die Begründetheit der vorliegenden Klagegründe und Argumente, mit denen ein Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes gerügt werde.

422

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

423

Was erstens Art. 3 Abs. 3 EUV betrifft, auf den sich die Republik Litauen beruft, enthält diese Bestimmung, wie der Generalanwalt in Nr. 566 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verschiedene wesentliche Ziele, die von der Union verfolgt werden, ohne eine Hierarchie zwischen ihnen aufzustellen, so dass die Verwirklichung dieser Ziele, zu denen ebenso wie der Umweltschutz u. a. die Verwirklichung einer nachhaltigen Entwicklung auf der Grundlage eines ausgewogenen Wirtschaftswachstums und einer sozialen Wirtschaft, die auf sozialen Fortschritt abzielt, sowie die Förderung des sozialen Schutzes gehören, das Ergebnis von Politiken und Handlungen der Union sowie der Mitgliedstaaten sein muss.

424

Diese Bestimmung kann daher im Unterschied zu den spezifischen Vorschriften des AEU-Vertrags, die die dort aufgeführten allgemeinen Ziele konkretisieren und die betreffende Materie regeln, nicht zu den Parametern gehören, anhand deren die Vereinbarkeit einer Bestimmung des abgeleiteten Rechts mit dem Primärrecht beurteilt werden kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 11. März 1992, Compagnie commerciale de l’Ouest u. a., C‑78/90 bis C‑83/90, EU:C:1992:118, Rn. 18 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

425

Was zweitens Art. 191 AEUV betrifft, auf den sich die Republik Litauen ebenfalls beruft, so steht dieser Artikel in Titel XX des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der die Umweltpolitik der Union betrifft. Die Verordnung 2020/1054 wurde jedoch nicht im Rahmen dieser Politik, sondern im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassen, die Gegenstand von Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags ist, insbesondere auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, wobei diese Rechtsgrundlage im Rahmen der vorliegenden Klagen nicht beanstandet wird.

426

Zum letztgenannten Punkt ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Gesetzgebungsakt wie die Verordnung 2020/1054 nicht allein deshalb zur Umweltpolitik der Union gehört, weil er den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung zu tragen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament, C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 48 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

427

Daraus folgt, dass Art. 191 AEUV über die Umweltpolitik der Union für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 nicht relevant ist.

428

Was drittens Art. 11 AEUV betrifft, der zu Titel II des Ersten Teils dieses Vertrags gehört, der allgemein geltende Bestimmungen enthält, sieht dieser Artikel vor, dass die Erfordernisse des Umweltschutzes bei der Festlegung und Durchführung der Unionspolitiken und ‑maßnahmen insbesondere zur Förderung einer nachhaltigen Entwicklung einbezogen werden müssen.

429

Viertens sieht Art. 37 der Charta vor, dass ein hohes Umweltschutzniveau und die Verbesserung der Umweltqualität in die Politik der Union einbezogen und nach dem Grundsatz der nachhaltigen Entwicklung sichergestellt werden müssen.

430

Insoweit ergibt sich aus den Erläuterungen zur Charta, dass sich die in diesem Artikel enthaltenen Grundsätze im Wesentlichen auf Art. 3 Abs. 3 EUV, sowie die Art. 11 und 191 AEUV stützten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2016, Associazione Italia Nostra Onlus, C‑444/15, EU:C:2016:978, Rn. 62).

431

Was fünftens die anderen von der Republik Litauen und der Republik Polen angeführten Instrumente des abgeleiteten Rechts betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass hinsichtlich der verschiedenen in den Rn. 418 und 419 des vorliegenden Urteils angeführten Verordnungen und Richtlinien, auf die sich der letztere Mitgliedstaat stützt, die materielle Rechtmäßigkeit eines Unionsrechtsakts nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden kann, es sei denn, dass er in Anwendung des letztgenannten Rechtsakts erlassen wurde oder in einem dieser beiden Rechtsakte ausdrücklich vorgesehen ist, dass der eine Vorrang gegenüber dem anderen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 119), was vorliegend nicht der Fall ist.

432

Dies gilt erst recht für den von der Republik Litauen und der Republik Polen angeführten Grünen Deal, der zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung 2020/1054 nur eine von der Kommission angenommene Mitteilung darstellte, sowie für die in Rn. 417 des vorliegenden Urteils angeführten Schlussfolgerungen der Tagung des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2019, auf die sich die Republik Litauen beruft und deren geltend gemachte Auswirkungen „politischer“ Natur auf das Gesetzgebungsrecht des Parlaments und des Rates keinen Grund für die Nichtigerklärung der Bestimmungen dieser Verordnung durch den Gerichtshof darstellen können (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat, C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 86).

433

Unter diesen Umständen ist nur zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber, wie die Republik Litauen und die Republik Polen im Wesentlichen geltend machen, beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gegen die sich aus Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta ergebenden Erfordernisse des Umweltschutzes verstoßen hat.

434

Hierzu ist als Erstes festzustellen, dass sich die Republik Litauen auf die allgemeine und abstrakte Behauptung beschränkt, dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung unweigerlich die Umweltpolitik der Union beeinträchtigen werde. Ihre Argumentation beruht jedoch, wie sich aus den Rn. 168 bis 180 des vorliegenden Urteils ergibt, auf der falschen Prämisse, dass die Fahrer zwangsläufig je nach Fall alle drei oder vier Wochen mit oft leeren Lastkraftwagen an die Betriebsstätte des Arbeitgebers oder an ihren Wohnsitz zurückkehren müssten. Folglich ist dieses Vorbringen zurückzuweisen.

435

Als Zweites bezieht sich das Vorbringen der Republik Polen nahezu ausschließlich nicht auf die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung, sondern auf Bestimmungen in anderen Rechtsakten, die das „Mobilitätspaket“ bilden. Der wesentliche Teil der Studien und der anderen Elemente, auf die sich dieser Mitgliedstaat in diesem Zusammenhang stützt, bezieht sich nämlich auf die Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge zur Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens alle acht Wochen, die in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 vorgesehen ist, mit dem ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird. Die letztgenannte Bestimmung ist jedoch im Rahmen der Klagen gegen die Verordnung 2020/1055 in den Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑549/20 bis C‑552/20 und C‑554/20 Gegenstand unterschiedlicher Klagegründe. Da sich das Vorbringen der Republik Polen nicht auf die Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 bezieht, ist es als ins Leere gehend zurückzuweisen.

436

Als Drittes ist jedoch, soweit sich das auf einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta gestützte Vorbringen der Republik Polen speziell auf die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung bezieht, zum einen festzustellen, dass Art. 11 AEUV einen Querschnittscharakter hat, der impliziert, dass der Unionsgesetzgeber die Erfordernisse des Umweltschutzes in die Politiken und Maßnahmen der Union und insbesondere in die gemeinsame Verkehrspolitik, zu der die Verordnung 2020/1054 gehört, einbeziehen muss.

437

Zum anderen betrifft die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, die der Gerichtshof im vorliegenden Fall im Hinblick auf Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta vorzunehmen hat, einen Unionsrechtsakt, in dessen Rahmen der Unionsgesetzgeber, wie sich aus Rn. 282 des vorliegenden Urteils ergibt, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen und Zielen zu gewährleisten hat.

438

Unter diesen Umständen wären, selbst wenn die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung für sich genommen erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt haben sollte, für die Feststellung, ob ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta vorliegt, die anderen Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Unionsgesetzgeber ergriffen hat, um die negativen Auswirkungen des Straßenverkehrs auf die Umwelt zu begrenzen und das Gesamtziel der Verringerung der Schadstoffemissionen zu erreichen.

439

Im vorliegenden Fall macht die Republik Polen mit ihrem auf Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta gestützten Vorbringen im Wesentlichen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 zu zusätzlichen Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen führen werde, da sich aus seiner Anwendung zusätzliche Fahrten von oft leeren Lastkraftwagen über weite Strecken ergäben.

440

Diese Argumentation beruht somit vollständig auf der Prämisse, dass diese Bestimmung eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zum Wohnsitz der Fahrer impliziere, während vor dem Erlass der Verordnung 2020/1054 nur eine begrenzte Zahl von Fahrzeugen an einen dieser beiden Orte zurückgekehrt sei.

441

Diese Prämisse ist jedoch falsch, wie sich insbesondere aus den Rn. 170, 171, 236 und 295 des vorliegenden Urteils ergibt.

442

Unter diesen Umständen hat die Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 48) logischerweise keine Auswirkungen auf die Umwelt festgestellt, die sich aus den von der Kommission in ihrem Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ geplanten Maßnahmen ergeben würden.

443

Nach alledem ist das Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Polen betreffend einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta zurückzuweisen.

444

Daher sind weder das Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Polen zu anderen Rechtsakten der Union, deren Umweltziele durch den Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gefährdet sein sollen, noch die verschiedenen vom Parlament und vom Rat angeführten Maßnahmen des Unionsgesetzgebers im Straßenverkehrssektor zu prüfen, um zu beurteilen, inwieweit der Unionsgesetzgeber das Gesamtziel der Verringerung der Schadstoffemissionen in diesem Sektor berücksichtigt hat.

445

Folglich sind der dritte Klagegrund der Republik Litauen und der fünfte Klagegrund der Republik Polen zurückzuweisen.

446

Nach alledem sind die Klagen der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumäniens (Rechtssache C‑546/20) und der Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gerichtet sind.

3.   Zu Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

447

Zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 machen die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumänien (Rechtssache C‑546/20) und Ungarn (Rechtssache C‑551/20) im Wesentlichen einen Verstoß gegen Folgendes geltend:

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vierter Klagegrund der Republik Bulgarien, erster Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens und einziger Klagegrund Ungarns);

den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot (zweiter Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien und erster Teil des dritten Klagegrundes Rumäniens);

die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr (erster Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens betreffend den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit) und

Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV (erster Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens betreffend den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit).

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

448

Die Republik Bulgarien, mit ihrem vierten Klagegrund, Rumänien, mit dem ersten Teil seines ersten Klagegrundes, und Ungarn, mit seinem einzigen Klagegrund, machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben. Auch wenn Ungarn im Rahmen seines einzigen Klagegrundes formal auch einen offensichtlichen Beurteilungsfehler geltend macht, zielt sein Vorbringen in diesem Kontext allein darauf ab, einen Verstoß gegen diesen Grundsatz darzutun.

449

Erstens bringen die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn vor, Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen diesen Grundsatz als solchen, da das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug aufgrund des derzeitigen Zustands der europäischen Infrastruktur eine übermäßig schwierige oder gar unmöglich zu erfüllende Verpflichtung darstelle. In Anbetracht der unzureichenden Zahl gesicherter Parkflächen und geeigneter Unterkünfte in deren Nähe würden die Fahrer und Verkehrsunternehmen oftmals mit Anforderungen konfrontiert, die unmöglich zu erfüllen seien. Unter diesen Umständen könne diese Maßnahme nicht so durchgeführt werden, dass die verfolgten Ziele erreicht würden, was zeige, dass sie offensichtlich ungeeignet sei. Außerdem würde diese Maßnahme die Fahrer und die Verkehrsunternehmen offensichtlich unverhältnismäßig belasten. Folglich sei dem Unionsgesetzgeber ein offensichtlicher Beurteilungsfehler unterlaufen, indem er ein solches in der Praxis unanwendbares Erfordernis vorgesehen habe.

450

Die Republik Bulgarien und Ungarn tragen vor, dass die Kommission bereits in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 18) darauf hingewiesen habe, dass es der Union generell an geeigneten Ruheeinrichtungen und gesicherten Parkflächen fehle. Der unzureichende Zustand der Ruheeinrichtungen in der Union ergebe sich auch aus einer von der Kommission veröffentlichten Studie („Study on Safe and Secure Parking Places for Trucks. Final Report“ [„Studie über sichere und gesicherte Parkplätze für Lastkraftwagen. Abschlussbericht“, Februar 2019, im Folgenden: Studie von 2019 über Parkplätze], S. 8 und 18 bis 20). Nach dieser Studie seien von 300000 Parkplätzen, die in der Union für Lastkraftwagen bestimmt seien, nur etwa 47000 teilweise gesichert und nur 7000 wiesen ein zertifiziertes Sicherheitsniveau auf. Da die durchschnittliche Nachfrage nach Nachtparkplätzen auf fast 400000 Plätze geschätzt werde, führe dies zu einem Fehlen von etwa 100000 Plätzen, wobei im Übrigen ganz wenige der bestehenden Parkflächen ein angemessenes Sicherheits- und Sicherungsniveau gewährleisteten. Außerdem ergebe sich aus dieser Studie eine ungleiche Verteilung der sicheren und gesicherten Parkplätze gegenüber den europäischen Transitkorridoren, da sich die 7000 zertifizierten Parkplätze nur in einigen Mitgliedstaaten befänden. Im Übrigen hätten der EWSA sowie mehrere Mitgliedstaaten diese Situation während des Gesetzgebungsverfahrens hervorgehoben.

451

Die Frage der Parkflächen und die Frage der geeigneten Unterkünfte sei, wenn auch verschieden, insofern eng miteinander verbunden, als für den Fahrer nur eine Unterkunft geeignet sei, die sich in der Nähe einer geeigneten und gesicherten Parkfläche befinde, so dass der Schutz seiner Ladung gewährleistet sei. Die begrenzte Zahl solcher Parkflächen würde die Zahl der potenziellen Unterkünfte, die der Fahrer nutzen könne, um seine wöchentliche Ruhezeit zu nehmen, noch weiter verringern.

452

Die Republik Bulgarien weist auch darauf hin, dass die Unzulänglichkeit der Infrastruktur durch die Verpflichtung der Kommission nach Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 hervorgehoben werde, dem Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht über die Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer vorzulegen. Rumänien fügt hinzu, dass die Kommission nach dieser Bestimmung verpflichtet sei, eine Liste aller Parkflächen zu veröffentlichen. Bis heute sei hierfür jedoch keine Internetseite eingerichtet worden.

453

Rumänien macht auch geltend, um Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 einzuhalten, hätten Fahrer, die sich auf Fahrten ohne sichere und gesicherte Parkflächen befänden, keine andere Wahl, als unsichere Flächen zu nutzen, auf denen sie die Fahrzeuge während ihrer Ruhezeit in einer geeigneten Unterkunft ohne Überwachung ließen und damit das Fahrzeug der Kriminalität aussetzten. Nach dem am 19. Mai 1956 in Genf unterzeichneten Übereinkommen über den Beförderungsvertrag im internationalen Straßengüterverkehr (CMR) hafte der Verkehrsunternehmer für den vollständigen oder teilweisen Verlust oder die Beschädigung, die zwischen der Übernahme des Gutes und dem der Lieferung eintrete, sowie für die verspätete Lieferung. Beim gegenwärtigen Stand der europäischen Infrastruktur verbesserte die in dieser Verordnung erlassene gesetzgeberische Lösung somit nicht die Arbeitsbedingungen der Fahrer, sondern könnte im Gegenteil dazu führen, dass ihre Ermüdung und ihr Stress sowie die Gefahren für ihre Sicherheit, ihre Güter und ihr Fahrzeug erhöht würden. Im gleichen Sinne macht die Republik Bulgarien geltend, dass der Mangel an gesicherten Parkflächen für die Lastkraftwagen in der Union das Diebstahlrisiko und Versicherungsprobleme für die Verkehrsunternehmer erhöhen würde.

454

Die Republik Bulgarien fügt hinzu, dass die Unmöglichkeit, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug einzuhalten, die Fahrer und Verkehrsunternehmen der Gefahr von Sanktionen aussetze, die für die Letzteren zu einem Verlust der Zuverlässigkeit im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 1071/2009 führen und ihnen damit den Zugang zum Güterkraftverkehrsmarkt der Union verschließen könnten. Insoweit sei es unerheblich, dass die Liste der schwersten Verstöße gegen die Unionsvorschriften den Verstoß gegen dieses Verbot nicht umfasse.

455

In diesem Zusammenhang verweisen Rumänien und Ungarn auf die TEN‑V-Verordnung, insbesondere auf ihren Art. 38 Abs. 3 und Art. 39 Abs. 2 Buchst. c, sowie auf die im 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 genannten überarbeiteten Leitlinien für den Aufbau dieses transeuropäischen Verkehrsnetzes. Diese Bestimmungen belegten auch, dass der derzeitige Zustand der europäischen Infrastruktur unzureichend sei.

456

Ungarn weist außerdem darauf hin, dass Art. 8a Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 eingefügt worden sei, wiederholte Aufforderungen zur Schaffung sicherer und gesicherter Parkflächen enthalte. Überdies könnten die Maßnahmen zur Schaffung solcher Parkflächen ihre Wirkungen erst in der Zukunft entfalten, während keine angemessene Übergangsfrist vorgesehen sei, wobei das in Rede stehende Verbot im Übrigen absolut sei. Die Republik Bulgarien beanstandet auch das Fehlen einer Übergangszeit für das Inkrafttreten der in Rede stehenden Bestimmung.

457

Die Republik Bulgarien macht sodann geltend, dass die Mitgliedstaaten zumindest bis zu einem bestimmten Zeitpunkt nicht verpflichtet seien, ausreichende geeignete Unterkünfte sowie sichere und gesicherte Parkflächen zu gewährleisten. So könnte ein Mitgliedstaat dazu veranlasst werden, die Zahl der Infrastrukturen nicht zu erhöhen, um die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen durch ausländische Verkehrsunternehmer in seinem Hoheitsgebiet zu beschränken.

458

Die Republik Bulgarien macht ferner geltend, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug für die Verkehrsunternehmen, bei denen es sich überwiegend um KMU handele, erhebliche zusätzliche Kosten mit sich bringe, da diese Unternehmen verpflichtet seien, eine angemessene Unterkunft für die wöchentlichen Ruhezeiten ihrer Fahrer zu zahlen, wenn diese von ihrem Wohnsitz entfernt seien. Daraus ergäben sich auch Kosten für etwaige Umwege und Leerfahrten, die allein durch das Bestreben gerechtfertigt seien, eine angemessene Unterkunft zu finden. Nach einer Studie von KPMG mit dem Titel „The Bulgarian haulage sector – Market study: An impact assessment of Mobility Package I“ („Der bulgarische Güterkraftverkehrssektor – Marktstudie: Folgenabschätzung des Mobilitätspakets I“), veröffentlicht am 8. Oktober 2019 (S. 37), würden die Kosten, die den bulgarischen Verkehrsunternehmen aufgrund der in Rede stehenden Maßnahme entstünden, auf 143 Mio. Euro geschätzt. Im gleichen Sinne macht Rumänien geltend, dass diese Maßnahme im Hinblick auf das Ziel, den Verwaltungsaufwand und finanziellen Aufwand für die Verkehrsunternehmen zu verringern, offensichtlich ungeeignet und nicht erforderlich sei.

459

Die Republik Bulgarien macht außerdem geltend, dass die Auslegung des Begriffs „geeignete Unterkunft“ zu Rechtsunsicherheit führe, was, wie die Kommission selbst einräumt, zu Anwendungsproblemen führen würde. Rumänien bringt vor, dass die Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten hinsichtlich der Sanktionen für Verstöße gegen das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug, die in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 18) hervorgehoben würden, in der Verordnung 2020/1054 nicht gelöst seien, so dass die Mitgliedstaaten weiterhin unterschiedliche Sanktionen verhängten und damit die Situation der Rechtsunsicherheit für die Verkehrsunternehmen und Fahrer verlängert werde. Die gesetzgeberische Lösung sei daher auch unter diesem Gesichtspunkt ungeeignet, da sie dem Ziel der Verordnung 2020/1054 zuwiderlaufe, das darin bestehe, die Auslegung und Anwendung der Vorschriften zu vereinheitlichen und die grenzüberschreitende Anwendung des Sozialrechts in kohärenter Weise zu erleichtern.

460

Die Republik Bulgarien, Ungarn und Rumänien bezweifeln sodann die Relevanz des Urteils vom 20. Dezember 2017, Vaditrans (C‑102/16, im Folgenden: Urteil Vaditrans, EU:C:2017:1012). Insbesondere ist dieses Urteil nach Ansicht Ungarns und Rumäniens für die vorliegenden Klagen unerheblich, da dem Gerichtshof im Rahmen des gerichtlichen Verfahrens, das zu diesem Urteil geführt habe, keine Daten zu den in den Mitgliedstaaten verfügbaren Ruheeinrichtungen vorgelegt und deshalb vom Gerichtshof nicht berücksichtigt worden seien. Der Gerichtshof habe daher die Frage der Verhältnismäßigkeit nicht geprüft und habe insbesondere einen für die Anwendung der in Rede stehenden Regelung erheblichen Umstand nicht geprüft, nämlich dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug oft wegen der unzureichenden Zahl der in den Mitgliedstaaten verfügbaren Ruheeinrichtungen praktisch nicht angewandt werden könne. Der Gerichtshof habe eine Auslegungsfrage beantwortet, während es im vorliegenden Fall darum gehe, festzustellen, ob der Unionsgesetzgeber im Licht der verfügbaren Informationen sein Ermessen ordnungsgemäß ausgeübt und das Erfordernis der Verhältnismäßigkeit beachtet habe.

461

Rumänien weist auch darauf hin, dass die Verordnung Nr. 561/2006 nach dem Urteil Vaditrans jedenfalls dahin auszulegen sei, dass sie die Inanspruchnahme der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit in der Fahrzeugkabine verbiete. Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 beschränke sich jedoch nicht darauf, dieses Verbot zu verankern, sondern enthalte weitere Anordnungen. Auch die Republik Bulgarien macht geltend, dass sich diese Verordnung nicht darauf beschränke, das Urteil Vaditrans durchzuführen, sondern das Erfordernis hinzufüge, dass die in Rede stehenden Ruhezeiten in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen seien.

462

Schließlich bringen die Republik Bulgarien und Rumänien vor, dass es alternative geeignete Maßnahmen gebe, die weniger belastend seien. So sei als Erstes nach der von der Kommission selbst in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 46) zum Ausdruck gebrachten Ansicht den Fahrern die Möglichkeit zu geben, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder eine Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, sofern es sich um eine freie Wahl des Fahrers handele oder dies nach den Umständen gerechtfertigt sei. Als Zweites sei eine andere mögliche Maßnahme die Einführung einer Ausnahme in den Fällen, in denen geeignete Unterkünfte in einem bestimmten Umkreis vom Standort des Fahrers fehlten. Als Drittes bestünde ein möglicher alternativer Ansatz, wie vom AdR vorgeschlagen, darin, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nicht anzuwenden, wenn diese Ruhezeit an einem Ort verbracht werde, an dem ein ausreichendes Sicherheitsniveau und angemessene sanitäre Einrichtungen vorhanden seien, und die Kabine des Fahrers den Vorgaben entspreche, die vom Ausschuss für den Straßenverkehr festzulegen seien. Als Viertes sei es möglich, einen Übergangszeitraum festzulegen, nach dessen Ablauf die Kommission feststellen würde, dass Unterkünfte sowie gesicherte und sichere Parkflächen in der gesamten Union ausreichend seien. Dieser Übergangszeitraum könnte mit der Verpflichtung der Mitgliedstaaten einhergehen, sicherzustellen, dass sie die erforderlichen Schritte unternehmen, um eine angemessene Infrastruktur zu schaffen.

463

Zweitens stellen Rumänien und Ungarn die vom Unionsgesetzgeber vorgenommene Prüfung der Verhältnismäßigkeit des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug in Frage.

464

Aus den zum Zeitpunkt des Erlasses von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verfügbaren Informationen gehe hervor, dass der Unionsgesetzgeber Kenntnis von der derzeitigen Lückenhaftigkeit der europäischen Infrastruktur gehabt habe. Die Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 18) stelle das Fehlen von Parkflächen und geeigneten Unterkünften als einen Faktor dar, der die Praxis begünstige, die Ruhezeit in der Fahrzeugkabine zu verbringen. Diese Folgenabschätzung stelle sogar klar, dass den Fahrern aufgrund dieser Situation bessere Bedingungen für die Ruhezeit in der Kabine zugutekämen, als wenn sie andere verfügbare Lösungen in Anspruch nähmen. Außerdem sei das Ausmaß dieses Fehlens von der Kommission in der Studie von 2019 über Parkplätze festgestellt worden. Darüber hinaus enthielten Art. 8a Abs. 3 und 4 der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung wiederholte Aufforderungen zur Schaffung sicherer und gesicherter Parkflächen, was zeige, dass der Unionsgesetzgeber die beanstandete Anforderung in dem Bewusstsein der unzureichenden Zahl von Parkflächen geeigneter Qualität erlassen habe.

465

Daraus folge, dass der Unionsgesetzgeber einen offensichtlichen Fehler begangen habe, indem er wesentliche Gesichtspunkte für den Erlass der in Rede stehenden Maßnahme außer Acht gelassen und die einschlägigen Beweise nicht gewürdigt habe.

466

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

467

Mit ihrem Vorbringen stellen die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn die Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit in Frage. Da Rumänien und Ungarn im Übrigen bestreiten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung geprüft hat, ist dieses letztgenannte Vorbringen zuerst zu prüfen.

i) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 durch den Unionsgesetzgeber

468

Es steht fest, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung 2020/1054 über eine Folgenabschätzung verfügte, die u. a. die Inanspruchnahme der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug betraf. Die Folgenabschätzung – Sozialer Teil, die Begleitunterlage zum Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“, hat nämlich auf die unterschiedliche Auslegung der Bestimmungen der Verordnung Nr. 561/2006 über die wöchentliche Ruhezeit durch die Behörden der Mitgliedstaaten sowie auf die Unterschiede zwischen den nationalen Rechtsvorschriften und Gepflogenheiten in Bezug auf die Inanspruchnahme dieser Ruhezeit im Fahrzeug hingewiesen (Teil 1/2, S. 21, 23, 30, 31 und 34). In dieser Folgenabschätzung wurden im Hinblick auf den Ausgang des damals beim Gerichtshof in der Rechtssache C‑102/16, Vaditrans, anhängigen Vorabentscheidungsersuchens auch die Auswirkungen einer diese Frage klarstellenden Maßnahme eingehend untersucht (Teil 1/2, S. 41, 42, 45, 47, 51, 55, 56, 61, 63, 64 und 70).

469

In diesem Zusammenhang sah Art. 1 Nr. 5 Buchst. c dieses Vorschlags vor, in Art. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 einen Abs. 8a einzufügen, wonach die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten nicht im Fahrzeug verbracht werden dürfen, sondern in einer geeigneten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen verbracht werden müssen, entweder vom Arbeitgeber bereitgestellt bzw. bezahlt, oder am Wohnort oder in einer anderen vom Fahrer gewählten privaten Unterkunft.

470

Mit ihrem Vorbringen werfen Rumänien und Ungarn dem Unionsgesetzgeber jedoch vor, bei der Einführung des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 den Mangel an geeigneten Unterkünften und sicheren und gesicherten Parkflächen in der gesamten Union nicht berücksichtigt zu haben, obwohl dieser Umstand für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieses Verbots wesentlich gewesen sei.

471

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber umfassend über diesen Mangel informiert war, als er das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug erließ. Wie nämlich Rumänien und Ungarn selbst ausführen, wurde auf diesen Mangel im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens sowohl in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 18, 23, 31 und 34) als auch in der Studie von 2019 über Parkplätze klar hingewiesen.

472

Außerdem hat der Unionsgesetzgeber diesen Umstand beim Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 gebührend berücksichtigt. Zum einen hat er nämlich nicht das Verbringen jeder Ruhezeit im Fahrzeug verboten, da es weiterhin erlaubt ist, Fahrtunterbrechungen sowie tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen. Zum anderen vertrat er entsprechend dem von der Kommission auf der Grundlage dieser Folgenabschätzung ausgearbeiteten Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ die Auffassung, dass der Mangel an Unterkünften und Parkflächen kein Hindernis für das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug darstelle, da es alternative Orte gebe, an denen der Fahrer diese Ruhezeiten verbringen könne, insbesondere seinen Wohnsitz, der einer der Orte ist, zu denen das Verkehrsunternehmen dem Fahrer, wenn er dies wünscht, gemäß Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 in regelmäßigen Abständen von drei oder vier Wochen je nach Fall die Rückkehr gestatten muss.

473

Unter diesen Umständen kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, dass er einen Umstand, der für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit des in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verbots wesentlich ist, nicht in vollem Umfang berücksichtigt habe.

474

Es ist in dieser Hinsicht unerheblich, dass der Unionsgesetzgeber nicht aus den verschiedenen ihm zur Verfügung stehenden Daten die Schlussfolgerungen gezogen hat, zu denen er nach Ansicht von Rumänien und Ungarn hätten kommen müssen. Insoweit sind die Rügen, mit denen diese Mitgliedstaaten dem Unionsgesetzgeber vorwerfen, dem Mangel an Unterkunfts- und Parkflächeninfrastrukturen im Rahmen der Verordnung 2020/1054 nicht in angemessener Weise abgeholfen zu haben, im Rahmen der Prüfung der Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 mit den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen zu beurteilen.

475

Das Vorbringen Rumäniens und Ungarns, der Unionsgesetzgeber habe die Auswirkungen des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nicht geprüft, ist daher zurückzuweisen.

ii) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

476

Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 sah vor, dass, sofern sich ein Fahrer hierfür entscheidet, nicht am Standort eingelegte tägliche Ruhezeiten und reduzierte wöchentliche Ruhezeiten im Fahrzeug verbracht werden können, sofern das Fahrzeug über geeignete Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer verfügt und nicht fährt.

477

Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 hat ab dem 20. August 2020 diesen Art. 8 Abs. 8 ersetzt und sieht vor, dass die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten, d. h. andere als die in dieser alten Bestimmung genannten Ruhezeiten, von den Fahrern nicht in einem Fahrzeug verbracht werden dürfen, sondern von diesen in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen sind, wobei alle Kosten für die Unterbringung außerhalb des Fahrzeugs vom Arbeitgeber getragen werden.

478

Das mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verfolgte Ziel, anhand dessen die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung zu prüfen ist, besteht, wie sich u. a. aus den Erwägungsgründen 1, 2, 6, 8, 13 und 36 dieser Verordnung ergibt, darin, die Arbeitsbedingungen und die Straßenverkehrssicherheit der Fahrer in der Union zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass den Fahrern eine hochwertige Unterkunft bereitgestellt wird, um ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu verbringen. Das Ziel dieser Bestimmung ist daher, dem Fehlen von klaren Vorschriften über die wöchentlichen Ruhezeiten abzuhelfen. Dieses Ziel fügt sich, wie bereits in Rn. 250 des vorliegenden Urteils ausgeführt, in den Rahmen des allgemeineren Ziels dieser Verordnung ein, das darin besteht, faire Geschäftsbedingungen für Verkehrsunternehmen sicherzustellen, damit ein sicherer, effizienter und sozial verantwortlicher Straßenverkehrssektor geschaffen wird, um Nichtdiskriminierung zu gewährleisten und qualifizierte Arbeitskräfte anzuziehen.

479

Die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn, die die Rechtmäßigkeit dieser verschiedenen Ziele nicht in Frage stellen, machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 als solcher gegen die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen verstoße.

480

Um festzustellen, ob das in dieser Bestimmung vorgesehene Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, ist zu prüfen, ob diese Maßnahme geeignet ist, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen, das darin besteht, die Arbeitsbedingungen und die Sicherheit der Fahrer im Straßenverkehr zu verbessern, ob sie nicht offensichtlich über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und ob sie im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist.

– Zur Eignung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des verfolgten Ziels

481

Was erstens die Eignung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof im Urteil Vaditrans, insbesondere in dessen Rn. 31 bis 33 und 48, im Wesentlichen entschieden hat, dass Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der vor dem Inkrafttreten dieses Art. 1 Nr. 6 Buchst. c geltenden Fassung, um seine praktische Wirksamkeit zu wahren, auch unter Berücksichtigung von diesem Art. 8 Abs. 6 dahin auszulegen war, dass er das Verbringen regelmäßiger wöchentlicher Ruhezeiten im Fahrzeug verbietet. Nach seinem Wortlaut erlaubte Art. 8 Abs. 8 nämlich ausdrücklich nur das Verbringen täglicher Ruhezeiten und reduzierter wöchentlicher Ruhezeiten im Fahrzeug, und auch nur unter bestimmten Voraussetzungen.

482

Nach der Feststellung, dass eine solche Auslegung durch die Entstehungsgeschichte der letzteren Bestimmung und den Kontext, in dem sie steht, bestätigt wird, hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass mit dieser Auslegung offensichtlich die Ziele der Verordnung Nr. 561/2006 erreicht werden sollen, die in der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit bestehen (Urteil Vaditrans, Rn. 43).

483

Der Gerichtshof hat nämlich klargestellt, dass, auch wenn sich die Fahrzeugkonzeption und die Einrichtung der Kabinen erheblich verbessert hat, trotz allem eine Lkw-Kabine offensichtlich kein geeigneter Ort für längere Ruhezeiträume als die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten ist und dass die Fahrer die Möglichkeit haben müssten, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten an einem Ort zu verbringen, der geeignete und angemessene Unterbringungsbedingungen bietet (Urteil Vaditrans, Rn. 44).

484

In diesem Kontext hat der Gerichtshof hinzugefügt, dass, wenn Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 dahin auszulegen wäre, dass die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten vom Fahrer in seinem Fahrzeug eingelegt werden dürften, dies bedeuten würde, dass ein Fahrer alle seine Ruhezeiten in der Fahrzeugkabine verbringen dürfte, d. h. an einem Ort, der keine geeigneten Unterbringungsbedingungen bietet, was aber nicht zur Erreichung des mit dieser Verordnung verfolgten Ziels der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer beitragen könnte (Urteil Vaditrans, Rn. 45).

485

Daraus folgt, dass das in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verbot, das die vom Gerichtshof im Urteil Vaditrans vorgenommene Auslegung kodifiziert, geeignet ist, zur Erreichung des Ziels der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Straßenverkehrssicherheit der Fahrer beizutragen.

486

Das Vorbringen der Republik Bulgarien, Rumäniens und Ungarns ist nicht geeignet, diese Erwägung in Frage zu stellen.

487

Als Erstes ist, soweit die Republik Bulgarien und Rumänien geltend machen, Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 enthalte weitere Anordnungen gegenüber Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans, darauf hinzuweisen, dass sich die Republik Bulgarien auf das Vorbringen beschränkt, dass die Verpflichtung, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit „in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen“, die in diesem Art. 1 Nr. 6 Buchst. c vorgesehen sei, eine neue Anforderung sei, die sich aus dem Erlass der Verordnung 2020/1054 ergebe.

488

Dieses Vorbringen kann jedoch nicht durchgreifen.

489

Zunächst hat der Gerichtshof nämlich in den Rn. 44 und 45 des Urteils Vaditrans ausdrücklich ausgeführt, dass Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung dahin auszulegen ist, dass die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit in einer geeigneten und angemessenen Unterkunft zu verbringen ist, was zwangsläufig bedeutet, dass die Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen geschlechtergerecht sind. Im Übrigen war das Erfordernis „geeignete[r] Schlafmöglichkeiten für jeden Fahrer“ bereits ausdrücklich im Wortlaut der letzteren Bestimmung selbst enthalten.

490

Sodann hat der Gerichtshof in Rn. 44 des Urteils Vaditrans entschieden, dass eine Lkw‑Kabine kein geeigneter Ort für längere Ruhezeiträume als die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten im Sinne der letztgenannten Bestimmung ist, die sich nach Art. 4 Buchst. g und h der Verordnung Nr. 561/2006 auf Ruhezeiten beziehen, die je nach Fall zwischen drei Stunden und weniger als 45 Stunden liegen. Daraus folgt zwangsläufig, dass auch eine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden, die als Ausgleich für die vorherige verkürzte wöchentliche Ruhezeit eingelegt wird, nach Art. 8 Abs. 8 dieser Verordnung nicht im Fahrzeug verbracht werden konnte.

491

Da schließlich der geeignete Ort für längere Ruhezeiträume, der vom Gerichtshof in Rn. 44 des Urteils Vaditrans angeführt wird, für die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten an die Stelle der Lkw‑Kabine treten soll, die dem Fahrer grundsätzlich auf Kosten des Arbeitgebers zur Verfügung gestellt wird, folgt logischerweise, dass jeder „geeignete Ort für Ruhezeiträume“, der die Lkw‑Kabine ersetzen soll, auch vom Arbeitgeber zur Verfügung gestellt werden muss.

492

Folglich ist festzustellen, dass der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 das Ergebnis der Auslegung im Urteil Vaditrans kodifiziert und sie zu bestimmten Aspekten präzisiert hat, die Eignung dieser Bestimmung zur Erreichung des verfolgten Ziels untermauern kann.

493

Als Zweites ist entgegen dem Vorbringen Ungarns und Rumäniens das Urteil Vaditrans für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 relevant, da, wie soeben ausgeführt, aus diesem Urteil hervorgeht, dass sich das Verbot für einen Fahrer, die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, nicht aus dem Inkrafttreten der letzteren Bestimmung ergibt, sondern aus Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054. Insoweit ist es unerheblich, dass der Gerichtshof im Urteil Vaditrans, das auf der Grundlage von Art. 267 AEUV ergangen ist, die Frage der Verhältnismäßigkeit von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der vor dem Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung mangels eines entsprechenden Ersuchens des vorlegenden Gerichts in dieser Rechtssache nicht geprüft hat.

494

Wenn nämlich Ungarn und Rumänien der Ansicht waren, dass die frühere Fassung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 ungültig war oder dass die Gültigkeit dieser Bestimmung eine andere Auslegung erforderte, stand es ihnen frei, dies gemäß Art. 23 der Satzung des Gerichtshofs der Europäischen Union im Rahmen des Vorabentscheidungsverfahrens in der Rechtssache, in der das Urteil Vaditrans ergangen ist, geltend zu machen. Dagegen kann ein solches Vorbringen keinen Erfolg haben, um Klagegründe zu stützen, die auf die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 gerichtet sind.

495

Was als Drittes das Vorbringen der Republik Bulgarien, Rumäniens und Ungarns betrifft, mit dem ein Mangel an geeigneten Unterkünften sowie sicheren und gesicherten Parkflächen im Unionsgebiet geltend gemacht wird, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 471 des vorliegenden Urteils ausgeführt, dieser Mangel von der Kommission in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil und sodann in der Studie von 2019 über Parkplätze festgestellt worden ist. Im Übrigen bestreiten weder das Parlament noch der Rat den Mangel an sicheren und gesicherten Parkflächen.

496

Ziel der Verordnung 2020/1054 ist jedoch die Verbesserung des sozialen Schutzes der Fahrer, während die Verbesserung der Verkehrs- und Parkinfrastrukturen in der Union im Wesentlichen Gegenstand anderer Rechtsakte ist, die auf der Grundlage verschiedener Rechtsgrundlagen erlassen wurden.

497

Insbesondere sieht die TEN‑V-Verordnung, die auf der Grundlage von Art. 172 AEUV erlassen wurde, der für die Leitlinien und Vorhaben von gemeinsamem Interesse, die das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats betreffen, die Billigung des betroffenen Mitgliedstaats verlangt, in Art. 39 Abs. 2 Buchst. c entsprechend den Bedürfnissen der Gesellschaft, des Marktes und der Umwelt die Einrichtung von Rastplätzen etwa alle 100 km auf Autobahnen vor, damit für gewerbliche Straßennutzer angemessene Parkplätze mit einem angemessenen Sicherheitsniveau zur Verfügung stehen.

498

Außerdem steht fest, dass mehrere unionsrechtliche Instrumente Möglichkeiten der Kofinanzierung durch die Union vorsehen, die darauf abzielen, den Bau angemessener Parkplatzinfrastrukturen zu beschleunigen und zu fördern. Dies gilt u. a. für die Verordnung (EU) Nr. 1316/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Dezember 2013 zur Schaffung der Fazilität „Connecting Europe“, zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 913/2010 und zur Aufhebung der Verordnungen (EG) Nr. 680/2007 und (EG) Nr. 67/2010 (ABl. 2013, L 348, S. 129) und für die Delegierte Verordnung (EU) 2016/1649 der Kommission vom 8. Juli 2016 zur Ergänzung der Verordnung Nr. 1316/2013 (ABl. 2016, L 247, S. 1), die die Förderprioritäten im Verkehrsbereich für die Zwecke der Mehrjahres- und Jahresarbeitsprogramme festlegt.

499

Die Prüfung der Eignung des in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 aufgestellten Verbots kann jedoch nicht anhand eines Ziels vorgenommen werden, das mit dieser Maßnahme nicht verfolgt wird.

500

Dagegen ist zu prüfen, ob, wie die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn geltend machen, in Anbetracht des Mangels an geeigneten Unterkünften sowie sicheren und gesicherten Parkflächen das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nicht als eine Maßnahme angesehen werden kann, die geeignet ist, das Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer zu erreichen. Laut diesen Mitgliedstaaten macht dieser Mangel die Einhaltung dieses Verbots übermäßig schwierig, wenn nicht gar unmöglich, so dass die Gefahr bestehe, dass dieses Ziel durch eine Zunahme der Ermüdung und des Stresses der Fahrer vereitelt werde.

501

Insoweit trifft es zwar zu, dass die Möglichkeit, die in der Verordnung Nr. 561/2006 vorgesehenen Vorschriften über die Ruhezeiten einzuhalten, allgemein u. a. davon abhängen kann, ob angemessene Unterkünfte und Parkflächen zur Verfügung stehen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 21. Dezember 2023, Kommission/Dänemark [Höchstparkdauer], C‑167/22, EU:C:2023:1020, Rn. 45).

502

Was jedoch zum einen die Auswirkung des behaupteten Mangels an angemessenen Unterkünften auf die Eignung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels des sozialen Schutzes betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung, wie bereits in Rn. 472 des vorliegenden Urteils ausgeführt, den Fahrern nicht verbietet, jede beliebige Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, sondern ausschließlich für die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten gilt. Somit betrifft das darin vorgesehene Verbot weder die Fahrtunterbrechungen noch die täglichen Ruhezeiten und reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten.

503

Sodann handelt es sich bei diesen Ruhezeiten, für die Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 den Fahrern verbietet, sie im Fahrzeug zu verbringen, gerade um diejenigen, für die die Verkehrsunternehmen nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung verpflichtet sind, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer in der Lage ist, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen.

504

Anders als die Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn meinen, erfordert das Verbringen regelmäßiger wöchentlicher Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten nicht systematisch den Zugang zu vom Wohnsitz der Fahrer verschiedenen Unterkünften. Wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 ergibt, muss den Fahrern nur dann, wenn sie ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit nicht, wozu sie berechtigt sind, an ihrem Wohnsitz einlegen, gemäß dem in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c dieser Verordnung aufgestellten Erfordernis eine hochwertige und geschlechtergerechte Unterkunft bereitgestellt werden, um diese Ruhezeiten zu verbringen. Daraus ergibt sich, dass diese Bestimmung in Verbindung mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung in Wirklichkeit geeignet ist, den von der Kommission in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil festgestellten Mangel an geeigneten Unterkünften zumindest teilweise zu beseitigen.

505

Schließlich heißt es zwar im 15. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054, dass die Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit in einer geeigneten Unterkunft verbringen können, die an einen Parkplatz angrenzen „kann“. Gleichwohl sind die Fahrer, wenn sie beschließen, nicht an einen der beiden in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung genannten Orte zurückzukehren, um dort diese Ruhezeit zu verbringen, entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien, Rumäniens und Ungarns keineswegs verpflichtet, eine solche Unterkunft zu wählen, die an einen Parkplatz angrenzt. Art. 1 Nr. 6 Buchst. c dieser Verordnung verlangt zwar, dass die Fahrer diese Ruhezeit in einer „geeigneten … Unterkunft“ verbringen, doch verlangt er nicht, dass dieser Ort an einen Parkplatz angrenzt. Insoweit kann von einem Fahrer vernünftigerweise nicht erwartet werden, dass er seine wöchentliche Ruhezeit von mindestens 45 Stunden in der Nähe eines solchen Parkplatzes verbringt. Keiner dieser Mitgliedstaaten trägt jedoch vor, dass der von der Kommission in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil festgestellte Mangel an Infrastruktur die Unterkünfte betreffe, die nicht an einen Parkplatz angrenzten, und dass diese Unterkünfte nicht geeignet seien.

506

Was zum anderen die Auswirkung des behaupteten Mangels an geeigneten Parkflächen auf die Eignung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels des sozialen Schutzes betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung keine Verpflichtung hinsichtlich des Parkplatzes des Fahrzeugs aufstellt. Somit ist der Fahrer durch nichts verpflichtet, sein Fahrzeug während der Inanspruchnahme seiner regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder seiner Ausgleichsruhezeit auf einem für Lastkraftwagen reservierten Parkplatz zu belassen.

507

Sodann könnte, wie der Rat zu Recht hervorgehoben hat, die Aufhebung des Verbots für die Fahrer, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, die Unzulänglichkeit der sicheren und gesicherten Parkflächen, die in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil hervorgehoben wird, nicht ausgleichen, da jedenfalls während des Zeitraums, der der Inanspruchnahme dieser Ruhezeiten entspricht, ein Parkplatz erforderlich bliebe. Darüber hinaus könnte eine solche Aufhebung, da sie die Möglichkeit einschränken würde, dass die Fahrer diese Ruhezeiten an ihrem Wohnsitz verbringen, nachdem sie ihr Fahrzeug in der Betriebsstätte des Arbeitgebers abgestellt haben, sogar dazu beitragen, den von der Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn gerügten Mangel zu verschärfen, da die Fahrer in einem solchen Fall mehr die verfügbaren sicheren und gesicherten Parkflächen in Anspruch nehmen würden.

508

Was schließlich die behauptete Gefahr des Diebstahls von Ladungen betrifft, die deren Versicherbarkeit erschwert, ist darauf hinzuweisen, dass die Fahrer nach Art. 4 Buchst. f bis h der Verordnung Nr. 561/2006 frei über ihre tägliche oder wöchentliche Ruhezeit verfügen müssen, so dass sie nicht für die Überwachung einer solchen Ladung verantwortlich gemacht werden können, wenn sie ihre Ruhezeit verbringen.

509

Jedenfalls ergibt sich diese Gefahr nicht aus der spezifischen Maßnahme des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug, die durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 eingeführt wurde, sondern ganz allgemein aus dem Mangel an sicheren und gesicherten Parkflächen, wobei jedoch darauf hinzuweisen ist, dass die Fahrer alle ihre anderen Ruhezeiten in einem geparkten Fahrzeug verbringen dürfen.

510

So trifft es zwar zu, dass nach der Studie von 2019 über Parkplätze der Diebstahl von Ladungen in der Union zu einem Verlust von mehr als 8,2 Mrd. Euro führt, doch geht aus dieser Studie nicht hervor, dass sich dieser Verlust speziell aus Diebstählen ergibt, die begangen werden, während die Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen, wobei bereits Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 es untersagte, diese im Fahrzeug zu verbringen.

511

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug eine zur Erreichung des Ziels der Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Straßenverkehrssicherheit der Fahrer ungeeignete Maßnahme wäre, weil ihr Inkrafttreten nicht von der Einrichtung geeigneter Infrastrukturen für Unterkünfte und Parkflächen abhängig war.

512

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber mit Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 in die Verordnung Nr. 561/2006 einen Art. 8a eingefügt hat, der, wie aus den Erwägungsgründen 15, 17 und 18 der Verordnung 2020/1054 hervorgeht, spezifische Bestimmungen zur Förderung der Entwicklung hochwertiger Parkflächen durch die Festlegung von Mindestnormen und die Verbesserung der Zugänglichkeit der Informationen über verfügbare Einrichtungen zur Verbringung der Ruhezeit enthält. Solche Verbesserungen müssten aber geeignet sein, dem Arbeitgeber die Planung der Tätigkeiten des Fahrers zu erleichtern, damit er zu einem Parkplatz gelangen kann, der dem entspricht, was der Arbeitgeber für die beförderten Güter für geeignet hält.

513

Zunächst überträgt nämlich Art. 8a Abs. 2 der Verordnung Nr. 561/2006, wie er durch Art. 1 Nr. 7 der Verordnung 2020/1054 eingefügt wurde, der Kommission die Befugnis, Normen festzulegen, mit denen das Dienstleistungs- und Sicherheitsniveau der Parkflächen, u. a. betreffend die geschlechtergerechten sanitären Einrichtungen, sowie die Verfahren für die Zertifizierung von Parkflächen detaillierter vorgegeben werden. Außerdem verpflichtet dieser Art. 8a Abs. 1 die Kommission, sicherzustellen, dass Kraftfahrer leichten Zugang zu Informationen über sichere und gesicherte Parkflächen haben, sowie auf einer amtlichen Internetseite eine Liste aller zertifizierten Parkflächen zu veröffentlichen und regelmäßig zu aktualisieren.

514

Der von Rumänien angeführte Umstand, dass die Kommission diese Liste nicht veröffentlicht habe, könnte zwar gegebenenfalls eine Pflichtverletzung der Kommission darstellen, kann jedoch nicht belegen, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 eine Maßnahme ergriffen hat, die zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels ungeeignet ist.

515

Sodann hat die Kommission nach Art. 8a Abs. 4 der Verordnung Nr. 561/2006 dem Parlament und dem Rat bis zum 31. Dezember 2024 einen Bericht über die Verfügbarkeit geeigneter Ruheeinrichtungen für Fahrer und über die Verfügbarkeit gesicherter Parkeinrichtungen sowie über den Ausbau sicherer und gesicherter Parkflächen vorzulegen.

516

Schließlich wiederholt Art. 8a Abs. 3 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 561/2006 den Umstand, dass es gemäß Art. 39 Abs. 2 Buchst. c der TEN‑V-Verordnung Sache der Mitgliedstaaten ist, die Schaffung von Parkflächen für gewerbliche Straßennutzer zu fördern, wobei im 19. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 außerdem auf die Wichtigkeit hingewiesen wird, dass ausreichende Möglichkeiten für eine Kofinanzierung durch die Union zur Verfügung stehen, um den Bau angemessener Parkplatzinfrastrukturen zu beschleunigen und zu fördern.

517

Entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien belegen diese Verpflichtungen keineswegs, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c dieser Verordnung zur Erreichung des verfolgten Ziels ungeeignet ist, sondern lassen vielmehr erkennen, dass der Unionsgesetzgeber weiterhin auf die Frage des Mangels an Parkflächen achtet.

518

Auch das Argument der Republik Bulgarien, dass in Ermangelung einer den Mitgliedstaaten für die Gewährleistung angemessener Infrastrukturen gesetzten Frist für einige Mitgliedstaaten ein Anreiz bestehen könnte, die Zahl dieser Infrastrukturen nicht zu erhöhen, um die Dienstleistungen zu beschränken, die in ihrem Hoheitsgebiet von in anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmen erbracht würden, ist mangels stichhaltiger Beweise als spekulativ zurückzuweisen.

519

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich somit, dass der Umstand, dass ein Mangel an geeigneten Unterkünften sowie an sicheren und gesicherten Parkflächen im Unionsgebiet besteht, nicht beweisen kann, dass das in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 aufgestellte Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zur Erreichung des mit dieser Verordnung verfolgten Ziels ungeeignet ist.

520

Als Viertes ist zum Vorbringen der Republik Bulgarien und Rumäniens zur angeblichen Rechtsunsicherheit bei der Auslegung und Anwendung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber mit dieser Bestimmung eine einheitliche Anwendung des Verbots, die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder die Ausgleichsruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, und die entsprechende Verpflichtung, sie in einer geeigneten Unterkunft zu verbringen, sicherstellen wollte. Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung konnte nämlich aufgrund der unterschiedlichen Auslegungen und Anwendungen dieser Bestimmung durch die zuständigen nationalen Behörden, die in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 5, 18 und 23) hervorgehoben worden waren, zu Unsicherheiten führen.

521

Entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien ist die Wendung „geeignete geschlechtergerechte Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen“ in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht mehrdeutig. Der Umstand, dass die Umrisse dieses Ausdrucks flexibel genug sind, um eine relativ breite Palette von Unterkünften zu umfassen, in denen ein Fahrer seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit verbringen kann, stellt keineswegs die Eignung dieser Bestimmung zur Erreichung des mit ihr verfolgten Ziels in Frage, sondern ist vielmehr, wie das Parlament zu Recht geltend gemacht hat, geeignet, sie zu verstärken. Insoweit ist das Vorbringen der Republik Bulgarien, dass die Mitgliedstaaten wahrscheinlich unterschiedliche Auslegungen dieser Bestimmung zugrunde legen würden, spekulativ und daher allein aus diesem Grund zurückzuweisen.

522

Was die von Rumänien hervorgehobene Gefahr von Unterschieden zwischen den Sanktionen betrifft, die in den nationalen Rechtsvorschriften für den Fall eines Verstoßes gegen das in Rede stehende Verbot vorgesehen sind, trifft es zu, dass die Verordnung 2020/1054 die Sanktionsregelung der Mitgliedstaaten in diesem Bereich nicht harmonisiert. Diese Gefahr wird jedoch durch die ihnen obliegende Verpflichtung nach Art. 19 Abs. 1 der Verordnung Nr. 561/2006 in der Fassung von Art. 1 Nr. 16 der Verordnung 2020/1054, Sanktionen vorzusehen, die wirksam und verhältnismäßig zum Schweregrad der Verstöße sowie abschreckend und nicht diskriminierend sind – wie auch im 23. Erwägungsgrund der letzteren Verordnung hervorgehoben wird –, wobei im Übrigen kein Verstoß mehrmals Gegenstand von Sanktionen oder Verfahren sein darf, stark beschränkt. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, dass die Gefahr von Unterschieden zwischen den Sanktionen Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zur Erreichung des mit ihm verfolgten Ziels ungeeignet macht.

– Zur Erforderlichkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

523

Was zweitens die Erforderlichkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 und insbesondere das Vorbringen zum Bestehen von Maßnahmen betrifft, die weniger belastend sind als die in dieser Bestimmung erlassene, ist darauf hinzuweisen, dass sich die Republik Bulgarien darauf beschränkt, eine Reihe von Maßnahmen anzuführen, von denen die meisten im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens erörtert wurden, ohne dass sie der Unionsgesetzgeber jedoch am Ende dieses Verfahrens in der endgültigen Fassung des erlassenen Gesetzgebungsakts gewählt hat.

524

Die von diesem Mitgliedstaat ins Auge gefassten Maßnahmen, denen gemeinsam ist, dass sie in der einen oder anderen Weise gestatten, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder die Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, wobei den Fahrern die freie Wahl gelassen wird, erlauben es jedoch nicht zwangsläufig, das vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel zu erreichen, das darin besteht, die Arbeitsbedingungen und die Straßenverkehrssicherheit der Fahrer zu verbessern, da sie dazu führen könnten, falls sie umgesetzt würden, dass die Fahrer regelmäßig ihre gesamten regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten im Fahrzeug verbringen. Da der Fahrer, wie bereits in Rn. 174 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die schwächere Partei des Arbeitsverhältnisses mit seinem Arbeitgeber darstellt, brächten solche Maßnahmen die Gefahr mit sich, dass die Wahl des Fahrers nicht völlig frei wäre, weil dieser Druck ausgesetzt werden könnte, um eine Wahl zu treffen, die den Interessen des Arbeitgebers entspricht. Ebenso würde die Einführung von Ausnahmen die Gefahr mit sich bringen, dass die Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit an einem ungeeigneten Ort verbringen, was zu einem Rückschritt bei ihrem sozialen Schutz führen würde.

525

Im Übrigen hat die Kommission, wie die Republik Bulgarien hervorgehoben hat, in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 44 bis 47) zwar die Option in Betracht gezogen, die darin besteht, es den Fahrern zu ermöglichen, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, sofern es sich dabei um eine freie Wahl der Fahrer handelt oder dies durch die Umstände gerechtfertigt ist, doch hat sie in derselben Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 49) ausgeführt, dass diese Option insbesondere unter Berücksichtigung der Schwierigkeit, die Freiheit der Wahl der Fahrer zu prüfen, zu einer Zunahme der vorsätzlichen Missbräuche in dem Sinne führen könnte, dass diese Ruhezeiten absichtlich und systematisch im Fahrzeug verbracht würden.

526

Was in diesem Zusammenhang das Vorbringen der Republik Bulgarien, Rumäniens und Ungarns betrifft, das auf den Komfort der Fahrzeuge gestützt ist, trifft es zu, dass die Kommission in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 18), die vor der Verkündung des Urteils Vaditrans abgeschlossen wurde – ausgeführt hat, dass die Fahrzeuge oft bessere Unterbringungsbedingungen böten als die anderen verfügbaren Möglichkeiten.

527

Zum einen gelangte die Kommission jedoch in derselben Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 73 bis 75) nach Abwägung der Vor- und Nachteile der verschiedenen in Betracht gezogenen Optionen zu dem Ergebnis, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug die geeignetste Option sei, um den Stress und die Ermüdung der Fahrer zu verringern, so dass sie ein solches Verbot in Art. 1 Nr. 5 Buchst. c des Vorschlags für eine „Arbeitszeitverordnung“ vorgesehen hat.

528

Zum anderen konnte der Unionsgesetzgeber in Ausübung des ihm zustehenden weiten Ermessens, wie es der Gerichtshof in Rn. 45 des Urteils Vaditrans getan hat, davon ausgehen, dass die Erreichung des Ziels der Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer es ausschließt, dass sämtliche Ruhezeiten in der Fahrzeugkabine verbracht werden können, da ein solcher Ort keine geeigneten Unterbringungsbedingungen für das Verbringen der längsten Ruhezeiten bietet.

529

Die von der Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn angesprochene Maßnahme, einen Übergangszeitraum einzuführen, um das Inkrafttreten des Verbots, die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten in seinem Fahrzeug zu verbringen, hinauszuschieben, kann offensichtlich keine weniger einschränkende alternative Option darstellen. Ein solches Verbot war nämlich bereits zum Zeitpunkt des Erlasses der Verordnung 2020/1054 in Kraft, da es sich, wie aus den Rn. 30, 31 und 48 des Urteils Vaditrans hervorgeht, aus Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der vor dem Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung ergibt. Unter diesen Umständen wäre die Einführung eines solchen Übergangszeitraums darauf hinausgelaufen, die Tragweite dieses Urteils zeitlich zu begrenzen, obwohl der Gerichtshof dies nicht für erforderlich gehalten hat.

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054

530

Was drittens die Verhältnismäßigkeit des in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 aufgestellten Verbots betrifft, ist zunächst auf die Bedeutung hinzuweisen, die nach der Präambel des AEU-Vertrags dem „wesentlichen Ziel“ der stetigen Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen zukommt, dem der Unionsgesetzgeber nach den Art. 9 und 90 AEUV bei der Ausübung seiner Zuständigkeiten im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik in vollem Umfang Rechnung zu tragen hat. Wie der Gerichtshof im Urteil Vaditrans (Rn. 44 und 45) im Wesentlichen festgestellt hat, bietet die Lkw‑Kabine keine geeigneten Unterbringungsbedingungen für längere Ruhezeiträume als die täglichen Ruhezeiten und die reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten. Somit können die Fahrer die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten und Ausgleichsruhezeiten nicht in einer solchen Kabine verbringen, ohne das Ziel der Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu beeinträchtigen.

531

Sodann ist darauf hinzuweisen, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, ebenso wie Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006, den er ändert, es den Fahrern, wie in den Rn. 472 und 502 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht verbietet, jede beliebige Ruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, sondern lediglich dem entgegensteht, dass sie dort ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten verbringen. Somit sind die Fahrer weiterhin berechtigt, alle ihre Fahrtunterbrechungen sowie ihre täglichen Ruhezeiten und ihre reduzierten wöchentlichen Ruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen.

532

Zudem können die regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten gemäß Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 1 Buchst. b der Verordnung Nr. 561/2006 in der durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 geänderten Fassung nur, wie dies bereits Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 1 zweiter Gedankenstrich der Verordnung Nr. 561/2006 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 gestattete, alle zwei Wochen genommen werden, was den Umfang des Verbots, regelmäßige wöchentliche Ruhezeiten in einer Lkw-Kabine zu verbringen, weiter einschränken kann.

533

Schließlich hat der Unionsgesetzgeber mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 in Art. 8 Abs. 6 der Verordnung Nr. 561/2006 einen Unterabs. 3 eingefügt, der nunmehr abweichend von der allgemeinen Regel in Art. 8 Abs. 6 Unterabs. 1 gestattet, dass ein Fahrer, der im grenzüberschreitenden Güterverkehr tätig ist, unter Einhaltung bestimmter Bedingungen außerhalb des Mitgliedstaats, in dem sein Arbeitgeber niedergelassen ist, zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten einlegen darf, die im Fahrzeug verbracht werden können, wobei diese Ruhezeiten nicht unter das Verbot nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 fallen. Mit der Einführung dieser Möglichkeit, die durch Art. 8 Abs. 6 der Verordnung Nr. 561/2006 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 ausgeschlossen war, wollte der Unionsgesetzgeber somit den Fahrern, die weite Strecken zurücklegen, mehr Flexibilität einräumen, indem er ihnen gestattet, ihre gesamten Ruhezeiten während drei aufeinanderfolgender Wochen im Fahrzeug zu verbringen.

534

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 Nachteile mit sich bringt, die offensichtlich unverhältnismäßig zu dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel sind.

535

Keines der von der Republik Bulgarien, Rumänien und Ungarn vorgebrachten Argumente ist geeignet, diese Erwägungen in Frage zu stellen.

536

Was als Erstes das Vorbringen zu erheblichen zusätzlichen Kosten betrifft, die die Durchführung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 für die Verkehrsunternehmen, insbesondere für die KMU, mit sich bringe, genügt der Hinweis, dass sich das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nicht aus dem Inkrafttreten dieser Bestimmung ergibt, sondern, wie der Gerichtshof im Wesentlichen in den Rn. 30, 31 und 48 des Urteils Vaditrans entschieden hat, aus Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054. Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 kann daher als solcher nicht die Quelle erheblicher zusätzlicher Kosten sein.

537

Im Übrigen trifft es zwar zu, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nunmehr ausdrücklich den Arbeitgeber verpflichtet, alle Kosten im Zusammenhang mit der Inanspruchnahme einer Ruhezeit außerhalb des Fahrzeugs zu tragen, doch trugen, wie aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 64) hervorgeht, zahlreiche Arbeitgeber diese Kosten bereits vor dem Inkrafttreten dieser Verordnung. Außerdem wird diese Kostentragung nur verlangt, wenn der Fahrer, wozu er berechtigt ist, beschließt, von der Möglichkeit keinen Gebrauch zu machen, die ihm sein Arbeitgeber nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 einzuräumen hat, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte dieses Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren, um dort seine regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder seine Ausgleichsruhezeit zu beginnen oder zu verbringen. Schließlich gilt diese Verpflichtung der Kostentragung unbeschadet des Rechts des Verkehrsunternehmens, im letztgenannten Fall die Unterbringung oder die Art der Unterbringung, für die es die Kosten trägt, zu wählen, sofern diese Unterbringung den Anforderungen dieser Bestimmung genügt.

538

Unter diesen Umständen kann die Schätzung, die sich aus der in Rn. 458 des vorliegenden Urteils angeführten Studie von KPMG zu Bulgarien ergibt, wonach sich die Kosten, die den bulgarischen Verkehrsunternehmern aufgrund der Maßnahme nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 entstünden, auf 143 Mio. Euro beliefen, nicht als beweiskräftig angesehen werden, da sie auf der falschen Prämisse beruht, dass diese Bestimmung ein neues Verbot auferlegt und die Fahrer verpflichtet, die Ruhezeiten systematisch außerhalb ihres Wohnsitzes zu verbringen, indem sie ihr Fahrzeug auf sicheren und gesicherten Parkflächen abstellten.

539

Was als Zweites das Vorbringen zur Gefahr von Sanktionen und Aberkennung der Zuverlässigkeit des Verkehrsunternehmens im Sinne von Art. 6 der Verordnung Nr. 1071/2009 betrifft, kann die Republik Bulgarien nicht geltend machen, die Unverhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 darzutun, indem sie über die Häufigkeit von Verhaltensweisen spekuliert, die gegen das in der letzteren Bestimmung vorgesehene Verbot verstoßen. Insoweit macht dieser Mitgliedstaat im Übrigen zu Unrecht geltend, dass es unmöglich sei, dieses Verbot einzuhalten, indem er sich auf die in Rn. 505 des vorliegenden Urteils angeführte falsche Prämisse stützt, wonach diese Bestimmung die Fahrer verpflichte, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit in einer Unterkunft zu verbringen, die an einen Parkplatz angrenzt.

540

Nach alledem ist festzustellen, dass das in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nicht offensichtlich über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit diesem Verbot verfolgten Ziels erforderlich ist.

541

Daher sind der vierte Klagegrund der Republik Bulgarien, der erste Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens und der einzige Klagegrund Ungarns als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

542

Die Republik Bulgarien, mit dem zweiten Teil ihres fünften Klagegrundes, und Rumänien, mit dem ersten Teil seines dritten Klagegrundes, machen geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem in Art. 18 AEUV vorgesehenen Diskriminierungsverbot ergäben. Die Republik Bulgarien macht ferner einen Verstoß gegen die Art. 20 und 21 der Charta, gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 2 EUV sowie gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV, „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“, geltend.

543

Nach Ansicht dieser beiden Mitgliedstaaten verstößt das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug sowohl zum Nachteil der Verkehrsunternehmen, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassen seien, als auch der von diesen Unternehmen beschäftigten Fahrer gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot. Für die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union und für ihre Fahrer sei es nämlich deutlich einfacher, dieses Verbot einzuhalten als für die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und ihre Fahrer. In ein und demselben Mitgliedstaat diskriminiere das in Rede stehende Verbot außerdem zwischen den örtlichen Fahrern und solchen aus anderen Mitgliedstaaten. Die nationalen Fahrer, die Beförderungen in ihrem eigenen Mitgliedstaat durchführten, seien nicht dadurch beeinträchtigt, dass es an geeigneten Unterkünften sowie gesicherten und sicheren Parkflächen fehle, da sie in ihrer Wohnung übernachten und ihre Lastkraftwagen in der Betriebsstätte des Arbeitgebers parken könnten. Dies sei nicht der Fall bei Fahrern, die bei den Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union beschäftigt seien, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführten und die wegen des Fehlens geeigneter Unterkünfte sowie gesicherter und sicherer Parkflächen gezwungen seien, dieses Verbot nicht einzuhalten, das die Ausgaben der Verkehrsunternehmen erhöhe, von denen die meisten KMU seien.

544

[Berichtigt mit Beschluss vom 19. Dezember 2024] Insoweit ergänzt Rumänien, der Umstand, dass die Mitgliedstaaten die Park- und Unterbringungsinfrastrukturen unterschiedlich entwickelten und sie sich auch voneinander unterschieden, je nachdem, ob sie sich an der Peripherie der Union oder in der Nähe des Zentrums des Straßenverkehrs der Union befänden, mache das Tätigwerden des Unionsgesetzgebers umso unverhältnismäßiger. Da das Netz von Parkflächen in den Transitmitgliedstaaten unterentwickelt sei, treffe die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung hauptsächlich die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union.

545

Rumänien ist außerdem der Ansicht, dass eine Bewertung der Auswirkungen der Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 auf den Beförderungsmarkt nicht ohne Berücksichtigung der Verordnung 2020/1055 und der Richtlinie 2020/1057 erfolgen könne, die auch Teil des „Mobilitätspakets“ seien. Eine Gesamtwürdigung dieses Mobilitätspakets mache somit deutlich, dass die vom Unionsgesetzgeber erlassene Regelung zulasten der Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union im Hinblick auf die konkrete Möglichkeit, Verkehrsdienstleistungen in der Union zu erbringen, diskriminierenden Charakter habe. Da nämlich die angefochtenen Maßnahmen des „Mobilitätspakets“ hohe Kosten verursachten und belastende Verpflichtungen festlegten, die insbesondere die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen beträfen, würde die Wettbewerbsfähigkeit dieser de facto auf null reduziert. Der soziale Schutz der Fahrer könne ohne geeignete Maßnahmen zur Unterstützung der Ausübung des freien Dienstleistungsverkehrs durch die Verkehrsunternehmen nicht gewährleistet werden.

546

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

547

Zunächst ist aus den in Rn. 307 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen das Vorbringen der Republik Bulgarien zum Verstoß gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV als unzulässig zurückzuweisen, da es sich darauf beschränkt, einen solchen Verstoß geltend zu machen, „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“, ohne hierzu spezifische Ausführungen zu machen.

548

Nach dieser Klarstellung steht hinsichtlich der Begründetheit der vorliegenden Klagegründe und Argumente fest, dass im vorliegenden Fall die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 aufgestellte Regel, soweit sie die Verkehrsunternehmen verpflichtet, auf ihre Kosten sicherzustellen, dass ihre Fahrer ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten nicht im Fahrzeug, sondern in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen verbringen, unterschiedslos für alle betroffenen Arbeitgeber, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, für alle betroffenen Fahrer unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und dem Mitgliedstaat ihres Wohnsitzes sowie für alle Mitgliedstaaten gilt, so dass sie keine nach dem Unionsrecht verbotene unmittelbare Diskriminierung enthält.

549

Daher ist im Einklang mit der in den Rn. 308 bis 310 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 in ungerechtfertigter Weise eine identische Vorschrift auf unterschiedliche Sachverhalte angewandt hat, insbesondere im Licht des mit dieser Bestimmung verfolgten Ziels, was daher eine nach dem Unionsrecht verbotene mittelbare Diskriminierung darstellen würde, da sie, wie die klagenden Mitgliedstaaten im Wesentlichen geltend machen, schon ihrer Natur nach geeignet sei, sich auf die in den Mitgliedstaaten, die ihrer Ansicht nach „an der Peripherie der Union“ gelegen sind, niedergelassenen Verkehrsunternehmen, die bei diesen Unternehmen beschäftigten Fahrer und diese Gruppe von Mitgliedstaaten stärker auszuwirken.

550

Insoweit zielt Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054, wie in Rn. 478 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darauf ab, die Arbeitsbedingungen und die Straßenverkehrssicherheit der Fahrer in der Union zu verbessern, indem sichergestellt wird, dass den Fahrern eine hochwertige Unterkunft bereitgestellt wird, um ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit zu verbringen, um, wie aus den Erwägungsgründen 8 und 13 dieser Verordnung hervorgeht, insbesondere die im grenzüberschreitenden Fernverkehr tätigen Fahrer, die über lange Zeiträume von ihrem Heimatort abwesend sind, zu schützen.

551

Es ist jedoch festzustellen, dass sich alle in der Union beschäftigten Fahrer hinsichtlich ihres Rechts auf Inanspruchnahme der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit in einer hochwertigen Unterkunft in einer vergleichbaren Situation befinden. Alle diese Fahrer müssen nämlich unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und dem Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen ist, in der Lage sein, diese Ruhezeit in einer Unterkunft zu verbringen, die geeignet ist, für gute Arbeitsbedingungen zu sorgen und die Sicherheit des Straßenverkehrs zu gewährleisten.

552

Was erstens das von der Republik Bulgarien und Rumänien geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung zwischen den Fahrern, die im grenzüberschreitenden Verkehr tätig und in bestimmten Mitgliedstaaten beschäftigt sind, und den Fahrern, die innerstaatliche Beförderungen durchführen und in einem Mitgliedstaat im „Zentrum der Union“ beschäftigt sind, betrifft, lässt sich zwar nicht ausschließen, dass sich Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 auf die Fahrer, die grenzüberschreitende Beförderungen in die Mitgliedstaaten durchführen, die geografisch von dem Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber ansässig ist, weit entfernt sind, stärker auswirken kann, da diese Fahrer größere Schwierigkeiten haben könnten als örtliche oder inländische Fahrer, ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit an ihrem Wohnsitz zu verbringen, und damit eher dem derzeitigen Mangel an geeigneten Unterkünften und Parkflächen ausgesetzt wären.

553

Diese unterschiedliche Auswirkung auf die Fahrer im grenzüberschreitenden Verkehr ergibt sich jedoch aus der Verschiedenartigkeit der von diesen Fahrern durchgeführten Beförderungen, die auch in den Bestimmungen von Art. 91 Abs. 1 Buchst. a und b AEUV zum Ausdruck kommt. Die grenzüberschreitenden Beförderungen können nämlich eher als die innerstaatlichen Beförderungen über weite Entfernungen vom Wohnsitz der Fahrer und von dem Ort, an dem ihr Arbeitgeber ansässig ist, durchgeführt werden.

554

Insoweit würde es, wie der Generalanwalt in Nr. 433 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, wenn entsprechend der von der Republik Bulgarien und Rumänien vertretenen These den Fahrern im internationalen Verkehr gestattet würde, ihre regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeiten oder Ausgleichsruhezeiten im Fahrzeug zu verbringen, was kein geeigneter Ort ist, um so lange Ruhezeiträume zu verbringen, zu einem noch höheren Maß an Diskriminierung gegenüber den inländischen Fahrern führen, die ihrerseits diese Ruhezeit leichter an ihrem Wohnsitz verbringen können.

555

Was zweitens das von der Republik Bulgarien und Rumänien geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung betrifft, die zwischen den Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführen, sowie den von ihnen beschäftigten Fahrern zum einen und den in den Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im „Zentrum der Union“, die solche Beförderungen durchführen, sowie den von ihnen beschäftigten Fahrern zum anderen besteht, trifft es zu, dass, wie sich aus Rn. 552 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 die Verkehrsunternehmen stärker betreffen könnte, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, die sich für ein Geschäftsmodell entschieden haben, das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, an Empfänger zu erbringen, die in vom ersten Mitgliedstaat weit entfernten Mitgliedstaaten ansässig sind und deren Fahrer somit ihre Beförderungen weit von ihrem Wohnsitz entfernt erbringen.

556

Wie jedoch bereits in Rn. 321 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ist der Unionsgesetzgeber berechtigt, unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarkts, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um, durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ihrer Arbeitgeber ausgeübt wird, den sozialen Schutz der Fahrer zu erhöhen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

557

Wie in Rn. 322 des vorliegenden Urteils dargelegt, kann eine Bestimmung des Unionsrechts daher als solche nicht allein deshalb als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot angesehen werden, weil sie für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Folgen hat, wenn diese Situation die Folge unterschiedlicher Bedingungen für den Betrieb ist, unter denen sie insbesondere aufgrund ihres geografischen Standorts stehen, und nicht die Folge einer rechtlichen Ungleichheit, die der angefochtenen Bestimmung inhärent wäre.

