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Document 52017DC0671

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS Bericht über die Umsetzung der Empfehlung der Kommission zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer durch Transparenz

COM/2017/0671 final

Brüssel, den 20.11.2017

COM(2017) 671 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT UND DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Bericht über die Umsetzung der Empfehlung der Kommission zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer durch Transparenz


Bericht über die Umsetzung der Empfehlung der Kommission zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer durch Transparenz

1.Einleitung

Der Grundsatz des gleichen Entgelts ist seit 1957 in den EU-Verträgen verankert und wurde in die Richtlinie 2006/54/EG zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung) („die Richtlinie“) 1 aufgenommen. Im Einklang mit Artikel 157 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) schreibt die Richtlinie vor, dass bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, mittelbare und unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltbestandteile und -bedingungen beseitigt werden muss. Dieser Grundsatz, der auch für Systeme zur beruflichen Einstufung gilt, die zur Festlegung des Entgelts verwendet werden, wurde in die nationalen Rechtsordnungen aller Mitgliedstaaten aufgenommen.

Der Grundsatz des gleichen Entgelts ist zwar bereits seit fast 60 Jahren fester Bestandteil der Verträge und wurde seitdem in den Rechtsvorschriften der EU und der Mitgliedstaaten weiterentwickelt, dennoch gelangte die Kommission in ihrem im Jahr 2013 vorgelegten Bericht über die Anwendung der Richtlinie in den Mitgliedstaaten 2 zu dem Schluss, dass die praktische Anwendung der Vorschriften zur Entgeltgleichheit in den Mitgliedstaaten einer der problematischsten Bereiche der Richtlinie ist. Wie dem Bericht zu entnehmen ist, sind die Haupthindernisse für die wirksame Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts der Mangel an Transparenz im Bereich der Lohnsysteme, der Mangel an Rechtssicherheit in Bezug auf das Konzept der gleichwertigen Arbeit, weil es entweder keine Definition des Begriffs oder keine klaren Bewertungskriterien für den Vergleich verschiedener Tätigkeiten gibt, sowie Verfahrenshindernisse.

Dass der Grundsatz des gleichen Entgelts nur unzureichend umgesetzt wird, ist mit ein Grund für das anhaltend große Lohngefälle zwischen Männern und Frauen, das derzeit für die gesamte EU bei 16,3 % liegt. 3 Geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung, d. h. dass Frauen für gleiche oder gleichwertige Arbeit schlechter bezahlt werden als Männer, ist neben weiteren Faktoren wie der Segregation nach Berufen und der vertikalen Segregation eine der wesentlichen Ursachen, die zum Lohngefälle zwischen Männern und Frauen beitragen. 4  

Im März 2014 verabschiedete die Europäische Kommission eine Empfehlung zur Stärkung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Frauen und Männer durch Transparenz („die Empfehlung“) 5 . Sie gibt den Mitgliedstaaten Orientierungshilfen, die sie dabei unterstützen sollen, den Grundsatz des gleichen Entgelts wirksamer anzuwenden, um Diskriminierung beim Entgelt und das anhaltende geschlechterspezifische Lohngefälle zu bekämpfen; der Schwerpunkt liegt dabei vor allem, jedoch nicht ausschließlich, auf Maßnahmen zur Verbesserung der Lohntransparenz.

Die Mitgliedstaaten wurden ersucht, der Kommission bis 31. Dezember 2015 die Maßnahmen mitzuteilen, die zur Umsetzung der Empfehlung ergriffen wurden. 6 Der vorliegende Bericht stützt sich im Wesentlichen auf die Angaben der Mitgliedstaaten. 7 Außerdem berücksichtigt der Bericht die Angaben wichtiger Interessenträger, insbesondere der europäischen Sozialpartner 8 , die im Oktober 2015 zur Umsetzung der Empfehlung auf Ebene der Mitgliedstaaten konsultiert wurden.

Darüber hinaus stützt sich der Bericht auf Angaben über die Umsetzung der Empfehlung, die von den gemäß der Richtlinie eingerichteten Gleichstellungsstellen übermittelt wurden, 9 sowie auf Angaben des Kommissionsnetzwerks unabhängiger Rechtsexperten auf dem Gebiet der Gleichstellung von Frauen und Männern.

Ein Seminar für gegenseitiges Lernen zum Thema „geschlechtsspezifisches Lohngefälle“ 10 am 20. und 21. Oktober 2016 vermittelte weitere Erkenntnisse über die Umsetzung der Empfehlung in der Praxis und die Wirkung der auf nationaler Ebene ergriffenen Maßnahmen zur Beseitigung der Entgeltdiskriminierung und des geschlechtsspezifischen Lohngefälles, einschließlich Maßnahmen zur Verbesserung der Transparenz beim Entgelt.

Wie in ihrem Arbeitsdokument zum Strategischen Engagement für die Gleichstellung von Frauen und Männern 2016‑2019 11 dargelegt, zählt für die Kommission die Verringerung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen zu den vordringlichen Prioritäten. Als eine der wichtigsten Maßnahmen zur Verwirklichung dieses Ziels wird dort genannt, die Anwendung und Durchsetzung des Grundsatzes des gleichen Entgelts dadurch zu verbessern, dass eine Bewertung der Richtlinie vorgenommen wird und dass unter anderem auf der Grundlage eines Berichts über die Maßnahmen der Mitgliedstaaten zur Umsetzung der Empfehlung geprüft wird, wie die Transparenz beim Entgelt verbessert werden kann.

Die Kommission stellt fest, dass Lohntransparenz nicht die einzige Maßnahme ist, die dazu beitragen könnte, das Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu verringern. Um alle Aspekte des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu bekämpfen, ist dieser Bericht in einen weiter gefassten Aktionsplan eingebunden, mit dem die Kommission ihrer Entschlossenheit, das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu bekämpfen, Ausdruck verleiht. Der Aktionsplan beinhaltet vielfältige, aufeinander abgestimmte und sich gegenseitig verstärkende Maßnahmen auf gesetzgeberischer Ebene und auch in anderen Bereichen, mit denen das geschlechtsspezifische Lohngefälle bekämpft werden soll.

