EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 4.9.2024
COM(2024) 703 final
BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT
Zweiter Bericht über die Umsetzung des Mehrjahresplans für die Bestände von Dorsch, Hering und Sprotte in der Ostsee und die Fischereien, die diese Bestände befischen, und über die der Kommission im Rahmen dieses Mehrjahresplans übertragenen Befugnisse
{SWD(2024) 703 final}
SCHLUSSFOLGERUNGEN
Sowohl die Meeresumwelt der Ostsee als auch die Fischbestände in der Ostsee haben sich seit dem ersten Bericht weiter verschlechtert. Die Umsetzung des Mehrjahresplans für die Ostsee hat zu einer Verringerung des Befischungsdrucks beigetragen. Laut Angaben des Internationalen Rates für Meeresforschung (International Council for the Exploration of the Sea, ICES) überwiegen für bestimmte Bestände jetzt jedoch andere Mortalitätsfaktoren als die Fischerei, insbesondere für die zwei Dorschbestände, deren Werte für die Biomasse auf einem historischen Tiefstand liegen. Für mehrere Heringsbestände ist ebenfalls ein problematischer Zustand zu verzeichnen.
Die allgemeine Bewertung durch die konsultierten Interessenträger und Mitgliedstaaten ergab unterschiedliche Standpunkte in Bezug auf den Mehrjahresplan. Der Beirat für die Ostsee (Baltic Sea Advisory Council, BSAC) sieht einen Mehrwert im Mehrjahresplan, ist jedoch enttäuscht über die Ergebnisse. Die Fischwirtschaft steht dem Mehrjahresplan überwiegend negativ gegenüber, auch wenn einige einen neutralen Standpunkt vertreten. Nichtregierungsorganisationen (NRO) äußern sich ebenso wie die drei Mitgliedstaaten, die auf die Konsultation antworteten, teils negativ teils positiv.
Die Kommission ist weiterhin der Auffassung, dass sich der Mehrjahresplan als ein nützliches Instrument für die Umsetzung der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP), insbesondere für die Festsetzung von Fangmöglichkeiten, erwiesen hat. Wie im ersten Bericht dargelegt, enthält der Mehrjahresplan Vorschriften für eine regional angepasste Bestandsbewirtschaftung. Für Fischbestände, bei denen eine Bewertung anhand einer guten Datengrundlage (bzw. eine Bewertung des höchstmöglichen Dauerertrags (maximum sustainable yield, MSY)) vorgenommen wurde, ermöglicht der Mehrjahresplan die Festsetzung von Obergrenzen für zulässige Gesamtfangmengen (total allowable catches, TACs), während zugleich Flexibilität für gesündere Bestände eingeräumt wird. Für Bestände, deren Biomasse unter den Mindestwerten liegt, bietet der Mehrjahresplan ein Sicherheitsnetz. Das Sicherheitsnetz sorgt dafür, dass die Quoten für diese Bestände so gering wie möglich gehalten und zusätzliche Abhilfemaßnahmen für ihre Wiederauffüllung ergriffen werden.
Die Kommission ist der Auffassung, dass gewisse schwierige Entscheidungen des Rates in Bezug auf die Bestände in der Ostsee dank des Mehrjahresplans ermöglicht wurden, der gleichzeitig ein Sicherheitsnetz und eine gewisse Flexibilität bietet. Ohne einen Mehrjahresplan wäre es für den Rat wohl schwierig gewesen, sich auf Abhilfemaßnahmen für eine Erholung schwacher Bestände zu verständigen, und die Quoten wären vermutlich auf einem höheren Niveau festgesetzt worden. Andererseits wurde im Mehrjahresplan auch eine gewisse Flexibilität für gesündere Bestände zugestanden, indem unter bestimmten Bedingungen auf die obere FMSY-Spanne zurückgegriffen werden darf. Mit dem Mehrjahresplan wurde sichergestellt, dass heute alle Fischereien entweder in Einklang mit dem MSY bewirtschaftet oder aber Maßnahmen ergriffen werden, mit denen sie wieder auf MSY-Niveau angehoben werden. Gesunde Bestände sind die Grundlage für eine langfristige Rentabilität der Fischwirtschaft und der damit zusammenhängenden Sektoren.
