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Dokumentas 52022DC0606

Empfehlung für eine EMPFEHLUNG DES RATES zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2022 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands 2022

COM/2022/606 final

Brüssel, den 23.5.2022

COM(2022) 606 final

Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2022 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands 2022

{SWD(2022) 606 final} - {SWD(2022) 640 final}


Empfehlung für eine

EMPFEHLUNG DES RATES

zum nationalen Reformprogramm Deutschlands 2022 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands 2022

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union, insbesondere auf Artikel 121 Absatz 2 und Artikel 148 Absatz 4,

gestützt auf die Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates vom 7. Juli 1997 über den Ausbau der haushaltspolitischen Überwachung und der Überwachung und Koordinierung der Wirtschaftspolitiken 1 , insbesondere auf Artikel 5 Absatz 2,

gestützt auf die Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte 2 , insbesondere auf Artikel 6 Absatz 1,

auf Empfehlung der Europäischen Kommission,

unter Berücksichtigung der Entschließungen des Europäischen Parlaments,

unter Berücksichtigung der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates,

nach Stellungnahme des Beschäftigungsausschusses,

nach Stellungnahme des Wirtschafts- und Finanzausschusses,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Sozialschutz,

nach Stellungnahme des Ausschusses für Wirtschaftspolitik,

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)Die Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität 3 trat am 19. Februar 2021 in Kraft. Im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität wird finanzielle Unterstützung für Reformen und Investitionen bereitgestellt und so für einen — durch die Union finanzierten — fiskalischen Impuls gesorgt. Die Fazilität trägt zur wirtschaftlichen Erholung und zur Durchführung nachhaltiger und wachstumsfördernder Reformen und Investitionen bei, die insbesondere auf die Förderung des ökologischen und des digitalen Wandels ausgerichtet sind und die Widerstandsfähigkeit und das Potenzialwachstum der Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten stärken sollen. Sie wird außerdem mittel- und langfristig zur Stärkung der Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen sowie zum Wachstum und zur Schaffung von Arbeitsplätzen beitragen. Der maximale finanzielle Beitrag, der jedem Mitgliedstaat im Rahmen der Aufbau- und Resilienzfazilität gewährt werden kann, wurde gemäß Artikel 11 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2021/241 am [XX]. Juni 2022 angepasst.

(2)Am 24. November 2021 nahm die Kommission den Jahresbericht zum nachhaltigen Wachstum an, mit dem das Europäische Semester für die wirtschaftspolitische Koordinierung 2022 eingeleitet wurde. Darin trug sie der im Mai 2021 auf dem Sozialgipfel von Porto bekräftigten gemeinsamen Verpflichtung Rechnung, die vom Europäischen Parlament, dem Rat und der Kommission am 17. November 2017 proklamierte europäische Säule sozialer Rechte weiter umzusetzen. Der Europäische Rat billigte die Prioritäten des Jahreswachstumsberichts 2022 am 25. März 2022. Am 24. November 2021 nahm die Kommission auf der Grundlage der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 auch den Warnmechanismus-Bericht an, in dem Deutschland als einer der Mitgliedstaaten genannt wurde, für die eine eingehende Überprüfung 4 durchzuführen sei. Am selben Tag nahm die Kommission auch eine Empfehlung für eine Empfehlung des Rates zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets an, die am 5. April 2022 vom Rat angenommen wurde, sowie den Vorschlag für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2022, in dem die Umsetzung der beschäftigungspolitischen Leitlinien sowie der Grundsätze der europäischen Säule sozialer Rechte analysiert werden und der am 14. März 2022 vom Rat angenommen wurde.

(3)Russlands Invasion der Ukraine, die unmittelbar nach der weltweiten Pandemie erfolgte, hat den geopolitischen und wirtschaftlichen Kontext erheblich verändert. Sie hat auch die Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten in Mitleidenschaft gezogen und beispielsweise die Energie- und Lebensmittelpreise steigen lassen und die Wachstumsaussichten verschlechtert. Die höheren Energiepreise belasten insbesondere die finanziell schwachen Haushalte, die von Energiearmut bedroht sind oder bereits darunter leiden. Des Weiteren erlebt die EU einen beispiellosen Zustrom von Flüchtlingen aus der Ukraine. In diesem Zusammenhang kam am 4. März 2022 erstmals die Richtlinie über vorübergehenden Schutz zur Anwendung 5 und wurde aus der Ukraine vertriebenen Menschen das Aufenthaltsrecht in der EU sowie das Recht auf Zugang zu allgemeiner und beruflicher Bildung, zum Arbeitsmarkt, zur Gesundheitsversorgung, zu Wohnungs- und Sozialleistungen gewährt.

