EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 30.8.2017
COM(2017) 459 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DEN RAT
Bericht über die Nutzung der Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands der Union zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates
1.Zusammenfassung
Dies ist ein Bericht der Kommission an den Rat über die Nutzung der Fazilität des mittelfristigen finanziellen Beistands der Union zur Stützung der Zahlungsbilanzen der Mitgliedstaaten gemäß der Verordnung (EG) Nr. 332/2002 des Rates vom 18. Februar 2002 (im Folgenden „Zahlungsbilanzverordnung“ oder „Zahlungsbilanzinstrument“). Es ist Aufgabe des Rates, auf der Grundlage des vorliegenden Kommissionsberichts und unter Berücksichtigung der Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses (WFA) zu prüfen, inwieweit das Instrument noch seinem Zweck im Hinblick auf Grundsätze, Einzelheiten und den darin festgelegten Plafond für ausstehende Darlehen gerecht wird.
Rumänien hat 2012 um vorsorglichen finanziellen Beistand im Rahmen des Instruments ersucht und diesen auch erhalten. Ungarn hat sein Darlehen im April 2016 zurückgezahlt. Die Rückzahlung der Darlehen in Höhe von 0,7 Mrd. EUR, die Lettland gewährt wurden, steht noch aus. Die Tragfähigkeit der Zahlungsbilanzen dieser Empfängermitgliedstaaten hat sich rasch verbessert, sodass sich die Länder wieder über die Märkte finanzieren konnten.
Die Kommission bewertet das Instrument wie folgt:
·Seit der letzten Überarbeitung im Mai 2009 hat das Instrument seine Wirksamkeit unter Beweis gestellt: Die Tragfähigkeit der Zahlungsbilanzen der Empfängermitgliedstaaten hat sich rasch verbessert, sodass sich die Länder schnell wieder über die Märkte finanzieren konnten.
·Der bei dem Instrument festgelegte Plafond für ausstehende Darlehen und Kreditlinien von derzeit 50 Mrd. EUR scheint angemessen.
·Die im Kommissionsvorschlag für eine neue Verordnung des Rates (COM(2012) 336 final) empfohlenen Änderungen sind immer noch notwendig und sinnvoll: Es sollten Verbesserungen am regulatorischen Rahmen sowie die gleichen Anleihevorschriften wie in der Verordnung (EU) Nr. 407/2010 vom 11. Mai 2010 zur Einführung eines europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus eingeführt und die Nutzung der Kreditlinien präziser dargelegt werden. Darüber hinaus sollte klargestellt werden, dass das Instrument zur Finanzierung einer (indirekten) Rekapitalisierung von Kreditinstituten genutzt werden kann, und dass die politischen Auflagen angepasst werden können, um vorrangig diesen Problemen zu begegnen.
2.Einleitung
Gemäß der Zahlungsbilanzverordnung wurde das Zahlungsbilanzinstrument geschaffen, um Mitgliedstaaten, die den Euro nicht eingeführt haben („Mitgliedstaaten, für die eine Ausnahmeregelung gilt“) und die von Zahlungsbilanzschwierigkeiten betroffen oder ernstlich bedroht sind, mittelfristigen finanziellen Beistand zu leisten. Der finanzielle Beistand wird entweder in Form eines EU-Darlehens oder einer Kreditlinie gewährt. Darüber hinaus schreibt die Zahlungsbilanzverordnung vor, dass der Rat regelmäßig prüfen soll, inwieweit das Instrument noch seinem Zweck im Hinblick auf Grundsätze, Einzelheiten und den Plafond gerecht wird. Die Prüfung des Rates sollte auf der Grundlage eines Berichts der Kommission und nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses erfolgen.
Auf der Grundlage ihrer jüngsten Bewertung legte die Kommission am 22. Juni 2012 einen Vorschlag zur Änderung der Zahlungsbilanzverordnung vor (COM(2012) 336 final). Da ein Mitgliedstaat Einwände hatte, konnten sich die Ratsmitglieder jedoch nicht auf einen gemeinsamen Standpunkt verständigen.