Doch obwohl die TACs zum Zeitpunkt ihrer Festsetzung auf oder unter dem FMSY-Wert lagen, sind viele Fischbestände zurückgegangen und ihre Alters-/Größenstruktur hat sich verschlechtert. Dies wirkte sich negativ auf die entsprechenden Fischereien aus. Darüber hinaus wird es immer schwieriger, die Vorschriften des Mehrjahresplans anzuwenden und in einer gemischten Fischerei mit einer zunehmenden Zahl schwacher Bestände alle Bestände auf FMSY-Niveau zu bewirtschaften. Der Rückgang der Fischbestände ist auf einen tiefgreifenden Wandel und ein Ungleichgewicht des Ökosystems Ostsee zurückzuführen. Ferner gibt es Hinweise auf erhebliche Falschmeldungen von Fängen pelagischer Arten, die i) die Genauigkeit und Zuverlässigkeit der Bewertungen der pelagischen Bestände beeinträchtigen und ii) zu einer Überfischung beitragen könnten. Und schließlich legt Russland seine TACs selbstständig fest, die nicht in Einklang mit dem MSY stehen und die besten verfügbaren wissenschaftlichen Gutachten außer Acht lassen.
Dennoch vertritt die Kommission weiterhin die Auffassung, dass der Mehrjahresplan ein stabiles, langfristiges Instrument zur Umsetzung der GFP in der Ostsee darstellt. Der Mehrjahresplan i) ist mit weniger Unsicherheit bei der Festlegung von Fangquoten behaftet, ii) ermöglicht den Erlass von Abhilfemaßnahmen für unter Druck geratene Bestände (auch im Falle einer Schonzeit), iii) macht den Prozess der Festlegung von Quoten für Interessenträger und Mitgliedstaaten transparenter und iv) bietet dem Fischgewerbe die Möglichkeit, seine Fischereien besser zu planen.
1.Einleitung
Im Mehrjahresplan ist vorgesehen, dass die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat über die Ergebnisse und Auswirkungen des Plans auf die Bestände und auf die Fischereien, die diese Bestände befischen, insbesondere in Bezug auf die Verwirklichung der Ziele des Plans, Bericht erstattet. Der erste Bericht wurde 2020 veröffentlicht; für den vorliegenden zweiten Bericht wird der Schwerpunkt auf die seither eingetretenen einschlägigen Entwicklungen gelegt. Mit dem Bericht wird zudem die in Artikel 16 Absatz 2 des Mehrjahresplans festgelegte Berichterstattungspflicht im Rahmen der Befugnisübertragung an die Kommission erfüllt.
Die Ziele des Mehrjahresplans lauten wie folgt: i) Beitrag zur Verwirklichung der Ziele der GFP; ii) Gewährleistung, dass Fischbestände so bewirtschaftet werden, dass sie in einem Umfang wiederhergestellt und erhalten werden, der oberhalb des Niveaus liegt, das den MSY ermöglicht; iii) Beitrag zur Einstellung der Rückwürfe, indem unerwünschte Beifänge vermieden und minimiert werden, sowie zur Umsetzung der Pflicht zur Anlandung der betreffenden Arten und iv) Anwendung eines ökosystembasierten Ansatzes, damit die negativen Auswirkungen der Fischerei auf die Umwelt auf ein Mindestmaß reduziert werden. Der Mehrjahresplan umfasst Vorschriften für die Festlegung von Fangmöglichkeiten für bestimmte Fischbestände, für die eine MSY-Bewertung vorliegt. Darüber hinaus enthält er konkrete Kontrollvorschriften und überträgt der Kommission die Befugnis, delegierte Rechtsakte zu folgenden Punkten zu erlassen: i) Beifangbestände; ii) Ausnahmen von der Pflicht zur Anlandung und iii) einige technische Maßnahmen.
Der Mehrjahresplan erstreckt sich auf i) die Zielarten Dorsch, Hering und Sprotte und ii) Beifänge von Scholle, Flunder, Steinbutt und Glattbutt. Die Zielarten machen rund 95 % der Gesamtfangmengen in der Ostsee aus. In den jährlichen Verordnungen des Rates zur Festsetzung der Fangmöglichkeiten in der Ostsee wurden TACs und Quoten für die Zielbestände sowie für Scholle und Lachs festgelegt.
