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Document 52015DC0422

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über Haftung, Schadenersatz und Deckungsvorsorge für Offshore-Erdöl- und -Erdgasaktivitäten gemäß Artikel 39 der Richtlinie 2013/30/EU

COM/2015/0422 final

Brüssel, den 14.9.2015

COM(2015) 422 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über Haftung, Schadenersatz und Deckungsvorsorge für Offshore-Erdöl- und
-Erdgasaktivitäten gemäß Artikel 39 der Richtlinie 2013/30/EU

{SWD(2015) 167 final}


Einführung

Dieser Bericht gibt einen Überblick über die Regelung der Haftung für Schäden aus Offshore-Unfällen bei der Prospektion, Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas in der EU. Es wird analysiert, wie Europa mit einer Reihe gesellschaftlicher Probleme im Zusammenhang mit Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten umgeht: Erstens, wer haftet wem gegenüber für welche Arten von Schäden und Verlusten? Zweitens, wie kann sichergestellt werden, dass haftende Parteien über ausreichende finanzielle Mittel verfügen, damit sie für die Schäden und Verluste, für die sie haftbar sind, einen gerechten Ersatz gewährleisten können. Und drittens, wie sollte der Schadenersatz geleistet werden, damit er die Ersatzberechtigten schnell erreicht und Kaskadeneffekte in anderen Wirtschaftsbereichen möglichst vermieden werden.

Seit 1988 kam es in der EU zu keinen größeren Offshore-Unfällen, und 73 % der Erdöl- und Erdgasförderungen in der EU werden von Nordsee-Mitgliedstaaten getätigt, die anerkanntermaßen bereits die weltweit besten Offshore-Sicherheitsvorkehrungen anwenden. Dennoch schuf die EU infolge der Deepwater-Horizon-Katastrophe im April 2010 im Golf von Mexiko einen gemeinsamen Rechtsrahmen für Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten, um die Sicherheits- und Umweltschutzstandards aller Offshore-Tätigkeiten in der EU weiter zu erhöhen und zu vereinheitlichen. In der Richtlinie 2013/30/EU 1 (im Folgenden „Offshore-Sicherheitsrichtlinie“) werden die Bestandteile eines solchen umfassenden EU-weiten Rahmens für die Verhütung schwerer Unfälle und die Eindämmung ihrer Folgen festgelegt. Die Ratifizierung des Offshore-Protokolls zum Barcelona-Übereinkommen durch den Rat 2 war eine weitere wichtige Reaktion der EU auf die Deepwater-Horizon-Katastrophe.

Mit der Offshore-Sicherheitsrichtlinie wurde eine harmonisierte EU-weit geltende Regelung geschaffen, die einen zielsetzenden Rechtsrahmen festlegt, in dessen Mittelpunkt der Begriff der „Sicherheitsanalyse“ (ein Bericht über ernste Gefahren) steht. Durchgesetzt wird der Rechtsrahmen von Offshore-Regulierungsbehörden, deren Zuständigkeit und Unabhängigkeit durch die Offshore-Sicherheitsrichtlinie gestärkt werden soll. Außerdem fördert die Richtlinie die wirksame Zusammenarbeit zwischen diesen Regulierungsbehörden. Ferner führt die Offshore-Sicherheitsrichtlinie EU-weit geltende Transparenzvorschriften ein, die auch den Austausch von Informationen über Unfälle und Beinahe-Unfälle sowie über andere Indikatoren für die Sicherheitsbilanz der Industrie und der Regulierer in diesem Bereich vorsehen.

Was die Haftung für Offshore-Unfälle und deren Folgen angeht, so weist die Offshore-Sicherheitsrichtlinie die Verantwortung unmissverständlich den Inhabern von Offshore-Lizenzen zu, d. h. den einzelnen oder gemeinschaftlichen Inhabern einer gemäß der Richtlinie 94/22/EG 3 erteilten Genehmigung zur Durchführung von Tätigkeiten der Prospektion, Exploration und Förderung von Erdöl- und Erdgas. Sie erlegt den Lizenzinhabern auch eine strikte Haftung für alle Umweltschäden auf, die sich aus deren Tätigkeiten ergeben. Ziel der Offshore-Sicherheitsrichtlinie ist jedoch nicht die Harmonisierung der Haftungsvorschriften für andere Arten von Schäden und Verlusten, die durch Offshore-Tätigkeiten verursacht werden. Dies entspricht der ergebnisoffenen Analyse in der Folgenabschätzung 4 , die im Zuge der Ausarbeitung der Richtlinie durchgeführt wurde.

Mit dem vorliegenden Bericht erfüllt die Kommission ihre Verpflichtungen aus Artikel 39 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie, wonach sie Berichte zu folgenden Themen vorzulegen hat:

eine Beurteilung der Wirksamkeit der Haftungsregelungen in der Union in Bezug auf die durch Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten verursachten Schäden, einschließlich einer Beurteilung, ob es angemessen wäre, die Haftungsvorschriften auszuweiten;

eine Beurteilung, ob es angemessen wäre, bestimmte Verhaltensweisen, die zu schweren Unfällen führen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie 2008/99/EG über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt 5 einzubeziehen;

eine Beschreibung der Verfügbarkeit geeigneter Instrumente der Deckungsvorsorge für Offshore-Aktivitäten und

eine Beschreibung der Bearbeitung von Schadenersatzforderungen in Bezug auf Offshore-Unfälle.

Diese Themen sind eng miteinander verknüpft, weshalb ihre gemeinsame Behandlung in einem Bericht eine kohärente Analyse erleichtert. Eine Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen, SWD(2015) 167 final 6 , im Folgenden die „Arbeitsunterlage zur Haftung“, enthält weitere Einzelheiten zu den behandelten Fragen sowie zu den Analysen, die in Vorbereitung dieses Berichts von der Kommission intern angefertigt und in ihrem Auftrag von externen Experten und Interessenträgern durchgeführt wurden.

Im Mittelpunkt dieses Berichts und der beigefügten Arbeitsunterlage zur Haftung stehen die an Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten beteiligten Mitgliedsländer des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Diese Staaten sind (in alphabetischer Reihenfolge): Bulgarien, Dänemark, Deutschland, Frankreich, Griechenland, Irland, Island, Italien, Kroatien, Lettland, Litauen, Malta, Niederlande, Norwegen, Polen, Portugal, Rumänien, Spanien, Vereinigtes Königreich und Zypern. Tätigkeiten außerhalb des EWR wurden nicht berücksichtigt.

VERHÄLTNIS ZWISCHEN UMWELT-, ZIVIL- UND STRAFRECHTLICHER HAFTUNG

Es gilt, zwischen verschiedenen Arten der Haftung zu unterscheiden. Erstens gibt es die zivilrechtliche Haftung für Schäden, die natürlichen oder juristischen Personen entstehen. Zu den Schäden und Verlusten in dieser großen Kategorie gehören Personenschäden, Sachschäden und wirtschaftliche Verluste. Diese Schäden werden im EU-Recht üblicherweise als „Schäden Dritter“ (d. h. als Fremdschäden) oder „Schäden im herkömmlichen Sinn“ bezeichnet. Im besonderen Fall des wirtschaftlichen Verlusts wird in einigen Rechtsordnungen weiter unterschieden zwischen einem wirtschaftlichen Folgeverlust, der infolge von Personen- oder Sachschäden eintritt, und einem reinen wirtschaftlichen Verlust, bei dem kein Personen- oder Sachschaden vorliegt.