558

Im vorliegenden Fall wollte der Unionsgesetzgeber, wie bereits in Rn. 282 des vorliegenden Urteils ausgeführt, gerade ein neues Gleichgewicht zwischen dem Interesse der Kraftfahrer, in den Genuss besserer Arbeitsbedingungen zu kommen, zum einen und dem Interesse der Arbeitgeber, ihre Beförderungstätigkeiten zu fairen Geschäftsbedingungen auszuüben, zum anderen sicherstellen, so dass der Straßenverkehrssektor sicher, effizient und sozial verantwortlich ist.

559

In diesem Kontext führt das Verbot nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 keineswegs zu ungleichen Wettbewerbsbedingungen für die Verkehrsunternehmen, sondern zielt ganz im Gegenteil, wie aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 17, 18 und 23) hervorgeht, darauf ab, die Ungleichbehandlungen zu beseitigen, die sich zuvor aufgrund der verschiedenen Auslegungen und Anwendungen von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 durch die zuständigen nationalen Behörden aus der Anwendung uneinheitlicher nationaler Sanktionsregelungen in den Mitgliedstaaten ergeben konnten. Der Unionsgesetzgeber hat nämlich die Auslegung des Gerichtshofs von diesem Art. 8 Abs. 8 im Urteil Vaditrans kodifiziert, um durch eine klarere Harmonisierungsregel eine einheitliche Anwendung des Verbots, die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder die Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu verbringen, sicherzustellen.

560

Wie der Rat zu Recht hervorgehoben hat, sind es gerade die Fahrer, deren Arbeitgeber den wesentlichen Teil ihrer Verkehrsdienstleistungen an Empfänger erbringen, die in Mitgliedstaaten ansässig sind, die von dem Mitgliedstaat, in dem sie ansässig sind, weit entfernt sind, und die daher ihre Beförderungen in Abwesenheit von ihrem Wohnsitz erbringen, die den durch die Harmonisierungsregel in Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 eingeführten Schutz am meisten benötigen, was jedenfalls gestattet, festzustellen, dass die Kriterien, auf die der Unionsgesetzgeber seine Entscheidung gestützt hat, um das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel der Verbesserung der Arbeitsbedingungen zu erreichen, objektiv und angemessen sind.

561

Im Übrigen hat, wie in Rn. 533 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Unionsgesetzgeber, ebenfalls um ein angemessenes Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen zu gewährleisten und gleichzeitig das verfolgte Ziel des sozialen Schutzes zu erreichen, mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 Art. 8 Abs. 6 der Verordnung Nr. 561/2006 geändert, um abweichend und unter Einhaltung bestimmter Bedingungen zu gestatten, dass ein Fahrer, der im grenzüberschreitenden Güterverkehr tätig ist, außerhalb des Mitgliedstaats, in dem sein Arbeitgeber niedergelassen ist, zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten einlegt, die im Fahrzeug verbracht werden können.

562

Im Übrigen soll mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 gerade die in Rn. 552 des vorliegenden Urteils angesprochene Schwierigkeit abgemildert werden, indem die Arbeitgeber verpflichtet werden, die Arbeit der Fahrer so zu planen, dass jeder Fahrer in der Lage ist, falls er es wünscht, je nach Fall alle drei oder vier Wochen zur Betriebsstätte seines Arbeitgebers oder zu seinem Wohnsitz zurückzukehren.

563

Was drittens das von der Republik Bulgarien geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung zwischen den Mitgliedstaaten betrifft, die gegen den in Art. 4 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz ihrer Gleichheit vor den Verträgen verstoßen soll, sind die Rügen dieses Mitgliedstaats zurückzuweisen. Selbst wenn man unterstellt, dass einige Mitgliedstaaten trotz seiner unterschiedslosen Anwendbarkeit von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 mittelbar mehr als andere betroffen wären, kann nämlich ein Rechtsakt der Union, der dazu bestimmt ist, die Normen der Mitgliedstaaten einander anzugleichen, sofern er in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gilt, nach der in Rn. 332 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs nicht als diskriminierend angesehen werden, da eine solche Harmonisierungsmaßnahme zwangsläufig je nach dem bisherigen Stand der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken unterschiedliche Auswirkungen zeitigt.

564

Unter diesen Umständen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber unter Missachtung der in den Rn. 313 und 314 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Grenzen des ihm zustehenden weiten Ermessens überschritten hat, indem er Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 im Rahmen der Ausübung der ihm durch den AEU-Vertrag übertragenen Befugnisse zur Verbesserung der Arbeitsbedingungen und der Straßenverkehrssicherheit aller Fahrer in der gesamten Union erlassen hat.

565

Soweit Rumänien schließlich mit seinem Vorbringen zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung die unverhältnismäßigen Auswirkungen von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 auf die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ rügen will, bezieht sich sein Vorbringen, was dieser Mitgliedstaat selbst darlegt, auf einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Es ist daher aus den in den Rn. 481 bis 540 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

566

Diese Erwägungen können, wie bereits aus Rn. 333 des vorliegenden Urteils hervorgeht, nicht durch das Vorbringen Rumäniens in Frage gestellt werden, dass sich aus der Gesamtheit der Bestimmungen des „Mobilitätspakets“, das Gegenstand der Klagen dieses Mitgliedstaats in den Rechtssachen C‑546/20 bis C‑548/20 sei, eine allgemeine diskriminierende Wirkung ergebe. Rumänien hat nämlich in der Rechtssache C‑546/20 nicht dargetan, dass sich aus Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 eine Diskriminierung ergebe. Im Übrigen sind die Rügen dieses Mitgliedstaats in Bezug auf die Verordnung 2020/1055 und die Richtlinie 2020/1057 im Rahmen der Klagegründe und Argumente zu prüfen, die er zur Stützung seiner Klagen in den Rechtssachen C‑547/20 und C‑548/20 zur Stützung seiner Anträge auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung dieser Unionsrechtsakte geltend macht.

567

Folglich sind der zweite Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien als teilweise unzulässig und teilweise unbegründet zurückzuweisen sowie der erste Teil des dritten Klagegrundes Rumäniens als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Verstoß gegen die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr

1) Vorbringen der Parteien

568

Rumänien macht im Rahmen des ersten Teils seines ersten Klagegrundes betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 auch gegen die unionsrechtlichen Bestimmungen über den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen im Binnenmarkt verstoße. Die Umsetzung des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug führe nämlich zu einer Beschränkung dieser Freiheit, im Sinne von Art. 58 Abs. 1 AEUV, da die Transportrouten auf unbestimmte Zeit auf die Fahrten beschränkt seien, die innerhalb einer Frist durchgeführt werden könnten, die den Fahrer nicht verpflichte, eine wöchentliche Ruhezeit zu verbringen, oder die nach Maßgabe des Vorhandenseins sicherer und gesicherter Parkflächen bestimmt würden. Aufgrund dieser Beschränkung wird die Maßnahme nach der Ansicht Rumäniens zur Fragmentierung des Binnenmarkts führen, mit der Folge eines Rückschritts bei der Verwirklichung des Ziels einer nachhaltigen Entwicklung dieses Marktes im Sinne von Art. 3 EUV, das auch eines der von der Kommission in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 39) festgelegten Ziele sei.

569

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

570

Wie sich aus den Rn. 352 bis 358 des vorliegenden Urteils ergibt, fällt der freie Verkehr der Verkehrsdienstleistungen nach Art. 58 Abs. 1 AEUV nicht unter die allgemeine Regelung in Art. 56 AEUV, sondern unter eine Spezialregelung, in deren Rahmen die Verkehrsunternehmen ein Recht auf Dienstleistungsfreiheit ausschließlich insoweit haben, als ihnen dieses Recht durch Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde, die der Unionsgesetzgeber, wie die Verordnung 2020/1054, auf der Grundlage der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die gemeinsame Verkehrspolitik, insbesondere von Art. 91 Abs. 1 AEUV, erlassen hat.

571

Da Art. 58 Abs. 1 AEUV somit nur bezweckt, den freien Verkehr von Verkehrsdienstleistungen von den allgemeinen Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr auszunehmen, um sie den Spezialvorschriften in Titel VI des Dritten Teils dieses Vertrags zu unterwerfen, konnte der Unionsgesetzgeber entgegen dem Vorbringen Rumäniens nicht allein deshalb gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV verstoßen, weil er nach dieser Bestimmung gemeinsame Regeln für den Verkehrssektor auf der Grundlage dieser Spezialvorschriften erlassen hat.

572

Soweit Rumänien dem Unionsgesetzgeber vorwirft, durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 einen Rückschritt bei der Liberalisierung verursacht zu haben, die mit der Verordnung Nr. 561/2006 verwirklicht worden sei, entbehrt sein Vorbringen jedenfalls der Grundlage. Wie u. a. in Rn. 493 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ergibt sich nämlich das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nicht aus dem Inkrafttreten dieser Bestimmung, sondern aus Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner vor dem Inkrafttreten dieses Art. 1 Nr. 6 Buchst. c geltenden Fassung, in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil Vaditrans.

573

Überdies ist darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 266 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, wenn ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, das Recht hat, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union, die in der Präambel, in Art. 9 AEUV und Art. 151 Abs. 1 AEUV verankert sind, zu berücksichtigen, u. a. die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sowie die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes. In einem solchen Fall kann der Unionsgesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz dieser allgemeinen Interessen und übergreifenden Ziele zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen.

574

Daraus folgt, dass entgegen dem Vorbringen Rumäniens die bloße Tatsache, dass bestimmte Verkehrsunternehmen veranlasst sein könnten, bestimmte ihrer Transportrouten anzupassen, um die Beschäftigungsbedingungen und den sozialen Schutz der Fahrer im Einklang mit dem von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verfolgten Ziel zu verbessern, keineswegs als ein Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik angesehen werden kann, der einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV darstellt.

575

Folglich ist das Vorbringen Rumäniens zu einem Verstoß gegen die Bestimmungen des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr im Rahmen des ersten Teils seines ersten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

576

Rumänien macht im Rahmen des ersten Teils seines ersten Klagegrundes betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit auch geltend, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 die Interessen der Verkehrsunternehmen und der Fahrer unter Verstoß gegen die sich aus Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV ergebenden Anforderungen ernstlich beeinträchtige.

577

Was zum einen die Verkehrsunternehmen, die im Allgemeinen KMU seien, angehe, so überstiegen die für sie mit Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 verbundenen Kosten weit die Kosten der Bereitstellung einer Unterkunft für die Fahrer. Diese Kosten deckten nämlich auch die Änderungen der Strecken je nach Verfügbarkeit der geeigneten Unterkünfte und Parkflächen, die Erhöhung der Versicherungsprämien aufgrund erhöhter Risiken im Zusammenhang mit der Sicherheit der beförderten Güter, sowie die Notwendigkeit für die Fahrer, zusätzliche Entfernungen für die Suche nach einer geeigneten Parkfläche zurückzulegen und sodann zur Unterkunft zu gelangen, die sich angesichts der in der Studie von 2019 über Parkplätze beschriebenen Situation in einer erheblichen Entfernung befinden könnte, ab. Im Übrigen würden die Einnahmen der Verkehrsunternehmen sinken, da der Mangel an Infrastruktur Auswirkungen auf die konkrete Möglichkeit habe, längere Strecken zu planen und Transporte auf bestimmten Strecken sicher durchzuführen.

578

Was zum anderen die Fahrer angehe, so führten die Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen aufgrund des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug nach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zu Arbeitsplatzverlusten und der Notwendigkeit, in die Mitgliedstaaten im Zentrum der Union auszuwandern. Außerdem bewirke diese Bestimmung wegen des Mangels an Infrastruktur, dass die Ermüdung und der Stress der Fahrer erhöht werde.

579

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

580

Was erstens das Vorbringen Rumäniens betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 zu Arbeitsplatzverlusten und zur Abwanderung der Fahrer in die Mitgliedstaaten im „Zentrum der Union“ führen könne, was gegen die Anforderungen in Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoße, der dem Unionsgesetzgeber vorschreibe, beim Erlass von Maßnahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik den Fällen Rechnung zu tragen, in denen die Anwendung den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte, ist festzustellen, dass ein solches Vorbringen mangels konkreter Beweise, die es stützen könnten, spekulativ ist.

581

Unter diesen Umständen kann dieses Vorbringen die Feststellungen der Kommission in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 61) nicht in Frage stellen, wonach sich die Maßnahmen in Bezug auf die Arbeitszeit und die Modalitäten der wöchentlichen Ruhezeit positiv auf die der Attraktivität des Berufs des Kraftfahrers und damit auf das Angebot auf dem Arbeitsmarkt auswirken sollten.

582

Jedenfalls kann, wie bereits aus den Rn. 404 und 405 sowie 573 und 574 des vorliegenden Urteils hervorgeht, die bloße Tatsache, dass bestimmte Verkehrsunternehmen wegen der Erhöhung des den Fahrern durch Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 garantierten sozialen Schutzes höhere Kosten tragen könnten, keineswegs als ein Verstoß gegen die sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV ergebenden Anforderungen angesehen werden.

583

Was zweitens das Vorbringen Rumäniens betrifft, wonach Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 den Verkehrsunternehmen unter Verstoß gegen die in Art. 94 AEUV genannten Anforderungen erhebliche zusätzliche Kosten verursache, genügt der Hinweis, dass die letztere Bestimmung, die den Unionsgesetzgeber verpflichtet, beim Erlass einer Maßnahme „auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen, im vorliegenden Fall unerheblich ist, da dieser Art. 1 Nr. 6 Buchst. c nicht die Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen für Güter oder Fahrgäste regelt, sondern die Bedingungen, unter denen die Fahrer ihre regelmäßige wöchentliche Ruhezeit oder ihre Ausgleichsruhezeit verbringen können.

584

Jedenfalls kann diese Bestimmung, wie bereits in Rn. 536 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht die Ursache für zusätzliche Kosten der Verkehrsunternehmen sein, da sie sich darauf beschränkt, das bestehende Recht zu kodifizieren, das sich, wie aus den Rn. 30, 31 und 48 des Urteils Vaditrans hervorgeht, aus Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in der vor dem Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung ergibt.

585

Folglich ist das Vorbringen Rumäniens zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV im Rahmen des ersten Teils seines ersten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

586

Nach alledem sind die Klagen der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumäniens (Rechtssache C‑546/20) und Ungarns (Rechtssache C‑551/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 gerichtet sind.

4.   Zu Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054

587

Ungarn stützt seine Klage (Rechtssache C‑551/20) auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 auf drei Klagegründe, mit denen es einen Verstoß erstens gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes sowie drittens gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV rügt.

a)   Vorbemerkungen

588

Im Hinblick auf die Prüfung dieser Klagegründe ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 165/2014 in Verbindung mit Art. 6 Abs. 3 der Durchführungsverordnung 2016/799 neu zugelassene Fahrzeuge, die in einem anderen Mitgliedstaat als dem Zulassungsmitgliedstaat betrieben werden, innerhalb einer Frist von 15 Jahren nach dem Inkrafttreten der in Anhang IC dieser Durchführungsverordnung festgelegten Modalitäten für intelligente Fahrtenschreiber der ersten Generation am 15. Juni 2019, mit einem intelligenten Fahrtenschreiber, der in den Art. 8 bis 11 der Verordnung Nr. 165/2014 geregelt wird, ausgestattet sein mussten. Daraus folgt, dass der Stichtag für den Einbau dieser Fahrtenschreiber auf den 15. Juni 2034 festgesetzt wurde.

589

[Berichtigt mit Beschluss vom 12. März 2025] Mit Art. 2 Nr. 2 und Nr. 8 Buchst. a der Verordnung 2020/1054, die Art. 3 Abs. 4 bzw. Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 165/2014 ändern, hat der Unionsgesetzgeber ein abgestuftes System für die Einführung von Fahrtenschreibern V2 während einer Übergangszeit geschaffen. So hängt zum einen der Beginn dieses Übergangszeitraums vom Zeitpunkt des Inkrafttretens der Spezifikationen für die Letzteren ab, die die Kommission in der am 19. August 2021 in Kraft getretenen Durchführungsverordnung 2021/1228 festgelegt hat. Zum anderen hängt die Dauer dieses Übergangszeitraums von der Art des Fahrtenschreibers ab, mit dem das Fahrzeug bereits ausgerüstet ist.

590

[Berichtigt mit Beschluss vom 12. März 2025] Während Fahrzeuge, die mit einem analogen oder digitalen Fahrtenschreiber ausgerüstet sind, spätestens drei Jahre nach Ablauf des Jahres, in dem diese Spezifikationen in Kraft treten, d. h. bis zum 31. Dezember 2024 mit einem Fahrtenschreiber V2 ausgerüstet sein müssen, müssen Fahrzeuge, die mit einem Fahrtenschreiber der ersten Generation ausgerüstet sind, spätestens vier Jahre nach Inkrafttreten dieser Spezifikationen, d. h. spätestens am 19. August 2025, mit einem Fahrtenschreiber V2 ausgerüstet sein.

591

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber den Stichtag für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 auf neuneinhalb Jahre bzw. neun Jahre vorverlegt hat.

592

Im Licht dieser Vorbemerkungen sind die von Ungarn geltend gemachten Klagegründe zu prüfen.

b)   Zum Vorliegen eines offensichtlichen Beurteilungsfehlers und zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

593

Mit seinem ersten Klagegrund macht Ungarn geltend, der Unionsgesetzgeber habe mit dem Erlass von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen und einen offensichtlichen Beurteilungsfehler begangen, indem er die wirtschaftlichen Folgen der erheblichen Vorverlegung der Frist für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 nicht beurteilt habe.

594

Da diese Bestimmung nicht im Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ enthalten sei, sei in diesem Punkt keine Folgenabschätzung durchgeführt worden. Die Änderung der Frist für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 sei nach der zwischen dem Parlament und dem Rat erzielten Einigung in den endgültigen Text der Verordnung 2020/1054 aufgenommen worden, ohne dass diese Organe auch eine Folgenabschätzung durchgeführt hätten. Eine Folgenabschätzung könne jedoch nur entfallen, wenn der Unionsgesetzgeber über ausreichende Informationen verfüge, die es ihm gestatteten, die Verhältnismäßigkeit der erlassenen Maßnahme zu beurteilen. Ungarn habe allerdings weder Kenntnis von der Existenz solcher Informationen noch von einer Analyse dieses Gesetzgebers. Obwohl zwei Studien, die im Februar und März 2018 durchgeführt worden seien, die Kosten der Anpassung an diese neue Technologie geprüft hätten, seien diese nicht ausdrücklich auf die Frage ihrer Verhältnismäßigkeit eingegangen, auch wenn in der zweiten Studie die Möglichkeit einer Unverhältnismäßigkeit angesprochen worden sei.

595

Daraus folge auch, dass der Unionsgesetzgeber gegen die Interinstitutionelle Vereinbarung verstoßen habe. Da Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 eine „wesentliche Abänderung“ des Kommissionsvorschlags im Sinne von Nr. 15 dieser Vereinbarung darstelle, sei es nämlich gerechtfertigt gewesen, gemäß Nr. 16 dieser Vereinbarung eine ergänzende Folgenabschätzung durchzuführen oder die Kommission damit zu beauftragen. Insoweit weist Ungarn darauf hin, dass bei der Einführung von Regeln, aus denen sich eine Selbstbeschränkung des Ermessens der Unionsorgane ergebe, es deren Sache sei, sich an die Leitlinien zu halten, die sie sich selbst auferlegt hätten.

596

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

597

Mit diesem Klagegrund wirft Ungarn dem Unionsgesetzgeber im Wesentlichen vor, die Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 nicht geprüft zu haben, indem er den Stichtag für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 vorverlegt habe, ohne davor eine Folgenabschätzung durchgeführt zu haben und ohne über Informationen zu verfügen, die es ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu beurteilen.

598

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich aus dem 27. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, der Ansicht war, dass die Kostenwirksamkeit der Durchsetzung der Sozialvorschriften, die rasche Entwicklung neuer Technologien, die Digitalisierung in der gesamten Wirtschaft der Union und die Notwendigkeit, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Unternehmen im internationalen Straßenverkehr zu sorgen, es erfordern, den Übergangszeitraum für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber in zugelassene Fahrzeuge zu verkürzen, wobei diese intelligenten Fahrtenschreiber zu vereinfachten Kontrollen beitragen und somit die Arbeit der nationalen Behörden erleichtern sollen.

599

Es steht jedoch fest, dass eine solche Vorverlegung des Stichtags für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens vom EWSA und vom AdR vorgeschlagen wurde, in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil nicht behandelt wurde und daher von der Kommission in ihrem Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ nicht in Betracht gezogen wurde. Insbesondere betraf die im vierten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 angeführte Ex-post-Bewertung der Sozialvorschriften, auf deren Grundlage diese Folgenabschätzung durchgeführt wurde, nicht die Verordnung Nr. 165/2014.

600

Aus der in den Rn. 220 bis 226 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass der Unionsgesetzgeber bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen Maßnahmen nicht nur die Folgenabschätzung, sondern auch jede andere Informationsquelle berücksichtigen kann.

601

Unter diesen Umständen ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Parlament und der Rat zum Zeitpunkt des Erlasses von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 aus anderen Informationsquellen als der Folgenabschätzung – Sozialer Teil über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügten, um die Verhältnismäßigkeit der Vorverlegung des Stichtags für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 beurteilen zu können.

602

Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen hervor, dass das Parlament im Februar 2018 den Abschlussbericht einer Studie (EPRS, „Retrofitting smart tachographs by 2020: Costs and benefits“ [„Nachrüsten von intelligenten Fahrtenschreibern bis 2020: Kosten und Vorteile“], 2. Februar 2018) veröffentlichte, mit dem Gegenstand, die Kosten und Vorteile des kurzfristigen Einbaus eines intelligenten Fahrtenschreibers in Lastkraftwagen im internationalen Verkehr zu bewerten. Es steht fest, dass diese Studie u. a. eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse enthielt, aus der hervorgeht, dass die langfristigen Vorteile eines Nachrüstens intelligenter Fahrtenschreiber, das erst nach 2020 durchgeführt werden könnte, die verschiedenen Kosten überwiegen, die den wichtigsten auf dem Verkehrsmarkt tätigen Wirtschaftsteilnehmern kurzfristig entstehen.

603

Außerdem ist unstreitig, dass die Kommission im März 2018 auch den Abschlussbericht einer anderen Studie (Generaldirektion Mobilität und Verkehr, „Study regarding measures fostering the implementation of the smart tachograph“ [„Studie über die Maßnahmen zur Förderung der Einführung eines intelligenten Fahrtenschreibers“], Abschlussbericht, März 2018), über die Maßnahmen zur Förderung der Umsetzung des intelligenten Fahrtenschreibers veröffentlicht hat. Es steht fest, dass das mit dieser Studie verfolgte Ziel darin bestand, verschiedene strategische Optionen zu prüfen, um die Umsetzung intelligenter Fahrtenschreiber in einem Zeitraum zwischen 2023 und 2027 zu beschleunigen, indem die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen sowie die Auswirkungen auf die Straßenverkehrssicherheit und den Binnenmarkt bewertet wurden, die die Einführung politischer Optionen hat, die es erfordern, vor Juni 2019 zugelassene Fahrzeuge in Übereinstimmung mit den Bestimmungen zu bringen, und zwar um die am besten geeignete Option zu ermitteln. Die Studie enthielt auch eine detaillierte Kosten-Nutzen-Analyse dieser Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen und die nationalen Behörden.

604

Aus dem Inhalt dieser beiden Studien geht klar hervor, dass diese die Grunddaten zu den Kosten für die Vorverlegung des Stichtags für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 enthielten, was Ungarn im Übrigen in seiner Erwiderung ausdrücklich eingeräumt hat.

605

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber, als er anschließend die Verordnung 2020/1054 erließ, die diese Maßnahme vorsah, über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Situation der internationalen Verkehrsunternehmer zu beurteilen und so seine Entscheidung zu stützen, diesen Stichtag im Rahmen der Ausübung des ihm zustehenden weiten Ermessens vorzuverlegen.

606

Diese Erwägungen werden nicht durch den von Ungarn geltend gemachten Umstand in Frage gestellt, dass in diesen beiden Studien nicht spezifisch geprüft worden sei, ob eine Maßnahme wie die Vorverlegung des Stichtags für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sei.

607

Diese Studien enthielten nämlich die einschlägigen objektiven Informationen zu den Kosten der Vorverlegung dieses Stichtags, anhand deren der Unionsgesetzgeber die wirtschaftlichen Folgen beurteilen konnte, die sich für die betroffenen Wirtschaftsteilnehmer aus dieser Vorverlegung ergaben, wobei, wie sich aus der in den Rn. 222 und 223 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung sowie aus Nr. 12 der Interinstitutionellen Vereinbarung ergibt, ihm allein die Aufgabe zukam, bei der Ausübung des weiten Ermessens, über das er insoweit verfügt, die verschiedenen betroffenen Interessen gegeneinander abzuwägen.

608

Darüber hinaus ist nach der in Rn. 220 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung die Form, in der die für den Erlass einer Maßnahme berücksichtigten Ausgangsdaten aufgeführt sind, ohne Bedeutung. Es kann daher nicht verlangt werden, dass diese Ausgangsdaten im Rahmen einer Beurteilung der Verhältnismäßigkeit dargestellt werden.

609

Daher ist der erste Klagegrund Ungarns als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Verstoß gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes

1) Vorbringen der Parteien

610

Mit seinem zweiten Klagegrund macht Ungarn geltend, dass die Vorverlegung der Frist für den Einbau von Fahrtenschreibern V2 einen Verstoß gegen die berechtigten Erwartungen der Wirtschaftsteilnehmer und damit gegen die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes darstelle. Nach Art. 3 Abs. 4 der Verordnung Nr. 165/2014 hätten die Wirtschaftsteilnehmer nämlich berechtigterweise annehmen dürfen, dass sie ab dem Erlass der Durchführungsbestimmungen zu dieser Bestimmung über eine Frist von 15 Jahren verfügten, um ihren Verpflichtungen in Bezug auf den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber nachzukommen. Die Wirtschaftsteilnehmer hätten daher nicht einfach auf die Beibehaltung einer bestehenden Situation vertraut. Der Unionsgesetzgeber habe nämlich in Ausübung seines Ermessens selbst eine Frist festgelegt, auf die sie ihre wirtschaftlichen Entscheidungen hätten stützen können. In Ungarn betreffe die Verpflichtung zum Einbau der Fahrtenschreiber V2 wegen der vorverlegten Fristen 60 % der Flotte mit auf 2000 Euro geschätzten Kosten je Einheit.

611

Da der Unionsgesetzgeber die Verordnung 2020/1054 am 15. Juli 2020 erlassen habe, hätte der neue Zeitpunkt der Verpflichtung zur Einhaltung der Bestimmungen ab diesem Zeitpunkt mit Sicherheit bekannt sein können. Folglich könne nur dieser Zeitpunkt den Beginn des Zeitraums kennzeichnen, über den die Wirtschaftsteilnehmer zur Anpassung verfügten, und nicht der Zeitpunkt der Veröffentlichung der Studien, die erstmals die Frage geprüft hätten. Die Wirtschaftsteilnehmer hätten, selbst wenn sie diese Studien gekannt hätten, nicht mit Sicherheit wissen können, welche Lösung gewählt werde.

612

Zwar würden die im grenzüberschreitenden Verkehr eingesetzten Fahrzeuge alle drei bis fünf Jahre erneuert, doch gehe aus der in Rn. 603 des vorliegenden Urteils angeführten Studie vom März 2018 selbst hervor, dass die ersetzten Fahrzeuge neue Eigentümer auf dem Gebrauchtwagenmarkt fänden. Es sei nicht ausgeschlossen, dass ein internationales Verkehrsunternehmen ein Gebrauchtfahrzeug erwerbe oder seine Fahrzeuge nicht in dem genannten Rhythmus ersetze. Eine große Zahl von KMU, die auf dem Markt des grenzüberschreitenden Verkehrs tätig seien, könnte nämlich über relativ begrenzte Finanzmittel verfügen.

613

Keiner der zwingenden Gründe des Allgemeininteresses, die im 27. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 angeführt seien, rechtfertige die Änderung der Fristen für die Einführung der Fahrtenschreiber V2. Was erstens die Kostenwirksamkeit der Durchsetzung der Sozialvorschriften betreffe, so sei diese im Gesetzgebungsverfahren nicht wirklich geprüft worden. Zweitens stellten die rasche Entwicklung neuer Technologien und die Digitalisierung in der gesamten Wirtschaft keine zwingenden Gründe des Allgemeininteresses dar, die eine Verletzung des berechtigten Vertrauens der Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen könnten. Außerdem seien die Fahrtenschreiber V2 noch nicht entwickelt, und ihr Datum der Markteinführung sei unbekannt. Was drittens die Notwendigkeit betreffe, für gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsunternehmen zu sorgen, sei schwer nachvollziehbar, warum die Unternehmen, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführten und die in Drittländern ansässig seien, dieser Verpflichtung nicht unterlägen. Das Europäische Übereinkommen über die Arbeit des im internationalen Straßenverkehr beschäftigten Fahrpersonals (Accord Européen sur les Transports Routiers, im Folgenden: AETR) schreibe den Einbau eines digitalen Fahrtenschreibers vor.

614

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

615

Wie in Rn. 162 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verpflichtet der Grundsatz der Rechtssicherheit nicht dazu, die Rechtsordnung unverändert aufrechtzuerhalten, da es dem Unionsgesetzgeber im Rahmen seines Ermessens freisteht, die bestehende Rechtslage zu ändern.

616

Was den Grundsatz des Vertrauensschutzes anbelangt, ist darauf hinzuweisen, dass das Recht auf Vertrauensschutz als Ausfluss des Grundsatzes der Rechtssicherheit jedem Einzelnen zusteht, wenn sich herausstellt, dass die Unionsverwaltung bei ihm begründete Erwartungen geweckt hat. Konkrete, nicht an Bedingungen geknüpfte und übereinstimmende Auskünfte von zuständiger und zuverlässiger Seite stellen unabhängig von der Form ihrer Mitteilung Zusicherungen dar, die solche Erwartungen wecken können. Dagegen kann niemand eine Verletzung dieses Grundsatzes geltend machen, dem die Verwaltung keine konkreten Zusicherungen gegeben hat. Ist ferner ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer in der Lage, den Erlass einer Unionsmaßnahme, die seine Interessen berühren kann, vorherzusehen, so kann er sich im Fall ihres Erlasses nicht auf den genannten Grundsatz berufen (Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat, C‑482/17, EU:C:2019:1035, Rn. 153 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

617

Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer nicht auf das völlige Ausbleiben von Änderungen einer bestehenden Situation durch den Unionsgesetzgeber vertrauen, sondern nur die Modalitäten der Durchführung einer solchen Änderung in Frage stellen kann (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 20. Dezember 2017, Global Starnet, C‑322/16, EU:C:2017:985, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

618

Außerdem darf nach ständiger Rechtsprechung der Anwendungsbereich des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht so weit erstreckt werden, dass die Anwendung einer neuen Regelung auf die künftigen Auswirkungen von unter der Geltung der früheren Regelung entstandenen Sachverhalten schlechthin ausgeschlossen ist (Urteil vom 8. September 2022, Ministerstvo životního prostředí [Papageien Hyazinth-Ara], C‑659/20, EU:C:2022:642, Rn. 69 und die dort angeführte Rechtsprechung), insbesondere in Bereichen, deren Ziel eine ständige Anpassung an die Veränderungen der wirtschaftlichen Lage erfordert (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 4. Mai 2023, Kapniki A. Michailidis, C‑99/22, EU:C:2023:382, Rn. 29 und die dort angeführte Rechtsprechung).

619

In Anbetracht dieser Rechtsprechung ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die bloße Tatsache, dass Art. 3 Abs. 4 und Art. 11 Abs. 1 der Verordnung Nr. 165/2014 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1054 geltenden Fassung für den Einbau intelligenter Fahrtenschreiber ein anderes Datum vorsahen als das, das schließlich durch Art. 2 Nr. 2 und Nr. 8 Buchst. a dieser Verordnung eingeführt wurde, nicht für den Nachweis ausreichen kann, dass eine Beeinträchtigung der Rechtssicherheit oder des Vertrauensschutzes und insbesondere ein Verstoß gegen präzise Zusicherungen vorliegt, die die begründete Überzeugung wecken können, dass die Unionsregelung in diesem Punkt unverändert bliebe. Dies gilt umso mehr für einen Gesetzgebungsakt, der, wie im vorliegenden Fall, die Einführung von Ausrüstung betrifft, die von der raschen Entwicklung neuer Technologien betroffen sein kann, und der daher eine ständige Anpassung an eine solche Entwicklung erfordern kann.

620

[Berichtigt mit Beschluss vom 12. März 2025] Sodann begann die vom Unionsgesetzgeber in Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Frist von drei oder vier Jahren für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 nicht am Tag des Inkrafttretens dieser Verordnung am 20. August 2020, sondern nach dieser Bestimmung jeweils nach Ablauf des Jahres des Inkrafttretens bzw. nach dem Inkrafttreten der Durchführungsverordnung, die die Kommission nach Nr. 8 Buchst. a dieses Art. 2, betreffend die technischen Spezifikationen, zu erlassen hatte, d. h. unter Berücksichtigung des Inkrafttretens der Durchführungsverordnung 2021/1228 am 19. August 2021 ab dem 31. Dezember 2021 bzw. dem 19. August 2021. Somit verfügen die betroffenen Verkehrsunternehmen in Wirklichkeit je nach Art des Fahrtenschreibers, mit dem ihre Fahrzeuge ausgerüstet sind, über eine längere Frist, um die Fahrtenschreiber V2 gemäß diesen neuen Bestimmungen einzubauen, wobei diese Frist fast viereinhalb Jahre bis zum 31. Dezember 2024 bzw. fünf Jahre bis zum 19. August 2025 erreicht.

621

Im Übrigen ergab sich bereits aus den in den Rn. 602 und 603 des vorliegenden Urteils genannten Studien, die im Februar und März 2018 vom Parlament und von der Kommission im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens, das zum Erlass der Verordnung 2020/1054 führte, veröffentlicht wurden, dass der Unionsgesetzgeber die Vorverlegung des Stichtags für den Einbau der intelligenten Fahrtenschreiber beabsichtigte. Wie der Generalanwalt in Nr. 473 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, war ein umsichtiger und besonnener Wirtschaftsteilnehmer daher in der Lage, den Erlass einer solchen Maßnahme auch vor Erlass dieser Verordnung vorherzusehen.

622

Schließlich geht aus den eigenen Angaben Ungarns hervor, dass sich die Kosten für den Einbau eines Fahrtenschreibers V2 auf ungefähr 2000 Euro pro Fahrzeug belaufen sollten. Es ist festzustellen, dass ein sorgfältiger und umsichtiger Wirtschaftsteilnehmer innerhalb der Frist von viereinhalb Jahren oder fünf Jahren, die sich aus Art. 2 Nr. 2 und Nr. 8 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 ergibt, vernünftigerweise eine Investition vornehmen kann, deren Betrag im Verhältnis zum Kaufpreis des Fahrzeugs selbst so begrenzt ist und sich im Übrigen nur auf den Teil der Flotte eines Verkehrsunternehmens bezieht, der für den grenzüberschreitenden Verkehr bestimmt ist. Dies gilt umso mehr, als, wie auf S. 41 der in Rn. 603 des vorliegenden Urteils erwähnten Studie der Kommission ausgeführt wird, die am grenzüberschreitenden Verkehr beteiligten Fahrzeuge oft nach drei bis fünf Jahren ersetzt werden, ohne dass es entgegen dem Vorbringen Ungarns darauf ankommt, ob das betreffende Verkehrsunternehmen für die Zwecke dieser Ersetzung gegebenenfalls auf den Gebrauchtwagenmarkt zurückgreift. Auch wenn Ungarn geltend macht, es sei nicht ausgeschlossen, dass ein internationales Verkehrsunternehmen seine Fahrzeuge nicht in diesem Rhythmus ersetze, ist darauf hinzuweisen, dass ein solches Vorbringen in keiner Weise im Widerspruch zu den in dieser Studie der Kommission genannten Daten steht, die sich auf das allgemeine Verhalten der auf dem Markt für Verkehrsdienstleistungen, der in diesem Zusammenhang allein relevant ist, tätigen Wirtschaftsteilnehmer beziehen und nicht auf das isolierte Verhalten bestimmter einzelner Wirtschaftsteilnehmer dieses Marktes.

623

Keines der anderen von Ungarn vorgebrachten Argumente ist geeignet, diese Erwägungen in Frage zu stellen.

624

Was erstens das Vorbringen betrifft, die vom Unionsgesetzgeber im 27. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 angeführten Gründe rechtfertigten nicht die Vorverlegung des Stichtags für den Einbau der Fahrtenschreiber V2, genügt die Feststellung, dass ein solcher Umstand, selbst wenn er erwiesen wäre, als solcher nicht belegen kann, dass der Unionsgesetzgeber den betroffenen Wirtschaftsteilnehmern präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte Zusicherungen gemacht hat, die geeignet waren, das berechtigte Vertrauen zu begründen, dass die Unionsregelung in diesem Punkt über einen Zeitraum von 15 Jahren unverändert bliebe.

625

Im Übrigen hat der Gerichtshof bereits entschieden, dass, selbst wenn man annimmt, dass die Union zuvor eine Lage geschaffen hat, die geeignet war, ein berechtigtes Vertrauen zu begründen, was hier nicht der Fall ist, ein unbestreitbares öffentliches Interesse dem Erlass von Übergangsmaßnahmen für Sachlagen entgegenstehen kann, die vor dem Inkrafttreten der neuen Regelung entstanden, in ihrer Entwicklung aber noch nicht abgeschlossen sind (Urteil vom 19. Juli 2016, Kotnik u. a., C‑526/14, EU:C:2016:570, Rn. 68 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

626

Mit Art. 2 Nr. 2 und Nr. 8 Buchst. a der Verordnung 2020/1054 hat der Unionsgesetzgeber aber einen Übergangszeitraum für den Einbau der Fahrtenschreiber V2 beibehalten, wenn er auch seine Dauer verkürzt hat, so dass er diese Maßnahme keineswegs mit zwingenden Gründen des Allgemeininteresses rechtfertigen musste.

627

Jedenfalls ist betreffend die auf die Wirksamkeit der Durchsetzung der Sozialvorschriften gestützte Rechtfertigung festzustellen, dass es sich dabei um einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses handelt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Dezember 2014, De Clercq u. a., C‑315/13, EU:C:2014:2408, Rn. 66 sowie 67; vgl. entsprechend auf dem Gebiet des Steuerrechts, Urteil vom 12. Oktober 2023, BA [Erbschaft – Soziale Wohnungspolitik in der Union], C‑670/21, EU:C:2023:763, Rn. 78 und die dort angeführte Rechtsprechung) und dass diese Rechtfertigung entgegen dem Vorbringen Ungarns im Gesetzgebungsverfahren behandelt wurde, wie sich insbesondere aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 32) ergibt, in der die Kommission speziell die Auswirkungen der Einführung intelligenter Fahrtenschreiber auf die Wirksamkeit der Kontrollen untersucht hat.

628

Was zweitens das Vorbringen zur Unsicherheit hinsichtlich des Datums der Markteinführung der Fahrtenschreiber V2 betrifft, geht aus den Angaben des Rates in einem ihm am 4. Oktober 2018 übermittelten Schreiben der Kommission, die von Ungarn nicht bestritten worden sind, hervor, dass der Unionsgesetzgeber vor dem Erlass der Verordnung 2020/1054 Schritte gegenüber Vertretern des Verkehrssektors unternommen hat, um sicherzustellen, dass die letzte Version intelligenter Fahrtenschreiber, im vorliegenden Fall die Fahrtenschreiber V2, in Fahrzeuge im grenzüberschreitenden Verkehr vor Ende 2024 eingebaut werden könnte.

629

In der mündlichen Verhandlung hat Ungarn geltend gemacht, dass sich die Fahrtenschreiber V2 am Tag der mündlichen Verhandlung noch in der Testphase befunden hätten, da das Authentifizierungssystem noch nicht genehmigt worden sei. Selbst wenn dies der Fall gewesen sein sollte, ist jedoch darauf hinzuweisen, dass die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügte, zu beurteilen ist (Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 67 sowie die dort angeführte Rechtsprechung). Daraus folgt, dass im vorliegenden Fall die Gültigkeit von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Verordnung verfügte, zu beurteilen ist. Zwar könnte eine etwaige Verzögerung bei der Verfügbarkeit der Fahrtenschreiber V2 verlangen, dass die Kommission dem Parlament und dem Rat eine Verlängerung des in dieser Bestimmung vorgesehenen Übergangszeitraums vorschlägt, doch kann sie deren Rechtmäßigkeit nicht beeinträchtigen.

630

Was schließlich drittens das Vorbringen zu den Auswirkungen von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 auf die Wettbewerbsbedingungen betrifft, überschneidet es sich mit dem dritten Klagegrund, mit dem ein Verstoß gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV gerügt wird, und ist daher in diesem Zusammenhang zu prüfen.

631

Daher ist der zweite Klagegrund Ungarns als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen Art. 151 Abs. 2 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

632

Mit seinem dritten Klagegrund trägt Ungarn vor, Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 verstoße gegen die in Art. 151 Abs. 2 AEUV vorgesehene Verpflichtung, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten. Auch wenn diese Verordnung auf der Rechtsgrundlage der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassen worden sei, falle sie unter die Sozialpolitik. Eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen durch eine Angleichung der nationalen Rechtsvorschriften könne aber nicht erfolgen, ohne gleichzeitig der Notwendigkeit Rechnung zu tragen, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten. Jedoch gälten entsprechende Anforderungen nicht für Fahrzeuge von Verkehrsunternehmen, die nicht in einem Mitgliedstaat niedergelassen seien. Außerdem seien nach dem AETR die Fahrzeuge von Verkehrsunternehmen, die in den Ländern niedergelassen seien, für die dieses Übereinkommen gelte, nur verpflichtet, über einen digitalen Fahrtenschreiber zu verfügen, was ihnen daher einen Wettbewerbsvorteil verschaffe.

633

Während der Unionsgesetzgeber im 34. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054 selbst die Notwendigkeit anerkannt habe, die Wettbewerbsfähigkeit der Verkehrsunternehmen der Union zu erhalten, lege keine Bestimmung dieser Verordnung der Kommission insoweit eine konkrete Verpflichtung oder eine bestimmte Frist auf, so dass keine Gewähr dafür bestehe, dass das AETR entsprechend geändert werde oder dass zumindest Verhandlungen in diesem Sinne in naher Zukunft aufgenommen werden könnten. Der Unionsgesetzgeber habe zwar keine Erfolgspflicht, jedoch habe er eine Sorgfaltspflicht in dem Sinne, dass er alles in seiner Macht Stehende tun müsse, um sicherzustellen, dass sich die Union nicht in einem Wettbewerbsnachteil befinde. Um dieser Pflicht nachzukommen, reiche es nicht aus, einen Erwägungsgrund anzunehmen, der keine bindende Wirkung habe.

634

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

635

Art. 151 AEUV, der zu Titel X des Dritten Teils des AEU-Vertrags betreffend die Sozialpolitik der Union gehört, sieht in Abs. 2 vor, dass der Unionsgesetzgeber und die Mitgliedstaaten Maßnahmen durchzuführen haben, die u. a. der Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der Wirtschaft der Union zu erhalten, Rechnung tragen.

636

Die Verordnung 2020/1054 wurde vom Unionsgesetzgeber jedoch nicht auf der Grundlage der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die Sozialpolitik erlassen, sondern auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, der zu Titel VI dieses Dritten Teils des AEU-Vertrags über die gemeinsame Verkehrspolitik gehört, der das Parlament und den Rat ermächtigt, u. a. zum einen für den internationalen Verkehr aus oder nach einem Mitgliedstaat oder für den Durchgangsverkehr durch das Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Mitgliedstaaten gemeinsame Regeln aufzustellen, und zum anderen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festzulegen. Daraus folgt, dass Art. 151 Abs. 2 AEUV für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Bestimmungen der Verordnung 2020/1054 unerheblich ist.

637

Jedenfalls heißt es im 34. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1054, dass „[e]s … wichtig [ist], dass in Drittländern niedergelassene Verkehrsunternehmen bei Beförderungen im Straßenverkehr im Gebiet der Union Vorschriften unterliegen, die den Rechtsvorschriften der Union gleichwertig sind“, und dass „[d]ie Kommission … die Anwendung dieses Grundsatzes auf Unionsebene bewerten und angemessene Lösungen vorschlagen [sollte], die im Rahmen des [AETR] ausgehandelt werden sollten“.

638

Es kann daher nicht geltend gemacht werden, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung 2020/1054 den Wettbewerbsnachteil nicht berücksichtigt hat, der sich für die in der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen daraus ergibt, dass die in Drittländern niedergelassenen Verkehrsunternehmen bei Beförderungen im Straßenverkehr im Gebiet der Union nicht notwendigerweise Vorschriften unterliegen, die den Rechtsvorschriften der Union gleichwertig sind, da dieser Gesetzgeber der Kommission gerade die Aufgabe übertragen hat, angemessene Lösungen vorzuschlagen, die im Rahmen des AETR ausgehandelt werden sollten.

639

Folglich ist der dritte Klagegrund Ungarns als unbegründet zurückzuweisen.

640

Nach alledem ist die Klage Ungarns (Rechtssache C‑551/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung 2020/1054 gerichtet ist.

5.   Zu Art. 3 der Verordnung 2020/1054

641

Die Republik Litauen stützt ihre Klage (Rechtssache C‑541/20) auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054, soweit dieser Artikel in seinem Abs. 1 den Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c und d dieser Verordnung auf den 20. Tag nach der Veröffentlichung dieser Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union festlegt, auf drei Klagegründe, die zusammen zu prüfen sind. Der erste betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zweite einen Verstoß gegen die Begründungspflicht nach Art. 296 AEUV und der dritte einen Verstoß gegen den in Art. 4 Abs. 3 EUV verankerten Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit.

a)   Vorbringen der Parteien

642

Was erstens den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, macht die Republik Litauen geltend, der Unionsgesetzgeber habe dadurch, dass er in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2020/1054 den Zeitpunkt des Inkrafttretens der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtung und des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug festgelegt habe, verkannt, dass sich die Mitgliedstaaten und die Verkehrsunternehmen mangels eines Übergangszeitraums nicht an diese Verpflichtung und dieses Verbot anpassen könnten, wobei nichts vorgetragen worden sei, was die Dringlichkeit eines solchen Inkrafttretens rechtfertige.

643

Durch die Wahl eines ungeeigneten Mechanismus zur Durchführung der Verordnung 2020/1054 habe der Unionsgesetzgeber somit eine Regelung eingeführt, deren Einhaltung besonders schwer zu gewährleisten sei. Damit habe er gegen Art. 5 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verstoßen, aus dem sich ergebe, dass die Entwürfe von Gesetzgebungsakten berücksichtigen müssten, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten werde und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müsse.

644

Als Erstes habe der Unionsgesetzgeber nicht berücksichtigt, dass es derzeit nicht genügend geeignete und sichere Parkflächen gebe, auf denen den Fahrern angemessene Bedingungen für die Ruhezeit außerhalb der Fahrzeugkabine zur Verfügung stehen könnten. Daraus folge, dass die Verkehrsunternehmen ungerechtfertigte und unverhältnismäßige Risiken eingehen müssten, indem sie die Fahrer anwiesen, ihren Lastkraftwagen auf Flächen zu belassen, auf denen die Sicherheit der Ladung nicht gewährleistet sei. Außerdem habe die Kommission in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil selbst bestätigt, dass die Umsetzung des Verbots der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug Schwierigkeiten wegen der Unzulänglichkeit von Unterkünften und sicheren Parkflächen bereiten könne. Sie habe auch darauf hingewiesen, dass die Kabinen aus diesen Gründen bessere Ruhebedingungen als die anderen verfügbaren Einrichtungen böten. Es sei falsch, zu behaupten, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. c der Verordnung 2020/1054 eine bloße Kodifizierung des Urteils Vaditrans sei. Die Verpflichtung, die vorgeschriebenen Ruhezeiten in einer geeigneten geschlechtergerechten Unterkunft mit angemessenen Schlafgelegenheiten und sanitären Einrichtungen zu verbringen, stelle nämlich eine neue Verpflichtung dar. Jedenfalls hätte der Unionsgesetzgeber, selbst im Fall einer Kodifizierung, das ordentliche Gesetzgebungsverfahren einhalten müssen, in dessen Verlauf er u. a. die Verhältnismäßigkeit der vorgeschlagenen Maßnahme hätte beurteilen und prüfen müssen, ob diese leicht umzusetzen sei. Dies hätte umso mehr gelten müssen, als es vor dem Erlass der Verordnung 2020/1054 aufgrund des Fehlens ausreichender Unterkunfts- und Parkflächeninfrastrukturen keine einheitliche Praxis gegeben habe.

645

Als Zweites ergebe sich aus der Studie von 2019 über Parkplätze, dass die verfügbaren Parkflächen nur in einigen Mitgliedstaaten konzentriert seien und dass etwa 100000 Plätze fehlten. Außerdem habe die Kommission weder in ihrer Folgenabschätzung – Sozialer Teil noch in dieser Studie geprüft, ob Hotels und Unterkünfte in der Nähe sicherer Parkflächen diesem Fehlen abhelfen könnten. Darüber hinaus habe die Kommission in dieser Studie nachgewiesen, dass zur Vorbereitung der Umsetzung der neuen Verpflichtungen mehrere Jahre und ein umfassendes strategisches Konzept für die Entwicklung der Infrastruktur der Union erforderlich seien.

646

Als Drittes habe der Unionsgesetzgeber die Schwierigkeiten bei der Anwendung der Verordnung 2020/1054, über die er jedoch sowohl durch den EWSA, als auch den Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten sowie den Ausschuss für Verkehr und Tourismus des Parlaments informiert worden sei, außer Acht gelassen.

647

Als Viertes werfe das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug auch andere wichtige Rechtsfragen auf, wie z. B. in Bezug auf die Vorsorgemaßnahmen und den Versicherungsschutz, da der Fahrer die Ladung in den meisten Fällen ohne Überwachung auf einem ungesicherten Parkplatz lassen müsse. Nach der Rechtsprechung der litauischen Gerichte stelle die Tatsache, dass eine Ware auf einer ungesicherten Parkfläche belassen werde, ein vorsätzliches Fehlverhalten des Verkehrsunternehmers dar, das die Weigerung des Versicherers zur Folge habe, den etwaigen Verlust der Ware zu decken.

648

Als Fünftes werde der ungerechtfertigte Charakter von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 auch durch das Fehlen eines Auslegungsdokuments belegt, nach dem die Verkehrsunternehmen die Rückkehr der Fahrer an ihren Wohnsitz oder an die Betriebsstätte des Arbeitgebers organisieren könnten. Ohne ein solches Dokument wäre die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung schwer umzusetzen, was zu unterschiedlichen Praktiken zwischen den Mitgliedstaaten und zwischen den Verkehrsunternehmen führen würde.

649

Was zweitens die Begründungspflicht betrifft, macht die Republik Litauen geltend, dass der Unionsgesetzgeber bei der Prüfung des Vorschlags für eine „Arbeitszeitverordnung“ durch die Folgenabschätzung – Sozialer Teil und andere Quellen darüber informiert worden sei, dass das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug zu praktischen Problemen bei der Umsetzung dieses Verbots führen werde, und dass die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung, für deren Umsetzung es keine klaren Regeln gebe, die Freizügigkeit der Arbeitnehmer ungerechtfertigt einschränke.

650

In einem solchen Kontext hätte der Unionsgesetzgeber stichhaltige Argumente für das Fehlen einer Übergangsfrist oder die Nichtverschiebung des Inkrafttretens der in Rede stehenden Regelung vorbringen müssen. Zwar seien die im Vorschlag für eine „Arbeitszeitverordnung“ genannten Ziele, nämlich die Verbesserung der Arbeitsbedingungen der Fahrer und der Straßenverkehrssicherheit sowie die Schaffung angemessener Bedingungen für die Ruhezeit, wichtig, doch rechtfertigten sie keineswegs ein unverzügliches Inkrafttreten dieser Regelung. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens eines Gesetzgebungsakts, der den Zeitpunkt bestimme, zu dem dieser Rechtsakt anwendbar sei, und entsprechende Verpflichtungen für die Betroffenen begründe, könne nicht einer rein technischen Entscheidung gleichgestellt werden.

651

Was drittens den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit betrifft, macht die Republik Litauen als Erstes geltend, der Unionsgesetzgeber habe nicht nur die Notwendigkeit nicht gerechtfertigt, das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug sowie die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung ohne Übergangszeitraum in Kraft zu setzen, sondern er habe auch nicht geprüft, wie es möglich gewesen wäre, angemessene Bedingungen zu schaffen, indem er einen solchen Übergangszeitraum vorgesehen hätte, damit sich die Mitgliedstaaten und die Verkehrsunternehmen an diese neuen Regeln anpassen könnten. Insbesondere hätte der Unionsgesetzgeber nicht geprüft, ob es möglich sei, Maßnahmen zu erlassen, die den Mitgliedstaaten gestatteten, sich schrittweise an diese neuen Regeln anzupassen, und die gewährleisteten, dass die Verkehrsunternehmen nicht wegen unzureichender geeigneter Unterkünfte sanktioniert würden.

652

Als Zweites hätte der Unionsgesetzgeber nicht berücksichtigt, dass die ordnungsgemäße Umsetzung der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung nicht klar gewesen sei und dass daher zur Gewährleistung einer kohärenten Umsetzung dieser Verpflichtung der Erlass zusätzlicher Maßnahmen erforderlich gewesen sei.

653

Als Drittes sei auch die Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe verletzt worden, da die Mitgliedstaaten ausreichende Unterkunfts- und Parkflächeninfrastrukturen offenkundig nicht objektiv gewährleisten könnten. Die Unionsorgane seien jedoch grundsätzlich verpflichtet, mit den Mitgliedstaaten in einen Dialog zu treten und die Zurückweisung der von diesen erhobenen Einwände zu begründen.

654

Das Parlament und der Rat sind im Wesentlichen der Ansicht, dass diese Klagegründe und Argumente ins Leere gehen. Denn selbst wenn Art. 3 der Verordnung 2020/1054 für nichtig erklärt würde, würde derselbe Zeitpunkt des Inkrafttretens nach Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV weiterhin gelten. Jedenfalls seien diese Klagegründe und Argumente unbegründet.

b)   Würdigung durch den Gerichtshof

655

Ohne dass über die Begründetheit des Einwands des Parlaments und des Rates entschieden zu werden braucht, mit dem geltend gemacht wird, dass der Antrag der Republik Litauen auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 aus dem in der vorstehenden Randnummer genannten Grund ins Leere gehe, ist in Bezug auf das Inkrafttreten von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c dieser Verordnung darauf hinzuweisen, dass, wie bereits in den Rn. 481 bis 494 des vorliegenden Urteils ausgeführt, diese Bestimmung, die das Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug vorsieht, entgegen dem Vorbringen der Republik Litauen die Rechtsprechung des Gerichtshofs im Urteil Vaditrans zur Auslegung von Art. 8 Abs. 8 der Verordnung Nr. 561/2006 in seiner Fassung vor dem Inkrafttreten dieses Art. 1 Nr. 6 Buchst. c kodifiziert.

656

Unter diesen Umständen, und da die Republik Litauen im Übrigen die Gültigkeit der letztgenannten Bestimmung nicht bestreitet, ist festzustellen, dass die Klagegründe und Argumente, mit denen dieser Mitgliedstaat dem Unionsgesetzgeber vorwirft, ihr Inkrafttreten nicht aufgeschoben zu haben, zwangsläufig wirkungslos sind, da das darin vorgesehene Verbot der regelmäßigen wöchentlichen Ruhezeit oder der Ausgleichsruhezeit im Fahrzeug bereits vor dem Inkrafttreten dieser Bestimmung galt.

657

Folglich sind sämtliche Klagegründe und Argumente, die die Republik Litauen zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 vorgebracht hat, soweit dieser Artikel in seinem Abs. 1 den Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 1 Nr. 6 Buchst. c dieser Verordnung festlegt, als ins Leere gehend zurückzuweisen.

658

Daher sind diese Klagegründe und Argumente nur insoweit zu prüfen, als sie zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 hinsichtlich des Inkrafttretens von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung vorgebracht werden.

659

Was erstens den Klagegrund eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, macht die Republik Litauen lediglich geltend, dass Art. 3 der Verordnung 2020/1054 nicht gerechtfertigt sei, weil es an einem Auslegungsdokument fehle, mit dem die Verkehrsunternehmen ihrer Verpflichtung nachkommen könnten, die Rückkehr der Fahrer zur Betriebsstätte ihres Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zu organisieren. Es genügt jedoch der Hinweis, dass, wie sich aus den Rn. 168 bis 199 und 269 bis 274 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 den sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergebenden Erfordernissen der Klarheit und Deutlichkeit genügt und den Verkehrsunternehmen eine gewisse Flexibilität bei seiner Durchführung lässt, die geeignet ist, die negativen Folgen dieser Bestimmung für diese Unternehmen abzumildern.

660

Unter diesen Umständen kann das Fehlen eines solchen Auslegungsdokuments für sich allein nicht belegen, dass der Unionsgesetzgeber dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, dass er das Inkrafttreten dieser Verpflichtung gemäß Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV auf den 20. Tag nach der Veröffentlichung dieser Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union festgelegt hat.

661

Was zweitens den Klagegrund eines Verstoßes gegen die Begründungspflicht betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Art. 296 Abs. 2 AEUV die Rechtsakte der Unionsorgane mit einer Begründung zu versehen sind. Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt sich jedoch, dass diese Begründung der Natur des betreffenden Rechtsakts und dem Kontext, in dem er erlassen wurde, angepasst sein muss (Urteil vom 15. Juli 2021, Kommission/Landesbank Baden-Württemberg und SRB, C‑584/20 P und C‑621/20 P, EU:C:2021:601, Rn. 104 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

662

Da der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall in Art. 3 Abs. 1 der Verordnung 2020/1054 vorgesehen hat, dass Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung am 20. Tag nach der Veröffentlichung dieser Verordnung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft tritt, war er nicht verpflichtet, die Wahl dieses Zeitpunkts für das Inkrafttreten zu begründen, da dieser dem im Primärrecht, in Art. 297 Abs. 1 Unterabs. 3 AEUV, vorgesehenen Zeitpunkt entsprach, der für das Inkrafttreten von Gesetzgebungsakten standardmäßig vorgesehen ist.

663

Was drittens den Verstoß gegen die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit betrifft, so trifft es zu, dass sich die Union und die Mitgliedstaaten nach Art. 4 Abs. 3 Unterabs. 1 EUV gegenseitig bei der Erfüllung der Aufgaben, die sich aus den Verträgen ergeben, achten und unterstützen.

664

In Bereichen, in denen der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfügt, überprüft der Gerichtshof jedoch nach der in den Rn. 218 und 244 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung nur, ob dieser in der Lage ist, zu belegen, dass er beim Erlass des Rechtsakts sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, und zu diesem Zweck die Grunddaten, auf deren Grundlage dieser Rechtsakt erlassen wurde und von denen die Ausübung seines Ermessens abhing, klar und eindeutig darzulegen.

665

Die Tragweite der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit kann nicht in dem Sinne ausgedehnt werden, dass sie den Unionsgesetzgeber unter allen Umständen zwingen würde, auf Antrag eines Mitgliedstaats angeblich fehlende Dokumente und Informationen beizubringen oder die Informationen, über die er verfügt, zu berichtigen, bevor er einen Rechtsakt erlassen kann. Eine solche Auslegung liefe nämlich Gefahr, die Organe an der Ausübung ihres Ermessens zu hindern und das Gesetzgebungsverfahren zu blockieren. Es trifft zwar zu, dass die Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit die Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe umfasst, zu der insbesondere der Austausch relevanter Informationen zwischen den Organen und den Mitgliedstaaten im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gehört, diese Pflicht erlaubt es einem dieser Mitgliedstaaten aber nicht, im Fall der Meinungsverschiedenheit darüber, ob die verfügbaren Informationen ausreichend, relevant oder zutreffend sind, allein aus diesem Grund die Rechtmäßigkeit des Entscheidungsprozesses in Frage zu stellen (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 74 und 75).

666

Unter diesen Umständen kann der Erlass eines Rechtsakts im Einklang mit den einschlägigen Bestimmungen des AEU-Vertrags kein Verstoß gegen die Pflicht des Parlaments und des Rates zur loyalen Zusammenarbeit sein, nur weil ihm mehrere Mitgliedstaaten widersprochen haben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat, C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 76 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

667

Im vorliegenden Fall ist, wie der Generalanwalt in Nr. 523 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, unstreitig, dass die Republik Litauen im Einklang mit der Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe, die sich aus der Pflicht zur loyalen Zusammenarbeit nach Art. 4 Abs. 3 EUV ergibt, während des Gesetzgebungsverfahrens Zugang zu sämtlichen Unterlagen hatte, auf die sich der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf den Erlass der Verordnung 2020/1054 gestützt hat, und dass dieser Mitgliedstaat zu den in diesen Unterlagen enthaltenen Daten sowie den zugrunde gelegten Annahmen Stellung nehmen konnte.

668

Diese Feststellung kann nicht durch die Argumente der Republik Litauen in Frage gestellt werden, die in den Rn. 651 bis 653 des vorliegenden Urteils angeführt wurden. Abgesehen davon, dass sie sich im Wesentlichen mit der in den Rn. 659 bis 662 dieses Urteils zurückgewiesenen Argumentation zur Notwendigkeit der Einführung eines Übergangszeitraums und der Annahme eines Auslegungsdokuments überschneiden, bedeutet die Beachtung der Pflicht zu gegenseitiger Amtshilfe keineswegs, dass der Unionsgesetzgeber verpflichtet wäre, mit diesem Mitgliedstaat in diesen beiden Fragen übereinzustimmen.

669

Folglich sind die drei Klagegründe, auf die die Republik Litauen ihren Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 stützt, soweit dieser Artikel in seinem Abs. 1 den Zeitpunkt des Inkrafttretens von Art. 1 Nr. 6 Buchst. d dieser Verordnung festlegt, als unbegründet zurückzuweisen.

670

Nach alledem ist die Klage der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), soweit sie auf Nichtigerklärung von Art. 3 der Verordnung 2020/1054 gerichtet ist, als teilweise ins Leere gehend und teilweise unbegründet abzuweisen.

6.   Ergebnis zur Verordnung 2020/1054

671

Nach alledem sind zum einen die Klagen der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20) und Ungarns (Rechtssache C‑551/20), soweit sie die Verordnung 2020/1054 betreffen, sowie zum anderen die Klagen der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑543/20), Rumäniens (Rechtssache C‑546/20) und der Republik Polen (Rechtssache C‑553/20) insgesamt abzuweisen.

B. Zur Verordnung 2020/1055

672

Die Republik Litauen (Rechtssache C‑542/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑545/20), Rumänien (Rechtssache C‑547/20), die Republik Zypern (Rechtssache C‑549/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20), die Republik Malta (Rechtssache C‑552/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) beantragen die Nichtigerklärung mehrerer Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 oder, hilfsweise, dieser Verordnung insgesamt.

673

Erstens begehren die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, der die Verpflichtung vorsieht, wonach die Fahrzeuge, die in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, alle acht Wochen zu einer der Betriebsstätten im Niederlassungsmitgliedstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens zurückkehren müssen (im Folgenden: Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge).

674

Zweitens ist die von der Republik Polen erhobene Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, der die Verpflichtung für die Verkehrsunternehmen vorsieht, gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene – Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte in ihrem Mitgliedstaat zugeordnet sind, zu verfügen.

675

Drittens begehren die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Malta und die Republik Polen die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, mit dem in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 2a eingefügt wurde, der vorsieht, dass Kraftverkehrsunternehmen innerhalb von vier Tagen nach Ende ihrer Kabotagebeförderung in einem Mitgliedstaat keine Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug oder im Fall einer Fahrzeugkombination mit dem Kraftfahrzeug desselben Fahrzeugs im selben Aufnahmemitgliedstaat durchführen dürfen (im Folgenden: Wartezeit).

676

Viertens ist die von Rumänien erhobene Klage auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 gerichtet, der Art. 8 Abs. 3 Unterabs. 1 der Verordnung Nr. 1072/2009 durch einen neuen Unterabsatz ersetzt hat, der die Unternehmen, die Kabotagebeförderungen durchführen möchten, der Verpflichtung unterwirft, Belege für die vorhergehenden Beförderungen und für jede durchgeführte Kabotagebeförderung vorzuweisen.

677

Fünftens ist die Klage Rumäniens auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. c der Verordnung 2020/1055 gerichtet, mit dem in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 4a eingefügt wurde, der die Modalitäten der Vorlage dieser Belege regelt.

678

Sechstens schließlich ist die Klage der Republik Polen auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 gerichtet, mit dem in Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 7 eingefügt wurde, der bestimmt, dass die Mitgliedstaaten vorsehen können, dass Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 für Verkehrsunternehmer im Aufnahmemitgliedstaat im Fall von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb dieses Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten Anwendung findet.

1.   Übersicht über die Klagegründe

679

Die Republik Litauen stützt ihre Klage (Rechtssache C‑542/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 auf fünf Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV sowie die Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels, zweitens einen Verstoß gegen Art. 26 AEUV (erster Teil) und das allgemeine Diskriminierungsverbot (zweiter Teil), drittens einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV, viertens einen Verstoß gegen den Grundsatz eines „ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahrens“ und fünftens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend macht.

680

Die Republik Bulgarien stützt ihre Klage (Rechtssache C‑545/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 auf sieben Klagegründe, von denen fünf den beiden angefochtenen Bestimmungen gemeinsam sind, wobei der dritte und der sechste Klagegrund nur zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der erstgenannten Bestimmung geltend gemacht werden. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 11 AEUV sowie gegen Art. 37 der Charta (erster Teil) und Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV sowie das Übereinkommen von Paris (zweiter Teil). Mit dem zweiten Klagegrund, der ebenfalls aus zwei Teilen besteht, wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt, der in Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verankert ist. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV sowie den Art. 20 und 21 der Charta, gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen nach Art. 4 Abs. 2 EUV und – „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“ – gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV gerügt. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV gerügt. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV gerügt. Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV sowie gegen die Art. 15 und 16 der Charta gerügt. Mit dem siebten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV oder, hilfsweise, gegen Art. 56 AEUV (erster Teil) sowie gegen die Art. 34 und 35 AEUV (zweiter Teil) gerügt.

681

Rumänien stützt seine Klage (Rechtssache C‑547/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a bis c der Verordnung 2020/1055 auf drei Klagegründe, von denen zwei den angefochtenen Bestimmungen gemeinsam sind, wobei der zweite Klagegrund nur zur Stützung des Antrags auf Nichtigerklärung der erstgenannten Bestimmung geltend gemacht wird. Mit dem ersten Klagegrund, der aus zwei Teilen besteht, wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nach Art. 5 Abs. 4 EUV gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die in Art. 49 AEUV vorgesehene Niederlassungsfreiheit gerügt. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen das Verbot der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit nach Art. 18 AEUV gerügt.

682

Die Republik Zypern stützt ihre Klage (Rechtssache C‑549/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, auf sieben Klagegründe. Mit dem ersten Klagegrund rügt sie einen Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 11 AEUV sowie gegen Art. 37 der Charta (erster Teil) und Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV sowie das Übereinkommen von Paris (zweiter Teil). Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt, der in Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verankert ist. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV sowie nach den Art. 20 und 21 der Charta, gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen nach Art. 4 Abs. 2 EUV und – „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“ – gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV gerügt. Mit dem vierten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV gerügt. Mit dem fünften Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV gerügt. Mit dem sechsten Klagegrund wird ein Verstoß gegen die Berufsausübungsfreiheit und die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV sowie gegen die Art. 15 und 16 der Charta gerügt. Mit dem siebten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV oder, hilfsweise, gegen Art. 56 AEUV (erster Teil) sowie gegen die Art. 34 und 35 AEUV (zweiter Teil) gerügt.

683

Ungarn stützt seine Klage (Rechtssache C‑551/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, auf zwei Klagegründe. Der erste betrifft einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (erster Teil) sowie eine Verletzung des Vorsorgeprinzips (zweiter Teil). Der zweite betrifft einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot.

684

Die Republik Malta stützt ihre Klage (Rechtssache C‑552/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, auf zwei Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen wesentliche Formvorschriften und gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta sowie zweitens einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 EUV und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit rügt. Zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 macht dieser Mitgliedstaat drei Klagegründe geltend, mit denen er erstens einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV, zweitens einen Verstoß gegen Art. 5 Abs. 4 EUV und den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens einen Verstoß gegen die Art. 20 und 21 der Charta sowie gegen das Diskriminierungsverbot rügt.

685

Die Republik Polen stützt ihre Klage (Rechtssache C‑554/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 und von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 auf drei gleiche Klagegründe, jeweils für jede der angefochtenen Bestimmungen, und auf einen Klagegrund, der allen diesen Bestimmungen gemeinsam ist. Mit dem ersten Klagegrund wird ein Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt. Mit dem zweiten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV gerügt. Mit dem dritten Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV gerügt. Mit dem allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsamen Klagegrund wird ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta gerügt. Zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, macht dieser Mitgliedstaat zwei Klagegründe geltend, nämlich einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, sowie den allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsamen Klagegrund.

686

Die Anträge der Klagen auf Nichtigerklärung erstens von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, zweitens von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, drittens von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und viertens von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 sind nacheinander zu prüfen.

2.   Zu Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

687

Zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑542/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑545/20), Rumänien (Rechtssache C‑547/20), die Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20), die Republik Malta (Rechtssache C‑552/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) im Wesentlichen einen Verstoß gegen Folgendes geltend:

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vierter und fünfter Klagegrund der Republik Litauen, erster Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Bulgarien, erster Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, zweiter Klagegrund der Republik Zypern, erster Teil des ersten Klagegrundes Ungarns, zweiter Klagegrund der Republik Malta und erster Klagegrund der Republik Polen),

das Vorsorgeprinzip (zweiter Teil des ersten Klagegrundes Ungarns),

den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot (zweiter Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen, dritter Klagegrund der Republik Bulgarien, dritter Klagegrund Rumäniens, soweit er sich gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 richtet, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, dritter Klagegrund der Republik Zypern und zweiter Klagegrund Ungarns),

die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik, die zum einen in Art. 91 Abs. 1 AEUV vorgesehen sind (vierter Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und vierter Klagegrund der Republik Zypern), und zum anderen in Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, in Art. 91 Abs. 2 und in Art. 94 AEUV vorgesehen sind (dritter Klagegrund der Republik Litauen in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV, fünfter Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, fünfter Klagegrund der Republik Zypern, erster Klagegrund der Republik Malta, soweit er sich auf Art. 91 Abs. 2 AEUV in Verbindung mit Art. 11 AEUV und mit Art. 37 der Charta bezieht, sowie zweiter und dritter Klagegrund der Republik Polen in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV),

das Funktionieren des Binnenmarkts nach Art. 26 AEUV (erster Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen),

die Niederlassungsfreiheit nach Art. 49 AEUV (sechster Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er sich auf diese Bestimmung bezieht, zweiter Klagegrund Rumäniens und sechster Klagegrund der Republik Zypern, soweit er sich auf diese Bestimmung bezieht),

die Berufsausübungsfreiheit sowie die Art. 15 und 16 der Charta (sechster Klagegrund der Republik Bulgarien und sechster Klagegrund der Republik Zypern, soweit sie sich auf diese Bestimmungen beziehen),

die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV oder, hilfsweise, Art. 56 AEUV (erster Teil des siebten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und erster Teil des siebten Klagegrundes der Republik Zypern),

den freien Warenverkehr nach den Art. 34 und 35 AEUV (zweiter Teil des siebten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, und zweiter Teil des siebten Klagegrundes der Republik Zypern) sowie

die Vorschriften des Unionsrechts und die Verpflichtungen der Union im Bereich des Umweltschutzes (erster Klagegrund der Republik Litauen, beide Teile des ersten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, beide Teile des ersten Klagegrundes der Republik Zypern, erster Klagegrund der Republik Malta, soweit er diese Regeln betrifft, und Klagegrund der Republik Polen, der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsam ist, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird).

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

688

Die Republik Litauen, mit ihrem vierten und ihrem fünften Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit dem ersten Teil ihres zweiten Klagegrundes, Rumänien, mit dem ersten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Zypern, mit ihrem zweiten Klagegrund, Ungarn, mit dem ersten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Malta mit ihrem zweiten Klagegrund sowie die Republik Polen mit ihrem ersten Klagegrund machen geltend, dass Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben.

689

Zum einen bestreiten diese Mitgliedstaaten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung geprüft habe, insbesondere weil es an einer Folgenabschätzung in Bezug auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge fehle. Insbesondere wird mit dem vierten Klagegrund der Republik Litauen zwar formal ein Verstoß gegen den Grundsatz eines „ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahrens“ und gegen „wesentliche Formvorschriften“ gerügt, doch geht aus dem Vorbringen zu seiner Stützung hervor, dass dieser Mitgliedstaat in Wirklichkeit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dartun will, weil die Auswirkungen dieser Verpflichtung nicht ordnungsgemäß bewertet worden seien. Desgleichen macht Ungarn mit dem ersten Teil seines ersten Klagegrundes zwar formal einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend, doch zielt sein Vorbringen in diesem Kontext allein darauf ab, einen Verstoß gegen den letzteren Grundsatz darzutun.

690

Zum anderen bestreiten die klagenden Mitgliedstaaten die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung als solche.