Der vorliegende Bericht beruht auf i) dem jüngsten ICES-Gutachten für die entsprechenden Bestände in der Ostsee, ii) den Übersichten des ICES über das Ökosystem und die Fischereien , iii) der vom Wissenschafts-, Technik- und Wirtschaftsausschuss für die Fischerei (Scientific, Technical and Economic Committee for Fisheries, STECF) der Kommission erstellten Auswertung der nationalen Berichte aus dem Jahr 2021 über die Pflicht zur Anlandung und dem Jahreswirtschaftsbericht 2023 und iv) der Kommission vorliegenden weiteren Informationen. Darüber hinaus wurden auch die Gruppe der Ostseeanrainer-Mitgliedstaaten, der BSAC und seine Mitglieder konsultiert.Schließlich wurden auch der erste und zweite Bericht über die Umsetzung der Verordnung (EU) 2019/1241 mit technischen Maßnahmen berücksichtigt.
2.Entwicklungen in einschlägigen Bereichen
In diesem Bericht werden die Entwicklungen bei der Umsetzung des Mehrjahresplans seit 2020 in den folgenden fünf Bereichen dargelegt: Fangmengen, Rückwürfe, ökosystembasierter Ansatz, regionale Zusammenarbeit und sozioökonomische Aspekte.
2.1.Seit 2020 festgelegte Fangmöglichkeiten
Seit 2014 liegt für Dorsch in der östlichen Ostsee keine MSY-Bewertung vor. Das Gleiche gilt für Hering im Bottnischen Meerbusen bei der Festsetzung der TAC für 2021 bzw. für Dorsch in der westlichen Ostsee für 2024.
Bei der Festsetzung der TACs für die vier Fischwirtschaftsjahre 2021–2024 mussten insgesamt 32 TACs festgesetzt werden, die unter den Mehrjahresplan fallen. Für 18 dieser Fälle sind keine spezifischen Bemerkungen erforderlich, für 14 hingegen schon.
Für 17 der erstgenannten 18 Fälle schlug die Kommission TACs in Höhe des Wertes des FMSY-Punktes oder darunter vor. Da sich beide Dorschbestände in einer bedenklichen Lage befinden und in den Plattfisch-Fischereien einen unvermeidbaren Beifang darstellen, schlug die Kommission systematisch TACs für Scholle innerhalb der unteren FMSY-Spanne und für das Jahr 2024 sogar unter den Werten aus dem Gutachten des ICES vor. Was den Hering im Rigaischen Meerbusen für 2024 anbelangt, so schlug die Kommission im Einklang mit dem Mehrjahresplan und auf der Grundlage ihres Vorschlags, die gezielte Fischerei auf Hering in der mittleren Ostsee zu untersagen, eine TAC vor, die aus ihrer Sicht innerhalb der oberen FMSY-Spanne liegt. Von den vorstehend genannten 18 Fällen schloss sich der Rat in neun Fällen dem Vorschlag der Kommission an. In den anderen neun Fällen hob er die TAC innerhalb der maßgeblichen FMSY‑Spannen des Mehrjahresplans an (Hering in der mittleren Ostsee für 2022 und 2023, Hering im Rigaischen Meerbusen für 2024, Scholle für 2021 und 2022 und Sprotte für alle Jahre).
Die 14 Fälle, die einen besonderen Kontext aufwiesen, waren Hering in der westlichen Ostsee und beide Dorschbestände über den gesamten Zeitraum sowie Hering im Bottnischen Meerbusen und in der mittleren Ostsee für das Jahr 2024.
2.1.1.Hering in der westlichen Ostsee
Laut Schätzungen des ICES liegt die Biomasse des Laicherbestands für Hering in der westlichen Ostsee seit 2018 unter dem Referenzpunkt Blim, also dem niedrigsten Sicherheitspunkt, bei dessen Unterschreiten sich der Bestand nicht mehr zeitnah erholen kann und seine Reproduktionsfähigkeit so reduziert sein kann, dass er im folgenden Jahr diesen Wert nicht mehr überschreiten wird. Der ICES hat daher empfohlen, jegliche Fischerei auf Hering in der westlichen Ostsee einzustellen. Die TAC wurde in den Jahren 2019 und 2020 erheblich gesenkt (um insgesamt 82 % gegenüber der TAC 2018). Da die Biomasse nur etwa bei der Hälfte des Mindestreferenzwerts lag, schlug die Kommission vor, für 2021 den TAC-Wert zu halbieren; diesem Vorschlag schloss sich der Rat an. Da sich die Lage kaum verbesserte, schlug die Kommission für das Jahr 2022 vor, die gezielten Fischereien zu untersagen und die TAC für unvermeidbare Beifänge in anderen Fischereien niedriger anzusetzen (50 % der TAC 2021). Der Rat schloss sich dem Vorschlag an, gewährte aber eine Ausnahmeregelung für bestimmte kleine Küstenfischereien. Für 2023 stimmte der Rat der vorgeschlagenen Beibehaltung der Vorschriften aus dem Jahr 2022 zu. Angesichts des kritischen Zustands des Bestands schlug die Kommission für 2024 vor, die Ausnahmeregelung für kleine Küstenfischereien aufzuheben und eine niedrigere TAC für Beifänge festzusetzen. Der Rat beschloss jedoch eine vollständige Beibehaltung der Vorschriften, weshalb die Ausnahmeregelung aufrechterhalten blieb.