Zweitens gibt es die Haftung für Umweltschäden im Sinne der Umwelthaftungsrichtlinie 7 , d. h. die Haftung für die Schädigung geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume, der Gewässer und des Bodens. Diese Umwelthaftung beruht auf einem Schadensbegriff aus öffentlicher Sicht, bei dem keine konkrete natürliche oder juristische Person betroffen ist, sondern – wegen des öffentlichen und universellen Charakters der Folgen, die sich aus einer Schädigung gemeinsamer natürlicher Ressourcen ergeben – die Gesellschaft als Ganzes. Die Rolle des Geschädigten übernehmen dabei die Behörden, deren Aufgabe es ist, dafür zu sorgen, dass Verschmutzer für die von ihnen verursachten Umweltschäden aufkommen. Es ist daher Sache der zuständigen Umweltschutzbehörde, zu gewährleisten, dass der haftbare Betreiber ermittelt und der ursächliche Zusammenhang festgestellt wird, dass ein Sanierungsplan aufgestellt und angenommen wird und dass die erforderlichen Vermeidungs- oder Sanierungstätigkeiten durchgeführt werden 8 .

Drittens gibt es die strafrechtliche Haftung, d. h. die Haftung für strafbare Handlungen, die rechtlich als solche eingestuft sind. Zwischen zivilrechtlicher Haftung und Umwelthaftung einerseits und strafrechtlicher Haftung andererseits besteht ein grundsätzlicher Unterschied. Während die Haftungsregeln der ersteren grundsätzlich 9 nur finanzielle Sanktionen nach sich ziehen und einen Schadenersatz oder die Wiedergutmachung des verursachten Schaden bezwecken, geht es bei der strafrechtlichen Haftung um die Bestrafung rechtswidrigen Handelns, wobei sowohl Freiheitsstrafen als auch Geldstrafen oder andere Strafmaßnahmen ohne Freiheitsentzug verhängt werden können.

ANGEMESSENHEIT DER STRAFRECHTLICHEN HAFTUNG FÜR OFFSHORE-UNFÄLLE UND DEREN FOLGESCHÄDEN

Der EuGH bestätigte im Jahr 2005 10 , dass die Europäische Gemeinschaft die Zuständigkeit für den Erlass strafrechtlicher Maßnahmen zum Schutz der Umwelt hat, soweit dies erforderlich ist, um eine effiziente Durchführung ihrer Umweltpolitik zu gewährleisten. Auf der Grundlage dieser Rechtsprechung wurde durch die Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt – die erste EU-Richtlinie mit strafrechtlichen Bestimmungen – im Jahr 2008 eine Liste von Umweltstraftaten aufgestellt, die von den Mitgliedstaaten unter Strafe gestellt werden müssen, wenn sie vorsätzlich oder grob fahrlässig begangen werden. Die EU führte somit einheitliche strafrechtliche Sanktionen für Verstöße gegen EU-Umweltvorschriften ein, die zusätzlich zu den bereits bestehenden, auf Schadenersatz ausgerichteten zivilrechtlichen Sanktionen gelten.

Gemäß der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt müssen die Mitgliedstaaten strafrechtliche Sanktionen für bestimmte Handlungen verhängen, durch die der Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Person oder erhebliche Schäden hinsichtlich der Luft, Boden oder Wasserqualität sowie an Tieren oder Pflanzen verursacht werden oder verursacht werden können. Der Anwendungsbereich dieser Richtlinie ist jedoch beschränkt, denn die Richtlinie stellt nur Verstöße gegen bestimmte, in ihren Anhängen aufgeführte EU-Rechtsvorschriften unter Strafe. Solche Handlungen sind beispielsweise die unrechtmäßige Ableitung von Gefahrstoffen in Oberflächengewässer, wenn dadurch der Tod oder eine schwere Körperverletzung einer Person oder erhebliche Umweltschäden verursacht werden oder verursacht werden können, die unrechtmäßige Verbringung von Abfällen aus der Europäischen Union nur dann, wenn erhebliche Mengen betroffen sind und eine eindeutige Gewinnerzielungsabsicht besteht, und die unrechtmäßige Ausfuhr von ozonabbauenden Stoffen in Entwicklungsländer, aber nicht die Tätigkeiten, die unter die Offshore-Sicherheitsrichtlinie fallen.

Nach Artikel 39 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie soll daher erwogen werden, bestimmte Verhaltensweisen, die zu Offshore-Unfällen führen, durch eine EU-Regelung in den Anwendungsbereich des Strafrechts aufzunehmen. Eine strafrechtliche Haftung für Verletzungen der Offshore-Sicherheit hätte zwar keine direkten Auswirkungen auf die Wiedergutmachung des verursachten Schadens, würde aber über die Umwelt- und zivilrechtliche Haftung hinaus eine separate Abschreckungsstufe einführen, die zur Verbesserung des Umweltschutzes und der Einhaltung der Offshore-Sicherheitsvorschriften beitragen würde.

In einigen Berichtsstaaten fallen Verletzungen der Offshore-Sicherheit bereits in den Anwendungsbereich des Strafrechts. So enthält das Strafrecht sowohl im Vereinigten Königreich als auch in Dänemark Bestimmungen, die die Nichteinhaltung bestimmter Vorschriften unter Strafe stellen. 11 Aber weder die Straftatbestände noch die Art und Höhe der zu verhängenden Mindeststrafen sind in der EU harmonisiert. Es bestehen strenge rechtliche Voraussetzungen, die erfüllt sein müssen, bevor Offshore-Sicherheitsverletzungen durch EU-Recht unter Strafe gestellt werden können. Der Artikel 83 Absatz 2 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union bildet die Rechtsgrundlage für Mindestvorschriften zur Festlegung von Straftatbeständen und Strafen auf einem bestimmten Gebiet der EU-Politik. Er verleiht dem EU-Gesetzgeber ausdrücklich die Befugnis zum Erlass von „Mindestvorschriften für die Festlegung von Straftaten und Strafen auf dem betreffenden Gebiet“, wenn dies „unerlässlich [ist] für die wirksame Durchführung der Politik der Union auf einem Gebiet, auf dem Harmonisierungsmaßnahmen erfolgt sind“.

Bevor die EU strafrechtliche Maßnahmen erlassen kann, muss daher geprüft werden, ob diese Maßnahmen für die wirksame Durchführung der EU-Politik „unerlässlich“ sind. Voraussetzung für die Entscheidung, Verstöße gegen die Offshore-Sicherheitsrichtlinie in den Anwendungsbereich des Strafrechts aufzunehmen, ist daher eine sorgfältige Prüfung der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit, um festzustellen, ob strafrechtliche Maßnahmen unerlässlich sind, um das genannte Ziel zu erreichen. Dies kann erst geschehen, nachdem die Offshore-Sicherheitsrichtlinie in ihrer gegenwärtigen Form in das nationale Recht der Berichtsstaaten umgesetzt wurde und erste Erfahrungen bezüglich ihrer Wirksamkeit gesammelt wurden. 12 Die Mitgliedstaaten haben noch keine Sanktionen für Verstöße gegen die nationalen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie festgelegt. Die Umsetzungsfrist für die Richtlinie lief am 19. Juli 2015 ab. Die Festlegung von Sanktionen kann entweder im Zuge der Umsetzung selbst oder anschließend im Zuge der Durchführung der Vorschriften erfolgen. Daher ist es noch zu früh, um zu beurteilen, ob von den Sanktionen, die die Berichtsstaaten im Zusammenhang mit der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie und ihrer anschließenden Durchführung festzulegen haben, eine ausreichende und EU-weit gleichartige Abschreckungswirkung ausgeht oder ob sich strafrechtliche Maßnahmen der EU als unerlässlich erweisen, um die effektive Sicherheit der Offshore-Aktivitäten vollständig zu gewährleisten. 13

Sollte künftig festgestellt werden, dass die Offshore-Sicherheitsrichtlinie in ihrer gegenwärtigen Form die angestrebte Sicherheit der Offshore-Aktivitäten nicht hinreichend gewährleisten kann und es daher unerlässlich ist, ihre Ziele mit einer strafrechtlichen Haftung für Offshore-Sicherheitsverletzungen zu verknüpfen, könnte eine solche Haftung durch die Änderung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie mittels einer neuen Bestimmung in diese Richtlinie eingeführt werden. Sie könnte aber auch in Form eines eigenständigen neuen Rechtsakts eingeführt werden. Die kohärenteste Vorgehensweise wäre allerdings eine Harmonisierung der strafrechtlichen Sanktionen durch die Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt. Auf diese Weise würde die Schaffung einer neuen Norm für strafrechtliche Sanktionen gegenüber der durch die Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt festgelegten Norm vermieden. Aus diesem Grund sieht auch Artikel 39 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie vor, dass strafrechtliche Maßnahmen gegen Verletzungen dieser Richtlinie auf dem Wege der Änderung der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt festgelegt werden sollen. Praktisch würde dies bedeuten, dass der Anhang A der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt zu ändern wäre, um die Offshore-Sicherheitsrichtlinie in die Liste der Rechtsvorschriften aufzunehmen, deren Verletzung eine rechtswidrige Handlung darstellt.