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, durch den Unionsgesetzgeber

i) Vorbringen der Parteien

691

Die Republik Litauen, mit ihrem vierten Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit dem ersten Teil ihres zweiten Klagegrundes, Rumänien, mit dem ersten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Zypern, mit ihrem zweiten Klagegrund, Ungarn, mit dem ersten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Malta, mit ihrem zweiten Klagegrund, sowie die Republik Polen, mit ihrem ersten Klagegrund, bestreiten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, geprüft habe.

692

Erstens machen diese Mitgliedstaaten geltend, es fehle an einer Folgenabschätzung in Bezug auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge.

693

Die Republik Litauen weist darauf hin, dass die Kommission nach Art. 11 Abs. 3 EUV verpflichtet sei, umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durchzuführen, um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten.

694

Dieser Mitgliedstaat sowie Ungarn und die Republik Malta machen geltend, dass Art. 2 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit der Kommission auch eine entsprechende Verpflichtung zur Durchführung umfangreicher Anhörungen auferlege. Gleiches gelte für Art. 5 dieses Protokolls, wonach die Entwürfe von Gesetzgebungsakten im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu begründen seien, und verlange, dass jeder Entwurf eines Gesetzgebungsakts detaillierte Angaben enthalten müsse, die es ermöglichten zu beurteilen, ob diese Grundsätze eingehalten worden seien, woraus sich ergebe, dass diese Entwürfe berücksichtigen müssten, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müsse.

695

Im Übrigen machen die Republik Litauen, Rumänien, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen geltend, die Interinstitutionelle Vereinbarung, insbesondere deren Nrn. 12 bis 15, sehe vor, dass die Kommission ihre Gesetzgebungsinitiativen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen sei, einer Folgenabschätzung unterziehen werde. Eine solche Folgenabschätzung sollte sich auf korrekte, objektive und vollständige Angaben stützen und sollte im Hinblick auf Umfang und Schwerpunkt verhältnismäßig sein.

696

Daher müssten das Parlament und der Rat bei der Prüfung der Gesetzgebungsvorschläge der Kommission in vollem Umfang die Folgenabschätzungen der Kommission berücksichtigen, die einen Abschnitt des Rechtsetzungsverfahrens bildeten, der im Allgemeinen durchgeführt werden müsse, sobald eine Gesetzgebungsinitiative erhebliche wirtschaftliche, ökologische oder soziale Auswirkungen haben könne. Wenn im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens wesentliche Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchgeführt würden, müssten das Parlament und der Rat Folgenabschätzungen in Bezug auf diese Abänderungen durchführen, wenn sie dies für zweckmäßig und erforderlich hielten.

697

Die Republik Litauen führt aus, die Angemessenheit und Erforderlichkeit von Folgenabschätzungen könne nicht dahin ausgelegt werden, dass sie auf einer rein subjektiven Beurteilung beruhe, die ausschließlich vom Willen des Unionsgesetzgebers abhänge. Vielmehr müsse diese Beurteilung auf bestehende objektive Daten gestützt werden, da es sich um das einzige Mittel handele, um sicherzustellen, dass dieser Gesetzgeber sein Ermessen nicht missbrauche.

698

Alle klagenden Mitgliedstaaten machen geltend, dass zum einen die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ enthalten gewesen sei und daher nicht Gegenstand der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung gewesen sei. Zum anderen würde die Einführung dieser Verpflichtung wegen der erheblichen wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen dieser Verpflichtung eine wesentliche Abänderung des ursprünglichen Vorschlags darstellen. Die Betroffenen und einige Mitgliedstaaten hätten den Unionsgesetzgeber über diese Auswirkungen informiert und ihn wiederholt aufgefordert, eine Folgenabschätzung zu diesem Thema durchzuführen.

699

Wie insbesondere die Republik Bulgarien und Rumänien hervorheben, hat die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht die gleiche Natur wie die anderen Bedingungen, die die Kommission ins Auge gefasst habe, um sicherzustellen, dass die Niederlassung tatsächlich und dauerhaft sei, die von der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung erfasst worden seien, wie die Ausübung einer operativen Tätigkeit oder Verkehrstätigkeit im Niederlassungsmitgliedstaat oder der Umstand, in diesem Mitgliedstaat mindestens über einen Handelsvertrag zu verfügen. Solche Verpflichtungen, die im Rahmen der Maßnahme 18 in dieser Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 30 und 31) angeführt worden seien, hätten nicht die Rückkehr der Fahrzeuge zur Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens erfordert. Daher seien die Ergebnisse dieser Folgenabschätzung für die Beurteilung der Auswirkungen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht relevant.

700

Zweitens werfen die klagenden Mitgliedstaaten dem Unionsgesetzgeber vor, nicht über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt zu haben, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung zu beurteilen.

701

Diese Mitgliedstaaten erkennen an, dass der Unionsgesetzgeber auf dem Gebiet des Verkehrs über ein weites Ermessen verfügt, das sich nicht nur auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten bezieht. Diese Mitgliedstaaten sind jedoch der Ansicht, der Unionsgesetzgeber müsse nachweisen können, dass er beim Erlass dieser Bestimmungen sein Ermessen tatsächlich ausgeübt habe, da er alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesen Bestimmungen geregelt werden sollten, berücksichtigt habe. Dieser Gesetzgeber müsse daher in der Lage sein, die Grunddaten, auf deren Grundlage die angefochtenen Maßnahmen erlassen worden seien und von denen die Ausübung seines Ermessens abhänge, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen.

702

Insoweit trägt Rumänien vor, die wissenschaftlichen Daten, auf denen die vom Unionsgesetzgeber erlassenen Maßnahmen beruhten, bildeten nicht nur die Grundlage seines Ermessens, sondern auch die Grenzen dieses Ermessens.

703

Das Parlament und der Rat hätten jedoch nicht den Nachweis erbracht, dass der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügt habe, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, zu beurteilen.

704

Diese Feststellung werde durch den Beschluss der Kommission bestätigt, nach Erlass der Verordnung 2020/1055 eine Folgenabschätzung in Bezug auf die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge durchzuführen, die zu der im Februar 2021 veröffentlichten Studie mit dem Titel „Assessment of the impact of a provision in the context of the revision of Regulation (EC) no 1071/2009 and Regulation (EC) no 1072/2009, Final report“ („Folgenabschätzung zu einer Bestimmung im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Verordnung [EG] Nr. 1071/2009 und der Verordnung [EG] Nr. 1072/2009, Abschlussbericht“) geführt habe.

705

Im Übrigen macht die Republik Polen geltend, dass mangels einer Folgenabschätzung die Beurteilungskriterien, die der Unionsgesetzgeber herangezogen habe, um die Häufigkeit der Rückkehr der Fahrzeuge an die Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens zu bestimmen, willkürlich seien. Es sei daher schwer zu erkennen, warum eine Rückkehrhäufigkeit von acht Wochen die Annahme zulasse, dass das Erfordernis einer tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung in diesem Mitgliedstaat eingehalten worden sei.

706

Insoweit weist die Republik Polen darauf hin, dass nach dem achten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 eine Synchronisierung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge mit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung das Recht des Fahrers auf Rückkehr stärke und das Risiko verringere, dass das Fahrzeug nur zurückgebracht werde, damit die neue Niederlassungsanforderung erfüllt sei. Die Maßnahmen der Verordnung 2020/1055 müssten jedoch durch die mit dieser Verordnung verfolgten Ziele gerechtfertigt sein. Der Umstand, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge mit einer anderen in der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung synchronisiert worden sei, liefere daher keine hinreichende Rechtfertigung.

707

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

708

Der Umstand, dass für einen bestimmten Rechtsakt, oder erst recht für eine besondere Bestimmung, keine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei, lasse nicht den Schluss zu, dass ihr Erlass gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße. Der Unionsgesetzgeber unterliege nämlich keiner eigenständigen Verfahrenspflicht zur Durchführung von Folgenabschätzungen. Solche Folgenabschätzungen könnten bei der Anwendung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit eine wichtige Rolle spielen, seien aber nicht die einzige Datenquelle, die das Handeln des Gesetzgebers erläutere. Dieser könnte auch jede andere Informationsquelle, einschließlich öffentlicher Quellen, berücksichtigen.

709

Daher sei es im Fall von Änderungen des Vorschlags der Kommission Sache des Unionsgesetzgebers, zu bestimmen, ob eine ergänzende Folgenabschätzung zu der Begleitunterlage zu diesem Vorschlag durchzuführen sei, wenn er die Durchführung einer solchen ergänzenden Folgenabschätzung für angemessen und erforderlich halte. Insoweit beziehe sich das weite Ermessen dieses Gesetzgebers nicht ausschließlich auf die Art und die Tragweite der zu erlassenden Bestimmungen, sondern in bestimmtem Umfang auch auf die Feststellung der Grunddaten, solange die politische Entscheidung auf objektive Kriterien gestützt sei und die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige wirtschaftliche Folgen für die Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen könnten. Daher sei es weder erforderlich, dass sich der Unionsgesetzgeber nur auf Grunddaten stütze, die speziell die erlassenen Bestimmungen beträfen, noch, dass er dieselben Schlussfolgerungen ziehe wie die Verfasser der Berichte oder Studien, auf die er zurückgegriffen habe.

710

Die Nichtdurchführung einer Folgenabschätzung könne nicht als Verletzung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes eingestuft werden, wenn sich der Unionsgesetzgeber in einer besonderen Lage befinde, die es erforderlich mache, davon abzusehen, und über ein ausreichendes Maß an Informationen verfüge, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit einer erlassenen Maßnahme zu beurteilen.

711

Im vorliegenden Fall verfügte der Unionsgesetzgeber nach Ansicht des Parlaments und des Rates über genügend Informationen, um den Auswirkungen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge Rechnung zu tragen.

712

Als Erstes sei in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung eine erschöpfende Analyse des relevanten Marktes und seiner spezifischen Schwierigkeiten vorgenommen worden. Im Übrigen umfasse diese Folgenabschätzung im Rahmen der Maßnahme 18 (Teil 1/2, S. 30 und 31) eine Analyse der sozialen und wirtschaftlichen Auswirkungen, einschließlich ihrer Auswirkungen auf die KMU, verschiedener Fälle, die für die Beurteilung des vom Unionsgesetzgeber gewählten Modells relevant seien, nämlich dass „das Unternehmen im Niederlassungsstaat wesentliche Betriebs- oder Verkehrstätigkeiten ausüben muss“ oder dass „das Unternehmen im Niederlassungsstaat durch mindestens einen Handelsvertrag gebunden sein muss“.

713

Die Kommission habe daher die Folgen dieser beiden Maßnahmen geprüft, die, obwohl sie anders formuliert seien als die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge, dasselbe Ziel verfolgten wie die letztere Verpflichtung. Somit habe der Unionsgesetzgeber annehmen können, dass die Auswirkungen der von ihm erlassenen Maßnahme denen der von der Kommission geprüften Maßnahmen entsprächen.

714

Außerdem sei der Gesetzgeber auch berechtigt gewesen, sich auf die Folgenabschätzungen der Kommission zu den anderen Aspekten des ersten Mobilitätspakets zu stützen, was den Gesetzgeber dazu veranlasst habe, die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge mit der in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehenen Verpflichtung zu synchronisieren, um die Auswirkungen der erstgenannten Verpflichtung auf die Verkehrsunternehmen und die Umwelt zu begrenzen.

715

Als Zweites habe der Unionsgesetzgeber im Laufe der Verhandlungen Zugang zu anderen Studien und Schätzungen gehabt, die zum Teil öffentlich zugänglich seien, wie die „Studie TRT Trasporti e Territorio, 2017, im Auftrag des Ausschusses für Verkehr und Tourismus (TRAN) – Die Güterkraftverkehrsunternehmern in der EU: soziale und Arbeitsbedingungen (Aktualisierung der 2013 durchgeführten Studie), Europäisches Parlament, Fachabteilung Struktur- und Kohäsionspolitik, Brüssel“, oder die Dokumente zu den beiden öffentlichen Anhörungen, von denen eine vom Ausschuss für Beschäftigung und soziale Angelegenheiten (EMPL) und TRAN am 16. Oktober 2017 und die andere vom TRAN-Ausschuss am 22. November 2017 organisiert worden sei, um Fragen im Zusammenhang mit dem Kraftverkehrsmarkt und soziale Aspekte des Mobilitätspakets zu behandeln.

716

Im Übrigen habe der Unionsgesetzgeber auch die Schätzungen der IRU zu den Folgen einer Verpflichtung berücksichtigt, die eine Rückkehr der Fahrzeuge alle drei oder vier Wochen vorschreibe, wie sie sich aus einem offenen Brief vom 26. Oktober 2018 ergäben, die Studie im Auftrag von Transport i Logistyka Polska (Verkehr und Logistik Polen) mit dem Titel „Mobility package I – Impact on the European road transport system“ („Mobilitätspaket I: Auswirkungen auf das europäische Straßenverkehrssystem“), die sehr kritisch gewesen sei gegenüber einer Änderung, die im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens abgelehnt worden sei und mit der eine Rückkehr der Fahrzeuge alle vier Wochen vorgeschlagen worden sei, oder auch eine Mitteilung der Europäischen Transportarbeiter-Föderation, in der die Folgen einer in einem Bericht des Parlaments enthaltenen Maßnahme geprüft worden seien, die in der Verpflichtung aller Fahrzeuge bestanden habe, alle drei Wochen im Mitgliedstaat der Niederlassung mindestens eine Be- oder Entladung von Gütern vorzunehmen.

717

Außerdem räumten die klagenden Mitgliedstaaten ein, dass sie dem Unionsgesetzgeber im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens selbst Informationen über die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge zur Verfügung gestellt hätten, die es diesem Gesetzgeber ermöglicht hätten, die Auswirkungen dieser Verpflichtung zu beurteilen. In den Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑549/20 und C‑554/20 verweisen das Parlament und der Rat insoweit insbesondere auf einige Studien, die die klagenden Mitgliedstaaten zur Stützung ihrer Klagen vorgelegt haben.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

718

Mit ihrem Vorbringen machen die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen geltend, dass Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, da der Unionsgesetzgeber weder über eine Folgenabschätzung zu dieser Bestimmung noch über ausreichende Informationen verfügt habe, um ihre Verhältnismäßigkeit beurteilen zu können.

719

Es steht fest, dass diese Bestimmung, die die Verpflichtung vorsieht, wonach Fahrzeuge, die in der grenzüberschreitenden Beförderung eingesetzt werden, alle acht Wochen zu einer der Betriebsstätten im Niederlassungsmitgliedstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens zurückkehren müssen, nicht Gegenstand der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung war.

720

Es ist jedoch festzustellen, dass wie in den Rn. 218 bis 226 des vorliegenden Urteils dargelegt, der Unionsgesetzgeber nicht nur nicht verpflichtet ist, unter allen Umständen über eine Folgenabschätzung zu verfügen, sondern eine solche Folgenabschätzung ihn auch nicht bindet, so dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung waren.

721

Gleichwohl ist der Unionsgesetzgeber, wie in Rn. 243 des vorliegenden Urteils ausgeführt, verpflichtet, seine Entscheidung auf objektive Kriterien zu stützen und zu untersuchen, ob die mit der gewählten Maßnahme verfolgten Ziele nachteilige, oder gar erhebliche, wirtschaftliche Folgen für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer rechtfertigen können.

722

Nach der in den Rn. 218 und 244 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist es somit Sache des Unionsgesetzgebers, wenn der fragliche Rechtsakt Gegenstand eines gerichtlichen Rechtsbehelfs ist, vor dem Gerichtshof zu belegen, dass er beim Erlass dieses Rechtsakts sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, indem er alle erheblichen Faktoren und Umstände der Situation, die mit diesem Rechtsakt geregelt werden sollte, berücksichtigt hat. Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber zumindest in der Lage sein muss, die Grunddaten, die zur Begründung der angefochtenen Maßnahmen dieses Rechtsakts zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung seines Ermessens abhing, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen.

723

Folglich ist zu prüfen, ob die vom Parlament und vom Rat angeführten Informationen belegen, dass der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nach Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bestimmung zu beurteilen.

724

Insoweit ist erstens zu prüfen, ob nachgewiesen werden kann, dass der Unionsgesetzgeber sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, indem er, wie das Parlament und der Rat geltend machen, auf die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung oder die Folgenabschätzungen zu den anderen Aspekten des ersten Mobilitätspakets zurückgegriffen hat.

725

Als Erstes kann entgegen dem Vorbringen dieser Organe nicht nachgewiesen werden, dass dies der Fall war, weil die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung den relevanten Markt und seine spezifischen Schwierigkeiten beschreibt. Die Ermittlung der Merkmale und Schwierigkeiten dieses Marktes entspricht nämlich nicht der Beurteilung der Folgen, die sich aus den zu ihrer Behebung vorgesehenen Mitteln ergeben. Somit konnte sich der Unionsgesetzgeber zwar in Bezug auf die Lage dieses Marktes auf diese Folgenabschätzung stützen. Die Berufung auf die dort enthaltenen Daten zu solchen Merkmalen und Schwierigkeiten läuft jedoch nicht darauf hinaus, die Grunddaten, auf deren Grundlage Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, erlassen wurde und von denen die Ausübung des tatsächlichen Ermessens durch den Unionsgesetzgeber abhing, beizubringen und klar und eindeutig darzulegen.

726

Gleiches gilt für die in derselben Folgenabschätzung enthaltene Beurteilung der Folgen anderer Verpflichtungen als derjenigen betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge.

727

Hierzu ist festzustellen, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge zwar dasselbe Ziel verfolgt wie die Maßnahme 18 in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 30 und 31), die, um sicherzustellen, dass die Niederlassung der Verkehrsunternehmen tatsächlich und dauerhaft ist, u. a. vorsah, dass diese Verkehrsunternehmen im Niederlassungsmitgliedstaat eine wesentliche operative Tätigkeit oder Verkehrstätigkeit ausüben oder im Niederlassungsmitgliedstaat mindestens über einen Handelsvertrag verfügen. Wie der Generalanwalt in Nr. 646 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, stellen diese beiden Maßnahmen jedoch Mittel zur Erreichung dieses Ziels dar, die mit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht vergleichbar sind, da sie keine Rückkehr der Fahrzeuge in die Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens verlangten. Folglich kann nicht davon ausgegangen werden, dass die Folgen dieser Maßnahmen ähnlich sind und dass die Bewertung der Auswirkungen der Maßnahmen, die Gegenstand der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung waren auf die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge übertragen werden kann, die nicht Gegenstand dieser Folgenabschätzung war.

728

Als Zweites berufen sich das Parlament und der Rat ebenfalls vergeblich auf die Folgenabschätzungen zu den anderen Aspekten des ersten Mobilitätspakets, insbesondere auf die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 vorgesehene Verpflichtung, um nachzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat. Wie in den Rn. 220, 233 und 295 des vorliegenden Urteils ausgeführt, betrifft die den Verkehrsunternehmen nach dieser Bestimmung obliegende Verpflichtung nämlich nicht die praktischen Modalitäten einer etwaigen Rückkehr der Fahrer, insbesondere diejenigen, die das Beförderungsmittel betreffen, das sie für diese Rückkehr verwenden können. Insbesondere bedeutet diese Verpflichtung nicht, dass die Fahrer, die zur Betriebsstätte des Arbeitgebers oder zu ihrem Wohnsitz zurückkehren möchten, dies zwangsläufig mit dem für Beförderungen verwendeten Fahrzeug tun. Daraus folgt, dass die in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil enthaltenen Bewertungen dieser Verpflichtung, die ihre wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen betreffen, für die Beurteilung der wirtschaftlichen und ökologischen Folgen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht relevant waren.

729

Zweitens ist unter Berücksichtigung der in Rn. 722 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber belegt hat, dass er im vorliegenden Fall sein Ermessen auf der Grundlage der anderen vom Parlament und vom Rat vor dem Gerichtshof geltend gemachten Grunddaten tatsächlich ausgeübt hat.

730

Als Erstes sind aus ähnlichen Gründen, wie den in den Rn. 724 bis 727 des vorliegenden Urteils dargelegten, die Studie TRT Trasporti e Territorio aus 2017, in Rn. 715 des vorliegenden Urteils angeführt, sowie die Dokumente zu den beiden öffentlichen Anhörungen, die im Oktober und November 2017 vom EMPL- und TRAN-Ausschuss zum einen sowie vom TRAN-Ausschuss zum anderen organisiert wurden, außer Betracht zu lassen. Die Angaben in diesen Dokumenten beziehen sich nämlich nicht auf die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge.

731

Als Zweites sind die Schätzungen der IRU, wie sie sich aus ihrem vom Parlament und vom Rat angeführten offenen Brief vom 26. Oktober 2018 ergeben, zurückzuweisen, wonach eine Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge in den Niederlassungsmitgliedstaat alle drei oder vier Wochen zu einer Erhöhung der Fahrzeugkilometer pro Jahr von 80 auf 135 Mio. führen könnte.

732

Wie der Generalanwalt in Nr. 652 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, werden diese Schätzungen nämlich in einem Brief kurz dargestellt, in dem die angewandte Methodik für die Berechnung nicht angegeben wird. Folglich ist die Darstellung solcher Daten nicht geeignet, zu belegen, dass die Grunddaten, die vom Unionsgesetzgeber zur Begründung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, zu berücksichtigen waren und von denen die Ausübung des tatsächlichen Ermessens durch den Unionsgesetzgeber abhing, beigebracht und klar und eindeutig dargelegt wurden.

733

Diese Erwägungen gelten auch für die vom Rat erwähnte Mitteilung der Europäischen Transportarbeiter-Föderation.

734

Gleiches gilt als Drittes für die Studie im Auftrag von Transport i Logistyka Polska (Verkehr und Logistik Polen) („Mobilitätspaket I: Auswirkungen auf das europäische Straßenverkehrssystem“), die in Rn. 716 des vorliegenden Urteils angeführt wird. Abgesehen davon, dass die Ausführungen zum Fall einer Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge in den Niederlassungsmitgliedstaat alle vier Wochen knapp sind, heißt es in der letzteren Studie nämlich auf den S. 31 und 34 zum einen, dass keiner der Teilnehmer in der Lage gewesen sei, die sich aus einer solchen Verpflichtung ergebenden Auswirkungen genau zu quantifizieren, und dass diese Studie nur eine vorläufige und summarische Schätzung dieser Auswirkungen darstelle. Zum anderen wird in dieser Studie betont, dass viele Fragen offenblieben und dass zusätzliche Forschungsarbeiten erforderlich seien, um die sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen des ersten Mobilitätspakets vollständig zu verstehen.

735

Was als Viertes die Informationen betrifft, die die klagenden Mitgliedstaaten vorgelegt haben sollen und über die der Unionsgesetzgeber im Gesetzgebungsverfahren verfügt haben soll, ist festzustellen, dass die bloße Berufung auf Studien und Dokumente, zu denen der Unionsgesetzgeber Zugang haben konnte, nicht für die Annahme ausreicht, dass die Grunddaten, auf deren Grundlage die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge erlassen wurde und von denen die Ausübung seines Ermessens abhing, beigebracht und klar und eindeutig dargelegt wurden.

736

Diesem Erfordernis kann auch nicht durch den Verweis des Parlaments und des Rates in den Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑549/20 und C‑554/20 auf die von den klagenden Mitgliedstaaten beim Gerichtshof vorgelegten Studien entsprochen werden. Mit diesem Verweis haben das Parlament und der Rat nämlich jedenfalls weder behauptet, dass die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge auf der Grundlage dieser Studien erlassen worden sei, noch erläutert, wie die darin enthaltenen Grunddaten es ihnen ermöglicht haben, die Verhältnismäßigkeit dieser Verpflichtung insbesondere im Hinblick auf ihre sozialen, ökologischen und wirtschaftlichen Auswirkungen zu beurteilen.

737

Nach alledem ist festzustellen, dass das Parlament und der Rat entgegen ihrem Vorbringen auf der Grundlage der Dokumente, auf die sie sich vor dem Gerichtshof berufen, die Grunddaten, auf deren Grundlage diese Verpflichtung erlassen wurde und von denen die Ausübung ihres Ermessens abhing, nicht klar und eindeutig dargelegt haben. Sie haben somit nicht nachgewiesen, dass sie beim Erlass der Verordnung 2020/1055 über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügten, die es ihnen ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge zu beurteilen.

738

Folglich ist dem vierten Klagegrund der Republik Litauen sowie, soweit mit ihnen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird, weil der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht geprüft habe, dem ersten Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Bulgarien, dem ersten Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, dem zweiten Klagegrund der Republik Zypern, dem ersten Teil des ersten Klagegrundes Ungarns, dem zweiten Klagegrund der Republik Malta und dem ersten Klagegrund der Republik Polen stattzugeben. Folglich ist Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird.

2) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

739

Da, wie sich aus den Rn. 718 bis 738 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit für nichtig zu erklären ist, weil der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung nicht geprüft hat, ist das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens, der Republik Zypern, Ungarns, der Republik Malta und der Republik Polen, mit der diese Mitgliedstaaten die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung als solche bestreiten, nicht zu prüfen.

b)   Zu den anderen Klagegründen, die sich gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 richten, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

740

Aus dem in der vorstehenden Randnummer dargelegten Grund sind die anderen Klagegründe, die die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen zur Stützung ihrer Anträge auf Nichtigerklärung dieser Bestimmung vorgebracht haben, nicht zu prüfen.

3.   Zu Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

741

Mit ihren Klagen beantragen die Republik Litauen (Rechtssache C‑542/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑545/20), die Republik Malta (Rechtssache C‑552/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055.

742

Rumänien beantragt mit seiner Klage (Rechtssache C‑547/20) die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a bis c dieser Verordnung, ohne jedoch eine eigene Argumentation zu den Buchst. b und c dieses Art. 2 Nr. 4 vorzubringen, so dass Rumänien mit seinem Vorbringen in Wirklichkeit die Nichtigerklärung dieser Bestimmungen insgesamt begehrt.

743

Zur Begründung ihrer jeweiligen Anträge machen diese Mitgliedstaaten im Wesentlichen einen Verstoß gegen Folgendes geltend:

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vierter und fünfter Klagegrund der Republik Litauen, zweiter Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Bulgarien, zweiter Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, zweiter Klagegrund der Republik Malta und erster Klagegrund der Republik Polen),

den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot (zweiter Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen, dritter Klagegrund Rumäniens, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und dritter Klagegrund der Republik Malta),

die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik, die zum einen in Art. 91 Abs. 1 AEUV (vierter Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist) und zum anderen in Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, in Art. 91 Abs. 2 und in Art. 94 AEUV vorgesehen sind (dritter Klagegrund der Republik Litauen in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV, fünfter Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, erster Klagegrund der Republik Malta in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 AEUV sowie zweiter und dritter Klagegrund der Republik Polen in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV),

das Funktionieren des Binnenmarkts nach Art. 26 AEUV (erster Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen),

die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV oder, hilfsweise, Art. 56 AEUV (erster Teil des siebten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist),

den freien Warenverkehr nach den Art. 34 und 35 AEUV (zweiter Teil des siebten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist) sowie

die Vorschriften des Unionsrechts und die Verpflichtungen der Union im Bereich des Umweltschutzes (erster Klagegrund der Republik Litauen, beide Teile des ersten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und Klagegrund der Republik Polen, der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsam ist, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung gerichtet ist).

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

744

Die Republik Litauen, mit ihrem vierten und ihrem fünften Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes, Rumänien, mit dem zweiten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Malta, mit ihrem zweiten Klagegrund, und die Republik Polen, mit ihrem ersten Klagegrund, machen geltend, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben.

745

Zum einen bestreiten diese Mitgliedstaaten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung geprüft habe, insbesondere weil es an einer Folgenabschätzung in Bezug auf die in dieser Bestimmung vorgesehene Wartezeit fehle. Insbesondere wird mit dem vierten Klagegrund der Republik Litauen zwar formal ein Verstoß gegen den Grundsatz eines „ordnungsgemäßen Gesetzgebungsverfahrens“ und gegen „wesentliche Formvorschriften“ gerügt, doch geht aus dem Vorbringen zu seiner Stützung hervor, dass dieser Mitgliedstaat in Wirklichkeit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dartun will, weil die Auswirkungen dieser Wartezeit nicht ordnungsgemäß bewertet worden seien.

746

Zum anderen bestreiten diese Mitgliedstaaten die Verhältnismäßigkeit dieser Wartezeit als solche.

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 durch den Unionsgesetzgeber

i) Vorbringen der Parteien

747

Die Republik Litauen, mit ihrem vierten Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes, Rumänien, mit dem zweiten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Malta, mit ihrem zweiten Klagegrund und die Republik Polen, mit ihrem ersten Klagegrund, bestreiten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 geprüft habe, insbesondere weil es an einer Folgenabschätzung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Wartezeit fehle.

748

Diese Mitgliedstaaten tragen im Wesentlichen die gleichen Argumente vor, die in den Rn. 691 bis 703 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind.

749

Die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Maßnahme, mit der die Wartezeit von vier Tagen eingeführt werde, sei im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ nicht enthalten gewesen. Diese Maßnahme sei erst im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens hinzugefügt worden, nachdem das Parlament und der Rat die in diesem Verordnungsvorschlag vorgesehene Änderung von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 abgelehnt hätten, die darin bestanden habe, den Verweis auf die Höchstzahl der Kabotagebeförderungen, die in einem Aufnahmemitgliedstaat während ein und desselben Kabotagezyklus durchgeführt werden könnten, zu streichen und den Zeitraum, in dem diese Kabotagebeförderungen in diesem Mitgliedstaat durchgeführt werden könnten, von sieben auf fünf Tage zu verkürzen.

750

Die Maßnahme, mit der die Wartezeit eingeführt werde, stelle eine wesentliche Änderung des Vorschlags für eine „Niederlassungsverordnung“ dar, die Gegenstand einer ergänzenden Folgenabschätzung hätte sein müssen. Da der Unionsgesetzgeber diese nicht durchgeführt habe, habe er nicht über ausreichende Informationen verfügt, um sein Ermessen tatsächlich auszuüben.

751

Im Übrigen habe der Unionsgesetzgeber keine objektiven Gründe angeführt, die die fehlende Notwendigkeit einer ergänzenden Folgenabschätzung rechtfertigten.

752

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

753

Wie die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Malta und die Republik Polen geltend machen, beabsichtigte die Kommission im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 dahin zu ändern, dass der Verweis auf die Höchstzahl der Kabotagebeförderungen, die in einem Aufnahmemitgliedstaat während ein und desselben Kabotagezyklus durchgeführt werden konnten, gestrichen und der Zeitraum, in dem diese Kabotagebeförderungen in diesem Mitgliedstaat durchgeführt werden konnten, von sieben auf fünf Tage verkürzt wurde.

754

Der Unionsgesetzgeber hat jedoch eine andere Maßnahme als die von der Kommission vorgeschlagene erlassen. Er erhielt nämlich zwar die Berechtigung aufrecht, höchstens drei Kabotagebeförderungen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung aus einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland in den Aufnahmemitgliedstaat innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen durchzuführen, und änderte daher Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 nicht, führte aber mit Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, mit dem in diesen Art. 8 ein Abs. 2a eingefügt wurde, eine zusätzliche Maßnahme in Form der Wartezeit ein. So dürfen nach diesem Art. 8 Abs. 2a Kraftverkehrsunternehmen innerhalb von vier Tagen nach Ende eines Kabotagezeitraums in einem Mitgliedstaat keine Kabotagebeförderungen mit demselben Fahrzeug im selben Aufnahmemitgliedstaat durchführen.

755

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 720 des vorliegenden Urteils dargelegt, der Unionsgesetzgeber nicht nur nicht verpflichtet ist, unter allen Umständen über eine Folgenabschätzung zu verfügen, sondern eine solche Folgenabschätzung ihn auch nicht bindet, so dass es dem Unionsgesetzgeber unbenommen bleibt, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung waren. Daher kann der bloße Umstand, dass der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall in der Verordnung 2020/1055 eine andere Bestimmung als die erlassen hat, die die Kommission ursprünglich auf der Grundlage der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung vorgeschlagen hat, nicht für den Nachweis ausreichen, dass er gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, sofern der Unionsgesetzgeber nachweisen kann, dass er sein Ermessen tatsächlich ausgeübt hat, und zu diesem Zweck die Grunddaten, auf deren Grundlage die Bestimmung über diese Wartezeit erlassen wurde und von denen die Ausübung dieses Ermessens abhing, beibringen und klar und eindeutig darlegen kann.

756

Folglich ist zu prüfen, ob die vom Parlament und vom Rat angeführten Informationen belegen, dass der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Bestimmung zu beurteilen.

757

Erstens ergibt sich aus der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 2/2, S. 41, 46 und 48), dass die Kommission die Möglichkeit in Betracht zog, eine Wartezeit zwischen zwei Kabotagezyklen vorzuschreiben. Insoweit kann der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber die Maßnahme erlassen hat, die in der Festlegung eines solchen Zeitraums bestand, während die Kommission sie abgelehnt hatte, nicht für den Nachweis ausreichen, dass der Unionsgesetzgeber nicht über ausreichende Informationen verfügte, um die Verhältnismäßigkeit dieser Maßnahme zu prüfen.

758

Zweitens erlaubten, wie das Parlament und der Rat geltend machen, die in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung enthaltenen Bewertungselemente betreffend die Folgen der Maßnahme, die darin bestand, den Verweis auf die Höchstzahl der Kabotagebeförderungen, die in einem Aufnahmemitgliedstaat während ein und desselben Kabotagezyklus durchgeführt werden konnten, zu streichen und den Zeitraum, in dem diese Kabotagebeförderungen in diesem Mitgliedstaat durchgeführt werden konnten, zu verkürzen, auch eine Beurteilung der Auswirkungen der letztlich gewählten Wartezeit.

759

Die Verkürzung des Zeitraums von sieben Tagen, in dem ein Verkehrsunternehmer Kabotagebeförderungen in ein und demselben Aufnahmemitgliedstaat durchführen kann, wie in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehen, auf vier Tage, wie dies in erster Linie in dieser Folgenabschätzung vorgesehen war (Teil 1/2, S. 29), oder von sieben auf fünf Tage, wie von der Kommission vorgeschlagen, hätte nämlich zur Folge gehabt, die Durchführung von Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat in regelmäßigeren Abständen zu unterbrechen.

760

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, dass die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung und die Beurteilung der Folgen der Maßnahmen, die ihren Gegenstand bildeten, geeignet waren, dem Unionsgesetzgeber relevante Anhaltspunkte für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zu liefern.

761

Drittens waren in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 20 bis 25) Prognosen über die Entwicklung des Verkehrsmarkts enthalten, die auf der Grundlage der vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Regelung, insbesondere wie sie in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 definiert ist, erstellt wurden, um die Auswirkungen der in dieser Folgenabschätzung betrachteten Maßnahmen zu beurteilen, insbesondere in Bezug auf die Änderungen der Dauer der Kabotagezeiträume und der Zahl der Kabotagebeförderungen, die während dieser Zeiträume durchgeführt werden können.

762

Da der Unionsgesetzgeber beschlossen hatte, diese Regelung in der Verordnung 2020/1055 beizubehalten, soweit sie gemäß diesem Art. 8 Abs. 2 erlaubt, höchstens drei aufeinanderfolgende Kabotagebeförderungen innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen durchzuführen, und gleichzeitig mit Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine zusätzliche Maßnahme in Form der Wartezeit einführte, blieben diese Prognosen für die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der letztgenannten Bestimmung relevant.

763

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber entgegen dem Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens, der Republik Malta und der Republik Polen über ein ausreichendes Maß an Informationen verfügte, die es ihm ermöglichten, die Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zu beurteilen.

764

Folglich sind der vierte Klagegrund der Republik Litauen sowie, soweit mit ihnen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemacht wird, weil der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit der Wartezeit nicht geprüft habe, der zweite Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Bulgarien, der zweite Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, der zweite Klagegrund der Republik Malta und der erste Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

2) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

i) Vorbringen der Parteien

765

Die Republik Litauen, mit ihrem fünften Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes, Rumänien mit dem zweiten Teil seines ersten Klagegrundes, die Republik Malta, mit ihrem zweiten Klagegrund, und die Republik Polen, mit ihrem ersten Klagegrund, bestreiten die Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 als solche.

766

Erstens bringen die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen vor, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Wartezeit nicht geeignet sei, die Ziele der Verordnung 2020/1055 zu erreichen.

767

Als Erstes machen die Republik Litauen und Rumänien geltend, dass diese Bestimmung entgegen dem im 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 genannten Ziel keine klaren, einfachen und leicht durchsetzbaren Vorschriften vorsehe.

768

Die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 12 bis 14) habe nämlich deutlich gemacht, dass die mangelnde Klarheit und Genauigkeit der Kabotagevorschriften zu Unterschieden bei der Anwendung und Kontrolle der Einhaltung dieser Vorschriften zwischen den Mitgliedstaaten sowie zu höheren Kosten für die Einhaltung der Vorschriften und Verwaltungskosten der Verkehrsunternehmen geführt habe.

769

Es sei jedoch durch nichts belegt, inwiefern die Maßnahme, mit der die Wartezeit eingeführt werde, die den Verwaltungsaufwand erschwere und vergrößere, zur Erreichung dieses Ziels der Klarheit und Genauigkeit geeigneter sei als die von der Kommission vorgeschlagene Änderung.

770

Als Zweites wird nach Ansicht der Republik Bulgarien und Rumäniens durch diese Maßnahme das zuvor erreichte Niveau der Liberalisierung des Marktes nicht gewahrt und damit das auch im 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 dargelegte Ziel der Wahrung dieses Niveaus verkannt.

771

Insoweit sei die Kommission im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ zu dem Ergebnis gelangt, dass die Kabotage zu liberalisieren sei, indem eine unbegrenzte Anzahl von Kabotagebeförderungen über einen Zeitraum von fünf Tagen statt drei Kabotagebeförderungen innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen zugelassen werde. Die Wartezeit stelle aber dadurch, dass sie der Kabotage neue Beschränkungen auferlege, einen Rückschritt gegenüber dem Niveau der Liberalisierung des Marktes dar.

772

Rumänien macht geltend, dass nach einer Studie des ECIPE (Bauer, M., „Discrimination, Exclusion and Environmental Harm: Why EU Lawmakers Need to Ban Freight Transport Restrictions to Save the Single Market“ [„Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung: Warum die EU-Gesetzgeber die Beschränkungen des Güterkraftverkehrs verbieten müssen, um den Binnenmarkt zu retten“] [im Folgenden: ECIPE‑Studie über Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung“]), die einen Bericht von Transport & Mobility Leuven (Transport und Mobilität Leuven) (Breemersch, T., „The impact of the 1st mobility package on European Road Freight Transport, with special focus on peripheral countries“ [„Auswirkungen des ersten Mobilitätspakets auf den Güterkraftverkehr in Europa, insbesondere in den peripheren Mitgliedstaaten“]) zitiere, die Wartezeit die Kabotagetätigkeiten bis 2035 bis zu 31 % verringern würde.

773

Im Übrigen weist die Republik Bulgarien darauf hin, dass die Kabotagebeschränkungen für den Luftverkehr im Laufe des Jahres 1993 aufgehoben worden seien. Während der Bericht der Kommission an das Parlament und den Rat über den Stand des Kraftverkehrsmarkts in der Union (COM[2014] 222 final, S. 13) eine zunehmende Konvergenz der Entgelte der Fahrer in der Union festgestellt habe, hätten die vom Unionsgesetzgeber mit der Verordnung 2020/1055 erlassenen Maßnahmen die Liberalisierung im Bereich des Straßenverkehrs vertiefen müssen, statt neue Beschränkungen, wie die Wartezeit, aufzuerlegen, die insoweit eine protektionistische Maßnahme sei.

774

Außerdem macht Rumänien geltend, da die Zahl der in der Union durchgeführten Kabotagebeförderungen im Vergleich zur Zahl der grenzüberschreitenden Beförderungen gering sei, sei ein gesetzgeberisches Eingreifen in diesem Bereich nicht gerechtfertigt, es sei denn, es gehe in Richtung der Liberalisierung des Marktes.

775

Als Drittes sei die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit nicht geeignet, die verfolgten Ziele zu erreichen, da sie nicht dazu beitrage, den Ladefaktor von Fahrzeugen zu vergrößern und Leerfahrten zu verringern. Damit liefe sie dem Wortlaut des 21. Erwägungsgrundes der Verordnung 2020/1055 zuwider, wie die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen geltend machen.

776

Diese Mitgliedstaaten legen dar, dass die Kabotage es den Verkehrsunternehmern ermögliche, weiter tätig zu bleiben und dasselbe Fahrzeug zu nutzen, um im Aufnahmemitgliedstaat zusätzliche Beförderungen zwischen zwei grenzüberschreitenden Beförderungen durchzuführen, insbesondere bis zum Eingang einer Ladungsbestellung für die Rückfahrt in den Niederlassungsmitgliedstaat.

777

Die Wartezeit verhindere jedoch die Durchführung von Kabotagebeförderungen während vier Tagen, was im Widerspruch zu dem im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung genannten Ziel stehe.

778

Insbesondere macht Rumänien geltend, dass die Wartezeit zu einem Anstieg der Zahl der Leerfahrten innerhalb der Union um etwa 5 % führen werde, wobei dieser Prozentsatz auch die Zahl der Fahrten umfasse, die mit Verlust durchgeführt würden, um die Rückkehr des leeren Fahrzeugs zu verhindern.

779

Als Viertes bezweifeln die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen, dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit geeignet sei, im Einklang mit dem im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung genannten Ziel sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

780

Zunächst macht die Republik Bulgarien geltend, die diesem Ziel zugrunde liegenden Argumente beträfen die Notwendigkeit einer tatsächlichen Niederlassung im Herkunftsmitgliedstaat der Verkehrsunternehmer und nicht in dem Mitgliedstaat, in dem die Kabotagebeförderungen durchgeführt würden.

781

Sodann sind die Republik Bulgarien und Rumänien der Ansicht, dass die Wartezeit ebenso wie die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nicht auf die Bekämpfung betrügerischer oder missbräuchlicher Praktiken abziele. Da diese Wartezeit eine Beschränkung der Beförderungstätigkeit darstelle, die als solche mobil sei, trage sie nicht zur Erreichung dieses legitimen Ziels bei, sondern laufe der Natur der wirtschaftlichen Realität und des Verkehrsbinnenmarkts zuwider. Die Kabotagebeförderungen seien nämlich ursprünglich als eine Art von Beförderung konzipiert worden, die zur Entwicklung des Verkehrssektors, zum Wirtschaftswachstum und zur Effizienz der Tätigkeit in diesem Bereich beitrage.

782

Insoweit sei das Vorliegen einer großen Zahl von Kabotagebeförderungen im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten im westlichen Teil der Union kein negatives Element, das den Erlass restriktiver Maßnahmen gebiete. Diese Situation zeige nur, dass in diesen Mitgliedstaaten eine starke Nachfrage nach Waren bestehe, dass die Dynamik der grenzüberschreitenden Beförderungen zunehme und dass der Markt normal funktioniere. Die Durchführung einer großen Zahl von Kabotagebeförderungen könne keinesfalls bedeuten, dass diese Art von Beförderung ihren vorübergehenden Charakter verloren habe, solange diese Beförderungen gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 und den dort vorgesehenen Beschränkungen durchgeführt würden.

783

So betont Rumänien, dass zwischen der systematischen Kabotage und der illegalen Kabotage zu unterscheiden sei. Auch wenn die Wartezeit ausschließlich sicherstellen solle, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entstehe, wie es im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 heiße, habe die Kommission u. a. in der zur Stützung der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung durchgeführten Studie mit dem Titel „Study to support the impact assessment for the revision of Regulation (EC) No 1071/2009 and Regulation (EC) No 1072/2009, Final Report“ („Studie zur Stützung der Folgenabschätzung für die Überarbeitung der Verordnung [EG] Nr. 1071/2009 und der Verordnung [EG] Nr. 1072/2009, Abschlussbericht“, April 2017, S. 33), sowie in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 6 und 7) dargelegt, dass der Anteil der illegalen Kabotage sehr gering sei, so dass dieser Sachverhalt den Erlass zusätzlicher restriktiver Maßnahmen in diesem Bereich nicht rechtfertige.

784

Zwar identifiziere die Studie der Kommission mit dem Titel „Ex-post evaluation of Regulation (EC) No 1071/2009 and Regulation (EC) No 1072/2009, Final report“ („Ex‑post-Bewertung der Verordnung [EG] Nr. 1071/2009 und der Verordnung [EG] Nr. 1072/2009, Abschlussbericht“, Dezember 2015 [im Folgenden: Ex‑post-Bewertung der Verordnungen Nrn. 1071/2009 und 1072/2009]) auf ihren S. 140 und 141 die systematische Kabotage als eine unerwartete Folge der Durchführung der Verordnung Nr. 1072/2009. An dieser Feststellung sei jedoch zu zweifeln, da sie auf der Erfahrung eines einzigen Mitgliedstaats beruhe.

785

Im Übrigen habe die Kommission, obwohl sie die systematische Kabotage als eine unerwünschte und unbeabsichtigte Auswirkung der Durchführung der Unionsvorschriften bezeichnet habe, die Wartezeit nicht als angemessen angesehen, obwohl sie sie in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 2/2, S. 41) berücksichtigt habe.

786

Schließlich machen die Republik Bulgarien und die Republik Polen geltend, um zu vermeiden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entstehe, sei es nicht erforderlich, eine Wartezeit vorzusehen. Die in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehenen Anforderungen, die die Zahl der Kabotagebeförderungen auf drei innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen beschränkten, gestatteten es nämlich bereits, dieses Ziel zu erreichen.

787

Zweitens ist nach Ansicht der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens, der Republik Malta und der Republik Polen die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit zur Erreichung der mit dieser Verordnung verfolgten Ziele nicht erforderlich.

788

Als Erstes machen die Republik Bulgarien und Rumänien geltend, dass nicht deshalb, weil die Möglichkeit der Einführung einer Wartezeit in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 2/2, Anhang 5) kurz geprüft worden sei, diese Maßnahme verhältnismäßig sei.

789

Wie sich aus dieser Folgenabschätzung (Teil 2/2, S. 48) ergebe, sei die geplante Maßnahme zur Einführung dieser Wartezeit ohne weitere Analyse ihrer Folgen abgelehnt worden. Abgesehen davon, dass diese Maßnahme nicht wirklich zur Erreichung des vom Unionsgesetzgeber verfolgten Ziels, nämlich einer wirksameren Durchsetzung der in diesem Bereich bestehenden Vorschriften, beitragen würde, würde sie nämlich nach Ansicht der an dieser Folgenabschätzung beteiligten Verkehrsunternehmen auch ihre Tätigkeiten stören und erhebliche Kosten verursachen, insbesondere wegen ihrer negativen Auswirkungen auf ihre Gemeinkosten. Außerdem nehme die Attraktivität der systematischen Kabotage jedenfalls im Fall des Erlasses wirksamerer Vorschriften für die Entsendung von Kraftfahrern ab.

790

Als Zweites würde es nach Ansicht Rumäniens, um sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entstehe, genügen, die Durchsetzung und Kontrolle der bestehenden Vorschriften zu verbessern, da die illegale Kabotage nur 0,56 % der gesamten Kabotagetätigkeit auf Unionsebene ausmache (Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 6 und 7). Um dem Problem der illegalen Kabotage zu begegnen, stelle die Einführung wirksamerer Überwachungs- und Kontrollmechanismen, wie die Anwendung der neuen Bestimmungen zur Umsetzung des intelligenten Fahrtenschreibers, eine weniger restriktive Maßnahme dar.

791

Als Drittes ist die Republik Malta der Ansicht, dass jedenfalls die im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ enthaltene Maßnahme, dass die Kabotagebeförderungen innerhalb eines Zeitraums von fünf Tagen durchgeführt würden, es gestattet hätte, das Ziel, sicherzustellen, dass diese Beförderungen nicht so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entstehe, auf weniger einschneidende Weise zu erreichen.

792

Die internationalen maltesischen Verkehrsunternehmer führten ihre Beförderungen nämlich auf dem Festland aus und gingen davon aus, dass diese Beförderungen nur dann durchführbar seien, wenn sie nicht gezwungen seien, die Fahrzeuge auf dem Seeweg nach Malta zu befördern. Wenn sie diese Beförderungen auf dem Festland durchführten, machten diese Verkehrsunternehmer von ihrer Freizügigkeit Gebrauch, ohne eine spezifische dauerhafte oder nachhaltige Verbindung zu anderen Mitgliedstaaten zu haben. Die körperliche Abwesenheit der Fahrzeuge dieser Verkehrsunternehmer in Malta sei allein auf die Insellage dieses Mitgliedstaats zurückzuführen, in dem sie niedergelassen seien, eine geografische Besonderheit, die unter Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit nicht berücksichtigt worden sei.

793

Insoweit habe die von der Kommission vorgeschlagene Maßnahme die maltesischen Verkehrsunternehmer nicht gezwungen, während der Wartezeit ohne klares und vernünftiges Ziel ihren gesamten Betrieb künstlich und regelmäßig zu unterbrechen.

794

Als Viertes hat nach Ansicht der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit zur Folge, zum einen die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmen, die in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union sowie in denjenigen mit geringer Fläche niedergelassen seien, erheblich zu verschlechtern und zum anderen den Lebensstandard und die Beschäftigungslage der Personen in diesen Mitgliedstaaten zu senken.

795

Diese Folgen ergäben sich aus der Erhöhung der durch diese Wartezeit entstehenden Kosten, u. a. aufgrund verlorener Betriebstage, der Erhöhung der Ausfallzeiten und der Leerfahrten oder der Verringerung der Kabotagetätigkeiten bis zu 31 % bis 2035. Im Übrigen würden die größten Belastungen von den KMU getragen, während diese die Mehrheit der Verkehrsunternehmen darstellten.

796

Die Republik Bulgarien und Rumänien stützen sich auch auf Studien, die die Folgen der durch das erste Mobilitätspaket eingeführten Vorschriften auf die Mobilität insgesamt bewertet haben, sowie auf eine Studie, die in einem Fachpresseartikel angeführt werde, mit dem Titel „The Belgians do not like the Mobility Package. They figured that its provisions would bring losses to their companies as well“ („Die Belgier mögen das erste Mobilitätspaket nicht. Ihrer Ansicht nach werden seine Bestimmungen auch zu Verlusten für ihre Unternehmen führen“), die die Kosten für die belgischen Verkehrsunternehmer für jeden Tag der „Ruhezeit“ auf etwa 24 Mio. Euro pro Jahr geschätzt habe.

797

Die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen heben hervor, dass die in diesen Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmen aufgrund der Erhöhung der Kosten Gefahr liefen, ihre Tätigkeit einstellen zu müssen oder in die Mitgliedstaaten im zentralen Teil der Union umzusiedeln, um sich im Wettbewerb zu behaupten. Die Republik Polen macht ferner geltend, dass diese Erhöhung der Kosten höchstwahrscheinlich zu einem Anstieg des Warenpreises führen werde, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft der Union haben könne.

798

Als Fünftes ist nach Ansicht der Republik Litauen, Rumäniens und der Republik Polen die Wartezeit mit dem Binnenmarkt für Verkehrsdienstleistungen unvereinbar, da sie diesen Markt fragmentiere und die Absatzmöglichkeiten der Verkehrsunternehmen in anderen Mitgliedstaaten beschränke, wobei die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und die Mitgliedstaaten mit geringer Fläche insoweit stärker beeinträchtigt würden.

799

So macht Rumänien geltend, dass von den im Gebiet der Union ansässigen Verkehrsunternehmen diejenigen, die im zentralen oder östlichen Teil der Union ansässig seien, wegen der beträchtlichen Bedeutung des Verkehrssektors für die Wirtschaft und die Beschäftigung in diesen Mitgliedstaaten, der Tatsache, dass diese Verkehrsunternehmen mehr als die Hälfte der Kabotagebeförderungen im Gebiet der Union durchführten, sowie der Zahl der von diesen Maßnahmen betroffenen Verkehrsunternehmen und Arbeitnehmer dieser Mitgliedstaaten am stärksten von den sich aus der Verordnung 2020/1055 ergebenden Maßnahmen betroffen seien.

800

Als Sechstes verstößt nach Ansicht der Republik Litauen, der Republik Bulgarien und Rumäniens die Wartezeit wegen der Zunahme der Leerfahrten und damit der Umweltverschmutzung und der CO2-Emissionen infolge der Einhaltung dieser Wartezeit gegen die Politik der Union im Bereich des Umweltschutzes und den Grünen Deal. Diese Folgen ergäben sich u. a. aus der ECIPE‑Studie über Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung.

801

Als Siebtes macht Rumänien geltend, dass die Auswirkungen der mit der Verordnung 2020/1055 eingeführten neuen Bestimmungen auf die Verkehrsunternehmen zweifellos durch die Covid‑19-Pandemie verschärft worden seien.

802

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

803

Das mit Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 verfolgte Ziel, anhand dessen die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung zu prüfen ist, besteht, wie sich aus dem 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung ergibt, darin, sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

804

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Malta und die Republik Polen, die die Rechtmäßigkeit dieses Ziels nicht in Frage stellen, machen geltend, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 als solcher gegen die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen verstoße.

805

Nach der in den Rn. 240 bis 247 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ist, um festzustellen, ob die in dieser Bestimmung vorgesehene Wartezeit diesen Grundsatz beachtet, zu prüfen, ob diese Maßnahme geeignet ist, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen, ob sie nicht offensichtlich über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und ob sie im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig ist.

– Zur Eignung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zur Erreichung des verfolgten Ziels

806

Was die Eignung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 zur Erreichung des verfolgten Ziels betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass, wie u. a. aus der Definition der „Kabotage“ in Art. 2 Nr. 6 der Verordnung Nr. 1072/2009 hervorgeht und wie in den Erwägungsgründen 20 und 22 der Verordnung 2020/1055 hervorgehoben wird, eine solche Beförderungstätigkeit eine „zeitweilige“ Natur im Aufnahmemitgliedstaat haben muss (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 12. April 2018, Kommission/Dänemark, C‑541/16, EU:C:2018:251, Rn. 53, sowie vom 14. September 2023, Staatsanwaltschaft Köln und Bundesamt für Güterverkehr [Beförderung von Leercontainern], C‑246/22, EU:C:2023:673, Rn. 25 und 29).

807

Wie aus der Ex‑post-Bewertung der Verordnungen Nrn. 1071/2009 und 1072/2009 (S. 137) hervorgeht, war das Auftreten von Praktiken systematischer Kabotage die wichtigste unerwartete Folge der Anwendung der Verordnung Nr. 1072/2009.

808

In diesem Kontext erscheint die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Regelung einer Wartezeit, während der die Verkehrsunternehmer nach einem in einem Aufnahmemitgliedstaat durchgeführten Kabotagezyklus keine Kabotagebeförderungen in diesem Mitgliedstaat mehr durchführen dürfen, geeignet, solchen Praktiken vorzubeugen und so zu verhindern, dass diese Beförderungen so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat entsteht.

809

Keines der Argumente, die die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen insbesondere auf der Grundlage anderer in den Erwägungsgründen 20 und 21 der Verordnung 2020/1055 genannter Ziele vorgebracht haben, ist geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellen.

810

Erstens kann dem Vorbringen der Republik Litauen und Rumäniens, wonach die Wartezeit nicht geeignet sei, das im 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 genannte Ziel zu erreichen, dass die Kabotagevorschriften klar, einfach und leicht durchsetzbar seien, nicht gefolgt werden.

811

Hierzu ist festzustellen, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. b und c dieser Verordnung zur Erreichung dieses Ziels die Modalitäten der Belege für die grenzüberschreitende Beförderung, die der Kabotagebeförderung vorhergegangen ist, sowie diejenigen für jede Kabotagebeförderung regelt.

812

Die Einführung einer Wartezeit, deren Hauptziel, wie in Rn. 803 des vorliegenden Urteils ausgeführt, darin besteht, sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht, kann als solche nicht als Beeinträchtigung des im 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 genannten Ziels angesehen werden.

813

Was zweitens das auch im 20. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 genannte Ziel betrifft, das Niveau der Liberalisierung des Marktes zu wahren, ist darauf hinzuweisen, dass nach dem zweiten Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 1072/2009 zur Schaffung einer gemeinsamen Verkehrspolitik unter anderem die Festlegung der Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, gehört, wobei diese so gestaltet sein müssen, dass sie zu einem reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts im Verkehr beitragen. In diesem Kontext bestand, wie aus ihren Erwägungsgründen 4, 5, 13 und 15 hervorgeht, eines der ursprünglichen Ziele dieser Verordnung in ihrer Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055, damit die Schaffung einer gemeinsamen Verkehrspolitik reibungslos und flexibel erreicht werden kann, darin, vor der Anwendung der endgültigen Regelung eine Übergangsregelung für die Kabotage einzuführen, solange die Harmonisierung des Kraftverkehrsmarkts noch nicht abgeschlossen war. In diesem Zusammenhang war vorgesehen, dass die Kabotagebeförderung in einem Aufnahmemitgliedstaat erlaubt ist, sofern sie nicht dergestalt durchgeführt wird, dass dadurch eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat entsteht.

814

Durch die Verhinderung der Entwicklung von Praktiken systematischer Kabotage soll die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit, wie in den Rn. 807 und 808 des vorliegenden Urteils ausgeführt, den unerwarteten Folgen der Anwendung der Verordnung Nr. 1072/2009 abhelfen und das ursprüngliche vom Unionsgesetzgeber verfolgte Ziel dadurch erreichen, dass sie im Einklang mit dem von ihm festgelegten Niveau der Liberalisierung, um zum reibungslosen Funktionieren des Verkehrsbinnenmarkts beizutragen, die zeitweilige Natur der Kabotage gewährleistet.

815

Drittens ist, soweit die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen geltend machen, dass die Wartezeit nicht geeignet sei, das im 21. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 genannte Ziel zu erreichen, wonach Kabotagebeförderungen dazu beitragen sollten, den Ladefaktor von Fahrzeugen zu vergrößern und Leerfahrten zu verringern, darauf hinzuweisen, dass jedoch nach dem 21. Erwägungsgrund solche Beförderungen erlaubt sein sollten, solange sie nicht in einer Weise erfolgen, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

– Zur Erforderlichkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

816

Die Erforderlichkeit der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit wird von Rumänien und der Republik Malta mit der Begründung bestritten, dass es weniger belastende alternative Maßnahmen gebe, als die in dieser Bestimmung vorgesehene.

817

Was erstens das Vorbringen Rumäniens betrifft, wonach die Einführung wirksamerer Überwachungs- und Kontrollmechanismen eine weniger einschränkende alternative Maßnahme dargestellt hätte, genügt der Hinweis, dass sich, wie in Rn. 807 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nach den vor dem Erlass der Verordnung 2020/1055 geltenden Vorschriften Praktiken systematischer Kabotage entwickelt haben.

818

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 32 bis 34 und 41 bis 44) verschiedene Maßnahmenpakete in Betracht gezogen wurden, darunter das „Maßnahmenpaket 1 – Präzisierung des Rechtsrahmens (P1)“, das „Maßnahmenpaket 2 – Stärkung der Rechtsdurchsetzung (P2)“ und das „Maßnahmenpaket 3 – Eingehende Überarbeitung der Verordnungen (P3)“, wobei das dritte Maßnahmenpaket die im zweiten enthaltenen Elemente umfasste, das seinerseits den Inhalt des ersten Maßnahmenpakets übernahm.

819

Gemäß seiner Überschrift sah das dritte Maßnahmenpaket eine wesentliche Änderung des bestehenden Rechtsrahmens vor, insbesondere in Bezug auf die Kabotageregelung. Zu diesem Maßnahmenpaket gehörte die Maßnahme 8, die die Abschaffung der Höchstzahl der Kabotagebeförderungen, die in einem Aufnahmemitgliedstaat durchgeführt werden konnten, und die Verkürzung des für die Durchführung solcher Beförderungen vorgesehenen Zeitraums vorsah (Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 1/2, S. 32 bis 34).

820

Die Folgenabschätzung (Teil 1/2, S. 57 bis 59) kam zu dem Ergebnis, dass dieses dritte Maßnahmenpaket die Option darstelle, die gegenüber nur den Maßnahmen des zweiten Pakets, die sich auf die Verstärkung der Kontroll- und Überwachungsmechanismen bezogen, zu bevorzugen sei.

821

Ebenso wie die Maßnahme 8 in diesem dritten Maßnahmenpaket zielt die Wartezeit, die der Unionsgesetzgeber an ihrer Stelle vorgezogen hat, darauf ab, die für die Kabotage geltende Regelung zu ändern. Somit kann nicht behauptet werden, dass die Festlegung einer Wartezeit gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße, weil die bloße Verstärkung der Kontroll- und Überwachungsmechanismen eine Maßnahme darstelle, die weniger belastend als eine solche Wartezeit und ebenso wirksam wie diese sei.

822

Was zweitens das Vorbringen der Republik Bulgarien, der Republik Malta und Rumäniens betrifft, wonach es die im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ enthaltene Maßnahme zur Einführung eines Kabotagezyklus von fünf Tagen gestattet hätte, das Ziel, sicherzustellen, dass diese Beförderungen nicht so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entstehe, auf weniger einschneidende Weise zu erreichen, ist festzustellen, dass zum einen die Schätzung einer Verringerung der Kabotagetätigkeiten bis zu 31 % bis 2035, auf die sich diese Argumentation stützt, auf dem Bericht von Transport & Mobility Leuven (Transport und Mobilität Leuven) mit dem Titel „Auswirkungen des ersten Mobilitätspakets auf den Güterkraftverkehr in Europa, insbesondere in den peripheren Mitgliedstaaten“ beruht. Diese Schätzung bezieht sich jedoch nicht auf die Wartezeit. Wie aus S. 13 dieses Berichts hervorgeht, ergibt sich diese Schätzung selbst aus der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 39 und 40), insbesondere aus der Beurteilung der Folgen einer Verkürzung des Sieben-Tage-Zeitraums nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 auf vier oder fünf Tage, während der die Kabotagebeförderungen zulässig sind, die zu einem Rückgang der Kabotagetätigkeiten um bis zu 31 % bzw. bis zu 20 % bis 2035 führen würden.

823

Zum anderen ergibt sich die Gefahr einer systematischen Kabotagetätigkeit, wie der Rat geltend macht, daraus, dass die Häufigkeit der Zeiträume, in denen Kabotagebeförderungen in ein und demselben Mitgliedstaat durchgeführt werden dürfen, nicht genau angegeben sind.

824

Aufgrund dieses Mangels an Genauigkeit erlaubte die Verordnung Nr. 1072/2009 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung den Verkehrsunternehmern nämlich, Kabotagezyklen im selben Aufnahmemitgliedstaat aneinanderzureihen, unter dem alleinigen Vorbehalt der in Art. 8 Abs. 2 Unterabs. 1 letzter Satz der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehenen Regel. Da die im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ enthaltene Maßnahme nicht verhinderte, dass im selben Mitgliedstaat unmittelbar nach der Durchführung einer grenzüberschreitenden Beförderung nach Ablauf des vorhergehenden Kabotagezyklus dort ein neuer Kabotagezyklus durchgeführt wird, kann sie jedenfalls nicht als eine Maßnahme angesehen werden, die ebenso wirksam wie die Wartezeit gewährleistet, dass die Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

825

Drittens kann entgegen dem Vorbringen der Republik Bulgarien und Rumäniens nicht davon ausgegangen werden, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine nicht erforderliche Maßnahme eingeführt hat, weil die Verkehrsunternehmen bereits nach Art. 3 Abs. 1 der Verordnung Nr. 1071/2009 verpflichtet waren, über eine tatsächliche Niederlassung im Niederlassungsmitgliedstaat zu verfügen. Zunächst schließt nämlich ein solches Erfordernis nicht aus, dass das betreffende Unternehmen Kabotagebeförderungen in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Niederlassung so durchführen kann, dass sie nicht vorübergehend sind.

826

Soweit Rumänien geltend macht, dass, selbst wenn die Wartezeit sicherstellen solle, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt würden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entstehe, der Anteil der illegalen Kabotage an diesen Beförderungen sehr gering sei, so dass die Einführung restriktiver Maßnahmen, die zu denen hinzukämen, die in der Verordnung Nr. 1072/2009 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung enthalten seien, nicht gerechtfertigt sei, ist darauf hinzuweisen, dass nach der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 6 und 7) die illegale Kabotage, selbst auf relativ geringem Niveau, erhebliche wirtschaftliche Auswirkungen auf den Verkehrssektor hat.

827

Was im Übrigen das Vorbringen Rumäniens betrifft, wonach die in der Ex‑post-Bewertung der Verordnungen Nrn. 1071/2009 und 1072/2009 getroffene Feststellung, dass eine systematische Kabotage stattgefunden habe, auf der Situation eines einzigen Mitgliedstaats beruhe, ist darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 813 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Verordnung Nr. 1072/2009 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung bereits verhindern sollte, dass Kabotagebeförderungen dergestalt durchgeführt werden, dass dadurch eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

828

Diese Beurteilung macht deutlich, dass die in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehenen Anforderungen es für sich genommen nicht erlaubten, die Praxis der systematischen Kabotage zu vermeiden. Daher kann dieses Vorbringen nicht die Erforderlichkeit der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit in Frage stellen, um dieses Ziel zu erreichen.

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055

829

Was die Verhältnismäßigkeit der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit betrifft, ergibt sich aus der in Rn. 266 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, dass, wenn ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der in den Verträgen anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein kann, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union u. a. in Art. 3 Abs. 3 EUV zu berücksichtigen. In einem solchen Fall kann der Unionsgesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz dieser in den Verträgen anerkannten allgemeinen Interessen und übergreifenden Ziele der Union zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen.

830

Unter diesen Umständen konnte der Unionsgesetzgeber im Rahmen seines Ermessens davon ausgehen, dass die Festlegung der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit eine verhältnismäßige Maßnahme ist, um den unerwarteten Folgen abzuhelfen, die sich unter der Geltung der Verordnung Nr. 1072/2009 in ihrer Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 durch das Auftreten von Praktiken systematischer Kabotage ergaben, die dem vorübergehenden Charakter der Kabotage zuwiderlaufen.

831

Insoweit kann erstens dem Vorbringen der Republik Bulgarien und Rumäniens nicht gefolgt werden, wonach diese Wartezeit zu einer Senkung des Liberalisierungsniveaus führen werde, da sie einer Ruhezeit gleichkomme, in der es vier Tage lang nicht möglich sei, mit dem betreffenden Fahrzeug Beförderungen durchzuführen.

832

Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 sieht nämlich lediglich vor, dass am Ende des Zeitraums, in dem Kabotagebeförderungen in einem Aufnahmemitgliedstaat unter den Bedingungen von Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009, der nicht durch die Verordnung 2020/1055 geändert wurde, durchgeführt werden dürfen, während eines Zeitraums von vier Tagen keine Kabotagebeförderungen in demselben Aufnahmemitgliedstaat durchgeführt werden dürfen.

833

Folglich zielt Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, wie der Generalanwalt in Nr. 765 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nicht darauf ab, die Durchführung anderer Beförderungen wie etwa grenzüberschreitender Beförderungen in den Niederlassungsmitgliedstaat oder in andere Mitgliedstaaten, gefolgt gegebenenfalls von Kabotagebeförderungen in diesen anderen Mitgliedstaaten, zu verbieten. Die Verkehrsunternehmer können daher während der Wartezeit weiterhin solche Beförderungen durchführen.

834

Im Übrigen hat der Unionsgesetzgeber, auch wenn er mit Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine zusätzliche Maßnahme in Form der Wartezeit eingeführt hat, beschlossen, gemäß Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009, der durch die Verordnung 2020/1055 nicht geändert wurde, die Möglichkeit aufrechtzuerhalten, bis zu drei Kabotagebeförderungen im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung aus einem anderen Mitgliedstaat oder einem Drittland in den Aufnahmemitgliedstaat innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen durchzuführen. Nach der letztgenannten Bestimmung muss das für solche Kabotagebeförderungen verwendete Fahrzeug das Hoheitsgebiet des betreffenden Aufnahmemitgliedstaats zwingend und in jedem Fall am Ende dieses Zeitraums von sieben Tagen verlassen, bevor es gegebenenfalls nach einer grenzüberschreitenden Beförderung einen neuen Kabotagezyklus im selben Aufnahmemitgliedstaat beginnen kann.

835

Wie der Rat zu Recht ausführt, muss daher in der Praxis ein gewisser Zeitraum für den grenzüberschreitenden Verkehr aufgewendet werden, bevor ein Fahrzeug rechtmäßig in das Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats zurückkehren kann, um einen neuen Kabotagezyklus durchzuführen, wie die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 40) darlegt. Wie sich aus den Zahlenangaben des Rates ergibt, führt die Einführung der Wartezeit jedoch nicht zu einer erheblichen Verringerung der Zahl der Kabotagezeiträume, die in einem Monat durchgeführt werden können.

836

Die Republik Bulgarien macht zwar geltend, dass die Kabotagebeschränkungen für den Luftverkehr im Jahr 1993 aufgehoben worden seien, legt jedoch nicht dar, aus welchen Gründen eine solche Feststellung im vorliegenden Fall für den Straßenverkehrssektor relevant sein soll, obwohl die jeweilige Lage der in den verschiedenen Verkehrssektoren tätigen Unternehmen nicht miteinander vergleichbar ist. Der Gerichtshof hat nämlich entschieden, dass die einzelnen Beförderungsformen unter Berücksichtigung ihrer Funktionsweise, ihrer Zugänglichkeit und der Aufteilung ihrer Netze hinsichtlich ihrer Nutzungsbedingungen nicht austauschbar sind (Urteil vom 26. September 2013, ÖBB-Personenverkehr, C‑509/11, EU:C:2013:613, Rn. 47 und die dort angeführte Rechtsprechung).

837

Zu dem Argument, dass nur Gesetzesänderungen im Sinne einer weiteren Liberalisierung zulässig seien, genügt der Hinweis, dass sich aus der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 2/2, S. 40 und 47) ergibt, dass die Aufhebung aller Kabotagebeschränkungen mit der Begründung abgelehnt wurde, dass die sozialen und wirtschaftlichen Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten die Öffnung der Kabotagemärkte ausschlössen und dieser Maßnahme die notwendige politische Unterstützung nähmen.

838

Was zweitens das Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumäniens und der Republik Polen betrifft, dass sich die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmen, überwiegend KMU, die in den Mitgliedstaaten ansässig seien, die sich nach Ansicht dieser klagenden Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ und in den Mitgliedstaaten mit geringer Fläche befänden, aufgrund eines Anstiegs der Betriebskosten infolge der Wartezeit sowie einer damit einhergehenden Senkung des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in diesen Mitgliedstaaten erheblich verschlechtere, ist darauf hinzuweisen, dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit den Verkehrsunternehmen, die sie einhalten müssen, zusätzliche Kosten verursachen kann. Der Umstand, dass eine vom Unionsgesetzgeber eingeführte Verpflichtung für die Verkehrsunternehmen, die sie zu tragen haben, bestimmte Kosten verursachen kann, stellt jedoch für sich genommen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, sofern diese Kosten nicht offensichtlich unverhältnismäßig zum verfolgten Ziel sind.

839

Als Erstes ist jedoch, soweit sich solche Folgen aus einer angeblichen Verringerung der Kabotagetätigkeiten bis zu 31 % bis 2035 ergeben sollen, darauf hinzuweisen, dass sich diese Schätzung, wie in Rn. 822 des vorliegenden Urteils festgestellt, auf eine Maßnahme bezieht, die darauf abzielt, den Zeitraum zu begrenzen, in dem Kabotagebeförderungen durchgeführt werden können, während ihr der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine alternative Maßnahme vorgezogen hat.

840

Als Zweites haben zwar, wie die Republik Bulgarien und Rumänien geltend machen, die an der Folgenabschätzung beteiligten Verkehrsunternehmen darauf hingewiesen, dass die Einführung einer Maßnahme wie der Wartezeit für sie insbesondere aufgrund einer daraus folgenden Erhöhung ihrer Gemeinkosten erhebliche Kosten verursachen würde (Folgenabschätzung – Teil Niederlassung, Teil 2/2, S. 48). Die mit dieser Maßnahme verbundenen Kosten sind jedoch zumindest unter Berücksichtigung zum einen der Bedeutung der Kabotagebeförderungen für die Verkehrsunternehmer und zum anderen des Anteils der Gemeinkosten an den von einem Verkehrsunternehmen getragenen Kosten zu beurteilen. In der zur Stützung der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung durchgeführten Studie mit dem Titel „Studie zur Stützung der Folgenabschätzung für die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009, Abschlussbericht“ wird auf S. 143 darauf hingewiesen, dass die Kabotage nur einen geringen Teil der Kraftverkehrstätigkeiten ausmacht, so dass die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Verkehrsunternehmen im Allgemeinen umso begrenzter sein werden.

841

Darüber hinaus wurde im Rahmen der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 37) die Auffassung vertreten, dass die Maßnahme 8, die darin bestand, den Verweis auf die Höchstzahl der Kabotagebeförderungen, die in einem Aufnahmemitgliedstaat während ein und desselben Zyklus durchgeführt werden können, zu streichen und den Zeitraum, in dem diese Kabotagebeförderungen in diesem Mitgliedstaat durchgeführt werden können, von sieben auf vier Tage zu verkürzen, im Durchschnitt zu einer Erhöhung der Gemeinkosten der Verkehrsunternehmen um etwa 3,5 % führen würde.

842

Jedenfalls kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 unterschiedliche Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen hat, je nachdem, in welchem Mitgliedstaat diese Unternehmen niedergelassen sind, doch müssen die etwaigen negativen Auswirkungen, die sich daraus hinsichtlich der Belastungen für bestimmte Unternehmen ergeben können, gegen die positiven Auswirkungen abgewogen werden, die sich im Hinblick auf die Aufrechterhaltung gleicher Wettbewerbsbedingungen aus einer Maßnahme zur Bekämpfung von Praktiken ergeben, die unter Missachtung des vorübergehenden Charakters der Kabotage in der Ausübung dauerhafter oder ununterbrochener Kabotagetätigkeiten in ein und demselben Aufnahmemitgliedstaat besteht.

