EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52014IR5385

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)

OJ C 140, 28.4.2015, p. 7–12 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.4.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 140/7


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP)

(2015/C 140/02)

Berichterstatter

:

Markus Töns (DE/SPE), Mitglied des Landtags des Landes Nordrhein-Westfalen

Referenzdokument

:

 

I.   ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

erinnert daran, dass die Europäische Union (EU) mehr als eine reine Wirtschaftsgemeinschaft ist, sondern eher eine Wertegemeinschaft, in der sie — wie in der Präambel der Charta der Grundrechte der EU festgehalten — die Person in den Mittelpunkt ihres Handelns stellt, und dass die EU zur Entwicklung der gemeinsamen Werte unter Achtung der Vielfalt der Kulturen und Traditionen der Völker Europas sowie der nationalen Identität der Mitgliedstaaten und der Organisation ihrer staatlichen Gewalt auf nationaler, regionaler und lokaler Ebene beiträgt;

2.

betont, dass eine Einigung über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) der Wirtschaft in Europa die dringend benötigten Impulse verleihen und so zu einem erheblichen Wachstum des europäischen BIP und zur Schaffung neuer hochwertiger Arbeitsplätze beitragen könnte;

3.

erinnert daran, dass das TTIP-Abkommen im Endergebnis auf beiden Seiten des Atlantiks zu verbindlichen Regelungen für alle Regierungsebenen bis hin zu den lokalen Gebietskörperschaften führen und somit für etwa 820 Mio. Menschen Gültigkeit besitzen wird. Es wird den Weg ebnen für alle künftigen bilateralen und multilateralen Handels- und Investitionsabkommen einschließlich des Abkommens über den Handel mit Dienstleistungen (Trade in Services Agreement — TiSA). Diese Verhandlungen sind folglich von ausschlaggebender Bedeutung für das Leben aller Bürger in der EU und den USA und sollten daher in einer fairen und transparenten Atmosphäre stattfinden, wobei das Interesse der Bürger stets im Vordergrund stehen sollte;

4.

begrüßt, dass das Recht der Verhandlungsparteien auf „Annahme, Beibehaltung und Durchsetzung von für die Verwirklichung legitimer Gemeinwohlziele wie Schutz der Gesellschaft, der Umwelt und der öffentlichen Gesundheit, Sicherstellung der Integrität und Stabilität des Finanzsystems, Förderung der öffentlichen Sicherheit sowie Förderung und Schutz der kulturellen Vielfalt notwendiger Maßnahmen“ in den Verhandlungsleitlinien anerkannt wird;

5.

verweist darauf, dass die Verhandlungen zum transatlantischen Freihandelsabkommen Bereiche umfassen, die in die gesetzliche Kompetenz aller Regierungs- und Verwaltungsebenen einschließlich der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften fallen und fordert angesichts dieser erheblichen regionalen und lokalen Dimension des Abkommens die Europäische Kommission auf, ihn als Versammlung der Regional- und Kommunalvertreter der EU in die Beratergruppe aufzunehmen, um eine frühzeitige Einbindung und Beteiligung der regionalen, kommunalen und lokalen Ebene in die Verhandlungen zu gewährleisten;

6.

bedauert jedoch, dass die Europäische Kommission den Ausschuss der Regionen bislang nicht wie die Vertreter der Zivilgesellschaft als Mitglied in der Beratergruppe aufgenommen hat;

7.

unterstreicht die Notwendigkeit, derzeit existierende wie auch künftige staatliche regulatorische Handlungsspielräume insbesondere bei der Festlegung von Schutzstandards und in der Daseinsvorsorge zu wahren. Die Gewährleistung der Handlungsspielräume ist vor allem für die öffentlichen Versorgungsunternehmen unabdingbar, da sie Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse erbringen. Er betont in diesem Zusammenhang auch den in den Verträgen niedergelegten Grundsatz der Achtung der regionalen und lokalen Selbstverwaltung;

8.