(4)Angesichts der sich rasch wandelnden wirtschaftlichen und geopolitischen Lage wird im Rahmen des Europäischen Semesters im Jahr 2022 die umfassende Koordinierung der Wirtschafts- und Beschäftigungspolitik weitergeführt und gleichzeitig, wie im Jahreswachstumsbericht 2022 dargelegt, den Anforderungen an die Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität Rechnung getragen. Die Durchführung der angenommenen Aufbau- und Resilienzpläne ist für die Verwirklichung der politischen Prioritäten im Rahmen des Europäischen Semesters von entscheidender Bedeutung, da von diesen Plänen alle oder zumindest wesentliche Teile der einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen aus den Jahren 2019 und 2020 erfasst werden. Die länderspezifischen Empfehlungen der Jahre 2019 und 2020 bleiben auch für die Aufbau- und Resilienzpläne, die gemäß den Artikeln 14, 18 und 21 der Verordnung (EU) 2021/241 überarbeitet, aktualisiert oder geändert werden, relevant; hinzu kommen gegebenenfalls weitere länderspezifische Empfehlungen, die bis zur Vorlage des geänderten Plans formuliert wurden.

(5)Die allgemeine Ausweichklausel ist seit März 2020 aktiviert. 6 In ihrer Mitteilung vom 3. März 2021 7 vertrat die Kommission zudem die Auffassung, dass der Beschluss über die Deaktivierung oder weitere Anwendung der allgemeinen Ausweichklausel eine Gesamtbewertung der Wirtschaftslage darstellen sollte, wobei das Niveau der Wirtschaftstätigkeit in der EU oder im Euro-Währungsgebiet im Vergleich zum Vorkrisenniveau (Ende 2019) als zentrales quantitatives Kriterium zu betrachten sei. Die gestiegene Unsicherheit und starke Abwärtsrisiken bei den wirtschaftlichen Aussichten angesichts des Krieges in Europa, des beispiellosen Anstiegs der Energiepreise und der anhaltenden Lieferkettenprobleme rechtfertigen die Verlängerung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts bis einschließlich 2023.

(6)Im Einklang mit dem Ansatz in der Stellungnahme des Rates vom 18. Juni 2021 zum Stabilitätsprogramm 2021 wird der finanzpolitische Kurs derzeit am besten als Veränderung der Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen) ohne krisenbedingte befristete Sofortmaßnahmen aufgrund von COVID-19 und einschließlich der durch nicht rückzahlbare Hilfen (Zuschüsse) aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und aus anderen EU-Fonds finanzierten Ausgaben im Verhältnis zum mittelfristigen Potenzialwachstum gemessen. 8 Neben dem fiskalischen Gesamtkurs wird bei der Bewertung, ob die nationale Finanzpolitik vorsichtig ist und ihre Zusammensetzung eine nachhaltige Erholung begünstigt, die mit dem ökologischen und dem digitalen Wandel im Einklang steht, auch der Entwicklung der national finanzierten 9 laufenden Primärausgaben (ohne diskretionäre einnahmenseitige Maßnahmen und COVID-19-krisenbedingte befristete Sofortmaßnahmen) und Investitionen Aufmerksamkeit geschenkt.

(7)Am 2. März 2022 nahm die Kommission eine Mitteilung mit allgemeinen Leitlinien für die Haushaltspolitik im Jahr 2023 an, mit der die Ausarbeitung der Stabilitäts- und Konvergenzprogramme der Mitgliedstaaten unterstützt und somit die politische Koordinierung gestärkt werden soll. 10 Die Kommission stellte ausgehend von den makroökonomischen Aussichten in der Winterprognose 2022 fest, dass es angemessen wäre, im Jahr 2023 von einem insgesamt stützenden finanzpolitischen Kurs der Jahre 2020-2022 zu einem weitgehend neutralen finanzpolitischen Kurs überzugehen, gleichzeitig aber die Bereitschaft zu erhalten, auf die sich weiterentwickelnde Wirtschaftslage zu reagieren. Die Kommission hielt fest, dass bei den haushaltspolitischen Empfehlungen für 2023 weiterhin zwischen den Mitgliedstaaten differenziert und möglichen länderübergreifenden Spillover-Effekten Rechnung getragen werden sollte. Die Kommission forderte die Mitgliedstaaten auf, diese Leitlinien in ihren Stabilitäts- und Konvergenzprogrammen zu berücksichtigen. Die Kommission sicherte zu, die wirtschaftlichen Entwicklungen genau zu beobachten und ihre politischen Leitlinien erforderlichenfalls anzupassen, spätestens jedoch ihr Frühjahrspaket zum Europäischen Semester Ende Mai 2022.