2.1.2.Dorsch in der östlichen Ostsee
Laut Schätzungen des ICES liegt die Biomasse für Dorsch in der östlichen Ostsee seit 2019 unter Blim, weswegen der ICES empfahl, die Fischerei auf Dorsch in der östlichen Ostsee einzustellen. Der Rat stimmte zu, die gezielte Fischerei auf Dorsch in der östlichen Ostsee ab dem Fischwirtschaftsjahr 2020 zu untersagen. Die TAC für unvermeidbare Beifänge in anderen Fischereien in Höhe von 595 Tonnen ist seit 2021 ebenfalls unverändert geblieben. Darüber hinaus wurde die Freizeitfischerei im Hauptverbreitungsgebiet verboten, und eine viermonatige Schließung der Laichgebiete im Sommer eingeführt. Bestimmten kleinen Küstenfischereien wurde jedoch eine Ausnahmeregelung gewährt, die vom Rat seit 2021 auf bestimmte pelagische Fischereien ausgeweitet wurde. Angesichts dieser bedenklichen Lage wurden der Mehrjahresplan und der ehemalige Europäische Meeres- und Fischereifonds im Jahr 2020 geändert, um bestimmte Bewirtschaftungsmaßnahmen zu stärken und den Betreibern anzubieten, ihre Schiffe stillzulegen.
2.1.3.Dorsch in der westlichen Ostsee
Seit 2020 ist für Dorsch in der westlichen Ostsee eine steigende Unsicherheit bei der Bestandsabschätzung zu verzeichnen. Dies führte schließlich zu einer Herabstufung im Gutachten für 2024. Darüber hinaus ist der ICES seit 2021 nicht mehr in der Lage, gesonderte Gutachten für kommerzielle Fänge und Fänge aus der Freizeitfischerei vorzulegen.
Für 2021 schlug die Kommission eine TAC (-11 %) innerhalb der unteren FMSY-Spanne vor, i) da sich die Biomasse des Laicherbestands Schätzungen zufolge noch nicht auf einen Wert über dem Referenzpunkt MSY Btrigger erholt hatte, einen Sicherheitspunkt, bei dessen Unterschreiten angemessene Bewirtschaftungsmaßnahmen ergriffen werden müssen, und ii) um zu vermeiden, dass sich der Fischereiaufwand von der Unterdivision 24 auf die Unterdivisionen 22–23 verlagert, in denen aufgrund der hohen Abundanz von Dorsch aus der östlichen Ostsee eine Schließung der Laichgebiete im Sommer für die gezielte Fischerei auf Dorsch eingeführt wurde. Die Kommission schlug ferner vor, die Tagesfangbegrenzung für die Freizeitfischerei und die Schließung der Laichgebiete im Frühjahr in den Unterdivisionen 22–23 unverändert zu lassen sowie die Schließung der Laichgebiete im Sommer in der Unterdivision 24 um zwei Monate zu verlängern, um sie so mit der Schließung der Laichgebiete im Sommer in den Unterdivisionen 25–26 in Einklang zu bringen. Der Rat stimmte zu, hob die TAC jedoch um 5 % (4 000 Tonnen) an, verlängerte die Schließung der Laichgebiete im Sommer in der Unterdivision 24 um nur einen Monat und gewährte für bestimmte pelagische Fischereien eine Ausnahmeregelung von der Schließung der Laichgebiete in den Unterdivisionen 22-24.