843

Als Drittes ist dem Vorbringen zu den Kosten im Zusammenhang mit verlorenen Betriebstagen oder zur Erhöhung der Leerfahrten nicht zu folgen, da, wie in Rn. 833 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht bezweckt, während der Wartezeit die Durchführung jeder Beförderung zu verbieten. Die Fahrzeuge, die einen ersten Kabotagezyklus in einem Mitgliedstaat abgeschlossen haben, können nämlich während dieser Zeit grenzüberschreitende Beförderungen entweder in den Niederlassungsmitgliedstaat oder in andere Mitgliedstaaten, gefolgt gegebenenfalls von Kabotagebeförderungen in diesen anderen Mitgliedstaaten, durchführen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung nicht verlangt, dass die Fahrzeuge während dieses Zeitraums zur Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens zurückkehren, was zur Zurückweisung des Vorbringens der Republik Malta führt, wonach die internationalen Verkehrsunternehmer dieses Mitgliedstaats nicht wirtschaftlich lebensfähig seien, weil sie verpflichtet seien, während der Wartezeit ihre Fahrzeuge auf dem Seeweg in diesen Mitgliedstaat zurückkehren zu lassen.

844

Die Schätzungen, auf die sich Rumänien im Zusammenhang mit den Folgen der mit dem ersten Mobilitätspaket insgesamt eingeführten neuen Vorschriften beruft, zu denen die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge nach Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, gehört, sind für die Beurteilung der spezifischen Folgen von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 wegen des unterschiedlichen Gegenstands dieser beiden Bestimmungen nicht relevant. Gleiches gilt für die von der Republik Bulgarien angeführte Bewertung, wonach jeder Tag der Ruhezeit die belgischen Verkehrsunternehmer bis zu 24 Mio. Euro pro Jahr kosten könnte. Abgesehen davon, dass diese Bewertung auf einer von der Fachpresse zitierten Analyse beruht, die dem Gerichtshof nicht vorgelegt wurde, beruht sie nämlich auf der falschen Prämisse, dass das Fahrzeug während der Wartezeit stehen bleiben müsse, ohne für andere Beförderungen als Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat verwendet werden zu können.

845

Als Viertes sind die Argumente zum Anstieg der Betriebskosten der Verkehrsunternehmen aus denselben Gründen wie die Argumente zum Anstieg des Warenpreises, die die Republik Polen vorträgt, zurückzuweisen. Zwar wurde in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung die Annahme einer Übertragung des Anstiegs der Betriebskosten auf den Warenpreis für wahrscheinlich erachtet, gleichzeitig aber klargestellt, dass die Auswirkungen der betreffenden Maßnahmen äußerst begrenzt seien, da der Transport nur einen geringen Teil des Warenpreises ausmache (Teil 1/2, S. 49).

846

Als Fünftes genügt zu den Argumenten, die sich auf die Auswirkungen der Wartezeit auf die Beschäftigung beziehen, der Hinweis, dass die zur Stützung der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung durchgeführte Studie mit dem Titel „Studie zur Stützung der Folgenabschätzung für die Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009, Abschlussbericht“ auf S. 143 darauf hinweist, dass die erheblichen Verringerungen der Kabotagetätigkeiten aufgrund einer Maßnahme, die den in Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehenen Zeitraum von sieben Tagen auf vier oder fünf Tage verkürze, in deren Verlauf Kabotagebeförderungen erlaubt seien, keine nennenswerten Auswirkungen auf das Gesamtbeschäftigungsniveau im Verkehrssektor haben dürften, insbesondere weil die Kabotage, wie in Rn. 840 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nur einen geringen Teil der Kraftverkehrstätigkeiten ausmacht.

847

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien und die Republik Polen haben jedoch nichts vorgetragen, was die Relevanz der Schlussfolgerungen dieser Studie für die vom Unionsgesetzgeber in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Maßnahme in Zweifel ziehen könnte.

848

Als Sechstes ist auch das Vorbringen zurückzuweisen, das darauf gestützt wird, dass, wie sich aus der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 2/2, S. 48) ergebe, die Attraktivität der systematischen Kabotage jedenfalls im Fall des Erlasses wirksamerer Vorschriften für die Entsendung von Kraftfahrern im Rahmen der Richtlinie 2020/1057 abnehmen würde. Das mit dieser Richtlinie verfolgte Ziel besteht nämlich, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 7 ergibt, darin, besondere Vorschriften für die Bestimmung des Mitgliedstaats vorzusehen, dessen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen den Fahrern des Straßenverkehrs garantiert sind, die die Besonderheiten der hohen Mobilität der Arbeitnehmer in diesem Sektor berücksichtigen und die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für diese Kraftfahrer und der Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch in- und ausländische Verkehrsunternehmen auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs herstellen.

849

Folglich kann nicht allein auf der Grundlage der mittelbaren und begrenzten Folgen, die sich aus Maßnahmen mit anderen Zielen ergeben, wie die mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgten und in deren Erwägungsgründen 3 und 7 genannten, geltend gemacht werden, dass der Unionsgesetzgeber das weite Ermessen, über das er im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, offensichtlich überschritten hat, indem er sich dafür entschieden hat, in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine Maßnahme zu erlassen, mit der sichergestellt werden soll, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

850

Was drittens das Vorbringen der Republik Litauen, Rumäniens und der Republik Polen betrifft, wonach Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 den Binnenmarkt fragmentiere und die Absatzmöglichkeiten der Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten, die als „Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union“ eingestuft würden, und in Mitgliedstaaten mit geringer Fläche im Vergleich zu einer anderen Gruppe von Mitgliedstaaten beschränke, die je nach Fall als „Mitgliedstaaten im Zentrum der Union“ oder als „Mitgliedstaaten im westlichen Teil der Union“ eingestuft würden, ist festzustellen, dass die Folgen der Wartezeit für die Verkehrsunternehmen größer sein können, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, die sich für ein Geschäftsmodell entschieden haben, das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, im Rahmen von Kabotagebeförderungen zu erbringen, die ungeachtet des vorübergehenden Charakters der Kabotage dauerhaft oder ununterbrochen im Hoheitsgebiet desselben Aufnahmemitgliedstaats durchgeführt werden.

851

Zum einen zielt nämlich, wie sich aus Rn. 843 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht darauf ab, eine Rückkehr des Fahrzeugs zur Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens vorzuschreiben. Die möglichen Auswirkungen der Wartezeit hängen daher nicht von den geografischen Merkmalen des Niederlassungsmitgliedstaats ab.

852

Zum anderen verbietet diese Bestimmung, wie in den Rn. 832 und 833 des vorliegenden Urteils ausgeführt, während der Wartezeit nur die Durchführung von Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat, steht aber nicht der Durchführung anderer Beförderungen, insbesondere der Kabotage in einem anderen Aufnahmemitgliedstaat, entgegen.

853

Selbst wenn das in Rn. 850 des vorliegenden Urteils dargestellte Geschäftsmodell im Wesentlichen von Verkehrsunternehmen gewählt werden sollte, die in bestimmten Mitgliedstaaten niedergelassen sind, ergibt sich jedenfalls aus der in Rn. 246 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs, dass dann, wenn der betreffende Unionsrechtsakt Auswirkungen in allen Mitgliedstaaten hat und die Wahrung eines Gleichgewichts zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen unter Berücksichtigung der mit diesem Rechtsakt verfolgten Ziele voraussetzt, der Versuch, ein solches Gleichgewicht herzustellen, indem die Situation aller Mitgliedstaaten berücksichtigt wird, für sich genommen nicht als Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angesehen werden kann.

854

Im Übrigen ergibt sich aus der in Rn. 267 des vorliegenden Urteils angeführten ständigen Rechtsprechung, dass der Unionsgesetzgeber unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarkts, berechtigt ist, einen Rechtsakt anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um, durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, u. a. einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten.

855

Im vorliegenden Fall wollte der Unionsgesetzgeber, indem er die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit vorschreibt, gerade ein neues Gleichgewicht unter Berücksichtigung der Interessen der verschiedenen Verkehrsunternehmen herstellen, indem er, ohne jedoch das vorherige Niveau der Liberalisierung des Verkehrsmarkts in Frage zu stellen, die Schwierigkeiten behoben hat, die bei der Anwendung der Verordnung Nr. 1072/2009 aufgrund von Praktiken aufgetreten sind, die dem vorübergehenden Charakter der Kabotage zuwiderlaufen, die darin bestehen, dauerhafte oder ununterbrochene Kabotagetätigkeiten in ein und demselben Aufnahmemitgliedstaat zu entwickeln.

856

Viertens überschneidet sich das Vorbringen zu den angeblich nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt, die sich aus der Wartezeit ergeben sollen, mit dem Vorbringen der Republik Litauen zu ihrem ersten Klagegrund, der Republik Bulgarien zu beiden Teilen ihres ersten Klagegrundes, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und der Republik Polen zu ihrem allen angefochtenen Bestimmungen dieser Verordnung gemeinsamen Klagegrund, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung gerichtet ist, so dass es in diesem Zusammenhang zu prüfen sein wird.

857

Was fünftens das auf die Covid‑19-Pandemie gestützte Vorbringen Rumäniens betrifft, genügt der Hinweis, dass es dem Unionsgesetzgeber nicht oblag, die Auswirkungen dieser Pandemie im Rahmen der Verordnung 2020/1055 zu beseitigen, die darauf abzielt, die gemeinsamen Regeln zum einen für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zum anderen für den Zugang zum Markt des grenzüberschreitenden Güterkraftverkehrs an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor anzupassen, zumal andere spezifische Rechtsakte ein solches Ziel hatten, wie im Bereich des Verkehrs die Verordnung 2020/698. Die Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie sind daher für die Beurteilung der Vereinbarkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 mit den sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergebenden Anforderungen unerheblich.

858

Nach alledem ist festzustellen, dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit keine Nachteile mit sich bringt, die offensichtlich unverhältnismäßig zu dem mit dieser Bestimmung verfolgten Ziel sind, sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in ein und demselben Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

859

Folglich sind der fünfte Klagegrund der Republik Litauen, der zweite Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Bulgarien, der zweite Teil des ersten Klagegrundes Rumäniens, der zweite Klagegrund der Republik Malta und der erste Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

860

Die Republik Litauen, mit dem zweiten Teil ihres zweiten Klagegrundes, Rumänien, mit seinem dritten Klagegrund, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und die Republik Malta mit ihrem dritten Klagegrund machen geltend, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem in Art. 18 AEUV vorgesehenen Diskriminierungsverbot ergäben. Die Republik Malta trägt auch einen Verstoß gegen die Art. 20 und 21 der Charta vor.

861

Erstens machen diese drei Mitgliedstaaten geltend, dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstoße, da er zu einer Diskriminierung von zum einen Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union mit geringer Fläche oder Mitgliedstaaten, die sich durch ihren Inselcharakter auszeichneten, und zum anderen denjenigen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im zentralen oder westlichen Teil der Union führe.

862

Die Republik Litauen macht geltend, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 die Ausübung der Freiheiten des Binnenmarkts behindere und zugleich zu einer mittelbaren Diskriminierung der Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und mit geringer Fläche führe. Aufgrund von Faktoren, die dem zentralen und westlichen Teil der Union eigen seien, wie z. B. einer großen Bevölkerungskonzentration oder einem weiter entwickelten Industriesektor, bestünden die Verkehrsbedürfnisse vor allem in diesem Teil der Union. Aufgrund der Wartezeit würden Unternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und in denjenigen mit geringer Fläche von der Erbringung von Verkehrsdienstleistungen auf den gewinnbringendsten Märkten abgeschreckt.

863

Rumänien macht geltend, dass Fahrzeuge, die in den Mitgliedstaaten zugelassen seien, die der Union ab dem 1. Mai 2004 beigetreten seien, bei den meisten grenzüberschreitenden Beförderungen, einschließlich Kabotagebeförderungen, verwendet würden, während die in anderen Mitgliedstaaten ansässigen Verkehrsunternehmen überwiegend im innerstaatlichen Güterverkehr tätig seien, so dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Maßnahme die Verkehrsunternehmen in der Union ungleich betreffe.

864

Insbesondere komme den Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im zentralen oder westlichen Teil der Union, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführten, aufgrund der geringeren Entfernungen zu den Mitgliedstaaten, in denen die Be- und Entladung stattfinde, ein geografischer Vorteil zugute. Folglich würden diese Unternehmen durch die Einführung der für Kabotagebeförderungen geltenden Beschränkungen nicht erheblich beeinträchtigt.

865

Außerdem müssten bei der Bewertung der Auswirkungen der Verordnung 2020/1055 auf den Beförderungsmarkt, insbesondere der Wartezeit, die anderen Elemente des ersten Mobilitätspakets berücksichtigt werden. Eine Gesamtbewertung mache den diskriminierenden Charakter der Regelung deutlich, die im Wesentlichen die Verkehrsunternehmer mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union treffe.

866

Die Republik Malta führt aus, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung verstoße, da die in dieser Bestimmung vorgesehene Wartezeit ohne jede objektive Rechtfertigung unterschiedliche Sachverhalte gleichbehandele. Aufgrund des Inselcharakters Maltas und seiner geografischen Lage beabsichtigten die maltesischen Verkehrsunternehmen in keiner Weise, die Rückkehr ihrer Fahrzeuge nach Malta im Anschluss an drei Kabotagebeförderungen in einem Aufnahmemitgliedstaat im Anschluss an eine grenzüberschreitende Beförderung in diesen Mitgliedstaat zu organisieren. Die Wartezeit zwinge sie daher, ihre Fahrzeuge in einen anderen Mitgliedstaat zu fahren oder ihre Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat bis zum Ablauf dieses Zeitraums auszusetzen.

867

Im Übrigen weist die Republik Malta darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber bei der Ausübung seiner Befugnisse zwar über ein weites Ermessen verfügen müsse, wenn er mit komplexen wirtschaftlichen oder technischen Entscheidungen konfrontiert sei. Eine Maßnahme wie die Wartezeit weise jedoch keine besondere Komplexität auf. Sie stelle eine für alle Mitgliedstaaten geltende allgemeine Regel dar, die darauf abziele, die geografischen Besonderheiten eines bestimmten Mitgliedstaats außer Acht zu lassen. Eine solche Regelung führe dazu, dass ein Mitgliedstaat, der bekanntermaßen daran gehindert sei, die Wartezeit einzuhalten, wegen seiner besonderen Verkehrsinfrastruktur, der Mechanismen des Zugangs zu ausländischen Waren und seiner einzigartigen geografischen Merkmale diskriminiert würde.

868

In Bezug auf die eigentliche Wartezeit ist die Republik Malta der Ansicht, dass die Ziele des Gesundheits- oder Umweltschutzes eines Gesetzgebungsakts nicht gegen die sozioökonomischen Auswirkungen dieses Rechtsakts in den verschiedenen Mitgliedstaaten abgewogen werden müssten, sondern die positiven sozioökonomischen Auswirkungen, die dieser Rechtsakt für die große Mehrheit der auf dem Festland gelegenen Mitgliedstaaten mit sich bringe, gegen die nachteiligen Auswirkungen, die er auf die Umwelt für die gesamte Union habe, und seine nachteiligen sozioökonomischen Auswirkungen für die Minderheit der an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten abzuwägen seien. Insoweit sei es offensichtlich falsch, die in einem Inselmitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmen genauso zu behandeln wie die Unternehmen, die für die Durchführung ihrer Beförderungstätigkeiten nicht auf einen Seeabschnitt angewiesen sind.

869

Nach Ansicht der Republik Litauen und Rumäniens führt die Wartezeit zu einer künstlichen Umverteilung des Güterkraftverkehrsmarkts und zu einer Beschränkung der Absatzmöglichkeiten der Verkehrsunternehmer in anderen Mitgliedstaaten. Diese protektionistische und restriktive Maßnahme schaffe ein Hindernis für den Eintritt in externe Märkte für die gebietsfremden Verkehrsunternehmer, die im Wesentlichen aus den an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten und denjenigen mit geringer Fläche stammten.

870

Zweitens machen die Republik Litauen, Rumänien und die Republik Malta geltend, die Wartezeit verstoße gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten, da sich die Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union, diejenigen mit geringer Fläche oder Mitgliedstaaten, die sich durch ihren Inselcharakter auszeichneten, in einer deutlich ungünstigeren Lage befänden. Insoweit macht die Republik Litauen insbesondere einen Verstoß gegen Art. 4 Abs. 2 EUV geltend.

871

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

872

Im vorliegenden Fall steht fest, dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Maßnahme, soweit sie die Verkehrsunternehmen verpflichtet, eine Wartezeit zwischen zwei Kabotagezyklen im selben Mitgliedstaat einzuhalten, unterschiedslos für alle Verkehrsunternehmen gilt, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, so dass sie keine nach dem Unionsrecht verbotene unmittelbare Diskriminierung enthält.

873

Daher ist im Einklang mit der in den Rn. 308 bis 310 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob diese Bestimmung in ungerechtfertigter Weise eine identische Vorschrift auf unterschiedliche Sachverhalte anwendet, insbesondere im Licht des mit ihr verfolgten Ziels, und daher eine nach dem Unionsrecht verbotene mittelbare Diskriminierung darstellt, da sie, wie die Republik Litauen, Rumänien und die Republik Malta im Wesentlichen geltend machen, schon ihrer Natur nach geeignet sei, sich auf die in den Mitgliedstaaten, die nach Ansicht dieser klagenden Mitgliedstaaten „an der Peripherie der Union“ gelegen sind, mit geringer Fläche oder Mitgliedstaaten, die sich durch ihren Inselcharakter auszeichneten, niedergelassenen Verkehrsunternehmen sowie auf diese besondere Gruppe von Mitgliedstaaten im Vergleich zu den anderen Verkehrsunternehmen und den anderen Mitgliedstaaten stärker auszuwirken.

874

Was erstens das Vorliegen einer Diskriminierung zwischen den Verkehrsunternehmen mit Sitz zum einen in Mitgliedstaaten „an der Peripherie der Union“, mit geringer Fläche oder solchen, die sich durch ihren Inselcharakter auszeichneten, und zum anderen denjenigen mit Sitz in den Mitgliedstaaten im „zentralen oder westlichen Teil der Union“ betrifft, ist festzustellen, dass entgegen der Prämisse, auf der das Vorbringen Rumäniens und der Republik Malta beruht, und wie sich aus den Rn. 833 und 843 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 das Verkehrsunternehmen nicht verpflichtet, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat es niedergelassen ist, das Fahrzeug während der Wartezeit zur Betriebsstätte dieses Unternehmens zurückzubringen. Außerdem nimmt diese Wartezeit den Verkehrsunternehmen unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, nicht die Möglichkeit, während dieser Tätigkeit Beförderungen einschließlich Kabotagetätigkeiten fortzusetzen, sofern diese nicht im selben Aufnahmemitgliedstaat durchgeführt werden.

875

Daher kann nicht geltend gemacht werden, dass die Wartezeit zur Folge hat, dass bestimmte Verkehrsunternehmen aufgrund der geografischen Merkmale des Mitgliedstaats, in dem sie niedergelassen sind, insbesondere wegen ihrer Lokalisierung, laut diesen klagenden Mitgliedstaaten, „an der Peripherie der Union“, ihrer Fläche oder ihres Inselcharakters, in eine andere Lage versetzt werden als die Unternehmen, die in den Mitgliedstaaten im „zentralen oder westlichen Teil“ der Union ansässig sind.

876

Die behauptete unterschiedliche Auswirkung der Wartezeit auf die Verkehrsunternehmen je nach ihrem Sitz in der Union beruht nicht auf dem angeblich diskriminierenden Charakter der vom Unionsgesetzgeber in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 aufgestellten Regel, sondern, wie in Rn. 850 des vorliegenden Urteils ausgeführt, auf dem Geschäftsmodell, für das sich Verkehrsunternehmen unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie ansässig sind, entschieden haben und das darin besteht, ihre Dienstleistungen im Wesentlichen, wenn nicht vollständig, im Rahmen von Kabotagebeförderungen zu erbringen, die dauerhaft oder ununterbrochen im Hoheitsgebiet desselben Aufnahmemitgliedstaats durchgeführt werden.

877

Im Übrigen ist hinzuzufügen, dass zum einen, wie der Generalanwalt in den Nrn. 618 und 796 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, nur diejenigen Verkehrsunternehmen von der Wartezeit besonders betroffen sein werden, die ihre Tätigkeit unter Missachtung des bereits in der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehenen vorübergehenden Charakters der Kabotage ausüben. Das mit Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 verfolgte Ziel besteht jedoch gerade, wie im 21. Erwägungsgrund dieser Verordnung dargelegt, darin, sicherzustellen, dass Kabotagebeförderungen nicht so durchgeführt werden, dass eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit im Aufnahmemitgliedstaat entsteht.

878

Zum anderen können die Auswirkungen von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 auf die Verkehrsunternehmen zwar je nach dem Anteil der Kabotagebeförderungen an der Gesamtheit der Tätigkeiten dieser Unternehmen unterschiedlich ausfallen und eine höhere Belastung für diejenigen Unternehmen darstellen, die sich unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, für das in den Rn. 850 und 876 des vorliegenden Urteils genannte Geschäftsmodell entschieden haben, als für diejenigen, die nur wenige Beförderungstätigkeiten dieser Art ausüben und auf die dieser Zeitraum weniger Einfluss hat.

879

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 829 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, wenn ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, der Unionsgesetzgeber im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der in den Verträgen anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, berechtigt ist, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union u. a. in Art. 3 Abs. 3 EUV für die Errichtung eines Binnenmarkts zu berücksichtigen. In einem solchen Fall kann dieser Gesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz dieser allgemeinen Interessen und übergreifenden Ziele zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen.

880

Im vorliegenden Fall hat der Unionsgesetzgeber keineswegs eine Diskriminierung zwischen Verkehrsunternehmen eingeführt, sondern mit dem Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 den unerwarteten Folgen abhelfen wollen, die sich unter der Geltung der Verordnung Nr. 1072/2009 in ihrer Fassung vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 durch das Auftreten von Praktiken systematischer Kabotage ergaben, die dem vorübergehenden Charakter der Kabotage zuwiderlaufen.

881

Wie in Rn. 322 des vorliegenden Urteils dargelegt, kann eine Bestimmung des Unionsrechts daher als solche nicht allein deshalb als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot angesehen werden, weil sie für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Folgen hat, wenn diese Situation die Folge unterschiedlicher Bedingungen für den Betrieb ist, unter denen sie stehen, und nicht die Folge einer rechtlichen Ungleichheit, die der angefochtenen Bestimmung inhärent wäre.

882

Die vorstehenden Feststellungen können zunächst nicht durch das Vorbringen der Republik Litauen und Rumäniens in Frage gestellt werden, wonach die Wartezeit den Güterkraftverkehrsmarkt künstlich umverteile und die Absatzmöglichkeiten der in den Mitgliedstaaten, die sich nach Ansicht dieser klagenden Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union befänden, sowie der in den Mitgliedstaaten mit geringer Fläche niedergelassenen Verkehrsunternehmer beschränke, so dass sie diese Unternehmen de facto in eine andere Lage versetze als die Unternehmen, die in den Mitgliedstaaten ansässig seien, die im „zentralen oder westlichen Teil der Union“ ansässig seien.

883

Dieses Vorbringen beruht nämlich im Wesentlichen auf der Erwägung, dass zum einen die Verkehrsbedürfnisse nach Ansicht dieser klagenden Mitgliedstaaten vor allem im „zentralen und westlichen Teil der Union“ bestünden und dass zum anderen die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ und in den Mitgliedstaaten mit geringer Fläche den größten Teil der Kabotagebeförderungen der Union durchführten, während die in den anderen Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmen hauptsächlich Beförderungen innerhalb ihres eigenen Mitgliedstaats durchführten.

884

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass ein etwaiger Unterschied zwischen den Verkehrsunternehmen je nach ihrem Niederlassungsmitgliedstaat sich jedenfalls aus der unterschiedlichen Art der durchgeführten Beförderungen ergibt, die in Art. 91 Abs. 1 Buchst. b AEUV zum Ausdruck kommt, woraus hervorgeht, dass Kabotagebeförderungen, d. h. solche, die innerhalb eines Mitgliedstaats von einem nicht in diesem Staat niedergelassenen Verkehrsunternehmer durchgeführt werden, von rein inländischen Beförderungen zu unterscheiden sind, d. h. solchen, die innerhalb eines Mitgliedstaats von einem in diesem Staat niedergelassenen Verkehrsunternehmer durchgeführt werden.

885

Es kann daher nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstoßen, wenn Beförderungen, die in einem bestimmten Mitgliedstaat durchgeführt werden, unterschiedlichen Vorschriften unterliegen, wenn sie unterschiedliche Vorgänge darstellen, im vorliegenden Fall je nachdem, ob es sich um Kabotage oder rein inländische Beförderungen handelt.

886

Zum Vorbringen der Republik Malta, die Wartezeit verpflichte die maltesischen Verkehrsunternehmer nach Ablauf eines Kabotagezeitraums, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben oder ihre Tätigkeiten während der Wartezeit auszusetzen, ist zum einen festzustellen, dass sich die Notwendigkeit, sich in einen anderen Mitgliedstaat zu begeben, bereits aus Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 ergab, da nach dieser Bestimmung, die durch die Verordnung 2020/1055 nicht geändert wurde, das Fahrzeug das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nach einem ersten Kabotagezyklus verlassen muss, bevor es gegebenenfalls im Anschluss an eine neue grenzüberschreitende Beförderung in diesen Mitgliedstaat einen neuen Kabotagezyklus in diesem Mitgliedstaat beginnen kann.

887

Zum anderen verlangt die Einhaltung der Wartezeit, wie in Rn. 874 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht, dass das betreffende Verkehrsunternehmen jede Beförderungstätigkeit einstellt. Sie hindert dieses Unternehmen nämlich nicht daran, im selben Aufnahmemitgliedstaat nach einem ersten Kabotagezyklus andere Beförderungen als Kabotagebeförderungen in diesem Aufnahmemitgliedstaat durchzuführen. Somit beruht das Vorbringen der Republik Malta in Wirklichkeit auf der Prämisse, dass die betreffenden Verkehrsunternehmen ohne Wartezeit weiterhin solche Kabotagebeförderungen in demselben Mitgliedstaat durchführten. Diese Wartezeit wurde aber gerade eingeführt, um diese Tätigkeiten, die im selben Aufnahmemitgliedstaat dauerhaft oder ununterbrochen ausgeübt werden, zu verhindern.

888

Was zweitens das Vorbringen der Republik Litauen, Rumäniens und der Republik Malta betrifft, dass ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot und den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vorliege, so ist dieses aus denselben Gründen wie den soeben dargelegten zurückzuweisen, da es im Wesentlichen auf den mittelbaren Folgen beruht, die sich aus der behaupteten Diskriminierung zwischen den in der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen ergeben sollen. Gleiches gilt im Übrigen für den von der Republik Litauen geltend gemachten Verstoß gegen den in Art. 4 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen, da dieser Mitgliedstaat keine gesonderte Argumentation auf der Grundlage dieser Bestimmung geltend macht.

889

Selbst wenn man unterstellt, dass einige Mitgliedstaaten trotz ihrer unterschiedslosen Anwendbarkeit von dieser Bestimmung mittelbar mehr als andere betroffen wären, genügt im Übrigen der Hinweis, dass nach der in Rn. 332 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ein Rechtsakt der Union, der dazu bestimmt ist, die Normen der Mitgliedstaaten einander anzugleichen, sofern er in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gilt, nicht als diskriminierend angesehen werden kann, da eine solche Harmonisierungsmaßnahme zwangsläufig je nach dem bisherigen Stand der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken unterschiedliche Auswirkungen zeitigt.

890

Diese Erwägungen können nicht durch das Vorbringen Rumäniens in Frage gestellt werden, dass sich aus der Gesamtheit der Bestimmungen des „Mobilitätspakets“, das Gegenstand der drei Klagen dieses Mitgliedstaats in den Rechtssachen C‑546/20 bis C‑548/20 sei, eine allgemeine diskriminierende Wirkung ergebe. Rumänien hat nämlich in der Rechtssache C‑547/20 nicht dargetan, dass sich aus Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine Diskriminierung ergebe. Im Übrigen sind die Argumente dieses Mitgliedstaats gegen die Verordnung 2020/1054 und die Richtlinie 2020/1057 im Rahmen der Klagegründe und Argumente zu prüfen, die im Kontext der Klagen in den Rechtssachen C‑546/20 und C‑548/20 auf vollständige oder teilweise Nichtigerklärung dieser Unionsrechtsakte gerichtet sind.

891

Folglich sind der zweite Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen, der dritte Klagegrund Rumäniens, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und der dritte Klagegrund der Republik Malta als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

892

Die Republik Bulgarien macht mit ihrem vierten Klagegrund, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Bestimmung gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV verstoßen habe.

893

Dieser Art. 91 Abs. 1, der die Rechtsgrundlage dieser Verordnung darstelle, verlange vom Unionsgesetzgeber, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des EWSA und des AdR zu entscheiden. Die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit sei im Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ nicht enthalten gewesen, so dass sie von diesen Ausschüssen vor Abgabe ihrer jeweiligen Stellungnahmen am 18. Januar und 1. Februar 2018 nicht habe geprüft werden können. Der Gesetzgeber habe dadurch, dass er diese Ausschüsse nicht später zu der wesentlichen Änderung dieses Vorschlags konsultiert habe, gegen diesen Art. 91 Abs. 1 verstoßen.

894

Die Republik Bulgarien weist darauf hin, dass sich der Gerichtshof zur Anhörungspflicht im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu einer Zeit geäußert habe, als das Parlament, ohne Mitgesetzgeber zu sein, wie der EWSA und der AdR heute eine beratende Rolle gespielt habe. Er habe entschieden, dass das Erfordernis der Anhörung des Parlaments die Durchführung einer erneuten Anhörung immer dann einschließe, wenn der endgültig verabschiedete Wortlaut als Ganzes gesehen in seinem Wesen von demjenigen abweiche, zu dem das Parlament bereits angehört worden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat, C‑65/90, EU:C:1992:325, Rn. 16).

895

Da diese beratende Rolle nunmehr nach Art. 91 Abs. 1 AEUV stets vom EWSA und vom AdR wahrgenommen werde, gelte die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung entsprechend für die Verpflichtung zur Anhörung dieser beiden Ausschüsse. Folglich hätten sie im vorliegenden Fall zu der wesentlichen Änderung, die in der Einführung der Wartezeit bestanden habe, erneut angehört werden müssen.

896

Es treffe nicht zu, wie das Parlament behaupte, dass es keinen Präzedenzfall für eine zweite Anhörung der Ausschüsse im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gebe. Beispielsweise sei im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU (COM[2018] 51 final) eine ergänzende Bestimmung in die Rechtsgrundlage des betreffenden Rechtsakts aufgenommen worden, was den Unionsgesetzgeber dazu veranlasst hätte, eine zweite Anhörung des EWSA zu beschließen.

897

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

898

Art. 91 Abs. 1 AEUV sieht vor, dass zur Durchführung von Art. 90 AEUV das Parlament und der Rat unter Berücksichtigung der Besonderheiten des Verkehrs gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des EWSA sowie des AdR u. a. für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festlegen werden.

899

Es ist festzustellen, dass aus dieser Bestimmung nicht hervorgeht, dass der EWSA und der AdR im Fall einer geplanten Änderung eines Vorschlags für einen Gesetzgebungsakt erneut anzuhören wären.

900

Die Republik Bulgarien macht jedoch geltend, die Pflicht zur Anhörung des EWSA und des AdR ergebe sich im vorliegenden Fall aus der entsprechenden Anwendung der Rechtsprechung des Gerichtshofs aus dem Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat (C‑65/90, EU:C:1992:325), in dem die Bedeutung der beratenden Rolle, die das Parlament damals im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens wahrgenommen habe, präzisiert worden sei.

901

Nach dieser Rechtsprechung schließt die Pflicht zur Anhörung des Parlaments im Gesetzgebungsverfahren in den vom Vertrag vorgesehenen Fällen das Erfordernis einer erneuten Anhörung dieses Organs immer dann ein, wenn der endgültig verabschiedete Wortlaut als Ganzes gesehen in seinem Wesen von demjenigen abweicht, zu dem das Parlament bereits angehört worden war, es sei denn, die Änderungen entsprechen im Wesentlichen einem vom Parlament selbst geäußerten Wunsch (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat, C‑65/90, EU:C:1992:325, Rn. 16 und die dort angeführte Rechtsprechung). Dieses Erfordernis einer ordnungsgemäßen Anhörung des Parlaments stellt eine wesentliche Formvorschrift dar, deren Nichtbeachtung die Nichtigkeit der betreffenden Handlung zur Folge hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 5. Juli 1995, Parlament/Rat, C‑21/94, EU:C:1995:220, Rn. 17).

902

Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 durch die Einführung der Wartezeit eine wesentliche Änderung des Vorschlags für eine „Niederlassungsverordnung“ darstellt, ist jedoch, wie das Parlament und der Rat geltend machen, festzustellen, dass die in den Rn. 900 und 901 des vorliegenden Urteils angeführte Rechtsprechung nicht auf die in Art. 91 Abs. 1 AEUV vorgesehene Pflicht zur Anhörung des EWSA und des AdR übertragbar ist.

903

Bei der Einstufung des Erfordernisses einer erneuten Anhörung des Parlaments als wesentliche Formvorschrift hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass sich dieses Erfordernis daraus ergibt, dass die wirksame Beteiligung des Parlaments am Gesetzgebungsverfahren ein wesentliches Element des vom Vertrag gewollten institutionellen Gleichgewichts darstellt und dass diese Befugnis Ausdruck des grundlegenden demokratischen Prinzips ist, dass die Völker durch eine repräsentative Versammlung an der Ausübung der Hoheitsgewalt beteiligt sind (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 10. Juni 1997, Parlament/Rat, C‑392/95, EU:C:1997:289, Rn. 14 und die dort angeführte Rechtsprechung). Diese Erwägungen gelten jedoch nicht in entsprechender Weise für den EWSA und den AdR.

904

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass der EWSA und der AdR zum einen und das Parlament zum anderen unterschiedliche Plätze innerhalb des institutionellen Gleichgewichts der Union einnehmen. Während nämlich das Parlament zu den in Art. 13 Abs. 1 EUV aufgezählten Organen der Union gehört, fallen diese Ausschüsse unter die Art. 301 bis 304 AEUV bzw. unter die Art. 305 bis 307 AEUV, die zu Titel I Kapitel 3 („Die beratenden Einrichtungen der Union“) des Sechsten Teils des AEU-Vertrags gehören.

905

Zweitens bestimmt Art. 10 EUV in Abs. 1, dass „[d]ie Arbeitsweise der Union … auf der repräsentativen Demokratie [beruht]“. In Abs. 2 dieses Artikels heißt es zum einen, dass die Bürgerinnen und Bürger auf Unionsebene unmittelbar im Europäischen Parlament vertreten sind und dass zum anderen die Mitgliedstaaten im Europäischen Rat von ihrem jeweiligen Staats- oder Regierungschef und im Rat von ihrer jeweiligen Regierung vertreten werden, die ihrerseits in demokratischer Weise gegenüber ihrem nationalen Parlament oder gegenüber ihren Bürgerinnen und Bürgern Rechenschaft ablegen müssen. Dagegen verleiht dieser Artikel dem EWSA und dem AdR keine Funktion der demokratischen Vertretung.

906

Daraus folgt, dass sich die Republik Bulgarien nicht auf die Rechtsprechung zur Pflicht zur erneuten Anhörung des Parlaments während des Gesetzgebungsverfahrens berufen kann, um geltend zu machen, dass der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV verstoßen habe.

907

Dieses Ergebnis kann nicht durch das Vorbringen dieses Mitgliedstaats in Frage gestellt werden, dass es einen Präzedenzfall gebe, der das Gesetzgebungsverfahren im Zusammenhang mit dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU (COM[2018] 51 final) betreffe, der das Bestehen einer Verpflichtung zur erneuten Anhörung des EWSA und des AdR belege.

908

Wie der Rat zu Recht geltend macht, ist nämlich gemäß Art. 304 Abs. 1 und Art. 307 Abs. 1 AEUV zwischen den „in den Verträgen vorgesehenen“ Fällen, in denen die Anhörung des EWSA und des AdR zwingend vorgeschrieben ist, und den anderen Fällen zu unterscheiden, in denen diese Anhörung fakultativ und der Beurteilung des Parlaments, des Rates oder der Kommission überlassen ist, wie im vorliegenden Fall.

909

Daraus folgt, dass keine Verpflichtung zur erneuten Anhörung dieser Ausschüsse aus einem früheren Verfahren abgeleitet werden kann, in dem eines dieser Unionsorgane es für zweckmäßig hielt, einen von diesen erneut anzuhören.

910

Folglich ist der vierte Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

911

Die Republik Litauen, mit ihrem dritten Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit ihrem fünften Klagegrund, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, die Republik Malta, mit ihrem ersten Klagegrund, und die Republik Polen, mit ihrem zweiten und ihrem dritten Klagegrund, machen geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gegen die Anforderungen verstoßen habe, die sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV, für sich genommen für die Republik Malta, oder aus dieser Bestimmung und aus Art. 94 AEUV ergäben. Die Republik Bulgarien macht darüber hinaus einen Verstoß gegen Art. 90 AEUV im Licht von Art. 3 Abs. 3 EUV geltend.

912

Erstens macht die Republik Bulgarien geltend, Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 verstoße gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV, wegen der nachteiligen Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in Bulgarien, und allgemein in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union sowie auf die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmen.

913

Solche Auswirkungen seien die Folge des Anstiegs der Zahl der Leerfahrten und der sich daraus ergebenden Kosten. Insoweit ist die Republik Bulgarien der Ansicht, dass die Einführung der Wartezeit erhebliche Kosten nicht nur für die Verkehrsunternehmer in Bulgarien, sondern auch in allen Mitgliedstaaten, deren Verkehrsunternehmer Kabotagebeförderungen durchführten, verursachen werde, wobei dieser Mitgliedstaat auf der Grundlage der in den Rn. 772 und 796 des vorliegenden Urteils genannten Studien geltend macht, dass die Zahl der Kabotagebeförderungen in der Union bis 2035 bis zu 31 % verringert werde und dass die jährlichen Kosten für die belgischen Verkehrsunternehmer bis zu 24 Mio. Euro betragen könnten.

914

Der Unionsgesetzgeber habe daher weder der Bedeutung des wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalts noch der Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten Rechnung getragen und damit gegen die Vorgaben von Art. 3 Abs. 3 EUV verstoßen.

915

Diese Folgen seien sowohl von der Republik Bulgarien als auch von anderen Mitgliedstaaten festgestellt worden. Es sei jedoch keine ergänzende Analyse durchgeführt worden, um festzustellen, wie der Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie die Erbringung der Verkehrsdienstleistungen als solche beeinträchtigt würden, und es sei insoweit keine Anhörung des EWSA oder des AdR durchgeführt worden.

916

Was zweitens den Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV betrifft, werfen die Republik Litauen, die Republik Malta und die Republik Polen dem Unionsgesetzgeber vor, den Auswirkungen der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahme auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen nicht Rechnung getragen zu haben. Insoweit führt die Republik Polen aus, obwohl der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfüge, könne sich die ihm obliegende Verpflichtung, bestimmten Auswirkungen der von ihm erlassenen Maßnahmen Rechnung zu tragen, nicht einfach darauf beschränken, von ihnen Kenntnis zu nehmen, da Art. 91 Abs. 2 AEUV sonst seine Wirksamkeit genommen würde.

917

Als Erstes weist nach Ansicht der Republik Litauen die ECIPE‑Studie über Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung auf S. 13 darauf hin, dass die Zahl der im Verkehrssektor tätigen Personen in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union wesentlich höher sei als in den Mitgliedstaaten in ihrem zentralen und westlichen Teil. Daher seien die negativen Auswirkungen des in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Kabotagezeitraums auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in den erstgenannten Mitgliedstaaten stärker und führten zu Arbeitsplatzverlusten sowie zu einer Migration der Arbeitnehmer.

918

Während es vor dem Erlass der Verordnung 2020/1055 möglich gewesen sei, alle sieben Tage drei Kabotagebeförderungen durchzuführen, habe die Einführung dieser Wartezeit zur Folge, dass die gleiche Zahl von Beförderungen nur noch alle elf Tage durchgeführt werden könne. Dies würde zu einem Rückgang der Geschäftstätigkeit der in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen und folglich zu einem Rückgang des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in diesen Mitgliedstaaten führen.

919

Wie sich beispielsweise aus dem Artikel der Fachpresse mit dem Titel „Lithuania challenges the Mobility Package at the EU court“ („Litauen wendet sich vor dem Gerichtshof gegen das Mobilitätspaket“) ergebe, bestehe in Litauen die Gefahr, dass bis zu 35000 Arbeitnehmer der Verkehrsunternehmen ihren Arbeitsplatz verlören.

920

Als Zweites macht die Republik Malta geltend, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 schwerwiegende Folgen für die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Inselmitgliedstaaten haben werde, die, wie die Republik Malta, stark von den Seeverbindungen und den kombinierten Beförderungsrouten abhängig seien, Folgen, die der Unionsgesetzgeber nicht habe berücksichtigen können. Den maltesischen Verkehrsunternehmern aufzuerlegen, ihre Beförderungen für vier Tage auszusetzen, führe dazu, ihre Beförderungstätigkeiten willkürlich zum Stillstand zu bringen, um einer Vorschrift nachzukommen, die für echte Kabotage konzipiert worden sei, nicht aber für die Verkehrsunternehmer, die in Inselmitgliedstaaten niedergelassen und auf dem Festland tätig seien.

921

Der Seeabschnitt zwischen Malta und dem Kontinent werde hauptsächlich mit Roll-on-roll-off-Fähren abgedeckt, die Sattelanhänger und nicht ganze Fahrzeuge beförderten. Obwohl die maltesischen Verkehrsunternehmer nicht an Kabotagebeförderungen im Sinne der Verordnung Nr. 1072/2009 interessiert seien, d. h. an innerstaatlichen Beförderungen in einem anderen Mitgliedstaat, seien ihre Beförderungen in Italien gleichwohl technisch als solche qualifiziert. In dieser Verordnung werde nämlich die Beförderung von Gütern auf dem Seeweg von Malta nach Italien nicht als „grenzüberschreitender Verkehr“ im Sinne ihres Art. 2 Nr. 2 angesehen, so dass die Beförderung eines Sattelanhängers zwischen einem italienischen Hafen und einem anderen Ort in Italien als Kabotage angesehen werde.

922

Da diese Definition die Spezifität und die Besonderheit der Inselmitgliedstaaten wie Malta nicht berücksichtige, schließe sie die maltesischen Verkehrsunternehmer eindeutig von den Rechten aus, die mit der Erbringung von Dienstleistungen im internationalen Verkehr verbunden seien.

923

Wie aus der von KPMG durchgeführten Studie mit dem Titel „Ministry for Transport, Infrastructure and Capital Project – Market study: An impact assessment of Mobility Package I“ („Ministerium für Verkehr, Infrastruktur und Investitionsvorhaben – Marktstudie: Folgenabschätzung des ersten Mobilitätspakets“) hervorgehe, habe die Wartezeit schwerwiegende Auswirkungen auf die Tätigkeiten der maltesischen Verkehrsunternehmer. Da sie u. a. die logistischen Maßnahmen der Verkehrsunternehmen eines Inselmitgliedstaats, die ihre Beförderungstätigkeiten hauptsächlich auf dem Festland ausübten, erschwere, die Transportkosten erhöhe und die Effizienz der Beförderungen beeinträchtige, bedrohe diese Wartezeit die Tätigkeit des maltesischen internationalen Verkehrssektors im Sinne von Art. 91 Abs. 2 AEUV.

924

Als Drittes verweist die Republik Polen, da sie der Ansicht ist, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 in bestimmten Regionen der Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union zu einem Rückgang des Lebensstandards und der Beschäftigungslage führen und die Verkehrsinfrastrukturen beeinträchtigen werde, auf ihr Vorbringen zur Stützung ihres Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, wonach die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge zu zusätzlichen Leerfahrten ohne wirtschaftliche Rechtfertigung führen werde.

925

So könne die Wartezeit zu einem Rückzug vom Markt der Verkehrsunternehmer führen, die nicht mehr in der Lage seien, eine rentable Tätigkeit auszuüben. Daraus folge ein Abbau von Arbeitsplätzen im Verkehrssektor in diesen Mitgliedstaaten. Dabei sei nicht berücksichtigt worden, dass 90 % der Verkehrsunternehmen weniger als zehn Personen beschäftigten und dass auf die KMU 55 % der im Verkehrssektor tätigen Personen entfielen, obwohl die Folgen dieser Wartezeit für diese Verkehrsunternehmen besonders negativ seien. Im Übrigen macht die Republik Polen geltend, dass der Anteil dieses Sektors in der Wirtschaft der an der Peripherie der Union gelegenen Mitgliedstaaten höher als in den übrigen Mitgliedstaaten sei, so dass der Abbau von Arbeitsplätzen in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union besonders schädlich sei.

926

Der Unionsgesetzgeber habe auch die durch die in Rede stehende Maßnahme bewirkte Zunahme des Straßenverkehrs nicht berücksichtigt, die eine Zunahme der Überlastung auf den Straßen und eine Verschlechterung des Zustands der Straßeninfrastruktur zur Folge habe. In diesem Zusammenhang sei das „Vierte-Potenz-Gesetz“ zu berücksichtigen, das die Auswirkungen der Fahrzeuge auf die Straßeninfrastruktur belege, wonach die Verschlechterung der Straßen exponentiell, zur vierten Potenz, mit der Erhöhung des Gewichts des Fahrzeugs steige. Obwohl Lastkraftwagen weniger zahlreich seien als Personenkraftwagen, sei ihre Auswirkung auf die Infrastruktur sehr viel größer. Im Übrigen beeinträchtige die Zunahme des Straßenverkehrs die Lebensqualität in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten.

927

Außerdem ist die Republik Polen der Ansicht, dass die rechtlichen Änderungen in Bezug auf den Straßenverkehr zu einem Anstieg der Zahl der risikobehafteten Verhaltensweisen der Fahrer, die mit der Möglichkeit zusammenhingen, gegen die Regelung zu verstoßen, um durchschnittlich 19 % führen würden.

928

Drittens machen die Republik Litauen und die Republik Polen in Bezug auf den Verstoß gegen Art. 94 AEUV geltend, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmen nicht Rechnung getragen habe.

929

Aufgrund einer unzureichenden Bewertung der Lage auf dem Verkehrsmarkt in der Union sowie der maßgeblichen geografischen Besonderheiten der Mitgliedstaaten in Bezug auf diesen Markt, sei die Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union sowie in denjenigen mit geringer Fläche infolge der Anwendung der in dieser Bestimmung vorgesehenen Wartezeit nicht berücksichtigt worden. Die klagenden Mitgliedstaaten weisen insoweit darauf hin, dass der Anteil der Kabotagebeförderungen an der Gesamtbeförderungstätigkeit eines Verkehrsunternehmens bei diesen Verkehrsunternehmern viel höher sei als bei Verkehrsunternehmern mit Sitz in den Mitgliedstaaten im Zentrum der Union.

930

Um das Vorbringen zu einem Ausschluss vom Markt dieser Verkehrsunternehmer zu untermauern, der sich aus Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 ergebe, stützt sich die Republik Litauen im Übrigen auf die in den Rn. 772 und 796 des vorliegenden Urteils dargelegten Gesichtspunkte, die aus der ECIPE‑Studie über Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung sowie aus dem Artikel der Fachpresse mit dem Titel „Die Belgier mögen das erste Mobilitätspaket nicht. Ihrer Ansicht nach werden seine Bestimmungen auch zu Verlusten für ihre Unternehmen führen“ hervorgingen.

931

Die Republik Polen weist darauf hin, dass die Wartezeit aufgrund ihrer negativen Folgen für die große Mehrheit der Verkehrsunternehmen mit der wahrscheinlichen Gefahr der Insolvenz zahlreicher dieser Unternehmen oder der Standortverlagerung in Mitgliedstaaten im Zentrum der Union verbunden sein werde. Im Übrigen sei nicht berücksichtigt worden, dass diese Folgen für KMU besonders negativ seien, obwohl diese Unternehmen 90 % der Verkehrsunternehmen ausmachten.

932

Außerdem bestätige der Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 während der Covid‑19-Pandemie, dass die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt worden sei. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie seien aber besonders im Verkehrssektor spürbar gewesen, da dieser einem Rückgang der Nachfrage und den Beschränkungen des Überschreitens der Binnengrenzen ausgesetzt gewesen sei, die von den Mitgliedstaaten wieder eingeführt worden seien. Diese Wirkungen seien jedoch bereits während des Gesetzgebungsverfahrens eingetreten.

933

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

934

Erstens ist das Vorbringen der Republik Bulgarien eines Verstoßes gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV zurückzuweisen, da, wie sich aus den Rn. 423 und 424 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 3 Abs. 3 EUV nicht zu den Parametern gehört, anhand deren die Vereinbarkeit einer Bestimmung des abgeleiteten Rechts mit dem Primärrecht beurteilt werden kann. Gleiches gilt für Art. 90 AEUV, wonach die Ziele der Verträge auf dem Gebiet des Verkehrs „im Rahmen einer gemeinsamen Verkehrspolitik“ verfolgt werden.

935

Zweitens ist zum Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, der Republik Malta und der Republik Polen, mit dem ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV geltend gemacht wird, darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber nach dieser Bestimmung beim Erlass von Maßnahmen nach Abs. 1 dieses Artikels, die zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten dienen, den Fällen Rechnung zu tragen hat, in denen die Anwendung dieser Maßnahmen den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen ernstlich beeinträchtigen könnte.

936

Da die Verordnung 2020/1055 vom Unionsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassen wurde, wobei diese Rechtsgrundlage im Rahmen der vorliegenden Klagen nicht beanstandet wird, oblag es dem Unionsgesetzgeber, beim Erlass der Wartezeit nach Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung die sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV ergebenden Anforderungen zu berücksichtigen.

937

Insoweit verpflichtet, wie in den Rn. 393 bis 396 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Art. 91 Abs. 2 AEUV den Unionsgesetzgeber, beim Erlass von Maßnahmen auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, deren Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen „Rechnung zu tragen“, was sich in den größeren Rahmen einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen einfügt. Wie der Generalanwalt in Nr. 285 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, weist die Verwendung des Wortes „ernstlich“ außerdem darauf hin, dass diese Bestimmung eine erhebliche Auswirkung der in Rede stehenden Maßnahmen auf diese Parameter und nicht ein bloßes Betroffensein verlangt.

938

Somit ergibt sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV, dass die schwerwiegenden Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen angesichts des weiten Ermessens, über das der Unionsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik beim Erlass von Maßnahmen zu diesem Zweck verfügt, keine absoluten Grenzen darstellen, sofern er diesen Gesichtspunkten Rechnung trägt.

939

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen, die sich aus dem Erlass einer auf Art. 91 Abs. 1 AEUV gestützten Maßnahme ergeben, verpflichtet ist, die verschiedenen in Rede stehenden Interessen ausgewogen zu berücksichtigen, um die von ihm verfolgten legitimen Ziele zu erreichen. Somit steht allein der Umstand, dass dieser dem Lebensstandard und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen und damit den wirtschaftlichen Interessen der Verkehrsunternehmen Rechnung zu tragen hat, dem nicht entgegen, dass für diese Unternehmen bindende Maßnahmen erlassen werden (vgl. entsprechend Urteil vom 9. September 2004, Spanien und Finnland/Parlament und Rat, C‑184/02 und C‑223/02, EU:C:2004:497, Rn. 72 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

940

Daraus ergibt sich, dass Art. 91 Abs. 2 AEUV im Wesentlichen die Verpflichtung des Unionsgesetzgebers widerspiegelt, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu handeln, indem er Maßnahmen erlässt, die zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sind, nicht offensichtlich über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist und die im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig sind.

941

In Rn. 859 des vorliegenden Urteils ist bereits festgestellt worden, dass die von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, der Republik Malta und der Republik Polen geltend gemachten Klagegründe und Argumente, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit durch Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerügt wird, nicht den Schluss zulassen, dass dieser Grundsatz verletzt wurde.

942

Soweit die Republik Bulgarien dem Unionsgesetzgeber vorwirft, vor dem Erlass der die Wartezeit betreffenden Maßnahme den EWSA und den AdR nicht erneut angehört zu haben, ist dieses Vorbringen aus den in den Rn. 898 bis 910 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

943

Abgesehen davon, dass die im Rahmen der Prüfung des angeblichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend gemachten Argumente zurückgewiesen worden sind, haben die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, die Republik Malta und die Republik Polen zur Stützung der vorliegenden Klagegründe und Argumente, mit denen ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV geltend gemacht wird, keine zusätzlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die ihre Behauptung stützen könnten, dass die Wartezeit schwerwiegende Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen habe, denen der Unionsgesetzgeber bei der Einführung dieser Wartezeit unter Verstoß gegen diese Bestimmung nicht Rechnung getragen habe.

944

Was als Erstes die Auswirkungen der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahme auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage betrifft, macht die Republik Litauen geltend, dass sich die Wartezeit in den Mitgliedstaaten, die ihrer Ansicht nach an der „Peripherie der Union“ liegen, nachteilig auswirken werde, da sie nur die Durchführung von drei Kabotagebeförderungen alle elf Tage und nicht mehr alle sieben Tage, wie es die früheren Rechtsvorschriften vorgesehen hätten, gestatte. Wie jedoch in den Rn. 832 und 833 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nimmt diese Wartezeit den Verkehrsunternehmen nicht die Möglichkeit, ihre Tätigkeiten im Rahmen anderer Beförderungen als Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat, insbesondere der Kabotage in einem anderen Aufnahmemitgliedstaat, fortzusetzen. Außerdem implizierte Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009, wie der Rat zu Recht geltend macht und in den Rn. 834 und 835 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, bereits vor den Änderungen durch die Verordnung 2020/1055, dass zwischen zwei Kabotagezyklen ein gewisser Zeitraum für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beförderung durch das betreffende Fahrzeug vor Beginn eines neuen Kabotagezyklus im selben Aufnahmemitgliedstaat aufgewendet wurde.

945

Was im Übrigen das Risiko betrifft, dass 35000 Arbeitnehmer ihren Arbeitsplatz im litauischen Verkehrssektor verlieren, so ergibt sich – abgesehen davon, dass dieses Vorbringen hypothetischen Charakter hat – aus dem Artikel der Fachpresse, auf dem diese Schätzung beruht, dass diese Schätzung ihre Grundlage in einer Erklärung des litauischen Ministers für Verkehr und Kommunikation findet. Eine solche Erklärung reicht aber jedenfalls nicht aus, um eine schwerwiegende Auswirkung auf die Beschäftigung nachzuweisen.

946

Was ferner das Vorbringen der Republik Polen zu einer etwaigen schwerwiegenden Auswirkung der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit auf die Beschäftigung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass dieser Mitgliedstaat seine Behauptung, wonach diese Maßnahme den Rückzug der Verkehrsunternehmer vom Markt bedeuten könne, weil diese nicht mehr in der Lage seien, eine rentable Tätigkeit auszuüben, nicht mit den notwendigen Angaben versieht, um ihre Begründetheit beurteilen zu können. Dieser Mitgliedstaat bezieht sich nämlich zur Stützung seines Vorbringens erneut auf die Folgen der Umsetzung der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge, die in der Durchführung zusätzlicher Leerfahrten bestünden, ohne darzulegen, inwiefern diese Folgen auch für die Wartezeit gelten.

947

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass die Einhaltung dieser Wartezeit als solche keine zusätzlichen Fahrten erfordert. Eine solche Wartezeit verlangt nur, dass das betreffende Verkehrsunternehmen, das das Fahrzeug während der Dauer der Wartezeit nicht stehen lassen wollte, während dieser Zeit nur andere Beförderungen als Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat durchführt, die ohne diese Wartezeit hätten durchgeführt werden können.

948

Folglich ist auch das Vorbringen der Republik Polen zu den Auswirkungen der Wartezeit auf das Beschäftigungsniveau mangels konkreter Anhaltspunkte, die es stützen könnten, als spekulativ anzusehen.

949

Was als Zweites die Auswirkungen der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahme auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen und die Lebensqualität in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten betrifft, ist das Vorbringen der Republik Polen, die Wartezeit werde zu einer erheblichen Zunahme des Straßenverkehrs führen, aus den in Rn. 947 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen. Ebenso wenig kann sich eine solche Auswirkung offensichtlich aus einem Zeitraum des Stillstands des Fahrzeugs ergeben, wenn es unmöglich wäre, während dieser Wartezeit andere Beförderungen als die in Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat bestehenden durchzuführen.

950

Im Übrigen ist das Vorbringen der Republik Polen zur Erhöhung der Zahl der risikobehafteten Verhaltensweisen, die sich angeblich aus diesem Zeitraum ergeben soll, spekulativ, so dass mit ihm kein Verstoß gegen die Anforderungen aus Art. 91 Abs. 2 AEUV dargetan werden kann.

951

Als Drittes genügt, soweit die Republik Malta geltend machen will, dass die Wartezeit gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoße, da bei der Einstufung einer bestimmten Beförderung als grenzüberschreitende Beförderung oder als Kabotage die besondere geografische Lage Maltas nicht berücksichtigt werde, der Hinweis, dass sich, wie das Parlament ausführt und wie dieser Mitgliedstaat einräumt, eine solche Einstufung aus den Definitionen in Art. 2 Nrn. 2 und 6 der Verordnung Nr. 1072/2009 ergibt, die durch die Verordnung 2020/1055 nicht geändert wurden und jedenfalls zu einer anderen Frage als die der Wartezeit gehören. Daher genügt die Feststellung, dass ein solches Vorbringen nicht geeignet ist, einen Verstoß von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV darzutun.

952

Drittens genügt zum Vorbringen der Republik Litauen, der Republik Bulgarien und der Republik Polen, mit dem ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV geltend gemacht wird, der Hinweis, dass diese Bestimmung, nach der jede Maßnahme „auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“, die im Rahmen der Verträge getroffen wird, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen hat, im vorliegenden Fall unerheblich ist. Da Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 eine Wartezeit zwischen zwei Kabotagezyklen in ein und demselben Mitgliedstaat vorsieht, regelt er nämlich nicht die Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen für Güter oder Fahrgäste, sondern die Modalitäten, nach denen ein Verkehrsunternehmer nach Ablauf eines ersten Kabotagezyklus in einem Aufnahmemitgliedstaat einen neuen Kabotagezyklus im selben Aufnahmemitgliedstaat beginnen kann.

953

Folglich sind der dritte Klagegrund der Republik Litauen, der fünfte Klagegrund der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, der erste Klagegrund der Republik Malta sowie der zweite und der dritte Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

e)   Zum Verstoß gegen die vom AEU-Vertrag garantierten Grundfreiheiten

1) Vorbringen der Parteien

954

Erstens macht die Republik Litauen mit dem ersten Teil ihres zweiten Klagegrundes geltend, die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit verstoße gegen Art. 26 AEUV, da die erste dieser Bestimmungen das Funktionieren des Binnenmarkts beschränke und die Effizienz der Logistikkette begrenze.

955

Der Umstand, dass das in Art. 26 AEUV genannte Ziel der Verwirklichung eines Binnenmarkts durch andere Bestimmungen der Verträge umgesetzt und präzisiert werde, führe nicht dazu, dass dieser Artikel seine Relevanz verlöre, wie der Gerichtshof im Urteil vom 27. April 2017, Pinckernelle (C‑535/15, EU:C:2017:315, Rn. 43 und 44), anerkannt habe.

956

Obwohl die gemeinsame Verkehrspolitik speziell in Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags geregelt sei, gälten daher grundsätzlich die Grundsätze des Binnenmarkts im Bereich des Verkehrs, da diese gemeinsame Politik nur die Vervollständigung und wirksamere Verwirklichung der Grundfreiheiten, insbesondere des freien Dienstleistungsverkehrs, auf dem diese gemeinsame Politik beruhe, in diesem Bereich zum Ziel habe.

957

Die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit gestattet es jedoch nicht, das mit dieser Verordnung verfolgte Ziel der Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen zu erreichen, da sie die Kabotagebeschränkungen auf ein solches Niveau anhebe, dass das Ziel des Binnenmarkts grundlegend in Frage gestellt werde. Insoweit habe die Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 2/2, S. 48) die Notwendigkeit betont, das bereits erreichte Liberalisierungsniveau aufrechtzuerhalten, und darauf hingewiesen, dass das Ziel der Änderungen der Regelung nicht darin bestehe, das bestehende Niveau der Liberalisierung zu ändern, sondern darin, die Umsetzung der einschlägigen Vorschriften zu verbessern. Im Übrigen heiße es im 20. Erwägungsgrund dieser Verordnung auch, dass das bisher erreichte Niveau der Liberalisierung gewahrt werden sollte.

958

Die Beschränkung der von gebietsfremden Verkehrsunternehmern erbrachten Verkehrsdienstleistungen stelle eine grundlegende Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs dar. Der Gerichtshof habe im Übrigen in Rn. 70 des Urteils vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220), entschieden, dass der Rat die Verträge verletzt habe, indem er es unterlassen habe, die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmen zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig seien, festzulegen.

959

Der Vertrag zwischen dem Königreich Belgien, dem Königreich Dänemark, der Bundesrepublik Deutschland, der Hellenischen Republik, dem Königreich Spanien, der Französischen Republik, Irland, der Italienischen Republik, dem Großherzogtum Luxemburg, dem Königreich der Niederlande, der Republik Österreich, der Portugiesischen Republik, der Republik Finnland, dem Königreich Schweden, dem Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland (Mitgliedstaaten der Europäischen Union) und der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien, der Slowakischen Republik über den Beitritt der Tschechischen Republik, der Republik Estland, der Republik Zypern, der Republik Lettland, der Republik Litauen, der Republik Ungarn, der Republik Malta, der Republik Polen, der Republik Slowenien und der Slowakischen Republik zur Europäischen Union (ABl. 2003, L 236, S. 17), den die Republik Litauen am 16. April 2003 unterzeichnet habe und der am 1. Mai 2004 in Kraft getreten sei, habe eine Öffnung des Güterkraftverkehrsmarkts der Union für die in Litauen niedergelassenen Verkehrsunternehmer und die Aufhebung jeder Beschränkung der Erbringung von Dienstleistungen durch die litauischen Verkehrsunternehmer in anderen Mitgliedstaaten spätestens innerhalb von fünf Jahren nach dem Beitritt vorgesehen. Die Republik Litauen erwarte von ihrer Zugehörigkeit zur Union eine Regelung, die einen freien und offenen Markt gewährleiste. Die Wartezeit erhöhe jedoch die Beschränkungen des Dienstleistungsverkehrs im Bereich des Straßenverkehrs.

960

In ihrem Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM[2011] 144 endg., S. 12 und 21) habe die Kommission im Übrigen das Ziel „einer weiteren Marktöffnung im Kraftverkehr“ angeführt und in erster Linie, dass „die Beseitigung noch vorhandener Einschränkungen für die Kabotage fortgesetzt“ werde.

961

Daher sei die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit nicht nur mit diesen Zielen unvereinbar, sondern stelle auch ein grundlegendes Hindernis für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts und die Dienstleistungsfreiheit im Verkehrssektor dar, da sie zu einer mittelbaren Diskriminierung der Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und mit geringer Fläche führe.

962

Im Übrigen macht die Republik Litauen geltend, der freie Dienstleistungsverkehr dürfe mangels sachlicher Gründe nicht je nach dem betroffenen Tätigkeitsbereich unterschiedlich sein. Im Luftverkehrssektor seien aber alle Kabotagebeschränkungen aufgehoben worden, um die Entwicklung dieses Sektors zu fördern und die den Nutzern angebotenen Dienste zu verbessern. Im Straßenverkehrssektor seien anstelle der erwarteten Liberalisierung hingegen Maßnahmen zur Abschottung des Marktes der Mitgliedstaaten gegenüber gebietsfremden Verkehrsunternehmern getreten, was die Entwicklung des Sektors und die Optimierung der Dienste verhindere.

963

Zweitens macht die Republik Bulgarien mit dem ersten Teil ihres siebten Klagegrundes, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, geltend, dass diese Bestimmung gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV verstoße.

964

Die in diesem Art. 2 Nr. 4 Buchst. a vorgesehene Wartezeit beschränke den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen erheblich, den die gemeinsame Verkehrspolitik den Verkehrsunternehmern garantiere.

965

Wie sich insoweit aus den Rn. 64 und 65 des Urteils vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220), ergebe, sei zum einen der Unionsgesetzgeber nach Art. 91 Abs. 1 Buchst. a und b AEUV verpflichtet, die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs einzuführen und unter Berücksichtigung der Erfordernisse des freien Dienstleistungsverkehrs sämtliche Formen der Diskriminierung des Leistungserbringers aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands zu beseitigen, dass er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig sei, in dem die Dienstleistung erbracht werden solle. Zum anderen verfüge der Unionsgesetzgeber insoweit nicht über den Ermessensspielraum, auf den er sich in anderen Bereichen der gemeinsamen Verkehrspolitik berufen könne.

966

Während die Verordnung Nr. 1072/2009 solche Diskriminierungen sowie die Beschränkungen des Zugangs zu den Märkten der Mitgliedstaaten im Rahmen der schrittweisen Vollendung des europäischen Binnenmarkts beseitigen solle, führe die Wartezeit wieder eine Form der Diskriminierung ein und stelle einen Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik dar. Damit habe der Unionsgesetzgeber gegen seine Verpflichtung verstoßen, die Anwendung der Grundsätze des freien Dienstleistungsverkehrs im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik sicherzustellen.

967

Im Übrigen sei die sich aus Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 ergebende Beschränkung des freien Verkehrs der Verkehrsdienstleistungen nicht gerechtfertigt, da diese Bestimmung unverhältnismäßig sei.

968

Für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass diese Frage auch unter Art. 56 AEUV falle, sei ihr Klagegrund auch auf diesen Artikel gestützt.

969

Drittens macht die Republik Bulgarien mit dem zweiten Teil ihres siebten Klagegrundes, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, geltend, dass diese Bestimmung wegen ihrer schwerwiegenden Auswirkungen auf den freien Warenverkehr als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen anzusehen sei, die nach den Art. 34 und 35 AEUV verboten sei.

970

Nach Art. 36 AEUV könne eine solche Maßnahme nur gerechtfertigt sein, wenn sie bestimmte Ziele verfolge und weder ein Mittel zur willkürlichen Diskriminierung noch eine verschleierte Beschränkung des Handels zwischen den Mitgliedstaaten darstelle. Im Übrigen könnten nach gefestigter Rechtsprechung nationale Maßnahmen, die geeignet seien, die Ausübung der durch die Verträge garantierten Grundfreiheiten zu behindern oder weniger attraktiv zu machen, nur dann zugelassen werden, wenn mit ihnen ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel verfolgt werde, wenn sie geeignet seien, dessen Erreichung zu gewährleisten, und wenn sie nicht über das hinausgingen, was zur Erreichung des verfolgten Ziels erforderlich sei. Aus den im Rahmen ihrer anderen Klagegründe geltend gemachten Erwägungen ist die Republik Bulgarien der Ansicht, dass die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a vorgesehene Wartezeit unverhältnismäßig und daher ungerechtfertigt sei.

971

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

972

Was erstens den von der Republik Litauen geltend gemachten Verstoß gegen Art. 26 AEUV betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass nach Abs. 1 dieses Artikels „[d]ie Union … die erforderlichen Maßnahmen [erlässt], um nach Maßgabe der einschlägigen Bestimmungen der Verträge den Binnenmarkt zu verwirklichen beziehungsweise dessen Funktionieren zu gewährleisten“, während Abs. 2 dieses Artikels klarstellt, dass „[d]er Binnenmarkt … einen Raum ohne Binnengrenzen [umfasst], in dem der freie Verkehr von Waren, Personen, Dienstleistungen und Kapital gemäß den Bestimmungen der Verträge gewährleistet ist“.

973

Daraus folgt, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 678 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, Art. 26 AEUV nicht eigenständig geltend gemacht werden kann, ohne die Tragweite und die praktische Wirksamkeit der anderen einschlägigen Bestimmungen des AEU-Vertrags, insbesondere von Art. 58 Abs. 1 AEUV, zu verkennen. Dies gilt umso mehr, wenn sich die Maßnahmen, deren Rechtmäßigkeit bestritten wird, im vorliegenden Fall Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, auf den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs beziehen, der innerhalb des Primärrechts einer besonderen Regelung unterliegt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 18. März 2014, International Jet Management, C‑628/11, EU:C:2014:171, Rn. 36).

974

Wie sich nämlich aus den Rn. 352 bis 358 des vorliegenden Urteils ergibt und wie die Republik Litauen einräumt, wird auf diesem Gebiet der freie Dienstleistungsverkehr nicht durch Art. 56 AEUV geregelt, der den freien Dienstleistungsverkehr im Allgemeinen betrifft, sondern durch die Spezialvorschrift von Art. 58 Abs. 1 AEUV, wonach „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr [gelten]“, also die Bestimmungen des Titels VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der die Art. 90 bis 100 AEUV umfasst. Somit haben die Verkehrsunternehmen ein Recht auf Dienstleistungsfreiheit ausschließlich insoweit, als ihnen dieses Recht durch Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die gemeinsame Verkehrspolitik, insbesondere von Art. 91 Abs. 1 AEUV, erlassen hat.

975

Genau dies ist Gegenstand der Verordnung 2020/1055, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassen hat, die insbesondere in Buchst. b vorsieht, dass der Unionsgesetzgeber für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, die Bedingungen festlegt und somit, wie in Rn. 884 des vorliegenden Urteils festgestellt, die Kabotagebeförderungen von den rein inländischen Beförderungen unterscheidet.

976

Insoweit ist auch der von der Republik Litauen hervorgehobene Umstand unerheblich, dass der Gerichtshof im Urteil vom 27. April 2017, Pinckernelle (C‑535/15, EU:C:2017:315, Rn. 42 bis 44), das im Rahmen einer die Ausfuhr eines chemischen Stoffes in ein Drittland betreffenden Rechtssache ergangen ist, im Licht von Art. 26 AEUV den Begriff „Inverkehrbringen“ im Sinne der Unionsverordnung, um die es in dieser Rechtssache ging und die auf der Grundlage von Art. 114 AEUV erlassen wurde, dahin ausgelegt hat, dass er sich auf den Binnenmarkt bezieht.

977

Was zweitens das Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Bulgarien betrifft, mit dem ein Verstoß gegen den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs geltend gemacht wird, ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass aus den in den Rn. 832 bis 837 des vorliegenden Urteils genannten Gründen nicht davon ausgegangen werden kann, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 das bisher erreichte Niveau der Liberalisierung beeinträchtigt. Der Unionsgesetzgeber wollte nämlich mit der Verordnung 2020/1055 die früher geltende rechtliche Regelung der Kabotage beibehalten, die bereits nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009 verlangte, dass zwischen zwei Kabotagezyklen ein gewisser Zeitraum für die Durchführung einer grenzüberschreitenden Beförderung durch das betreffende Fahrzeug vor Beginn eines neuen Kabotagezyklus im selben Aufnahmemitgliedstaat aufgewendet wurde. Der Unionsgesetzgeber wollte diese rechtliche Regelung klarstellen, indem er eine zusätzliche Maßnahme in Form der Wartezeit vorsah, mit der der vorübergehende Charakter der Kabotage im Einklang mit dem vom Unionsgesetzgeber beim Erlass der Verordnung Nr. 1072/2009 verfolgten Ziel sichergestellt werden sollte. Folglich ist das Vorbringen der Republik Litauen zurückzuweisen, wonach dieser Art. 2 Nr. 4 Buchst. a das Funktionieren des Binnenmarkts beschränke und die Kabotagebeschränkungen auf ein solches Niveau anhebe, dass das Ziel des Binnenmarkts grundlegend in Frage gestellt werde.

978

Insoweit ist hinzuzufügen, dass die Republik Litauen zwar auch geltend macht, dass Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 die Effizienz der Logistikkette begrenze, diese Behauptung jedoch nicht konkret stützt, so dass sie zurückzuweisen ist.

979

Als Zweites kann aus den in den Rn. 872 bis 891 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen nicht geltend gemacht werden, dass diese Bestimmung eine Beschränkung des freien Dienstleistungsverkehrs mit sich bringe, die eine Diskriminierung der Mitgliedstaaten, die sich nach Ansicht dieses klagenden Mitgliedstaats an der „Peripherie der Union“ befinden, und der Mitgliedstaaten mit geringer Fläche darstelle.

980

Als Drittes ist zu dem von der Republik Litauen und der Republik Bulgarien angeführten Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220), festzustellen, dass der Gerichtshof u. a. in den Rn. 67 und 70 dieses Urteils entschieden hat, dass der Rat in seiner Eigenschaft als Gesetzgeber, die ihm der EWG-Vertrag zuwies, dadurch gegen die Verträge verstoßen hat, dass er es unterlassen hat, die ihm durch Art. 75 EWG-Vertrag, jetzt Art. 91 AEUV, übertragene Zuständigkeit auszuüben, um im Rahmen der Liberalisierung des Dienstleistungsverkehrs im Verkehrssektor u. a. die Bedingungen für die Zulassung von Verkehrsunternehmern zum Verkehr innerhalb eines Mitgliedstaats, in dem sie nicht ansässig sind, festzulegen.

981

Folglich kann diese Rechtsprechung im vorliegenden Fall nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, um die Rechtmäßigkeit einer Bestimmung in Frage zu stellen, die der Unionsgesetzgeber gerade in Ausübung der in Art. 91 AEUV vorgesehenen Zuständigkeiten erlassen hat.