Zusätzlich verfolgt die Kommission mit dem Europäischen Semester die wirtschaftliche Lage in den Mitgliedstaaten und unterstützt die Mitgliedstaaten bei ihren Bemühungen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles; hierzu gibt sie einzelnen Mitgliedstaaten schließlich Empfehlungen zur Beseitigung dieses konkreten Problems oder bestimmter zugrunde liegender Ursachen, wie mangelnde Investitionen in die Kinderbetreuung oder steuerliche Negativanreize, die Zweitverdiener – meist Frauen – davon abhalten, eine Arbeit aufzunehmen oder mehr zu arbeiten. Im Jahr 2017 wurden das geschlechtsspezifische Lohngefälle und die Probleme, die dazu beitragen, in den Länderberichten von neun Mitgliedstaaten thematisiert. 12 Im Mai 2017 veröffentlichte die Kommission länderspezifische Empfehlungen, bei denen sie Investitionen in Kinderbetreuungseinrichtungen und steuerliche Negativanreize sowie weitere Maßnahmen zur Bekämpfung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles in den Mittelpunkt stellte. 13

Im vorliegenden Bericht werden die Umsetzung der in der Empfehlung vorgeschlagenen Maßnahmen durch die Mitgliedstaaten und die Wirksamkeit der Anwendung der Empfehlung in der Praxis bewertet.

2.Umsetzung von Maßnahmen zur Erhöhung der Lohntransparenz in den Mitgliedstaaten

Lohntransparenz ist für die wirksame Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts in der Praxis von entscheidender Bedeutung. Durch ein höheres Maß an Transparenz werden etwaige geschlechtsabhängige Ungleichbehandlungen und Diskriminierungen in den Vergütungsstrukturen von Unternehmen oder Organisationen offengelegt, so dass Arbeitnehmer, Arbeitgeber und Sozialpartner geeignete Maßnahmen ergreifen können. Wenn bekannt ist, dass in einem Unternehmen für gleiche oder gleichwertige Arbeit Entgelte in unterschiedlicher Höhe gezahlt werden, können Einzelpersonen dadurch leichter bei nationalen Gerichten gegen Entgeltdiskriminierung vorgehen.

In der Empfehlung wird ein Instrumentarium spezifischer Maßnahmen vorgestellt, die den Mitgliedstaaten und anderen Interessenträgern dabei helfen sollen, einen maßgeschneiderten Ansatz zur Erhöhung der Lohntransparenz zu entwickeln. Hierzu werden vier Kernmaßnahmen zur Transparenz beim Entgelt vorgeschlagen: ein Anspruch auf Auskunft über Lohn- und Gehaltsniveaus, die Berichterstattung über das Entgelt auf Unternehmensebene, Entgelt-Audits und Berücksichtigung der Entgeltgleichheit in Tarifverhandlungen. 14 Die Mitgliedstaaten werden ermutigt, auf ihre besonderen Gegebenheiten abgestimmte Maßnahmen sowie mindestens eine der Kernmaßnahmen durchzuführen.

Trotz der Annahme der Empfehlung existieren derzeit lediglich in elf Mitgliedstaaten Rechtsvorschriften zur Lohntransparenz 15 . Nur sechs dieser Mitgliedstaaten haben entweder neue Maßnahmen zur Erhöhung der Lohntransparenz verabschiedet oder nach der Annahme der Empfehlung bestehende Maßnahmen verbessert 16 . Die meisten von ihnen haben eine der vier in der Empfehlung aufgeführten Kernmaßnahmen zur Erhöhung der Lohntransparenz in ihre Rechtsvorschriften aufgenommen. Fünf von ihnen 17 nahmen mehr als eine der Kernmaßnahmen auf, nur ein Mitgliedstaat 18 hat alle vier Maßnahmen in seinem nationalen Rechtsrahmen verankert. In drei Mitgliedstaaten 19 sind neue Maßnahmen zur Erhöhung der Lohntransparenz in Vorbereitung, die sich zum Teil noch im Anfangsstadium der Verhandlungen befinden, während andere kurz vor der Verabschiedung in den nationalen Parlamenten stehen.

2.1.Recht der Arbeitnehmer auf Auskunft über Lohn- und Gehaltsniveaus

Die Lohnpolitik eines Unternehmens oder einer Organisation gewinnt an Transparenz 20 , wenn es den Arbeitnehmern ermöglicht wird, nach Geschlecht aufgeschlüsselte Informationen zur Höhe der Löhne bzw. Gehälter, einschließlich ergänzender oder variabler Bestandteile wie Sachleistungen und Bonuszahlungen, für Gruppen von Arbeitnehmern anzufordern, die eine gleiche oder gleichwertige Arbeit verrichten 21 . Solche Informationen sind für Arbeitgeber, Gewerkschaften und Arbeitnehmer wertvoll, denn anhand dieser Informationen können sie nicht zu erklärende Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen ermitteln und im Dialog nach Lösungen suchen. Zudem wird es durch die Informationen für Arbeitnehmer einfacher, ihr Lohn- und Gehaltsniveau innerhalb der eigenen Gruppe und im Vergleich mit ähnlichen Gruppen einzuordnen. Außerdem erhöhen sich bei Diskriminierungsfällen die Erfolgschancen von Klagen vor nationalen Gerichten, womit eine abschreckende Wirkung erzielt würde.  

Anspruch des einzelnen Arbeitnehmers auf Auskunft über Löhne und Gehälter

In drei Mitgliedstaaten ist der Arbeitgeber bei mutmaßlicher Entgeltdiskriminierung verpflichtet, Arbeitnehmern über Löhne und Gehälter Auskunft zu geben. In Finnland und Irland besteht für Arbeitnehmer ein solches Recht auf Auskunft, doch muss der Arbeitgeber hierfür die Einwilligung derjenigen Personen einholen, deren Entgeltdaten offengelegt werden. In Irland ist ein standardisierter Fragebogen zu verwenden, in dem der Beschwerdeführer darlegt, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz des gleichen Entgelts vorliegt.