Schlussfolgerungen und Vorschläge

Durch Artikel 39 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie wird die Kommission beauftragt zu prüfen, ob es angemessen ist, bestimmte Verhaltensweisen, die zu einem schweren Unfall führen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt aufzunehmen. Es ist jedoch derzeit noch zu früh für eine angemessene Beurteilung, ob strafrechtliche Maßnahmen der EU unerlässlich sind, um ein wirksames Offshore-Sicherheitsniveau in der Union zu erreichen. Um zu einer Schlussfolgerung darüber zu gelangen, ob bestimmte Verhaltensweisen, die zu einem schweren Unfall führen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt aufgenommen werden sollten, muss die EU erst noch Erfahrungen mit der Wirksamkeit der Offshore-Sicherheitsrichtlinie sammeln.

Die Kommission wird bis zum 19. Juli 2019 einen ersten Bericht über die Durchführung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie ausarbeiten. Es wird wichtig sein, dass die Kommission dann auf dieses Thema zurückkommt und dass die Mitgliedstaaten bestimmen, ob es angemessen ist, Verhaltensweisen, die zu einem schweren Unfall führen, in den Anwendungsbereich der Richtlinie über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt aufzunehmen. In der Zwischenzeit kann die Kommission dafür sorgen, dass die Mitgliedstaaten ihre Erfahrungen in Bezug auf strafrechtliche Sanktionen und das Risikomanagement in Unternehmen aus den verschiedensten Wirtschaftsbereichen austauschen.

Dementsprechend geht es im übrigen Teil dieses Berichts nur noch um die zivilrechtliche Haftung und die Umwelthaftung für Offshore-Unfälle.

WIRKSAMKEIT DER HAFTUNGSREGELUNG

Die Wirksamkeit von Haftungsregelungen kann danach beurteilt werden, wie eindeutig sie definieren, a) wer b) für welche Arten von Schäden und Verlusten c) wem gegenüber haftet.

a) Wer haftet?

Die Offshore-Sicherheitsrichtlinie führt in dieser Hinsicht zwei wichtige Harmonisierungselemente ein.

Erstens weist die Richtlinie die Haftung stets den Lizenzinhabern zu (d. h. den einzelnen oder gemeinschaftlichen Inhabern einer gemäß der Richtlinie 94/22/EG erteilten Genehmigung zur Durchführung von Tätigkeiten der Prospektion, Exploration und Förderung von Erdöl- und Erdgas). Die Festlegung dieses Grundsatzes in der Offshore-Sicherheitsrichtlinie ist wichtig, denn sie sorgt für vollständige rechtliche Klarheit und soll sicherstellen, dass die Lizenzinhaber die primäre Verantwortung für die Beherrschung der aus ihren Aktivitäten resultierenden Risiken übernehmen.

Zweitens werden hinsichtlich der Umweltschäden aus Offshore-Unfällen durch die von der Offshore-Sicherheitsrichtlinie eingeführten Bestimmungen auch die unter die Umwelthaftungsrichtlinie fallenden Offshore-Aktivitäten erfasst. 14 Das bedeutet, dass für Umweltschäden heute eine verschuldensunabhängige Haftung gilt, wodurch jeder Lizenzinhaber stets für derartige Schäden haftet, wenn ein ursächlicher Zusammenhang festgestellt wird, ohne dass ihm Fahrlässigkeit nachgewiesen werden muss.

Die Offshore-Sicherheitsrichtlinie hat zwar diese beiden Aspekte der Haftung für Offshore-Unfälle harmonisiert, sie hat aber keine Harmonisierung in Bezug auf zivilrechtliche Schäden bewirkt. In dieser Hinsicht fallen Offshore-Unfälle meistens unter das Deliktsrecht der Berichtsstaaten, und es bestehen erhebliche Unterschiede darin, wie das nationale Recht Lizenzinhaber, die zivilrechtliche Schäden durch Fahrlässigkeit verursacht haben, gegenüber Lizenzinhabern behandelt, die keine allgemeinen Sorgfaltspflichten verletzt haben.

Während die Feststellung eines ursächlichen Zusammenhangs zwischen der Tätigkeit und dem Schaden immer erforderlich ist, gilt häufig die Fahrlässigkeitsregel, was bedeutet, dass die Gerichte zunächst feststellen müssen, dass die haftende Partei eine allgemeine Sorgfaltspflicht verletzt hat, damit eine zivilrechtliche Haftung begründet und ein entsprechender Schadenersatz zugesprochen werden kann. Ob für zivilrechtliche Schäden die Fahrlässigkeitsregel oder eine verschuldensunabhängige Haftung gilt, ist von Land zu Land unterschiedlich und hängt von der Art der Schäden und Verluste ab. 15

b) Wofür wird gehaftet?

Die Haftung für Umweltschäden aus Offshore-Unfällen besteht aufgrund der Umwelthaftungsrichtlinie in der gesamten EU. Diese Richtlinie legt auch den Schadensumfang fest, für den Wiedergutmachung und Entschädigung zu leisten sind. Dementsprechend haften die Lizenzinhaber überall in der EU für die Schädigung geschützter Arten oder natürlicher Lebensräume im Sinne der Vogelschutzrichtlinie 16 und der Habitatrichtlinie 17 sowie für die Schädigung der Gewässer im Sinne der Wasserrahmenrichtlinie 18 und der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie 19 . Sie müssen die Behörden für sämtliche Arbeiten entschädigen, die unternommen werden, um die Umwelt in ihren Ausgangszustand zurückzuversetzen, oder diese Arbeiten selbst durchführen.

Wenngleich das EU-Recht die Haftung für Umweltschäden harmonisiert hat und das Recht der Berichtsstaaten Ersatzansprüche bei Personen- oder Sachschäden aus Offshore-Unfällen stets zulässt, bestehen bei anderen Arten wirtschaftlicher Verluste erhebliche Unterschiede. So unterscheiden sich die Rechtsvorschriften der Berichtsstaaten beispielsweise darin, wie unmittelbar der Kausalzusammenhang zwischen einem Unfall und einem Haftungsanspruch wegen wirtschaftlicher Verluste sein muss, damit ein Schadenersatz in Betracht kommt („Unmittelbarkeitsklauseln“). In Zypern oder im Vereinigten Königreich sind dementsprechend weitreichende Haftungsansprüche wegen wirtschaftlicher Schäden ausgeschlossen, wenn keine Personen- oder Sachschäden entstanden sind („Ausschlussklauseln“).

Es bestehen auch Unterschiede darin, ob und wie die Rechtsvorschriften der Berichtsstaaten besondere Regelungen für Wirtschaftszweige vorsehen, die in ihrer Wirtschaftstätigkeit auf einen guten Zustand der gemeinsamen Meeresumwelt angewiesen sind, beispielsweise für den Fischereisektor. Wie die Erfahrungen zeigen, können diese Sektoren, in denen häufig zahlreiche kleine und mittlere Unternehmen tätig sind, infolge eines schweren Offshore-Unfalls erhebliche wirtschaftliche Verluste erleiden. 20

Norwegen hat in dieser Hinsicht den wahrscheinlich umfassendsten Rechtsrahmen zur Regelung der zivilrechtlichen Haftung für Offshore-Verschmutzungen geschaffen. Er sieht nicht nur die verschuldensunabhängige Haftung für Personen- und Sachschäden sowie für wirtschaftliche Verluste, einschließlich reiner wirtschaftlicher Verluste 21 vor, sondern schreibt zudem ausdrücklich vor, dass finanzielle Verluste, die norwegischen Fischern infolge von Erdölaktivitäten entstehen ersatzfähig sind 22 .

c) Wem gegenüber wird gehaftet? Wer kann Schadenersatz beanspruchen?