982

Soweit sich die Republik Bulgarien im Übrigen genauer auf die Rn. 64 und 65 des Urteils vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220), stützt, genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof in diesen beiden Randnummern zwar entschieden hat, dass der Unionsgesetzgeber nach Art. 75 EWG-Vertrag, jetzt Art. 91 AEUV, zur Einführung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs verpflichtet ist und dass er insoweit nicht über den Ermessensspielraum verfügt, auf den er sich in anderen Bereichen der Verkehrspolitik berufen kann. Gleichwohl verfügt der Unionsgesetzgeber, wenn er von dieser Befugnis Gebrauch macht, die Einzelheiten der Durchführung dieser Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs festzulegen, insbesondere zum Zweck des Erlasses der auf die Kabotage anwendbaren Regelung, insoweit, wie in den Rn. 242 und 247 des vorliegenden Urteils ausgeführt, über ein weites Ermessen, um die verschiedenen betroffenen Interessen miteinander in Einklang zu bringen, das, wie im Rahmen der Prüfung der Klagegründe eines Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit festgestellt worden ist, beim Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht überschritten wurde.

983

Was als Viertes das Vorbringen der Republik Litauen betreffend den Vertrag über ihren Beitritt zur Union anbelangt, genügt die Feststellung, dass sich dieser Mitgliedstaat auf allgemeine Behauptungen beschränkt, ohne die Bestimmungen dieses Vertrags anzuführen, die vorgesehen hätten, jede Beschränkung der Erbringung von Dienstleistungen durch die litauischen Verkehrsunternehmer in anderen Mitgliedstaaten zu beseitigen, indem diesen Verkehrsunternehmern gegebenenfalls eine Ausnahmeregelung gegenüber den Bestimmungen gewährt wird, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassen hat und die für Kraftverkehrsunternehmer anderer Mitgliedstaaten gelten.

984

Was als Fünftes das Argument betrifft, dass die im Weißbuch „Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum – Hin zu einem wettbewerbsorientierten und ressourcenschonenden Verkehrssystem“ (KOM[2011] 144 endg.) festgelegten Ziele nicht eingehalten worden seien, genügt der Hinweis, dass sich dieses aus einer Mitteilung der Kommission ergibt und daher nicht verbindlich ist. Daraus folgt, dass die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht anhand dieses Weißbuchs beurteilt werden kann.

985

Als Sechstes ist das Vorbringen zur Änderung der für Kabotage im Luftverkehrssektor geltenden Regelung aus den in Rn. 836 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

986

Was drittens das Vorbringen der Republik Bulgarien zum Verstoß gegen den freien Warenverkehr betrifft, legt dieser Mitgliedstaat weder dar, wie Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 diese Freiheit beschränke, noch, inwiefern ihre Wirkungen einer angeblichen mengenmäßigen Beschränkung gleichkämen, auf die dieser Mitgliedstaat anspielt.

987

Abgesehen von einem Hinweis auf die Art. 34 bis 36 AEUV und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Umständen, unter denen eine solche mengenmäßige Beschränkung als nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt angesehen werden kann, beschränkt sich dieser Mitgliedstaat insbesondere darauf, auf das Vorbringen im Rahmen des zweiten Klagegrundes zu verweisen, der in den Rn. 859 und 891 des vorliegenden Urteils für unbegründet erklärt worden ist.

988

Folglich sind der erste Teil des zweiten Klagegrundes der Republik Litauen und beide Teile des siebten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, als unbegründet zurückzuweisen.

f)   Zum Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts und gegen die Verpflichtungen der Union im Bereich des Umweltschutzes

1) Vorbringen der Parteien

989

Die Republik Litauen, mit ihrem ersten Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit beiden Teilen ihres ersten Klagegrundes, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und die Republik Polen, mit ihrem allen angefochtenen Bestimmungen dieser Verordnung gemeinsamen Klagegrund, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung gerichtet ist, machen geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Bestimmung gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes verstoßen habe. Die Republik Litauen macht insoweit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 EUV, die Art. 11 und 191 AEUV sowie die Politik der Union im Bereich Umwelt und Bekämpfung des Klimawandels geltend. Die Republik Bulgarien macht zum einen einen Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV und Art. 11 AEUV sowie gegen Art. 37 der Charta und zum anderen einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 5 EUV, Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV sowie das Übereinkommen von Paris geltend. Die Republik Polen trägt einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta vor.

990

Erstens machen die Republik Litauen, die Republik Bulgarien und die Republik Polen geltend, dass der Unionsgesetzgeber nach Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 11 AEUV, Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 191 AEUV und Art. 37 der Charta den Erfordernissen des Umweltschutzes sowohl bei der Festlegung und Durchführung anderer Unionspolitiken als derjenigen zum Schutz der Umwelt und zur Bekämpfung des Klimawandels als auch im Rahmen anderer Unionsmaßnahmen Rechnung tragen müsse. Das in Art. 191 AEUV festgelegte Ziel des Umweltschutzes könne nämlich allein durch die Maßnahmen, die gemäß Art. 192 AEUV im Rahmen einer gesonderten und autonomen Politik erlassen würden, weder berücksichtigt noch verwirklicht werden. Der in Art. 11 AEUV verankerte Grundsatz der Einbeziehung ermögliche es, die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes mit den anderen Interessen und den Zielen der Union in Einklang zu bringen.

991

Nach Ansicht der Republik Polen erlaubt eine Auslegung dahin, dass Art. 11 AEUV Bereiche des Unionsrechts und keine besonderen Maßnahmen betreffe, es nicht, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen. Insoweit könne auch nicht einer Auslegung dieser Bestimmung gefolgt werden, die davon ausgehe, dass der Unionsgesetzgeber bereits im Umweltbereich erlassene Rechtsakte berücksichtigt habe, wenn er eine Regelung in einem anderen Bereich als der Umwelt erlasse. Die Zugehörigkeit der Verordnung 2020/1055 zu einem umfassenderen Paket zur Dekarbonisierung des Straßenverkehrssektors beweise nicht, dass die Auswirkungen dieser Verordnung auf die Umwelt, insbesondere auf die Möglichkeit, die in den von der Union im Umweltbereich erlassenen Dokumenten und Rechtsakten festgelegten Umweltziele zu erreichen, angemessen berücksichtigt worden seien. Außerdem könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Ziele im Bereich der Reduktion der Treibhausgasemissionen nach ihrer Festlegung unverändert blieben, unabhängig von den zusätzlichen Emissionen, die in Zukunft aufgrund der Verpflichtungen entstünden, die sich aus einer neuen Unionsregelung ergäben.

992

Die Republik Litauen und die Republik Polen teilen die von Generalanwalt Geelhoed in den Nrn. 59 und 60 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:66) vertretene Auslegung, wonach nur wenn ökologische Belange offensichtlich nicht berücksichtigt oder vollständig außer Acht gelassen worden seien, Art. 11 AEUV als Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften der Union dienen könne. Stehe fest, dass eine besondere Maßnahme des Unionsgesetzgebers die Verwirklichung der Ziele beeinträchtige, die er in anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt habe, müsse der Unionsgesetzgeber die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen und gegebenenfalls geeignete Änderungen an den im Umweltbereich geltenden Rechtsakten vornehmen.

993

Im vorliegenden Fall habe der Unionsgesetzgeber gegen diese Verpflichtung verstoßen, da er die Auswirkungen der in der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere der Wartezeit, auf die Umweltanforderungen nicht geprüft habe.

994

Die Republik Bulgarien macht geltend, das Fehlen positiver Auswirkungen einer bestimmten Maßnahme auf die Umwelt stelle zwar für sich genommen keinen Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes dar, doch gefährdeten die in der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere diese Wartezeit, sie offensichtlich, so dass sie zahlreiche andere Maßnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Verringerung der Schadstoffemissionen vergeblich machen könnten.

995

Die Republik Litauen und die Republik Polen machen insbesondere geltend, die Umsetzung der in der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere diese Wartezeit, führe zu zusätzlichen Fahrten von Lastkraftwagen, einschließlich Leerfahrten, aus denen Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen resultierten, die zahlreiche gesundheitliche Probleme verursachten. Nach Ansicht der Republik Litauen ergeben sich diese Nachteile u. a. aus der Verpflichtung der Fahrzeuge, aufgrund der Wartezeit das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats nach einem Kabotagezyklus zu verlassen.

996

Diese Mitgliedstaaten führen aus, dass nach der Studie des ECIPE mit dem Titel „4 Mio. Tonnen zusätzliches CO2 aufgrund des Vorschlags für Unionsvorschriften über die Kabotage im Mobilitätspaket“ und der ECIPE‑Studie über Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung, die ausgehend von den Berechnungen von KPMG für den bulgarischen Sektor des internationalen Verkehrs und Eurostat-Daten erstellt worden seien, sich die zusätzlichen CO2-Emissionen für die gesamte Union aus dem Entwurf zur Änderung der Bestimmungen über die Kabotage auf etwa 4 Mio. t beliefen.

997

Diese Umweltauswirkungen kämen zu denjenigen hinzu, die sich aus den anderen in der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahmen ergäben. So erzeugten nach den eigenen Bewertungen der Republik Polen die zusätzlichen Leerfahrten, die durch die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge, die für den polnischen Fahrzeugbestand von mehr als 2,5 t im grenzüberschreitenden Verkehr gelte, vorgeschrieben würden, 672024 t CO2. Dieser Mitgliedstaat weist auch darauf hin, dass nach den Schätzungen der IRU, wie sie sich aus einem offenen Brief vom 26. Oktober 2018 ergäben, die in der Verordnung 2020/1055 vorgeschriebene verpflichtende Rückkehr der Fahrzeuge für sich genommen mehr als 100000 t CO2 zusätzlich pro Jahr erzeuge. Auch der von KPMG erstellte Bericht mit dem Titel „Folgenabschätzung zur vorläufigen Vereinbarung über das erste Mobilitätspaket“ mache – ausgehend von dem Beispiel bulgarischer Verkehrsunternehmer – deutlich, dass sich der jährliche Anstieg der CO2-Emissionen aufgrund dieser verpflichtenden Rückkehr der Fahrzeuge nach Bulgarien auf etwa 71000 t belaufen werde.

998

Nach Ansicht der Republik Litauen und der Republik Polen sind diese zusätzlichen CO2-Emissionen geeignet, die Verwirklichung der von der Union bis 2050 verfolgten Klimaziele zu behindern, wie sie von der Kommission im Grünen Deal genannt würden, Ziele, die der Europäische Rat in einer Tagung vom 12. Dezember 2019 unterstützt habe. Die Republik Polen verweist außerdem auf die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen vom 17. September 2020„Mehr Ehrgeiz für das Klimaziel Europas bis 2030 – In eine klimaneutrale Zukunft zum Wohl der Menschen investieren“.

999

Die Republik Polen ist der Auffassung, dass diese zusätzlichen CO2-Emissionen auch die Verwirklichung der in der Verordnung 2018/842 festgelegten Ziele durch die Mitgliedstaaten in Frage stellen könnten.

1000

Die zusätzlichen Emissionen von Luftschadstoffen könnten die Einhaltung der Verpflichtungen der Mitgliedstaaten aus der Richtlinie 2016/2284 erheblich behindern. Diese zusätzlichen Emissionen könnten auch die mit der Richtlinie 2008/50 verfolgten Ziele gefährden.

1001

Nach Ansicht der Republik Litauen ist auch die Verordnung (EU) 2021/1119 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Juni 2021 zur Schaffung des Rahmens für die Verwirklichung der Klimaneutralität und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 401/2009 und (EU) 2018/1999 („Europäisches Klimagesetz“) (ABl. 2021, L 243, S. 1) zu berücksichtigen, deren Art. 2 über das Ziel der Klimaneutralität vorsehe, dass dieses Ziel in der Union bis spätestens 2050 erreicht werden müsse und dass die Organe der Union und die Mitgliedstaaten auf der jeweiligen Ebene die notwendigen Maßnahmen treffen müssten, um die gemeinsame Verwirklichung zu ermöglichen, und dabei die Bedeutung der Förderung sowohl von Fairness als auch von Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten und von Kostenwirksamkeit bei der Verwirklichung dieses Ziels berücksichtigten.

1002

Obwohl einige Mitgliedstaaten und die Kommission darauf hingewiesen hätten, dass die Auswirkungen der vorgeschlagenen Maßnahmen, insbesondere die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge sowie die Beschränkungen für die Kabotagebeförderung, auf den Anstieg der Leerfahrten und der CO2-Emissionen berücksichtigt werden müssten, und die Notwendigkeit betont hätten, die Auswirkungen aller dieser Maßnahmen auf Unionsebene zu analysieren, habe der Unionsgesetzgeber diese Bedenken außer Acht gelassen. Die von der für Verkehrsangelegenheiten zuständigen Kommissarin, Frau Vălean, angekündigte Ausarbeitung zusätzlicher Analysen vor Ende 2020 zu den Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge in den Niederlassungsmitgliedstaat alle acht Wochen und der Beschränkungen für Beförderungen im kombinierten Verkehr, gleiche diese Verletzung keineswegs aus.

1003

Im Gegenteil, die Studie mit dem Titel „Folgenabschätzung zu einer Bestimmung im Zusammenhang mit der Überarbeitung der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 und der Verordnung (EG) Nr. 1072/2009“ und diejenige mit dem Titel „Mobility Package 1 – Data gathering and analysis of the impacts of cabotage restrictions on combined transport road legs – Final report“ („Erstes Mobilitätspaket – Datenerhebung und Analyse der Auswirkungen von Kabotagebeschränkungen auf die Straßenstrecken im kombinierten Verkehr – Abschlussbericht“), von November 2020 (im Folgenden: Studie über Kabotagebeschränkungen im kombinierten Verkehr) bestätigten die Begründetheit der gegen die Wartezeit erhobenen Rügen.

1004

Zweitens trägt die Republik Bulgarien vor, diese Wartezeit verstoße gegen die Erfordernisse des Umweltschutzes, die sich aus den internationalen Verpflichtungen der Union ergäben. Dieser Mitgliedstaat verweist auf den Wortlaut von Art. 208 Abs. 2 AEUV, wonach „[d]ie Union und die Mitgliedstaaten … den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach[kommen] und … die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen [berücksichtigen]“, und von Art. 216 Abs. 2 AEUV, wonach „[d]ie von der Union geschlossenen Übereinkünfte … die Organe der Union und die Mitgliedstaaten [binden]“.

1005

Daher hätte der Unionsgesetzgeber die Verpflichtungen und Ziele des Übereinkommens von Paris berücksichtigen müssen, das im Rahmen des UNFCCC angenommen und von der Union mit dem Beschluss (EU) 2016/1841 des Rates vom 5. Oktober 2016 über den Abschluss des im Rahmen des Rahmenübereinkommens der Vereinten Nationen über Klimaänderungen geschlossenen Übereinkommens von Paris im Namen der Europäischen Union (ABl. 2016, L 282, S. 1) genehmigt worden sei.

1006

Die Republik Bulgarien führt aus, dass zu diesen Zielen nach Art. 4 des Übereinkommens von Paris die Tatsache gehöre, „so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen“, „danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen“ und die „Umweltintegrität“ zu fördern sowie nach Art. 2 dieses Übereinkommens „die Widerstandsfähigkeit gegenüber Klimaänderungen sowie eine hinsichtlich der Treibhausgase emissionsarme Entwicklung“ zu fördern.

1007

Sie verweist auch auf den zweiten Erwägungsgrund der Verordnung (EU) 2019/1242 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019 zur Festlegung von CO2-Emissionsnormen für neue schwere Nutzfahrzeuge und zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 595/2009 und (EU) 2018/956 des Europäischen Parlaments und des Rates sowie der Richtlinie 96/53/EG des Rates (ABl. 2019, L 198, S. 202), wonach, „[u]m zur Verwirklichung der Ziele des Übereinkommens von Paris beizutragen, … der gesamte Verkehrssektor zügiger emissionsfrei gemacht werden [muss]“ und „[d]ie verkehrsbedingten Luftschadstoffemissionen, die unserer Gesundheit und der Umwelt erheblichen Schaden zufügen, … ebenfalls drastisch und unverzüglich reduziert werden [müssen]“. Die Republik Bulgarien legt schließlich dar, dass der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerungen vom 12. Dezember 2019 ausgeführt habe, dass „[a]lle einschlägigen Rechtsvorschriften und politischen Maßnahmen der Union … mit dem Ziel der Klimaneutralität im Einklang stehen und zu seiner Verwirklichung beitragen [müssen], wobei auf gleiche Rahmenbedingungen zu achten ist“.

1008

Die in der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahmen, insbesondere die Wartezeit, stünden jedoch im Widerspruch zu den Zielen des Übereinkommens von Paris, was einen Verstoß gegen Art. 208 Abs. 2 und Art. 216 Abs. 2 AEUV darstelle.

1009

Außerdem müsse die Union nach Art. 3 Abs. 5 EUV einen Beitrag „zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts“ leisten. Daher sei der Unionsgesetzgeber beim Erlass eines Unionsrechtsakts verpflichtet, das gesamte Völkerrecht zu beachten. Die Verordnung 2020/1055 sei jedoch nicht mit diesem Recht vereinbar.

1010

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1011

Was erstens die Bestimmung der Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes betrifft, deren Verletzung im vorliegenden Fall geltend gemacht werden kann, ist als Erstes das Vorbringen der Republik Litauen betreffend einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 EUV und das Vorbringen der Republik Bulgarien betreffend einen Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV aus den in den Rn. 423, 424 und 934 des vorliegenden Urteils genannten Gründen zurückzuweisen.

1012

Was als Zweites Art. 191 AEUV betrifft, auf den sich die Republik Litauen beruft, steht dieser Artikel in Titel XX des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der die Umweltpolitik der Union betrifft. Die Verordnung 2020/1055 wurde jedoch nicht im Rahmen dieser Politik, sondern im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik erlassen, die Gegenstand von Titel VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags ist, insbesondere auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV, wobei diese Rechtsgrundlage im Rahmen der vorliegenden Klagen nicht beanstandet wird.

1013

Zum letztgenannten Punkt ist auch darauf hinzuweisen, dass ein Gesetzgebungsakt wie die Verordnung 2020/1055 nicht allein deshalb zur Umweltpolitik der Union gehört, weil er den Erfordernissen des Umweltschutzes Rechnung zu tragen hat (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 15. April 2021, Niederlande/Rat und Parlament, C‑733/19, EU:C:2021:272, Rn. 48 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1014

Daraus folgt, dass Art. 191 AEUV über die Umweltpolitik der Union für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 nicht relevant ist.

1015

Als Drittes gilt aus den in den Rn. 431 und 432 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen dasselbe für die anderen Instrumente des abgeleiteten Unionsrechts, den Grünen Deal, die in Rn. 998 dieses Urteils angeführte Mitteilung der Kommission und die Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 12. Dezember 2019, auf die sich die Republik Litauen, die Republik Bulgarien und die Republik Polen berufen.

1016

Unter diesen Umständen und aus den in den Rn. 428 bis 430 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen ist nur zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gegen die sich aus Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta ergebenden Erfordernisse des Umweltschutzes verstoßen hat.

1017

Insoweit ist zum einen festzustellen, dass Art. 11 AEUV einen Querschnittscharakter hat, der impliziert, dass der Unionsgesetzgeber die Erfordernisse des Umweltschutzes in die Politiken und Maßnahmen der Union und insbesondere in die gemeinsame Verkehrspolitik, zu der die Verordnung 2020/1055 gehört, einbeziehen muss.

1018

Zum anderen betrifft die Kontrolle der Rechtmäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055, die der Gerichtshof im vorliegenden Fall im Hinblick auf Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta vorzunehmen hat, einen Unionsrechtsakt, in dessen Rahmen der Unionsgesetzgeber, wie sich u. a. aus den Rn. 813, 814, 854 und 855 des vorliegenden Urteils ergibt, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen und Zielen zu gewährleisten hat.

1019

Unter diesen Umständen wären, selbst wenn die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Wartezeit für sich genommen erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt haben sollte, um zu bestimmen, ob ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta festzustellen ist, die anderen Maßnahmen zu berücksichtigen, die der Unionsgesetzgeber ergriffen hat, um solche Auswirkungen des Straßenverkehrs auf die Umwelt zu begrenzen und das Gesamtziel der Verringerung der Schadstoffemissionen zu erreichen.

1020

Im vorliegenden Fall ist als Erstes festzustellen, dass sich die Republik Bulgarien darauf beschränkt, allgemein und abstrakt zu behaupten, dass die in der Verordnung 2020/1055 enthaltenen Maßnahmen, insbesondere die Wartezeit, gegen die Bestimmungen des Unionsrechts über den Umweltschutz verstießen, ohne jedoch ihr Vorbringen auf Beweise zu stützen.

1021

Als Zweites machen die Republik Litauen und die Republik Polen mit ihrem Vorbringen geltend, dass die Wartezeit zu einer Zunahme der Emissionen von CO2 und von Luftschadstoffen führen werde, da sich aus ihrer Anwendung zusätzliche, oft leere Fahrten von Lastkraftwagen ergäben.

1022

Dieses Vorbringen beruht jedoch auf einer falschen Prämisse. Wie in Rn. 843 des vorliegenden Urteils ausgeführt, schreibt die Einhaltung dieser Wartezeit nämlich nicht vor, dass das Fahrzeug – überdies leer – zur Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens zurückkehrt. Im Übrigen stellten die Beförderungen, die von den Verkehrsunternehmern während der Wartezeit nach einem ersten Kabotagezyklus in einem Mitgliedstaat durchgeführt würden, keine zusätzlichen Fahrten dar, sondern träten an die Stelle der Kabotagebeförderungen, die sie gegebenenfalls in diesem Mitgliedstaat ohne diese Wartezeit durchgeführt hätten. Außerdem kann für den Fall, dass es unmöglich wäre, während dieser Wartezeit andere Beförderungen als die in Kabotagebeförderungen im selben Aufnahmemitgliedstaat bestehenden durchzuführen, der sich daraus ergebende Zeitraum des Stillstands des Fahrzeugs ganz offensichtlich nicht als geeignet angesehen werden, zu einer Zunahme der Emissionen von Luftschadstoffen zu führen.

1023

Daraus folgt, dass die Wartezeit aufgrund der zusätzlichen Fahrten von Fahrzeugen, die angeblich organisiert werden müssten, keine erheblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt haben wird, die der Unionsgesetzgeber nicht geprüft hätte.

1024

Das Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Polen ist nicht geeignet, diese Beurteilung in Frage zu stellen.

1025

Soweit die Republik Litauen nämlich geltend macht, dass die Wartezeit zu einem Anstieg des Verkehrs von Fahrzeugen führen werde, weil diese verpflichtet seien, das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats während dieser Wartezeit zu verlassen, genügt der Hinweis, dass nach Art. 8 Abs. 2 der Verordnung Nr. 1072/2009, der durch die Verordnung 2020/1055 nicht geändert wurde, die Fahrzeuge das Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats am Ende eines ersten Kabotagezyklus zwangsläufig verlassen müssen, bevor sie gegebenenfalls im Anschluss an eine neue grenzüberschreitende Beförderung einen neuen Kabotagezyklus in demselben Mitgliedstaat beginnen können.

1026

Im Übrigen kann dem auf die in den Rn. 996 und 997 des vorliegenden Urteils genannten Studien gestützten Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Polen nicht gefolgt werden. Zum einen wurden nämlich die Schätzungen in den ECIPE‑Studien zu den mit der Kabotage verbundenen Umweltauswirkungen aus den Berechnungen von KPMG für den bulgarischen Verkehrssektor extrapoliert. Ohne dass geprüft zu werden braucht, ob die diesen Studien zugrunde liegenden Berechnungen auch die Auswirkungen der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge umfassen, ist festzustellen, dass sich diese Berechnungen jedenfalls auf eine Änderung der Kabotageregelung beziehen, die auf der Fallgestaltung beruht, dass Kabotagebeförderungen innerhalb von drei Tagen nach der letzten Entladung der in den Aufnahmemitgliedstaat eingeführten Lieferung durchgeführt werden müssen. Wie jedoch u. a. in der ECIPE‑Studie über Diskriminierung, Ausschluss und Umweltbeeinträchtigung (S. 19) anerkannt wird, unterscheidet sich diese Fallgestaltung von der im vorliegenden Fall vom Unionsgesetzgeber erlassenen Maßnahme.

1027

Zum anderen sind, wie in Rn. 844 des vorliegenden Urteils ausgeführt, für die Beurteilung der Umweltauswirkungen der in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Wartezeit die Schätzungen zu den Folgen, die mit der Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge verbunden sind, nicht relevant, unabhängig davon, ob es sich um eigene Bewertungen der Republik Polen oder um diejenigen handelt, die sich aus dem offenen Brief der IRU und dem von KPMG erstellten Bericht ergeben, auf die sich dieser Mitgliedstaat beruft, da diese Wartezeit eine Rückkehr der Fahrzeuge zur Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens nicht vorschreibt.

1028

Gleiches gilt für die nach dem Erlass der Verordnung 2020/1055 durchgeführten Studien, angeführt in Rn. 1003 des vorliegenden Urteils, die sich nicht auf die Wartezeit beziehen und daher nicht geeignet sind, das Vorliegen erheblicher negativer Auswirkungen auf die Umwelt zu belegen, die sich aus dieser Wartezeit ergeben.

1029

Nach alledem haben die Republik Litauen, die Republik Bulgarien und die Republik Polen nicht nachgewiesen, dass sich aus dieser Wartezeit erhebliche nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt ergeben. Folglich ist ihr Vorbringen zu diesem Punkt zurückzuweisen, soweit mit ihm ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta geltend gemacht wird.

1030

Daher sind weder das Vorbringen der Republik Litauen und der Republik Polen zu anderen Rechtsakten der Union, deren Umweltziele durch den Erlass von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gefährdet sein sollen, noch die verschiedenen vom Parlament und vom Rat angeführten Maßnahmen des Unionsgesetzgebers im Straßenverkehrssektor zu prüfen, um zu beurteilen, inwieweit der Unionsgesetzgeber das Gesamtziel der Verringerung der Schadstoffemissionen in diesem Sektor berücksichtigt hat.

1031

Was zweitens das Erfordernis des Umweltschutzes betrifft, das sich aus den internationalen Verpflichtungen der Union ergeben soll, macht die Republik Bulgarien als Erstes geltend, dass die Wartezeit gegen Art. 208 AEUV verstoße. Dieser Artikel findet sich in Titel III des Fünften Teils („Das auswärtige Handeln der Union“) des AEU-Vertrags, der die Zusammenarbeit mit Drittländern und humanitäre Hilfe betrifft, insbesondere in seinem Kapitel 1, betreffend die „Entwicklungszusammenarbeit“.

1032

Insoweit sieht Art. 208 Abs. 2 AEUV vor, dass „[d]ie Union und die Mitgliedstaaten … den im Rahmen der Vereinten Nationen und anderer zuständiger internationaler Organisationen gegebenen Zusagen nach[kommen] und … die in diesem Rahmen gebilligten Zielsetzungen [berücksichtigen]“.

1033

Es genügt jedoch die Feststellung, dass die Republik Bulgarien nicht dargetan hat, inwiefern ein behaupteter Verstoß gegen das Übereinkommen von Paris dazu führen könnte, dass die Union ihre Verpflichtungen aus der Entwicklungszusammenarbeit verletzt, obwohl dieses Abkommen mit dem Beschluss 2016/1841 auf der Grundlage von Art. 192 Abs. 1 AEUV genehmigt wurde, der in Titel XX („Umwelt“) des Dritten Teils („Die internen Politiken und Maßnahmen der Union“) des AEU-Vertrags steht und insoweit zur Umweltpolitik der Union gehört.

1034

Als Zweites leistet die Union, wie dieser Mitgliedstaat geltend macht, nach Art. 3 Abs. 5 EUV einen Beitrag „zur strikten Einhaltung und Weiterentwicklung des Völkerrechts, insbesondere zur Wahrung der Grundsätze der Charta der Vereinten Nationen“. Nach Art. 216 Abs. 2 AEUV „[binden d]ie von der Union geschlossenen [internationalen] Übereinkünfte … die Organe der Union und die Mitgliedstaaten“ und haben daher außerdem Vorrang vor den durch sie erlassenen Rechtsakten. Daraus folgt, dass die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts durch die Unvereinbarkeit mit derartigen völkerrechtlichen Regeln berührt wird (Urteil vom 16. Juli 2015, ClientEarth/Kommission, C‑612/13 P, EU:C:2015:486, Rn. 33 und 34 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

1035

Im vorliegenden Fall macht die Republik Bulgarien zur Stützung ihres Vorbringens, dass gegen die internationalen Verpflichtungen der Union im Bereich des Umweltschutzes verstoßen worden sei, einen Verstoß gegen das Übereinkommen von Paris geltend. Da die Union dieses Abkommen mit dem Beschluss 2016/1841 genehmigt hat, bilden dessen Bestimmungen seit dessen Inkrafttreten einen integrierenden Bestandteil der Unionsrechtsordnung.

1036

Aus der ständigen Rechtsprechung ergibt sich jedoch, dass die Bestimmungen einer internationalen Übereinkunft, bei der die Union Vertragspartei ist, nur dann zur Stützung einer Klage auf Nichtigerklärung eines Sekundärrechtsakts der Union oder einer Einrede der Rechtswidrigkeit eines solchen Rechtsakts geltend gemacht werden können, wenn die Art und die Struktur der Übereinkunft dem nicht entgegenstehen und diese Bestimmungen außerdem inhaltlich unbedingt und hinreichend genau erscheinen (Urteil vom 13. Januar 2015, Rat und Kommission/Stichting Natuur en Milieu und Pesticide Action Network Europe, C‑404/12 P und C‑405/12 P, EU:C:2015:5, Rn. 46 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

1037

Im vorliegenden Fall macht die Republik Bulgarien einen Verstoß gegen die Art. 2 und 4 des Übereinkommens von Paris geltend.

1038

Diese Artikel sehen im Wesentlichen vor, dass die Vertragsparteien dieses Abkommens bestrebt sind, zum Erreichen der mit diesem Abkommen verfolgten Ziele, insbesondere des in Art. 2 dieses Abkommens genannten langfristigen Temperaturziels, so bald wie möglich den weltweiten Scheitelpunkt der Emissionen von Treibhausgasen zu erreichen und danach rasche Reduktionen im Einklang mit den besten verfügbaren wissenschaftlichen Erkenntnissen herbeizuführen. Zu diesem Zweck müssen die national festgelegten Beiträge der Vertragsparteien eine Steigerung gegenüber ihrem früheren Beitrag darstellen, so dass sie ihre größtmögliche Ambition unter Berücksichtigung der jeweiligen Fähigkeiten der Vertragsparteien und der unterschiedlichen nationalen Gegebenheiten ausdrücken.

1039

Wie beim Protokoll von Kyoto zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen, das am 16. Februar 2005 in Kraft trat, und an dessen Stelle, wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund des Beschlusses 2016/1841 ergibt, das Übereinkommen von Paris getreten ist, können die Parteien dieses Übereinkommens ihre Verpflichtungen aber nach den Modalitäten und der Geschwindigkeit, auf die sie sich geeinigt haben, erfüllen (vgl. entsprechend Urteil vom 21. Dezember 2011, Air Transport Association of America u. a., C‑366/10, EU:C:2011:864, Rn. 76).

1040

Daher erscheinen die Art. 2 und 4 des Übereinkommens von Paris inhaltlich nicht als unbedingt und hinreichend genau, so dass sich die Republik Bulgarien auf sie berufen könnte, um die Rechtmäßigkeit der Verordnung 2020/1055, insbesondere ihres Art. 2 Nr. 4 Buchst. a, in Frage zu stellen.

1041

Folglich sind der erste Klagegrund der Republik Litauen, beide Teile des ersten Klagegrundes der Republik Bulgarien, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, und der Klagegrund der Republik Polen, der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsam ist, soweit er gegen Art. 2 Nr. 4 Buchst. a dieser Verordnung gerichtet ist, als unbegründet zurückzuweisen.

1042

Nach alledem sind die Klagen der Republik Litauen (Rechtssache C‑542/20), der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑545/20), Rumäniens (Rechtssache C‑547/20), der Republik Malta (Rechtssache C‑552/20) und der Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 gerichtet sind.

1043

Folglich ist auch die Klage Rumäniens (Rechtssache C‑547/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. b und c dieser Verordnung gerichtet ist, da dieser Antrag auf Nichtigerklärung nämlich nicht auf ein anderes Vorbringen gestützt ist als dasjenige, das dem Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a zugrunde liegt.

4.   Zu Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird

1044

Zur Stützung ihrer Klage (Rechtssache C‑554/20) auf Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, macht die Republik Polen drei Klagegründe geltend. Der erste betrifft einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zweite betrifft einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit und der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsame Klagegrund, soweit er sich gegen deren Art. 1 Nr. 3 richtet, soweit mit diesem ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, betrifft einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta.

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit

1) Vorbringen der Parteien

1045

Mit ihrem zweiten Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 richtet, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, macht die Republik Polen geltend, dass diese Bestimmung nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit ergäben.

1046

Der Grundsatz der Rechtssicherheit gebiete, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar seien, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren könnten. Die Republik Polen bringt vor, es sei zwar zulässig, dass eine Regelung vage sei, abstrakte Begriffe enthalte oder einen Ermessensspielraum einräume, doch gelte dies nur unter der Voraussetzung, dass sie nicht zu Willkür führe und von der Rechtsprechung präzisiert werden könne.

1047

Im vorliegenden Fall hindere die Verwendung sehr vager Begriffe in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, die Verkehrsunternehmen daran, die sich aus dieser Bestimmung ergebende Verpflichtung und die sich aus einem Verstoß gegen sie ergebenden Folgen mit der erforderlichen Klarheit und Genauigkeit zu bestimmen.

1048

Das erste in dieser Bestimmung vorgesehene Kriterium der „normalen“ Zuordnung der Fahrer und Fahrzeuge zu einer Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat sei nämlich sehr unklar. Obwohl sich die in dieser Bestimmung vorgesehene Verpflichtung von den Verpflichtungen unterscheide, die in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 bzw. in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit diesem ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, genannt seien, sei es schwierig, deren Tragweite zu bestimmen.

1049

Im Übrigen sei auch das zweite in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Kriterium, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, wonach die Fahrer und die Fahrzeuge in einer „– im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessene[n] – Zahl“ normalerweise einer Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat zugeordnet sein müssten, sehr vage, so dass es unmöglich sei, die nach dieser Verpflichtung erforderliche Zahl von Fahrzeugen und Fahrern konkret zu bestimmen.

1050

Die Republik Polen ist der Ansicht, dass die abstrakten Begriffe, die in Art. 5 Buchst. c der Verordnung Nr. 1071/2009 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Verordnung 2020/1055 geltenden Fassung verwendet worden seien, der vorsah, dass ein Unternehmen, um die Anforderung einer Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat zu erfüllen, seine Tätigkeit tatsächlich und dauerhaft, mittels der „erforderlichen verwaltungstechnischen Ausstattung“ und der „angemessenen technischen Ausstattung und Einrichtung“, an einer in dem betreffenden Mitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte ausüben müsse, nicht mit den Begriffen verglichen werden könnten, die in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 verwendet würden, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, da zwischen diesen beiden Bestimmungen ein grundlegender Unterschied bestehe. Während die Begriffe der „erforderlichen verwaltungstechnischen Ausstattung“ und der „angemessenen technischen Ausstattung und Einrichtung“ für den Tätigkeitsbereich der Verkehrsunternehmen von untergeordneter Bedeutung seien, sei die Frage der Zahl der Fahrzeuge und Fahrer für den Betrieb dieser Unternehmen und die Kosten ihres Betriebs entscheidend. Es sei daher wesentlich, dass die sie betreffende Bestimmung genau sei.

1051

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1052

Die Erwägungen in den Rn. 158 bis 162 des vorliegenden Urteils sind bei der Beurteilung der Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu berücksichtigen.

1053

Diese Bestimmung verpflichtet die Verkehrsunternehmen nach ihrem Wortlaut, gewöhnlich und dauerhaft über eine – im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des betreffenden Unternehmens angemessene – bestimmte Zahl an Fahrzeugen sowie an Fahrern, die normalerweise einer Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat zugeordnet sind, zu verfügen.

1054

Somit ergibt sich schon aus dem Wortlaut dieser Bestimmung, dass der Zweck dieser Verpflichtung darin besteht, sicherzustellen, dass die Verkehrsunternehmen über die materiellen und personellen Mittel, die ihrer Betriebsstätte zugeordnet sind, verfügen, die für die Durchführung ihrer Beförderungen erforderlich sind.

1055

Wie der Generalanwalt in Nr. 705 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, verwalten die Verkehrsunternehmen den Fluss der Fahrzeuge ständig in Bezug zur Verfügbarkeit der Fahrer und haben daher eine recht genaue Vorstellung von der Zahl der Fahrzeuge und Fahrer, die für ihre Tätigkeiten erforderlich sind. Der Unionsgesetzgeber wollte dadurch, dass er die Verpflichtung der Verkehrsunternehmen, über materielle und personelle Mittel im Verhältnis zur Zahl der durchgeführten Beförderungsvorgänge zu verfügen, nicht enger eingegrenzt hat, diesen Unternehmen ein gewisses Ermessen und damit die erforderliche Flexibilität bei der Organisation ihrer Beförderungstätigkeiten nach Maßgabe der ihnen eigenen Modalitäten nicht entziehen.

1056

Im Übrigen verstößt der Umstand, dass die in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, festgelegte Voraussetzung in allgemeinen Worten formuliert ist, die es nicht erlauben, die genaue Zahl der Fahrer und Fahrzeuge zu bestimmen, auf die sie sich bezieht, sondern die eine Beziehung der Verhältnismäßigkeit zwischen der Zahl der Fahrer und Fahrzeuge zum einen und dem Umfang der Verkehrstätigkeit des betreffenden Unternehmens zum anderen festlegen, nicht gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit.

1057

Nach der in Rn. 159 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung hindert nämlich der Grundsatz der Rechtssicherheit den Unionsgesetzgeber nicht daran, im Rahmen einer von ihm erlassenen Norm einen abstrakten Rechtsbegriff zu verwenden, und er gebietet auch nicht, dass in einer solchen abstrakten Norm die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Gesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann.

1058

Die Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit verlangt somit vom Unionsgesetzgeber weder, dass er alle spezifischen Modalitäten der Durchführung der Bestimmungen eines Gesetzgebungsakts festlegt, noch, dass er alle konkreten Situationen erfasst, auf die diese Bestimmungen Anwendung finden können, da der Unionsgesetzgeber, wie sich aus der in Rn. 160 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, berechtigt ist, im Bemühen um Flexibilität und um unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu handeln, einen allgemeinen Rechtsrahmen zu schaffen, der gegebenenfalls später konkretisiert werden muss.

1059

Folglich muss eine Bestimmung wie die in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, vorgesehene, die auf eine Vielzahl unterschiedlicher Sachverhalte anwendbar ist, nicht im Einzelnen angeben oder regeln, auf welche Sachverhalte sie Anwendung finden soll.

1060

Außerdem sah, wie das Parlament und der Rat zu Recht geltend machen, Art. 5 Buchst. c der Verordnung Nr. 1071/2009, der im Wesentlichen durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. f in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, ersetzt wurde, ebenfalls abstrakt vor, dass die Unternehmen über die erforderliche verwaltungstechnische Ausstattung und die angemessene technische Ausstattung und Einrichtung an einer im Niederlassungsmitgliedstaat gelegenen Betriebsstätte verfügen mussten.

1061

Insoweit kann dem Vorbringen der Republik Polen nicht gefolgt werden, wonach zwischen den Voraussetzungen in Bezug auf die „erforderliche verwaltungstechnische Ausstattung“ und die „angemessene technische Ausstattung und Einrichtung“ einerseits und den Voraussetzungen in Bezug auf die Zahl der Fahrzeuge und Fahrer andererseits zu unterscheiden sei, da für den Betrieb der Verkehrsunternehmen nur die zweiten Voraussetzungen maßgeblich seien. Selbst wenn dies zutreffen sollte, ist ein solches Vorbringen nämlich nicht geeignet, die Beurteilung der Vereinbarkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit zu entkräften.

1062

Folglich ist der zweite Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

1063

Mit ihrem ersten Klagegrund, der sich gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, richtet, macht die Republik Polen geltend, dass diese Bestimmung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoße.

1064

Erstens bringt dieser Mitgliedstaat vor, dass mangels einer angemessenen Beurteilung dieser Bestimmung in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung die Gründe für ihre Einführung ebenso wie die Ziele, die mit dieser Bestimmung verfolgt werden sollten, unklar blieben.

1065

Zweitens hebt dieser Mitgliedstaat hervor, dass gegenüber den in Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054 und in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, vorgesehenen Maßnahmen die in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, vorgesehene Verpflichtung, die darin bestehe, gewöhnlich und dauerhaft über eine ausreichende Zahl an Fahrern und an Fahrzeugen zu verfügen, eine zusätzliche Maßnahme darstellte, die darauf abziele, die Fahrer und die Fahrzeuge so eng wie möglich an die Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens zu binden, wodurch die Mobilität der Fahrzeuge, die den Verkehrsunternehmen zur Verfügung stünden, weiter eingeschränkt würde.

1066

Eine solche Verpflichtung sei im Übrigen willkürlich. Sie berücksichtige nicht die Besonderheit der Tätigkeit des grenzüberschreitenden Verkehrs, die voraussetze, dass die Fahrzeuge und die Fahrer tatsächlich Beförderungen durchführten und nicht dem betreffenden Verkehrsunternehmen in dessen Betriebsstätte zur Verfügung stünden. Diese Verpflichtung betreffe nicht das Bestehen einer tatsächlichen und dauerhaften Niederlassung, sondern regele die Modalitäten der Organisation der Beförderungstätigkeit.

1067

Um dieser Verpflichtung nachzukommen, seien die Verkehrsunternehmer verpflichtet, die Häufigkeit der Rückkehr der Fahrzeuge und der Fahrer zu ihrer Betriebsstätte zu erhöhen oder ihren Fuhrpark weiterzuentwickeln und die Zahl der Fahrer zu erhöhen. Beide Optionen brächten erhebliche Kosten für die Verkehrsunternehmen mit sich, was zur Insolvenz zahlreicher dieser Unternehmen, insbesondere KMU, führe oder diese dazu zwinge, ihren Sitz in einen Mitgliedstaat im zentralen Teil der Union zu verlegen. Diese schwerwiegenden Folgen für den Betrieb dieser Unternehmen seien aber in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung nicht berücksichtigt worden.

1068

Im Übrigen sei die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügt habe, zu beurteilen. Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt werde, sei jedoch in der Zeit der durch die Covid‑19-Pandemie ausgelösten Wirtschaftskrise erlassen worden, obwohl dieser Gesetzgeber über Daten zu den Auswirkungen dieser Krise auf den Verkehrssektor verfügt habe.

1069

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1070

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass, wie der Generalanwalt in Nr. 692 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, der Vorschlag für eine „Niederlassungsverordnung“ in Art. 1 Nr. 3 Buchst. d eine Bestimmung enthielt, die derjenigen entsprach, die im vorliegenden Fall die Verpflichtung einführte, gewöhnlich und dauerhaft über eine ausreichende Zahl an Fahrern und an Fahrzeugen zu verfügen, indem sie die Einfügung eines Buchst. e in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 vorsah, mit dem von den Verkehrsunternehmen verlangt worden wäre, in einem im Verhältnis zur Größe und Tätigkeit der Niederlassung angemessenen Umfang Vermögenswerte zu halten und Mitarbeiter zu beschäftigen, wobei diese Anforderungen im Rahmen der Maßnahme 18 in der Folgenabschätzung – Teil Niederlassung (Teil 1/2, S. 30 und 31, sowie Teil 2/2, S. 44) angeführt wurden. Folglich kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, erlassen zu haben, obwohl er angeblich nicht über die erforderlichen Angaben für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung verfügt hat.

1071

Was zweitens die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, als solche betrifft, ist festzustellen, dass, wie aus dem sechsten Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 hervorgeht, das Ziel dieser Bestimmung, anhand dessen ihre Verhältnismäßigkeit zu beurteilen ist, darin besteht, dem Phänomen der „Briefkastenfirmen“ beizukommen, indem gewährleistet wird, dass die in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Kraftverkehrsunternehmen sich tatsächlich und dauerhaft in diesem Mitgliedstaat aufhalten und ihre Verkehrstätigkeit von dort ausüben. Damit verfolgt diese Bestimmung eine vom Unionsrecht anerkannte dem Gemeinwohl dienende Zielsetzung, die in der Bekämpfung missbräuchlicher Praktiken und insbesondere von Verhaltensweisen besteht, durch die rein künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen errichtet werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 6. April 2006, Agip Petroli, C‑456/04, EU:C:2006:241, Rn. 19 bis 25; vom 12. September 2006, Cadbury Schweppes und Cadbury Schweppes Overseas, C‑196/04, EU:C:2006:544, Rn. 51, 55, 57, 67 und 68, sowie vom 26. Februar 2019, X [In dritten Ländern ansässige Zwischengesellschaften], C‑135/17, EU:C:2019:136, Rn. 82).

1072

Zwar verlangt diese Bestimmung, um dieses Ziel zu erreichen, dass das Verkehrsunternehmen gewöhnlich und dauerhaft über eine Zahl an Fahrzeugen, die die Anforderungen nach Abs. 1 Buchst. e, der in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 durch Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 eingefügt wurde, erfüllen, und an Fahrern verfügt, die normalerweise einer Betriebsstätte des Niederlassungsmitgliedstaats zugeordnet sind, doch schreibt sie entgegen dem Vorbringen der Republik Polen nicht die dauernde Anwesenheit dieser Fahrzeuge und Fahrer in dieser Betriebsstätte oder auch nur im betreffenden Mitgliedstaat vor.

1073

Diese Auslegung wird dadurch bestätigt, dass Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, vorsieht, dass die Zahl der Fahrzeuge und Fahrer, die der Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens zugeordnet sein müssen, im Verhältnis zum Umfang der Verkehrstätigkeit des Unternehmens angemessen sein muss, was voraussetzt, dass die Fahrer diese Tätigkeiten mit Hilfe dieser Fahrzeuge durchführen. Daraus folgt, dass die in dieser Bestimmung genannten Fahrzeuge und Fahrer notwendigerweise in der Lage sein müssen, sich zu bewegen und die Betriebsstätte dieses Verkehrsunternehmens zu verlassen.

1074

Im Übrigen verpflichtet entgegen dem Vorbringen der Republik Polen die Einhaltung der in Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, vorgesehenen Maßnahme als solche das betreffende Verkehrsunternehmen nicht, häufiger eine Rückkehr der Fahrer und Fahrzeuge zu seiner Betriebsstätte zu organisieren, da sich solche Verpflichtungen aus anderen Bestimmungen des Unionsrechts ergeben, nämlich aus Art. 1 Nr. 6 Buchst. d der Verordnung 2020/1054, dessen Rechtmäßigkeit durch keinen der gegen ihn gerichteten Nichtigkeitsgründe in Frage gestellt wurde, und aus Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, der, wie in Rn. 738 des vorliegenden Urteils ausgeführt, für nichtig zu erklären ist.

1075

Daraus folgt, dass die Verpflichtung, gewöhnlich und dauerhaft über eine Zahl an Fahrzeugen und Fahrern zu verfügen, die normalerweise einer Betriebsstätte des Niederlassungsmitgliedstaats des betreffenden Verkehrsunternehmens zugeordnet sind, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass sie eine dauernde Anwesenheit dieser Fahrzeuge und Fahrer an dieser Betriebsstätte verlangt.

1076

Im Übrigen ist darauf hinzuweisen, dass aus den in Rn. 857 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen das Vorbringen der Republik Polen zu den Auswirkungen der Covid‑19-Pandemie für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verordnung 2020/1055 unerheblich ist.

1077

Folglich ist der erste Klagegrund der Republik Polen, soweit er gegen Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

1) Vorbringen der Parteien

1078

Mit ihrem allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsamen Klagegrund, soweit er sich gegen Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung richtet und mit diesem ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, macht die Republik Polen geltend, der Unionsgesetzgeber habe mit dem Erlass dieser Bestimmung gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta verstoßen.

1079

Sie stützt diesen Klagegrund auf dieselben Argumente, die im Wesentlichen in den Rn. 990 bis 1002 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind. Der Unionsgesetzgeber habe die Auswirkungen der in dieser Bestimmung vorgesehenen Verpflichtung, gewöhnlich und dauerhaft über eine Zahl an Fahrzeugen und Fahrern zu verfügen, die normalerweise einer Betriebsstätte des Niederlassungsmitgliedstaats zugeordnet seien, nicht geprüft, obwohl diese schwerwiegende Auswirkungen auf die Umwelt hätte, da sie zu zusätzlichen Fahrten von Lastkraftwagen, einschließlich Leerfahrten, führe, aus denen sich eine Erhöhung der Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen ergebe.

1080

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1081

Da die Republik Polen im Rahmen ihres allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsamen Klagegrundes, soweit er sich gegen Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung richtet und mit diesem ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, in Bezug auf diese Bestimmung dieselben Argumente vorbringt, die sie gegen die anderen angefochtenen Maßnahmen der Verordnung 2020/1055 vorgebracht hat, gelten die Erwägungen in den Rn. 1011 bis 1030 des vorliegenden Urteils für die in der letztgenannten Bestimmung vorgesehene Verpflichtung.

1082

Im Übrigen schreibt Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, entgegen dem Vorbringen der Republik Polen, wie in Rn. 1074 des vorliegenden Urteils ausgeführt, nicht die Rückkehr der Fahrzeuge zur Betriebsstätte des betreffenden Verkehrsunternehmens vor. Daraus folgt, dass dieser Mitgliedstaat keinen Beweis dafür vorgelegt hat, der spezifisch untermauert, dass diese Bestimmung erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt hat, die zu einem Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta führen könnten.

1083

Folglich ist der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsame Klagegrund der Republik Polen, soweit er sich gegen Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung richtet und mit diesem ein Abs. 1 Buchst. g in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird, als unbegründet zurückzuweisen.

1084

Nach alledem ist die Klage der Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung dieser Bestimmung gerichtet ist.

5.   Zu Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055

1085

Zur Stützung ihrer Klage (Rechtssache C‑554/20) auf Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 macht die Republik Polen vier Klagegründe geltend. Der erste betrifft einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der zweite betrifft einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV, der dritte einen Verstoß gegen Art. 94 AEUV und der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsame Klagegrund, soweit er sich gegen deren Art. 2 Nr. 5 Buchst. b richtet, betrifft einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV und gegen Art. 37 der Charta.

a)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1) Vorbringen der Parteien

1086

Mit ihrem ersten Klagegrund macht die Republik Polen geltend, dass Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055, mit dem ein Abs. 7 in Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 eingefügt werde, nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben.

1087

Erstens sei Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 nicht durch objektive Kriterien eingegrenzt. Der 22. Erwägungsgrund dieser Verordnung rechtfertige diese Bestimmung mit dem Willen, unfairen Praktiken entgegenzuwirken, die zu „Sozialdumping“ führen und die Achtung des Rechtsrahmens für Kabotage gefährden könnten. Der Begriff „Sozialdumping“ sei jedoch nicht definiert worden und könne zu Missbrauch führen. Dies sei hier der Fall. Es gebe nämlich kein objektives Element, das es erlaube, die Unterschiede in der wirtschaftlichen Entwicklung zwischen den Mitgliedstaaten und die sich daraus ergebenden Lohnunterschiede mit einer Situation des „Sozialdumpings“ gleichzustellen.

1088

Im Übrigen belasse Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 den Mitgliedstaaten einen beträchtlichen Handlungsspielraum hinsichtlich der Möglichkeit, die Wartezeit zu verkürzen. Die Mitgliedstaaten im zentralen Teil der Union könnten dann veranlasst sein, derartige Beschränkungen zu verallgemeinern und die in Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 festgelegten Kabotagebedingungen, die bereits unverhältnismäßig seien, weiter zu verschärfen, wie sich aus dem im Wesentlichen in den Rn. 765 bis 801 des vorliegenden Urteils dargelegten Vorbringen der Republik Polen ergebe.

1089

Außerdem sei Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 nicht Gegenstand einer Folgenabschätzung gewesen. Dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung nicht geprüft habe, stelle aus den im Wesentlichen in den Rn. 691 bis 706 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen, die die Republik Polen in Bezug auf die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge geltend macht, einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar.

1090

Zweitens habe der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er die Erbringung von Dienstleistungen durch die Verkehrsunternehmer der Mitgliedstaaten mit einem geringeren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau willkürlich als „Sozialdumping“ eingestuft habe, nicht die grundlegenden negativen Folgen berücksichtigt, die sich aus der Beschränkung der Kabotagebeförderungen im Rahmen von Beförderungen im kombinierten Verkehr ergäben, obwohl die Kabotagebeförderungen es den Verkehrsunternehmen erlaubten, die Zahl der Leerfahrten zu verringern und den Betrieb des Fuhrparks zu optimieren.

1091

Drittens verstoße Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 im Hinblick auf das Verhältnis zwischen den den Verkehrsunternehmen auferlegten Belastungen und dem verfolgten Ziel gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Notwendigkeit, „Sozialdumping“ zu bekämpfen, rechtfertige es nämlich nicht, die freie Erbringung von Kabotagedienstleistungen durch die Verkehrsunternehmen zu beschränken.

1092

Der Unionsgesetzgeber habe zunächst nicht berücksichtigt, dass der internationale Straßenverkehrssektor hauptsächlich KMU umfasse. Die Republik Polen stützt sich insoweit auf ihr Vorbringen, das sich gegen die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge und die Wartezeit richtet. Die Auswirkungen des sich aus Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 ergebenden Anstiegs der Betriebskosten würden die Rentabilität dieser Unternehmen beeinträchtigen, was zur Insolvenz eines Teils dieser Unternehmen führen werde. Dieser Anstieg der Betriebskosten werde höchstwahrscheinlich zu einem Anstieg der Warenpreise führen, der schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft der Union haben könnte. Schließlich ist die Republik Polen der Ansicht, dass die wirtschaftliche Situation der Verkehrsunternehmer mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union nicht berücksichtigt worden sei.

1093

Die Studie über Kabotagebeschränkungen im kombinierten Verkehr bestätige die negativen Auswirkungen von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055.

1094

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1095

Art. 4 der Richtlinie 92/106 erlaubt es den Verkehrsunternehmen, im Rahmen des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten, d. h. von Beförderungen, die mit dem Straßenverkehr sonstige Verkehrsträger, wie Schiene, Binnen- oder Seeschifffahrt, verbinden, Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße durchzuführen, die Bestandteil des kombinierten Verkehrs sind, die von der Anwendung der Vorschriften über die Kabotage ausgenommen sind.

1096

Durch Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 wird in Art. 10 der Verordnung Nr. 1072/2009 ein Abs. 7 eingefügt, in dem es heißt, dass „Mitgliedstaaten, wenn das zur Vermeidung von Missbrauch [von Art. 4 der Richtlinie 92/106] durch unbegrenzte und ununterbrochene Verkehrsdienste in Form von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs zwischen Mitgliedstaaten erforderlich ist, vorsehen [können], dass Artikel 8 der vorliegenden Verordnung für Verkehrsunternehmer im Fall solcher Zu- oder Ablaufverkehre auf der Straße innerhalb dieses Mitgliedstaats Anwendung findet“.

1097

Außerdem bestimmt dieser Abs. 7, dass „[f]ür derartige Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße … die Mitgliedstaaten einen längeren als den in Artikel 8 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 1072/2009] vorgesehenen Zeitraum von sieben Tagen und einen kürzeren als den in Artikel 8 Absatz 2a [dieser] Verordnung vorgesehenen Zeitraum von vier Tagen vorsehen [können]“. Überdies sieht dieser Abs. 7 vor, dass „Mitgliedstaaten, die von [dieser] Abweichung Gebrauch machen, … hiervon die Kommission [unterrichten], bevor sie ihre einschlägigen einzelstaatlichen Maßnahmen anwenden“, „diese Maßnahmen mindestens alle fünf Jahre [überprüfen]“, „die Kommission über die Ergebnisse dieser Überprüfung [unterrichten]“ und „die Vorschriften, einschließlich der jeweiligen Fristen, in transparenter Weise öffentlich zugänglich [machen]“.

1098

Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 gibt den Mitgliedstaaten somit die Möglichkeit, zur Vermeidung von Missbrauch der in Art. 4 der Richtlinie 92/106 vorgesehenen Ausnahme abweichend von dieser Ausnahme die Anwendung der Kabotagevorschriften in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 in der durch die Verordnung 2020/1055 geänderten Fassung auf Zu- und/oder Ablaufverkehre auf der Straße innerhalb ihres Hoheitsgebiets als Bestandteil des kombinierten Verkehrs vorzusehen, wobei den Mitgliedstaaten im Übrigen gestattet wird, diese Anwendung mit Erleichterungen hinsichtlich der Verlängerung des zulässigen Kabotagezeitraums und der Verkürzung der Wartezeit im Rahmen solcher Beförderungen im kombinierten Verkehr zu verbinden.

1099

Nach dieser Klarstellung ist erstens festzustellen, dass, wie das Parlament und der Rat geltend gemacht haben, ohne dass die Republik Polen dem widersprochen hätte, die Folgenabschätzung zu dem Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates zur Änderung der Richtlinie 92/106/EWG über die Festlegung gemeinsamer Regeln für bestimmte Beförderungen im kombinierten Güterverkehr zwischen Mitgliedstaaten (SWD[2017] 362 final, S. 25) auf die Schwierigkeiten hinwies, die mit einer missbräuchlichen Anwendung der in Art. 4 der Richtlinie 92/106 vorgesehenen Ausnahme von den Kabotagevorschriften im kombinierten Verkehr verbunden seien. Insbesondere wurde die Auffassung vertreten, dass diese Ausnahme, die die Entwicklung des grenzüberschreitenden intermodalen Verkehrs ermöglicht habe, beibehalten werden sollte, dass jedoch verhindert werden sollte, dass sie genutzt werde, um die Kabotagevorschriften zu umgehen.

1100

Im Übrigen ist auch darauf hinzuweisen, dass diese Folgenabschätzung (S. 16 und 17) insbesondere die Auswirkungen berücksichtigt hat, die sich aus einer vollständigen Aufhebung der in Art. 4 der Richtlinie 92/106 vorgesehenen Ausnahme ergeben würden.

1101

Unter diesen Umständen kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 erlassen zu haben, obwohl er angeblich nicht über die für die Prüfung der Verhältnismäßigkeit dieser Bestimmung erforderlichen Angaben verfügt hat.

1102

Was zweitens die Verhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 betrifft, ist in Bezug auf das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel, anhand dessen diese Verhältnismäßigkeit zu prüfen ist, festzustellen, dass zwar, wie die Republik Polen geltend macht, die Bezugnahme auf „Sozialdumping“ im 22. Erwägungsgrund der Verordnung 2020/1055 als mögliche Folge der unfairen Praktiken, die im kombinierten Verkehr festgestellt wurden, angeführt wird.

1103

Der Kampf gegen „Sozialdumping“ ist jedoch nicht das Hauptziel dieser Bestimmung. Wie sich nämlich schon aus ihrem Wortlaut im Licht des 22. Erwägungsgrundes ergibt, soll diese Bestimmung einen Missbrauch von Art. 4 der Richtlinie 92/106 verhindern, der darauf abzielte, den vorübergehenden Charakter der Kabotage zu umgehen und die Grundlage für die dauerhafte Präsenz von Fahrzeugen in einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat des Verkehrsunternehmens zu schaffen.

1104

Was die behauptete Unverhältnismäßigkeit von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 im Hinblick auf dieses Ziel betrifft, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass die Republik Polen zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes nichts Spezifisches vorgetragen hat. Dieser Mitgliedstaat wiederholt seine Argumente gegen die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge, die er im Rahmen seines ersten Klagegrundes betreffend einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dargelegt hat.

1105

Dem Vorbringen der Republik Polen, Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 könne zu einer Zunahme der Leerfahrten von Fahrzeugen und Schwierigkeiten bei der Optimierung des Betriebs der Kraftfahrzeugflotte führen, kann jedoch nicht gefolgt werden.

1106

Zum einen würde nämlich der Gebrauch, den ein Mitgliedstaat von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit machen würde, nicht ein vollständiges Verbot der Zu- oder Ablaufverkehre auf der Straße in seinem Hoheitsgebiet als Bestandteil des kombinierten Verkehrs bedeuten, sondern eine Regelung dieser Fahrten durch die Anwendung der Kabotagevorschriften, mit möglichen Erleichterungen hinsichtlich der Verlängerung des zulässigen Kabotagezeitraums und der Verkürzung der Wartezeit.

1107

Zum anderen verlangt Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 entgegen der Prämisse, auf der das Vorbringen der Republik Polen beruht, nicht, dass das Fahrzeug in die Betriebsstätte des Verkehrsunternehmens zurückgebracht wird, und hindert dieses Unternehmen daher nicht daran, im Fall der Inanspruchnahme der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit durch einen Mitgliedstaat, andere als die in dieser Bestimmung angeführten Beförderungen vorzunehmen, um die Leerfahrten von Fahrzeugen zu verringern.

1108

Was im Übrigen die Studie über Kabotagebeschränkungen im kombinierten Verkehr betrifft, die nach dem Erlass der Verordnung 2020/1055 erstellt wurde, ist darauf hinzuweisen, dass nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs die Gültigkeit eines Unionsrechtsakts gemessen an den Informationen, über die der Unionsgesetzgeber zum Zeitpunkt des Erlasses der betreffenden Regelung verfügte, zu beurteilen ist (Urteil vom 22. Februar 2022, Stichting Rookpreventie Jeugd u. a., C‑160/20, EU:C:2022:101, Rn. 67 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

1109

Jedenfalls hat die Republik Polen nicht dargetan, inwiefern diese Studie, die auf der Annahme beruht, dass die in Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009, insbesondere in den Abs. 2 und 2a dieses Artikels, vorgesehene Regelung für Kabotagebeförderungen in allen Mitgliedstaaten in vollem Umfang auf Beförderungen im kombinierten Verkehr angewandt wird, im vorliegenden Fall relevant ist.

1110

Wie der Rat zu Recht geltend macht, läuft die in dieser Studie zugrunde gelegte Annahme darauf hinaus, die in Art. 4 der Richtlinie 92/106 vorgesehene Ausnahme enger zu begrenzen als die vom Unionsgesetzgeber in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 erlassene Maßnahme.

1111

Zunächst ist nämlich darauf hinzuweisen, dass die Mitgliedstaaten von der in dieser Bestimmung vorgesehenen Möglichkeit nur dann Gebrauch machen können, „wenn das zur Vermeidung von Missbrauch [von diesem Art. 4] durch unbegrenzte und ununterbrochene Verkehrsdienste in Form von Zu- oder Ablaufverkehren auf der Straße innerhalb eines Aufnahmemitgliedstaats als Bestandteil des kombinierten Verkehrs … erforderlich ist“.

1112

Sodann verpflichtet diese Möglichkeit mit der Bestimmung, dass „die Mitgliedstaaten einen längeren als den in Artikel 8 Absatz 2 der [Verordnung Nr. 1072/2009] vorgesehenen Zeitraum von sieben Tagen und einen kürzeren als den in Artikel 8 Absatz 2a [dieser] Verordnung vorgesehenen Zeitraum von vier Tagen vorsehen [können]“, die Mitgliedstaaten nicht, die in der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehene Kabotageregelung in vollem Umfang auf Beförderungen im kombinierten Verkehr anzuwenden, sondern lässt ihnen die Möglichkeit, auf eine flexiblere Anwendung dieser Regelung zurückzugreifen.

1113

Insoweit ist festzustellen, dass sich die Republik Polen auf eine fehlerhafte Auslegung von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 stützt, wenn sie geltend macht, dass die den Mitgliedstaaten nach dieser Bestimmung eingeräumte Möglichkeit, eine kürzere Wartezeit als die in Art. 8 Abs. 2a der Verordnung Nr. 1072/2009 vorgesehene Wartezeit von vier Tagen festzulegen, es diesen Mitgliedstaaten erlaube, die Bedingungen für die Kabotage enger zu regeln, da durch die Verkürzung der Wartezeit zwischen zwei Kabotagezyklen, der Mitgliedstaat, der von der in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch mache, es den Verkehrsunternehmern erlaube, im kombinierten Verkehr in seinem Hoheitsgebiet häufiger Kabotagebeförderungen durchzuführen, als bei der Anwendung der Wartezeit nach Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055.

1114

Schließlich unterliegt die Anwendung der in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Möglichkeit einer Kontrolle, da die Mitgliedstaaten, die von ihr Gebrauch machen wollen, u. a. die Kommission hiervon unterrichten müssen, bevor sie die einschlägigen einzelstaatlichen Maßnahmen anwenden, und diese Maßnahmen mindestens alle fünf Jahre überprüfen sowie die Kommission über die Ergebnisse dieser Überprüfung unterrichten müssen.

1115

Aus den vorstehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Republik Polen nicht nachgewiesen hat, dass Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 im Hinblick auf das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel unverhältnismäßig ist.

1116

Folglich ist der erste Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

1117

Mit ihrem zweiten und ihrem dritten Klagegrund, die sich gegen Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 richten und die zusammen zu prüfen sind, macht die Republik Polen geltend, dass diese Bestimmung gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verstoße.

1118

Insoweit wiederholt sie ihr Vorbringen, das sich gegen die Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge und gegen die Wartezeit richtet.

1119

Im Übrigen macht dieser Mitgliedstaat erstens geltend, dass der Unionsgesetzgeber gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoßen habe, da, indem der Situation der in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmer nicht Rechnung getragen werde, die in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Möglichkeit betreffend die Kabotagebeförderungen im kombinierten Verkehr zu einem Rückgang des Lebensstandards und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen führe.

1120

Außerdem habe die Richtlinie 92/106 nach ihrem dritten Erwägungsgrund zum Ziel, die Überlastung der Straßen und die Umweltverschmutzung im Zusammenhang mit dem Straßenverkehr zu bekämpfen. Indem der Unionsgesetzgeber durch den Erlass von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 den Anwendungsbereich der Richtlinie 92/106 eingeschränkt habe, habe er auch gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV verstoßen, indem er den negativen Auswirkungen von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen nicht Rechnung getragen habe. Die Zunahme der Leerfahrten und die erhöhten Schwierigkeiten bei der Durchführung von Beförderungen im kombinierten Verkehr führten unweigerlich zu einer Zunahme des Verkehrs auf den Straßeninfrastrukturen und damit zu einer Verschlechterung ihres Zustands.

1121

Zweitens macht die Republik Polen geltend, der Unionsgesetzgeber habe durch die Einführung zusätzlicher Beschränkungen für die Kabotage gegen Art. 94 AEUV verstoßen, indem er der Lage der Verkehrsunternehmen, insbesondere derjenigen aus den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union sowie der KMU, nicht Rechnung getragen habe. Er habe auch nicht berücksichtigt, dass die durch die Covid‑19-Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise, die besonders negative Auswirkungen auf den Straßenverkehrssektor habe, die Lage der Verkehrsunternehmer noch erschwert habe.

1122

Außerdem zeige die Bezugnahme auf „Sozialdumping“, um Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 zu rechtfertigen, dass die Lage der Verkehrsunternehmen aus den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union nicht berücksichtigt worden sei. Der Wille, eine absolute Gleichheit der Wettbewerbsbedingungen zwischen den Verkehrsunternehmen aller Mitgliedstaaten zu gewährleisten, verstoße gegen den Begriff des Wettbewerbs selbst. Die Unterschiede in der Produktivität und der wirtschaftlichen Entwicklung, die letztlich zu unterschiedlichen Lohnniveaus führten, stellten nämlich die treibende Kraft für den Handelsverkehr in einem wettbewerbsorientierten Umfeld dar. Die Bemühungen, die Beteiligung der Verkehrsunternehmen mit Sitz in den weniger entwickelten Mitgliedstaaten an der Erbringung von Kabotagediensten zu begrenzen, zeigten daher, dass die wirtschaftliche Situation der Unternehmen im Hinblick auf das Wettbewerbsrecht nicht berücksichtigt worden sei.

1123

Das Parlament und der Rat halten diesen Klagegrund für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1124

Erstens ist darauf hinzuweisen, dass, wie in den Rn. 935 bis 940 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Beachtung von Art. 91 Abs. 2 AEUV, wonach der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Maßnahmen, wie der in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen, den ernstlichen nachteiligen Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen Rechnung zu tragen hat, im Wesentlichen die Verpflichtung des Unionsgesetzgebers widerspiegelt, unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zu handeln, indem er Maßnahmen erlässt, die zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sind, nicht offensichtlich über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist und die im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig sind.

1125

Wie in Rn. 1116 des vorliegenden Urteils festgestellt, lässt das Vorbringen der Republik Polen, Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, nicht den Schluss zu, dass der Unionsgesetzgeber diesen Grundsatz verletzt hätte.

1126

Abgesehen davon, dass die im Rahmen der Prüfung des angeblichen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vorgebrachten Argumente zurückgewiesen worden sind, hat dieser Mitgliedstaat zur Stützung des vorliegenden Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV geltend gemacht wird, auch keine zusätzlichen Gesichtspunkte vorgetragen, die belegen könnten, dass die in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehene Möglichkeit schwerwiegende Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf den Betrieb der Verkehrsmittel habe, denen der Unionsgesetzgeber bei der Einführung dieser Möglichkeit unter Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV nicht Rechnung getragen habe.

1127

Was als Erstes die Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen betrifft, macht die Republik Polen keine spezifischen Argumente zu dieser Möglichkeit geltend, sondern verweist, wie bei den Rügen, die gegen die Wartezeit erhoben werden, auf ihr Vorbringen zur Verpflichtung betreffend die Rückkehr der Fahrzeuge, die zur Durchführung zusätzlicher Fahrten führen werde, ohne darzulegen, inwiefern die Folgen dieser Verpflichtung auch für diese Möglichkeit gälten.

1128

Folglich ist das Vorbringen der Republik Polen zum Beschäftigungsniveau mangels konkreter Anhaltspunkte, die es stützen könnten, als spekulativ anzusehen.

1129

Als Zweites kann auch das Vorbringen der Republik Polen, wonach Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 zu einer Verschlechterung der Verkehrseinrichtungen und der ‑infrastrukturen aufgrund eines Anstiegs der Leerfahrten sowie der Substitution von Beförderungen im kombinierten Verkehr durch Beförderungen im reinen Straßenverkehr führen werde, aus den in den Rn. 1106 und 1107 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen keinen Erfolg haben. Im Übrigen beruht dieses Vorbringen teilweise auf der Prämisse, dass die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit gleichzeitig von einer erheblichen Zahl von Mitgliedstaaten ausgeübt werde, was jedoch nicht vermutet werden kann.

1130

Was zweitens das Vorbringen betrifft, mit dem ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV geltend gemacht wird, genügt der Hinweis, dass diese Bestimmung, nach der jede Maßnahme „auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“, die im Rahmen der Verträge getroffen wird, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen hat, im vorliegenden Fall unerheblich ist. Soweit Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 die Möglichkeit vorsieht, Art. 8 der Verordnung Nr. 1072/2009 im kombinierten Verkehr anzuwenden, regelt er nämlich nicht die Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen für Güter oder Fahrgäste, sondern sieht für die Mitgliedstaaten zur Vermeidung von Missbrauch die Möglichkeit vor, die Modalitäten für die Zu- oder Ablaufverkehre auf der Straße als Bestandteil dieses kombinierten Verkehrs zu regeln.

1131

Folglich sind der zweite und der dritte Klagegrund der Republik Polen gegen Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

1) Vorbringen der Parteien

1132

Die Republik Polen macht mit ihrem allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsamen Klagegrund, soweit er sich gegen Art. 2 Nr. 5 Buchst. b dieser Verordnung richtet, geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieser Bestimmung gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta verstoßen habe.

1133

Im Rahmen dieses Klagegrundes bringt dieser Mitgliedstaat zu Art. 2 Nr. 5 Buchst. b dieselben Argumente vor wie die, die im Wesentlichen in den Rn. 990 bis 1002 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind, um geltend zu machen, dass der Unionsgesetzgeber keine angemessene Analyse der schwerwiegenden Umweltauswirkungen dieser Bestimmung vorgenommen habe, und zwar wegen der zusätzlichen Fahrten von Lastkraftwagen, einschließlich Leerfahrten, zu denen sie führe und aus denen sich eine Erhöhung der Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen ergebe.

1134

Im Übrigen bestätige die Studie über Kabotagebeschränkungen im kombinierten Verkehr die negativen Auswirkungen der in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Maßnahme auf die Umwelt im Rahmen von Beförderungen im kombinierten Verkehr und den Umstand, dass sie im Widerspruch zu den Zielen des Grünen Deals stehe.

1135

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1136

Da die Republik Polen im Rahmen ihres allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsamen Klagegrundes, soweit er sich gegen deren Art. 2 Nr. 5 Buchst. b dieser Verordnung richtet, zu dieser Bestimmung dieselben Argumente vorbringt, die sie gegen die anderen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 vorgebracht hat, gelten die Erwägungen in den Rn. 1011 bis 1030 des vorliegenden Urteils für die in dieser Bestimmung vorgesehene Möglichkeit.

1137

Im Übrigen ist aus den in den Rn. 1106, 1107 und 1129 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen das Vorbringen der Republik Polen zurückzuweisen, dass diese Möglichkeit zur Durchführung zusätzlicher Fahrten in einem solchen Ausmaß führen werde, dass sie erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt haben werde, die einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta darstellen könnten.

1138

Außerdem beruht die Studie über Kabotagebeschränkungen im kombinierten Verkehr, wie in den Rn. 1110 bis 1114 des vorliegenden Urteils festgestellt, auf einer Annahme, die eine engere Begrenzung der Anwendung von Art. 4 der Richtlinie 92/106 darstellt als die Tragweite der vom Unionsgesetzgeber in Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 vorgesehenen Möglichkeit.

1139

Folglich ist der allen angefochtenen Bestimmungen der Verordnung 2020/1055 gemeinsame Klagegrund der Republik Polen, soweit er sich gegen Art. 2 Nr. 5 Buchst. b dieser Verordnung richtet, als unbegründet zurückzuweisen.

1140

Nach alledem ist die Klage der Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 2 Nr. 5 Buchst. b der Verordnung 2020/1055 gerichtet ist.