widersetzt sich dem Vorschlag einer weitergehenden regulatorischen Zusammenarbeit, die dem Handels- und Investitionspartner in der prälegislativen oder der legislativen Phase der Gesetzgebungsverfahren der EU, der Mitgliedstaaten und der kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften ein privilegiertes Mitspracherecht bzw. die Möglichkeit zugestehen würde, durch die Forderung nach Auswirkungsanalysen von Gesetzgebung auf den Freihandel Gesetzgebungsverfahren aufzuschieben;

9.

hebt hervor, dass dieses Abkommen Unternehmen aller Größen zugutekommen soll, insbesondere den KMU, die nicht über die notwendigen finanziellen, rechtlichen oder sonstigen Mittel verfügen, um mit unterschiedlichen Regelungen und sonstigen Handelshemmnissen zurechtzukommen;

10.

nimmt an, dass die TTIP eine Chance sein kann, um einen Impuls für Wachstum und Beschäftigung in der EU zu setzen, indem der gegenseitige Marktzugang für den Handel mit Gütern, Dienstleistungen, Investitionen sowie die öffentliche Auftragsvergabe eröffnet und Regulierungsvorschriften und nichttarifäre Handelshemmnisse (NTB) abgebaut werden können;

11.

weist darauf hin, dass angesichts einer durchschnittlichen Zollbelastung von 2 % die insbesondere von der Europäischen Kommission erhofften Wachstumsimpulse vor allem in der Konvergenz der Regulierungsvorschriften und dem Abbau von NTB liegen würden;

12.

weist jedoch darauf hin, dass bei einem Abkommen von einer solch globalen Tragweite neben den Chancen auch Risiken bestehen und betont vor diesem Hintergrund nachdrücklich, dass die demokratische Beteiligung sowie die Kompetenzen der lokalen, kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften sichergestellt werden müssen;

13.

begrüßt den Beschluss des Rates der EU, das Verhandlungsmandat zur TTIP zu veröffentlichen. Der AdR bedauert, dass dies erst geschah, nachdem es mehrere Monate zuvor bereits im Internet enthüllt worden war, ebenso wie die Tatsache, dass die Beschränkungen des Verhandlungsmandats recht umfangreich bleiben. Diese Beschränkungen sollten gelockert werden, um sicherzustellen, dass die Öffentlichkeit besser über den Stand der Verhandlungen informiert wird;

14.

weist ebenfalls darauf hin, dass angesichts der Tragweite des Abkommens zwischen der EU und den USA die demokratische Kontrolle der Verhandlungen jederzeit garantiert sein muss und fordert deshalb die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten dazu auf, eine größtmöglich transparente Verhandlungsführung zu gewährleisten. Konkret bedeutet das, dass alle wesentlichen Dokumente veröffentlicht und die Leitlinien der Verhandlungen für die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften für alle gesellschaftlich relevanten Gruppen sowie alle Bürgerinnen und Bürger der Europäischen Union wo immer möglich ohne Zugangshürden rechtzeitig und nachvollziehbar präsentiert werden. Begrüßt in diesem Zusammenhang, dass die Mitgliedstaaten, die in der Frage der Veröffentlichung von Verhandlungsdokumenten in Handelsabkommen einer einstimmigen Beschlussfassung folgen, die Europäische Kommission Anfang Januar 2015 mit der Veröffentlichung von ersten Angebotstexten der EU zu mehreren Verhandlungsbereichen beauftragt haben;

15.

unterstreicht, dass es sich beim TTIP um ein gemischtes Abkommen handelt, das unter dem Zustimmungsvorbehalt des Europäischen Parlaments steht und zudem von allen 28 Mitgliedstaaten der Europäischen Union ratifiziert werden muss, was nach dem Recht des jeweiligen Mitgliedstaates nicht nur die Zustimmung des nationalen Parlaments, sondern ggf. daneben auch die Zustimmung der die regionalen Ebenen repräsentierenden Regierungen, Parlamente oder Kammern erfordern kann;

16.