Der Anspruch auf Schadenersatz kann auf Rechtsvorschriften (dies ist der Regelfall im Offshore-Sektor) oder auf Vertragsbestimmungen gestützt werden und wird grundsätzlich aufgrund einer vom Geschädigten eingereichten Klage gewährt. In besonderen Fällen kann der Schadenersatz auch „automatisch“ gewährt werden (d. h. der Betroffene muss dafür wenig unternehmen), z. B. bei Opt-out-Gruppenklagen 23 oder wenn dies in Rechtsvorschriften oder Vertragsbestimmungen vorgesehen ist.

Als Verteidiger des öffentlichen bzw. gemeinsamen Interesses erheben Behörden Klage gegen für Umweltschäden haftende Parteien. Im Falle zivilrechtlicher Schäden und Verluste ist jede juristische oder natürliche Person, die infolge von Offshore-Aktivitäten einen Schaden oder Verlust erlitten hat, klageberechtigt, da die Gleichheit vor dem Gesetz in den Rechtsordnungen der Berichtsstaaten fest verankert ist.

Es stellt sich jedoch die berechtigte Frage, ob und in welchem Umfang Schadensverursacher gegenüber Geschädigten in anderen Ländern für ihre Aktivitäten haften. In dieser Hinsicht sind drei miteinander verknüpfte Fragen zu klären:

1.    Gerichtsstand: Welche Gerichte sind für den Fall zuständig?

2.    Rechtswahl: Welches Recht ist anzuwenden?

3.    Ausländische Entscheidungen: Wird ein Urteil in einem anderen Land anerkannt und vollstreckt?

Diese Fragen werden durch zwei bestehende EU-Verordnungen geregelt. Was die Frage der gerichtlichen Zuständigkeit angeht, gibt die Brüssel-I-Verordnung 24 Geschädigten von Offshore-Unfällen das Recht, gegen Verursacher mit Sitz in der Union entweder in dem Land, in dem der Beklagte seinen Sitz hat, oder in dem Land, in dem sich der Unfall ereignet hat, oder aber in dem Land, in dem der Schaden eingetreten ist, Klage einzureichen. Aufgrund des Lugano-Übereinkommens von 2007 25 finden diese Vorschriften auch in Norwegen und Island Anwendung.

Das bedeutet zum Beispiel, dass eine (natürliche oder juristische) Person in den Niederlanden, die einen Schaden aus einem Offshore-Unfall erlitten hat, der in britischen Gewässern von einem italienischen Unternehmen verursacht wurde, entweder vor niederländischen, britischen oder italienischen Gerichten Schadenersatzklage einreichen kann, je nachdem, wo sie mit der angemessensten Behandlung und dem besten Verfahrensausgang rechnet.

Was die zweite und dritte Frage bezüglich der Rechtswahl und der Anerkennung ausländischer Urteile angeht, findet nach der Rom-II-Verordnung 26 auf Fälle der außervertraglichen Haftung für Offshore-Unfälle das Recht des Landes Anwendung, in dem der Schaden eingetreten ist, und zwar unabhängig vom Unfallort. Handelt es sich um Umweltschäden oder um Personen- oder Sachschäden, können sich die Geschädigten auch auf das Recht des Landes berufen, in dem der Unfall geschehen ist. Das anwendbare Recht kann das Recht eines Mitgliedstaats oder eines Drittlands außerhalb der EU sein. 27

Das bedeutet zum Beispiel, dass ein norwegischer Geschädigter für Schäden aus einem Ölaustritt infolge eines Offshore-Unfalls in den Niederlanden wahlweise nach norwegischem oder niederländischem Recht Schadenersatz beanspruchen kann, je nachdem, was ihm günstiger erscheint.

Bewertung der Wirksamkeit der Haftungsregelungen und der Angemessenheit einer Ausweitung der Haftungsvorschriften

Wie oben skizziert und ausführlich in der Arbeitsunterlage zur Haftung dargelegt, haben die Berichtsstaaten bereits Haftungsregelungen für Personen- und Sachschäden und ist die Umwelthaftung durch EU-Recht harmonisiert worden. Allerdings gehen die Berichtsstaaten unterschiedlich mit der Haftung für Offshore-Unfälle um und können sie in verschiedenem Maße einschränken. Während beispielsweise das Recht Zyperns und des Vereinigten Königreichs eher dazu neigen, die Haftung einzuschränken, indem sie bei einem wirtschaftlichen Schaden den Nachweis der Fahrlässigkeit oder eines unmittelbaren Kausalzusammenhangs fordern, erscheint das Recht anderer Berichtsstaaten wie Dänemark, Frankreich, Island, Niederlande und Norwegen für die Geschädigten günstiger. 28

Trotz der Unterschiede zwischen den Berichtsstaaten ist es jedoch schwierig, einzelne Staaten bei der Behandlung möglicher Schadenersatzansprüche aus Offshore-Unfällen als weniger wirksam einzustufen.

Zudem kann sich die Situation zumindest in einigen nationalen Systemen auch ändern. So haben mehrere Mitgliedstaaten in Kontakten mit der Kommission (sowie auf Sitzungen der EU-Gruppe der für Offshore-Aktivitäten zuständigen Behörden – EUOAG 29 ) ihre Bereitschaft erklärt, ihre bestehenden Haftungsregelungen für Offshore-Unfälle im Zusammenhang mit der Verpflichtung zur Schaffung von Schadenersatzverfahren gemäß Artikel 4 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie zu überprüfen. Änderungen bei der Behandlung zivilrechtlicher Haftungsansprüche sind zwar in der Richtlinie nicht ausdrücklich vorgesehen, da aber Haftung und Schadenersatz eng miteinander verbunden sind, könnten Änderungen in der einen Sache auch Änderungen in der anderen erforderlich machen. Die Verpflichtung nach Artikel 4 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie könnte daher eine Ausweitung der Haftungsvorschriften in einigen Berichtsstaaten nach sich ziehen.

Eine Ausweitung der Haftungsvorschriften auf EU-Ebene könnte dazu führen, dass die verschuldensunabhängige Haftung auf weitere Kategorien zivilrechtlicher Schäden und Verluste in den Berichtsstaaten ausgeweitet wird und dass weitere Arten wirtschaftlicher Verluste für Schadenersatz in Betracht kommen, insbesondere die Arten wirtschaftlicher Verluste, von denen der Fischereisektor und die lokale Wirtschaft in den Küstenregionen (z. B. Fremdenverkehrsziele an den Küsten) betroffen sind. Soweit Ersatzansprüche aufgrund wirtschaftlicher Verluste wegen unklar formulierter Rechtsvorschriften unsicher erscheinen, könnte durch eine besondere Bezugnahme klargestellt werden, welche Arten von Schäden durch Offshore-Unfälle verursacht werden können und wer davon betroffen sein könnte. Das bestehende Recht scheint den grenzüberschreitenden Rechtsschutz zwar bereits umfassend zu gewährleisten, doch könnte eine Ausweitung der Haftungsvorschriften durch Aufnahme von Opt-out-Gruppenklagen bei Offshore-Unfällen die Durchsetzung von Ersatzansprüchen erleichtern.

Dafür spricht, dass eine Haftbarmachung der Unternehmen für alle Schäden und Verluste, die durch Offshore-Unfälle verursacht werden, den Rechtsschutz für Geschädigte erleichtern würde. Unternehmen würden auf diese Weise dazu angehalten, angemessene Vorsichtsmaßnahmen zu treffen und sicherere Arbeitsweisen zu entwickeln. Außerdem würde dies dazu beitragen, dass Offshore-Aktivitäten überhaupt nur dann unternommen würden, wenn ihr Nutzen die damit verbundenen Risiken überwiegt.