In Deutschland gilt seit Kurzem ein individueller Auskunftsanspruch für Beschäftigte von Betrieben mit mehr als 200 Mitarbeitern. 22

In Estland und Portugal besteht zwar ein landesweit geltender Auskunftsanspruch für Arbeitnehmer, nach dem Arbeitgeber verpflichtet sind, Arbeitnehmer über die wesentlichen Bedingungen ihres Arbeitsvertrags zu unterrichten, einschließlich der Höhe der Vergütung, doch ist der Auskunftsanspruch auf die Vergütung der um Auskunft ersuchenden Person beschränkt.

Anspruch bestimmter Stellen auf Auskunft über Löhne und Gehälter

In einigen Mitgliedstaaten haben Arbeitnehmervertreter und Gewerkschaften das Recht auf Zugang zu Informationen über Löhne und Gehälter sowie Beschäftigungsbedingungen einer Gruppe von Arbeitnehmern oder einzelner Arbeitnehmer, sofern diese ihre Einwilligung erteilt haben. 23

In mehreren Mitgliedstaaten 24 haben die Gleichstellungsstellen bei mutmaßlicher Entgeltdiskriminierung Anspruch auf Auskunft über Löhne und Gehälter.

Weitere Maßnahmen

In einigen Mitgliedstaaten muss in Stellenanzeigen der gesetzliche Mindestlohn angegeben werden. 25  

Im Vereinigten Königreich ist es Arbeitgebern verboten, Arbeitnehmer durch Vertragsbestimmungen oder ‑strafen daran zu hindern, ihr Entgelt gegenüber Dritten offenzulegen oder eine solche Offenlegung anzustreben, wenn diese Offenlegung dazu dient, eine geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung festzustellen.

2.2.Berichterstattung über das Entgelt auf Unternehmensebene

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, Maßnahmen zur ergreifen, die gewährleisten, dass Arbeitgeber in Unternehmen und Organisationen mit mindestens 50 Beschäftigten die Arbeitnehmer, deren Vertreter und die Sozialpartner regelmäßig über die nach Geschlecht und Arbeitnehmergruppen oder Positionen aufgeschlüsselte Durchschnittsvergütung informieren. 26 Eine solche Berichterstattung trägt zu mehr Lohntransparenz bei und stellt eine zuverlässige Grundlage für die Erörterung von Maßnahmen zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts dar.

In einigen Mitgliedstaaten sind die Arbeitgeber verpflichtet, regelmäßig einen schriftlichen Bericht über die Gleichstellungssituation in ihrem Unternehmen oder ihrer Organisation vorzulegen, der detaillierte Angaben über Löhne und Gehälter umfasst. 27 Beispielsweise müssen in Dänemark Arbeitgeber mit mindestens 35 Beschäftigten jährlich nach Geschlecht aufgeschlüsselte Entgeltstatistiken für Gruppen erstellen, die mindestens zehn Männer und zehn Frauen in gleicher Position umfassen. Die Arbeitnehmer erhalten diese Informationen durch ihre Vertreter.

In Frankreich müssen Unternehmen den Personalvertretungen in jährlichen Berichten Daten zur Entgeltgleichheit vorlegen; wichtigste Instrumente hierfür sind der „Bericht über die Gleichstellung der Geschlechter“, der für Unternehmen mit mindestens 300 Beschäftigten verbindlich vorgeschrieben ist, und der „Bericht über die wirtschaftliche Situation des Unternehmens“, der von Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten erstellt werden muss. Die Berichte müssen Zahlenangaben über Löhne und Gehälter, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Berufsgruppe, enthalten.

In Belgien sind Unternehmen dazu verpflichtet, alle zwei Jahre einen Bericht über das Lohngefälle zwischen den bei ihnen beschäftigten Männern und Frauen vorzulegen. Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten müssen alle zwei Jahre eine eingehende Analyse der Vergütungsstruktur im Unternehmen mit Aufschlüsselung nach Geschlecht sowie nach Status, Position, Betriebszugehörigkeit und Qualifikations- oder Bildungsniveau vornehmen. Außerdem besteht für Unternehmen in Belgien die Pflicht, in ihren jährlichen Sozialberichten die Angaben in mehreren Abschnitten nach Geschlecht zu untergliedern. In Italien müssen Unternehmen mit mehr als 100 Beschäftigten alle zwei Jahre einen Bericht mit Informationen zur Gleichbehandlung von Männern und Frauen vorlegen, in dem ausdrücklich auf die Höhe der Löhne und Gehälter eingegangen wird.

In Deutschland wurde unlängst ein Gesetz erlassen, das für große Unternehmen eine allgemeine Pflicht zur Berichterstattung u. a. über den Stand der Gleichstellung und der Entgeltgleichheit vorsieht. Im Vereinigten Königreich müssen Arbeitgeber ab einer Unternehmensgröße von 250 Beschäftigten bestimmte Informationen über geschlechtsspezifische Entgeltunterschiede, insbesondere im Hinblick auf Stundenlöhne, Bonuszahlungen und Lohnverteilung insgesamt vorlegen. 28  In Litauen sind Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten nach einem im Jahr 2017 in Kraft getretenen Gesetz dazu verpflichtet, Betriebsräten und Gewerkschaften jährlich anonymisierte Daten über die durchschnittliche Vergütung ihrer Mitarbeiter (ausgenommen Führungskräfte), untergliedert nach Berufsgruppe und Geschlecht, zur Verfügung zu stellen. Außerdem müssen Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten einen Vergütungsbericht erstellen, aus dem die Vergütung der Arbeitnehmergruppen nach Position und Qualifikation ersichtlich ist und der für die Beschäftigten zugänglich sein muss.

In mehreren Mitgliedstaaten müssen Arbeitgeber im Rahmen ihrer Verpflichtung zur Erstellung eines Aktionsplans für Entgeltgleichheit außerdem regelmäßig eine Bewertung von Vergütungspraktiken und Unterschieden beim Entgelt vornehmen. 29 Zu den Pflichten gehören ferner die Berichterstattung der Unternehmen über die durchschnittliche Vergütung unterschiedlicher Arbeitnehmergruppen oder Positionen; über die Berichterstattung hinaus sind auch eine eingehendere Analyse der Vergütungsstrukturen sowie weiterführende Maßnahmen zum Abbau von Ungleichheiten beim Entgelt vorgeschrieben. Auf die Maßnahmen der Mitgliedstaaten wird im Abschnitt über Entgelt-Audits dieses Berichts näher eingegangen.