3.Aktueller Stand und Angemessenheit des Zahlungsbilanzinstruments
Seit 2012 hat ein Mitgliedstaat, nämlich Rumänien, im Rahmen des Instruments um finanziellen Beistand ersucht und diesen auch erhalten. Der Beistand wurde im Oktober 2013 formell beschlossen und lief im September 2015 aus. Er erfolgte zeitgleich mit einer Bereitschaftskreditvereinbarung mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF). Wie auch bei der Vereinbarung für den Zeitraum 2011-2013 war der Beistand für den Zeitraum 2013-2015 vorsorglicher Natur und wurde nicht in Anspruch genommen.
Der vorsorgliche Beistand der EU belief sich auf 2 Mrd. EUR; der IWF steuerte seinerseits auf der Grundlage einer gleichermaßen vorsorglichen Bereitschaftskreditvereinbarung bis zu 1,75 Mrd. SZR (rund 2 Mrd. EUR) bei. Ziel des geförderten Anpassungsprogramms war es, Rumänien bei der Konsolidierung seiner makroökonomischen, haushaltspolitischen und finanziellen Stabilität zu unterstützten und dadurch die Widerstandsfähigkeit und das Wachstumspotenzial der rumänischen Wirtschaft zu fördern, die Verwaltungskapazität des Landes zu verbessern, die Steuerverwaltung zu reformieren, das öffentliche Finanzmanagement zu verbessern und staatseigene Unternehmen umzustrukturieren.
Ungarn hat sein Darlehen im April 2016 vollständig zurückgezahlt. Die Rückzahlung des Darlehens in Höhe von 0,7 Mrd. EUR, das Lettland gewährt wurde, steht noch aus. Der vorsorgliche Beistand für Rumänien im Anschluss an zwei vorangegangene Vereinbarungen (eine davon auf vorsorglicher Basis) hat gezeigt, wie vielseitig das Instrument ist. Vom nicht-vorsorglichen Beistand, der im Zeitraum 2010-2011 ausgezahlt wurde, hatte Rumänien noch 3,5 Mrd. EUR zurückzuzahlen.
Tabelle1: Verbleibende Rückzahlungsverpflichtungen im Rahmen des Zahlungsbilanzinstruments (Stand: August 2017)
Jahr
|
Land
|
Kapital-rückzahlungen
|
Zins-zahlungen
|
Insgesamt
|
2017
|
Lettland
|
|
6
|
6
|
|
Rumänien
|
1150
|
32
|
1182
|
2018
|
Lettland
|
|
23
|
23
|
|
Rumänien
|
1350
|
77
|
1427
|
2019
|
Lettland
|
500
|
23
|
523
|
|
Rumänien
|
1000
|
34
|
1034
|
2020
|
Lettland
|
|
6
|
6
|
2021
|
Lettland
|
|
6
|
6
|
2022
|
Lettland
|
|
6
|
6
|
2023
|
Lettland
|
|
6
|
6
|
2024
|
Lettland
|
|
6
|
6
|
2025
|
Lettland
|
200
|
6
|
206
|
Insgesamt
|
4200
|
231
|
4431
|
in Mio. EUR
Das Instrument verfügt demnach noch über eine Restkapazität von 45,8 Mrd. EUR. Bislang ist kein Ersuchen um weiteren Beistand eingegangen.
Im Allgemeinen hat sich die Tragfähigkeit der Zahlungsbilanzen aller oben genannten Empfänger rasch verbessert, sodass der Zugang zur marktbasierten Finanzierung wiederhergestellt werden konnte. Das Instrument hat demnach seinen Zweck wirksam erfüllt.
Gleichzeitig wurde die Auswahl an internationalen Finanzhilfeinstrumenten im Zeitraum 2010-2013 um flexiblere und eher vorsorgliche Instrumente erweitert. Im Euro-Währungsgebiet bietet der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) einen umfassenden Instrumentenkasten, um dem Finanzierungsbedarf seiner Mitglieder nachzukommen. In der Union hat der ähnlich wie das Zahlungsbilanzinstrument funktionierende Europäische Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) einen flexibleren Rahmen für Anleihe- und Darlehenstransaktionen zu makrofinanziellen Zwecken geschaffen. Beim Zahlungsbilanzinstrument wurden hingegen keine weiteren Änderungen vorgenommen.