6.   Ergebnis zur Verordnung 2020/1055

1141

Nach alledem ist den Klagen der Republik Litauen (Rechtssache C‑542/20), der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑545/20), Rumäniens (Rechtssache C‑547/20), der Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20), Ungarns (Rechtssache C‑551/20), der Republik Malta (Rechtssache C‑552/20) und der Republik Polen (Rechtssache C‑554/20) stattzugeben, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 gerichtet sind und mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird; im Übrigen sind sie abzuweisen.

C. Zur Richtlinie 2020/1057

1142

Die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), Rumänien (Rechtssache C‑548/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑555/20) beantragen die Nichtigerklärung mehrerer Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, die Nichtigerklärung dieser Richtlinie insgesamt. Die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑544/20) und die Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20) beantragen, die Richtlinie insgesamt für nichtig zu erklären.

1143

Erstens begehren die von der Republik Litauen, Rumänien, Ungarn und der Republik Polen erhobenen Klagen die Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder einiger Bestimmungen der Abs. 3 bis 7 dieses Artikels (im Folgenden auch: angefochtene Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057), soweit diese Bestimmungen zwischen verschiedenen Arten von Beförderungen im Straßenverkehr unterscheiden und bestimmte dieser Arten von Beförderungen von der Anwendung der in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern ausnehmen. Die von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern erhobenen Klagen zielen zwar auf die Nichtigerklärung der Richtlinie 2020/1057 in ihrer Gesamtheit ab, stützen sich aber auch auf Klagegründe und Argumente, die sich nur auf die Bestimmungen von Art. 1 dieser Richtlinie und insbesondere auf die Abs. 3 und 4 dieses Artikels beziehen.

1144

Zweitens ist die Klage der Republik Polen auch auf die Nichtigerklärung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 gerichtet, soweit darin die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie festgelegt wird.

1.   Übersicht über die Klagegründe

1145

Zur Stützung ihrer Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, dieser Richtlinie insgesamt (Rechtssache C‑541/20) macht die Republik Litauen drei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen das in Art. 20 der Charta verankerte allgemeine Diskriminierungsverbot, zweitens einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens einen Verstoß gegen den Grundsatz der „guten Gesetzgebung“ rügt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass dieser Mitgliedstaat in der mündlichen Verhandlung, wie bereits in Rn. 68 des vorliegenden Urteils ausgeführt, seinen Antrag auf Nichtigerklärung dieses Art. 1 Abs. 7 betreffend die Kabotage zurückgenommen hat.

1146

Zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen auf Nichtigerklärung der Richtlinie 2020/1057 insgesamt (Rechtssachen C‑544/20 und C‑550/20) machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern jeweils fünf Klagegründe geltend, die sich weitgehend überschneiden und sich im Wesentlichen auf Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie beziehen. Mit den ersten Klagegründen wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gerügt, der in Art. 5 Abs. 4 EUV und Art. 1 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit verankert ist. Mit den zweiten Klagegründen wird ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot nach Art. 18 AEUV sowie den Art. 20 und 21 der Charta, gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen nach Art. 4 Abs. 2 EUV und – „soweit vom Gerichtshof für erforderlich erachtet“ – Art. 95 Abs. 1 AEUV gerügt. Mit den dritten Klagegründen wird ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV geltend gemacht. Mit den vierten Klagegründen wird ein Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV gerügt. Mit den fünften Klagegründen wird ein Verstoß gegen die Art. 34 und 35 AEUV (erster Teil) sowie Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV oder, hilfsweise, gegen Art. 56 AEUV (zweiter Teil) geltend gemacht.

1147

Zur Stützung seiner Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, dieser Richtlinie insgesamt (Rechtssache C‑548/20) macht Rumänien zwei Klagegründe geltend, mit denen es erstens einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV vorgesehenen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zweitens einen Verstoß gegen den in Art. 18 AEUV vorgesehenen Grundsatz des Verbots der Diskriminierung aus Gründen der Staatsangehörigkeit rügt.

1148

Zur Stützung seines Antrags auf Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 (Rechtssache C‑551/20) macht Ungarn als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 geltend. Ungarn stützt seinen hilfsweise gestellten Antrag auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 auf zwei Klagegründe, mit denen es erstens einen offensichtlichen Beurteilungsfehler sowie einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und zweitens einen Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot rügt.

1149

Die Republik Polen stützt ihre Klage auf Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, dieser Richtlinie insgesamt (Rechtssache C‑555/20) auf vier Klagegründe, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, zweitens einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV, drittens gegen Art. 94 AEUV und viertens gegen Art. 11 AEUV sowie Art. 37 der Charta geltend macht. Zur Stützung ihrer Klage auf Nichtigerklärung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder, hilfsweise, dieser Richtlinie insgesamt macht die Republik Polen drei Klagegründe geltend, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, zweitens einen Verstoß gegen den in Art. 5 Abs. 4 EUV verankerten Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens einen Verstoß gegen Art. 94 AEUV rügt.

1150

Nach einer Zusammenfassung der Unionsregelung für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und einer Darlegung der verschiedenen Arten von Beförderungen im Straßenverkehr nach Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 in diesem Kontext sind nacheinander die Anträge der Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 dieser Richtlinie oder einiger seiner Bestimmungen sowie von Art. 9 Abs. 1 dieser Richtlinie zu prüfen.

2.   Zur Unionsregelung für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor

1151

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass mit der Richtlinie 96/71, wie sich aus ihrem Art. 1 Abs. 1 ergibt, der Schutz entsandter Arbeitnehmer während ihrer Entsendung im Verhältnis zur Dienstleistungsfreiheit sichergestellt werden soll, indem zwingende Vorschriften in Bezug auf die Arbeitsbedingungen sowie den Schutz der Gesundheit und Sicherheit der Arbeitnehmer festgelegt werden. Im Sinne dieser Richtlinie ist als entsandter Arbeitnehmer in ihrem Art. 2 Abs. 1 ein Arbeitnehmer definiert, der während eines begrenzten Zeitraums seine Arbeitsleistung im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats als demjenigen erbringt, in dessen Hoheitsgebiet er normalerweise arbeitet. Art. 3 Abs. 1 dieser Richtlinie verpflichtet die Mitgliedstaaten, dafür zu sorgen, dass die betroffenen Unternehmen den in ihr Hoheitsgebiet entsandten Arbeitnehmern auf der Grundlage der Gleichbehandlung die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantieren, die in dem Mitgliedstaat, in dessen Hoheitsgebiet die Arbeitsleistung erbracht wird, festgelegt sind, und zwar bezüglich der in dieser Bestimmung aufgeführten Aspekte, zu denen nach den Buchst. b und c dieser Bestimmung der bezahlte Mindestjahresurlaub und die Entlohnung gehören.

1152

Wie der Gerichtshof bereits entschieden hat, gilt die Richtlinie 96/71 mit Ausnahme der Dienstleistungen, an denen die Schiffsbesatzungen von Unternehmen der Handelsmarine beteiligt sind, grundsätzlich für jede länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen, die mit einer Entsendung von Arbeitnehmern verbunden ist, unabhängig davon, zu welchem Wirtschaftssektor eine solche Dienstleistung gehört, also auch im Straßenverkehrssektor (Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 33).

1153

Was die Richtlinie 2020/1057 anbelangt, so betrifft diese, wie sich schon aus ihrem Titel ergibt, zwei Hauptthemen. Erstens legt sie besondere Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71 und der Richtlinie 2014/67 für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor fest. Zweitens ändert sie die Richtlinie 2006/22 bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und die Verordnung Nr. 1024/2012. Die klagenden Mitgliedstaaten, die die Nichtigerklärung der Richtlinie 2020/1057 oder eines Teils davon beantragen, konzentrieren ihre Klagen auf das erste dieser beiden Themen.

1154

Insoweit legt Art. 1 der Richtlinie 2020/1057, wie sich aus seinem Abs. 1 ergibt, u. a. besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor fest. Nach dem ersten Erwägungsgrund dieser Richtlinie sollen mit der Einführung solcher besonderer Regeln sowohl angemessene Arbeitsbedingungen und ein angemessener Sozialschutz für Kraftfahrer als auch angemessene Geschäftsbedingungen und ein fairer Wettbewerb für die Kraftverkehrsunternehmen sichergestellt werden, und zwar im Interesse, einen sicheren, effizienten und sozial verantwortlichen Straßenverkehrssektor zu schaffen. Aus demselben Erwägungsgrund ergibt sich auch, dass der Unionsgesetzgeber angesichts des hohen Grades der Arbeitskräftemobilität im Straßenverkehrssektor mit dem Erlass solcher spezifischer Vorschriften für ein Gleichgewicht zwischen der Freiheit der Unternehmen zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen, dem freien Warenverkehr sowie angemessenen Arbeitsbedingungen und dem Sozialschutz für Kraftfahrer sorgen wollte.

1155

Wie sich nämlich aus dem achten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, werden angesichts der hohen Mobilität im Verkehrssektor Kraftfahrer in der Regel nicht für lange Zeiträume im Rahmen von Dienstleistungsverträgen in einen anderen Mitgliedstaat entsandt, wie das manchmal in anderen Sektoren der Fall ist. Um unter diesen besonderen Bedingungen, wie auch in den Erwägungsgründen 2 und 3 dieser Richtlinie hervorgehoben wird, sicherzustellen, dass die Dienstleistungsfreiheit im Straßenverkehr auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zwischen Verkehrsunternehmen beruht, und damit das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, legen die in dieser Richtlinie festgelegten sektorspezifischen Vorschriften daher fest, unter welchen Umständen die Kraftfahrer den in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern unterliegen oder nicht.

1156

Aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber beschlossen hat, diese sektorspezifischen Vorschriften auf das Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Kraftfahrer und der erbrachten Dienstleistung sowie mit dem Gebiet des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats zu gründen, und zur Erleichterung der Durchsetzung dieser Vorschriften zwischen den verschiedenen Arten von Beförderungen in Abhängigkeit vom Grad der Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats zu unterscheiden.

1157

So unterscheidet Art. 1 dieser Richtlinie in seinen Abs. 3 bis 7 in Verbindung mit den Erwägungsgründen 7 bis 13 dieser Richtlinie zwischen fünf Arten von grenzüberschreitenden Beförderungen, nämlich die bilateralen Beförderungen, die nicht bilateralen Beförderungen (im Folgenden: Beförderungen im Dreiländerverkehr), die Transitbeförderungen, die Beförderungen im kombinierten Verkehr und die Kabotagebeförderungen.

1158

Was erstens die bilateralen Beförderungen betrifft, so handelt es sich, wie sich aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, um Beförderungen von dem Mitgliedstaat, in dem das Verkehrsunternehmen niedergelassen ist, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats oder eines Drittlands, oder umgekehrt um Beförderungen von einem Mitgliedstaat oder Drittland zurück in den Niederlassungsmitgliedstaat des Verkehrsunternehmens.

1159

Nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 1 und Abs. 4 Unterabs. 1 der Richtlinie 2020/1057 gilt ungeachtet von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71, wenn er bilaterale Beförderungen von Gütern bzw. von Fahrgästen durchführt. Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 und Abs. 4 Unterabs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 sieht außerdem Ausnahmeregelungen für zusätzliche Tätigkeiten vor, und zwar sowohl für bilaterale Beförderungen von Gütern als auch für bilaterale Beförderungen von Fahrgästen.

1160

Was zweitens die Beförderungen im Dreiländerverkehr betrifft, ergibt sich aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057, dass sie sich dadurch auszeichnen, dass der Kraftfahrer eine grenzüberschreitende Beförderung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats des entsendenden Unternehmens durchführt. Es handelt sich also um Beförderungen aus einem anderen Mitgliedstaat als dem Niederlassungsmitgliedstaat dieses Unternehmens, oder aus einem Drittland, in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats, der sich ebenfalls von diesem Niederlassungsmitgliedstaat unterscheidet, oder in das Hoheitsgebiet eines Drittlands. Wie sich auch aus diesem Erwägungsgrund ergibt, sind in diesen Fällen sektorspezifische Vorschriften nur für die Verwaltungsanforderungen und Kontrollmaßnahmen erforderlich.

1161

Was drittens die Transitbeförderungen betrifft, handelt es sich, wie sich aus dem elften Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, um Beförderungen, bei denen der Kraftfahrer das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats durchfährt, ohne Fracht zu laden oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen. Art. 1 Abs. 5 dieser Richtlinie sieht vor, dass ein Kraftfahrer nicht als für die Zwecke der Richtlinie 96/71 entsandt gilt, wenn er das Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats somit im Transit durchfährt.

1162

Was viertens die Beförderungen im kombinierten Verkehr betrifft, so sind diese in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 92/106, auf die in der Richtlinie 2020/1057 ausdrücklich Bezug genommen wird, als Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten definiert, bei denen der Lastkraftwagen oder das andere mit dem Lastkraftwagen verbundene Mittel zur Beförderung der Güter die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße und den übrigen Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See zurücklegt. Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 bestimmt, dass, ungeachtet von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71, ein Kraftfahrer nicht als entsandt gilt, wenn der Kraftfahrer im kombinierten Verkehr die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen besteht.

1163

Was fünftens die Kabotagebeförderung betrifft, definiert Art. 2 Nr. 6 der Verordnung Nr. 1072/2009 in Verbindung mit ihrem 15. Erwägungsgrund diese als die Erbringung von Dienstleistungen durch einen Verkehrsunternehmer in einem Mitgliedstaat, in dem er nicht niedergelassen ist, und bestimmt, dass diese Beförderung nicht untersagt ist, sofern sie nicht dergestalt durchgeführt wird, dass dadurch eine dauerhafte oder ununterbrochene Tätigkeit in diesem Mitgliedstaat entsteht. Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2020/1057 sieht vor, dass ein Kraftfahrer, der eine Kabotagebeförderung durchführt, als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71 gilt.

3.   Zu Art. 1 der Richtlinie 2020/1057

1164

Zur Stützung ihrer jeweiligen Klagen auf Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder einiger Bestimmungen der Abs. 3 bis 7 dieses Artikels machen die Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), die Republik Bulgarien (Rechtssache C‑544/20), Rumänien (Rechtssache C‑548/20), die Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20), Ungarn (Rechtssache C‑551/20) und die Republik Polen (Rechtssache C‑555/20) im Wesentlichen einen Verstoß gegen Folgendes geltend:

Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 (einziger als Hauptantrag geltend gemachter Klagegrund Ungarns),

den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot (erster Klagegrund der Republik Litauen, zweiter Klagegrund der Republik Bulgarien, zweiter Klagegrund Rumäniens, zweiter Klagegrund der Republik Zypern und zweiter, hilfsweise geltend gemachter Klagegrund Ungarns),

den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (zweiter und dritter Klagegrund der Republik Litauen, erster Klagegrund der Republik Bulgarien, erster Klagegrund Rumäniens, erster Klagegrund der Republik Zypern, erster, hilfsweise geltend gemachter Klagegrund Ungarns und erster Klagegrund der Republik Polen),

die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik, die zum einen in Art. 91 Abs. 1 AEUV (dritter Klagegrund der Republik Bulgarien und der Republik Zypern) und zum anderen in Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, in Art. 91 Abs. 2 AEUV und in Art. 94 AEUV (vierter Klagegrund der Republik Bulgarien, zweiter Klagegrund der Republik Polen in Bezug auf Art. 91 Abs. 2 AEUV, dritter Klagegrund der Republik Polen in Bezug auf Art. 94 AEUV sowie vierter Klagegrund der Republik Zypern) vorgesehen sind,

den freien Warenverkehr nach den Art. 34 und 35 AEUV (erster Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien und der Republik Zypern),

die Dienstleistungsfreiheit nach Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV oder, hilfsweise, Art. 56 AEUV (zweiter Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien und der Republik Zypern) sowie

die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes gemäß Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta (vierter Klagegrund der Republik Polen).

1165

Die gegen Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 gerichteten Klagegründe sind daher so gegliedert und in dieser Reihenfolge zu prüfen.

a)   Zum Verstoß gegen Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71

1) Vorbringen der Parteien

1166

Ungarn bringt mit seinem einzigen als Hauptantrag geltend gemachten Klagegrund vor, Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 verstoße gegen Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71, da die Kraftfahrer, die im internationalen Straßenverkehr tätig seien, in Anbetracht der besonderen Merkmale der von ihnen ausgeübten Tätigkeit im Allgemeinen nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fielen.

1167

Erstens komme nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71, auf den in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2020/1057 Bezug genommen werde, die Anwendbarkeit der Entsenderegelung auf Kraftfahrer, die im internationalen Straßenverkehr tätig seien, nur dann in Betracht, wenn zwischen dem sie beschäftigenden Verkehrsunternehmen und dem Empfänger der Entsendung ein Vertragsverhältnis bestehe. Obwohl ein solches Vertragsverhältnis im Rahmen von Beförderungsverträgen ungewöhnlich sei, verlange die Richtlinie 2020/1057 für die Anwendung der Entsenderegelung nicht, dass ein solcher Vertrag zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Empfängerunternehmen geschlossen werde. Es genüge nämlich, dass der Fahrer eine nationale Grenze überschreite.

1168

Zweitens stehe die Entsendung im Sinne der Richtlinie 96/71 in engem Zusammenhang mit einer Dienstleistung, die der Arbeitgeber im Aufnahmemitgliedstaat erbringe. Im Rahmen der Beförderungstätigkeit liege der Schwerpunkt jedoch nicht auf der vom Fahrer erbrachten Dienstleistung, sondern auf dem Warenverkehr zwischen den Mitgliedstaaten. Es handele sich daher nicht um eine Tätigkeit, die die Anwendung der Entsendevorschriften nach der Richtlinie 96/71 rechtfertigen könne. Diese Argumentation werde im Übrigen durch die Antwort der Union auf die durch die Covid‑19-Pandemie verursachte Krise bestätigt. Nach der Einführung von Reisebeschränkungen durch verschiedene Mitgliedstaaten sei die Kommission nämlich fast sofort tätig geworden, um das möglichst reibungslose Funktionieren des Güterverkehrs zu gewährleisten.

1169

Drittens könne wegen der hohen Mobilität der Arbeitnehmer im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr nicht davon ausgegangen werden, dass diese Kraftfahrer ihre Arbeit vorübergehend in einem anderen Mitgliedstaat ausübten, sondern sie sich vielmehr ständig auf der Fahrt zwischen mehreren Mitgliedstaaten befänden. Im Urteil vom 19. Dezember 2019, Dobersberger (C‑16/18, EU:C:2019:1110), habe der Gerichtshof außerdem entschieden, dass ein Arbeitnehmer im Hinblick auf die Richtlinie 96/71 nicht als in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt angesehen werden könne, wenn seine Arbeitsleistung keine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweise. Ein kurzer Aufenthalt, sogar von einigen Stunden, in einem anderen Mitgliedstaat könne keine solche Verbindung schaffen.

1170

Das Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), stelle diese Erwägungen nicht in Frage. Zwar gehe aus diesem Urteil hervor, dass die Anwendung der Richtlinie 96/71 auf die Kraftverkehrsunternehmen grundsätzlich nicht ausgeschlossen sei, doch erfüllten zahlreiche Dienstleistungen im Kraftverkehr mangels einer hinreichenden Verbindung zu den Mitgliedstaaten, in denen die Kraftfahrer ihre Arbeit verrichteten, nicht die Voraussetzungen einer in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie, wie sie vom Gerichtshof in diesem Urteil ausgelegt worden sei, fallenden Entsendung. Abgesehen von der Kabotage, für die der Gerichtshof das Vorliegen einer solchen hinreichenden Verbindung festgestellt habe, habe der Gerichtshof somit keine kategorische Antwort auf andere Fallgestaltungen gegeben, da jeder Fall anhand der relevanten Umstände des Einzelfalls zu beurteilen sei.

1171

Das Parlament und der Rat machen geltend, dass der vorliegende Klagegrund ins Leere gehe oder unbegründet sei.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1172

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus der in Rn. 431 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs ergibt, die materielle Rechtmäßigkeit eines Sekundärrechtsakts grundsätzlich nicht anhand eines anderen Unionsrechtsakts derselben normativen Ebene geprüft werden kann. Ungarn kann daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass die Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 im Hinblick auf Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 ungültig seien.

1173

Soweit Ungarn mit seinem einzigen Klagegrund eine Inkohärenz zwischen den jeweiligen Anwendungsbereichen der Richtlinie 96/71 und der Richtlinie 2020/1057 geltend macht, ist festzustellen, dass diese jedenfalls nicht besteht, und zwar unabhängig davon, ob sie ausreicht, um die Nichtigerklärung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 zu rechtfertigen. Erstens hat der Gerichtshof nämlich entschieden, dass die Richtlinie 96/71 auf die länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen im Straßenverkehrssektor anwendbar ist (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 33 bis 41, und vom 8. Juli 2021, Rapidsped, C‑428/19, EU:C:2021:548, Rn. 34 bis 36). Daraus folgt, dass Kraftfahrer, die im internationalen Straßenverkehr tätig sind, auf der Grundlage der Bestimmungen der Richtlinie 96/71 in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen können und nicht, wie Ungarn zu Unrecht meint, aufgrund des Erlasses der Richtlinie 2020/1057.

1174

Zweitens stellt die Richtlinie 2020/1057, wie das Parlament zu Recht hervorhebt, gegenüber der Richtlinie 96/71 eine lex specialis dar, da das Ziel der erstgenannten Richtlinie nicht darin besteht, den Anwendungsbereich der letztgenannten Richtlinie auszudehnen, sondern darin, klarzustellen, unter welchen Umständen die Kraftfahrer, die im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr tätig sind, als entsandte Arbeitnehmer im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 anzusehen sind und daher in deren Anwendungsbereich fallen.

1175

Soweit Ungarn dem Unionsgesetzgeber vorwirft, mit dem Erlass von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 die Entsendevorschriften auch auf Beförderungen anwendbar gemacht zu haben, die keine der in Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 genannten länderübergreifenden Maßnahmen implizieren, ist insbesondere darauf hinzuweisen, dass, wie dieser Mitgliedstaat selbst ausführt, die Richtlinie 2020/1057 ausdrücklich auf die letztgenannte Bestimmung Bezug nimmt, indem sie in ihrem Art. 1 Abs. 2 vorsieht, dass die in ihrem Art. 1 vorgesehenen besonderen Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern für Kraftfahrer gelten, die bei in einem Mitgliedstaat niedergelassenen Verkehrsunternehmen beschäftigt sind, die die länderübergreifende Maßnahme nach Art. 1 Abs. 3 Buchst. a der Richtlinie 96/71 treffen, d. h. einen Arbeitnehmer in ihrem Namen und unter ihrer Leitung in das Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats im Rahmen eines Vertrags entsenden, der zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem in diesem Mitgliedstaat tätigen Dienstleistungsempfänger geschlossen wurde, sofern für die Dauer der Entsendung ein Arbeitsverhältnis zwischen dem entsendenden Unternehmen und dem Arbeitnehmer besteht. Daraus folgt zwangsläufig, dass diese besonderen Regeln das Erfordernis unberührt lassen, diese in diesem Art. 1 Abs. 3 Buchst. a vorgesehenen Voraussetzungen zu erfüllen, damit die betreffende Beförderung in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 fällt.

1176

Das Vorbringen Ungarns in diesem Kontext, das sich auf die Reaktion der Union auf die Covid‑19-Pandemie bezieht, beruht, wie sich aus Rn. 1173 des vorliegenden Urteils ergibt, auf der falschen Prämisse, dass die Richtlinie 96/71 vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 nicht auf Beförderungen anwendbar gewesen sei. Somit ist auch dieses Vorbringen, das im Übrigen allgemeiner Art ist und sich nicht speziell auf die unionsrechtliche Regelung der Entsendung von Arbeitnehmern bezieht, zurückzuweisen.

1177

Drittens können die Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 auch nicht deshalb als ungültig angesehen werden, weil zahlreiche Dienstleistungen im Kraftverkehr mangels einer hinreichenden Verbindung zu den Mitgliedstaaten, in denen die Kraftfahrer ihre Arbeit verrichteten, nicht die Voraussetzungen einer in den Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71, wie sie vom Gerichtshof im Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), ausgelegt wurde, fallenden Entsendung erfüllten.

1178

Insoweit ist als Erstes darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber beim Erlass von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 einen Ansatz gewählt hat, der derselben Logik folgt wie der, dem der Gerichtshof in diesem Urteil gefolgt ist.

1179

Insbesondere hat der Gerichtshof in den Rn. 49, 62 und 63 dieses Urteils im Rahmen der Auslegung der Richtlinie 96/71 entschieden, dass die in dieser Richtlinie vorgesehenen Entsendevorschriften u. a. nicht für die Transitbeförderungen und die bilateralen Beförderungen gelten, während sie grundsätzlich für die Kabotagebeförderungen gelten, die vollständig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats stattfinden.

1180

Ebenso schließt Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 in seinen Abs. 3 und 4 alle bilateralen Beförderungen und in seinem Abs. 5 alle Transitbeförderungen vom Anwendungsbereich der Richtlinie 96/71 aus, während Art. 1 Abs. 7 der Richtlinie 2020/1057 klarstellt, dass die Richtlinie 96/71 für Kabotagebeförderungen gilt.

1181

Im Übrigen hat der Gerichtshof in Rn. 45 des Urteils vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), zum einen entschieden, dass ein Arbeitnehmer nur dann als im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats „entsandt“ angesehen werden kann, wenn seine Arbeitsleistung eine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweist, und zum anderen, dass die Prüfung, ob eine solche Verbindung vorliegt, eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte voraussetzt, die die Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers kennzeichnen.

1182

Aus dem neunten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 geht hervor, dass der Unionsgesetzgeber sektorspezifische Vorschriften für die Anwendung der Richtlinie 96/71 auf den Straßenverkehrssektor erlassen hat, die auch auf dem Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Kraftfahrer und der erbrachten Dienstleistung sowie mit dem Gebiet des jeweiligen Aufnahmemitgliedstaats basieren. In diesem Kontext hat der Unionsgesetzgeber zur Erleichterung der Durchsetzung dieser Vorschriften einer Lösung den Vorzug gegeben, die darin besteht, klarzustellen, unter welchen Umständen eine solche Verbindung als gegeben anzusehen ist.

1183

Zu diesem Zweck hat der Unionsgesetzgeber zum einen ausdrücklich vorgesehen, dass bestimmte Kategorien von Beförderungen von den Entsendevorschriften ausgenommen werden müssen, nämlich gemäß Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 der Richtlinie 2020/1057 eine begrenzte Zahl von Vorgängen im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung und nach Art. 1 Abs. 6 der letztgenannten Richtlinie bestimmte Fahrten, die eine Beförderung im kombinierten Verkehr bilden.

1184

Zum anderen ist der Unionsgesetzgeber, wie sich u. a. aus dem 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, in Bezug auf die Beförderungen, für die keine Ausnahme nach dieser Richtlinie gilt, davon ausgegangen, dass eine hinreichende Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats besteht und dass die Richtlinie 96/71 daher als anwendbar anzusehen ist.

1185

Als Zweites kann allein der Umstand, dass sich der Unionsgesetzgeber dafür entschieden hat, den Begriff „hinreichende Verbindung“ zu konkretisieren, auf den sich der Gerichtshof in seinen Urteilen vom 19. Dezember 2019, Dobersberger (C‑16/18, EU:C:2019:1110, Rn. 31), und vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 45), gestützt hat, durch die Bezeichnung der Kategorien von Beförderungen im Straßenverkehr, auf die die Entsendevorschriften Anwendung finden sollen oder nicht, nicht zur Ungültigkeit der Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 führen. Die Erwägungen des Gerichtshofs in diesen Urteilen betreffen nämlich die Auslegung des rechtlichen Rahmens, wie er zu dem für die Rechtsstreitigkeiten, in denen diese Urteile ergangen sind, maßgeblichen Zeitpunkt galt, so dass der Gerichtshof allein auf der Grundlage der zu diesem Zeitpunkt anwendbaren Bestimmungen der Richtlinie 96/71 klargestellt hat, was unter einer „hinreichenden Verbindung“ zu verstehen ist. Außerdem hat der Gerichtshof keineswegs angedeutet, dass allein die Auslegung des Begriffs „hinreichende Verbindung“, die er in diesem Zusammenhang vornimmt, in der Lage ist, die Bestimmungen der Verträge zu beachten.

1186

Die vorstehenden Erwägungen lassen jedoch die Frage unberührt, die Gegenstand anderer mit den vorliegenden Klagen geltend gemachter Klagegründe ist, ob die Art und Weise, auf die der Unionsgesetzgeber beschlossen hat, das Vorliegen einer solchen „hinreichenden Verbindung“ im Fall jeder der in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 genannten Kategorien von Beförderungen zu beurteilen, mit dem Primärrecht vereinbar ist.

1187

Nach alledem ist der einzige von Ungarn als Hauptantrag geltend gemachte Klagegrund als unbegründet zurückzuweisen.

b)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot

1) Vorbringen der Parteien

1188

Die Republik Litauen, mit ihrem ersten Klagegrund, die Republik Bulgarien, mit ihrem zweiten Klagegrund, Rumänien, mit seinem zweiten Klagegrund, die Republik Zypern, mit ihrem zweiten Klagegrund, und Ungarn, mit seinem zweiten, hilfsweise geltend gemachten Klagegrund, machen geltend, dass Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 nicht den Anforderungen genüge, die sich aus dem Diskriminierungsverbot ergäben.

1189

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen insoweit geltend, der Umstand, dass die Entsendevorschriften auf Beförderungen im Dreiländerverkehr anwendbar gemacht würden, während bilaterale Beförderungen von diesen Vorschriften ausgenommen würden, führe zu einer unterschiedlichen Behandlung gleichartiger oder sogar identischer Sachverhalte und verstoße damit gegen das Diskriminierungsverbot.

1190

Erstens habe diese unterschiedliche Behandlung von Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen zur Folge, dass den Fahrern je nach der Staatsangehörigkeit ihres Arbeitgebers und dem Ort, an dem die Beförderungen stattfänden, ein unterschiedlicher Sozialschutz gewährt werde. So würde z. B. bei einer Ladung, die in Italien mit dem Bestimmungsort Frankfurt (Deutschland) verladen werde, ein Fahrer als nach Deutschland entsandt angesehen, wenn sein Arbeitgeber Portugiese sei, nicht aber, wenn der Arbeitgeber Italiener sei. In beiden Fällen sei die Verbindung zum deutschen Hoheitsgebiet jedoch dieselbe, da das Entladen von Waren in Deutschland stattfinde. Abgesehen davon, dass die Fahrer je nach den Beförderungsrouten unterschiedlich behandelt würden, bestehe sogar eine Diskriminierung zwischen Fahrern, die bei ein und demselben Verkehrsunternehmer beschäftigt seien.

1191

Zweitens machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend, dass diese unterschiedliche Behandlung von Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen eine größere negative Auswirkung auf die Unternehmen habe, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführten, als auf die Unternehmen, die hauptsächlich oder ausschließlich bilaterale Beförderungen durchführten.

1192

Drittens verstoße diese unterschiedliche Behandlung von Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen gegen den Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten, da einige Mitgliedstaaten die Auswirkungen dieser unterschiedlichen Behandlung deutlicher träfen als andere.

1193

Viertens schließlich seien die Verkehrsunternehmen wegen dieser unterschiedlichen Behandlung mit unterschiedlichen Lohn- und Verwaltungskosten je nach Land der Be- oder Entladung konfrontiert. Diese Unternehmen würden daher dazu verleitet, für Beförderungen auf denselben Verkehrsverbindungen für die gleichen Güter je nach dem Herkunfts- oder Bestimmungsland der beförderten Waren unterschiedliche Tarife anzuwenden, was gegen den Geist von Art. 95 Abs. 1 AEUV verstoße.

1194

Rumänien macht geltend, dass es im Wesentlichen die Verkehrsunternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union seien, die die administrativen und finanziellen Kosten trügen, die mit der Entsendung verbunden seien, und die davon abgeschreckt würden, die in Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 geregelten Beförderungen durchzuführen, da die Wettbewerbsfähigkeit dieser Unternehmen de facto auf null reduziert werde. Der Sozialschutz für Kraftfahrer könne im Übrigen nicht gewährleistet werden, wenn die Verkehrsunternehmen im peripheren Gebiet der Union vom Markt verdrängt würden. Bei einem anderen Szenario wären die Fahrer gezwungen, in einen Mitgliedstaat umzuziehen, der im Vergleich zum Zentrum der Beförderungstätigkeiten in der Union besser liege. Somit stelle sich die Frage, inwieweit die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 dieser Richtlinie mit den in Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV angeführten Zielen vereinbar seien.

1195

Im Übrigen haben nach der Ansicht Rumäniens nicht nur die betreffenden Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057, sondern auch diejenigen, die Gegenstand seiner Klagen auf teilweise Nichtigerklärung der Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 (Rechtssachen C‑546/20 und C‑547/20) seien, sowohl für sich genommen als auch in ihrer Gesamtheit zur Folge, dass die Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union diskriminiert würden.

1196

Die Rechtsprechung des Gerichtshofs, auf die sich das Parlament und der Rat beriefen und die sich aus den Urteilen vom 21. Juni 2018, Polen/Parlament und Rat (C‑5/16, EU:C:2018:483, Rn. 167), und vom 13. März 2019, Polen/Parlament und Rat (C‑128/17, EU:C:2019:194, Rn. 106), ergebe, könne auf den vorliegenden Fall nicht entsprechend übertragen werden. Was die angefochtenen Bestimmungen des „Mobilitätspakets“ angehe, sei nicht nur die besondere Situation eines einzigen Mitgliedstaats nicht berücksichtigt worden. Ganz im Gegenteil trennten die angefochtenen Maßnahmen die Mitgliedstaaten je nach ihrer geografischen Lage in zwei große Kategorien, nämlich zum einen ein bevorzugtes Zentrum und zum anderen eine benachteiligte Peripherie, wenn auch in unterschiedlichen Verhältnissen. Die auf Unionsebene erlassenen Regelungen müssten diesen Unterschieden aber Rechnung tragen und versuchen, sie auszugleichen, indem sie die bestehenden Unterschiede verringerten und auf eine einheitlichere Verteilung der Vorteile und Kosten der Mitgliedschaft in der Union abzielten.

1197

Der Rat habe im Wesentlichen eingeräumt, dass die Richtlinie 2020/1057 die bilateralen Beförderungen erleichtere, nicht aber die Beförderungen im Dreiländerverkehr, und folglich nicht die Beförderungen, die von den Verkehrsunternehmen mit Sitz in osteuropäischen Mitgliedstaaten durchgeführt würden, außerhalb des Gebiets, in dem sich der internationale Güterkraftverkehr der Union konzentriere.

1198

Ungarn macht geltend, dass es in der Praxis möglich sei, zwei Arten von Beförderungen im kombinierten Verkehr zu unterscheiden, nämlich zum einen die begleiteten Beförderungen und zum anderen die unbegleiteten Beförderungen. Wenn der Fahrer das Fahrzeug und seine Ladung während der gesamten Beförderung begleite, würde es sich letztlich um einen einzigen Beförderungsvorgang handeln. Nur das Verkehrsmittel sei unterschiedlich. In diesem Fall sei die Beförderung im kombinierten Verkehr im Wesentlichen einer bilateralen Beförderung gleichzustellen, so dass der tragende Grundsatz der Gleichbehandlung rechtfertige, dass die in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehene Ausnahme die gesamte Beförderung, d. h. beide Straßenstrecken, abdecke.

1199

Jedoch gelte nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 ein Kraftfahrer nur dann nicht als entsandt, wenn der Kraftfahrer im kombinierten Verkehr die Strecke auf der Straße zurücklege, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie bestehe. Der Unionsgesetzgeber habe damit die Beförderungen im kombinierten Verkehr künstlich in zwei Straßenstrecken, die Zulaufstrecke und die Ablaufstrecke, aufgespalten, von denen eine die Voraussetzung für die bilateralen Beförderungen nicht erfülle. Daher habe der Unionsgesetzgeber, dadurch, dass er die für die bilateralen Beförderungen von Gütern vorgesehene Befreiung nicht zugunsten der begleiteten Beförderungen im kombinierten Verkehr ausgeweitet habe, gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen.

1200

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

i) Vorbemerkungen

1201

Erstens ist festzustellen, dass die Republik Bulgarien und die Republik Zypern zwar die Nichtigerklärung der Richtlinie 2020/1057 insgesamt beantragen, aus dem Vorbringen dieser Mitgliedstaaten, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot geltend gemacht wird, jedoch hervorgeht, dass sie insbesondere die in Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund vorgenommene Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen in Frage stellen.

1202

Zweitens konzentriert sich das Vorbringen Ungarns zum Nachweis eines Verstoßes gegen diese Grundsätze allein auf Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057, der Beförderungen im kombinierten Verkehr betrifft.

1203

Was schließlich drittens das Vorbringen Rumäniens betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass Rumänien die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057 beantragt, indem es geltend macht, die dort vorgesehenen Regeln bewirkten, dass die Verkehrsunternehmen mit Sitz an der „Peripherie der Union“ davon abgehalten würden, die in diesen Bestimmungen genannten Arten von Beförderungen durchzuführen, wobei insbesondere die angeblichen negativen Auswirkungen auf diese Unternehmen hervorgehoben werden, die sich aus der Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen ergeben sollen.

1204

[Berichtigt mit Beschluss vom 19. Dezember 2024] Insoweit ist jedoch festzustellen, dass, soweit Rumänien als Erstes die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1057 beantragt, es sich auf die allgemeine Behauptung beschränkt, dass die Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ aufgrund der angefochtenen Bestimmungen dieses Art. 1 mittelbar diskriminiert würden, ohne zu erläutern, inwiefern Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1057 zu Nachteilen für diese Mitgliedstaaten führen könnte, während die letztgenannte Bestimmung dem Verkehrsunternehmer, der für eine Beförderung im Transit durch das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verantwortlich ist, eine Ausnahme von den Entsendevorschriften gewährt, wenn die dort genannten Voraussetzungen erfüllt sind. Eine solche Ausnahme ist geeignet, die Auswirkungen der mehr oder weniger großen Entfernung zwischen dem Mitgliedstaat, in dem der Verkehrsunternehmer niedergelassen ist, und einem anderen Mitgliedstaat, in dem das Be- oder Entladen von Gütern oder das Aufnehmen oder Absetzen von Fahrgästen stattfindet, auf die Frage zu begrenzen, ob die in Rede stehende Beförderung auf der Straße den in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Vorschriften über die Entsendung von Arbeitnehmern unterliegt.

1205

Ebenso, soweit Rumänien als Zweites Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 anführt, substantiiert dieser Mitgliedstaat auch nicht, inwiefern diese Bestimmung über die Beförderungen im kombinierten Verkehr gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstoße, indem sie im Wesentlichen die Verkehrsunternehmen mit Sitz in Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ benachteilige. Mit dem Vorbringen zum Nachweis des diskriminierenden Charakters sämtlicher Bestimmungen in Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057, wonach der Anteil der in den Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ ansässigen Wirtschaftsteilnehmer am Markt des internationalen Verkehrs zunehme, kann nämlich kein Verstoß gegen diese Grundsätze dargetan werden.

1206

Unter diesen Umständen bleiben die Argumente, mit denen dem Unionsgesetzgeber vorgeworfen wird, in Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen unterschieden zu haben, sowie das spezifische Vorbringen Ungarns zur Anwendung dieser Vorschriften auf den kombinierten Verkehr, wie in Art. 1 Abs. 6 dieser Richtlinie vorgesehen, zu prüfen.

ii) Zum Vorliegen der behaupteten diskriminierenden Behandlung

1207

Es steht fest, dass die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057, soweit mit ihnen besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor eingeführt werden, unterschiedslos für alle betroffenen Verkehrsunternehmen gelten, unabhängig davon, in welchem Mitgliedstaat sie niedergelassen sind, für alle Fahrer, unabhängig von ihrer Staatsangehörigkeit und dem Mitgliedstaat, in dem ihr Arbeitgeber niedergelassen ist, sowie für alle Mitgliedstaaten, so dass sie keine nach dem Unionsrecht verbotene unmittelbare Diskriminierung enthalten.

1208

Daher ist im Einklang mit der in den Rn. 308 bis 310 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung zu prüfen, ob diese Bestimmungen, soweit sie die in Rn. 1206 dieses Urteils angeführten Beförderungen unterscheiden, in ungerechtfertigter Weise unterschiedliche Vorschriften auf vergleichbare Sachverhalte anwenden, insbesondere im Licht des mit ihnen verfolgten Ziels, und daher eine nach dem Unionsrecht verbotene mittelbare Diskriminierung darstellen, da sie schon ihrer Natur nach geeignet sind, sich auf die in den Mitgliedstaaten „an der Peripherie der Union“ niedergelassenen Verkehrsunternehmen, die bei diesen Unternehmen beschäftigten Fahrer und diese Gruppe von Mitgliedstaaten stärker auszuwirken.

1209

Wie sich aus der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung ergibt, ist die Vergleichbarkeit der jeweiligen in Rede stehenden Sachverhalte im Hinblick auf die Kontrolle der Beachtung des Gleichbehandlungsgrundsatzes insbesondere im Licht des Gegenstands und des Ziels der Unionsmaßnahme, mit der die fragliche Unterscheidung eingeführt wird, zu beurteilen.

1210

Insoweit besteht das mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgte Ziel, wie sich aus ihren Erwägungsgründen 3 und 7 ergibt, darin, besondere Vorschriften für die Bestimmung des Mitgliedstaats vorzusehen, dessen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen den Fahrern des Straßenverkehrs garantiert sind, die die Besonderheiten der hohen Mobilität der Arbeitnehmer in diesem Sektor berücksichtigen und die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für diese Kraftfahrer und der Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit im Straßenverkehr auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zwischen Verkehrsunternehmen herstellen.

1211

In den Rahmen dieses mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgten allgemeinen Ziels fügt sich, wie sich aus dem neunten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, das spezifische Ziel der Bestimmungen ihres Art. 1 ein, in denen klargestellt wird, unter welchen Umständen die Bestimmungen der Richtlinie 96/71 über die langfristige Entsendung für solche Kraftfahrer gelten oder nicht.

1212

Daher ist im Hinblick auf dieses Ziel zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 die Beförderungen im Dreiländerverkehr und die Beförderungen im kombinierten Verkehr gegenüber den bilateralen Beförderungen diskriminiert hat.

– Zum Vorwurf der diskriminierenden Behandlung von Beförderungen im Dreiländerverkehr gegenüber bilateralen Beförderungen

1213

Was erstens das geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung zwischen den Verkehrsunternehmen und den von ihnen beschäftigten Fahrern betrifft, je nachdem, ob sie Beförderungen im Dreiländerverkehr oder bilaterale Beförderungen durchführen, ist darauf hinzuweisen, dass sich aus Art. 1 der Richtlinie 2020/1057, insbesondere aus ihrem Abs. 3 Unterabs. 1 und ihrem Abs. 4 Unterabs. 1, in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund ergibt, dass ein Kraftfahrer, der bilaterale Beförderungen durchführt, nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71 gilt, während ein Kraftfahrer, der Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführt, grundsätzlich als entsandt gilt. Außerdem sehen Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 und Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 vor, dass die in diesen Absätzen vorgesehenen Ausnahmen für bilaterale Beförderungen auch für bestimmte zusätzliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit solchen Beförderungen gelten.

1214

Daraus geht hervor, dass die unterschiedliche Behandlung, die sich für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften aus diesen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 zwischen den Beförderungen im Dreiländerverkehr und den bilateralen Beförderungen ergibt, auf den betreffenden Beförderungsarten beruht, die sich durch die Verbindung zwischen dem Fahrer und der erbrachten Dienstleistung zum einen und dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats und dem Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats zum anderen unterscheiden. Während nämlich bei einer bilateralen Beförderung die Art der Dienstleistung eng mit dem Niederlassungsmitgliedstaat verbunden ist, ist dies bei einer Beförderung im Dreiländerverkehr, bei der der Fahrer Beförderungen von einem Land in ein anderes durchführt, von denen keines der Niederlassungsmitgliedstaat ist, nicht der Fall.

1215

Daraus folgt, dass die Beförderungen im Dreiländerverkehr und die bilateralen Beförderungen im Hinblick auf das mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgte Ziel und insbesondere das Ziel, das mit den in Art. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Regeln verfolgt wird, auf die in den Rn. 1210 und 1211 des vorliegenden Urteils hingewiesen worden ist, nicht vergleichbar sind. Folglich befinden sich, wie der Generalanwalt in Nr. 1086 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, weder die Fahrer noch die an diesen beiden Kategorien von Beförderungen beteiligten Verkehrsunternehmen im Hinblick auf das letztgenannte Ziel in einer vergleichbaren Situation.

1216

Diese Schlussfolgerung wird nicht durch die konkreten Beispiele für Beförderungen in Frage gestellt, die die klagenden Mitgliedstaaten angeführt haben und die nach deren Ansicht belegen, dass eine Arbeit gleicher Art von zwei verschiedenen Fahrern verrichtet werden kann, die je nach Fall für ein und dasselbe Unternehmen arbeiten, obwohl diese beiden Fahrer aufgrund der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 nicht in den Genuss der gleichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und insbesondere der gleichen Entlohnung kommen würden.

1217

Insoweit genügt der Hinweis, dass dieses Vorbringen auf der falschen Prämisse beruht, dass die Beurteilung der Vergleichbarkeit der jeweiligen Situation dieser Fahrer für die Bestimmung der Anwendung der Entsendevorschriften allein nach der Art ihrer Arbeit zu erfolgen habe, während, wie sich aus den vorstehenden Erwägungen ergibt, für diese Beurteilung die Verbindung des betreffenden Fahrers und der erbrachten Dienstleistung zum Niederlassungsmitgliedstaat oder zum Aufnahmemitgliedstaat im Hinblick auf das mit den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 verfolgte Ziel relevant ist.

1218

Jedenfalls ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich aus Rn. 247 des vorliegenden Urteils ergibt, bei der Festlegung der gemeinsamen Verkehrspolitik, zu der die in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Maßnahmen gehören, über ein weites Ermessen verfügt. Diese auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassene Richtlinie beinhaltet politische Entscheidungen und komplexe Beurteilungen der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen.

1219

Daher kann dem Unionsgesetzgeber ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot nicht allein deshalb vorgeworfen werden, weil er sich im Rahmen der Ausübung dieses weiten Ermessens dafür entschieden hat, allgemeine Kriterien für die Beurteilung des Vorliegens einer hinreichenden Verbindung zwischen der erbrachten Verkehrsdienstleistung und dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats festzulegen, statt den betreffenden Akteuren die Aufgabe zu überlassen, das Vorliegen einer solchen Verbindung in jedem Einzelfall zu prüfen.

1220

Was zweitens das geltend gemachte Vorliegen einer Diskriminierung zwischen den Mitgliedstaaten unter Verstoß gegen den in Art. 4 Abs. 2 EUV verankerten Grundsatz der Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen betrifft, kann zwar nicht ausgeschlossen werden, dass einige Mitgliedstaaten von der in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit deren 13. Erwägungsgrund getroffenen Unterscheidung zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr stärker betroffen sind als andere.

1221

Da zwischen den Parteien unstreitig ist, dass sich ein erheblicher Teil der Nachfrage auf dem Verkehrsmarkt in den Mitgliedstaaten konzentriert, die mehr im „Zentrum der Union“ liegen, ist es nämlich möglich, dass die Verkehrsunternehmen, die nach Ansicht der klagenden Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ niedergelassen sind, diejenigen sind, die den größten Teil der Beförderungen im Dreiländerverkehr in der Union durchführen und die daher in den meisten Fällen den Entsendevorschriften unterliegen, während ihre Wettbewerber, die mehr im „Zentrum der Union“ ansässig sind, hauptsächlich oder ausschließlich bilaterale Beförderungen durchführen.

1222

Es ist jedoch als Erstes darauf hinzuweisen, dass nach der in Rn. 332 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ein Rechtsakt der Union, der dazu bestimmt ist, die Normen der Mitgliedstaaten einander anzugleichen, sofern er in allen Mitgliedstaaten in gleicher Weise gilt, nicht als diskriminierend angesehen werden kann, da eine solche Harmonisierungsmaßnahme zwangsläufig je nach dem bisherigen Stand der verschiedenen nationalen Rechtsvorschriften und Praktiken unterschiedliche Auswirkungen zeitigt.

1223

Im vorliegenden Fall wollte der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass sektorspezifischer Vorschriften im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmern, die in der gesamten Union durchgeführt werden sollen, um das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts zu gewährleisten, wie aus den Erwägungsgründen 3, 7 und 9 der Richtlinie 2020/1057 hervorgeht, ein Gleichgewicht zwischen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer zum einen und der Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit durch Verkehrsunternehmen auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zum anderen herstellen.

1224

In diesem Kontext beeinträchtigt der Ansatz, der darin besteht, für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften zwischen verschiedenen Arten von Beförderungen zu unterscheiden, keineswegs die Gleichheit zwischen den Mitgliedstaaten, sondern soll vielmehr, wie sich im Wesentlichen aus dem vierten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, die Ungleichbehandlungen beseitigen, die sich zuvor aufgrund der festgestellten Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei Auslegung, Umsetzung und Anwendung der vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie geltenden Bestimmungen ergeben konnten, wobei diese Unterschiede einen hohen Verwaltungsaufwand für Kraftfahrer und Unternehmen verursachten.

1225

Als Zweites ergibt sich der etwaige Unterschied zwischen den Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 auf die Mitgliedstaaten, je nachdem, ob sie im „Zentrum der Union“ oder an der „Peripherie der Union“ liegen, wie in den Rn. 1220 und 1221 des vorliegenden Urteils angeführt, nicht aus dem angeblich diskriminierenden Charakter der Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen, sondern im Wesentlichen aus dem Geschäftsmodell, für das sich die in bestimmten Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmen entschieden haben, da die Beförderungen durch Verkehrsunternehmen, die ihre Dienstleistungen im Wesentlichen oder vollständig in Mitgliedstaaten erbringen, die von dem Mitgliedstaat ihrer Niederlassung weit entfernt sind, unabhängig davon, welcher Mitgliedstaat das ist, eher als Beförderungen im Dreiländerverkehr eingestuft werden und damit den Entsendevorschriften unterliegen.

1226

Zwar kann die Anwendung dieser Regeln für die Arbeitgeber, die Beförderungen im Dreiländerverkehr in Mitgliedstaaten erbringen, in denen das Niveau des sozialen Schutzes, insbesondere des Entgelts, höher als in ihrem Niederlassungsmitgliedstaat ist, eine größere Belastung darstellen.

1227

Diese Folge ist jedoch den mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgten Zielen immanent, die gerade darauf abzielt, einen fairen Wettbewerb zwischen Verkehrsunternehmen zu gewährleisten, indem sie den Fahrern, die eine Verkehrsdienstleistung erbringen, die eine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats aufweist, die gleichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen garantiert, wie sie für andere Fahrer gelten, die ebenfalls solche Dienstleistungen in diesem Hoheitsgebiet erbringen. Im Übrigen ist die bloße Tatsache, dass die Interessen bestimmter Akteure stärker beeinträchtigt werden können als andere, untrennbar mit der Suche nach einem Gleichgewicht zwischen verschiedenen konkurrierenden Interessen verbunden, die für das gesetzgeberische Handeln kennzeichnend ist. Somit ist im vorliegenden Fall eine solche Folge untrennbar mit dem von dieser Richtlinie verfolgten Ziel verbunden, das darin besteht, die Sozial- und Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer zu verbessern und gleichzeitig einen fairen Wettbewerb zwischen Verkehrsunternehmen zu gewährleisten.

1228

Wie in Rn. 322 des vorliegenden Urteils dargelegt, kann eine Bestimmung des Unionsrechts im Übrigen als solche nicht allein deshalb als Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot angesehen werden, weil sie für bestimmte Wirtschaftsteilnehmer unterschiedliche Folgen hat, wenn diese Situation die Folge unterschiedlicher Bedingungen für den Betrieb ist, unter denen sie insbesondere aufgrund ihres geografischen Standorts stehen, und nicht die Folge einer rechtlichen Ungleichheit, die der angefochtenen Bestimmung inhärent wäre.

1229

Selbst wenn die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 zu einer unterschiedlichen Behandlung vergleichbarer Sachverhalte im Sinne der in Rn. 308 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung führen sollte, wäre diese Behandlung jedenfalls durch die im Rahmen der gemeinsamen Verkehrspolitik gemäß Art. 90 AEUV verfolgten Ziele objektiv gerechtfertigt. Zu diesen Zielen gehören u. a. die in der Präambel des AEU-Vertrags und in Art. 151 Abs. 1 AEUV genannte Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sowie die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gemäß Art. 9 und Art. 151 Abs. 1 dieses Vertrags.

1230

Was drittens das spezifische Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern betrifft, mit dem ein Verstoß gegen Art. 95 Abs. 1 AEUV geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmung im Verkehr innerhalb der Union „Diskriminierungen [verbietet], die darin bestehen, dass ein Verkehrsunternehmer in denselben Verkehrsverbindungen für die gleichen Güter je nach ihrem Herkunfts- oder Bestimmungsland unterschiedliche Frachten und Beförderungsbedingungen anwendet“.

1231

Soweit die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend machen, die Verkehrsunternehmer würden dazu verleitet, für die gleichen Güter und dieselben Strecken je nach dem Herkunfts- oder Bestimmungsland dieser Güter unterschiedliche Tarife anzuwenden, um den unterschiedlichen Lohn- und Verwaltungskosten zu begegnen, die sich aus den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ergäben, ist zum einen festzustellen, dass diese Bestimmungen angemessene Arbeitsbedingungen und einen erhöhten Sozialschutz für Kraftfahrer durch die Festlegung von Kriterien für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor gewährleisten sollen. Diese Bestimmungen regeln somit in keiner Weise die Frachten oder Beförderungsbedingungen als solche und können daher nicht als Maßnahmen im Sinne von Art. 95 Abs. 1 AEUV angesehen werden.

1232

Zum anderen beruht, wie sich aus den Rn. 1213 bis 1224 des vorliegenden Urteils ergibt, der in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 hinsichtlich der Anwendung der Entsendevorschriften auf die bilateralen Beförderungen und auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr eingeführte Unterschied nicht auf dem Herkunfts- oder Bestimmungsland der fraglichen Güter, sondern auf dem Umstand, dass die im Rahmen dieser beiden Arten von Beförderungen erbrachte Dienstleistung nicht dieselbe Verbindung zum Niederlassungsmitgliedstaat aufweist.

1233

Viertens deckt sich, soweit Rumänien mit dem zweiten Klagegrund, mit dem formal ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gerügt wird, einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV und Art. 94 AEUV geltend macht, sein Vorbringen mit dem Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern im Rahmen ihres jeweiligen vierten Klagegrundes sowie mit dem Vorbringen der Republik Polen im Rahmen des zweiten und des dritten Klagegrundes. Dieses Vorbringen wird daher in diesem Zusammenhang geprüft.

1234

Nach alledem kann nicht davon ausgegangen werden, dass der vom Unionsgesetzgeber in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund verfolgte Ansatz, der allgemein darin besteht, zwischen verschiedenen Arten von Beförderungen nach Maßgabe der Verbindung zwischen dem Fahrer und der erbrachten Dienstleistung zum einen und dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats und dem Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats zum anderen, für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften und insbesondere für die Anwendbarkeit dieser Vorschriften auf Beförderungen im Dreiländerverkehr zu unterscheiden, wobei die bilateralen Beförderungen sowie bestimmte damit verbundene zusätzliche Tätigkeiten von diesen Vorschriften ausgenommen sind, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstößt.

– Zum Vorwurf der diskriminierenden Behandlung von Beförderungen im kombinierten Verkehr gegenüber bilateralen Beförderungen

1235

Mit seinem Vorbringen zu Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057, betreffend den kombinierten Verkehr, macht Ungarn geltend, dass, wenn derselbe Fahrer das Fahrzeug und seine Ladung während der gesamten Dauer einer Beförderung im kombinierten Verkehr begleite, dieser Vorgang insgesamt einer bilateralen Beförderung gleichzustellen sei, so dass die beiden Straßenstrecken in den Genuss der Ausnahme von den Entsendevorschriften kommen könnten, da nur die Beförderungsform zwischen den verschiedenen Teilen einer solchen Beförderung im kombinierten Verkehr variiere. Dieses Vorbringen beruht somit auf der Prämisse, dass eine solche Beförderung im kombinierten Verkehr insgesamt im Hinblick auf das Ziel, das mit den in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regeln verfolgt wird, mit einer bilateralen Beförderung vergleichbar sei.

1236

Insoweit geht aus der Definition in Art. 1 der Richtlinie 92/106, auf den Art. 1 Nr. 6 der Richtlinie 2020/1057 verweist, hervor, dass die Beförderungen im kombinierten Verkehr in Güterbeförderungen zwischen Mitgliedstaaten bestehen, bei denen die Zu- und Ablaufstrecke auf der Straße zurückgelegt wird, während der übrige Teil der Strecke auf der Schiene oder auf einer Binnenwasserstraße oder auf See, sofern diese mehr als 100 km Luftlinie beträgt, zurückgelegt wird.

1237

Die Richtlinie 2020/1057 soll aber, wie sich schon aus ihrem Titel ergibt, besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern nur im Straßenverkehrssektor festlegen. Ebenso besteht, wie sich aus Rn. 1210 des vorliegenden Urteils ergibt, das mit dieser Richtlinie und insbesondere ihrem Art. 1 verfolgte Ziel darin, Vorschriften für die Bestimmung des Mitgliedstaats vorzusehen, dessen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen den Fahrern des Straßenverkehrs garantiert sind, die die Besonderheiten dieses Sektors berücksichtigen, wobei die Anwendung der Entsendevorschriften auf einen bestimmten Fahrer vom Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Fahrer und der erbrachten Dienstleistungen sowie mit dem Gebiet des Aufnahmemitgliedstaats abhängt.

1238

Vor diesem Hintergrund nimmt Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057, der die Behandlung der Straßenstrecken betrifft, die Teil einer Beförderung im kombinierten Verkehr sind, die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße einer solchen Beförderung von den Entsendevorschriften aus, sofern diese auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen im Sinne von Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie besteht.

1239

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich aus der in Rn. 247 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung ergibt, bei der Festlegung der gemeinsamen Verkehrspolitik, zu der die in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Maßnahmen gehören, über ein weites Ermessen verfügt. Diese auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassene Richtlinie beinhaltet politische Entscheidungen und komplexe Beurteilungen der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen dieser Maßnahmen.

1240

Daher und in Anbetracht der in Rn. 309 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung, aus der hervorgeht, dass die Vergleichbarkeit der jeweiligen in Rede stehenden Situationen im Hinblick auf den Gegenstand und die Ziele des auszulegenden Unionsrechtsakts zu beurteilen ist, kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, bei der Ausübung dieses Ermessens davon ausgegangen zu sein, dass für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften nur die Teile einer Beförderung im kombinierten Verkehr, die auf der Straße zurückgelegt werden, und nicht diese Beförderung insgesamt einer bilateralen Beförderung gleichgestellt werden können.

1241

Diese Feststellung wird nicht durch das Argument in Frage gestellt, dass es gekünstelt wäre, eine Beförderung im kombinierten Verkehr in zwei getrennte Straßenstrecken aufzuspalten, wenn die Beförderung für den gesamten Vorgang vom selben Fahrer durchgeführt werde. Der Umstand, dass die Güter vom selben Fahrer während der gesamten Dauer dieser Beförderung begleitet werden können, ist insoweit nämlich unerheblich, da feststeht, dass eine der Beförderungsformen, aus denen dieser Vorgang besteht, nicht in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2020/1057 fällt, mit der besondere Regeln für die Entsendung von Kraftfahrern nur im Straßenverkehrssektor festgelegt werden sollen.

1242

Die in Rn. 1240 des vorliegenden Urteils getroffene Feststellung wird auch nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass eine Beförderung im kombinierten Verkehr gegebenenfalls als ein einheitlicher Vorgang anzusehen ist, mit dem andere Zwecke als diejenigen verfolgt werden, für die die Regeln in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehen sind. Selbst wenn dies der Fall sein sollte, ist dieser Umstand nämlich nicht geeignet, darzutun, dass der Unionsgesetzgeber in Anbetracht des weiten Ermessens, über das er bei der Festlegung der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstoßen hat, als er davon ausgegangen ist, dass für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften nur die Teile einer Beförderung im kombinierten Verkehr, die auf der Straße zurückgelegt werden, einer bilateralen Beförderung gleichgestellt werden können.

1243

Schließlich ist der Umstand, dass davon ausgegangen wird, dass nur eine der zwei Straßenstrecken, aus denen eine Beförderung im kombinierten Verkehr besteht, die Voraussetzungen nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie erfüllt, um in den Genuss einer Ausnahme nach dieser Bestimmung zu kommen, nur die Folge der Berücksichtigung der spezifischen Merkmale jeder dieser Strecken. Wie sich nämlich aus dem zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, ist, wenn eine solche auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst einer bilateralen Beförderung gleichgestellt werden kann, die Art der erbrachten Dienstleistung auf der Straßenstrecke eng mit dem Mitgliedstaat der Niederlassung verbunden, was die Erstreckung der in Abs. 3 vorgesehenen Ausnahme auf diese Straßenstrecke rechtfertigt.

1244

Nach alledem ist festzustellen, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er die Beförderungen im kombinierten Verkehr, wenn derselbe Fahrer das Fahrzeug und seine Ladung begleitet, nicht den bilateralen Beförderungen nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 gleichgestellt hat, nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot verstoßen hat.

1245

Diese Erwägungen können nicht durch das Vorbringen Rumäniens in Frage gestellt werden, dass sich aus der Gesamtheit der Bestimmungen des „Mobilitätspakets“, das Gegenstand der drei Klagen dieses Mitgliedstaats in den Rechtssachen C‑546/20 bis C‑548/20 sei, eine allgemeine diskriminierende Wirkung ergebe. Es genügt nämlich der Hinweis, dass Rumänien in der Rechtssache C‑548/20 nicht nachgewiesen hat, dass sich aus der Richtlinie 2020/1057 eine Diskriminierung ergibt, und dass sein insoweit gegen die Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 gerichtetes Vorbringen bereits im Rahmen der Klagen in den Rechtssachen C‑546/20 und C‑547/20 geprüft und zurückgewiesen worden ist.

1246

Daher sind der erste Klagegrund der Republik Litauen, der zweite Klagegrund der Republik Bulgarien, der zweite Klagegrund Rumäniens, der zweite Klagegrund der Republik Zypern und der zweite, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund Ungarns als unbegründet zurückzuweisen.

c)   Zum Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

1247

Die Republik Litauen, mit ihrem zweiten und ihrem dritten Klagegrund, die Republik Bulgarien mit ihrem ersten Klagegrund, Rumänien, mit seinem ersten Klagegrund, die Republik Zypern, mit ihrem ersten Klagegrund, Ungarn, mit seinem ersten, hilfsweise geltend gemachten Klagegrund, und die Republik Polen, mit ihrem ersten Klagegrund, machen geltend, dass Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 oder bestimmte Bestimmungen dieses Artikels nicht den Anforderungen genügten, die sich aus dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ergäben.

1248

Zum einen bestreiten diese Mitgliedstaaten, dass der Unionsgesetzgeber die Verhältnismäßigkeit der Bestimmungen in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 geprüft habe, insbesondere weil es an einer Folgenabschätzung zur endgültigen Fassung dieser Bestimmungen oder einiger von ihnen fehle. Insbesondere wird mit dem dritten Klagegrund der Republik Litauen zwar formal ein Verstoß gegen den Grundsatz der „guten Gesetzgebung“ und gegen „wesentliche Formvorschriften“ gerügt, doch geht aus dem Vorbringen zu seiner Stützung hervor, dass dieser Mitgliedstaat in Wirklichkeit einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dartun will, weil die Auswirkungen von Art. 1 Abs. 3 dieser Richtlinie nicht ordnungsgemäß bewertet worden seien. Desgleichen macht Ungarn insoweit im Rahmen seines ersten, hilfsweise geltend gemachten Klagegrundes zwar formal einen offensichtlichen Beurteilungsfehler und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit geltend, doch zielt sein Vorbringen in diesem Kontext allein darauf ab, einen Verstoß gegen den letzteren Grundsatz darzutun.

1249

Zum anderen bestreiten diese Mitgliedstaaten mit Ausnahme Ungarns, dass die Kriterien oder einige von ihnen, die in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 für die Bestimmung der Fälle vorgesehen sind, in denen die Entsendevorschriften auf Kraftfahrer im Straßenverkehrssektor anwendbar sind, als solche verhältnismäßig sind.

1) Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 durch den Unionsgesetzgeber

i) Vorbringen der Parteien

1250

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern weisen darauf hin, dass der Unionsgesetzgeber beschlossen habe, die Entsendevorschriften ohne zeitliche Grenze auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr anzuwenden, gleichzeitig aber die bilateralen Beförderungen von diesen Vorschriften auszunehmen. Das Parlament und der Rat hätten aber weder über eine Folgenabschätzung dieser Rechtsvorschriften verfügt, obwohl eine solche Folgenabschätzung von mehreren Mitgliedstaaten mehrfach angefordert worden sei, noch über irgendeine andere Information, die hätte bestätigen können, dass diese unterschiedliche Behandlung von bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr verhältnismäßig sei. Der Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ habe nämlich einen grundlegend anderen Ansatz vorgesehen.

1251

Die Republik Litauen macht geltend, Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 verstoße gegen den Grundsatz einer „guten Gesetzgebung“, da die Auswirkungen dieser Bestimmung nicht ordnungsgemäß bewertet worden seien.

1252

Insoweit weist dieser Mitgliedstaat darauf hin, dass die Kommission nach Art. 11 Abs. 3 EUV verpflichtet sei, umfangreiche Anhörungen der Betroffenen durchzuführen, um die Kohärenz und die Transparenz des Handelns der Union zu gewährleisten. Art. 2 des Protokolls über die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit erlege der Kommission auch eine entsprechende Verpflichtung zur Durchführung umfangreicher Anhörungen auf. Gleiches gelte für Art. 5 dieses Protokolls, wonach die Entwürfe von Gesetzgebungsakten im Hinblick auf die Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit zu begründen seien, und verlange, dass jeder Entwurf eines Gesetzgebungsakts detaillierte Angaben enthalten müsse, die es ermöglichten zu beurteilen, ob diese Grundsätze eingehalten worden seien, woraus sich ergebe, dass diese Entwürfe berücksichtigen müssten, dass die Belastung der Wirtschaftsteilnehmer so gering wie möglich gehalten werden und in einem angemessenen Verhältnis zu dem angestrebten Ziel stehen müsse. Nach der Interinstitutionellen Vereinbarung sei es im Übrigen Sache der Kommission, ihre Gesetzgebungsinitiativen, bei denen mit erheblichen wirtschaftlichen, ökologischen oder sozialen Auswirkungen zu rechnen sei, einer Folgenabschätzung zu unterziehen.

1253

Zwar sei es möglich, in bestimmten Fällen keine Folgenabschätzung durchzuführen. Im vorliegenden Fall hätte jedoch kein objektiver Grund das Fehlen einer Folgenabschätzung gerechtfertigt, und die Unionsorgane hätten ihre Entscheidung, keine Folgenabschätzung durchzuführen, außerdem nicht begründet. Das Urteil vom 3. Dezember 2019, Tschechische Republik/Parlament und Rat (C‑482/17, EU:C:2019:1035), auf das sich der Rat berufe, sei im vorliegenden Fall nicht einschlägig, da in der Rechtssache, in der dieses Urteil ergangen sei, eine Folgenabschätzung durchgeführt worden sei, während im vorliegenden Fall die Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen nicht untersucht worden seien.

1254

Nach Ansicht der Republik Litauen kann die Angemessenheit und Erforderlichkeit von Folgenabschätzungen nicht dahin ausgelegt werden, dass sie auf einer rein subjektiven Beurteilung beruhe, die ausschließlich vom Willen des Unionsgesetzgebers abhänge. Vielmehr müsse diese Beurteilung auf bestehende objektive Daten gestützt werden, da es sich um das einzige Mittel handele, um sicherzustellen, dass dieser Gesetzgeber sein Ermessen nicht missbrauche.

1255

Rumänien erhebt im Wesentlichen ähnliche Kritik an Art. 1 Abs. 3 bis 6 der Richtlinie 2020/1057. Es macht insbesondere geltend, dass die Dokumente, in denen ausschließlich die Notwendigkeit einer gesetzgeberischen Maßnahme im Bereich der Entsendung untersucht werde, unzureichend seien. Die Ermittlung der zur Bekämpfung der festgestellten Mängel erforderlichen und geeigneten Lösungen habe sich nämlich nicht allein auf eine Beurteilung der bereits bestehenden Lage auf dem Verkehrsmarkt stützen können. Außerdem hätten die erwarteten Folgen der geplanten Maßnahmen wirklich und umfassend bewertet werden sollen. Insoweit gleiche der bloße Umstand, dass die Kommission im Gesetzgebungsverfahren darauf hingewiesen habe, dass der Ansatz des Unionsgesetzgebers dasselbe Ziel wie der Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ gewährleiste, das Fehlen der Folgenabschätzung nicht aus.

1256

Die Republik Polen macht geltend, im vorliegenden Fall deute nichts darauf hin, dass das Parlament und der Rat über die erforderlichen Daten verfügt hätten, um die Auswirkungen der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 auf die Umwelt, die wirtschaftliche Situation der verschiedenen Verkehrsunternehmer und den Sektor insgesamt beurteilen zu können. Was insbesondere die wirtschaftlichen Auswirkungen angehe, entstünden den Verkehrsunternehmern hohe Kosten zum einen aufgrund der Notwendigkeit, die Vergütung der Fahrer an die in den durchfahrenen Mitgliedstaaten geltenden Tarife anzupassen. Nach den Informationen in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 9 und 10) bestünden zwischen den Mitgliedstaaten grundlegende Unterschiede hinsichtlich der Höhe des Entgelts der Fahrer. Diese Belastungen stünden außer Verhältnis zu den Vorteilen für die Fahrer und im Hinblick auf den fairen Wettbewerb, wenn die Beförderungen in dem betreffenden Mitgliedstaat, insbesondere aufgrund ihrer Dauer, selten oder unbedeutend seien. Zum anderen könnten die Verwaltungskosten im Zusammenhang mit der Anwendung der nationalen Regelung des Aufnahmemitgliedstaats über den Lohn der Fahrer für einen einzigen Verkehrsunternehmer bis zu 14000 Euro pro Jahr betragen, ohne die Kosten im Zusammenhang mit etwaigen Kontrollen und Geldbußen zu berücksichtigen.

1257

Der Anstieg der Kosten und die Schwierigkeiten im Zusammenhang mit den Beförderungen im Dreiländerverkehr und Kabotagebeförderungen beschränkten die Zahl dieser Art von Beförderungen, was wiederum Auswirkungen auf den Anstieg der Leerfahrten habe und folglich zu einer allgemeinen Senkung des Sicherheitsniveaus des Straßenverkehrs auf den wichtigsten Verkehrswegen in der Union sowie zu einem Rückgang der Leistungsfähigkeit des Straßenverkehrs führe. Dies würde auch zu einer Zunahme der Schadstoffemissionen führen.

1258

Aus Gründen, die im Wesentlichen den in den Rn. 1250 bis 1257 des vorliegenden Urteils zusammengefassten entsprechen, macht Ungarn geltend, das völlige Fehlen einer Folgenabschätzung stelle einen offensichtlichen Beurteilungsfehler des Unionsgesetzgebers und einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar.

1259

Insbesondere in einer Mitteilung vom 15. April 2020 (Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament gemäß Artikel 294 Absatz 6 [AEUV] betreffend den Standpunkt des Rates im Hinblick auf den Erlass einer Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 1071/2009, der Verordnung Nr. 1072/2009 und der Verordnung Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor; einer Verordnung zur Änderung der Verordnung Nr. 561/2006 hinsichtlich der Mindestanforderungen in Bezug auf die maximalen täglichen und wöchentlichen Lenkzeiten, Mindestfahrtunterbrechungen sowie täglichen und wöchentlichen Ruhezeiten und der Verordnung Nr. 165/2014 in Bezug auf die Positionsbestimmung mittels Fahrtenschreibern sowie einer Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 2006/22 bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71 und der Richtlinie 2014/67 für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor und zur Änderung der Verordnung Nr. 1024/2012 [COM(2020) 151 final]), habe die Kommission die Auffassung vertreten, dass die Einschränkungen für Beförderungen im kombinierten Verkehr insbesondere deshalb problematisch seien, weil diese Einschränkungen den Förderungseffekt auf den multimodalen Güterverkehr schmälern könnten.

1260

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

1261

Was das Vorbringen zum angeblichen Fehlen einer Folgenabschätzung oder einer unzureichenden Folgenabschätzung betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass die Kommission in ihrem Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ ein System vorgeschlagen hatte, in dessen Rahmen, ausgehend von der Prämisse, dass die Richtlinie 96/71 auf den Straßenverkehrssektor anwendbar ist, zwei der neun in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 aufgeführten Elemente der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats, nämlich der bezahlte Mindestjahresurlaub und die Entlohnung, nicht für Entsendungen von höchstens drei Tagen pro Monat gelten würden, wenn die Fahrer grenzüberschreitende Beförderungen im Sinne der Verordnungen Nrn. 1072/2009 und 1073/2009 durchführten. Wenn die Dauer der Entsendung diese Schwelle von drei Tagen überstieg, wären dagegen nach diesem Vorschlag alle neun Elemente der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen auf die gesamte Dauer der Entsendung während des betreffenden Monats anwendbar gewesen.

1262

So wären nach diesem Vorschlag die Fahrer, die grenzüberschreitende Beförderungen durchführten, in allen Fällen entsandt worden, und die meisten der in Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 aufgeführten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats wären auf diese Kraftfahrer anwendbar gewesen. Außerdem wäre es Sache der Arbeitgeber gewesen, die Zeit, die jeder Fahrer jeden Monat in verschiedenen Mitgliedstaaten verbringt, zu erfassen, um zu bestimmen, ob die Vorschriften der Letzteren über den bezahlten Mindestjahresurlaub und die Entlohnung, die in dieser Bestimmung genannt sind, ebenfalls anwendbar sind.