(8)Was die haushaltspolitischen Leitlinien vom 2. März 2022 betrifft, so tragen die haushaltspolitischen Empfehlungen für 2023 den schlechteren Konjunkturaussichten, der erhöhten Unsicherheit und weiteren Abwärtsrisiken sowie der höheren Inflation im Vergleich zur Winterprognose Rechnung. Vor diesem Hintergrund müssen im Rahmen gezielter und befristeter haushaltspolitischer Maßnahmen die öffentlichen Investitionen für den ökologischen und digitalen Wandel und die Energieversorgungssicherheit erhöht und die Kaufkraft finanziell besonders schwacher Haushalte gestützt werden, um die Auswirkungen des Anstiegs der Energiepreise abzufedern und dazu beizutragen, den Inflationsdruck aus Zweitrundeneffekten zu begrenzen. Die Haushaltspolitik muss flexibel bleiben, damit sie sich an die sich rasch wandelnden Rahmenbedingungen anpassen kann, und sie muss nach Ländern differenziert werden, wobei die jeweilige Haushalts- und Wirtschaftslage – auch im Hinblick auf die Anfälligkeit für die Krise und den Zustrom von Vertriebenen aus der Ukraine – zu berücksichtigen ist.

(9)Am 28. April 2021 legte Deutschland der Kommission gemäß Artikel 18 Absatz 1 der Verordnung (EU) 2021/241 seinen nationalen Aufbau- und Resilienzplan vor. Gemäß Artikel 19 jener Verordnung hat die Kommission die Aufbau- und Resilienzpläne auf der Grundlage der in Anhang V der Verordnung enthaltenen Bewertungsleitlinien im Hinblick auf deren Relevanz, Wirksamkeit, Effizienz und Kohärenz bewertet. Am 13. Juli 2021 nahm der Rat den Durchführungsbeschluss zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Deutschlands 11 an. Die Freigabe der Tranchen erfolgt vorbehaltlich eines Beschlusses der Kommission nach Artikel 24 Absatz 5 der Verordnung (EU) 2021/241, wonach Deutschland in zufriedenstellender Weise die einschlägigen, im Durchführungsbeschluss des Rates festgelegten Etappenziele und Zielwerte erreicht hat. Eine zufriedenstellende Erfüllung setzt immer voraus, dass von zuvor erreichten Etappenzielen und Zielwerten nicht wieder abgewichen wurde.

(10)Am 2. Mai 2022 übermittelte Deutschland sein nationales Reformprogramm 2022 und am 27. April 2022 sein Stabilitätsprogramm 2022 nach der in Artikel 4 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 festgelegten Frist. Um wechselseitigen Zusammenhängen Rechnung zu tragen, wurden beide Programme gleichzeitig bewertet. Im Einklang mit Artikel 27 der Verordnung (EU) 2021/241 wird im nationalen Reformprogramm 2022 auch der halbjährlichen Berichterstattung Deutschlands über die Fortschritte bei der Durchführung seines Aufbau- und Resilienzplans Rechnung getragen.

(11)Am 23. Mai 2022 veröffentlichte die Kommission den Länderbericht für Deutschland 2022 12 . Darin werden die Fortschritte Deutschlands bei der Umsetzung der einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen des Rates der Jahre 2019, 2020 und 2021 bewertet und der Stand der Durchführung des Aufbau- und Resilienzplans Deutschlands anhand des Aufbau- und Resilienzscoreboards dargestellt. Basierend auf dieser Bewertung wird im Länderbericht Handlungsbedarf in Bezug auf solche Herausforderungen aufgezeigt, die im Aufbau- und Resilienzplan nicht oder nur teilweise angegangen werden, und es werden neu entstandene und sich derzeit abzeichnende Herausforderungen, die sich beispielsweise aus der Invasion der Ukraine ergeben, genannt. Ferner werden in dem Bericht die Fortschritte Deutschlands bei der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, bei der Verwirklichung der Kernziele der EU in den Bereichen Beschäftigung, Qualifikationen und Armutsbekämpfung sowie im Hinblick auf die Ziele der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung bewertet.