Daher wurde vorgeschlagen, die Regelungen für Kreditlinien in der Zahlungsbilanzverordnung präziser darzulegen und die Vorschriften für Anleihe- und Darlehenstransaktionen an die flexibleren Vorschriften des Europäischen Finanzstabilisierungsmechanismus (EFSM) anzupassen.
Mit der Annahme des „Sechserpakets“ und des „Zweierpakets“ wurde zudem der multilaterale Überwachungsrahmen verbessert. Insbesondere die Verordnung (EU) Nr. 472/2013 über den Ausbau der wirtschafts- und haushaltspolitischen Überwachung enthält eine Reihe von Bestimmungen, die darauf abzielen, eine doppelte Berichterstattungspflicht bei Ländern des Euro-Währungsgebiets, die Finanzhilfe erhalten, zu vermeiden. Dies geschieht, indem das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten und das Europäische Semester ausgesetzt werden und die Überwachung im Rahmen der Finanzierungsvereinbarungen mit diesen Ländern und nicht im Rahmen der präventiven Komponente des Stabilitäts- und Wachstumspakts (SWP) erfolgt. Ferner wird in der Verordnung (EG) Nr. 472/2013 auch ein ganz klarer Rahmen für die Überwachung der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets nach dem Ende des finanziellen Beistands („Überwachung nach Abschluss des Anpassungsprogramms“) festgelegt. Es wurde vorgeschlagen, ähnliche Bestimmungen für nicht dem Euro-Währungsgebiet angehörende Mitgliedstaaten, die über das Zahlungsbilanzinstrument Beistand erhalten, einzuführen.
4.Inhalt des Legislativvorschlags und aktueller Stand
Am 22. Juni 2012 legte die Kommission einen Legislativvorschlag zur Überarbeitung des Zahlungsbilanzinstruments vor (COM(2012) 336 final). Darin wird vorgeschlagen, die Zahlungsbilanzverordnung nicht zu ändern, sondern sie aufzuheben und durch eine neue Verordnung zu ersetzen. Folgende Hauptänderungen am Zahlungsbilanzinstrument sind in dieser neuen Verordnung vorgesehen:
·ein flexiblerer Instrumentenkasten: Bei einem gezielten Kreditlinieninstrument kann es sich um eine vorsorgliche bedingte Kreditlinie („precautionary conditioned credit line“ – PCCL), also eine an bestimmte Anspruchsvoraussetzungen geknüpfte Kreditlinie, handeln oder um eine Kreditlinie mit verschärften Bedingungen („enhanced conditions credit line“ – ECCL), d. h. eine Kreditlinie, die bei Erfüllung bestimmter Anspruchsvoraussetzungen und gleichzeitiger Einleitung neuer politischer Maßnahmen bereitgestellt wird. Der Zugang zu einer vorsorglichen bedingten Kreditlinie ist Mitgliedstaaten vorbehalten, deren wirtschaftliche und finanzielle Lage grundsätzlich noch solide ist und die bestimmte festgelegte Anspruchsvoraussetzungen erfüllen. Zugang zu einer Kreditlinie mit verschärften Bedingungen haben Mitgliedstaaten, die nicht den Anspruchsvoraussetzungen für die Gewährung einer vorsorglichen bedingten Kreditlinie genügen, deren allgemeine wirtschaftliche und finanzielle Lage aber noch solide ist. Diese müssen Korrekturmaßnahmen treffen.
·Ein höheres Maß an Transparenz und Rechenschaftspflicht: Der zuständige Ausschuss des Europäischen Parlaments kann dem betreffenden Mitgliedstaat Gelegenheit zur Teilnahme an einer Aussprache über die bei der Durchführung des Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte geben. Und das nationale Parlament des betreffenden Mitgliedstaats kann seinerseits Vertreter der Kommission zu einem Gedankenaustausch über die bei der Durchführung des makroökonomischen Anpassungsprogramms erzielten Fortschritte einladen.