regt an, die Aufnahme einer Revisionsklausel in das Abkommen zwischen der EU und den USA zu prüfen, um ggf. die getroffenen Vereinbarungen auf ihre Wirkung hin überprüfen und ändern zu können;

17.

ersucht die Kommission, sich für die Verankerung des Positivlistenansatzes im TTIP-Abkommen einzusetzen und lehnt einen Negativlistenansatz und sogenannte Ratchet-Klauseln ab;

18.

erachtet das hohe Niveau der europäischen Schutzstandards, die für Bürgerinnen und Bürger in der Europäischen Union existieren, als eine im allerhöchsten Maße schützenswerte Errungenschaft und fordert, dass die in den EU-Mitgliedstaaten bestehenden gesetzlichen Standards beispielsweise für den Schutz des Lebens, Produktsicherheit, Produktsicherheit, Gesundheits-, Sozial-, Umwelt-, Klima-, Lebensmittel- und Tierschutz sowie die Verbraucher- und Datenschutzrechte, geistiges Eigentum, sowie der Arbeitnehmerrechte und für gesicherte Rahmenbedingungen für die öffentlichen Dienste keinesfalls abgesenkt werden dürfen, sondern dass vielmehr eine Verbesserung dieser Standards anzustreben ist; er unterstützt die Ansicht, dass das Recht zur Regulierung dieser wesentlichen Bereiche allein bei den zuständigen Institutionen auf europäischer und nationaler Ebene verbleibt;

19.

fordert, dass sich die Verhandlungspartner für eine Verbesserung dieser Standards einsetzen und sich ggf. für eine Übernahme bzw. Anerkennung des jeweils höherwertigen Schutzstandards des Partnerlandes einsetzen und fordert zudem, dass diese Schutzstandards in Zukunft ohne Einschränkungen optimiert werden können. Es sollte ein Verfahren geschaffen werden, um sie entsprechend den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen anpassen zu können;

20.

unterstreicht, dass das Vorsorgeprinzip eines der grundlegenden Prinzipien der europäischen Umwelt-, Gesundheits- und Verbraucherschutzpolitik ist, nach der frühzeitig und vorausschauend gehandelt wird, um Gefahren für die Gesundheit von Menschen, Tiere und Pflanzen oder Belastungen der Umwelt zu vermeiden. Vor diesem Hintergrund verweist er darauf, dass ein transatlantisches Freihandelsabkommen nicht dazu führen darf, dass das in der EU geltende Vorsorgeprinzip insbesondere in den Bereichen des Umwelt-, Gesundheits-, Lebensmittel- und Verbraucherschutzes abgeschwächt wird;

21.

bekräftigt zudem, dass alle wichtigen Detailfragen des Abkommens ausverhandelt werden sollten, und es keine nachträgliche Übertragung von Regulierungsfragen — unter Umgehung des demokratischen Gesetzgebungsprozesses — auf speziell eingerichtete Expertengremien geben kann;

22.

bedauert, dass die globale geheimdienstliche Überwachung, Entschlüsselung und Auswertung elektronischer Kommunikation unter anderem durch die amerikanische „National Security Agency“ (NSA) sowie befreundeter Geheimdienste aus EU-Staaten sich nachhaltig negativ auf das Vertrauen der europäischen Bürgerinnen und Bürger in verbindliche internationale Datenschutzstandards ausgewirkt hat und fordert vor diesem Hintergrund, dass die Vertragsparteien das Recht auf den Schutz der Privatsphäre sowie die Sicherung der Freiheit und des Rechtes von Bürgerinnen und Bürgern — auch im Internet — garantieren;

23.

beharrt darauf, dass die Verhandlungen über die TTIP an den Abschluss einer umfassenden Vereinbarung über den Datenschutz zwischen der EU und den USA geknüpft sein sollten;

24.

weist darauf hin, dass der EU-Besitzstand („Acquis communautaire“) Bestimmungen im Bereich der Standards der „Internationalen Arbeitsorganisation“ (ILO) sowie des Arbeitsschutzes und der Produktsicherheit verbindlich regelt und betont vor diesem Hintergrund, dass die Einhaltung der ILO-Kernarbeitsnormen und der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen — auch für die weiteren TTIP-Verhandlungen — ausdrücklich vorgesehen ist;