(12)Die Kommission nahm eine eingehende Überprüfung nach Artikel 5 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 für Deutschland vor, deren Ergebnisse am 23.Mai 2022 veröffentlicht wurden 13 . Die Kommission stellte in Deutschland makroökonomische Ungleichgewichte fest. Schwachstellen ergeben sich insbesondere aus einem anhaltenden Leistungsbilanzüberschuss, der auf die im Vergleich zu den Ersparnissen gedämpften Investitionen zurückzuführen ist und sich auch auf andere Länder auswirkt.

(13)Am 27. April 2022 legte Deutschland eine neue Übersicht über die Haushaltsplanung 2022 vor. Die Kommission hat gemäß Artikel 7 der Verordnung (EU) Nr. 473/2013 eine Stellungnahme zu dieser Planung abgegeben.

(14)Am 23. Mai 2022 veröffentlichte die Kommission einen Bericht nach Artikel 126 Absatz 3 AEUV. In diesem Bericht wird die Haushaltslage Deutschlands erörtert, da sein gesamtstaatliches Defizit im Jahr 2021 den im Vertrag festgelegten Referenzwert von 3 % des BIP überstieg. Dem Bericht zufolge wurde das Defizitkriterium nicht erfüllt. Im Einklang mit der Mitteilung vom 2. März 2022 hat die Kommission nicht vorgeschlagen, im Frühjahr 2022 neue Verfahren bei einem übermäßigen Defizit einzuleiten, und sie wird im Herbst 2022 erneut prüfen, ob die Einleitung solcher Defizitverfahren geboten ist.

(15)Am 20. Juli 2020 empfahl der Rat Deutschland, im Einklang mit der allgemeinen Ausweichklausel in den Jahren 2020 und 2021 alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um die Pandemie wirksam zu bekämpfen, die Wirtschaft zu stützen und die anschließende Erholung zu fördern. Ferner empfahl er Deutschland, wenn die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen, eine Haushaltspolitik zu verfolgen, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen und die Schuldentragfähigkeit zu gewährleisten, und gleichzeitig die Investitionen zu erhöhen. Den von Eurostat validierten Daten zufolge ging das gesamtstaatliche Defizit Deutschlands 2021 von 4,3 % des BIP im Jahr 2020 auf 3,7 % im Jahr 2021 zurück. Die fiskalpolitische Reaktion Deutschlands unterstützte 2021 die wirtschaftliche Erholung, während die befristeten Soforthilfemaßnahmen von 2,7 % des BIP im Jahr 2020 auf 4,2 % im Jahr 2021 anstiegen. Die von Deutschland 2021 getroffenen Maßnahmen stehen mit der Empfehlung des Rates vom 20. Juli 2020 in Einklang. Die von der Regierung in den Jahren 2020 und 2021 verabschiedeten diskretionären haushaltspolitischen Maßnahmen waren größtenteils befristet oder wurden durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert. Gleichzeitig waren einige der von der Regierung 2020 und 2021 ergriffenen diskretionären Maßnahmen weder befristet noch durch Ausgleichsmaßnahmen kompensiert, hauptsächlich Erhöhungen der Familienleistungen wie Kindergeld und Kinderfreibetrag sowie gestiegene Abschreibungsmöglichkeiten. Nach den von Eurostat validierten Daten belief sich der gesamtstaatliche Schuldenstand 2021 auf 69,3 % des BIP.