In mehreren Mitgliedstaaten bestehen Berichterstattungspflichten speziell für Unternehmen des öffentlichen Sektors. 30  

In zwei Mitgliedstaaten 31 sind neue Gesetzgebungsmaßnahmen im Gespräch, die Berichterstattungspflichten für Unternehmen vorsehen.

2.3.Entgelt-Audits auf Unternehmensebene

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu aufgerufen, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um zu gewährleisten, dass in Unternehmen und Organisationen mit mindestens 250 Beschäftigten Entgelt-Audits durchgeführt werden. Die Audits sollten Folgendes umfassen: eine Analyse des Frauen- und Männeranteils für jede Arbeitnehmergruppe oder Position, eine Analyse des angewandten Systems zur Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung und detaillierte Angaben zum Entgelt und zu geschlechtsspezifischen Entgeltunterschieden. Die Audit-Ergebnisse sollten Arbeitnehmervertretern und Sozialpartnern auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden. 32 Entgelt-Audits dürften dazu beitragen, dass entgeltbezogene Aspekte der Geschlechtergleichstellung besser analysiert und dass leichter Schlussfolgerungen zur Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts gezogen werden können und dass darüber hinaus mögliche Optionen zur Beseitigung der festgestellten Probleme ermittelt werden können. Entgelt-Audits könnten die Grundlage für Gespräche zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmervertretern bilden, die darauf abzielen, Entgeltdiskriminierungen aufgrund des Geschlechts zu beseitigen.

Entgeltberichte dienen häufig als Grundlage für eine eingehendere Analyse, die weit über rein statistische Zahlen hinausgeht und sich auf sachbezogene Informationen über Vergütungsstrukturen stützt. Die Erkenntnisse aus Entgeltberichten fließen gegebenenfalls in Folgemaßnahmen ein, z. B. in Aktionspläne, mit denen gegen die ermittelten geschlechtsspezifischen Ungleichheiten beim Entgelt vorgegangen wird.

So sind beispielweise in Frankreich private Arbeitgeber mit mehr als 50 Beschäftigten verpflichtet, jährlich einen Bericht vorzulegen, der unter anderem nach Geschlecht und nach Berufsgruppen aufgeschlüsselte Zahlen zu den tatsächlichen Löhnen und Gehältern enthält. Außerdem muss für jede Berufsgruppe im Unternehmen auf Grundlage der erhobenen Informationen eine Analyse darüber vorgenommen werden, wie sich die Situation von Männern und Frauen in Bezug auf die Systeme zur beruflichen Einstufung und Lohnunterschiede darstellt. Tarifverträge und einseitig festgelegte Maßnahmenpläne müssen Zielvorgaben für die Geschlechtergleichstellung und Angaben über die vorgesehenen konkreten Maßnahmen zu deren Erreichung enthalten.

In Schweden sind Arbeitgeber mit mindestens 25 Beschäftigten verpflichtet, alle drei Jahre eine Entgelterhebung durchzuführen, bei der Vergütungspraktiken und das geschlechtsspezifische Lohngefälle im Unternehmen bewertet werden. Auf Grundlage dieser Erhebung müssen sie dann einen Aktionsplan aufstellen, mit dem ungerechte geschlechtsspezifische Unterschiede beim Entgelt und anderen Beschäftigungsbedingungen beseitigt bzw. verhindert werden sollen. In Finnland müssen Unternehmen ab einer Größe von 30 Beschäftigten Gleichstellungspläne ausarbeiten, die unter anderem eine Entgelterhebung beinhalten, mit der festgestellt werden soll, ob es in dem Unternehmen geschlechtsspezifische Unterschiede beim Entgelt gibt; der Gleichstellungsplan muss Vorschläge für die Beseitigung ungerechtfertigter Unterschiede enthalten. In Deutschland sind Entgelt-Audits für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten vorgeschrieben.

Im Vereinigten Königreich können die Arbeitsgerichte in Fällen, in denen Arbeitnehmer erfolgreich gegen Verstöße gegen Rechtsvorschriften zur Entgeltgleichheit klagen, Entgelt-Audits anordnen.

In Dänemark haben Arbeitgeber die Wahl zwischen einer freiwilligen Lohngerechtigkeits-Analyse oder der Meldung von Lohn- und Gehaltsstatistiken.

In Estland und Italien sind neue Maßnahmen auf diesem Gebiet im Gespräch. So beabsichtigt beispielsweise die estnische Regierung, einen Gesetzentwurf vorzulegen, mit dem im öffentlichen Sektor regelmäßige Entgelt-Audits und die Ausarbeitung von Aktionsplänen für Geschlechtergleichstellung auf der Grundlage der Audit-Ergebnisse verpflichtend vorgeschrieben werden.

2.4.Entgeltgleichheit, einschließlich Entgelt-Audits, in die Tarifverhandlungen einbeziehen

Die Sozialpartner dazu anzuhalten oder zu verpflichten, Entgeltgleichheit im Rahmen der Tarifverhandlungen zu behandeln, ist ebenfalls eine Möglichkeit, für mehr Lohntransparenz zu sorgen und das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu thematisieren. In der Empfehlung werden daher die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass der Aspekt der Entgeltgleichheit, einschließlich der Entgelt-Audits, in den Tarifverhandlungen auf entsprechender Ebene erörtert wird. 33  

Die Einbeziehung des Aspekts der Entgeltgleichheit in die Tarifverhandlungen wird von den Gewerkschaften sehr befürwortet. 34  

In fünf Mitgliedstaaten 35 wurden gesetzgeberische Maßnahmen eingeführt, um sicherzustellen, dass der Aspekt der Entgeltgleichheit in den Tarifverhandlungen behandelt wird.