·Verstärkte Überwachung: ein umfassenderer Zugang der Kommission zu Informationen, die für ein sorgfältiges Monitoring der wirtschaftlichen, haushaltspolitischen und finanziellen Lage des betreffenden Mitgliedstaats und für eine regelmäßige Berichterstattung durch die Kommission benötigt werden. Ein Mitgliedstaat, der einer verstärkten Überwachung unterliegt, muss Maßnahmen zur Behebung der potenziellen Ursachen wirtschaftlicher Schwierigkeiten erlassen.
·Straffung der Überwachungsverfahren: durch das Ersetzen mehrerer Schritte der Überwachung im Rahmen der präventiven Komponente des SWP und des Europäischen Semesters durch das makroökonomische Anpassungsprogramm und dessen Überwachung. Ebenso wird im Rahmen der überarbeiteten Verordnung das Verfahren bei makroökonomischen Ungleichgewichten ausgesetzt, wenn für einen Mitgliedstaat ein makroökonomisches Anpassungsprogramm festgelegt wurde, und eine Überwachung nach Gewährung des finanziellen Beistands bei Mitgliedstaaten verlangt, die weniger als 75 % des erhaltenen Beistands zurückgezahlt haben.
Zusätzlich zu diesen Änderungsvorschlägen der Kommission hat das Europäische Parlament vorgeschlagen, die Möglichkeit einer Darlehensvergabe an Mitgliedstaaten, die nicht dem Euro-Währungsgebiet angehören, zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten einzuführen (indirektes Rekapitalisierungsinstrument). Daraufhin hat die Kommission zugestimmt, näher auszuführen, dass das Instrument für den durch die Notwendigkeit zur Rekapitalisierung von Finanzinstituten entstehenden Finanzierungsbedarf genutzt und die erforderlichen Auflagen angepasst werden können, um vorrangig diesen Problemen zu begegnen.
Der Rat hat den geänderten Kommissionsvorschlag zum letzten Mal im Dezember 2013 erörtert, um zu einem gemeinsamen Standpunkt zu gelangen. Mit Ausnahme eines Mitgliedstaates stieß der Vorschlag auf breite Zustimmung. Seither gab es im Legislativverfahren keine Entwicklungen.
5.Schlussfolgerungen und Empfehlungen
Seit dem Jahr 2012 hat das Zahlungsbilanzinstrument seinen Zweck wirksam erfüllt, denn auch die jüngsten Empfängerländer konnten eine tragfähige Zahlungsbilanzposition wiederherstellen und den Beistand fristgerecht zurückzahlen.
Der Plafond für ausstehende Darlehensbeträge in Höhe von 50 Mrd. EUR scheint angemessen. Da das Instrument derzeit noch über eine Kapazität von 45,8 Mrd. EUR verfügt und keine weiteren Ersuchen eingegangen sind, muss der Plafond nicht angepasst werden.
Es hat sich in der Vergangenheit als äußerst wirksam herausgestellt und sendet ein klares Signal, dass die Union sowohl gewillt als auch in der Lage ist, allen Mitgliedstaaten in schwierigen Zeiten beizustehen. Angesichts der unsicheren Zeiten ist dies ganz besonders wichtig.
Gleichzeitig wurde deutlich, dass das Instrument angepasst werden muss, um den institutionellen Neuerungen, die seit der letzten Überarbeitung des Zahlungsbilanzinstruments insbesondere im Euro-Währungsgebiet stattgefunden haben, Rechnung zu tragen. Aus diesem Grund legte die Kommission den Vorschlag COM(2012) 336 final vor, der derzeit noch im Rat erörtert wird. Die Kommission schlägt vor, das Legislativverfahren zum Abschluss zu bringen, da damit das Verfahren verbessert und für mehr Wettbewerbsgleichheit zwischen den Mitgliedstaaten gesorgt werden kann. Der Kommission zufolge sollten zudem die sich verändernden politischen Rahmenbedingungen genutzt werden, um dem Vorschlag neuen Schwung zu verleihen.