Laut Schätzungen des ICES lag die Bestandsgröße im Jahr 2022 sowie in den Folgejahren unter Blim – und das bereits seit mehr als zehn Jahren. Der ICES empfahl daher in seinem Gutachten geringere Fangmengen. Darüber hinaus war der ICES nicht mehr in der Lage, gesonderte Gutachten zu kommerziellen Fängen und Fängen aus der Freizeitfischerei vorzulegen. Die Kommission schlug vor, die gezielte Fischerei auf Dorsch in der westlichen Ostsee einzustellen und eine niedrigere TAC (‑92 %) für unvermeidbare Beifänge in anderen Fischereien festzusetzen. Darüber hinaus schlug sie vor, i) die Schließung der Laichgebiete im Frühjahr um zwei Wochen zu verlängern, ii) die Schließung auch auf die Freizeitfischerei auszuweiten, iii) die Tagesfangbegrenzung in der Freizeitfischerei außerhalb dieser Schließung auf einen Dorsch pro Tag festzulegen und iv) bestimmte Techniken des Fangens und Zurücksetzens in der Freizeitfischerei zu verbieten. Der Rat schloss sich dem Vorschlag der Kommission an, senkte die TAC jedoch nur um 88 % (489 Tonnen), weitete die Ausnahmeregelung bezüglich der Schließung der Laichgebiete im Frühjahr auf bestimmte Muschelfischereien mit Dredgen aus und regulierte das Fangen und Zurücksetzen in der Freizeitfischerei nicht.
Für 2023 empfahl der ICES in seinem Gutachten eine höhere Quote, ging jedoch davon aus, dass die Biomasse des Bestands auf einem historischen Tiefstand lag, und hob hervor, dass seine kurzfristige Prognose äußerst unsicher war. Der Rat stimmte der vorgeschlagenen vollständigen Beibehaltung der TAC 2022 und der flankierenden Maßnahmen zu.
Für 2024 stufte der ICES sein Gutachten zu einer Empfehlung nach dem Vorsorgeansatz herab. Die empfohlene Fangmenge belief sich auf lediglich 24 Tonnen, was nicht ausreichte, um die Beifänge in anderen Fischereien abzudecken. Die Kommission schlug vor, die gesamte Freizeitfischerei auf Dorsch zu verbieten und die TAC für Beifänge zu senken (-72 %). Der Rat stimmte dem Verbot zu, senkte die TAC jedoch nur um 30 % (136 Tonnen).
2.1.4.Hering im Bottnischen Meerbusen und in der mittleren Ostsee 2024
Für 2024 schätzte der ICES, dass die Biomasse des Herings im Bottnischen Meerbusen unter Btrigger und die des Herings in der mittleren Ostsee sogar unter Blim gesunken ist. Darüber hinaus wies der ICES darauf hin, dass die Wahrscheinlichkeit, dass die Biomasse beider Bestände unter Blim sinkt bzw. unter Blim bleibt, mehr als 5 % beträgt, selbst wenn keine Fänge getätigt werden. Im Sinne von Artikel 4 Absatz 6 des Mehrjahresplans schlug die Kommission vor, die gezielte Fischerei auf beide Bestände einzustellen und eine TAC für unvermeidbare Beifänge in anderen Fischereien festzulegen. Der Rat beschloss, die gezielte Fischerei nicht einzustellen, die TAC innerhalb der unteren FMSY-Spanne (-31 % bzw. -43 %) festzusetzen und für Fischereien, die pelagische Schleppnetze im Bewirtschaftungsgebiet für Hering in der mittleren Ostsee einsetzen, eine einmonatige Schließung der Laichgebiete einzuführen.
2.1.5.Zusammenfassung
Während des gesamten Zeitraums wurden die TACs für Bestände, für die eine MSY-Bewertung vorliegt (d. h. alle Bestände außer Dorsch in der westlichen Ostsee für 2024 und Dorsch in der östlichen Ostsee), zum Zeitpunkt der Festsetzung der TAC im Einklang mit dem FMSY festgesetzt, mit Ausnahme von Hering in der westlichen Ostsee. Die damit verbundenen Fangmengen haben sich jedoch seit 2017 fast halbiert, und bestimmte Fischereien wurden seit 2020 (Dorsch in der östlichen Ostsee) oder 2022 (Dorsch in der westlichen Ostsee und Hering in der westlichen Ostsee) verboten.