Andererseits ist eine Begrenzung der Haftung aus praktischen Gründen nötig. So können vor allem Streitfälle infolge von Ölverschmutzungen kompliziert sein und es erforderlich machen, einen Ausgleich zwischen der Notwendigkeit einer angemessenen Entschädigung und der Abwehr „ungerechtfertigter“ Ansprüche zu finden. Wirtschaftliche Verluste sind regelmäßig in einer Kette miteinander verknüpft, so dass genau festgelegte Haftungsparameter nötig sind, um eine überzogene Haftung zu vermeiden, die einem Missbrauch Tür und Tor öffnen würde 30 , und zwar im Interesse eines wünschenswerten Ausschlusses indirekter, spekulativer Haftungsforderungen. Die Rechtstradition bestimmt, wie in den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten zwischen rechtmäßigen Ansprüchen und gewöhnlichen Risiken eines Wirtschaftsteilnehmers unterschieden wird.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Trotz der Unterschiede beim Rechtsschutz im Falle von Offshore-Unfällen, wie er in den nationalen Haftungsregelungen vorgesehen ist, lässt sich gegenwärtig nicht feststellen, dass einer der derzeitigen Ansätze der zivilrechtlichen Haftung in den Berichtsstaaten bezüglich der Erreichung des Ziels der Offshore-Sicherheitsrichtlinie, nämlich der Gewährleistung der Sicherheit von Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten in der EU, weniger wirksam wäre als andere.

Es steht jedoch außer Frage, dass die Mitgliedstaaten im Zuge der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie in nationales Recht zu prüfen haben werden, auf welche Weise das allgemeine öffentliche Interesse im Einklang mit den Schadenersatzvorschriften des Artikels 4 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie durch ihre Haftungsvorschriften geschützt werden kann. Da es für einen angemessenen Umgang mit Schadenersatzforderungen nötig sein kann, die dem Schadenersatz zugrunde liegenden Haftungsregelungen zu ändern, könnten einige Mitgliedstaaten ihre nationalen Regelungen zur Bestimmung des Haftungsumfangs bei Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten überarbeiten.

Außerdem sollten die Mitgliedstaaten bei der Überarbeitung ihrer Haftungsregelungen im Zusammenhang mit der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie in nationales Recht erwägen, besondere Vorschriften für Wirtschaftszweige zu erlassen, die bei Offshore-Unfällen besonders gefährdet sind, ohne dadurch aber eine allgemeine Rechtsunsicherheit bezüglich der Höhe der finanziellen Haftung zu schaffen und so die wirtschaftliche Nutzung von Offshore-Erdöl- und Erdgasressourcen zu beeinträchtigen. Dabei sollte davon ausgegangen werden, welche maßgeblichen nationalen Unterschiede bei den wirtschaftlichen Vorteilen und Risiken der Offshore-Tätigkeiten bestehen und welche Branchen von Offshore-Unfällen in den verschiedenen Mitgliedstaaten betroffen wären. So sollte beispielsweise ein Mitgliedstaat mit bedeutenden Offshore-Aktivitäten und einem großen Fischereisektor oder Küstenfremdenverkehr prüfen, ob es wünschenswert wäre, die besonderen Vorschriften für wirtschaftliche Schäden in diesen Sektoren zu stärken – wie Norwegen es bereits für seinen Fischereisektor getan hat.

Darüber hinaus müssen die Berichtsstaaten aufgrund der Brüssel-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung potenzielle Schäden, die ihre Lizenzinhaber und Betreiber in anderen Hoheitsgebieten verursachen könnten, in ihren Deckungsvorsorgeanforderungen berücksichtigen. Wegen der großen geografischen Reichweite schwerer Unfälle und der Möglichkeit strengerer zivilrechtlicher Haftungsregelungen in anderen Ländern könnten solche Schäden viel höher sein als die im Inland verursachten Schäden.

Die Kommission ist in der Lage, auf diese besonderen Umsetzungsprobleme hinzuweisen, und zwar über Gremien wie die EU-Gruppe der für Offshore-Aktivitäten zuständigen Behörden (EUOAG), aber auch gemeinsam mit den nationalen Behörden, der Erdöl- und Erdgasindustrie, anderen Branchen und der Zivilgesellschaft. Sie hat dieses Thema regelmäßig auf die Tagesordnung der EUOAG-Sitzungen gesetzt und wird es auch weiterhin in besonderen Seminaren und Zusammenkünften zum strukturierten Austausch bewährter Verfahren zur Sprache bringen.

Die Kommission sollte aber mehr tun, als nur die Diskussion mit Interessenträgern anzuregen, und dafür sorgen, dass alle Mitgliedstaaten die oben angesprochenen Punkte aufgreifen. Sie sollte im Zuge der Umsetzungskontrolle gezielt überprüfen, inwiefern diese die Haftungs- und Entschädigungsvorschriften der Offshore-Sicherheitsrichtlinie einhalten. Gleichzeitig wird die Kommission die EUOAG-Sitzungen nutzen, um systematisch Daten über alle haftungsbezogenen Aspekte der von den Mitgliedstaaten neu erlassenen Umsetzungsvorschriften zu erfassen.

Diese drei Maßnahmen werden es der Kommission ermöglichen, in ihrem ersten Durchführungsbericht eine umfassende Analyse der Änderungen in den einzelnen nationalen Regelungen vorzunehmen, insbesondere in Bezug auf die Wirksamkeit der Haftungsvorschriften. Auf dieser Grundlage dürfte die Kommission dann in der Lage sein einzuschätzen, ob weitere Schritte notwendig sind.

INSTRUMENTE DER DECKUNGSVORSORGE UND DEREN VERFÜGBARKEIT

Nachdem die Haftungsfrage geklärt ist, stellt sich natürlich die Frage, wie der Schadensverursacher für die Schäden, für die er haftet, finanziell aufkommen wird. Wie das Deepwater-Horizon-Unglück verdeutlicht hat, können die bei den schwersten Offshore-Unfällen verursachten Schäden derart hoch sein, dass nur die größten Unternehmen in der Lage sind, diese Kosten vollständig zu tragen. Es stellt sich daher die Frage, ob Deckungsvorsorgeinstrumente bestehen, die gewährleisten, dass für den Schadenersatz ausreichende Mittel vorhanden sind und die Unternehmen nach einem schweren Unfall zahlungsfähig bleiben.

Es gibt eine große Vielfalt von Deckungsvorsorgeprodukten zur Sicherung der betrieblichen Risiken der Erdöl- und Erdgasunternehmen. Diese reichen von Selbstversicherungen 31 über Drittversicherungen 32 und Gegenseitigkeitsversicherungen wie OPOL (Haftungsgemeinschaft für Offshore-Umweltverschmutzung) 33 bis hin zu alternativen Risikoübertragungsmechanismen 34 und noch anderen Modellen.

Textfeld: OPOL

Die Haftungsgemeinschaft für Offshore-Umweltverschmutzung (Offshore Pollution Liability Association Ltd – OPOL) ist eine Gegenseitigkeitsvereinbarung der Industrie, die Offshore-Betreibern in vielen Berichtsstaaten offensteht. Die Mitgliedsunternehmen kommen in den Genuss einer Garantie, dass andere Mitgliedsunternehmen für Haftungsansprüche aufkommen werden, die sie selbst nicht zu zahlen imstande sind, und zwar bis zu einer festgelegten Deckungsgrenze (125 Mio. USD für Sanierungskosten und 125 Mio. USD für Verschmutzungsschäden). Nach einem Unfall werden Ansprüche nicht direkt an OPOL gerichtet, sondern an das Mitgliedsunternehmen, das für die Schäden und Verluste haftet.