25.

spricht sich dagegen aus, dass existierende sowie künftige Schutzrechte von Arbeitnehmern wie beispielsweise das Recht auf Mitbestimmung der Betriebsverfassung und weitere andere Schutzrechte der Arbeitnehmer durch TTIP zu nicht-tarifären Handelshemmnissen erklärt werden; auch die Regulierung des Arbeitsmarktes, die sozialen Sicherungssysteme, die Tarifautonomie, die Koalitionsfreiheit, das Streikrecht, Mindestlöhne und Tarifverträge eines EU-Mitgliedstaates müssen im Zuständigkeitsbereich der einzelnen Mitgliedstaaten verbleiben;

26.

begrüßt, dass dem EU-Verhandlungsmandat zufolge „die hohe Qualität der öffentlichen Versorgung in der EU im Einklang mit dem AEUV, insbesondere dem Protokoll Nr. 26 über Dienste von allgemeinem Interesse, und unter Berücksichtigung der Verpflichtungen der EU in diesem Bereich, einschließlich des GATS-Abkommens, gewahrt“ wird, verweist jedoch in diesem Zusammenhang auf die Gemeinsamen Bestimmungen des Vertrages über die Europäische Union (EUV), gemäß denen die Union die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität achtet, die in ihren grundlegenden politischen und verfassungsmäßigen Strukturen einschließlich der regionalen und lokalen Selbstverwaltung zum Ausdruck kommt (Artikel 4 Absatz 2 EUV);

27.

unterstreicht grundsätzlich, dass die Organisationshoheit der kommunalen und lokalen Gebietskörperschaften als eines der Kerngebiete des kommunalen Selbstverwaltungsrechtes sichergestellt sein, und dass die Rekommunalisierung öffentlicher Dienstleistungen, d. h. die Erbringung öffentlicher Dienstleistungen mit eigenen öffentlichen Einrichtungen zu jeder Zeit auch nach erfolgter Privatisierung dieser Dienstleistungen nach den Gegebenheiten vor Ort und auf Basis des lokalen Wählerwillens uneingeschränkt möglich bleiben muss;

28.

erinnert nachdrücklich daran, dass das Verhandlungsmandat der Kommission nicht über den verfassungsrechtlich festgelegten Spielraum hinausgeht, was bedeutet, dass der Schutz durch die Mitgliedstaaten dessen, was als Gemeinwohl zu betrachten ist, zu achten ist;

29.

bekräftigt, dass in dem EU-Verhandlungsmandat gemäß Ziffer 20 Dienstleistungen, die in Ausübung hoheitlicher Gewalt erfolgen, von dem Verhandlungsmandat ausgeschlossen sind und fordert auf klarzustellen, dass damit Dienstleistungen von den Verhandlungen ausgeschlossen sind, die in der Rechtsprechung der jeweiligen Vertragspartei bzw. des jeweiligen Mitglieds als Ausübung hoheitlicher Gewalt gelten;

30.

erbittet Auskunft darüber, ob die öffentlichen Dienstleistungen gemäß Ziffer 19 des EU-Verhandlungsmandats solche sind, die gemäß der Rechtsprechung der jeweiligen Vertragspartei bzw. des jeweiligen Mitglieds spezifischen regulatorischen Regimes unterliegen oder die sich durch spezifische Verpflichtungen auszeichnen, die den Leistungserbringern auf nationaler, regionaler oder lokaler Ebene im Sinne des allgemeinen Interesses auferlegt werden; dazu gehören beispielsweise die Versorgung mit Wasser und Energie, die Abfall- und Abwasserbeseitigung, das Rettungswesen, das öffentliche Gesundheits- und Sozialwesen, der öffentliche Personennahverkehr sowie der Wohnungsbau, Maßnahmen des Städtebaus und der Stadtentwicklung;

31.