1263

Da der Unionsgesetzgeber diese Lösung nicht für zufriedenstellend hielt, entschied er sich letztlich für eine Maßnahme, die darin besteht, zwischen verschiedenen Arten von Beförderungen zu unterscheiden. So sieht Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund für jede bilaterale Beförderung, für jede Transitbeförderung sowie für bestimmte Teile einer Beförderung im kombinierten Verkehr die Ausnahme von den Entsendevorschriften und damit von sämtlichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats vor, während er grundsätzlich sowohl die Beförderungen im Dreiländerverkehr als auch die Kabotagebeförderungen diesen Vorschriften unterwirft.

1264

Somit steht fest, dass die Folgenabschätzung – Sozialer Teil die Auswirkungen der letztlich gewählten Lösung nicht geprüft hat und dass diese Lösung nicht Gegenstand einer ergänzenden Folgenabschätzung war.

1265

Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass nach der in den Rn. 218 bis 226 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung eine Folgenabschätzung den Unionsgesetzgeber nicht bindet, so dass es diesem unbenommen bleibt, andere Maßnahmen als die zu treffen, die Gegenstand der Folgenabschätzung waren. Aus dieser Rechtsprechung ergibt sich auch, dass der Unionsgesetzgeber bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der von ihm erlassenen Maßnahmen nicht nur die betreffende Folgenabschätzung, sondern auch jede andere Informationsquelle berücksichtigen kann, einschließlich Informationen, die allgemein zugänglich sind.

1266

Daher kann der bloße Umstand, dass der Unionsgesetzgeber im vorliegenden Fall in der Richtlinie 2020/1057 andere und im Übrigen zum Teil für die Verkehrsunternehmen strengere Bestimmungen erlassen hat als die ursprünglich von der Kommission im Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ vorgeschlagenen, die Gegenstand der Folgenabschätzung – Sozialer Teil waren, für sich genommen nicht belegen, dass der Unionsgesetzgeber gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat.

1267

Entgegen dem Vorbringen der Republik Litauen und in geringerem Maße von Rumänien werden diese Erwägungen durch die Bestimmungen der Interinstitutionellen Vereinbarung in keiner Weise in Frage gestellt. Zwar heißt es in Nr. 15 dieser Vereinbarung, dass „das … Parlament und der Rat Folgenabschätzungen in Bezug auf die von ihnen vorgenommenen wesentlichen Abänderungen am Kommissionsvorschlag durchführen [werden]“, doch enthält diese Nummer, wie bereits in den Rn. 224 und 231 des vorliegenden Urteils ausgeführt, keine zwingende Verpflichtung zulasten dieser Organe, da sie nur die Möglichkeit vorsieht, eine solche Folgenabschätzung durchzuführen, wenn das Parlament und der Rat nach ihrem ausdrücklichen Wortlaut „dies im Hinblick auf den Gesetzgebungsprozess für zweckmäßig und erforderlich halten“.

1268

Folglich sind erstens die anderen Informationsquellen zu prüfen, auf die das Parlament und der Rat Bezug nehmen, um festzustellen, ob sie es, wie diese Organe vortragen, erlauben, zusammen mit der Folgenabschätzung – Sozialer Teil die Auswirkungen zu beurteilen, die sich aus der in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund getroffenen Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen ergeben.

1269

Insoweit ist darauf hinzuweisen, dass angesichts der Natur der in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regeln die Betriebskosten und die Kosten für die Einhaltung der Vorschriften sowie die eventuell erzielten Einsparungen, die einem bestimmten Unternehmen durch die Umsetzung dieser Vorschriften entstehen, davon abhängen, inwieweit dieses Unternehmen verschiedene Arten von Beförderungen durchführt. Wie der Rat hervorhebt, verfügte der Unionsgesetzgeber über die von Eurostat veröffentlichten Daten zu den verschiedenen Arten von durchgeführten Beförderungen, insbesondere über die Daten in einer Studie für den Zeitraum 2014 bis 2018 („Road freight transport by journey characteristics“ [„Frachtverkehr auf der Straße je nach den Merkmalen der Fahrt“], S. 3 bis 5, 10 und 11) und in einer Tabelle für das Jahr 2018. Da diese Daten es ermöglichten, den Umfang der Beförderungen im Dreiländerverkehr und der bilateralen Beförderungen, die jährlich zwischen einem bestimmten Paar von Mitgliedstaaten durchgeführt wurden, zu bestimmen, konnten sie eine Quelle relevanter Informationen für den Unionsgesetzgeber darstellen, um die Verhältnismäßigkeit der schließlich in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen zu beurteilen.

1270

Im Übrigen ermöglichen es diese Daten ihrerseits, zu beurteilen, inwieweit die Fahrer der verschiedenen Mitgliedstaaten im Sinne der Vorschriften in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund als in andere Mitgliedstaaten entsandt gelten.

1271

Wie auch der Rat vor dem Gerichtshof geltend gemacht hat, erlauben es diese Daten zu den verschiedenen Arten von Beförderungen in Verbindung mit den in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 62 bis 65) enthaltenen Informationen und den Informationen, die in den öffentlich zugänglichen Studien enthalten sind, auf denen diese Folgenabschätzung beruht, wie insbesondere die Studie der Kommission (GD Move) mit dem Titel „Support study for an impact assessment for the revision of the social legislation in road transport. Final report“ ([„Studie zur Stützung der Folgenabschätzung im Hinblick auf die Überarbeitung der Sozialvorschriften im Straßenverkehr. Abschlussbericht“], Mai 2017, S. 62 bis 76) und die u. a. die Gehaltsunterschiede zwischen verschiedenen Paaren von Mitgliedstaaten betreffen, die Kosten zu schätzen, die sich aus der in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund vorgenommenen Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen ergeben.

1272

Insoweit ist hervorzuheben, dass die klagenden Mitgliedstaaten, die das Fehlen oder die Unzulänglichkeit einer Folgenabschätzung der Richtlinie 2020/1057 beanstandet haben, nicht erläutert haben, inwiefern die Feststellungen des Rates, wie sie in den Rn. 1269 bis 1271 des vorliegenden Urteils dargelegt worden sind, fehlerhaft sein sollen. Ebenso wenig wurde erläutert, inwiefern die allgemeinen Schlussfolgerungen in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 60), wonach die Auswirkungen auf die Sicherheit im Straßenverkehr und die Gesundheit am Arbeitsplatz marginal sein würden, nicht auf das letztlich gewählte Modell übertragen werden könnten.

1273

Unter diesen Umständen verfügte der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen, um die Auswirkungen zu bewerten, die sich aus der Unterscheidung zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund ergeben.

1274

Zweitens kann dem Unionsgesetzgeber nicht vorgeworfen werden, nicht die Auswirkungen geprüft zu haben, die sich aus Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1057 ergeben, wonach für die Transitbeförderungen eine Ausnahme von den Entsendevorschriften gilt, und aus Art. 1 Abs. 7 dieser Richtlinie, wonach bei Kabotagebeförderungen davon auszugehen ist, dass sie mit einer Entsendung verbunden sind, so dass diese Vorschriften anzuwenden sind.

1275

Insoweit genügt der Hinweis, dass der Gerichtshof, wie sich aus Rn. 1179 des vorliegenden Urteils ergibt, im Rahmen seiner Auslegung der Richtlinie 96/71, wie sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 galt, entschieden hat, dass die in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Entsendevorschriften nicht für die Transitbeförderungen gelten, während sie hingegen grundsätzlich für die Kabotagebeförderungen gelten, die vollständig im Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats stattfinden.

1276

Da somit speziell Art. 1 Abs. 5 und 7 der Richtlinie 2020/1057 keine Änderung der anwendbaren materiell-rechtlichen Vorschriften zugeschrieben werden kann, ist das Vorbringen, mit dem dargetan werden soll, dass hinsichtlich dieser Bestimmungen eine ergänzende Folgenabschätzung erforderlich gewesen wäre, zurückzuweisen.

1277

Drittens ist, soweit Ungarn dem Unionsgesetzgeber im Wesentlichen vorwirft, dadurch gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen zu haben, dass er Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 erlassen habe, ohne die Auswirkungen dieser Bestimmung geprüft zu haben, darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, wie sich aus dem zwölften Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, der Ansicht war, dass die Art der erbrachten Dienstleistung auf der Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße einer Beförderung im kombinierten Verkehr eng mit dem Mitgliedstaat der Niederlassung verbunden ist, wenn die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst eine bilaterale Beförderung darstellt, und dass in einem solchen Fall das Vorliegen einer hinreichenden Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats fehlt, so dass die Anwendung der Entsendevorschriften nicht gerechtfertigt ist. Wenn jedoch die fragliche Beförderung auf der Straße innerhalb des Aufnahmemitgliedstaats oder als Beförderung im Dreiländerverkehr durchgeführt wird, besteht eine hinreichende Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats, so dass die Entsendevorschriften Anwendung finden sollten.

1278

Es steht jedoch fest, dass die Anwendung der Entsendevorschriften auf den kombinierten Verkehr, wie sie in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehen sind, auch in der Folgenabschätzung – Sozialer Teil nicht angesprochen wurde. Während nämlich die Kommission, wie sich aus den Rn. 1261 bis 1264 des vorliegenden Urteils ergibt, in dem auf der Grundlage dieser Folgenabschätzung ausgearbeiteten Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ beabsichtigte, ein Kriterium betreffend die Dauer der Beförderung anzuwenden, um die Umstände zu bestimmen, unter denen diese Vorschriften anwendbar sein sollen, hat sich der Unionsgesetzgeber schließlich in der Richtlinie 2020/1057 für einen Ansatz entschieden, der darin besteht, zwischen verschiedenen Kategorien von Beförderungen, darunter Beförderungen im kombinierten Verkehr, zu unterscheiden.

1279

Daher ist zu prüfen, ob im vorliegenden Fall das Maß an Informationen, von denen das Parlament und der Rat Kenntnis hatten, ausreichte, um ihnen die Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Ausnahme zu ermöglichen.

1280

Insoweit geht aus den dem Gerichtshof vorgelegten Unterlagen hervor, dass der Unionsgesetzgeber über eine Vielzahl von Informationen über den kombinierten Verkehr verfügte, die sich aus den Vorarbeiten zu den vorgeschlagenen Änderungen der Richtlinie 92/106 ergaben. Diese Informationen waren u. a. enthalten in der Folgenabschätzung zur Überarbeitung dieser Richtlinie (Folgenabschätzung der Kommission, Begleitunterlage zum Vorschlag COM[2017] 648, SWD[2017] 362), einem im Jahr 2015 auf Ersuchen der Kommission erstellten Dokument mit Daten über die Beförderungen im kombinierten Verkehr (KombiConsult, „Analysis of the EU Combined Transport“ [„Analyse der EU-Beförderungen im kombinierten Verkehr“], 2015), in der Aktualisierung dieser Daten im Jahr 2017 (ISL/KombiConsult, „Updating EU combined transport data“ [„Aktualisierung der Daten über die EU-Beförderungen im kombinierten Verkehr“], 2017), in einer Ergänzung aus dem Jahr 2018 zu diesen Daten (TRT Trasporti e Territorio srl, „Gathering additional data on EU combined transport“ [„Sammlung zusätzlicher Daten über die EU-Beförderungen im kombinierten Verkehr“], 2017) sowie in einer Konsultation, die von der Kommission zur Stützung der Folgenabschätzung in Auftrag gegeben wurde (KombiConsult, „Consultations and related analysis in the framework of impact assessment for the amendment of Combined Transport Directive (92/106/EEC)“ [„Konsultationen und zugehörige Analysen im Rahmen der Bewertung der Auswirkungen der Änderungen der Richtlinie über Beförderungen im kombinierten Verkehr (92/106/EWG)“], 2017).

1281

Insbesondere die Studie mit dem Titel „Analysis of the EU Combined Transport“ („Analyse der EU-Beförderungen im kombinierten Verkehr“) (S. 175 bis 177) bot eine detaillierte Untersuchung des Marktes für begleitete und unbegleitete Beförderungen im kombinierten Verkehr an, indem sie u. a. eine Präsentation der Dienste aller sechs Unternehmen, die begleitete Straßendienste in der Union erbringen, sowie der größten Anbieter der unbegleiteten Beförderungen im kombinierten Verkehr Straße/Schiene vorlegte. In dieser Studie wurden auch Daten zu den Entfernungen im Zusammenhang mit der Zu- oder Ablaufstrecke der Beförderungen im kombinierten Verkehr Straße/Schiene dargelegt (S. 67 bis 70). Im Übrigen enthielt die in Rn. 1280 des vorliegenden Urteils angeführte Folgenabschätzung der Kommission zu dem Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 92/106 zum einen Daten über die durchschnittlichen Entfernungen, den Median und die weiteste Entfernung der auf der Straße und nicht auf der Straße zurückgelegten Teilstrecke des kombinierten Verkehrs und zum anderen über Art und Umfang des multimodalen Verkehrs, der unter den Begriff „kombinierter Verkehr“ im Sinne der Richtlinie 92/106 und daher in den Anwendungsbereich von Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 fällt.

1282

Aus den Angaben in den dem Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Klagen übermittelten Dokumenten, deren Nützlichkeit Ungarn nicht speziell bestreitet, ergibt sich somit, dass der Unionsgesetzgeber für den Erlass der Richtlinie 2020/1057 über relevante Grunddaten zum Markt für den kombinierten Verkehr verfügte. Diese Daten in Verbindung mit anderen Informationen, über die der Unionsgesetzgeber verfügte, insbesondere mit den in Rn. 1271 des vorliegenden Urteils genannten Informationen über die Gehaltsunterschiede zwischen verschiedenen Paaren von Mitgliedstaaten, haben es ihm ermöglicht, die Auswirkungen der Kriterien für die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 zu beurteilen. Somit verfügte der Unionsgesetzgeber über ein ausreichendes Maß an Informationen, die es ihm ermöglichten, die Wahl dieser Kriterien im Rahmen der Ausübung seines weiten Ermessens zu begründen.

1283

Die vorstehenden Erwägungen können nicht durch das Vorbringen der Republik Polen zur angeblichen Nichtberücksichtigung der negativen kumulativen Wirkung der angefochtenen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 und der Verordnung 2020/1055 in Frage gestellt werden. Zwar scheint dieser Mitgliedstaat mit diesem Vorbringen dem Unionsgesetzgeber eine Inkohärenz in den Entscheidungen vorzuwerfen, die den angefochtenen Bestimmungen jedes dieser Rechtsakte zugrunde liegen, doch genügt insoweit der Hinweis, dass das „Mobilitätspaket“, wie das Parlament geltend macht, aus mehreren Rechtsakten besteht, die zwar komplementäre, aber gleichwohl unterschiedliche Ziele verfolgen. Daher kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber allein deshalb gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstoßen hat, weil sich die in der Verordnung 2020/1055 aufgestellten Voraussetzungen für den Nachweis, dass eine wirtschaftliche Einheit über eine tatsächliche und dauerhafte Niederlassung in einem Mitgliedstaat verfügt, von den Kriterien unterscheiden, die in den Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern vorgesehen sind.

1284

Daher ist das Vorbringen, der Unionsgesetzgeber habe keine Prüfung der Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 vorgenommen, als unbegründet zurückzuweisen.

2) Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057

i) Vorbringen der Parteien

1285

Nach Ansicht der Republik Bulgarien und der Republik Zypern ergeben sich nachteilige Auswirkungen aus der in der Richtlinie 2020/1057 getroffenen Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen hinsichtlich der Kosten für die Einhaltung der neuen Anforderungen sowie der Kosten für die Dokumentation jeder Entsendung und die Anwendung der Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats. Die Fahrer kumulierten häufig Beförderungen im Dreiländerverkehr mit bilateralen Beförderungen. Die Befreiung von der Anwendung der Entsendevorschriften komme aber nicht allen Beförderungen im Dreiländerverkehr zugute, die gleichzeitig mit bilateralen Beförderungen durchgeführt würden. Es sei daher für den Verkehrsunternehmer sehr schwierig, zu beurteilen, wann eine Entsendung vorliege und wann nicht. In der Richtlinie 2020/1057 werde auch nicht näher erläutert, wie die Stunden zu berechnen seien, in denen ein Fahrer als in einen bestimmten Mitgliedstaat entsandt anzusehen sei. Daraus ergebe sich eine schwere Belastung für diese Verkehrsunternehmer, bei denen es sich zum größten Teil um KMU handele.

1286

Die Belastung der Verkehrsunternehmer, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführten, sei so schwer zu tragen, dass sie zu einer Neuorientierung zu anderen Arten von Tätigkeiten, zu einer Verlagerung in Drittländer, zu einem Umsatzrückgang oder sogar zum Konkurs von Verkehrsunternehmern führen könnte. Im Übrigen sei es wahrscheinlich, dass diese Belastung zu Ineffizienzen führe und die Umweltauswirkungen des Straßenverkehrs vergrößere. Außerdem drohe sie, den Wettbewerb zu verfälschen, da die Richtlinie 2020/1057 den außerhalb der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmern keine Verpflichtung auferlege und auf sie nicht anwendbar sei.

1287

Es ließen sich drei legitime Ziele unterscheiden, die mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgt würden, nämlich erstens angemessene Arbeitsbedingungen und ein angemessener Sozialschutz für Kraftfahrer, zweitens angemessene Geschäftsbedingungen für die Verkehrsunternehmen und die Notwendigkeit eines fairen Wettbewerbs zwischen ihnen sowie drittens die Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen. Dieser Richtlinie gelinge jedoch nicht nur nicht, ein Gleichgewicht zwischen diesen Zielen zu wahren, sondern sie ermögliche es auch nicht, eines von ihnen zu erreichen.

1288

Was nämlich das erste Ziel betreffe, beziehe sich das höhere Entgelt, das den Fahrern zugutekommen könnte, meist nur auf kurze Zeiträume im Mitgliedstaat der Be- oder Entladung, so dass sich die Arbeitsbedingungen und der Sozialschutz der Fahrer nur geringfügig verbesserten.

1289

Was das zweite Ziel angehe, fördere der Umstand, dass auf die Unternehmen, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführten, die Entsendevorschriften angewandt würden, während die Unternehmen, die bilaterale Beförderungen durchführten, davon ausgenommen seien, den unlauteren Wettbewerb. Der komparative Vorteil der in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union ansässigen Verkehrsunternehmen liege nämlich in ihren geringeren Kosten, die sich insbesondere aus niedrigeren Lebenshaltungskosten und aus niedrigeren Löhnen ergäben. Aufgrund der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 befänden sich die an Beförderungen im Dreiländerverkehr beteiligten Verkehrsunternehmer nunmehr in einer weniger wettbewerbsfähigen Position als die Verkehrsunternehmer, die bilaterale Beförderung durchführen. Dies verfälsche den Wettbewerb zwischen dem Zentrum der Union, wo die Verkehrsunternehmer vor allem bilaterale Beförderung betrieben, und den Mitgliedstaaten wie der Republik Bulgarien und der Republik Zypern, wo die Verkehrsunternehmer vor allem Beförderungen im Dreiländerverkehr vornähmen.

1290

Was das dritte Ziel angehe, beschränkten diese Bestimmungen die Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Dienstleistungen aufgrund der mit ihnen verbundenen höheren Kosten.

1291

Nach Ansicht der Republik Bulgarien und der Republik Zypern ist es für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften weder geeignet noch erforderlich, zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr zu unterscheiden. Im einen wie im anderen Fall gebe es zu jedem der Länder, die der Fahrer durchquere, keine hinreichend starke Verbindung. Abgesehen vom Abfahrts- oder Bestimmungsmitgliedstaat verrichteten die Arbeitnehmer, die eine bilaterale Beförderung durchführten, die gleiche Arbeit wie die Arbeitnehmer, die eine Beförderung im Dreiländerverkehr durchführten. Der Abfahrts- oder Bestimmungsmitgliedstaat habe keinen Einfluss auf die Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmemitgliedstaat. Dagegen bestehe im Rahmen von Kabotagebeförderungen eine offenkundige Anknüpfung an ein Hoheitsgebiet.

1292

Nach Ansicht der Republik Bulgarien und der Republik Zypern besteht die geeignete Maßnahme darin, den grenzüberschreitenden Verkehr vollständig von der Anwendung der Entsendevorschriften auszunehmen. Eine solche Ausnahme sei durch die besondere Situation des grenzüberschreitenden Verkehrs und seiner äußerst mobilen Natur, eine Situation, die dadurch gekennzeichnet sei, dass es keine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet anderer Mitgliedstaaten als des Niederlassungsmitgliedstaats gebe, gerechtfertigt. Daher würde eine vollständige Ausnahme erlauben, alle verfolgten Ziele zu erreichen. Die Lösung, die Entsendevorschriften mit einer zeitlichen Grenze auf den gesamten Sektor des internationalen Verkehrs anzuwenden, sei zwar angemessener als das gewählte Modell, werfe jedoch schwerwiegende Probleme auf, da ihre Auswirkungen in Bezug auf die Kosten, den Verwaltungsaufwand für KMU und die Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung der Vorschriften stets unverhältnismäßig seien. Ein alternativer Ansatz, der Klarheit biete, sei der, dem der Gerichtshof in Rn. 48 des Urteils vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), gefolgt sei, der darin bestehe, das Vorliegen einer hinreichenden Verbindung im Rahmen von Beförderungen im Dreiländerverkehr im Fall der Erfüllung eines Minimums bestimmter Aufgaben in einem spezifischen Mitgliedstaat in einem bestimmten Monat, z. B. das Be- oder Entladen von Waren, die Instandhaltung oder die Reinigung der Transportfahrzeuge, zu vermuten.

1293

Die Republik Litauen macht geltend, Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die in dieser Bestimmung vorgesehenen Kriterien wegen ihrer nachteiligen wirtschaftlichen und sozialen Folgen offensichtlich ungeeignet seien. Grundsätzlich sollten die Entsendevorschriften nämlich die zusätzlichen Kosten ausgleichen, die dem Arbeitnehmer dadurch entstünden, dass er seine Arbeitspflichten in einem anderen Mitgliedstaat als dem seines gewöhnlichen Aufenthalts erfülle. In den Fällen von Kabotage von kurzer Dauer und Beförderung im Dreiländerverkehr hätten die Fahrer jedoch üblicherweise keine Verbindung zum Aufnahmemitgliedstaat, verbrächten in diesem Staat im Allgemeinen nur sehr wenig Zeit und trügen daher in diesem nur minimale Kosten.

1294

Außerdem führe das auf die Art von Beförderungen gestützte Kriterium im Hinblick auf die Anwendung oder Nichtanwendung der Vorschriften über die Entsendung zu einer mittelbaren Diskriminierung der in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union niedergelassenen Verkehrsunternehmen, erschwere die kurzfristige Erbringung von Dienstleistungen und schränke im Wesentlichen den Wettbewerb, zulasten insbesondere der KMU ein, die 99 % des gesamten Verkehrsmarkts der Union ausmachten. Es sei im Übrigen wahrscheinlich, dass diese Vorschriften dazu führten, die KMU zu veranlassen, die Durchführung von Beförderungen im Dreiländerverkehr einzustellen oder ihre Tätigkeiten in die Mitgliedstaaten zu verlagern, die sich im Zentrum der Union oder um dieses herum befänden. Bis zum Erlass der Richtlinie 2020/1057 habe es in diesem Bereich keinen Verwaltungsaufwand gegeben.

1295

Die Republik Litauen macht geltend, dass das Kriterium der Dauer ein Beispiel für ein objektives Kriterium sei, das das Vorliegen einer faktischen Verbindung mit dem Mitgliedstaat, in dem die Arbeit tatsächlich verrichtet werde, herstelle, ohne dass jedoch die Möglichkeit ausgeschlossen werde, andere Kriterien anzuwenden, wenn sie objektiv gerechtfertigt seien, eine hinreichende Verbindung zu dem Mitgliedstaat, in dem die Arbeit verrichtet werde, gewährleisteten und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprächen. Als der Gerichtshof das zeitliche Kriterium in der Rechtssache, in der das Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), ergangen ist, beurteilt habe, habe er sich außerdem nur zu den Kabotagebeförderungen geäußert, und nicht zur bilateralen Beförderung und zur Beförderung im Dreiländerverkehr.

1296

Rumänien macht ferner geltend, dass das Kriterium zur Feststellung einer hinreichenden Verbindung zu einem Mitgliedstaat, wie es der Unionsgesetzgeber für die Anwendung der Entsendevorschriften im Bereich des Straßenverkehrs herangezogen habe, offensichtlich ungeeignet sei, da es das Vorliegen einer hinreichenden Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmemitgliedstaat nicht nachweisen könne.

1297

Außerdem führe die Anwendung dieses Kriteriums zu Unsicherheiten hinsichtlich der Bestimmung des Aufnahmemitgliedstaats und damit der anwendbaren Rechtsvorschriften. So sei unklar, ob die Anwendung dieses Kriteriums die Bestimmung eines einzigen Aufnahmemitgliedstaats voraussetze, zu dem der Fahrer im allgemeinen Kontext der betreffenden Beförderung eine hinreichende Verbindung habe, oder ob die in allen Mitgliedstaaten, in denen das Be- oder Entladen durchgeführt werde, geltenden Rechtsvorschriften kumulativ anwendbar seien.

1298

Jedenfalls sei der Umstand, dass Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 zur Bestimmung der hinreichenden Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats das Vorliegen einer Tätigkeit der Be- und/oder Entladung von Gütern berücksichtige, nicht optimal. Die Fahrer übten nämlich nur gelegentlich, d. h. in 29 % der Fälle, solche Tätigkeiten aus. Außerdem habe die Regelung der Entsendung im Bereich des Verkehrs nach Maßgabe des Kriteriums der Beförderung unmittelbare Auswirkungen auf den Markt, d. h., dass sowohl die Beförderungen im Dreiländerverkehr als auch die kombinierten Beförderungen erschwert würden, obwohl Letztere für die Verringerung der Schadstoffemissionen des Verkehrs wichtig seien.

1299

Wie sich auch aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil ergebe, führe die fehlende Flexibilität der Sozialvorschriften im Verkehrsbereich zu Situationen, in denen die Rechtsvorschriften nicht eingehalten würden. Bei einer Änderung der Zahl der zusätzlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung während der Beförderung, die zur Anwendung der Entsenderegelung führen könnte, könne es für den Verkehrsunternehmer daher unmöglich sein, den zuständigen nationalen Behörden eine Entsendemeldung zu übermitteln, da Art. 1 Abs. 11 Buchst. a der Richtlinie 2020/1057 die Abgabe einer solchen Meldung spätestens bei Beginn der Entsendung verlange. Die Einhaltung dieser Bestimmung sei daher in bestimmten Situationen aufgrund der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 dieser Richtlinie schwierig.

1300

In Anbetracht der angeführten Probleme im Zusammenhang mit der Beachtung des Grundsatzes der Rechtssicherheit sei die Richtlinie 2020/1057 geeignet, die Erbringung von Verkehrsdienstleistungen durch KMU zu stören und ihnen Verpflichtungen aufzuerlegen, die außer Verhältnis zu den Vorteilen stünden, die sie für die Fahrer mit sich bringe.

1301

Im Urteil vom 15. März 2011, Koelzsch (C‑29/10, EU:C:2011:151, Rn. 44 bis 49), habe der Gerichtshof festgestellt, dass es erforderlich sei, sich auf eine Kumulierung von Gesichtspunkten zu beziehen, um den Mitgliedstaat zu ermitteln, mit dem die Arbeit eine maßgebliche Verknüpfung aufweise, wenn Beförderungstätigkeiten in mehreren Mitgliedstaaten ausgeübt würden. Die Heranziehung eines einzigen Kriteriums, wie in der Richtlinie 2020/1057, sei unzureichend und ermögliche daher nicht den Nachweis des Bestehens einer solchen Verknüpfung. Insoweit macht Rumänien auch geltend, dass die Anwendung des zeitlichen Elements, d. h. der Mindestdauer der Tätigkeit, von dieser Richtlinie als Kriterium für die Feststellung einer hinreichenden Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats in Bezug auf andere Arten von Beförderungen als die Kabotage hätte herangezogen werden müssen. Die Relevanz der Anwendung dieses Kriteriums ergebe sich sowohl aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil als auch aus der Lektüre des für die Entsendung geltenden allgemeinen Rechtsrahmens. Das Fehlen einer maßgeblichen Verknüpfung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats im Fall einer während eines kurzen Zeitraums ausgeübten Tätigkeit ergebe sich nämlich u. a. aus Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 96/71, der den Mitgliedstaaten das Recht einräume, von den Verpflichtungen im Bereich der Entsendung abzuweichen, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteige.

1302

Die Republik Polen macht geltend, Art. 1 Abs. 3, 4, 6 und 7 der Richtlinie 2020/1057 wahre nicht den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, da die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Kriterien für die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Kraftfahrer nicht objektiv seien, relevante Aspekte der Situation, die sie regeln wollten, nicht berücksichtigten und unverhältnismäßig hohe Belastungen für die Unternehmen sowie negative Auswirkungen auf die Umwelt mit sich brächten.

1303

Diese Bestimmungen seien nicht geeignet, die erklärten Ziele zu erreichen, da sie insbesondere bewirkten, dass die Dienstleistungen von den Unternehmen mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union beschränkt würden, anstatt einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Die Entsendevorschriften seien nämlich auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr und auf die Kabotage anwendbar, bei denen diese Unternehmen eine vorrangige Rolle spielten.

1304

Der Unionsgesetzgeber habe die anderen Gesichtspunkte, die das Vorliegen einer Verbindung zwischen dem Fahrer und dem Aufnahmemitgliedstaat, insbesondere die Dauer des Aufenthalts des Fahrers im Hoheitsgebiet dieses Staates, sowie dem Niederlassungsmitgliedstaat belegten, nicht berücksichtigt. Wie sich aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil ergebe, entspreche das zeitliche Kriterium am besten dem mobilen Charakter der Verkehrsdienstleistungen. Im Urteil vom 15. März 2001, Mazzoleni und ISA (C‑165/98, EU:C:2001:162), habe der Gerichtshof entschieden, dass die zuständigen Behörden des Aufnahmemitgliedstaats für die Beurteilung, ob die Anwendung der dort geltenden Mindestlohnregelung erforderlich und verhältnismäßig sei, alle maßgeblichen Elemente bewerten müssten, einschließlich der Dauer der Dienstleistungen.

1305

Gemäß der Richtlinie 2020/1057 erhielten zwei Fahrer, die eine Beförderung auf ein und derselben Strecke durchführten, je nach Ort der Be- oder Entladung ein unterschiedliches Entgelt. Außerdem gebe es keine sachliche Rechtfertigung für die in Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie vorgesehene Ausnahme für bestimmte Beförderungen zwischen Drittländern. Die Republik Polen sieht auch keine Erklärung für den Vorbehalt, dass die Ausnahme für zwei Beförderungen von Gütern zwischen Drittländern für die Rückreise nach der bilateralen Beförderung aus dem Niederlassungsmitgliedstaat gilt, nicht aber für die Fahrt bis zum Aufnahmemitgliedstaat.

1306

Außerdem weckten die in den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Ausnahmen Zweifel an ihrer Auslegung. Beispielsweise stelle sich die Frage nach der Bestimmung des Zeitpunkts, zu dem die Anwendung der Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats beginnen müsse, wenn der Fahrer eine zusätzliche Be- oder Entladetätigkeit ausübe, die nicht unter eine Ausnahme nach Art. 1 Abs. 3 falle. Die Auslegung von Art. 1 Abs. 4 dieser Richtlinie werfe ähnliche Zweifel auf. Außerdem gebe es keine sachliche Rechtfertigung dafür, dass zwei Ausnahmen für zusätzliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung nach diesem Abs. 3 für die Güterbeförderung genehmigt seien, während nur eine einzige Ausnahme für eine zusätzliche Tätigkeit im Fall der Personenbeförderung vorgesehen sei.

1307

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

ii) Würdigung durch den Gerichtshof

1308

Es ist darauf hinzuweisen, dass das mit der Richtlinie 2020/1057 verfolgte Ziel, anhand dessen die Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 dieser Richtlinie zu prüfen ist, darin besteht, durch die Festlegung besonderer Vorschriften für die Bestimmung des Mitgliedstaats, dessen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen den Fahrern des Straßenverkehrs garantiert sind, ein Gleichgewicht zwischen zum einen der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für diese Kraftfahrer und zum anderen der Erleichterung der Ausübung der Dienstleistungsfreiheit im Straßenverkehr auf der Grundlage eines fairen Wettbewerbs zwischen Verkehrsunternehmen herzustellen, wobei dieses Gleichgewicht die Besonderheiten der hohen Mobilität der Arbeitnehmer in diesem Sektor berücksichtigt und das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts gewährleisten soll.

1309

Die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, die Republik Zypern und die Republik Polen stellen die Rechtmäßigkeit dieses Ziels als solches nicht in Frage, machen aber geltend, dass die in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Kriterien oder einige von ihnen als solche gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit verstießen.

1310

Zur Beurteilung der Begründetheit dieser Rügen ist daher zu prüfen, ob diese Kriterien zur Erreichung des verfolgten Ziels geeignet sind, ob sie nicht offensichtlich über das hinausgehen, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist, und ob sie im Hinblick auf dieses Ziel verhältnismäßig sind.

– Zur Eignung von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 zur Erreichung des verfolgten Ziels

1311

Was erstens die Eignung von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 zur Erreichung des verfolgten Ziels betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass diese Bestimmungen Kriterien vorsehen, die auf der Art der durchgeführten Beförderung beruhen, und dass, wie der Generalanwalt in Nr. 968 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, jede Art der Beförderung, die in diesen Bestimmungen berücksichtigt wird, eine andere Verbindung zum Hoheitsgebiet des Mitgliedstaats der Niederlassung des Verkehrsunternehmers oder zum Hoheitsgebiet eines oder mehrerer Aufnahmemitgliedstaaten aufweist.

1312

Insbesondere gilt, wie sich aus Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 ergibt, ein Kraftfahrer nicht als entsandt im Sinne der Richtlinie 96/71, wenn er eine bilaterale Beförderung von Gütern bzw. von Fahrgästen durchführt, da in einem solchen Fall, wie sich aus dem zehnten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergibt, die Art des Dienstes eng mit dem Niederlassungsmitgliedstaat verbunden ist. Dagegen gilt, wie sich aus dem 13. Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, ein Fahrer, der eine Beförderung im Dreiländerverkehr durchführt, als für diese Zwecke entsandt, da dieser Fahrer und diese Beförderung eine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufweisen. Außerdem sind bestimmte zusätzliche Tätigkeiten der Be- und/oder Entladung von Gütern sowie des Aufnehmens und/oder Absetzens von Fahrgästen in den Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die der Fahrer durchfährt, gemäß Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 und Abs. 4 Unterabs. 3 und 4 dieser Richtlinie von den Entsendevorschriften ausgenommen, weil diese zusätzlichen Tätigkeiten im Zusammenhang mit einer bilateralen Beförderung stehen, die ihrerseits aufgrund ihrer Verbindung zum Hoheitsgebiet des Niederlassungsmitgliedstaats ausgenommen ist, und die keine solche Tragweite haben, dass sie diese Verbindung in Frage stellen könnten.

1313

Ebenso geht aus Art. 1 Abs. 5 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem elften Erwägungsgrund hervor, dass ein Kraftfahrer, der eine Transitbeförderung durchführt, die darin besteht, einen Mitgliedstaat zu durchfahren, ohne Güter zuzuladen oder zu entladen und ohne Fahrgäste aufzunehmen oder abzusetzen, nicht als entsandt gilt. In einem solchen Fall besteht nämlich keine maßgebliche Verbindung zwischen den Tätigkeiten des Kraftfahrers und dem im Transit durchfahrenen Mitgliedstaat.

1314

Dagegen gilt, wie sich aus Art. 1 Abs. 7 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund ergibt, ein Kraftfahrer, der eine Kabotagebeförderung durchführt, als entsandt, da die gesamte Beförderung in einem Aufnahmemitgliedstaat stattfindet, so dass die Dienstleistung eng mit dem Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verbunden ist.

1315

Schließlich gilt nach Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 ein Kraftfahrer, der im kombinierten Verkehr die Zu- oder Ablaufstrecke auf der Straße zurücklegt, nicht als entsandt, sofern die auf der Straße zurückgelegte Teilstrecke selbst aus bilateralen Beförderungen besteht. In einem solchen Fall ist nämlich, wie sich aus dem zwölften Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, die Art der erbrachten Dienstleistung auf dieser Strecke eng mit dem Mitgliedstaat der Niederlassung verbunden, während, wenn die fragliche Beförderung auf der Straße innerhalb des Aufnahmemitgliedstaats oder als Beförderung im Dreiländerverkehr durchgeführt wird, eine hinreichende Verbindung mit dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats besteht, so dass die Entsendevorschriften Anwendung finden.

1316

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber, wie der Rat zu Recht geltend macht und der Generalanwalt in Nr. 969 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, dadurch, dass er in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 auf Kriterien abgestellt hat, die sich auf die Art der Beförderung stützen, nicht nur das Gebiet berücksichtigt hat, in dem sich der Fahrer aufhält, sondern für jede Art der erbrachten Dienstleistung die Verbindung mit dem Aufnahmemitgliedstaat und ihre Verbindung mit dem Niederlassungsmitgliedstaat verglichen hat, um zu einem angemessenen Gleichgewicht zwischen den verschiedenen in Rede stehenden Interessen zu gelangen.

1317

Im Übrigen hat der Gerichtshof im Rahmen seiner Auslegung der Bestimmungen der Richtlinie 96/71, wie sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 galten, entschieden, dass ein Arbeitnehmer als im Sinne der Richtlinie 96/71 in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats entsandt anzusehen ist, wenn seine Arbeitsleistung eine hinreichende Verbindung zu diesem Hoheitsgebiet aufweist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 45 und die dort angeführte Rechtsprechung).

1318

Nachdem der Gerichtshof in diesem Urteil darauf hingewiesen hat, dass die Feststellung des Vorliegens einer hinreichenden Verbindung zum Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte voraussetzt, die die Tätigkeit des betreffenden Arbeitnehmers kennzeichnen, hat er darüber hinaus zum einen bestimmte Arten von Beförderungen im Straßenverkehr, bei denen davon auszugehen ist, dass sie eine solche Verbindung aufweisen und daher als mit einer Entsendung verbunden anzusehen sind, und zum anderen andere Arten von Beförderungen im Straßenverkehr ermittelt, die im Gegenteil diese Verbindung nicht aufweisen und die daher von den Entsendevorschriften auszunehmen sind. Insbesondere hat der Gerichtshof festgestellt, dass ein Fahrer, der eine Transitbeförderung oder eine bilaterale Beförderung durchführt, nicht als „entsandt“ im Sinne der Richtlinie 96/71 angesehen werden kann, während ein Fahrer, der eine Kabotagebeförderung durchführt, grundsätzlich als entsandt anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 45, 49, 62, 63 und 65 sowie die dort angeführte Rechtsprechung).

1319

Damit hat der Gerichtshof implizit, aber zwangsläufig, für die Bestimmung des Vorliegens einer hinreichenden Verbindung zwischen einem Fahrer, der eine grenzüberschreitende Beförderung durchführt, und dem Aufnahmemitgliedstaat, die die Anwendung der Entsendevorschriften auf diesen Fahrer rechtfertigt, zum einen die Angemessenheit des Ansatzes anerkannt, der darin besteht, das Vorliegen einer solchen Verbindung anhand der Art der betreffenden Beförderung festzustellen, und zum anderen der Relevanz in diesem Kontext von einigen der in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund aufgeführten besonderen Arten von Beförderungen, nämlich den bilateralen Beförderungen und den Transitbeförderungen, für die diese Vorschriften nicht gelten, sowie den Beförderungen im Dreiländerverkehr und den Kabotagebeförderungen, für die diese Vorschriften gelten können.

1320

Zwar folgen die Modalitäten der Anwendung der Entsendevorschriften auf Beförderungen im Dreiländerverkehr gemäß der Richtlinie 96/71, wie sie vom Gerichtshof in der in den Rn. 1317 bis 1319 des vorliegenden Urteils dargestellten Rechtsprechung ausgelegt worden ist, derselben Logik, sind aber nicht genau die gleichen wie die, die sich aus der Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 ergeben.

1321

Insbesondere war es als Erstes vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 erforderlich, eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte vorzunehmen, die die Tätigkeit des Fahrers kennzeichnen, der Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführt, um festzustellen, ob seine Arbeitsleistung eine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufwies (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 45 und 51). Dagegen wird nach Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund davon ausgegangen, dass eine solche Verbindung grundsätzlich besteht, wenn ein Fahrer eine Beförderung im Dreiländerverkehr durchführt.

1322

Dieser Unterschied ändert jedoch nichts an der Relevanz der in der Richtlinie 2020/1057 getroffenen Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften. Im Gegenteil veranschaulicht ein solcher Unterschied vielmehr die erhöhte Rechtssicherheit, die sich aus dem System ergibt, das aus den in Art. 1 Abs. 3 und 4 dieser Richtlinie in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund festgelegten Regeln im Vergleich zu dem vor ihrem Inkrafttreten anwendbaren System hervorgeht, da das erstgenannte System klarstellt, dass die Beförderungen im Dreiländerverkehr im Allgemeinen mit einer Entsendung von Arbeitnehmern verbunden ist, weil die Dienstleistung außerhalb des Niederlassungsmitgliedstaats erbracht wird.

1323

Als Zweites beanstandet Rumänien nicht nur die Wahl des allgemeinen Kriteriums, das auf die Art der Beförderung abstellt, sondern bezweifelt auch die Relevanz des in Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen spezifischen Kriteriums des Ortes der Be- oder Entladung der Waren.

1324

Insoweit trifft es zwar zu, dass sich diese Bestimmung ebenso wie Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 3 und 4 dieser Richtlinie, der die Beförderung von Fahrgästen betrifft, in diesem Punkt von dem vor dem Inkrafttreten der Richtlinie geltenden System unterscheidet. Während nämlich nach diesen Bestimmungen für eine begrenzte Zahl zusätzlicher Tätigkeiten der Be- und/oder Entladung eine Ausweitung der für die bilateralen Beförderungen anwendbaren Ausnahme gilt, hat der Gerichtshof im Rahmen seiner Auslegung der Richtlinie 96/71, wie sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 galt, entschieden, dass das Be- oder Entladen von Waren zu den Faktoren zählt, die für die Beurteilung der Frage von Bedeutung sind, ob die Arbeitsleistung eines Fahrers eine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats aufweist, so dass die in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Entsendevorschriften für ihn gelten (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 48).

1325

Der Umstand, dass der Gerichtshof somit die Relevanz solcher zusätzlichen Tätigkeiten bei der Gesamtwürdigung des Vorliegens einer hinreichenden Verbindung zwischen der Beförderung und dem Aufnahmemitgliedstaat anerkannt hat, hinderte den Unionsgesetzgeber jedoch nicht daran, im Rahmen des weiten Ermessens, das ihm in diesem Kontext zusteht, zu beschließen, daraus ein spezifisches Kriterium zu machen. Somit hat der Unionsgesetzgeber dieses Ermessen im vorliegenden Fall nicht verkannt, als er, um die Durchführung von als effizient angesehenen Beförderungen und damit den freien Dienstleistungsverkehr zu erleichtern, ohne jedoch das Niveau des sozialen Schutzes, der den bilaterale Beförderungen durchführenden Fahrern garantiert wird, unangemessen zu beeinträchtigen, sondern auch um die Rechtssicherheit zu erhöhen, der Ansicht war, dass diesen Fahrern gestattet werden sollte, eine begrenzte Zahl zusätzlicher Tätigkeiten der Be- und/oder Entladung von Gütern vorzunehmen, ohne dass diese Tätigkeiten zur Folge hätten, dass die betreffende Dienstleistung als im Rahmen einer Entsendung im Sinne der Richtlinie 96/71 erbracht angesehen wird.

1326

Die Republik Polen weist ferner darauf hin, dass nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 der Richtlinie 2020/1057 eine einzige Tätigkeit der Be- und/oder Entladung ausgenommen werden könne, während nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 4 dieser Richtlinie zwei Be- und/oder Entladungen ausgenommen werden könnten.

1327

Insoweit trifft es zwar zu, dass, wie sich aus einer Zusammenschau dieser Bestimmungen ergibt, eine einzige zusätzliche Tätigkeit der Be- und/oder Entladung im Rahmen einer bilateralen Beförderung aus dem Niederlassungsmitgliedstaat befreit werden kann, während höchstens zwei dieser Tätigkeiten auf der Rückfahrt befreit werden können, nämlich wenn die bilaterale Beförderung im Niederlassungsmitgliedstaat endet und während der Fahrt aus dem Niederlassungsmitgliedstaat keine zusätzliche Tätigkeit durchgeführt wurde.

1328

Wie der Generalanwalt in Nr. 993 seiner Schlussanträge ausgeführt hat und im Wesentlichen aus Rn. 1324 des vorliegenden Urteils hervorgeht, ist jedoch zum einen der Umstand, dass die Zahl der zusätzlichen Tätigkeiten, für die eine Ausdehnung der für die bilateralen Beförderungen vorgesehenen Ausnahme von den Entsendevorschriften in Betracht kommt, begrenzt wird, Ausdruck einer politischen Entscheidung des Unionsgesetzgebers, mit der er ein angemessenes Gleichgewicht zwischen dem Ziel, den freien Dienstleistungsverkehr zu erleichtern, und dem Ziel, den Fahrern im Straßenverkehrssektor ein gewisses Maß an sozialem Schutz zu gewährleisten, herstellen will. Im Übrigen sind solche quantitativen Beschränkungen auch geeignet, die Rechtssicherheit gegenüber der zuvor im Rahmen der Richtlinie 96/71 geltenden Regelung zu erhöhen.

1329

Zum anderen unterscheidet sich zwar die Zahl der zusätzlichen Tätigkeiten, für die eine Ausnahmeregelung aus diesem Grund in Betracht kommt, je nachdem, ob die bilaterale Beförderung aus dem oder in den Niederlassungsmitgliedstaat durchgeführt wird, doch lässt sich daraus nicht ableiten, dass der Unionsgesetzgeber eine Maßnahme gewählt hat, die zur Erreichung des verfolgten Ziels ungeeignet ist, indem er davon ausging, dass eine solche Differenzierung, wie der Rat geltend gemacht hat, es am besten ermöglicht, eine wirksame Kontrolle der Voraussetzungen, die die insoweit gewährten Ausnahmen rechtfertigen, durch die nationalen Behörden zu gewährleisten. Während nämlich, wenn der Fahrer den Niederlassungsmitgliedstaat verlässt, es diesen Behörden nicht möglich ist, die Zahl der zusätzlichen Tätigkeiten zu bestimmen, die der Fahrer anschließend auf der Rückfahrt durchführen wird, können diese Behörden während der Rückfahrt die Zahl der zusätzlichen Tätigkeiten, die dieser Fahrer durchgeführt hat, überprüfen.

1330

Was schließlich die Beförderungen im kombinierten Verkehr betrifft, so hat der Gerichtshof in seiner Rechtsprechung zur Auslegung der Richtlinie 96/71 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 geltenden Fassung zwar nicht klargestellt, wie die Entsendevorschriften auf diese Art von Beförderungen anwendbar waren, doch entspricht die vom Unionsgesetzgeber insoweit getroffene Entscheidung, wie sie in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 konkretisiert wurde, der Logik, der der Gerichtshof im Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), gefolgt ist. Während nämlich der Gerichtshof in Rn. 49 dieses Urteils festgestellt hat, dass die bilateralen Beförderungen von den Entsendevorschriften ausgenommen werden müssen, hat der Unionsgesetzgeber in diesem Art. 1 Abs. 6 diese Ausnahme für die Verkehrsunternehmer nur auf die Teile einer kombinierten Beförderung auf der Straße ausgedehnt, die einer bilateralen Beförderung gleichgestellt werden können.

1331

Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber, indem er sich dafür entschieden hat, eine solche Klarstellung in Bezug auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr vorzunehmen, die Rechtssicherheit in Bezug auf die Art und Weise, in der die Entsendevorschriften für diese besondere Beförderungsart gelten, verstärkt und damit entgegen dem Vorbringen Rumäniens im Einklang mit dem allgemeineren Ziel der Richtlinie 2020/1057, die Dienstleistungsfreiheit zu erleichtern, diese Art von Beförderungen gefördert hat.

1332

In Anbetracht dieser Erwägungen kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber dadurch, dass er in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 ein Kriterium für die Anwendung der Entsendevorschriften gewählt hat, das auf den verschiedenen Arten von Beförderungen im Straßenverkehr beruht, ein Kriterium gewählt hat, das zur Erreichung des verfolgten Ziels ungeeignet ist.

1333

Keines der von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumänien, der Republik Zypern und der Republik Polen vorgebrachten Argumente ist geeignet, dieses Ergebnis in Frage zu stellen.

1334

Was als Erstes das Vorbringen Rumäniens und der Republik Polen zu der angeblich durch die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 verursachten rechtlichen Ungewissheit und Rechtsunsicherheit betrifft, ist zum einen festzustellen, dass allgemein der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und, wie sich aus Rn. 159 des vorliegenden Urteils ergibt, der Grundsatz der Rechtssicherheit den Unionsgesetzgeber nicht darin hindern, im Rahmen einer von ihm erlassenen Norm einen abstrakten Rechtsbegriff zu verwenden, noch gebieten diese Grundsätze, dass in einer solchen abstrakten Norm die verschiedenen konkreten Fälle genannt werden, auf die sie angewandt werden kann, sofern der Gesetzgeber nicht alle diese Fälle im Voraus bestimmen kann.

1335

Was insbesondere die Frage betrifft, ab welchem Zeitpunkt die Entsendevorschriften nach Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 anwendbar sind, geht aus dieser Bestimmung mit hinreichender Klarheit hervor, dass, wenn eine der in ihr vorgesehenen Voraussetzungen nicht erfüllt ist, insbesondere wenn mehr als eine zusätzliche Tätigkeit während der Hinfahrt einer bestimmten bilateralen Beförderung durchgeführt wird, die Ausnahme für die bilateralen Beförderungen nicht angewandt werden kann.

1336

Dem Unionsgesetzgeber kann auch nicht vorgeworfen werden, ein ungeeignetes Kriterium für die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr aufgestellt zu haben, da er, wenn eine solche Beförderung in mehreren Mitgliedstaaten durchgeführt wird, nicht angegeben hat, welcher oder welche dieser Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften auf den betreffenden Fahrer anwenden können. Wie sich nämlich aus den Rn. 1321 und 1322 des vorliegenden Urteils ergibt, stellt der 13. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf diese Beförderungsart klar, dass davon ausgegangen wird, dass eine hinreichende Verbindung zwischen den erbrachten Diensten und dem Hoheitsgebiet des Aufnahmemitgliedstaats grundsätzlich besteht, wenn ein Fahrer eine Beförderung im Dreiländerverkehr durchführt, und aus dem Wortlaut dieses Erwägungsgrundes geht die Möglichkeit hervor, dass die erbrachte Dienstleistung eine solche Verbindung mit mehreren Aufnahmemitgliedstaaten aufweist. Somit ist es Sache der Verkehrsunternehmen und der zuständigen nationalen Behörden, anhand der in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen spezifischen Kriterien zu beurteilen, welcher Mitgliedstaat oder welche Mitgliedstaaten eine solche Verbindung aufweisen, die die Anwendung ihrer nationalen Rechtsvorschriften im Bereich der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen rechtfertigt.

1337

Rumänien macht außerdem geltend, dass das Kriterium, das auf die Arten von Beförderungen sowie gegebenenfalls auf das Vorliegen einer Tätigkeit der Be- und/oder Entladung von Gütern sowie des Aufnehmens und/oder Absetzens von Fahrgästen gestützt sei, es den Verkehrsunternehmen erschwere, der in Art. 1 Abs. 11 Buchst. a der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Verpflichtung nachzukommen, spätestens bei Beginn der Entsendung den zuständigen Behörden eine Entsendemeldung zu übermitteln. Hierzu genügt der Hinweis, dass dieser Mitgliedstaat nicht erläutert hat, aus welchen Gründen das Verkehrsunternehmen im Fall eines nicht geplanten Geschäfts in einem Mitgliedstaat, für den keine Entsendemeldung übermittelt wurde, wie der Rat nahelegt, eine solche Erklärung nicht übermitteln könnte, indem es die bereits übermittelten Daten wiederverwendet und die Informationen über den zusätzlichen Mitgliedstaat, in den die Entsendung stattfinden wird, hinzufügt.

1338

Zum anderen hat Rumänien auch nicht erläutert, inwiefern die Lösung, der der Unionsgesetzgeber nach dem Wunsch Rumäniens den Vorzug hätte geben sollen, und die darin besteht, sämtliche Merkmale jedes einzelnen Geschäfts einschließlich seiner Dauer zu prüfen, um festzustellen, ob eine hinreichende Verbindung zwischen dem fraglichen Geschäft und dem Aufnahmemitgliedstaat besteht, mehr Rechtssicherheit schaffen soll, indem die Identifizierung von Situationen erleichtert wird, in denen ein Fahrer als „entsandt“ im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 anzusehen ist.

1339

Als Zweites tragen einige klagende Mitgliedstaaten vor, dass die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 aufgrund der vom Unionsgesetzgeber herangezogenen ungeeigneten Kriterien den freien Dienstleistungsverkehr, insbesondere die Beförderung im Dreiländerverkehr oder die Beförderung im kombinierten Verkehr, erschweren und nicht erleichtern können.

1340

Zum einen ist jedoch darauf hinzuweisen, dass sich, wie sich aus den Rn. 1318 und 1319 des vorliegenden Urteils ergibt, die für die Kabotagebeförderung geltenden Entsendevorschriften durch das Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 nicht geändert haben. Zum anderen hat der Unionsgesetzgeber in Bezug auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr, wie sich aus den Rn. 1330 und 1331 dieses Urteils ergibt, im Wesentlichen nur die Umstände präzisiert, unter denen die an einer solchen Beförderung Beteiligten von diesen Vorschriften auszunehmen sind, so dass auch nicht davon ausgegangen werden kann, dass die entsprechenden Bestimmungen von Art. 1 dieser Richtlinie diese Art von Beförderung erschweren.

1341

Jedenfalls durfte der Unionsgesetzgeber, wie der Generalanwalt im Wesentlichen in den Nrn. 995 und 996 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, im Rahmen seines weiten Ermessens davon ausgehen, dass unter Berücksichtigung der Notwendigkeit, die betroffenen Interessen auszugleichen, ein erhöhter sozialer Schutz der Kraftfahrer zu einem Anstieg der von bestimmten Verkehrsunternehmen getragenen Kosten führen kann. In einem solchen Kontext fällt der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber nicht bestimmte Tätigkeiten auf dem Markt in der von einigen Mitgliedstaaten gewünschten Weise begünstigt hat, in dieses Ermessen und bedeutet nicht, dass die damit herangezogenen Kriterien nicht geeignet wären, die verfolgten Ziele zu erreichen.

1342

Nach alledem ist festzustellen, dass die in den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 festgelegten Kriterien geeignet sind, das mit diesen Bestimmungen verfolgte Ziel zu erreichen.

– Zur Erforderlichkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057

1343

Was zweitens die Erforderlichkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 betrifft, wird diese von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumänien, der Republik Zypern und der Republik Polen mit der Begründung bestritten, dass es weniger belastende alternative Optionen zu diesen Bestimmungen gebe, nämlich als Erstes die Gewährung einer allgemeinen Ausnahme von den Entsendevorschriften für die grenzüberschreitenden Beförderungen, als Zweites die Einführung einer zeitlichen Grenze in der Art der im Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ angeführten und als Drittes die Berücksichtigung aller Merkmale, die die betreffende Dienstleistung kennzeichnen, einschließlich ihrer Dauer im Aufnahmemitgliedstaat.

1344

Der Unionsgesetzgeber hat jedoch dadurch, dass er diese Optionen ausgeschlossen hat, sein weites Ermessen bei der Festlegung einschlägiger Kriterien nicht überschritten.

1345

Was als Erstes die von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern vorgetragene Option betrifft, die darin bestanden hätte, den grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr vollständig von den Entsendevorschriften auszuschließen, genügt der Hinweis, dass eine solche Lösung es ihrem Wesen nach nicht gestatten würde, das angestrebte Gleichgewicht zwischen den in Rede stehenden Interessen zu erreichen, da sie insbesondere weder zu einer Erhöhung des sozialen Schutzes der Fahrer noch zu faireren Wettbewerbsbedingungen auf dem Markt führen würde.

1346

Was als Zweites die Option betrifft, die in der Einführung einer zeitlichen Grenze bestanden hätte, wird der weniger einschränkende Charakter dieser Option von der Republik Litauen und in geringerem Maße von der Republik Bulgarien und der Republik Zypern hervorgehoben. Rumänien hebt die Bedeutung des Kriteriums der Dauer der Beförderung zusammen mit anderen Faktoren hervor und weist u. a. darauf hin, dass sich die Relevanz dieses Kriteriums aus Art. 3 Abs. 4 der Richtlinie 96/71 ergebe, der es den Mitgliedstaaten erlaube, vorzusehen, dass von bestimmten Verpflichtungen im Bereich der Entsendung abgewichen werden könne, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteige.

1347

Es ist jedoch festzustellen, dass die Richtlinie 2020/1057 der Möglichkeit nach Art. 3 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 96/71, dessen Bestimmungen den Mitgliedstaaten gestatten, von der Anwendung bestimmter Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats abzuweichen, die einem entsandten Arbeitnehmer normalerweise garantiert sind, wenn die Dauer der Entsendung einen Monat nicht übersteigt, nicht entgegensteht. Die Lösung, die darin besteht, zwischen verschiedenen Arten von Beförderungen zu unterscheiden, kann daher gegebenenfalls mit nationalen Vorschriften zur Umsetzung dieser Bestimmungen kombiniert werden.

1348

Im Übrigen ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, insbesondere aus der Folgenabschätzung – Sozialer Teil (Teil 1/2, S. 54), dass der Unionsgesetzgeber letztlich die Option verworfen hat, die darin bestand, die Anwendung der Entsendevorschriften von einer zeitlichen Grenze abhängig zu machen, u. a. wegen der Gefahr einer Umgehung, die sich aus der möglichen Rotation der Fahrer ergeben könnte, um dafür zu sorgen, dass diese in einem bestimmten Mitgliedstaat eine kürzere Zeit als die vorgeschriebene zeitliche Grenze verbringen.

1349

Was als Drittes die von der Republik Bulgarien, der Republik Zypern, Rumänien und der Republik Polen vorgebrachte Option betrifft, die darin bestanden hätte, zur Beurteilung des Vorliegens einer hinreichenden Verbindung zwischen der erbrachten Dienstleistung und dem Aufnahmemitgliedstaat eine Gesamtwürdigung aller Gesichtspunkte, die diese Dienstleistung kennzeichnen, zu verlangen, ergibt sich aus den Erwägungen in den Rn. 1311 bis 1331 des vorliegenden Urteils, dass der Unionsgesetzgeber einige der vom Gerichtshof im Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), angewandten Kriterien herangezogen hat, wobei er zusätzliche Kriterien vorgesehen hat, die derselben Logik folgen. Somit kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber damit Kriterien aufgestellt hat, die für die Feststellung des Vorliegens einer hinreichenden Verbindung zwischen der Verkehrsdienstleistung und dem Aufnahmemitgliedstaat nicht erforderlich sind.

1350

Daraus folgt, dass der Unionsgesetzgeber davon ausgehen durfte, dass die von der Republik Litauen, der Republik Bulgarien, Rumänien, der Republik Zypern und der Republik Polen in Betracht gezogenen alternativen Maßnahmen nicht zum gleichen Ergebnis führen würden wie die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057.

– Zur Verhältnismäßigkeit von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057

1351

Was drittens die Verhältnismäßigkeit der in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Kriterien betrifft, ist zunächst auf die Bedeutung hinzuweisen, die nach der Präambel des AEU-Vertrags dem „wesentlichen Ziel“ der stetigen Besserung der Lebens- und Beschäftigungsbedingungen zukommt, dem der Unionsgesetzgeber nach den Art. 9 und 90 AEUV bei der Ausübung seiner Zuständigkeiten im Bereich der gemeinsamen Verkehrspolitik in vollem Umfang Rechnung zu tragen hat. Insbesondere hat der Unionsgesetzgeber nach Art. 151 Abs. 1 AEUV u. a. die Förderung eines hohen Beschäftigungsniveaus, die Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen, die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes sowie ein hohes Niveau des Gesundheitsschutzes zu gewährleisten.

1352

Wie sich im Wesentlichen aus Rn. 1341 des vorliegenden Urteils ergibt, kann die Stärkung des Sozialschutzes bestimmter Gruppen von Arbeitnehmern durch den Unionsgesetzgeber, im vorliegenden Fall durch die sich aus Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 ergebende Verpflichtung, die Entsendevorschriften auf Kraftfahrer anzuwenden, die bestimmte Arten von Beförderungen durchführen, für die Arbeitgeber, die ihre Einhaltung sicherstellen müssen, bestimmte zusätzliche Kosten mit sich bringen. Der Umstand, dass eine vom Unionsgesetzgeber vorgeschriebene Verpflichtung für die Verkehrsunternehmen, die sie zu tragen haben, bestimmte Kosten verursachen kann, stellt jedoch für sich genommen keinen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, sofern diese Kosten nicht offensichtlich unverhältnismäßig zum verfolgten Ziel sind.

1353

Was als Erstes die behaupteten negativen Auswirkungen auf die Verkehrsunternehmen im Allgemeinen betrifft, die sich aus Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 ergeben sollen, ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus den Rn. 1311 bis 1331 des vorliegenden Urteils ergibt, zum einen die in diesen Bestimmungen vorgesehenen Kriterien für die Anwendung der Entsendevorschriften derselben Logik folgen wie die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie anwendbaren Kriterien, und zum anderen sind die Unterschiede, die zwischen den beiden Kriterien bestehen können, zum Teil darauf zurückzuführen, dass die Richtlinie nunmehr klare Ausnahmen von diesen Regeln zugunsten der Verkehrsunternehmer festlegt, die in dem zuvor geltenden rechtlichen Rahmen nicht speziell vorgesehen waren.

1354

Insbesondere sehen Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 und Art. 1 Abs. 4 Unterabs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 für einen Fahrer, der eine bilaterale Beförderung durchführt, die Möglichkeit vor, unter den in diesen Bestimmungen festgelegten Bedingungen darüber hinaus mehrere zusätzliche Tätigkeiten der Be- und/oder Entladung von Gütern sowie des Aufnehmens und/oder Absetzens von Fahrgästen in den Mitgliedstaaten oder Drittstaaten, die der Fahrer durchfährt, durchzuführen, ohne dass die Entsendevorschriften, und damit die im Aufnahmemitgliedstaat garantierten Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, als anwendbar anzusehen wären. Durch den ihr zugrunde liegenden flexiblen Ansatz trägt diese Möglichkeit gerade dazu bei, zu gewährleisten, wie sich aus dem zehnten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt, dass die Anwendung dieser Vorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr die Freiheit zur Erbringung grenzüberschreitender Straßenverkehrsdienstleistungen nicht über das erforderliche Maß hinaus einschränkt. Durch den Erlass einer klaren Regelung, die es erlaubt, die für die bilateralen Beförderungen vorgesehene Ausnahme zugunsten der Verkehrsunternehmer auf höchstens zwei zusätzliche Tätigkeiten auszudehnen, hat der Unionsgesetzgeber damit sichergestellt, dass die Beförderungen im Dreiländerverkehr, die eine enge Verbindung mit einer bilateralen Beförderung aufweisen, nicht den Entsendevorschriften unterliegen.

1355

Daraus folgt, dass die behaupteten höheren Kosten, die sich für die Verkehrsunternehmer aus den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ergeben sollen, jedenfalls nicht so bedeutend sind, dass sie als offensichtlich höher angesehen werden können als die Vorteile, die sich aus diesen Bestimmungen im Hinblick auf die Verringerung des Aufwands aufgrund des Bestehens eines einheitlichen und klareren Rechtsrahmens zum einen und aus der Erhöhung des den Fahrern garantierten sozialen Schutzes in Verbindung mit einem gesünderen Wettbewerb auf dem Markt zum anderen ergeben.

1356

Wie aus den Rn. 1334 bis 1338 des vorliegenden Urteils hervorgeht, sind auch die angebliche Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 und das Vorliegen praktischer Schwierigkeiten bei der Umsetzung dieser Bestimmungen nicht nachgewiesen worden, so dass die etwaigen negativen Auswirkungen dieser Bestimmungen auf die Verkehrsunternehmer im Allgemeinen nicht offensichtlich unverhältnismäßig zu den verfolgten Zielen sind.

1357

Was als Zweites das Vorbringen betrifft, wonach sich die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr und auf die Kabotagebeförderungen stärker auf die Mitgliedstaaten an der „Peripherie der Union“ auswirken könne, in denen die Unternehmen hauptsächlich diese Arten von Beförderungen durchführten, ergibt sich aus den Erwägungen in den Rn. 1318 bis 1329 des vorliegenden Urteils, dass diese Vorschriften für die Kabotagebeförderungen bereits galten und dass die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 begrenzte Auswirkungen auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr haben. Außerdem ist auf die in den Rn. 247 und 332 dieses Urteils angeführte Rechtsprechung zum Grundsatz der Gleichbehandlung der Mitgliedstaaten zu verweisen.

1358

Im Übrigen gehört zwar der Kostenwettbewerb zu den Dynamiken, die dem Binnenmarkt zugrunde liegen, doch weder bezweckt noch bewirkt die Richtlinie 2020/1057 die Ausschaltung jeglichen auf den Kosten beruhenden Wettbewerbs, sondern soll den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen auf einer fairen Grundlage sicherstellen – d. h. im Rahmen eines Wettbewerbs, der nicht von übermäßigen Unterschieden in den Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen abhängt, die in ein und demselben Mitgliedstaat für die Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten gelten – und gleichzeitig den entsandten Fahrern einen besseren Schutz bieten.

1359

Darüber hinaus kann dem Unionsgesetzgeber, wie in den Rn. 266 und 573 des vorliegenden Urteils ausgeführt, im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht die Möglichkeit genommen werden, einen Gesetzgebungsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union, die in der Präambel, in Art. 9 AEUV und Art. 151 Abs. 1 AEUV verankert sind, zu berücksichtigen, u. a. die Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen sowie die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes.

1360

Insbesondere war nach der in Rn. 267 des vorliegenden Urteils angeführten Rechtsprechung der Unionsgesetzgeber, unter Berücksichtigung der wesentlichen Veränderung des Binnenmarkts im Straßenverkehrssektor, berechtigt, die Richtlinie 96/71 anzupassen, um einen Ausgleich der betroffenen Interessen vorzunehmen, um, durch eine Änderung der Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, den sozialen Schutz der Fahrer zu erhöhen und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Insoweit hat der Gerichtshof bereits speziell darauf hingewiesen, dass sich die Notwendigkeit, das dieser Richtlinie zugrunde liegende Gleichgewicht anzupassen, um das Ziel eines faireren Wettbewerbs in einem sich weiterentwickelnden Kontext bestmöglich zu erreichen, u. a. aus strukturellen Unterschieden der Entgeltregelungen und der sonstigen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen, die in den Mitgliedstaaten gelten, ergibt (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 63).

1361

Im vorliegenden Fall wollte der Unionsgesetzgeber mit der Änderung der Unionsregelung über die Anwendbarkeit der Vorschriften über die Entsendung auf die Kraftfahrer im Straßenverkehrssektor gerade, wie sich aus den Erwägungsgründen 1, 3 und 7 der Richtlinie 2020/1057 ergibt, zu einem neuen Gleichgewicht zwischen der Dienstleistungsfreiheit, dem freien Warenverkehr, der Verbesserung der Sozial- und Arbeitsbedingungen für Kraftfahrer sowie der Gewährleistung eines faireren Wettbewerbs auf dem Markt zwischen Verkehrsunternehmen gelangen.

1362

Dieser Gesetzgeber durfte nämlich bei der Ausübung des weiten Ermessens, über das er insoweit verfügt, davon ausgehen, dass die Fahrer, die an Verkehrsdienstleistungen beteiligt sind, die eine Verbindung zum Hoheitsgebiet eines Aufnahmemitgliedstaats aufweisen, in den Genuss der gleichen Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen kommen können müssen wie die Fahrer, die bei Verkehrsunternehmen mit Sitz in diesem Staat beschäftigt sind.

1363

Folglich sind die negativen Auswirkungen – ihr Vorliegen einmal unterstellt –, die sich für bestimmte Mitgliedstaaten, die dort niedergelassenen Verkehrsunternehmen und die von ihnen beschäftigten Fahrer aus der Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr, wie sie sich aus Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund ergeben, jedenfalls nicht offensichtlich unverhältnismäßig zu den verfolgten Zielen.

1364

Als Drittes ist zum Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern, dass die vorgenommene Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen den Wettbewerb zu verfälschen drohe, da die Richtlinie 2020/1057 den Verkehrsunternehmern aus Ländern, die nicht der Union angehörten, keine Verpflichtung auferlege und auf sie nicht anwendbar sei, festzustellen, dass, wie der Rat im schriftlichen Verfahren und in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, die in Drittländern niedergelassenen Verkehrsunternehmen nicht den gleichen Zugang zum Binnenmarkt haben, so dass ihre Lage nicht mit der von in der Union ansässigen Verkehrsunternehmen vergleichbar ist (vgl. entsprechend Urteil vom 17. Juli 1997, SAM Schiffahrt und Stapf, C‑248/95 und C‑249/95, EU:C:1997:377, Rn. 64).

1365

Außerdem ergibt sich aus Art. 1 Abs. 10 der Richtlinie 2020/1057 und aus Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 96/71, auf den der 15. Erwägungsgrund der erstgenannten Richtlinie Bezug nimmt, dass Verkehrsunternehmen mit Sitz in Drittländern nicht günstiger behandelt werden als Unternehmen mit Sitz in der Union, auch betreffend die besonderen Entsendevorschriften der Richtlinie 2020/1057.

1366

Als Viertes überschneidet sich das Vorbringen zu den negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die sich aus den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ergeben sollen, mit dem Vorbringen der Republik Polen im Rahmen ihres vierten Klagegrundes, so dass es in diesem Kontext zu prüfen sein wird.

1367

Daher bringen die Bestimmungen von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 keine Nachteile mit sich, die offensichtlich unverhältnismäßig zu den mit diesen verfolgten Zielen sind.

1368

Folglich sind der zweite und der dritte Klagegrund der Republik Litauen, der erste Klagegrund der Republik Bulgarien, der erste Klagegrund Rumäniens, der erste Klagegrund der Republik Zypern, der erste, hilfsweise geltend gemachte Klagegrund Ungarns und der erste Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

d)   Zum Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

1369

Mit ihrem jeweils dritten Klagegrund machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass der Richtlinie 2020/1057 gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV verstoßen habe.

1370

Dieser Art. 91 Abs. 1, der die Rechtsgrundlage dieser Richtlinie darstelle, verlange vom Unionsgesetzgeber, gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren und nach Anhörung des EWSA und des AdR zu entscheiden. Die Unterscheidung zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften sei im Vorschlag für eine „Entsenderichtlinie“ nicht enthalten gewesen, so dass sie von diesen Ausschüssen nicht habe geprüft werden können, bevor sie ihre jeweiligen Stellungnahmen abgegeben hätten. Der Gesetzgeber habe dadurch, dass er diese Ausschüsse nicht später zu der wesentlichen Änderung dieses Vorschlags konsultiert habe, gegen diesen Art. 91 Abs. 1 verstoßen.

1371

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern weisen darauf hin, dass sich der Gerichtshof zur Anhörungspflicht im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens zu einer Zeit geäußert habe, als das Parlament, ohne Mitgesetzgeber zu sein, wie der EWSA und der AdR heute eine beratende Rolle gespielt habe. Er habe entschieden, dass das Erfordernis der Anhörung des Parlaments die Durchführung einer erneuten Anhörung immer dann einschließe, wenn der endgültig verabschiedete Wortlaut als Ganzes gesehen in seinem Wesen von demjenigen abweiche, zu dem das Parlament bereits angehört worden sei (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 16. Juli 1992, Parlament/Rat, C‑65/90, EU:C:1992:325, Rn. 16).

1372

Da diese beratende Rolle nunmehr nach Art. 91 Abs. 1 AEUV vom EWSA und vom AdR wahrgenommen werde, gelte die in der vorstehenden Randnummer angeführte Rechtsprechung entsprechend für die Verpflichtung zur Anhörung dieser beiden Ausschüsse. Folglich hätten sie im vorliegenden Fall zu der wesentlichen Änderung, die darin bestanden habe, für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften eine Unterscheidung zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr einzuführen, erneut angehört werden müssen.

1373

Es treffe nicht zu, wie das Parlament behaupte, dass es keinen Präzedenzfall für eine zweite Anhörung dieser Ausschüsse im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens gebe. Beispielsweise sei nämlich im Laufe des Gesetzgebungsverfahrens zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU (COM[2018] 51 final) eine ergänzende Bestimmung in die Rechtsgrundlage des betreffenden Rechtsakts aufgenommen worden, was den Unionsgesetzgeber dazu verpflichtet hätte, eine zweite Anhörung des EWSA zu beschließen.

1374

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1375

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern machen für einen Verstoß des Unionsgesetzgebers gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV beim Erlass der Richtlinie 2020/1057 dieselben Argumente geltend wie der erstgenannte Mitgliedstaat vorgetragen hat, um die Rechtmäßigkeit von Art. 2 Nr. 4 Buchst. a der Verordnung 2020/1055 in Frage zu stellen (Rechtssache C‑545/20). Somit kann diesem Vorbringen aus den in den Rn. 898 bis 909 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen nicht gefolgt werden, da sich aus diesem Art. 91 Abs. 1 nicht ergibt, dass im Fall einer Änderung des Vorschlags, zu dem diese Ausschüsse bereits angehört worden sind, eine erneute Anhörung des EWSA und des AdR erforderlich ist.