Wie im ersten Bericht äußern sich der BSAC und seine Mitglieder negativ zu der Rolle, die der Mehrjahresplan für die Festsetzung von TACs spielt. Zwei Mitglieder äußern Bedenken, dass die MSY-Referenzpunkte falsch und/oder zu niedrig seien. Die drei Mitgliedstaaten. die auf die Konsultation antworteten, vertreten sowohl positive als auch negative Standpunkte. Darüber hinaus wird darauf hingewiesen, dass i) nicht fischereibezogene Aspekte im Rahmen des MSY-Ansatzes unzureichend berücksichtigt würden, ii) die Beziehungen zwischen den Arten berücksichtigt werden sollten und iii) mehr Flexibilität erforderlich sei.
Die Kommission ist nach wie vor der Auffassung, dass es ohne den Mehrjahresplan schwieriger gewesen wäre, sich auf TACs zu einigen, die kohärent sind und mit den Zielen der GFP im Einklang stehen.
2.2.Pflicht zur Anlandung und Rückwürfe
Eines der zentralen Ziele der reformierten GFP sind die Umsetzung der Pflicht zur Anlandung und die schrittweise Einstellung der Rückwürfe durch die Vermeidung und Minimierung unerwünschter Beifänge. Die Pflicht zur Anlandung gilt für Arten, die gemäß einer TAC befischt werden. In der Ostsee trat die Pflicht zur Anlandung am 1. Januar 2015 für Dorsch, Hering, Sprotte und Lachs und am 1. Januar 2017 für Scholle in Kraft. Der Kommission wurde durch Artikel 7 des Mehrjahresplans die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu bestimmten Ausnahmen zu erlassen, um so dessen Umsetzung zu erleichtern. Im November 2020 wurde der Mehrjahresplan um eine Rechtsgrundlage für die Gewährung von Ausnahmen für Lachs in der Ostsee aufgrund hoher Überlebensraten erweitert.
Der ICES geht davon aus, dass sich die Praxis der Rückwürfe seit Inkrafttreten der Pflicht zur Anlandung nicht wesentlich geändert hat. Rückwürfe pelagischer Arten sind weiterhin sehr gering, und für die übrigen Fischereien konnten die offiziell gemeldeten Rückwürfe erheblich reduziert werden, allerdings besteht die Praxis der illegalen Rückwürfe weiter fort. In seiner Bewertung der Jahresberichte der Mitgliedstaaten über die Pflicht zur Anlandung für das Jahr 2021 wies der STEFC darauf hin, dass die Umsetzung generell immer noch zu wünschen übrig lasse und dass das Risiko von Verstößen 2021 in bestimmten Fischereien in der Ostsee nach wie vor hoch bzw. sehr hoch sei. Es sei darauf hingewiesen, dass die in Artikel 13 des Mehrjahresplans festgelegte Ausnahme von der erlaubten Toleranzspanne für Fänge, die unsortiert angelandet werden, bis Januar 2028 auslaufen wird.
Die konsultierten Interessenträger, die sich zu dem Sachverhalt äußern, vertreten unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf Rückwürfe. Ein antwortender Mitgliedstaat hat dazu keine Meinung, und die anderen beiden sowie einige Mitglieder des Sektors halten dies nicht für ein Problem. Andere Teile des Sektors und NRO teilen die Auffassung des ICES und des STECF. Fast alle konsultierten Interessenträger sind der Ansicht, dass der Mehrjahresplan nicht zu einer Verringerung der Rückwürfe beigetragen habe und dass es im Rahmen des Mehrjahresplan nicht möglich sei, die Lage der gemischten Fischereien zu berücksichtigen. Der BSAC fügt hinzu, dass die Praxis der Rückwürfe nicht ordnungsgemäß kontrolliert worden sei.
Die Kommission ist nach wie vor der Auffassung, dass das anhaltende Problem der Rückwürfe in erster Linie auf die mangelnde Kontrolle und Durchsetzung zurückzuführen ist, was im Rahmen der Fischereikontrollregelung der Europäischen Union angegangen werden muss.
2.3.Ökosystembasierter Ansatz
Gemäß Artikel 2 Absatz 3 der GFP-Grundverordnung muss mit der GFP durch Anwendung des ökosystembasierten Ansatzes im Fischereimanagement sichergestellt werden, dass die negativen Auswirkungen der Fischerei auf das Meeresökosystem auf ein Mindestmaß reduziert werden. In Artikel 3 Absatz 3 des Mehrjahresplans heißt es, dass dieser im Einklang mit den Rechtsvorschriften der EU im Umweltbereich stehen muss, insbesondere mit dem Ziel, spätestens 2020 einen guten ökologischen Zustand zu erreichen, das in der Meeresstrategie‑Rahmenrichtlinie (MSRR) vorgegeben ist.