fordert die Kommission auf, für öffentliche Dienstleistungen gemäß Ziffer 19 des EU-Verhandlungsmandats eine horizontale Ausnahme von allen Verpflichtungen des Grundsatzes des Marktzugangs und der Inländerbehandlung durchzusetzen und fordert zudem im Hinblick auf öffentliche Dienstleistungen, einen Vorbehalt für alle Sektoren und alle bestehenden und zukünftigen Maßnahmen für die Vertragsparteien durchzusetzen, die Anzahl der Dienste und Dienstleistungserbringer zu beschränken, den Dienstleistungsanbietern spezifische Verpflichtungen aufzuerlegen und die Erbringung dieser Dienstleistungen im Sinne des allgemeines Interesses zu regulieren;

32.

weist darauf hin, dass er eine weitergehende Öffnung insbesondere für die gemischt-finanzierten Bildungsdienstleistungen unter anderem im Bereich der vorschulischen Erziehung, der Schule und Hochschule sowie Erwachsenen- und Weiterbildung nicht für erforderlich hält, da das multilaterale GATS-Abkommen für den Bereich der Dienstleistungen bereits vielfältige Verpflichtungen zur Liberalisierung enthält;

33.

begrüßt den Bericht der Europäischen Kommission zu dem von ihr eingeleiteten öffentlichen Konsultationsverfahren zu dem Mechanismus zur Streitbeilegung zwischen Investor und Staat (ISDS); ist der Ansicht, dass dies ein weiterer wichtiger Beitrag zu den Bemühungen sowohl der USA als auch der Kommission ist, die TTIP-Verhandlungen transparenter zu gestalten und eine Vielzahl von Interessenvertretern anzuhören; empfiehlt der Kommission deshalb nachdrücklich, vor dem Hintergrund von 1 50  000 Eingaben, die unter anderem eine weitverbreitete Ablehnung gegenüber dem ISDS-Instrument aufzeigen, die Ergebnisse des Konsultationsverfahrens in seiner Schlussbewertung der Bestimmung des Abkommens unbedingt zu berücksichtigen; begrüßt zudem, dass die neue Kommission es nicht akzeptieren werde, dass die Rechtsprechung der Gerichte in den EU-Mitgliedstaaten durch Sonderregelungen für Investorenklagen eingeschränkt würde, und dass Rechtsstaatlichkeit und Gleichheit vor dem Gesetz auch in diesem Kontext gelten müssten;

34.

unterstützt die Kommission nachdrücklich darin, weitere Vorschläge zur Verbesserung der Transparenz und Fairness bei der Beilegung von Streitigkeiten zwischen Investor und Staat vorzulegen;

35.

unterstreicht nachdrücklich, dass an der ordentlichen Gerichtsbarkeit vorbeigehende Investitionsschutzvorschriften und Streitbeilegungsmechanismen im Verhältnis Investor und Staat zwischen der EU und den USA (ISDS) mit hohen Risiken verbunden sind und dass sie, wenn sie in das Abkommen aufgenommen werden, sorgfältig geplant werden sollten, damit das staatliche Regulierungsrecht weder direkte noch indirekte Beeinträchtigungen erfährt. Der Bestand der europäischen Gesetzgebungen darf nicht von einem transatlantischen Freihandelsabkommen angetastet werden. Er erwartet, dass die Handlungsspielräume der Europäischen Union sowie der Parlamente und Regierungen ihrer Mitgliedstaaten gesichert und auf diesem Wege auch die demokratischen Einflussmöglichkeiten ihrer Bürgerinnen und Bürger darauf gewahrt werden und Investitionsstreitigkeiten vor nationalen Gerichten verhandelt werden;

36.

betont, dass demokratisch legitimierte und rechtsstaatlich zustande gekommene politische und administrative Maßnahmen insbesondere in Bezug auf nachträgliche Schadensersatzforderungen nicht durch Schiedsgerichte in Frage gestellt werden dürfen, und dass die im TTIP enthaltenen Investitionsschutzklauseln (ISK) keinesfalls dazu führen dürfen, dass das staatliche Regulierungsrecht direkte oder indirekte Beeinträchtigungen erfährt;