(16)Das den Haushaltsprojektionen des Stabilitätsprogramms 2022 zugrunde liegende makroökonomische Szenario ist 2022 günstig und in der Folge realistisch. Nach den Prognosen der Regierung dürfte das reale BIP-Wachstum 2022 bei 3,6 % und 2023 bei 2,3 % liegen. Im Vergleich dazu geht die Frühjahrsprognose 2022 der Kommission von einem geringeren realen BIP-Wachstum von 1,6 % im Jahr 2022 und einem ähnlichen Wachstum von 2,4 % im Jahr 2023 aus. Dieser Unterschied ist hauptsächlich auf unterschiedliche Stichtage der Prognosen zurückzuführen, die im Falle des Stabilitätsprogramms vor dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine lagen, als die Wachstumsaussichten für 2022 noch optimistischer waren. In ihrem Stabilitätsprogramm 2022 geht die Regierung davon aus, dass das öffentliche Gesamtdefizit 2022 bei 3¾ % des BIP bleiben und 2023 auf 2 % des BIP zurückgehen wird. Der ähnliche Stand im Jahr 2022 ist hauptsächlich auf anhaltende Soforthilfemaßnahmen aufgrund der Pandemie, höhere Verteidigungsausgaben und Maßnahmen gegen gestiegene Energiepreise infolge des Kriegs in der Ukraine sowie auf zusätzliche Ausgaben und Investitionen für den ökologischen Wandel zurückzuführen. Dem Programm zufolge soll die gesamtstaatliche Schuldenquote 2022 auf 66¾ % und 2023 auf 65¾ % des BIP sinken. Auf der Grundlage der zum Stichtag der Prognose bekannten politischen Maßnahmen geht die Kommission in ihrer Frühjahrsprognose 2022 für die Jahre 2022 und 2023 von einem öffentlichen Defizit von 2,5 % bzw. 1,0 % des BIP aus. Dies ist niedriger als das im Stabilitätsprogramm 2022 für 2022 und 2023 erwartete Defizit, was in erster Linie auf die etwas niedrigeren Steuereinnahmeprognosen, die auf vorsichtigen Berechnungen vom November 2021 beruhen, und auf optimistischere Erwartungen hinsichtlich der Umsetzung von Subventionen und öffentlichen Investitionen im Programm zurückzuführen ist. In ihrer Frühjahrsprognose 2022 geht die Kommission von einer ähnlichen gesamtstaatlichen Schuldenquote von 66,4 % im Jahr 2022 und einer niedrigeren von 64,5 % im Jahr 2023 aus. Dieser Unterschied ist auf einen ähnlichen Unterschied in der Defizitprognose zurückzuführen.

Auf Grundlage der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission wird die mittelfristige Potenzialwachstumsrate im Zehn-Jahres-Durchschnitt auf 1,1 % veranschlagt. Diese Schätzung lässt jedoch die Auswirkungen der im Aufbau- und Resilienzplan vorgesehenen Reformen unberücksichtigt, die dem Potenzialwachstum Deutschlands einen Schub verleihen können.

(17)2022 ließ die Regierung die meisten in Reaktion auf die COVID-19-Krise ergriffenen Maßnahmen auslaufen, sodass mit einem Rückgang der befristeten Soforthilfemaßnahmen von 4,2 % des BIP im Jahr 2021 auf 1,2 % im Jahr 2022 gerechnet wird. Das öffentliche Defizit wird von den Maßnahmen beeinflusst, die ergriffen wurden, um den wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Anstiegs der Energiepreise entgegenzuwirken; sie werden in der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission für 2022 auf 0,7 % des BIP geschätzt und sollen 2023 auslaufen. 14 Bei diesen Maßnahmen handelt es sich hauptsächlich um einen gezielten Heizkostenzuschuss, die vorzeitige Abschaffung der EEG-Umlage, die vorgezogene Erhöhung der Pendlerpauschale, eine Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe für drei Monate, eine einmalige Energiepreispauschale inklusive Kinderbonus, eine Einmalzahlung an Empfänger von Sozialleistungen sowie ein Monatsticket für den öffentlichen Nahverkehr zu einem ermäßigten Preis für drei Monate. Diese Maßnahmen sind laut Ankündigung befristeter Art. Sollten die Energiepreise aber auch 2023 hoch bleiben, könnten einige dieser Maßnahmen fortgeführt werden. Einige dieser Maßnahmen sind nicht zielgerichtet, insbesondere die Erhöhung der Pendlerpauschale und die Senkung der Energiesteuer auf Kraftstoffe. Das öffentliche Defizit wird auch von den Kosten für die Gewährung vorübergehenden Schutzes für Vertriebene aus der Ukraine beeinflusst, die in der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission für 2022 auf 0,1 % des BIP und für 2023 auf 0,2 % des BIP projiziert werden 15 , sowie von der Erhöhung der Verteidigungsausgaben um 0,4 % des BIP im Jahr 2022 und um 0,5 % des BIP im Jahr 2023.