1376

Folglich sind die dritten Klagegründe der Republik Bulgarien und der Republik Zypern als unbegründet zurückzuweisen.

e)   Zum Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV

1) Vorbringen der Parteien

1377

Mit ihrem jeweiligen vierten Klagegrund machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend, dass Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV, Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verstoße. Die Republik Polen macht mit ihrem zweiten und ihrem dritten Klagegrund geltend, dass dieser Art. 1 gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verstoße. Schließlich trägt Rumänien insoweit keinen eigenständigen Klagegrund vor, sondern macht einen Verstoß gegen die beiden letztgenannten Bestimmungen des AEU-Vertrags im Rahmen seines zweiten Klagegrundes geltend, mit dem ein Verstoß gegen das Diskriminierungsverbot gerügt wird, wobei es die in Rn. 1194 des vorliegenden Urteils dargelegten Argumente vorbringt.

1378

Insbesondere werfen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern dem Unionsgesetzgeber einen Verstoß gegen diese Bestimmungen des Primärrechts wegen der nachteiligen Auswirkungen vor, die sich aus der in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund getroffenen Unterscheidung auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in Bulgarien und Zypern sowie allgemein in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union und auf die wirtschaftliche Lage der in diesen Mitgliedstaaten niedergelassenen Verkehrsunternehmer ergebe. Die Anwendung der Entsendevorschriften mache nämlich die Beförderung im Dreiländerverkehr für diese Unternehmen unpraktikabel. Daraus ergäben sich auch negative Auswirkungen auf die Umwelt sowie eine Zunahme der Staubildung. Zu dieser Unterscheidung sei jedoch keine Folgenabschätzung durchgeführt worden, und weder mit dem EWSA noch mit dem AdR sei hierzu eine Anhörung durchgeführt worden.

1379

Die Republik Polen macht geltend, der Unionsgesetzgeber habe dadurch, dass er ein willkürliches Kriterium für die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen erlassen habe, gegen Art. 91 Abs. 2 und Art. 94 AEUV verstoßen, da er dem Umstand nicht Rechnung getragen habe, dass dieses Kriterium den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen, den Betrieb der Verkehrseinrichtungen sowie die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer ernstlich beeinträchtigen könnte. Dieser Mitgliedstaat schließt sich der vom Parlament und vom Rat vorgeschlagenen Auslegung dieser Bestimmungen nicht an. Der Umstand, dass der Unionsgesetzgeber über ein weites Ermessen verfüge, bedeute nämlich nicht, dass seine Verpflichtung, bestimmten Auswirkungen Rechnung zu tragen, sich darauf beschränke, von ihnen Kenntnis zu nehmen.

1380

Was erstens den Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV betreffe, seien beim Erlass der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 die Auswirkungen nicht berücksichtigt worden, die sich aus der Zunahme der Leerfahrten der Fahrzeuge ergäben, die sonst an Beförderungen im Dreiländerverkehr oder Kabotagebeförderungen teilnähmen. Die wirtschaftliche Rechtfertigung für die Nutzung der Fahrzeuge im Rahmen von Beförderungen im Dreiländerverkehr liege im Übrigen darin, dass die Verkehrsunternehmer unter Berücksichtigung der geografischen Perspektive die Entwicklung des Verkehrsbedarfs flexibel decken könnten, um die Zahl der Leerfahrten zu minimieren und die unnötige Wartezeit bis zum Güterbeförderungsauftrag in den Niederlassungsmitgliedstaat zu vermeiden. Die Kabotagebeförderungen wiesen im Bereich der Effizienz ähnliche Vorteile auf.

1381

Die Anwendung der Bestimmungen der Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 verpflichte die Unternehmen mit Sitz in Polen, jährlich mindestens 1221120000 km zusätzlich zurückzulegen. Die sich aus diesen Verordnungen ergebenden Änderungen sowie die sich aus den angefochtenen Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 ergebenden zusätzlichen Beschränkungen hätten erhebliche Auswirkungen auf den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie auf die Verkehrseinrichtungen.

1382

Im Übrigen könnten die Beschränkungen der Ausübung der Beförderungen im Dreiländerverkehr und Kabotagebeförderungen, die durch die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 bewirkt würden, sogar zum Rückzug der Verkehrsunternehmer vom Markt führen, da diese nicht in der Lage seien, im Rahmen eines weniger leistungsfähige Beförderungen voraussetzenden Modells der Verkehrsdienstleistungen eine rentable Tätigkeit auszuüben. Diese Folgen würden für die Verkehrsunternehmer mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union, deren Tätigkeit hauptsächlich auf den Beförderungen im Dreiländerverkehr und Kabotagebeförderungen beruhe, besonders spürbar.

1383

Die Folgenabschätzung – Sozialer Teil beschränke sich auf eine oberflächliche Bewertung der Auswirkungen dieser Bestimmungen auf das Beschäftigungsniveau in bestimmten Regionen und betreffe jedenfalls die Anwendung eines zeitlichen Kriteriums für die Anwendung der Entsendevorschriften, das sich vom letztlich in der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Kriterium unterscheide und nicht dieselben Auswirkungen auf die Märkte der Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union habe. Überdies sei in dieser Folgenabschätzung festgestellt worden, dass 90 % der Verkehrsunternehmen weniger als zehn Personen beschäftigten, ohne dass dies bei der Beurteilung der Auswirkungen dieser Bestimmungen auf das Beschäftigungsniveau berücksichtigt worden sei. Auch auf die Auswirkungen auf die Verschlechterung der Verkehrsinfrastruktur in der Union sei in dieser Folgenabschätzung hingewiesen worden, ohne dass jedoch eine Bewertung dieser Auswirkungen durchgeführt worden sei.

1384

Die Zunahme des Straßenverkehrs wirke sich auch negativ auf den Lebensstandard in den Gebieten in der Nähe der wichtigsten Verkehrsknoten aus. In diesem Zusammenhang sei es sinnvoll, insbesondere auf die Gefahr hinzuweisen, die die vorgenommenen Änderungen für die Straßenverkehrssicherheit mit sich brächten.

1385

Wie sich aus der von der Republik Polen durchgeführten Analyse ergebe, führten die rechtlichen Änderungen in Bezug auf den Straßenverkehr in den Mitgliedstaaten zu einem Anstieg der Zahl der risikobehafteten Verhaltensweisen der Fahrer um durchschnittlich 19 %, die mit der Möglichkeit zusammenhingen, gegen die Regelung zu verstoßen, um sich den neuen Verpflichtungen im Bereich der Entsendung anzupassen oder sie zu umgehen, und erhöhten darüber hinaus die Zahl der tödlichen Unfälle mit bestimmten Fahrzeugarten.

1386

Was zweitens den Verstoß gegen Art. 94 AEUV betreffe, habe die Folgenabschätzung – Sozialer Teil der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer mit Sitz in den Mitgliedstaaten an der Peripherie der Union mit einem geringeren wirtschaftlichen Entwicklungsniveau nicht Rechnung getragen, deren Tätigkeit sich im internationalen Straßenverkehrssektor in größerem Maße auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr und die Kabotage konzentriere. Die zusätzlichen Kosten, die diesen Verkehrsunternehmern aus der Anwendung der Entsendevorschriften entstünden, versetzten diese in eine ungünstigere Lage als die konkurrierenden Unternehmen, die sich mehr im Zentrum der Union befänden.

1387

Der Erlass der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 während eines Zeitraums schwerwiegender wirtschaftlicher Störungen infolge der Covid‑19-Pandemie zeige auch, dass die wirtschaftliche Lage der Verkehrsunternehmer nicht berücksichtigt worden sei. Die wirtschaftlichen Auswirkungen dieser Pandemie seien besonders im Verkehrssektor spürbar gewesen, der nicht nur einem Rückgang der Nachfrage im internationalen Handel, sondern auch den Beschränkungen im Zusammenhang mit dem Überschreiten der Binnengrenzen, die von den verschiedenen Mitgliedstaaten eingeführt worden seien, stark ausgesetzt gewesen sei. Diese Auswirkungen hätten bereits bei den Vorarbeiten zur Richtlinie 2020/1057 vorgelegen.

1388

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1389

Was erstens das Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern betrifft, der Unionsgesetzgeber habe dadurch gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV verstoßen, dass er das Ziel der Verträge, ein hohes Maß an Umweltschutz und die Verbesserung der Umweltqualität sicherzustellen, nicht berücksichtigt habe, deckt sich dieses Vorbringen mit dem Vorbringen der Republik Polen im Rahmen ihres vierten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta gerügt wird. Dieses Vorbringen wird daher im Rahmen dieses Klagegrundes geprüft.

1390

Was zweitens das Vorbringen betrifft, mit dem ein Verstoß gegen Art. 94 AEUV geltend gemacht wird, genügt der Hinweis, dass diese Bestimmung, die den Unionsgesetzgeber verpflichtet, beim Erlass einer Maßnahme „auf dem Gebiet der Beförderungsentgelte und ‑bedingungen“, der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen, im vorliegenden Fall unerheblich ist, da, wie in Rn. 1231 des vorliegenden Urteils ausgeführt, Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 nicht die Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen für Güter oder Fahrgäste regelt, sondern die Kriterien für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor festlegt.

1391

Drittens ist in Bezug auf das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV geltend gemacht wird, darauf hinzuweisen, dass der Unionsgesetzgeber nach dieser Bestimmung beim Erlass von Maßnahmen nach Abs. 1 dieses Artikels, die zur Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik unter Berücksichtigung ihrer Besonderheiten dienen, den Fällen „Rechnung zu tragen“ hat, in denen die Anwendung dieser Maßnahmen den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen „ernstlich“ beeinträchtigen könnte.

1392

Da die Richtlinie 2020/1057 vom Unionsgesetzgeber auf der Grundlage von Art. 91 Abs. 1 AEUV erlassen wurde, wobei diese Rechtsgrundlage im Rahmen der vorliegenden Klagen nicht beanstandet wurde, oblag es dem Unionsgesetzgeber insoweit, beim Erlass der in Art. 1 Abs. 3 bis 7 dieser Richtlinie vorgesehenen Kriterien für die Anwendung der Entsendevorschriften die sich aus Art. 91 Abs. 2 AEUV ergebenden Anforderungen zu berücksichtigen.

1393

Wie sich im Wesentlichen aus den Rn. 393 bis 396 des vorliegenden Urteils ergibt, kann Art. 91 Abs. 2 AEUV den Unionsgesetzgeber jedoch nicht daran hindern, angesichts des weiten Ermessens, über das er bei der Festlegung der gemeinsamen Verkehrspolitik verfügt, bindende Maßnahmen zu erlassen, die den Lebensstandard und die Beschäftigungslage sowie den Betrieb der Verkehrseinrichtungen in einigen Mitgliedstaaten stärker beeinträchtigen können als in anderen, sofern dieser Gesetzgeber den ernstlich nachteiligen Auswirkungen auf diese Parameter im größeren Rahmen einer Abwägung der verschiedenen betroffenen Ziele und Interessen Rechnung trägt.

1394

Zu den vorliegenden Klagen ist darauf hinzuweisen, dass das Vorbringen der Republik Bulgarien, der Republik Zypern und der Republik Polen auf der Prämisse beruht, dass der Unionsgesetzgeber es unter Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV unterlassen habe, den Auswirkungen der Richtlinie 2020/1057 Rechnung zu tragen, nämlich dass die Anwendung der in Art. 1 dieser Richtlinie vorgesehenen Entsendevorschriften die Beförderungen im Dreiländerverkehr und die Kabotagebeförderungen impraktikabel machen werde.

1395

Der Gerichtshof hat jedoch bereits entschieden, dass die Richtlinie 96/71 in ihrer vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 geltenden Fassung grundsätzlich jede länderübergreifende Erbringung von Dienstleistungen erfasst, die mit einer Entsendung von Arbeitnehmern, auch im Straßenverkehrssektor, verbunden ist, und außerdem klargestellt, dass ein Fahrer, der Kabotagebeförderungen durchführt, grundsätzlich als im Sinne von Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie 96/71 entsandt anzusehen ist (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging, C‑815/18, EU:C:2020:976, Rn. 33, 49, 62, 63 und 65).

1396

Zwar entspricht, wie in Rn. 1320 des vorliegenden Urteils ausgeführt, die Anwendung der Entsendevorschriften auf Beförderungen im Dreiländerverkehr, wie sie sich aus der Richtlinie 2020/1057 ergibt, auch wenn sie derselben Logik folgt, nicht genau der, die sich aus der Richtlinie 96/71 in ihrer Auslegung durch den Gerichtshof ergibt.

1397

Aus den dem Gerichtshof im Rahmen der vorliegenden Klagen vorgetragenen Umständen geht jedoch nicht hervor, dass die etwaigen höheren Kosten durch die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr, wie sie sich aus Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund ergibt, selbst in ihrer Gesamtheit den Lebensstandard und die Beschäftigungslage in bestimmten Regionen im Sinne von Art. 91 Abs. 2 AEUV „ernstlich“ beeinträchtigen könnten. Es reicht nämlich nicht jede Auswirkung auf die letzteren Gesichtspunkte aus, um nachzuweisen, dass die für die Feststellung eines Verstoßes gegen die letztere Bestimmung erforderliche Schwelle erreicht ist.

1398

Im Übrigen war der Unionsgesetzgeber im Rahmen der Beurteilung der Auswirkungen, die sich aus dem Erlass der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ergeben, verpflichtet, die verschiedenen in Rede stehenden Interessen miteinander in Einklang zu bringen, um die von ihm verfolgten legitimen Ziele zu erreichen. Wie bereits in Rn. 395 des vorliegenden Urteils ausgeführt worden ist, stand allein der Umstand, dass dieser dem Lebensstandard und der Beschäftigungslage in bestimmten Regionen und damit den wirtschaftlichen Interessen der Verkehrsunternehmer Rechnung zu tragen hat, dem nicht entgegen, dass für diese Unternehmer bindende Maßnahmen erlassen werden, mit denen ihnen bestimmte Kosten entstehen.

1399

Ebenso wären, selbst wenn, wie die Republik Bulgarien, die Republik Zypern und die Republik Polen geltend machen, bestimmte Verkehrsunternehmer wegen der Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr und die Kabotagebeförderungen nach Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 gezwungen wären, aus dem Markt auszuscheiden, was die Gefahr eines Arbeitsplatzverlusts für bestimmte Fahrer mit sich bringt, solche negativen Auswirkungen zum einen zum erhöhten sozialen Schutz, der zahlreichen Fahrern gewährleistet wird, die weiterhin im Straßenverkehrssektor beschäftigt bleiben werden, und zum anderen zum Umstand, dass der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Markt nunmehr auf der Grundlage eines faireren Wettbewerbs zwischen den Verkehrsunternehmen erfolgt, in Beziehung zu setzen.

1400

Ferner ist darauf hinzuweisen, dass Art. 91 Abs. 2 AEUV, wie der Rat im Wesentlichen geltend macht, nicht dahin ausgelegt werden kann, dass er dem Unionsgesetzgeber die Verpflichtung auferlegt, die bestehenden Marktanteile bestimmter Verkehrsunternehmer zu schützen, auf die Gefahr, ihn daran zu hindern, den rechtlichen Rahmen den Marktentwicklungen anzupassen, um einen fairen Wettbewerb auf dem Markt zu gewährleisten.

1401

Das Vorbringen der Republik Polen zur Erhöhung der Zahl der risikobehafteten Verhaltensweisen und tödlichen Unfälle, die sich aus ihrer Sicht aus der Umsetzung der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ergeben werde, wird nicht durch zuverlässige und übereinstimmende Beweise untermauert. Dieses Vorbringen ist somit spekulativ, so dass mit ihm kein Verstoß gegen die Anforderungen aus Art. 91 Abs. 2 AEUV dargetan werden kann.

1402

Die Republik Polen beruft sich auch auf die negativen Auswirkungen auf den Betrieb der Verkehrseinrichtungen, die sich aus den zusätzlichen Fahrten aufgrund der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 ergäben. Dieser Mitgliedstaat liefert jedoch keine ausreichenden Anhaltspunkte für sein Vorbringen, dass diese Bestimmungen, wie er behauptet, zu einer „Erhöhung der Zahl der zusätzlichen zurückgelegten Kilometer“ führen würden. Im Übrigen ist das entsprechende Vorbringen zu den durch die Durchführung der Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 bedingten zusätzlichen Kilometern im Rahmen der gegen diese Verordnungen gerichteten Klagen geprüft und zurückgewiesen worden.

1403

Das weitere Vorbringen im Rahmen der vorliegenden Klagegründe, das im Übrigen allgemein und unsubstantiiert ist, überschneidet sich weitgehend mit dem Vorbringen im Rahmen der Klagegründe, mit denen ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit wegen angeblicher Nichtberücksichtigung der Auswirkungen der in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regelungen bzw. ein Verstoß gegen Art. 91 Abs. 1 AEUV wegen des Fehlens einer erneuten Anhörung des EWSA und des AdR gerügt wird. Dieses weitere Vorbringen ist daher aus den in den Rn. 1311 bis 1368 sowie 1375 und 1376 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

1404

Folglich sind der vierte Klagegrund der Republik Bulgarien und der Republik Zypern, der zweite und der dritte Klagegrund der Republik Polen sowie das Vorbringen Rumäniens im Rahmen seines zweiten Klagegrundes als unbegründet zurückzuweisen.

f)   Zum Verstoß gegen den freien Warenverkehr und die Dienstleistungsfreiheit

1) Vorbringen der Parteien

1405

Mit ihrem jeweils fünften Klagegrund machen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern geltend, dass der Ansatz, der darin bestehe, für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr zu unterscheiden, eine ungerechtfertigte Beschränkung sowohl des freien Warenverkehrs (erster Teil) als auch des freien Verkehrs der Verkehrsdienstleistungen (zweiter Teil) darstelle.

1406

Was zum einen den freien Warenverkehr betreffe, sei die Anwendung der Entsendevorschriften auf Beförderungen im Dreiländerverkehr wegen der sich daraus ergebenden nachteiligen Auswirkungen als eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie mengenmäßige Beschränkungen im Sinne der Art. 34 und 35 AEUV anzusehen. Eine solche Maßnahme könne jedoch nicht nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt werden, da diese Kategorie von grenzüberschreitenden Beförderungen keine hinreichende Verbindung zum betreffenden Mitgliedstaat aufweise und zu einem unverhältnismäßigen Verwaltungsaufwand führe, der das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts behindere.

1407

In einer Pressemitteilung mit dem Titel „Kommission fordert Österreich auf, für Binnenmarktkompatibilität des Mindestlohngesetzes zu sorgen“ (IP/17/1053), stelle die Kommission klar, dass durch die Anwendung des nationalen Gesetzes auf alle grenzüberschreitenden Verkehrsleistungen, bei denen auf nationalem Gebiet eine Be- oder Entladung stattfinde, u. a. der freie Warenverkehr in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt werde, und dass sich die Anwendung dieser Maßnahme auf grenzüberschreitende Beförderungsleistungen insbesondere dann, wenn diese keine hinreichende Verbindung zum Hoheitsgebiet des betreffenden Mitgliedstaats aufwiesen, nicht rechtfertigen lasse, weil sie unangemessen sei.

1408

Was zum anderen den freien Verkehr von Verkehrsdienstleistungen angehe, beschränke die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr diese Freiheit unter Verstoß gegen Art. 58 Abs. 1 AEUV in Verbindung mit Art. 91 AEUV.

1409

Wie sich insoweit aus den Rn. 64 und 65 des Urteils vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220), ergebe, umfassten zum einen die Verpflichtungen nach Art. 91 Abs. 1 Buchst. a und b AEUV die Verpflichtung, die Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs einzuführen, und zu den Erfordernissen dieses freien Dienstleistungsverkehrs gehöre es, sämtliche Diskriminierungen des Erbringers dieser Dienstleistungen aufgrund seiner Staatsangehörigkeit oder des Umstands zu beseitigen, dass er in einem anderen Mitgliedstaat als demjenigen ansässig sei, in dem die Dienstleistung erbracht werden solle. Zum anderen verfüge der Unionsgesetzgeber insoweit nicht über den Ermessensspielraum, auf den er sich in anderen Bereichen der gemeinsamen Verkehrspolitik berufen könne.

1410

Die Unterscheidung zwischen bilateralen Beförderungen und Beförderungen im Dreiländerverkehr für die Zwecke der Anwendung der Entsendevorschriften führe jedoch wieder eine Form der Diskriminierung ein und stelle einen Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik dar.

1411

Für den Fall, dass der Gerichtshof der Auffassung sein sollte, dass diese Frage auch unter Art. 56 AEUV falle, sei der vorliegende Klagegrund auch auf diese Bestimmung gestützt.

1412

Das Parlament und der Rat halten diese Klagegründe und Argumente für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

i) Zum freien Warenverkehr

1413

In Bezug auf den ersten Teil ihres jeweils fünften Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den freien Warenverkehr geltend gemacht wird, legen die Republik Bulgarien und die Republik Zypern weder dar, wie die Richtlinie 2020/1057 diese Freiheit beschränke, noch, inwiefern ihre Wirkungen einer angeblichen mengenmäßigen Beschränkung gleichkämen, auf die diese Mitgliedstaaten anspielen.

1414

Abgesehen von einem Hinweis auf die Art. 34 bis 36 AEUV und die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu den Umständen, unter denen eine solche mengenmäßige Beschränkung als nach Art. 36 AEUV gerechtfertigt angesehen werden kann, beschränken sich diese Mitgliedstaaten insbesondere darauf, auf das Vorbringen im Rahmen ihres jeweiligen ersten Klagegrundes zu verweisen.

1415

Wie sich im Wesentlichen aus den Rn. 1308 bis 1368 des vorliegenden Urteils ergibt, haben die Republik Bulgarien und die Republik Zypern nicht nachgewiesen, dass die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr offensichtlich über das hinausgeht, was zur Erreichung des mit den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 verfolgten legitimen Ziels erforderlich ist.

1416

Folglich ist mangels jedes eigenen Vorbringens zur Stützung des ersten Teils der fünften Klagegründe davon auszugehen, dass diese Bestimmungen, selbst wenn sie als eine unter die Art. 34 und 35 AEUV fallende Beschränkung angesehen werden könnten, jedenfalls nach Art. 36 AEUV aus den Gründen gerechtfertigt wären, auf die die Zurückweisung dieser ersten Klagegründe gestützt wurde.

1417

Was im Übrigen die in Rn. 1407 des vorliegenden Urteils angeführte Pressemitteilung betrifft, die die Republik Bulgarien und die Republik Zypern ohne Erläuterung ihrer Relevanz anführen, genügt der Hinweis, dass ein solches unverbindliches Dokument den Gerichtshof bei seiner Auslegung oder Beurteilung der Gültigkeit der Richtlinie 2020/1057 nicht binden kann.

1418

Jedenfalls beanstandet die Kommission in dieser Pressemitteilung zwar den Ansatz, die nationalen Rechtsvorschriften des Aufnahmemitgliedstaats auf alle grenzüberschreitenden Verkehrsleistungen anzuwenden, die mit einer Be- und/oder Entladung im Hoheitsgebiet dieses Mitgliedstaats verbunden sind, doch befreien die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie 2020/1057 sowohl die bilateralen Beförderungen als auch bestimmte zusätzliche Tätigkeiten der Be- und/oder Entladung im Zusammenhang mit solchen Beförderungen von dieser Anwendung, und zwar gerade um die Verhältnismäßigkeit jeder etwaigen Beschränkung des freien Warenverkehrs und des freien Verkehrs der Verkehrsdienstleistungen zu gewährleisten, die sich aus der Anwendung der Entsendevorschriften auf die Fahrer im grenzüberschreitenden Güterkraftverkehr ergeben würde.

1419

Folglich sind die ersten Teile der fünften Klagegründe der Republik Bulgarien und der Republik Zypern als unbegründet zurückzuweisen.

ii) Zum freien Dienstleistungsverkehr

1420

Zum zweiten Teil der fünften Klagegründe der Republik Bulgarien und der Republik Zypern, mit denen ein Verstoß gegen die Vorschriften des AEU-Vertrags über den freien Dienstleistungsverkehr geltend gemacht wird, ist darauf hinzuweisen, dass, wie sich aus den Rn. 352 bis 358 des vorliegenden Urteils ergibt, der freie Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs nicht durch Art. 56 AEUV geregelt wird, der den freien Dienstleistungsverkehr im Allgemeinen betrifft, sondern durch die Spezialvorschrift von Art. 58 Abs. 1 AEUV, wonach „[f]ür den freien Dienstleistungsverkehr auf dem Gebiet des Verkehrs … die Bestimmungen des Titels über den Verkehr [gelten]“, also die Bestimmungen des Titels VI des Dritten Teils des AEU-Vertrags, der die Art. 90 bis 100 AEUV umfasst. Somit haben die Verkehrsunternehmen ein Recht auf Dienstleistungsfreiheit ausschließlich insoweit, als ihnen dieses Recht durch Maßnahmen des abgeleiteten Rechts gewährt wurde, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage der Bestimmungen des AEU-Vertrags über die gemeinsame Verkehrspolitik, insbesondere von Art. 91 Abs. 1 AEUV, erlassen hat.

1421

Genau dies ist Gegenstand der Richtlinie 2020/1057, die der Unionsgesetzgeber auf der Grundlage dieser Bestimmung erlassen hat, um u. a. besondere Regeln im Zusammenhang mit der Richtlinie 96/71 festzulegen und so bestimmte Sozialvorschriften im Straßenverkehr zu harmonisieren.

1422

Zu den Erkenntnissen aus dem Urteil vom 22. Mai 1985, Parlament/Rat (13/83, EU:C:1985:220, Rn. 64 und 65), auf das sich die Republik Bulgarien und die Republik Zypern berufen, ist darauf hinzuweisen, dass der Gerichtshof, wie in Rn. 982 des vorliegenden Urteils ausgeführt, zwar entschieden hat, dass der Unionsgesetzgeber bei der Einführung der Dienstleistungsfreiheit auf dem Gebiet des Verkehrs nicht über den Ermessensspielraum verfügt, auf den er sich in anderen Bereichen der gemeinsamen Verkehrspolitik berufen kann. Dieser Umstand stellt jedoch die Tatsache nicht in Frage, dass der Unionsgesetzgeber, wenn er seine entsprechenden Befugnisse ausübt, insoweit, wie in den Rn. 242 bis 247 dieses Urteils ausgeführt, über ein weites Ermessen verfügt.

1423

Soweit die Republik Bulgarien und die Republik Zypern dem Unionsgesetzgeber vorwerfen, dadurch, dass er die Entsendevorschriften auf die Beförderungen im Dreiländerverkehr für anwendbar erklärt habe, gegen seine spezifischen Verpflichtungen aus Art. 91 AEUV verstoßen zu haben, da er eine Form der Diskriminierung von Verkehrsunternehmern aufgrund ihrer Staatsangehörigkeit oder des Ortes ihrer Niederlassung wieder eingeführt habe, überschneidet sich ihr Vorbringen jedenfalls mit dem Vorbringen im Rahmen ihres jeweils zweiten Klagegrundes, mit dem ein Verstoß gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und das Diskriminierungsverbot geltend gemacht wird. Er ist daher aus den in den Rn. 1213 bis 1234 des vorliegenden Urteils dargelegten Gründen zurückzuweisen.

1424

Im Übrigen ist unabhängig von der in der vorstehenden Randnummer zurückgewiesenen Argumentation, soweit die Republik Bulgarien und die Republik Zypern dem Unionsgesetzgeber vorwerfen, einen Rückschritt bei der gemeinsamen Verkehrspolitik, die den freien Dienstleistungsverkehr gewährleiste, vollzogen zu haben, ihr Vorbringen unbegründet.

1425

Wie sich u. a. aus den Rn. 1210, 1223, 1308 und 1361 des vorliegenden Urteils ergibt, zielt Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 nämlich ganz im Gegenteil darauf ab, den freien Verkehr der Verkehrsdienstleistungen zu erleichtern, indem er die Umstände festlegt, unter denen die in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Entsendevorschriften für Kraftfahrer, die Beförderungen im Straßenverkehr durchführen, einschließlich derjenigen, die Beförderungen im Dreiländerverkehr durchführen, gelten oder nicht, und gleichzeitig ein besseres Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen in Anbetracht der Marktentwicklungen sicherzustellen und damit seine Verpflichtungen aus Art. 91 AEUV zu erfüllen (vgl. entsprechend Urteil vom 8. Dezember 2020, Ungarn/Parlament und Rat, C‑620/18, EU:C:2020:1001, Rn. 48).

1426

Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass, wie in Rn. 266 des vorliegenden Urteils ausgeführt, der Unionsgesetzgeber, wenn ein Gesetzgebungsakt die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in einem bestimmten Bereich des Handelns der Union bereits koordiniert hat, im Hinblick auf seine Aufgabe, über den Schutz der im AEU-Vertrag anerkannten allgemeinen Interessen zu wachen, nicht daran gehindert sein kann, diesen Rechtsakt den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen und die übergreifenden Ziele der Union in Art. 9 AEUV zu berücksichtigen, zu denen u. a. die Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes gehört. In einem solchen Fall kann der Unionsgesetzgeber seine Aufgabe, über den Schutz dieser allgemeinen Interessen und übergreifenden Ziele zu wachen, nämlich nur dann ordnungsgemäß wahrnehmen, wenn es ihm erlaubt ist, die einschlägigen Unionsvorschriften den veränderten Umständen oder neuen Erkenntnissen anzupassen.

1427

Daraus folgt, dass die bloße Tatsache, dass bestimmte Verkehrsunternehmer aufgrund der Verbesserung der Beschäftigungsbedingungen und der Erhöhung des sozialen Schutzes, der bestimmten Fahrern durch die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 garantiert wird, höhere Kosten tragen könnten, nicht als ein Rückschritt bei der Einführung einer gemeinsamen Verkehrspolitik angesehen werden kann, der einen Verstoß gegen Art. 91 Abs. 2 AEUV darstellt.

1428

Folglich ist der zweite Teil des fünften Klagegrundes der Republik Bulgarien und der Republik Zypern und damit diese Klagegründe insgesamt als unbegründet zurückzuweisen.

g)   Zum Verstoß gegen Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta

1) Vorbringen der Parteien

1429

Mit ihrem vierten Klagegrund macht die Republik Polen geltend, Art. 11 AEUV und Art. 37 der Charta seien dahin auszulegen, dass sie die Unionsorgane verpflichteten, den Erfordernissen des Umweltschutzes sowohl bei der Festlegung und Durchführung anderer Unionspolitiken als auch im Rahmen anderer Unionsmaßnahmen Rechnung zu tragen. Das in Art. 191 AEUV festgelegte Ziel des Umweltschutzes könne nämlich allein durch Maßnahmen, die gemäß Art. 192 AEUV im Rahmen einer gesonderten und autonomen Politik erlassen würden, weder berücksichtigt noch verwirklicht werden. Der Grundsatz der Einbeziehung ermögliche es, die Ziele und Erfordernisse des Umweltschutzes mit den anderen Interessen und Zielen der Union in Einklang zu bringen.

1430

Eine Auslegung dahin, dass Art. 11 AEUV Bereiche des Unionsrechts und keine besonderen Maßnahmen betreffe, erlaube es nicht, das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel zu erreichen. Die Zugehörigkeit der Richtlinie 2020/1057 zu einem umfassenderen Paket zur Verringerung der Schadstoffemissionen im Straßenverkehrssektor beweise nicht, dass die Auswirkungen dieser Richtlinie auf die Umwelt und insbesondere auf die Möglichkeit, die in den von der Union im Umweltbereich erlassenen Programmdokumenten und Rechtsakten festgelegten Umweltziele zu erreichen, angemessen berücksichtigt worden seien. Außerdem könne auch nicht davon ausgegangen werden, dass die Ziele im Bereich der Reduktion der Treibhausgasemissionen nach ihrer Festlegung unverändert blieben, unabhängig von den zusätzlichen Emissionen, die in Zukunft infolge der Erfüllung von Verpflichtungen entstünden, die sich aus einer neuen Unionsregelung ergäben.

1431

Die Republik Polen teilt die von Generalanwalt Geelhoed in den Nrn. 59 und 60 seiner Schlussanträge in der Rechtssache Österreich/Parlament und Rat (C‑161/04, EU:C:2006:66) vertretene Auslegung, wonach, nur wenn ökologische Belange offensichtlich nicht berücksichtigt oder vollständig außer Acht gelassen worden seien, Art. 11 AEUV als Maßstab für die Prüfung der Rechtmäßigkeit von Rechtsvorschriften der Union dienen könne. Stehe fest, dass eine besondere Maßnahme des Unionsgesetzgebers die Verwirklichung der Ziele beeinträchtige, die er in anderen im Umweltbereich erlassenen Rechtsakten des abgeleiteten Rechts festgelegt habe, müsse der Unionsgesetzgeber die widerstreitenden Interessen gegeneinander abwägen und gegebenenfalls geeignete Änderungen an den im Umweltbereich geltenden Rechtsakten vornehmen.

1432

Im vorliegenden Fall habe der Unionsgesetzgeber gegen diese Verpflichtung verstoßen, da er die Auswirkungen der Umsetzung der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 auf die Umweltanforderungen nicht geprüft habe. Insbesondere habe er nicht berücksichtigt, dass die Umsetzung dieser Bestimmungen zu zusätzlichen Fahrten, einschließlich Leerfahrten von Lastkraftwagen, über weite Strecken führe, aus denen sich, wie die in Rn. 416 des vorliegenden Urteils genannten Daten und Studien belegten, Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen ergäben, die zahlreiche gesundheitliche Probleme verursachten.

1433

Während nämlich die betreffenden Fahrzeuge ohne diese Bestimmungen Beförderungen im Dreiländerverkehr und Kabotagebeförderungen durchführen könnten, würde die Verringerung dieser beiden Arten von Beförderungen eine Zunahme der Zahl der bilateralen Beförderungen bewirken, was zu einer Erhöhung der Zahl der Leerfahrten führe. Die Beförderungen im Dreiländerverkehr seien insofern nützlich, als sie die Zahl dieser Leerfahrten minimierten, die Wartezeit bis zum Güterbeförderungsauftrag in den Niederlassungsstaat vermieden und dazu beitrügen, einer geografisch veränderten Verkehrsnachfrage zu entsprechen.

1434

Die Umweltauswirkungen der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 seien auch kumulativ mit denen der Verordnungen 2020/1054 und 2020/1055 zu untersuchen, die ebenfalls Teil des „Mobilitätspakets“ seien, und die die Lastkraftwagen auch zu zusätzlichen, oft leeren Fahrten über weite Strecken zwängen.

1435

Diese zusätzlichen Emissionen könnten aufgrund ihres Umfangs erhebliche Auswirkungen auf die Verwirklichung der Umweltziele haben, die in den in den Rn. 417 bis 419 des vorliegenden Urteils genannten Programmplanungsdokumenten und Rechtsakten der Union im Bereich des Umweltschutzes festgelegt seien, sowie auf die Einhaltung der den Mitgliedstaaten durch diese Rechtsakte auferlegten Verpflichtungen. Keiner der angefochtenen Rechtsakte, aus denen sich das „Mobilitätspaket“ zusammensetze, behandle diese verschiedenen Auswirkungen. In der Folgenabschätzung – Sozialer Teil stelle die Kommission lediglich fest, dass sie keine Auswirkungen der in Betracht gezogenen Optionen auf die Umwelt festgestellt habe, doch sei diese Feststellung weder untermauert noch glaubhaft.

1436

Obwohl einige Mitgliedstaaten und die Kommission darauf hingewiesen hätten, dass die Auswirkungen der vom „Mobilitätspaket“ geplanten Maßnahmen auf den Anstieg der Leerfahrten und der CO2-Emissionen berücksichtigt werden müssten, habe der Unionsgesetzgeber diese Bedenken außer Acht gelassen. Die von der Kommissarin, Frau Vălean, angekündigte Ausarbeitung zusätzlicher Analysen vor Ende 2020 zu den Auswirkungen der Verpflichtung zur Rückkehr der Fahrzeuge in den Niederlassungsmitgliedstaat alle acht Wochen und den Beschränkungen für Beförderungen im kombinierten Verkehr gleiche diese Verletzung keineswegs aus, sondern bestätige sogar die Begründetheit des vorliegenden Klagegrundes.

1437

Die Republik Bulgarien und die Republik Zypern wiederholen ihrerseits die in den Rn. 1377 und 1378 des vorliegenden Urteils dargestellte Argumentation, mit der ein Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV wegen der nachteiligen Auswirkungen auf die Umwelt geltend gemacht wird, die sich aus der in Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 13. Erwägungsgrund getroffenen Unterscheidung zwischen Beförderungen im Dreiländerverkehr und bilateralen Beförderungen ergäben.

1438

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

2) Würdigung durch den Gerichtshof

1439

Zunächst ist das Vorbringen der Republik Bulgarien und der Republik Zypern, mit dem ein Verstoß gegen Art. 90 AEUV in Verbindung mit Art. 3 Abs. 3 EUV geltend gemacht wird, aus den in den Rn. 423, 424 und 934 des vorliegenden Urteils genannten Gründen zurückzuweisen.

1440

Unter diesen Umständen und aus den in den Rn. 428 bis 430 dieses Urteils dargelegten Gründen ist nur zu prüfen, ob der Unionsgesetzgeber, wie die Republik Polen geltend macht, beim Erlass der angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 gegen die sich aus Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta ergebenden Erfordernisse des Umweltschutzes verstoßen hat.

1441

Hierzu ist festzustellen, dass sich das Vorbringen der Republik Polen im Rahmen ihres vierten Klagegrundes nahezu ausschließlich nicht auf die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 bezieht, sondern auf die Bestimmungen der anderen Rechtsakte, die das „Mobilitätspaket“ bilden, insbesondere die der Verordnung 2020/1055. Der wesentliche Teil der Studien und der anderen Elemente, auf die sich die Republik Polen in diesem Zusammenhang stützt, bezieht sich nämlich auf die in Art. 1 Nr. 3 dieser Verordnung vorgesehene Verpflichtung, mit dem ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird und der die Rückkehr der Fahrzeuge zur Betriebsstätte im Niederlassungsmitgliedstaat des betreffenden Verkehrsunternehmens alle acht Wochen betrifft. Die letztgenannte Bestimmung ist jedoch im Rahmen der Klagen gegen die Verordnung 2020/1055 in den Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑549/20 bis C‑552/20 und C‑554/20 Gegenstand unterschiedlicher Klagegründe. Da sich das Vorbringen der Republik Polen nicht auf die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 bezieht, geht es ins Leere.

1442

Soweit sich jedoch das auf einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta gestützte Vorbringen der Republik Polen speziell auf die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 bezieht, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass Art. 11 AEUV, wie in Rn. 436 des vorliegenden Urteils ausgeführt, einen Querschnittscharakter hat, der impliziert, dass der Unionsgesetzgeber die Erfordernisse des Umweltschutzes in die Politiken und Maßnahmen der Union und insbesondere in die gemeinsame Verkehrspolitik, zu der die Richtlinie 2020/1057 gehört, einbeziehen muss.

1443

Zum anderen betrifft die Kontrolle der Rechtmäßigkeit, die der Gerichtshof im vorliegenden Fall im Hinblick auf Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta vorzunehmen hat, einen Unionsrechtsakt, in dessen Rahmen der Unionsgesetzgeber, wie insbesondere in den Rn. 1210, 1223, 1308 und 1361 des vorliegenden Urteils ausgeführt, ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen betroffenen Interessen und Zielen zu gewährleisten hat.

1444

Unter diesen Umständen ist darauf hinzuweisen, dass, selbst wenn die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 für sich genommen erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt haben sollten, für die Feststellung, ob ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta festzustellen ist, die anderen Maßnahmen zu berücksichtigen wären, die der Unionsgesetzgeber ergriffen hat, um solche Auswirkungen des Straßenverkehrs auf die Umwelt zu begrenzen und das Gesamtziel der Verringerung der Schadstoffemissionen zu erreichen.

1445

Im vorliegenden Fall stützt sich die Republik Polen mit ihrem auf einen Verstoß gegen die Vorschriften des Unionsrechts im Bereich des Umweltschutzes gestützten Vorbringen auf die Prämisse, dass die in den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 festgelegten Kriterien für die Anwendung der Entsendevorschriften aufgrund der Zunahme der Schadstoffemissionen, zu der die Umsetzung dieser Kriterien führen werde, nachteilige Auswirkungen auf die Umwelt haben würden. Insbesondere würden diese Bestimmungen zu zusätzlichen, oft leeren Fahrten über weite Strecken führen, da die Verkehrsunternehmer die Kabotagebeförderungen und die Beförderungen im Dreiländerverkehr, die für die Umwelt günstiger seien, durch bilaterale Beförderungen ersetzen würden, um in den Genuss der vollständigen Ausnahme von diesen Vorschriften für die letztgenannten Beförderungen zu kommen.

1446

Insoweit ist erstens darauf hinzuweisen, dass sich, wie sich u. a. bereits aus den Rn. 1318, 1321 und 1395 des vorliegenden Urteils ergibt, die Verpflichtung, die Entsendevorschriften grundsätzlich auf die Kraftfahrer anzuwenden, die Beförderungen im Dreiländerverkehr und Kabotagebeförderungen durchführen, bereits aus dem Rechtsrahmen ergab, der vor dem Inkrafttreten der Richtlinie 2020/1057 in seiner Auslegung durch den Gerichtshof im Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), bestand.

1447

Folglich ergeben sich ein großer Teil der behaupteten negativen Auswirkungen auf die Umwelt, die die Republik Polen den Vorschriften in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 zuschreibt, selbst wenn man sie als erwiesen unterstellt, in Wirklichkeit nicht aus dieser Richtlinie, sondern aus den vor ihrem Inkrafttreten geltenden Unionsvorschriften.

1448

Zweitens ist jedenfalls festzustellen, dass die verschiedenen von der Republik Polen angeführten Arten von Beförderungen nicht notwendigerweise austauschbar sind. Während nämlich eine Beförderung im Dreiländerverkehr und eine bilaterale Beförderung, wie der Rat hervorhebt, einander grundsätzlich ersetzen könnten, kann eine Kabotagebeförderung ihrem Wesen nach nicht durch eine bilaterale Beförderung ersetzt werden.

1449

Im Übrigen garantiert, wie sich im Wesentlichen aus Rn. 358 des vorliegenden Urteils ergibt, Art. 49 AEUV, wie er im Verkehrssektor durch die Verordnung Nr. 1071/2009 umgesetzt wurde, jedem Unternehmen das Recht, sich gegebenenfalls durch die Gründung von Tochtergesellschaften im Mitgliedstaat seiner Wahl dauerhaft niederzulassen, um seine Tätigkeiten optimal zu organisieren und gleichzeitig seinen Verpflichtungen aus dem Unionsrecht nachzukommen. So können Verkehrsunternehmer, die in einem anderen Mitgliedstaat systematisch oder sehr regelmäßig innerstaatliche Beförderungen durchführen wollen, dort eine Tochtergesellschaft oder sonstige dauerhafte Niederlassung gründen, was die Rückkehr von Fahrzeugen über weite Entfernungen verhindern könnte, von denen die Republik Polen behauptet, dass sie aufgrund der Erhöhung der Emissionen von CO2 und Luftschadstoffen negative Auswirkungen auf die Umwelt hätten.

1450

Folglich kann Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 als solcher nicht zu erheblichen negativen Auswirkungen auf die Umwelt führen, da er dadurch, dass er bestimmte Verkehrsunternehmer dazu veranlassen kann, sich näher an der tatsächlichen Nachfrage nach Verkehrsdienstleistungen niederzulassen, als vor seinem Inkrafttreten, dazu beiträgt, dass eine engere Verbindung zwischen dem Ort, an dem der Dienstleistungserbringer niedergelassen ist, und dem Ort, an dem die Dienstleistungen tatsächlich erbracht werden, besteht.

1451

Drittens ist für den Fall, dass sich ein Verkehrsunternehmen, wie die Republik Polen vorschlägt, dafür entscheidet, ein leeres Fahrzeug in den Niederlassungsmitgliedstaat zurückkehren zu lassen, damit die Beförderung als bilateral eingestuft wird, darauf hinzuweisen, dass die Ausübung einer solchen Wahl jedenfalls nicht ausreichen würde, um die betreffende Beförderung als bilateral im Sinne von Art. 1 Abs. 3 und 4 der Richtlinie 2020/1057 einzustufen, da diese Bestimmungen verlangen, dass die Güter oder Fahrgäste vom oder in den Niederlassungsmitgliedstaat befördert werden, damit eine Beförderung so eingestuft werden kann.

1452

Im Übrigen bleibt der Unionsgesetzgeber, wie sich aus Rn. 377 des vorliegenden Urteils ergibt, berechtigt, durch die Anpassung eines Gesetzgebungsakts zur Verbesserung des sozialen Schutzes der betroffenen Personen die Bedingungen, unter denen die Dienstleistungsfreiheit ausgeübt wird, zu ändern und einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten. Nach Art. 58 Abs. 1 AEUV wird der Grad der Liberalisierung nämlich nicht unmittelbar durch Art. 56 AEUV bestimmt, sondern vom Unionsgesetzgeber selbst im Rahmen der Durchführung der gemeinsamen Verkehrspolitik.

1453

Im Übrigen ist das Vorbringen der Republik Polen zu den Wirtschaftsteilnehmern spekulativ, die wegen der angeblich höheren Kosten, die sich aus den in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 festgelegten Kriterien für die Anwendung der Entsendevorschriften, wie sie für die Beförderung im Dreiländerverkehr und die Kabotagebeförderung gelten, ergeben sollen, gezwungen seien, aus dem Markt auszuscheiden. Dies gilt umso mehr im Hinblick auf die Erwägungen in den Rn. 1448 bis 1450 des vorliegenden Urteils. Jedenfalls weist dieser Mitgliedstaat nicht nach, dass solche angeblichen Marktaustritte erhebliche negative Auswirkungen auf die Umwelt hätten.

1454

Viertens ergibt sich, wie der Rat geltend macht, aus dem Vorbringen der Republik Polen kein inhärenter Unterschied, in Bezug auf die Effizienz und die Auswirkungen auf die Umwelt, zwischen einer Beförderung im Dreiländerverkehr und einer bilateralen Beförderung, wenn mit diesen Beförderungen Verkehrsnachfragen in einem bestimmten Teil der Union mehr oder weniger dauerhaft gedeckt werden sollen. Im Übrigen kommen, wie sich im Wesentlichen aus Rn. 1354 des vorliegenden Urteils ergibt, nach Art. 1 Abs. 3 Unterabs. 3 bis 5 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem zehnten Erwägungsgrund bestimmte zusätzliche Tätigkeiten im Zusammenhang mit bilateralen Beförderungen in den Genuss einer Ausdehnung der für die letztgenannten Beförderungen vorgesehenen Ausnahme von den Entsendevorschriften, und zwar gerade um etwaigen Effizienzgewinnen Rechnung zu tragen, die sich aus einer solchen Organisation des Straßenverkehrs ergeben.

1455

Soweit die Republik Polen schließlich geltend macht, dass die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Beförderungen im kombinierten Verkehr, wie sie in Art. 1 Abs. 6 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehen sei, vom Rückgriff auf solche Beförderungen abschrecken würde, deren umweltfreundliche Wirkung anerkannt sei, genügt der Hinweis auf die Erwägungen in den Rn. 1330, 1331 und 1340 des vorliegenden Urteils, aus denen hervorgeht, dass diese Bestimmung im Vergleich zu dem vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie anwendbaren System nur klarstellen soll, unter welchen Umständen Verkehrsunternehmer, die eine Beförderung im kombinierten Verkehr durchführen, für bestimmte Teile dieser Beförderung eine Ausnahme von diesen Vorschriften in Anspruch nehmen können. Somit ist nicht erwiesen, dass diese Bestimmung dazu führen würde, von dieser Art von Beförderungen abzuschrecken.

1456

Jedenfalls kann in Anbetracht der Natur der Richtlinie 2020/1057, mit der ein Gleichgewicht zwischen den verschiedenen mit ihr verfolgten Zielen erreicht werden soll, ohne selbst unter die Politik der Union im Bereich des Umweltschutzes zu fallen, ein Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta nicht allein mit der Begründung festgestellt werden, dass der Unionsgesetzgeber mit dem Erlass dieses Rechtsakts nicht, zulasten eines erhöhten sozialen Schutzes der Fahrer, alle Verkehrstätigkeiten begünstigt hat, die als umweltfreundlich angesehen werden könnten.

1457

Nach alledem ist das Vorbringen der Republik Polen betreffend einen Verstoß gegen Art. 11 AEUV in Verbindung mit Art. 37 der Charta in Ermangelung erheblicher negativer Auswirkungen auf die Umwelt, die sich aus den angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 in Bezug auf Beförderungen im Dreiländerverkehr, Beförderungen im kombinierten Verkehr oder Kabotagebeförderungen ergeben, zurückzuweisen.

1458

Unter diesen Umständen sind weder das Vorbringen dieses Mitgliedstaats zu anderen Rechtsakten der Union, deren Umweltziele durch den Erlass von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 gefährdet sein sollen, noch die verschiedenen vom Parlament und vom Rat angeführten Maßnahmen des Unionsgesetzgebers im Straßenverkehrssektor zu prüfen, um zu beurteilen, inwieweit der Unionsgesetzgeber das Gesamtziel der Verringerung der Schadstoffemissionen in diesem Sektor berücksichtigt hat.

1459

Folglich ist der vierte Klagegrund der Republik Polen als unbegründet zurückzuweisen.

1460

Nach alledem sind die Klagen der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑544/20), Rumäniens (Rechtssache C‑548/20) und der Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20) in vollem Umfang abzuweisen. Ebenso sind die von Ungarn (Rechtssache C‑551/20) und von der Republik Polen (Rechtssache C‑555/20) erhobenen Klagen abzuweisen, soweit sie auf die Nichtigerklärung von Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 oder einiger dieser Bestimmungen gerichtet sind.

4.   Zu Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057

1461

Zur Stützung ihrer Klage auf Nichtigerklärung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057, soweit diese Bestimmung die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie auf den 2. Februar 2022 festlegt, macht die Republik Polen (Rechtssache C‑555/20) drei Klagegründe geltend, die zusammen geprüft werden können, mit denen sie erstens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit, zweitens einen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und drittens einen Verstoß gegen Art. 94 AEUV rügt.

a)   Vorbringen der Parteien

1462

Was erstens den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, weist die Republik Polen darauf hin, dass dieser Grundsatz gebiete, dass Rechtsvorschriften klar, bestimmt und in ihren Auswirkungen vorhersehbar seien, damit sich die Betroffenen bei unter das Unionsrecht fallenden Tatbeständen und Rechtsbeziehungen orientieren könnten. Dieser Grundsatz gelte in besonderem Maße, wenn die betreffenden Rechtsvorschriften wie die Richtlinie 2020/1057 finanzielle Belastungen mit sich bringen könnten.

1463

Die angefochtenen Bestimmungen von Art. 1 dieser Richtlinie präzisierten jedoch nicht die Pflichten der Verkehrsunternehmer. Außerdem wiesen sie Auslegungsprobleme sowie praktische Schwierigkeiten bei der Bestimmung des auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Kraftfahrer, die Beförderungen im Straßenverkehr durchführten, anwendbaren Rechts auf. Klarstellungen müssten durch nationale Umsetzungsrechtsakte sowie durch Auslegungsdokumente und Leitlinien der Kommission vorgenommen werden, sofern sie erlassen würden.

1464

Im Übrigen sei die Umsetzung dieser Bestimmungen mit langen Gesetzgebungsarbeiten auf nationaler Ebene verbunden. Folglich sei ein erheblicher Teil der Frist von 18 Monaten für die Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 der Ausarbeitung und dem Erlass der nationalen Regelung gewidmet. Dies würde die Zeit, über die die Verkehrsunternehmer verfügen könnten, um von Gegenstand und Umfang der ihnen obliegenden Verpflichtungen Kenntnis zu nehmen, erheblich verringern. Außerdem lege die nationale Regelung auch die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen fest, und die Verkehrsunternehmer seien verpflichtet, von den einschlägigen Vorschriften, die von mehr als einem Mitgliedstaat vorgesehen seien, Kenntnis zu nehmen. Schließlich könne das Fehlen einer Verpflichtung des Unionsgesetzgebers, eine spezifische Umsetzungsfrist festzulegen, insoweit nicht mit einem umfassenden Ermessen des Unionsgesetzgebers gleichgesetzt werden.

1465

Was zweitens den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, macht die Republik Polen geltend, dass die Festlegung einer verkürzten Umsetzungsfrist von 18 Monaten durch den Unionsgesetzgeber nicht den sich aus diesem Grundsatz ergebenden Anforderungen genüge.

1466

Der Unionsgesetzgeber habe keine objektiven Gründe angeführt, die die Festlegung dieser Frist rechtfertigten, obwohl die Frist, die für derartige Rechtsakte erlassen worden sei, mindestens zwei Jahre betrage. In Anbetracht der Besonderheit des Straßenverkehrssektors, der durch eine hohe Mobilität gekennzeichnet sei, und damit der Notwendigkeit, die Vorschriften zahlreicher Mitgliedstaaten während eines kurzen Bezugszeitraums anzuwenden, hätte der Unionsgesetzgeber auch berücksichtigen müssen, dass sich die Verkehrsunternehmer darauf vorbereiten müssten, auch die Anforderungen anzuwenden, die sich aus den anderen Rechtsakten ergäben, aus denen sich das „Mobilitätspaket“ zusammensetze.

1467

Der Unionsgesetzgeber habe auch nicht die vorherrschende Stellung der KMU auf dem Güterkraftverkehrsmarkt berücksichtigt, für die die Anpassung an die neuen Regelungen spezifische Schwierigkeiten und Kosten mit sich bringe. Außerdem seien durch die Covid‑19-Pandemie zusätzliche Schwierigkeiten verursacht worden. Schließlich würden Sanktionen, manchmal strenge, gegen die Verkehrsunternehmer verhängt, die nicht in der Lage seien, sich innerhalb der gesetzten Frist an die neuen Regeln anzupassen.

1468

Was die Frage betreffe, inwieweit die frühere rechtliche und tatsächliche Situation der Verkehrsunternehmer durch die Richtlinie 2020/1057 geändert worden sei, so sei die Frage der Anwendung der Richtlinie 96/71 auf den Straßenverkehr lange Zeit ein umstrittener Punkt gewesen. Folglich bestünden, wie sich aus dem vierten Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 ergebe, Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten bei der Auslegung, Umsetzung und Anwendung der Bestimmungen der Richtlinie 96/71. Das Urteil vom 1. Dezember 2020, Federatie Nederlandse Vakbeweging (C‑815/18, EU:C:2020:976), habe nur einige Fragen zu den Modalitäten der Durchführung der grenzüberschreitenden Beförderungen beantwortet.

1469

Was drittens den behaupteten Verstoß gegen Art. 94 AEUV betrifft, macht die Republik Polen geltend, dass die in Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehene Umsetzungsfrist der wirtschaftlichen Lage der Verkehrsunternehmer nicht Rechnung trage. In diesem Kontext verweist dieser Mitgliedstaat auch darauf, dass der Sektor von KMU dominiert werde, dass die betreffenden Änderungen erhebliche Kosten mit sich brächten und dass diese während einer Zeit der Wirtschaftskrise und der Störung des Betriebs der Verkehrstätigkeit infolge der Covid‑19-Pandemie eingeführt worden seien.

1470

Das Parlament und der Rat halten dieses Vorbringen für unbegründet.

b)   Würdigung durch den Gerichtshof

1471

Im Hinblick auf die Prüfung der vorliegenden Klagegründe ist darauf hinzuweisen, dass Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 in seinem Unterabs. 1 vorsieht, dass die Mitgliedstaaten die nationalen Vorschriften, die erforderlich sind, um dieser Richtlinie nachzukommen, „bis zum 2. Februar 2022“ erlassen und veröffentlichen müssen, und in seinem Unterabs. 2, dass diese Mitgliedstaaten diese Vorschriften ab demselben Zeitpunkt anwenden müssen.

1472

Was Erstens den behaupteten Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit betrifft, ist festzustellen, dass die Republik Polen dem Unionsgesetzgeber nicht vorwirft, eine ungenaue Umsetzungsfrist festgelegt zu haben, sondern, angesichts der Unsicherheit hinsichtlich der Auslegung der in Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Regeln und der praktischen Probleme bei deren Anwendung eine zu kurze Umsetzungsfrist festgelegt zu haben.

1473

Nach Art. 288 Abs. 3 AEUV ist eine Richtlinie für jeden Mitgliedstaat, an den sie gerichtet wird, hinsichtlich des zu erreichenden Ziels verbindlich, überlässt jedoch den innerstaatlichen Stellen die Wahl der Form und der Mittel. Folglich ist, wie das Parlament hervorhebt, das zu erreichende Ziel bereits im Rechtsakt der Union selbst dargelegt. Daraus folgt, dass die Verkehrsunternehmer im vorliegenden Fall zumindest ab dem 31. Juli 2020, dem Zeitpunkt der Veröffentlichung der Richtlinie 2020/1057 im Amtsblatt der Europäischen Union, die Möglichkeit hatten, von ihren künftigen Verpflichtungen aus dieser Richtlinie Kenntnis zu nehmen.

1474

Im Übrigen ist der Umfang, in dem die in Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057 vorgesehenen Bestimmungen neue Verpflichtungen für die Verkehrsunternehmen schaffen, jedenfalls zwangsläufig dadurch begrenzt, dass, wie sich aus den Rn. 1178 bis 1182 des vorliegenden Urteils ergibt, die Regelung über die Anwendung der Entsendevorschriften auf die Kraftfahrer, die sich aus den in diesen Bestimmungen festgelegten Kriterien ergibt, in gewissem Umfang der Regelung ähnelt, die vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie bestand.

1475

Soweit die Republik Polen Auslegungsprobleme und praktische Schwierigkeiten bei der Bestimmung des auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Kraftfahrer anwendbaren Rechts geltend macht, ist zum einen darauf hinzuweisen, dass das in einem bestimmten Fall anwendbare nationale Recht entgegen dem Vorbringen dieses Mitgliedstaats nicht von den nationalen Umsetzungsrechtsakten abhängt, sondern von den Bestimmungen von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 selbst, die klar definierte Arten von Beförderungen aufzählen und angeben, auf welche Arten von Beförderungen die Entsendevorschriften und damit die nationalen Vorschriften des Aufnahmemitgliedstaats über die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen anwendbar sind.

1476

Zum anderen wollte der Unionsgesetzgeber, wie sich aus den Erwägungsgründen 4, 8 und 9 der Richtlinie 2020/1057 ergibt und im Wesentlichen in Rn. 1224 des vorliegenden Urteils dargelegt worden ist, gerade wegen der Unterschiede, die zwischen den Mitgliedstaaten bei der Auslegung, Umsetzung und Anwendung der vor dem Inkrafttreten dieser Richtlinie anwendbaren Bestimmungen des Unionsrechts festgestellt worden waren, eine für den Straßenverkehrssektor spezifische Regelung erlassen, die Kriterien vorsieht, anhand deren bestimmt werden kann, in welchen Fällen die Kraftfahrer den in der Richtlinie 96/71 vorgesehenen Vorschriften über die langfristige Entsendung unterliegen.

1477

Soweit die Republik Polen geltend macht, dass ein erheblicher Teil der Frist von 18 Monaten dem Erlass der zur Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 erforderlichen nationalen Regelung gewidmet sein müsse, geht sie von der falschen Prämisse aus, dass sich die Verpflichtungen der Verkehrsunternehmer im Bereich der Bestimmung des auf die Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen der Fahrer anwendbaren Rechts aus den von den Mitgliedstaaten erlassenen Umsetzungsrechtsakten ergäben, obwohl sich diese Verpflichtungen, wie in Rn. 1473 des vorliegenden Urteils ausgeführt, aus Art. 1 dieser Richtlinie ergeben. Daraus folgt, dass der Umstand, dass der nationale Gesetzgeber in Polen gegebenenfalls verpflichtet war, einen mehr oder weniger erheblichen Teil dieser Frist dem Erlass der insoweit erforderlichen Umsetzungsrechtsakte zu widmen, keinen Verstoß des Unionsgesetzgebers gegen seine Verpflichtungen aus dem Grundsatz der Rechtssicherheit belegt.

1478

Die Republik Polen bringt auch vor, die Verkehrsunternehmer benötigten Zeit, um von den einschlägigen Vorschriften mehrerer Mitgliedstaaten Kenntnis zu nehmen, und zwar insbesondere deshalb, weil das Unionsrecht nicht nur die Zahlung eines Mindestlohnsatzes vorschreibe, sondern darüber hinaus gemäß der Richtlinie 2020/1057 die Anwendung der Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen des Aufnahmemitgliedstaats. Insoweit ist zum einen darauf hinzuweisen, dass, wie der Rat hervorhebt, die Umsetzungsfrist mit 2. Februar 2022, wie sich ausdrücklich aus Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 2 der Richtlinie 2020/1057 in Verbindung mit ihrem 43. Erwägungsgrund ergibt, als einem festen Zeitpunkt vorgesehen wurde, ab dem die nationalen Bestimmungen anzuwenden sind, um die Schaffung neuer Hindernisse durch einen differenzierten Beginn der Anwendung durch die Mitgliedstaaten bis zum Ablauf der vorgesehenen Umsetzungsfrist zu vermeiden. Unabhängig davon, welchen Teil der Umsetzungsfrist von 18 Monaten ein Mitgliedstaat der Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 gewidmet hat, konnte dieser daher den Verkehrsunternehmen die neuen Verpflichtungen aus dieser Richtlinie jedenfalls nicht vor dem 2. Februar 2022 auferlegen.

1479

Zum anderen hat, wie die Republik Polen selbst hervorhebt, Art. 3 Abs. 3 der Richtlinie 2018/957 vorgesehen, dass diese Richtlinie für den Straßenverkehrssektor ab dem Geltungsbeginn eines Gesetzgebungsakts zur Änderung der Richtlinie 2006/22 bezüglich der Durchsetzungsanforderungen und zur Festlegung spezifischer Regeln im Zusammenhang mit den Richtlinien 96/71 und 2014/67 für die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor gilt. Folglich trifft es zwar zu, dass die in der Richtlinie 96/71 in der durch die Richtlinie 2018/957 geänderten Fassung vorgesehenen Bedingungen ab dem Zeitpunkt anwendbar geworden sind, zu dem die Richtlinie 2020/1057 umzusetzen war, jedoch waren die Verkehrsunternehmen seit dem Erlass der Richtlinie 2018/957, d. h. am 28. Juni 2018, darüber informiert, dass der Unionsgesetzgeber eine lex specialis im Straßenverkehrssektor ins Auge gefasst hatte und dass die durch die Richtlinie 2020/1057 vorgenommenen Änderungen der Richtlinie 96/71 in Kraft treten würden, sobald diese lex specialis anwendbar wäre.

1480

Folglich weist die Republik Polen mit den von ihr behaupteten Schwierigkeiten bei der Auslegung und Anwendung von Art. 1 der Richtlinie 2020/1057 nicht nach, dass der Unionsgesetzgeber dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoßen hat, dass er die Frist für die Umsetzung dieser Richtlinie auf 18 Monate festgesetzt hat.

1481

Was zweitens den angeblichen Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit betrifft, ist darauf hinzuweisen, dass das Parlament, der Rat und die Kommission in Nr. 42 der Interinstitutionellen Vereinbarung in Bezug auf das ordentliche Gesetzgebungsverfahren betont haben, eine Frist für die Umsetzung von Richtlinien vorzusehen, die so kurz wie möglich gehalten und in der Regel nicht mehr als zwei Jahre betragen wird. Dieser Ansatz fügt sich in das allgemeinere Ziel ein, dass die Rechtsvorschriften der Union in den Mitgliedstaaten zügig und korrekt angewendet werden müssen.

1482

Im Übrigen verfügt der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung der Frist für die Umsetzung einer Richtlinie über ein Ermessen und ist entgegen dem Vorbringen der Republik Polen keineswegs verpflichtet, die Gründe für die Festlegung dieser Frist immer dann anzugeben, wenn diese kürzer als zwei Jahre ist.

1483

Ebenso wenig kann das völlig allgemeine Vorbringen durchgreifen, dass die Berücksichtigung der Verpflichtungen aus den anderen Rechtsakten, die das „Mobilitätspaket“ bildeten, zur Festlegung einer längeren Umsetzungsfrist für die Bestimmungen der Richtlinie 2020/1057 hätte führen müssen. Die bloße Tatsache, dass für die einschlägigen Verpflichtungen jedes Rechtsakts dieses „Mobilitätspakets“ unterschiedliche Umsetzungsfristen gelten, zeigt nämlich gerade, dass der Unionsgesetzgeber bei der Festlegung einer angemessenen Frist für die Umsetzung oder Anwendung die Natur der Verpflichtungen sowie die besonderen Umstände jedes einzelnen dieser Rechtsakte berücksichtigt hat.

1484

Außerdem legt die Republik Polen mit ihrem ebenso allgemeinen Vorbringen zur Covid‑19-Pandemie nicht dar, inwiefern sich die durch diese Pandemie verursachten Kosten, Beschränkungen der Erbringung von Dienstleistungen oder Änderungen der Regelungen der Mitgliedstaaten in irgendeiner Weise auf die Festlegung der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 auswirken konnten. Jedenfalls oblag es dem Unionsgesetzgeber nicht, die Auswirkungen dieser Pandemie im Rahmen der Richtlinie 2020/1057 zu beseitigen, die u. a. darauf abzielt, die Arbeitsbedingungen der Fahrer zu verbessern, umso weniger, als andere spezifische Rechtsakte der Union ein solches Ziel hatten, wie sich aus Rn. 286 des vorliegenden Urteils ergibt.

1485

Darüber hinaus kann die Republik Polen nicht die Unverhältnismäßigkeit der Frist für die Umsetzung der Richtlinie 2020/1057 nachweisen, indem sie über die Häufigkeit der Verhaltensweisen spekuliert, die gegen die Verpflichtungen aus dieser Richtlinie im Bereich der Entsendung von Arbeitnehmern im Straßenverkehrssektor verstoßen, da die etwaige Strenge der Sanktionen, die die Mitgliedstaaten für den Fall verhängen, dass die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen sowie die damit verbundenen formellen Anforderungen nicht eingehalten werden, im Übrigen nicht geeignet ist, die Länge dieser Frist selbst in Frage zu stellen.

1486

Folglich und in Anbetracht der Erwägungen in den Rn. 1473 bis 1476, 1478 und 1479 des vorliegenden Urteils, aus denen u. a. hervorgeht, dass der Unionsgesetzgeber den Besonderheiten des Straßenverkehrssektors einschließlich der Präsenz von KMU auf dem Markt, auf die im 20. Erwägungsgrund der Richtlinie 2020/1057 Bezug genommen wird, Rechnung getragen hat, kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Unionsgesetzgeber durch die Festlegung einer Umsetzungsfrist von 18 Monaten in Art. 9 Abs. 1 Unterabs. 1 dieser Richtlinie offensichtlich über das hinausgegangen ist, was erforderlich war, um im Rahmen der Umsetzung dieser Richtlinie das Ziel zu erreichen, sicherzustellen, dass die Rechtsvorschriften der Union in den Mitgliedstaaten zügig und korrekt angewendet werden.

1487

Was drittens den geltend gemachten Verstoß gegen Art. 94 AEUV betrifft, genügt der Hinweis, dass Art. 1 Abs. 3 bis 7 der Richtlinie 2020/1057, wie sich aus Rn. 1390 des vorliegenden Urteils ergibt, nicht die „Beförderungsentgelte oder ‑bedingungen“ im Sinne dieses Art. 94 regelt, sondern lediglich Kriterien für die Anwendung der Vorschriften über die Entsendung von Kraftfahrern im Straßenverkehrssektor festlegt. Da dieser Art. 94 somit auf diese Absätze von Art. 1 dieser Richtlinie nicht anwendbar ist, ist das Vorbringen, mit dem ein Verstoß gegen diesen Artikel wegen der Länge der für ihre Umsetzung vorgesehenen Frist geltend gemacht wird, zurückzuweisen.

1488

Da keiner der von der Republik Polen geltend gemachten Klagegründe zur Stützung der Anträge ihrer Klage auf Nichtigerklärung von Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2020/1057 (Rechtssache C‑555/20) durchgreift, sind diese Anträge zurückzuweisen und folglich die Klage insgesamt abzuweisen.

5.   Ergebnis zur Richtlinie 2020/1057

1489

Nach alledem sind zum einen die Klagen der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20) und Ungarns (Rechtssache C‑551/20), soweit sie die Richtlinie 2020/1057 betreffen, und zum anderen die Klagen der Republik Bulgarien (Rechtssache C‑544/20), Rumäniens (Rechtssache C‑548/20), der Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20) und der Republik Polen (Rechtssache C‑555/20) abzuweisen.

D. Gesamtergebnis zu den Klagen

1490

Nach alledem

ist Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 für nichtig zu erklären, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

sind die Klagen im Übrigen abzuweisen.

V. Kosten

1491

Nach Art. 138 Abs. 1 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen.

1492

Nach Art. 138 Abs. 3 der Verfahrensordnung trägt jede Partei ihre eigenen Kosten, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt. Der Gerichtshof kann jedoch entscheiden, dass eine Partei außer ihren eigenen Kosten einen Teil der Kosten der Gegenpartei trägt, wenn dies in Anbetracht der Umstände des Einzelfalls gerechtfertigt erscheint.

1493

Da das Parlament und der Rat beantragt haben, der Republik Litauen (Rechtssache C‑541/20), der Republik Bulgarien (Rechtssachen C‑543/20 und C‑544/20), Rumänien (Rechtssachen C‑546/20 und C‑548/20), der Republik Zypern (Rechtssache C‑550/20) sowie der Republik Polen (Rechtssachen C‑553/20 und C‑555/20) die Kosten aufzuerlegen und diese Mitgliedstaaten mit ihrem Vorbringen unterlegen sind, sind ihnen die Kosten des Verfahrens, einschließlich, was die Republik Litauen betrifft, der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (Rechtssache C‑541/20 R), aufzuerlegen.

1494

Da die Republik Zypern beantragt hat, dem Parlament und dem Rat die Kosten aufzuerlegen (Rechtssache C‑549/20) und diese Organe unterlegen sind, sind ihnen die Kosten dieser Rechtssache aufzuerlegen.

1495

Da die Republik Litauen, die Republik Bulgarien, Rumänien, Ungarn, die Republik Malta und die Republik Polen mit ihrem Vorbringen teilweise unterlegen sind (Rechtssachen C‑542/20, C‑545/20, C‑547/20, C‑551/20, C‑552/20 und C‑554/20), trägt jeder dieser Mitgliedstaaten seine eigenen Kosten in diesen Rechtssachen, einschließlich, was die Republik Bulgarien betrifft, der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (Rechtssache C‑545/20 R).

1496

Im Übrigen tragen nach Art. 140 Abs. 1 der Verfahrensordnung des Gerichtshofs das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden ihre eigenen Kosten als Streithelfer.

 

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Große Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

 

1.

In der Rechtssache C‑541/20, Litauen/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

die Republik Litauen trägt die Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (Rechtssache C‑541/20 R);

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

2.

In der Rechtssache C‑542/20, Litauen/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung (EU) 2020/1055 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2020 zur Änderung der Verordnungen (EG) Nr. 1071/2009, (EG) Nr. 1072/2009 und (EU) Nr. 1024/2012 im Hinblick auf ihre Anpassung an die Entwicklungen im Kraftverkehrssektor wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung (EG) Nr. 1071/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Oktober 2009 zur Festlegung gemeinsamer Regeln für die Zulassung zum Beruf des Kraftverkehrsunternehmers und zur Aufhebung der Richtlinie 96/26/EG des Rates eingefügt wird;

im Übrigen wird die Klage abgewiesen;

jede Partei trägt ihre eigenen Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

3.

In der Rechtssache C‑543/20, Bulgarien/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

die Republik Bulgarien trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

4.

In der Rechtssache C‑544/20, Bulgarien/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

die Republik Bulgarien trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

5.

In der Rechtssache C‑545/20, Bulgarien/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

im Übrigen wird die Klage abgewiesen;

jede Partei trägt ihre eigenen Kosten, einschließlich der Kosten des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes (Rechtssache C‑545/20 R);

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

6.

In der Rechtssache C‑546/20, Rumänien/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

Rumänien trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

7.

In der Rechtssache C‑547/20, Rumänien/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

im Übrigen wird die Klage abgewiesen;

jede Partei trägt ihre eigenen Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

8.

In der Rechtssache C‑548/20, Rumänien/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

Rumänien trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

9.

In der Rechtssache C‑549/20, Zypern/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

das Parlament und der Rat tragen die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

10.

In der Rechtssache C‑550/20, Zypern/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

die Republik Zypern trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

11.

In der Rechtssache C‑551/20, Ungarn/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

im Übrigen wird die Klage abgewiesen;

jede Partei trägt ihre eigenen Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Hellenische Republik, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

12.

In der Rechtssache C‑552/20, Malta/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

im Übrigen wird die Klage abgewiesen;

jede Partei trägt ihre eigenen Kosten;

das Königreich Belgien, das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

13.

In der Rechtssache C‑553/20, Polen/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

die Republik Polen trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

14.

In der Rechtssache C‑554/20, Polen/Parlament und Rat:

Art. 1 Nr. 3 der Verordnung 2020/1055 wird für nichtig erklärt, soweit mit ihm ein Abs. 1 Buchst. b in Art. 5 der Verordnung Nr. 1071/2009 eingefügt wird;

im Übrigen wird die Klage abgewiesen;

jede Partei trägt ihre eigenen Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, die Republik Litauen, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

15.

In der Rechtssache C‑555/20, Polen/Parlament und Rat:

die Klage wird abgewiesen;

die Republik Polen trägt die Kosten;

das Königreich Dänemark, die Bundesrepublik Deutschland, die Republik Estland, die Französische Republik, die Italienische Republik, die Republik Lettland, das Großherzogtum Luxemburg, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, Rumänien und das Königreich Schweden tragen ihre eigenen Kosten.

 

Unterschriften


( *1 ) Verfahrenssprachen: Bulgarisch, Griechisch, Englisch, Litauisch, Ungarisch, Polnisch und Rumänisch.

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