OPOL ist weder ein Entschädigungsfonds noch bietet es eine Garantie, die vor einer Insolvenz des Unternehmens selbst schützt. Diese Vergemeinschaftung der von Dritten getragenen Insolvenzrisiken trägt dazu bei, die Versicherungskosten zu senken und die Regulierungsbehörden wie auch die Öffentlichkeit von der finanziellen Leistungsfähigkeit der Lizenzinhaber zu überzeugen. Außerdem wird durch die Kriterien der OPOL-Mitgliedschaft eine zusätzliche Ebene der gegenseitigen Überwachung innerhalb der Industrie geschaffen, die die regulatorische Überprüfung der Finanzsituation der Unternehmen zum Zeitpunkt der Lizenzvergabe ergänzt.

Die OPOL-Mitgliedschaft legt den Betreibern die Übernahme einer verschuldensunabhängigen Haftung für Schäden und Verluste auf und ist eine Voraussetzung für die Lizenzerteilung im Vereinigten Königreich. Die Mitgliedschaft genügt auch den in Irland geltenden Lizenzbedingungen für Offshore-Aktivitäten. Dennoch wäre es möglich, dass selbst die OPOL-Obergrenze von 250 Mio. USD für Erstattungen und Schadenersatzzahlungen pro Unfall nicht ausreicht, um alle Schäden und Verluste des schwersten Unfalls zu decken.

Weitere Einzelheiten in den Abschnitten 2.3 und 4.2 der Arbeitsunterlage zur Haftung.

Wenngleich nicht alle diese Produkte von der Offshore-Industrie gegenwärtig genutzt werden, scheint der Markt für Deckungsvorsorgeprodukte dennoch hinreichend entwickelt und innovativ zu sein, um alle Erdöl- und Erdgasunternehmen zu bedienen, die im Rahmen der derzeitigen EWR-Haftungsvorschriften tätig sind. Er erlaubt den Erdöl- und Erdgasunternehmen die Streuung ihres Risikos auf eine Vielzahl von Marktteilnehmern, von Versicherern und Rückversicherern über Finanzmarktakteure wie private Anlagegesellschaften und Hedgefonds bis hin zu anderen Erdöl- und Erdgasunternehmen.

Dennoch besteht gegenwärtig ein Mangel an Deckungsvorsorgeinstrumenten, um sämtliche Schäden auch aus den seltensten und teuersten Offshore-Unfällen zu decken. Dafür könnte es verschiedene Gründe geben. Auf einen davon ist in diesem Bericht bereits eingegangen worden, nämlich den Umfang der Schadenshaftung, der solche Produkte in bestimmten Berichtsstaaten gegenwärtig nicht erforderlich macht.

Ein anderer wichtiger Faktor ist, dass die Regulierungsbehörden in vielen Berichtsstaaten nur bestimmte Deckungsformen akzeptieren, wodurch sie eine ganze Reihe innovativer Lösungen von vornherein ausschließen. Zwölf von zwanzig Berichtsstaaten geben ausdrücklich Versicherungen als Deckungsvorsorgemechanismus für die Lizenzerteilung und/oder den Betrieb vor. Neun davon sehen keine andere Art von Mechanismus vor. Dieser hohe Anteil der Berichtsstaaten, die Versicherungen bevorzugen, dürfte sogar noch höher sein, denn für sechs dieser Staaten lagen keine Musterverträge zur Prüfung vor. 35

Damit lässt sich nicht vollständig ermessen, im welchem Umfang andere Faktoren die Entwicklung von Deckungsvorsorgeinstrumenten für die Offshore-Haftung beeinflussen. Zu diesen anderen Faktoren könnte beispielsweise das Fehlen einer regulatorischen Verpflichtung zu einer angemessenen Deckungshöhe zählen. Ferner kann die Deckungshöhe jenseits der Kapazitäten eines einzelnen Versicherers liegen oder die entsprechende Rückversicherung auf dem Markt fehlen. Alternativ kann es vorkommen, dass eine Deckung zwar verfügbar ist, sich Versicherer und Offshore-Industrie aber nicht auf die Höhe des Risikos und somit den Preis für derartige Produkte einigen können, so dass solche Produkte nicht angeboten werden.

Diese Situation dürfte sich mit der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie ändern. Durch Artikel 4 Absatz 1 und Artikel 4 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie werden risikoabhängige Deckungsvorsorgeanforderungen aufgestellt, die den Mitgliedstaaten auferlegen, „die finanzielle Leistungsfähigkeit des Antragstellers, einschließlich etwaiger finanzieller Sicherheiten zur Deckung von Haftungsverbindlichkeiten, die aus den betreffenden Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten entstehen können“, gebührend zu berücksichtigen.

Außerdem müssen die Mitgliedstaaten nach Artikel 4 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie „den Einsatz tragfähiger Finanzinstrumente und anderer Vorkehrungen [erleichtern], um die Antragsteller, die sich um Lizenzen bemühen, beim Nachweis ihrer finanziellen Leistungsfähigkeit ... zu unterstützen“. In dieser Hinsicht könnten verschiedene Schritte unternommen werden, darunter auch eine Ausweitung der möglichen Formen der Haftungsdeckung, die von den nationalen Behörden akzeptiert werden.

Die Bestimmungen der Offshore-Sicherheitsrichtlinie schlagen sich auch im Offshore-Protokoll zum Barcelona-Übereinkommen nieder, das erst kürzlich Teil des geltenden EU-Rechts geworden ist. 36 Laut Artikel 27 Absatz 2 Buchstabe b dieses Protokolls müssen die Vertragsparteien sicherstellen, dass die Betreiber über einen Versicherungsschutz oder andere finanzielle Sicherheiten verfügen bzw. diese aufrechterhalten, um Schäden durch unter das Protokoll fallende Tätigkeiten zu decken.

Die Erfahrungen mit der Umwelthaftungsrichtlinie haben gezeigt, dass sich ein wettbewerbsorientierter Markt für Deckungsvorsorgeinstrumente – Pools, Versicherungen, Bürgschaften, Garantien usw. – nach einer bedeutenden Änderung der regulatorischen Rahmenbedingungen in der EU entwickeln kann, allerdings mit einer zeitlichen Verzögerung, die es den Marktteilnehmern erlaubt, sich auf die neuen Anforderungen einzustellen. 37 Die Verfügbarkeit und Nutzung von Deckungsvorsorgeinstrumenten für Offshore-Unfallrisiken dürfte sich deshalb in den Jahren nach der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie in nationales Recht verbessern.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Obwohl nicht für alle Schäden aus den seltensten und teuersten Offshore-Unfällen derzeit Deckungsvorsorgeinstrumente auf dem Versicherungsmarkt unmittelbar verfügbar sind, scheint der Markt dennoch hinreichend entwickelt und innovativ zu sein, um alle Erdöl- und Erdgasunternehmen zu bedienen, die im Rahmen der derzeitigen EWR-Haftungsvorschriften tätig sind. Darüber hinaus steht zu erwarten, dass sich der Markt für Deckungsvorsorgeinstrumente auf die neuen Anforderungen einstellen wird, die durch Artikel 4 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie eingeführt wurden, insbesondere wenn die nationalen Behörden die Formen der von ihnen akzeptierten Haftungsdeckungsinstrumente ausweiten. Diese voraussichtlichen Änderungen dürften nach Ablauf der Umsetzungsfrist der Offshore-Sicherheitsrichtlinie im Juli 2015 und nach der Umsetzung des Offshore-Protokolls zum Barcelona-Übereinkommen ersichtlich werden. Die Kommission wird die vollständige Umsetzung von Artikel 4 Buchstabe a zu einem der Schwerpunkte bei ihren Prüfungen im Rahmen der Kontrolle der Umsetzung der Richtlinie machen.