In Belgien müssen die branchenübergreifenden Vereinbarungen, die alle zwei Jahre von Geschäftsleitung und Arbeitnehmervertretern unterzeichnet werden, Maßnahmen zur Verringerung des Lohngefälles zwischen Männern und Frauen enthalten, was vor allem durch eine geschlechtsneutrale Gestaltung der Systeme zur beruflichen Einstufung erreicht werden soll. Auf Branchenebene ist zudem gesetzlich vorgeschrieben, dass bei Tarifverhandlungen auch über Maßnahmen zur Verringerung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles verhandelt werden muss. In Frankreich muss der Aspekt der Geschlechtergleichstellung in Tarifverhandlungen einbezogen werden. Private Arbeitgeber sind verpflichtet, auf Branchenebene alle drei Jahre und auf Unternehmensebene jedes Jahr über Zielvorgaben für die Entgeltgleichheit von Männern und Frauen zu verhandeln. Die Umsetzung dieser Maßnahmen wird von der nationalen Tarifverhandlungskommission (CNNC) überwacht. Das schwedische Recht sieht vor, dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer zusammenarbeiten, um Entgeltunterschiede zu verhindern bzw. zu beseitigen. Seit von den Sozialpartnern 2007 auf nationaler Ebene spezifische Lohn- und Gehaltsrahmen für Frauen ausgehandelt wurden, ist das geschlechtsspezifische Lohngefälle in jeder Verhandlungsrunde ein zentrales Thema.

Drei weitere Mitgliedstaaten 36 sehen freiwillige Maßnahmen vor, durch die die Einbeziehung des Aspekts der Entgeltgleichheit in Tarifverhandlungen gefördert werden soll. Zu diesen Maßnahmen gehören die Veröffentlichung von Leitlinien für Tarifverhandlungen und Schulungen zum Thema Geschlechtergleichstellung für die Sozialpartner.

3.Umsetzung weiterer Bestimmungen zur Entgeltgleichheit, die in der Empfehlung genannt werden

Die Empfehlung sieht mehrere weitere Maßnahmen vor, die über den eigentlichen Bereich der Erhöhung der Lohntransparenz hinausgehen und ebenfalls zu Verbesserungen bei der Entgeltgleichheit beitragen. 37 Dieser Abschnitt informiert über den aktuellen Stand der Umsetzung einiger dieser Maßnahmen in den Mitgliedstaaten.

Bessere Statistiken

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die Verfügbarkeit aktueller Daten über geschlechtsspezifische Lohnunterschiede weiter zu verbessern, indem sie Eurostat jährlich fristgerecht Statistiken bereitstellen.

Mehrere Mitgliedstaaten gaben an, dass ihre nationalen statistischen Ämter jedes Jahr umfassende Daten über die geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede bereitstellen. 38 In Spanien sind Behörden per Gesetz 39 dazu verpflichtet, nach Geschlecht aufgeschlüsselte Statistiken bereitzustellen, während das dänische Recht vorschreibt, dass Unternehmen Entgeltstatistiken nach Geschlecht untergliedern müssen 40 .

Definition des Begriffs der gleichwertigen Arbeit

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu aufgefordert, den Begriff der „gleichwertigen Arbeit“ in ihren Rechtsvorschriften zu präzisieren.

In mehreren Mitgliedstaaten 41 wurde das Konzept in den Rechtsvorschriften bereits durch einen analytischen Rahmen oder wichtige Kriterien definiert, die dazu dienen, den Wert verschiedener Tätigkeiten zu vergleichen. Dabei werden im Einklang mit der Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Konzept der Entgeltgleichheit 42 zumeist folgende Hauptkriterien für die Bewertung des Werts der Arbeit aufgeführt: Kompetenzen, Arbeitsaufwand, Verantwortung und Arbeitsbedingungen.

Zwei Mitgliedstaaten teilten mit, dass sie beabsichtigen, eine explizite Festlegung des Begriffs der „gleichwertigen Arbeit“ in ihre Rechtsvorschriften aufzunehmen. 43

Systeme zur Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu angehalten, die Entwicklung und den Einsatz von Systemen zur geschlechtsneutralen Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung zu fördern.

Die Rechtsvorschriften einiger Mitgliedstaaten sehen ausdrücklich vor, dass Systeme zur Arbeitsbewertung und zur beruflichen Einstufung, die zur Bestimmung des Entgelts herangezogen werden, geschlechtsneutral sein müssen. 44 In einigen Mitgliedstaaten wurden Hilfsmittel für die Praxis eingeführt, darunter Schulungsprogramme für Arbeitgeber sowie Leitfäden und Checklisten, die dazu beitragen sollen, geschlechtsabhängige Ungleichbehandlungen bei Arbeitsbewertungen zu vermeiden; Ziel dieser Maßnahmen ist es, die Umsetzung von Systemen zur geschlechtsneutralen Arbeitsbewertung und beruflichen Einstufung in Unternehmen zu fördern. 45  

Kontrolle und Durchsetzung

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten aufgefordert, für eine konsequente Kontrolle der Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts und die Durchsetzung aller hinsichtlich der Entgeltdiskriminierung verfügbaren Abhilfemaßnahmen Sorge zu tragen.

In mehreren Mitgliedstaaten sind die Arbeitsaufsichtsbehörden auf regionaler oder föderaler Ebene für die Überwachung in Bezug auf Entgeltdiskriminierung zuständig. 46 Als Teil der nationalen Verwaltung führen sie Inspektionen durch, mit denen die Einhaltung der geltenden Rechtsvorschriften sichergestellt wird. In einigen Ländern können die Arbeitsaufsichtsbehörden bei Nichteinhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts verwaltungsrechtliche Sanktionen verhängen. 47  

In Belgien können Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten einen Mitarbeiter als Mediator bestimmen; der Mediator hat die Aufgabe, das Unternehmen bei der Aufstellung und Umsetzung des Plans für die Entwicklung einer geschlechtsneutralen Vergütungsstruktur sowie hinsichtlich möglicher Abhilfemaßnahmen als Reaktion auf Beschwerden wegen geschlechtsspezifischer Lohndiskriminierung zu beraten.