Die MSRR enthält elf qualitative Deskriptoren für die Beschreibung eines guten Umweltzustands. Mit dem Mehrjahresplan wird das Ziel verfolgt sicherzustellen, dass die im Deskriptor 3 (der für die Bestandsbewirtschaftung am wichtigsten ist) beschriebenen Bedingungen erfüllt sind, und zur Erfüllung weiterer relevanter Deskriptoren im Verhältnis zu der jeweiligen Rolle, die die Fischereien dabei spielen, beizutragen. Deskriptor 3 steht in unmittelbarem Zusammenhang mit der Festlegung von Fangmöglichkeiten. Sein erstes Kriterium bezieht sich auf den Befischungsdruck, das zweite auf die Biomasse und das dritte auf die Alters- und Größenverteilung. Die ersten beiden Kriterien fallen unter die Vorschriften zur Festsetzung der TACs im Mehrjahresplan. In Bezug auf das dritte Kriterium veröffentlichte der ICES im Februar 2024 ein gesondertes Gutachten, in dem Indikatoren ermittelt wurden, aber weder Schwellenwerte angegeben noch Bewirtschaftungsoptionen vorgeschlagen werden konnten.
Die Auswirkungen der Fischereitätigkeit auf die als vom Aussterben bedroht eingestufte Population der Schweinswale in der Ostsee geben nach wie vor Anlass zu Besorgnis. Obwohl im Anschluss an zwei gemeinsame Empfehlungen von BaltFish eine Rechtsvorschrift zum Schutz der Schweinswale erlassen wurde, ist die Kommission der Auffassung, dass weitere Maßnahmen notwendig sind.
Der ICES bestätigt, dass sich das Ökosystem Ostsee in einem tiefgreifenden Wandel und nicht im Gleichgewicht befindet. Aufgrund des menschlichen Einflusses auf die Meeresumwelt befinden sich viele Arten und Lebensräume der Ostsee nicht in einem guten ökologischen Zustand. Die fünf größten Belastungen für die Ostsee sind i) die Anreicherung mit Nährstoffen und organischem Material, ii) die Fischerei, iii) der Eintrag von verunreinigenden Verbindungen, iv) die Ansiedlung nicht einheimischer Arten sowie v) Abschürfung und Substratverlust.
Die konsultierten Interessenträger sind – wenn auch aus sehr unterschiedlichen Gründen – der Auffassung, dass der Mehrjahresplan nicht zur Umsetzung des ökosystembasierten Ansatzes in der Bewirtschaftung der Fischereien beigetragen habe oder sogar kontraproduktiv gewesen sei. Einige betonen jedoch, dass der Mehrjahresplan das Potenzial dazu habe, wenn er (ordnungsgemäß) umgesetzt werde. Alle Interessenträger sind sich darin einig, dass das Ökosystem erhebliche Auswirkungen auf die Fischbestände hat.
2.4.Regionale Zusammenarbeit
Wie im ersten Bericht dargelegt, sind die wichtigsten Instrumente der Regionalisierung im Rahmen der derzeitigen GFP i) die institutionalisierten regionalen Beiräte, die zu verschiedenen Themen konsultiert werden müssen und Empfehlungen zu allen Themen annehmen können und ii) die Annahme gemeinsamer Empfehlungen, mit denen die betreffenden Mitgliedstaaten die Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte auffordern.
Mit Ausnahme von zwei der drei antwortenden Mitgliedstaaten sind die konsultierten Interessenträger nach wie vor nicht davon überzeugt, dass der Mehrjahresplan einen Mehrwert für die Stärkung der regionalen Zusammenarbeit biete. Der BSAC erwähnt insbesondere einen Mangel an Ressourcen.
Die Kommission ist nach wie vor der Auffassung, dass der Mehrjahresplan den notwendigen rechtlichen Rahmen für eine verstärkte regionale Zusammenarbeit bietet, insbesondere durch gemeinsame Vorschläge und Beratung mit den Beiräten und anderen Interessenträgern zu Fragestellungen, die für die Ostsee von Belang sind. Beispielsweise könnte BaltFish bei der Ausarbeitung gemeinsamer Empfehlungen ausführlichere Gespräche mit den Interessenträgern führen.