Die Entscheidung, ob bei der Offshore-Lizenzerteilung die Mitgliedschaft in einem Gegenseitigkeitsversicherungssystem wie OPOL akzeptiert oder gefordert wird, sollte am besten den Mitgliedstaaten überlassen werden, da sie eng mit den nationalen Haftungsregelungen, den Merkmalen des betreffenden Systems, den Lizenzinhabern in ihren Hoheitsgewässern und den von diesen Lizenzinhabern eingegangenen Risiken verknüpft ist. Angesichts der erheblichen regionalen Unterschiede der Offshore-Aktivitäten innerhalb des EWR – und somit der Art und Höhe der von den Betreibern eingegangenen Risiken – könnte die Vorgabe einer Einheitslösung für alle zu einer ungerechtfertigten Quersubventionierung der Risiken zwischen diesen Regionen und somit möglicherweise zu einem subjektiven Risiko führen.

UMGANG MIT SCHADENERSATZFORDERUNGEN

Nach der Festlegung des Haftungsumfangs und der Sicherung der Deckung von Schadenersatzansprüchen entweder aus Eigenmitteln des Unternehmens oder durch ein Deckungsinstrument, ist das letzte Teil des Puzzles nun die Frage, wie der Schadenersatz geleistet werden sollte, damit er die Anspruchsberechtigten schnell erreicht. Wie die Deepwater-Horizon-Katastrophe von 2010 verdeutlicht hat, können schwere Offshore-Unfälle eine Vielzahl von Menschen betreffen und die Mittel eines jeden Systems stark beanspruchen, das geschaffen wurde, um Ansprüche zu bearbeiten und die Betroffenen zu entschädigen. Dies zeigt, wie wichtig es ist, auf proaktive Weise wohl durchdachte Entschädigungsmechanismen aufzubauen, bevor es zu einem schweren Unfall kommt, um eine Kettenwirkung von Verlusten in der gesamten Wirtschaft zu vermeiden.

Gegenwärtig gibt es nur zwei Entschädigungsmechanismen, die speziell für Erdöl- und Erdgasunfälle in den Berichtsstaaten geschaffen wurden. Erstens hat Norwegen einen gesetzlichen Entschädigungsmechanismus für Offshore-Unfälle eingerichtet. Das norwegische Erdölaktivitätengesetz enthält Vorschriften für die Behandlung von Sammelklagen und für den Schadenersatz für Fischer. Außerdem regelt das Gesetz grenzüberschreitende Ansprüche aus Dänemark, Finnland und Schweden entsprechend dem Nordischen Umweltschutzübereinkommen 38 .

Zweitens gibt es OPOL, bei dem es sich zwar um eine Gegenseitigkeitsvereinbarung der Industrie handelt, das aber Verfahren vorsieht, die einer beschleunigten außergerichtlichen Schadensregulierung dienen. Ein großer Mangel der OPOL-Entschädigungsregelung ist jedoch die Bestimmung, dass zunächst der haftende Betreiber entscheidet, ob Forderungen gegen ihn überhaupt unter die OPOL-Vereinbarung fallen. 39

Mangels einer eigens geschaffenen Entschädigungsregelung für Offshore-Erdöl- und Erdgasunfälle werden Forderungen nach dem nationalen Deliktsrecht behandelt. Dabei können die Vorschriften des Zivilprozessrechts 40 zur Anwendung kommen und die Verfahren zwischen sechs Monaten und mehreren Jahren dauern (in einigen Fällen Jahrzehnte), wenn keine außergerichtliche Einigung erzielt wird. Belgien, Italien, Portugal und die Niederlande haben zwar kürzlich neue Vorschriften erlassen, die den Umgang mit Massenforderungen vereinfachen, aber selbst hier sind noch weitere Straffungen möglich, um den besonderen Schadensarten, die durch Offshore-Unfälle verursacht werden können, und den Bedürfnissen der davon wahrscheinlich betroffenen Sektoren – insbesondere Fischerei und Fremdenverkehr – besser gerecht zu werden. 41

Gegenwärtig gibt es zwar nur wenige Entschädigungsregelungen für Offshore-Unfälle im EWR, diese Situation dürfte sich aber mit der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie erheblich ändern. Laut Artikel 4 Absatz 3 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, Verfahren zu schaffen, mit denen die rasche und angemessene Bearbeitung von Schadenersatzforderungen – auch in Bezug auf Schadenersatzzahlungen für grenzübergreifende Vorfälle – sichergestellt wird, soweit das nationale Recht eine solche Haftung vorsieht. Es gibt mehrere Ansätze zur Verbesserung der derzeitigen Bestimmungen:

unabhängige Behandlung von Ersatzansprüchen,

Gleichbehandlung grenzüberschreitender Ersatzansprüche,

leichtere Inanspruchnahme von Schadenersatzverfahren, klarere und einfachere Verfahrensregeln,

eindeutige Rechenschaftspflichten und Zuständigkeiten für die Bearbeitung von Ersatzansprüchen,

verbindliche zeitliche Vorgaben, um Verzögerung möglichst gering zu halten und

Rechtsbehelfe bei Systemversagen.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen

Gegenwärtig gibt es nur zwei Entschädigungsmechanismen, die speziell für Erdöl- und Erdgasunfälle in den Berichtsstaaten geschaffen wurden, obwohl die Offshore-Sicherheitsrichtlinie die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, Verfahren für eine rasche und angemessene Bearbeitung von Schadenersatzforderungen vorzusehen. Die Kommission kann – in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten – dabei helfen, in dieser Hinsicht angemessene Schutzvorkehrungen für Geschädigte zu schaffen. Sollten die neuen nationalen Entschädigungsregelungen keinen angemessenen Schutz für die Opfer von Offshore-Unfällen bieten und die Rechte ausländischer Geschädigter nicht im Einklang mit der Brüssel-I-Verordnung und der Rom-II-Verordnung vollständig wahren, könnte es nötig sein, dass die Kommission in ihrem ersten Bericht über die Durchführung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie oder danach erneut prüft, ob und mit welchen EU-Maßnahmen diese Ziele erreicht werden könnten.

GESAMTSCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Auswirkungen der Offshore-Sicherheitsrichtlinie werden, nachdem sie von den Mitgliedstaaten umgesetzt wurde, in den kommenden Jahren zeigen, ob es angemessen ist, bestimmte Verhaltensweisen, die zu schweren Offshore-Unfällen führen, in den Anwendungsbereich des Strafrechts aufzunehmen, um die Offshore-Sicherheit weiter zu verbessern. Die Kommission wird dann gegebenenfalls einen Legislativvorschlag unterbreiten.

Eine Ausweitung der Haftungsvorschriften durch EU-Recht erscheint zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht angemessen. In bestimmten Fällen verhindern die Brüssel-I-Verordnung und die Rom-II-Verordnung, dass Geschädigte aus anderen Mitgliedstaaten aufgrund von Unterschieden in den nationalen Regelungen benachteiligt werden. Außerdem ist es möglich, dass einige Mitgliedstaaten ihre bestehenden Haftungsregelungen für Offshore-Unfälle im Zusammenhang mit anderen von der Offshore-Sicherheitsrichtlinie eingeführten Änderungen überprüfen werden.

Spätestens bei der Vorlage ihres ersten Durchführungsberichts zur Offshore-Sicherheitsrichtlinie wird die Kommission aber beurteilen können, ob weitere Schritte erforderlich sind. Die Kommission kann insbesondere

Haftungsfragen weiterhin in den strukturierten EUOAG-Diskussionen ansprechen,

bei der Kontrolle der Umsetzung der Offshore-Sicherheitsrichtlinie den Schwerpunkt auf haftungsbezogene Vorschriften setzen und

die EUOAG-Sitzungen nutzen, um systematisch Daten über alle haftungsbezogenen Aspekte der neu erlassenen Umsetzungsvorschriften zu erfassen.

Gegenwärtig werden Deckungsvorsorgeinstrumente nicht genügend genutzt, um die seltensten und teuersten Offshore-Unfälle zu decken. Außerdem gibt es nur zwei Entschädigungsmechanismen, die speziell für Erdöl- und Erdgasunfälle in den Berichtsstaaten geschaffen wurden. In beiden Bereichen dürften die Bestimmungen der Offshore-Sicherheitsrichtlinie aber zu erheblichen Verbesserungen führen.