37.

weist darauf hin, dass gesetzliche Regelungen zur öffentlichen Trägerschaft von Sparkassen und Landesbanken durch TTIP oder andere Handelsabkommen der EU nicht in Frage gestellt werden dürfen. Entsprechende gesetzliche Regelungen stellen weder ein Marktzugangshindernis noch eine anderweitige Diskriminierung dar;

38.

weist darauf hin, dass zurzeit 85 % der öffentlichen Ausschreibungen in der Europäischen Union für US-amerikanische Bieter bereits zugänglich sind, umgekehrt jedoch nur 32 % der US-amerikanischen Ausschreibungen für EU-Bieter, wobei dieses Ungleichgewicht zusätzlich durch ein „Opt-In“-System der US-Bundesstaaten erschwert wird. Daher sollte mit diesem Abkommen die Chancengleichheit zwischen den beiden Partnern gefördert werden, was insbesondere den europäischen KMU und ihrem Zugang zum öffentlichen Auftragswesen in den USA zugutekommen wird;

39.

betont, dass die Standard setzenden Aspekte des europäischen Vergaberechts nicht in Frage gestellt werden dürfen, wie sie sich insbesondere in der regionalen und lokalen Umsetzung zeigen, beispielsweise bei der Beachtung der Einhaltung von arbeitsrechtlichen, sozialen und tarifvertraglichen Standards, der umweltfreundlichen Vergabe oder der Berücksichtigung von kleineren und mittleren Unternehmen (KMU), die sicherstellen, dass für den Zuschlag an den Bestbieter neben dem Preis auch andere Kriterien wie soziale und nachhaltige Aspekte entsprechend berücksichtigt werden können;

40.

erinnert die Kommission daran, in den Verhandlungen über die Transatlantische Handels- und Investitionspartnerschaft (TTIP) die Rechtsvorschriften im Bereich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz genau zu überwachen;

41.

weist darauf hin, dass Ausnahmetatbestände vom EU-Vergaberecht, wie sie derzeit in den verschiedenen Vergabe- und Konzessionsrichtlinien vorgesehen sind (Schwellenwerte, In-House, interkommunale Zusammenarbeit, sektorale Ausnahmen wie z. B. für den Wassersektor oder das Rettungswesen), zu gewährleisten sind;

42.

begrüßt, dass erstmals ein eigenes Kapitel über KMU in ein Freihandelsabkommen der EU übernommen wird, und die TTIP zum Ziel hat, insbesondere KMU den Zugang zum jeweiligen Markt sowie den Handel und die Investitionstätigkeit auf beiden Seiten des Atlantiks zu erleichtern, vor allem durch den Abbau nicht-tarifärer Hemmnisse, die für KMU eine besondere Belastung sind sowie durch mehr Rechtssicherheit, insbesondere für KMU im Dienstleistungssektor, und durch die Verstärkung und den Schutz der Rechte des geistigen und gewerblichen Eigentums, wovon diese Unternehmen ebenfalls profitieren werden;

43.

befürchtet, dass unterschiedliche Normen u. a. in den Bereichen Umweltschutz, Sozialschutz für die Arbeitnehmer, staatliche Beihilfen, Patentverfahren und Energie eine Abwanderung der Produktion und weiterer Tätigkeiten von Unternehmen aus der EU in die USA bewirken werden, da die Kosten beispielweise für Energie, für die Finanzierung erneuerbarer Energien, für CO2-Emissionen und für Sozialstandards für Arbeitnehmer, aber auch für Forschung und Entwicklung dank schnellerer Patentverfahren in den USA niedriger sind;

44.