(18)Am 18. Juni 2021 empfahl der Rat Deutschland 16 , im Jahr 2022 einen stützenden fiskalischen Kurs beizubehalten, wobei der von der Aufbau- und Resilienzfazilität ausgehende Impuls zu berücksichtigen ist, und die national finanzierten Investitionen aufrechtzuerhalten. Überdies empfahl er Deutschland – sobald die wirtschaftlichen Bedingungen dies zulassen –, eine Haushaltspolitik zu verfolgen, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen und die Tragfähigkeit der öffentlichen Finanzen zu gewährleisten, und gleichzeitig die Investitionen zu erhöhen, um das Wachstumspotenzial zu steigern.

(19)Für 2022 wird laut Frühjahrsprognose der Kommission 2022 unter Berücksichtigung der in Deutschlands Stabilitätsprogramm 2022 enthaltenen Informationen davon ausgegangen, dass der haushaltspolitische Kurs, wie vom Rat empfohlen, unterstützend bei -1,6 % des BIP liegen wird. 17 Deutschland sieht weiterhin Unterstützungsmaßnahmen zur Förderung der Erholung vor und beabsichtigt gemäß der Empfehlung des Rates, zusätzliche Investitionen mithilfe der Aufbau- und Resilienzfazilität zu finanzieren. Der positive Beitrag zur Wirtschaftstätigkeit der durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und andere EU-Mittel finanzierten Ausgaben wird im Vergleich zu 2021 voraussichtlich stabil bleiben. Den Projektionen zufolge werden die national finanzierten Investitionen 2022 einen expansiven Beitrag von 0,2 BIP-Prozentpunkten zum fiskalischen Gesamtkurs leisten. 18 Daher plant Deutschland, gemäß der Empfehlung des Rates national finanzierte Investitionen aufrechtzuerhalten. Gleichzeitig wird erwartet, dass der Anstieg der national finanzierten laufenden Primärausgaben (ohne neue einnahmenseitige Maßnahmen) im Jahr 2022 einen expansiven Beitrag von 1,5 BIP-Prozentpunkten zum fiskalischen Gesamtkurs leisten wird. Dieser erhebliche expansive Beitrag umfasst die zusätzlichen Auswirkungen der Maßnahmen zur Bewältigung der wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen des Anstiegs der Energiepreise (0,7 % des BIP) sowie die Kosten für den vorübergehenden Schutz von Vertriebenen aus der Ukraine (0,1 % des BIP), während zusätzliche Ausgaben für den ökologischen Wandel (0,2 % des BIP) den Projektionen zufolge ebenfalls zum Anstieg der laufenden Nettoausgaben beitragen werden.

(20)Für 2023 wird der haushaltspolitische Kurs in der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission unter der Annahme einer unveränderten Politik mit 0,6 % des BIP veranschlagt. 19 Es wird davon ausgegangen, dass Deutschland im Jahr 2023 weiterhin die Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität nutzt, um zusätzliche Investitionen zur Unterstützung der Erholung zu finanzieren. Der positive Beitrag zur Wirtschaftstätigkeit der durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und andere EU-Mittel finanzierten Ausgaben wird im Vergleich zu 2022 voraussichtlich um 0,1 BIP-Prozentpunkte zurückgehen. Den Projektionen zufolge werden die national finanzierten Investitionen 2023 einen expansiven Beitrag von 0,1 BIP-Prozentpunkten zum fiskalischen Gesamtkurs leisten. 20 Gleichzeitig wird erwartet, dass der Anstieg der national finanzierten laufenden Primärausgaben (ohne neue einnahmenseitige Maßnahmen) im Jahr 2023 einen kontraktiven Beitrag von 0,7 BIP-Prozentpunkten zum fiskalischen Gesamtkurs leisten wird. Dazu gehören im Vergleich zu 2022 auch die Auswirkungen des Auslaufens der Maßnahmen zur Bewältigung des Anstiegs der Energiepreise (0,7 % des BIP) sowie weitere Kosten für den vorübergehenden Schutz von Vertriebenen aus der Ukraine (0,05 % des BIP).