Es sei darauf hingewiesen, dass die Bestände von Dorsch, Hering in der mittleren Ostsee, Sprotte und Lachs gemeinsam mit Russland bewirtschaftet werden. Die EU und Russland haben 2009 vereinbart, im Bereich der Bewirtschaftung der Fischbestände im Rahmen eines Gemischten Ausschusses zusammenzuarbeiten. Dieser Ausschuss ist seit 2019 aufgrund der COVID-19-Pandemie und des grundlosen und ungerechtfertigten Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine nicht mehr zusammengetreten. Jede Partei legt ihre TACs selbstständig fest, da es nicht möglich war, eine Aufteilungsvereinbarung zu schließen. Die EU wendet die Aufteilung der ehemaligen Internationalen Ostseefischereikommission an, während Russland seine TACs seit vielen Jahren deutlich höher ansetzt. Darüber hinaus fischt Russland entgegen dem ICES-Gutachten weiterhin gezielt auf Dorsch, wenn auch in geringerem Umfang als in der Vergangenheit, und hat seine TAC für Hering in der mittleren Ostsee kaum gesenkt. Russland hat seit 2022 keine Daten an den ICES übermittelt.
2.5.Sozioökonomische Entwicklungen
Alles in allem war die Ostseefischerei im Zeitraum 2013-2021 rentabel. Dennoch waren in diesem Zeitraum einige Flottensegmente in der Ostsee, insbesondere die Flotten der kleinen Küstenfischerei, nicht in der Lage, die Betriebskosten zu decken, und die meisten sozioökonomischen Indikatoren gingen tendenziell zurück, oft sogar erheblich. Daten über die Entwicklungen seit 2021 wurden noch nicht gemeldet, doch die Umweltsituation, die Tatsache, dass nur die Bestände von Scholle und Hering im Rigaischen Meerbusen gut abschneiden, und die verschiedenen negativen Auswirkungen des anhaltenden Angriffskriegs Russlands gegen die Ukraine haben sich sicherlich negativ ausgewirkt.
Mit Ausnahme eines Befragten stimmen die Interessenträger darin überein, dass die sozioökonomische Entwicklung negativ war, wenngleich den meisten Befragten zufolge erhebliche Unterschiede zwischen den Sektoren bestehen. Der BSAC und seine Mitglieder machen weiterhin geltend, dass aufgrund der negativen Entwicklung der Bestände, die dem Mehrjahresplan zuzuschreiben sei, ein ursächlicher Zusammenhang mit dem Mehrjahresplan bestehe. Die drei antwortenden Mitgliedstaaten erkennen keinen solchen ursächlichen Zusammenhang.
Die Kommission ist nach wie vor der Auffassung, dass der Rückgang der Fischbestände und der Fischereien nicht auf die Umsetzung des Mehrjahresplans, sondern auf Veränderungen im gesamten Ökosystem zurückzuführen ist. Der ICES verweist auf anhaltende Falschmeldungen von Arten, die auch negative Auswirkungen haben könnten. Nur mit einem gesunden Ökosystem und einer nachhaltigen Fischerei können langfristig florierende Fischereigemeinschaften gewährleistet werden.
3.Befugnisübertragung an die Kommission nach dem Mehrjahresplan
Mit dem Mehrjahresplan wurde der Kommission die Befugnis übertragen, delegierte Rechtsakte zu Erhaltungsmaßnahmen für Beifangarten (Artikel 6), zur Pflicht zur Anlandung (Artikel 7) und zu technischen Maßnahmen (Artikel 8), sofern sie nicht unter die Verordnung über technische Maßnahmen fallen, zu erlassen.
Von der Befugnisübertragung gemäß Artikel 6 wurde nie Gebrauch gemacht. Im Berichtszeitraum wurde Artikel 7 zweimal angewandt, um eine Ausnahme aufgrund hoher Überlebensraten für Ostseelachs beizubehalten. Artikel 8 wurde nicht angewendet, da sein Inhalt seit August 2019 größtenteils durch die Befugnisübertragung im Rahmen der spezifischeren Verordnung über technische Maßnahmen ersetzt worden ist. Abschließend sei darauf hingewiesen, dass die betreffenden Mitgliedstaaten bislang nicht die Informationen vorgelegt haben, die erforderlich sind, um bis Ende 2020 eine für Scholle gewährte Ausnahme neu bewerten zu können.