betont, dass Zölle, übermäßige administrative Anforderungen sowie aufwendige Prüfungs- und Nachweisverfahren gerade für KMU mit unverhältnismäßig hohem Aufwand und Kosten verbunden sind, was oftmals zur Folge hat, dass ein Handel mit US-amerikanischen Partnern gescheut wird. In der Europäischen Union gibt es über 20 Millionen KMU, welche Arbeitsplätze für zwei Drittel der im Privatsektor Beschäftigten bieten. Der vorgesehene Abbau tarifärer und nicht-tarifärer Marktzugangs- und Handelshemmnisse würde KMU verbesserte Exportchancen und damit mehr Beschäftigungsmöglichkeiten eröffnen;

45.

bekräftigt, dass in Europa die Mehrheit der Mitgliedstaaten sich gegen den Anbau, Import und die Verarbeitung von Gentechnisch Veränderten Organismen (GVO) ausspricht;

46.

fordert eine Sicherstellung, dass für den Agrarsektor besondere Regelungen vorgesehen werden, gemäß denen der Import von bestimmten Produkten in die EU nicht zugelassen ist; dies betrifft vor allem Produkte, die nicht der EU-Kennzeichnungsrichtlinie entsprechen, Produkte, die aus GVO bestehen oder daraus hergestellt werden, Tiere, die mit Wachstumshormonen behandelt wurden, und das Inverkehrbringen von Lebensmitteln von geklonten Tieren. Gleiches gilt für Lebensmittel, die mit Substanzen behandelt wurden, die in der EU verboten sind oder deren Bestandteile nicht ausreichend gekennzeichnet sind;

47.

betont, dass die Agrobiodiversität die Grundlage für die Produktion von Nahrungsmitteln darstellt und weist darauf hin, dass das geplante TTIP-Abkommen weder zu einer Einschränkung von altem Saatgut, einer Verarmung unserer traditionellen Kulturpflanzen noch einer Behinderung der qualitativ hochwertigen und ökologisch ausgerichteten Landwirtschaft führen darf;

48.

fordert, ein gesondertes Kapitel zu geografischen Angaben (g.A.), mit der Zielsetzung, Regelungen zum Schutz von g.A. in beiden Rechtssystemen und ein System zur wechselseitigen Anerkennung europäischer und US-amerikanischer Bezeichnungen u. a. mittels spezifischer Angaben zur generischen Verwendung des Produktnamens und/oder seinem Herstellungsort einzurichten und europäische Standards beizubehalten;

49.

weist ausdrücklich darauf hin, dass Mitgliedstaaten, Regionen und Kommunen weiterhin jede regulative und finanzielle Maßnahme zum Schutz oder zur Förderung der kulturellen Vielfalt, der Freiheit und des Pluralismus der Medien sowie zum Erhalt oder zur Entwicklung der audiovisuellen und weiteren entsprechenden Dienstleistungen möglich sein muss, um den demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnissen jeder Gesellschaft zu dienen, unabhängig von der benutzten Technologie oder der Vertriebsplattform. Die Kultur- und Medienhoheit der Mitgliedstaaten ist durch eine klare Kultur- und Medienausnahme im Verhandlungsmandat zu wahren;

50.

äußert die Hoffnung, dass sich die Verhandlungspartner eingedenk der weltweiten Auswirkungen, die das Freihandelsabkommen haben wird, für faire und nachhaltige Handelsregeln aussprechen, die die beiderseitigen entwicklungspolitischen Bemühungen in der EU und den USA für eine Verbesserung der Situation in den Entwicklungsländern nicht konterkarieren, sondern die im Geiste einer globalen Verantwortung und Solidarität gegenüber Entwicklungsländern geführt werden;

51.

unterstreicht die Notwendigkeit, umfängliches und vergleichbares Datenmaterial, das die Auswirkung von TTIP auf die regionale, kommunale und lokale Ebene (unter besonderer Berücksichtigung der Regionen in äußerster Randlage) vorhersagt bzw. aufzeigt, zu sammeln, zu analysieren, zu bewerten und zu verwalten, um künftig statistische Hochrechnungen sowie Wirtschaftsprognosen besser treffen zu können, und dass eine entsprechende wissenschaftlich fundierte Studie veröffentlicht wird.

Brüssel, den 12. Februar 2015

Der Präsident des Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA


Top