Sollte sich infolge der neuen nationalen Rechtsvorschriften die Verfügbarkeit von Deckungsvorsorgeinstrumenten nicht verbessern und sollten keine Verfahren geschaffen werden, die eine rasche und angemessene Bearbeitung von Schadenersatzforderungen sicherstellen, so wird die Kommission erneut prüfen, ob und mit welchen EU-Maßnahmen diese Ziele erreicht werden könnten.

Die Kommission möchte die Mitgliedstaaten dazu anregen, ihre Erfahrungen mit Deckungsvorsorgeinstrumenten, Haftungs- und Schadenersatzfragen sowie strafrechtlichen Sanktionen auszutauschen, und zwar in erster Linie im Rahmen der Gruppe der für Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten zuständigen Behörden der Europäischen Union. Nach der Umsetzung der Richtlinie und gestützt auf die Erfahrungen der Mitgliedstaaten, die diese neue Rechtsgrundlage anwenden, wird die Kommission möglicherweise ihre in diesem Bericht dargelegte Einschätzung überarbeiten.

(1) Richtlinie 2013/30/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Juni 2013 über die Sicherheit von Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten und zur Änderung der Richtlinie 2004/35/EG (ABl. L 178 vom 28.6.2013, S. 66).
(2) Beschluss des Rates vom 17. Dezember 2012 über den Beitritt der Europäischen Union zum Protokoll zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung durch die Erforschung und Nutzung des Festlandsockels, des Meeresbodens und des Meeresuntergrundes (2013/5/EU). Siehe auch: Milieu (2013), Safety of offshore exploration and exploitation activities in the Mediterranean: creating synergies between the forthcoming EU Regulation and the Protocol to the Barcelona Convention (Sicherheit bei Offshore-Erforschungs- und Nutzungstätigkeiten im Mittelmeer: Schaffung von Synergien zwischen der bevorstehenden EU-Regulierung und dem Protokoll zum Barcelona-Übereinkommen).
(3) Richtlinie 94/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 1994 über die Erteilung und Nutzung von Genehmigungen zur Prospektion, Exploration und Gewinnung von Kohlenwasserstoffen (ABl. L 164 vom 30.6.1994, S. 3).
(4) Folgenabschätzung, Begleitunterlage zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Sicherheit von Offshore-Aktivitäten zur Prospektion, Exploration und Förderung von Erdöl und Erdgas, SEC(2011) 1293 final.
(5) Richtlinie 2008/99/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. November 2008 über den strafrechtlichen Schutz der Umwelt (ABl. L 328 vom 6.12.2008, S. 28).
(6) Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen: Civil Liability, Compensation and Financial Security for Offshore Accidents in the European Economic Area (Zivilrechtliche Haftung, Schadenersatz und Deckungsvorsorge für Offshore-Unfälle im Europäischen Wirtschaftsraum), SWD(2015) 167 final.
(7) Richtlinie 2004/35/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden (ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 56).
(8) Zwischen zivilrechtlicher Haftung und Umwelthaftung gibt es Überschneidungen, siehe dazu die Einleitung in der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(9) Mit Ausnahme des sogenannten „Strafschadenersatzes“ in „Common-law“-Rechtsordnungen.
(10) Urteil des Gerichtshofs vom 13. September 2005, Kommission/Rat, C-176/03.
(11) Siehe Anhang II der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(12) Mitteilung der Kommission: Auf dem Weg zu einer europäischen Strafrechtspolitik: Gewährleistung der wirksamen Durchführung der EU-Politik durch das Strafrecht, 20. September 2011, KOM(2011) 573, abrufbar unter http://ec.europa.eu/justice/criminal/files/act_de.pdf .
(13) Gemäß Artikel 40 der Richtlinie muss die Kommission spätestens bis zum 19. Juli 2019 über die Erfahrungen mit der Umsetzung dieser Richtlinie berichten.
(14) Durch Artikel 7 der Offshore-Sicherheitsrichtlinie wird die Umwelthaftungsrichtlinie geändert, wodurch Lizenzinhaber nunmehr finanziell für die Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden entsprechend der letztgenannten Richtlinie haften.
(15) Eine ausführliche Beschreibung dieser Unterschiede findet sich in Tabelle 2 und in Anhang III der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(16) Richtlinie 2009/147/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. November 2009 über die Erhaltung der wildlebenden Vogelarten (ABl. L 20 vom 26.1.2010, S. 7).
(17) Richtlinie 92/43/EWG des Rates vom 21. Mai 1992 zur Erhaltung der natürlichen Lebensräume sowie der wildlebenden Tiere und Pflanzen (ABl. L 206 vom 22.7.1992, S. 7).
(18) Richtlinie 2000/60/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1).
(19) Richtlinie 2008/56/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 17. Juni 2008 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Meeresumwelt (ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19).
(20) Haftungsansprüche wegen wirtschaftlicher Schäden machten bis zu 96 % der Ansprüche der Gulf Coast Claims Facility infolge des Deepwater-Horizon-Unglücks im Jahr 2010 in den Vereinigten Staaten von Amerika aus.
(21) Allerdings mit Einschränkungen, denn es muss ein hinreichend direkter Zusammenhang zwischen Ursache und erlittenem wirtschaftlichem Schaden nachgewiesen werden.
(22) Siehe Anhang III der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(23) Dies ist der Fall, wenn ein oder mehrere benannte Kläger eine Klage im Namen einer vorgeschlagenen Gruppe von Personen oder Unternehmen, die eine gemeinsame Schädigung erfahren haben, einreichen und Einzelpersonen, die nicht automatisch einbezogen werden möchten, ihren Ausschluss aus der Gruppe beantragen müssen.
(24) Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1).
(25) Übereinkommen über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (2007). Siehe Abschnitt 2.10 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(26) Verordnung (EG) Nr. 864/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 11. Juli 2007 über das auf außervertragliche Schuldverhältnisse anzuwendende Recht (Rom II) (ABl. L 199 vom 31.7.2007, S. 40). Diese Verordnung gilt nicht für Dänemark.
(27) Siehe Abschnitt 2.10 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(28) Weitere Einzelheiten in Abschnitt 2.2 und in den Abschnitten 2.5 bis 2.7 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(29) Beschluss der Kommission vom 19. Januar 2012 zur Einsetzung der EU-Gruppe der für Offshore-Erdöl- und Erdgasaktivitäten zuständigen Behörden (ABl. C 18 vom 21.1.2012, S. 8).
(30) Unmöglichkeit der Abwehr mittelbarer Ansprüche, die von der Gesellschaft zwar als unrechtmäßig betrachtet werden, aber dennoch wahrscheinlich durchgesetzt werden könnten.
(31) Arbeitsunterlage zur Haftung, S. 35–36.
(32) Arbeitsunterlage zur Haftung, S. 36-38.
(33) Arbeitsunterlage zur Haftung, S. 40-41.
(34) Arbeitsunterlage zur Haftung, S. 41.
(35) Siehe Abschnitt 3.2 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(36) Beschluss des Rates vom 17. Dezember 2012 über den Beitritt der Europäischen Union zum Protokoll zum Schutz des Mittelmeers vor Verschmutzung durch die Erforschung und Nutzung des Festlandsockels, des Meeresbodens und des Meeresuntergrundes (2013/5/EU) (ABl. L 4 vom 9.1.2013, S. 13).
(37) Bericht der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen gemäß Artikel 14 Absatz 2 der Richtlinie 2004/35/EG über Umwelthaftung zur Vermeidung und Sanierung von Umweltschäden, 12.10.2010, KOM(2010) 581 endg.
(38) Siehe Abschnitt 4.1 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(39) Siehe die Abschnitte 2.3 und 4.2 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
(40) Verfahrensvorschriften, nach denen die Gerichte in Zivilsachen entscheiden.
(41) Weitere Einzelheiten in Abschnitt 4.3 der Arbeitsunterlage zur Haftung.
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