Zwei Mitgliedstaaten berichteten über die Einführung von spezifischen Sanktionen, die Diskriminierungen verhindern sollen. So wurde beispielsweise in Frankreich eine Geldstrafe in Höhe von bis zu 1 % der Lohnsumme für Unternehmen mit mehr als 50 Beschäftigten eingeführt, die gegen die Vorschriften zur Entgeltgleichheit verstoßen. In den Niederlanden werden Unternehmen, bei denen Diskriminierungen vorkommen, von Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge ausgeschlossen, bestehende Verträge mit staatlichen Stellen können gekündigt werden.

Gleichstellungsstellen

Nach Maßgabe der Richtlinie 2006/54/EG 48 haben die Gleichstellungsstellen die Aufgabe, Opfer von Entgeltdiskriminierung auf unabhängige Weise zu unterstützen. Allerdings sind Aufgaben und Befugnisse der Gleichstellungsstellen in den Mitgliedstaaten sehr unterschiedlich geregelt. Nur in einigen wenigen Mitgliedstaaten 49 gehört es auch zu den Aufgaben der Gleichstellungsstellen, Einzelpersonen bei entsprechenden Verfahren vor Gericht zu vertreten bzw. zu unterstützen. In einigen anderen Mitgliedstaaten 50 wurden den Gleichstellungsstellen in Fällen geschlechtsspezifischer Diskriminierungen weitergehende Befugnisse zur Anhörung und Beschlussfassung über Beschwerden eingeräumt. Wenn die Gleichstellungsstellen ihre Befugnisse verstärkt dazu nutzen würden, Opfer von Diskriminierung auf unabhängige Weise zu unterstützen, wäre es für die Betroffenen einfacher, sich an die Gerichte zu wenden, und die Wirksamkeit des Rechtsrahmens für die Entgeltgleichheit würde sichergestellt.

In der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten daher dazu aufgefordert dafür Sorge zu tragen, dass die Befugnisse und Aufgaben der nationalen Gleichstellungsstellen sich auch auf Aspekte im Zusammenhang mit der geschlechtsbezogenen Entgeltdiskriminierung, einschließlich der Transparenzverpflichtungen, erstrecken. Gegebenenfalls sollten die Mitgliedstaaten den Gleichstellungsstellen außerdem das Recht auf Zugang zu Entgeltinformationen und Entgelt-Audits einräumen.

In einigen Mitgliedstaaten 51 erstreckt sich das Mandat der Gleichstellungsstellen auch auf die Transparenzpflichten der Arbeitgeber in Bezug auf geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung und insbesondere auf das Recht auf Zugang zu Entgeltinformationen und Entgelt-Audits.

4.Anwendung und Wirkung von Maßnahmen zur Förderung der Lohntransparenz auf nationaler Ebene in der Praxis

Bislang gibt es keine detaillierte wirtschaftliche Analyse, bei der die genauen Auswirkungen der Einführung von Maßnahmen zur Förderung der Lohntransparenz auf nationaler Ebene untersucht werden. Messbare Daten zur Wirkung jeder einzelnen Maßnahme vorzulegen, ist daher schwierig.

Allerdings deuten auf nationaler Ebene durchgeführte Recherchen auf einen Zusammenhang zwischen derartigen Maßnahmen und einer Verbesserung der Gesamtsituation im Hinblick auf Entgeltgleichheit und Chancengleichheit von Frauen und Männern im Bereich der Beschäftigung hin. Einige Beispiele, die Anregungen für die Empfehlung aus dem Jahr 2014 lieferten, veranschaulichen diese Wirkung: 52  

Ein Beispiel zum Aspekt des Anspruchs der Arbeitnehmer auf Auskunft über Löhne und Gehälter liefert Portugal; dort sind Arbeitgeber seit 2009 dazu verpflichtet, Arbeitnehmer über die durchschnittlichen Löhne und Gehälter nach Arbeitnehmergruppe zu informieren. Nach Auffassung von Interessenträgern ist dies ein wesentlicher Grund für die vergleichsweise geringen Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen in dem Land.

Im Rahmen der schwedischen Rechtsvorschriften zur Gleichbehandlung wurde die Pflicht der Arbeitgeber eingeführt, regelmäßig einen Bericht über die Vergütungssituation vorzulegen, der unter anderem eine Analyse der Vergütungspraktiken und der geschlechtsspezifischen Lohnunterschiede enthält. Aus einer im Jahr 2011 durchgeführten landesweiten Studie geht hervor, dass von den verschiedenen von der Regierung eingeführten Maßnahmen die Pflicht, ein System für Bestandsaufnahmen der Löhne und Gehälter („Wage Mapping“) zu unterhalten, die größte Wirkung zur Bekämpfung der Entgeltdiskriminierung zeigte. Eine vom Ombudsmann für Gleichstellungsfragen durchgeführte Überprüfung ergab, dass nach Einführung dieser Pflicht im Zeitraum von 2006 bis 2008 bei rund 6000 Personen Lohnanpassungen vorgenommen wurden.

Frankreich bietet ein Beispiel für die Einbeziehung der Entgeltgleichheit in die Tarifverhandlungen: Im Jahr 2006 eingeführte Rechtsvorschriften verpflichten Arbeitgeber und Gewerkschaften dazu, bei den jährlichen Tarifverhandlungen auf Unternehmens- und Branchenebene den Aspekt des geschlechtsspezifischen Lohngefälles zu erörtern. Seit Einführung dieser Pflicht ist der Anteil der Tarifverträge, in denen das geschlechtsspezifische Lohngefälle gezielt angegangen wird, deutlich gestiegen (von 3 % im Jahr 2007 auf 10 % im Jahr 2010). Darüber hinaus beinhalten diese Tarifverträge in der Regel neben einer kurzen Diagnose der Sachlage auch spezifische Indikatoren sowie eine Liste der Maßnahmen, mit denen geschlechtsspezifische Lohnunterschiede beseitigt werden sollen.

Diese konkreten Beispiele für die Umsetzung der Empfehlung, mit denen drei der vier in der Empfehlung vorgeschlagenen Kernmaßnahmen zur Erhöhung der Transparenz aufgegriffen werden, und die Wirkung der ergriffenen Maßnahmen belegen, dass die in der Empfehlung formulierten Maßnahmen das Potenzial haben, zur Verringerung der Entgeltdiskriminierung und der Lohnunterschiede zwischen Männern und Frauen beizutragen.

5.Schlussfolgerungen und Ausblick

Mit dieser Empfehlung liegt erstmals ein Instrumentarium spezifischer Maßnahmen zur Erhöhung der Transparenz beim Entgelt vor, die darauf abzielen, Ungleichheiten beim Entgelt und das anhaltende Lohngefälle zwischen Männern und Frauen zu beseitigen. Mit der Empfehlung werden die Mitgliedstaaten dazu ermutigt, mindestens eine der Kernmaßnahmen zur Erhöhung der Transparenz durchzuführen, um Entgeltdiskriminierung zu beseitigen. Die Empfehlung ist ein rechtlich nicht bindendes Instrument, mit dem den Mitgliedstaaten keine förmlichen Verpflichtungen auferlegt werden.

Die Auswertung der von den Mitgliedstaaten und weiteren Interessenträgern übermittelten Angaben ergibt, dass zwar die meisten Mitgliedstaaten Maßnahmen zur Erhöhung der Entgelttransparenz eingeführt haben, dass jedoch in einem Drittel der Mitgliedstaaten keinerlei derartige Maßnahmen existieren.

Darüber hinaus hat nur eine kleine Gruppe von Mitgliedstaaten die Empfehlung zum Anlass genommen, ihre nationalen Rechtsvorschriften mit Blick darauf zu überprüfen, den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen durch die Einführung von Maßnahmen zur Erhöhung der Entgelttransparenz zu stärken – entweder indem sie der Empfehlung folgen oder durch andere Maßnahmen.

Die Gleichstellung von Frauen und Männern zählt zu den Grundwerten der Europäischen Union, doch ist sie im Arbeitsleben noch nicht Realität. Über die gesamte Wirtschaft betrachtet, verdienen Frauen in der EU im Durchschnitt fast 16 % weniger pro Stunde als Männer. An diesem geschlechtsspezifischen Lohngefälle hat sich in den vergangenen fünf Jahren kaum etwas geändert, und sollte das aktuelle Tempo, in dem sich Veränderungen vollziehen, anhalten, würde sich diese Lücke erst zu Beginn des nächsten Jahrtausends schließen. In einer Studie des Europäischen Instituts für Gleichstellungsfragen wird hervorgehoben, dass durch die Ungleichheit beim Entgelt nicht nur die Frauen benachteiligt werden, sondern dass dadurch auch Kosten für die Gesellschaft als Ganzes entstehen. Zwischen geschlechtsspezifischem Lohngefälle, Kinderarmut und Fachkräftemangel besteht ein enger Zusammenhang. Zudem entstehen dadurch, dass in einer Gesellschaft die Kenntnisse und Fähigkeiten von Frauen nicht ausgeschöpft werden, auch Kosten für die Volkswirtschaft als Ganzes. 53

Trotz des Grundsatzes des gleichen Entgelts ist Diskriminierung im Bereich der Beschäftigung auch heute immer noch weit verbreitet: Frauen werden für exakt die gleiche Arbeit unter Umständen schlechter bezahlt als Männer, und Tätigkeiten, die vor allem von Frauen ausgeübt werden, werden schlechter bezahlt als solche, die vor allem von Männern ausgeübt werden, selbst wenn sie gleichwertig sind. Die mangelnde Transparenz bei den Gehaltsniveaus erschwert die Aufdeckung von Diskriminierungsfällen. Obwohl sich die meisten Europäer (69 %) darüber im Klaren sind, dass in der Wirtschaft ein geschlechtsspezifisches Lohngefälle existiert, glauben die Arbeitnehmer nicht, dass ihr eigenes Unternehmen davon betroffen ist, und nur 26 % der Europäer wissen, dass der Grundsatz des gleichen Entgelts für gleiche Arbeit gesetzlich garantiert ist. Ein Drittel der Beschäftigten weiß nicht, was ihre Kolleginnen und Kollegen verdienen, und unter den Frauen ist dieser Anteil noch höher. Einer unlängst vorgelegten Untersuchung zufolge befürworten die Europäer mehr Transparenz im Beschäftigungsbereich: Fast zwei Drittel der Befragten sprechen sich dafür aus, die durchschnittlichen Löhne und Gehälter in dem Unternehmen oder der Organisation, in dem bzw. der sie beschäftigt sind, aufgeschlüsselt nach Geschlecht und Art der Tätigkeit, zu veröffentlichen. 54  

Um das geschlechtsspezifische Lohngefälle zu beseitigen und den Grundsatz des gleichen Entgelts zu verwirklichen, wird die Kommission die Einhaltung dieses Grundsatzes durch die Mitgliedstaaten weiterhin aufmerksam verfolgen, unter anderem durch die Durchsetzung geeigneter Maßnahmen und im Kontext des Europäischen Semesters.

Allerdings dürften weitere gezielte Maßnahmen auf EU‑Ebene erforderlich sein, da es nach wie vor an erkennbaren Fortschritten bei der Bekämpfung der Entgeltdiskriminierung mangelt, noch immer ein Lohngefälle zwischen Männern und Frauen besteht und die Empfehlung nur in begrenztem Maße umgesetzt wird. Transparenz beim Entgelt wird dazu beitragen, dass die Bürger Diskriminierungen erkennen und dem Grundsatz des gleichen Entgelts in der Praxis besser Rechnung getragen wird.

(1)

   ABl. L 204 vom 26.7.2006, S. 23‑36.

(2)

     COM(2013) 861 final.

(3)

   Eurostat 2015.

(4)

     Das geschlechtsspezifische Lohngefälle wird durch mehrere komplexe Faktoren verursacht, darunter Diskriminierung, die berufsspezifische und vertikale Segregation, ein geringer Frauenanteil in Führungspositionen, Traditionen und Stereotype sowie die unausgewogene Aufteilung familiärer Pflichten unter Frauen und Männern.

(5)

   C(2014) 1405 final.

(6)

   Gemäß Nummer 18 der Empfehlung.

(7)

     26 Mitgliedstaaten (AT, BE, BG, CZ, CY, DK, EE, FI, FR, DE, EL, HR, HU, IT, LV, LT, LU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SI, ES, SE) machten Angaben über die Umsetzung der Empfehlung.

(8)

     Europäischer Gewerkschaftsbund (EGB), Europäischer Zentralverband der öffentlichen Wirtschaft (CEEP), Vereinigung der Industrie- und Arbeitgeberverbände in Europa (BusinessEurope) und Europäische Union des Handwerks und der Klein- und Mittelbetriebe (UEAPME). Bei einem Fachseminar im Juni 2016 wurden die Stellungnahmen der Sozialpartner und die Umsetzung der in der Empfehlung vorgeschlagenen Maßnahmen eingehender erörtert.

(9)

     Die Angaben wurden vom Europäischen Netz nationaler Gleichstellungsstellen (Equinet) erhoben.

(10)

     http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/other-institutions/good-practices/index_en.htm

(11)

     http://ec.europa.eu/justice/gender-equality/files/documents/160111_strategic_engagement_en.pdf

(12)

     AT, BG, DE, ES, IT, PL, SI, SK.

(13)

     Insbesondere im Fall Estlands.

(14)

     Die Empfehlung sieht vor, dass soweit bei der Bereitstellung von Informationen infolge der ergriffenen Maßnahmen personenbezogene Daten offengelegt werden, dies im Einklang mit den nationalen Datenschutzgesetzen, insbesondere den Vorschriften zur Umsetzung der Richtlinie 95/46/EG erfolgen sollte. Mit Wirkung zum 25. Mai 2018 gilt für den Datenschutz die Verordnung (EU) 2016/679 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. April 2016 zum Schutz natürlicher Personen bei der Verarbeitung personenbezogener Daten, zum freien Datenverkehr und zur Aufhebung der Richtlinie 95/46/EG (Datenschutz-Grundverordnung).

(15)

     AT, BE, DE, DK, FI, FR, IE, IT, LT, SE, UK.

(16)

     DE, FR, FI, LT, UK, SE.

(17)

     AT, BE, FI, FR, SE.

(18)

     Schweden.

(19)

     IE, IT, NL.

(20)

     Soweit bei der Bereitstellung von Informationen personenbezogene Daten offengelegt werden, sollte dies im Einklang mit den nationalen Datenschutzvorschriften erfolgen.

(21)

     Nummer 3 der Empfehlung.

(22)

     Gesetz zur Förderung der Transparenz von Entgeltstrukturen vom 30. März 2017.

(23)

     Unter anderem in FI und SE nach Einreichung einer Beschwerde auf Einhaltung des Grundsatzes des gleichen Entgelts durch einen Arbeitnehmer.

(24)

   Unter anderem in AT, BE, FI, FR, SE.

(25)

   Unter anderem in Österreich.

(26)

     Nummer 4 der Empfehlung.

(27)

   Unter anderem in AT, BE, DE, DK, FR, IT, UK.

(28)

     Equality Act 2010 (Gender pay gap information) Regulations 2017.

(29)

     AT, BE, ES, FI, FR, SE.

(30)

     Unter anderem in DE, FR, FI, LT, UK.

(31)

     IE, IT.

(32)

     Nummer 5 der Empfehlung.

(33)

     Nummer 6 der Empfehlung.

(34)

     Wie in der Entschließung des EGB zu Tarifverhandlungen als wirksames Instrument zur Beseitigung des geschlechtsspezifischen Lohngefälles („Collective bargaining – our powerful tool to close the gender pay gap“) aus dem Jahr 2015 vorgesehen.

(35)

     BE, DE, FI, FR SE.

(36)

     AT, CY, PT.

(37)

     Nummern 7‑17 der Empfehlung.

(38)

     Unter anderem CZ, DK, EE, ES, FR, NL, PL, RO, SK.

(39)

     Artikel 20 der Ley Orgánica 3/2007 vom 22. März 2007 über die effektive Gleichstellung von Frauen und Männern sieht vor, dass der Gleichstellungsaspekt in Statistiken und Studien wirksam einbezogen werden muss.

(40)

     Das Gesetz über Entgeltgleichheit (§ 5a) enthält Vorschriften für nach Geschlecht aufgeschlüsselte Entgeltstatistiken. Das Gesetz schreibt vor, dass Unternehmen mit mindestens 35 Beschäftigten, in denen zugleich mindestens zehn Männer und zehn Frauen in der gleichen Funktion beschäftigt sind, entweder jährlich nach Geschlecht aufgeschlüsselte Entgeltstatistiken erstellen oder mit den Beschäftigten vereinbaren müssen, mindestens alle drei Jahre einen Bericht über die Entgeltgleichheit vorzulegen.

(41)

     Unter anderem in CY CZ, DE, FR, HR, HU, IE, PL, PT, RO, SK, SE, UK.

(42)

   Siehe Rechtssachen C-237/85, C-262/88, C-400/93, C-381/99, C-333/97, C-471/08, C-194/08. Siehe auch Erwägungsgrund 9 der Richtlinie 2006/54/EG.

(43)

     AT, LT.

(44)

     Unter anderem in AT, BE, CY, IT, LT, PT, SI.

(45)

     Unter anderem in BE, CY, EE, ES, FR, NL, SE.

(46)

     Unter anderem in CY, CZ, ES, FR, LV, PL.

(47)

     Dies ist beispielweise in Lettland der Fall.

(48)

     Artikel 20 Absatz 2.

(49)

   Unter anderem in AT, FI, SE.

(50)

     Unter anderem in BE, FR, NL.

(51)

     Unter anderem in EE, FI, SE.

(52)

     Siehe auch Folgenabschätzung zur Empfehlung (SWD(2014) 59 final).

(53)

EIGE, Economic Benefits of Gender Equality in the European Union. How closing the gender gaps in labour market activity and pay leads to economic growth (Wirtschaftliche Vorteile einer Geschlechtergleichstellung in der Europäischen Union. Wie durch die Beseitigung der geschlechtsspezifischen Unterschiede bei Arbeitsmarktaktivität und Entgelt Wirtschaftswachstum entsteht), 2017, abrufbar unter: http://eige.europa.eu/rdc/eige-publications .

(54)

Eurobarometer 465.

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