(21)Dem Stabilitätsprogramm 2022 zufolge soll das gesamtstaatliche Defizit im Jahr 2024 schrittweise auf 1¾ % des BIP und bis 2025 auf 1 % des BIP zurückgehen. Bei diesen Projektionen wird von steigenden Staatseinnahmen im Verhältnis zum BIP ausgegangen, während die Staatsausgaben als Prozentsatz des BIP relativ stabil bleiben dürften. Dem Programm zufolge soll die gesamtstaatliche Schuldenquote bis 2025 sinken, und zwar auf 65¾ % im Jahr 2024 und auf 65 % im Jahr 2025. Nach Analyse der Kommission scheinen die Risiken für die Schuldentragfähigkeit mittelfristig gering zu sein.

(22)Die Alterung der Bevölkerung und ein angespannter Arbeitsmarkt werden Deutschland in den nächsten Jahren stark treffen. Das gesetzliche Renteneintrittsalter wird im Jahr 2031 67 Jahre erreichen, doch sind weitere Anpassungen erforderlich, um die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems zu gewährleisten. Stärkere Beschäftigungsanreize wären zudem im Hinblick auf die angespannte Lage auf dem Arbeitsmarkt erforderlich. Die Zusage der Regierung, eine Obergrenze für den Rentenbeitragssatz und eine Mindestgrenze für das Rentenniveau (Doppelte Haltelinie) beizubehalten, erfordert erhebliche Finanztransfers, die die jüngere Generation noch stärker belasten. Die staatlich geförderte private Altersvorsorge (Riester-Rente) spielt im Rentensystem nur eine unwesentliche Rolle. Die Erträge sind gering und die Verwaltungskosten hoch. Insbesondere Geringverdiener können hiermit nicht ausreichend für das Alter vorsorgen.

(23)Das Steuersystem stützt sich in sehr hohem Maße auf die Besteuerung von Arbeit, während von Steuerbemessungsgrundlagen, die ein inklusives Wachstum weniger beeinträchtigen, nach wie vor nicht ausreichend Gebrauch gemacht wird. Die Steuer- und Abgabenbelastung des Faktors Arbeit in Deutschland ist eine der höchsten in der EU. Dadurch sinkt das Nettoentgelt und bestimmte Gruppen wie Personen mit niedrigem und mittlerem Einkommen und Zweitverdiener werden davon abgehalten, ihre Arbeitszeit zu erhöhen; dies steht einer besseren Nutzung des Arbeitskräftepotenzials entgegen, obwohl sich ein Arbeitskräftemangel abzeichnet. Die Einnahmen aus Umweltsteuern sind vergleichsweise niedrig, während umweltschädliche Subventionen (einschließlich Steuerermäßigungen und Steuerbefreiungen) die Ziele der ökologischen Nachhaltigkeit untergraben und der Dekarbonisierung, der Energieeffizienz und dem Einsatz erneuerbarer Energien entgegenwirken.

(24)Nach den Kriterien des Artikels 19 Absatz 3 Buchstabe b und des Anhangs V Abschnitt 2.2 der Verordnung (EU) 2021/241 umfasst der Aufbau- und Resilienzplan eine Vielzahl sich gegenseitig verstärkender Reformen und Investitionen, die bis 2026 durchgeführt werden sollen. Diese tragen dazu bei, alle oder einen wesentlichen Teil der wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen zu bewältigen, die der Rat in den Jahren 2019 und 2020 im Rahmen des Europäischen Semesters in seinen Empfehlungen an Deutschland sowie gegebenenfalls in weiteren bis zur Annahme des Plans abgegebenen länderspezifischen Empfehlungen dargelegt hat. Insbesondere wird damit der Notwendigkeit Rechnung getragen, öffentliche und private Investitionen zu fördern: vor allem für den ökologischen und digitalen Wandel, in einen nachhaltigen Verkehr, in saubere, effiziente und integrierte Energiesysteme, in die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung und der Gesundheitsdienste, in die Bildung sowie in Forschung und Innovation.

(25)Mit der Durchführung des Aufbau- und Resilienzplans Deutschlands dürften der ökologische und der digitale Wandel weiter gefördert werden. Der Betrag, der Maßnahmen zur Verwirklichung der Klimaschutzziele zugewiesen wird, entspricht 42 % der Gesamtmittelausstattung des Plans Deutschlands, während die Maßnahmen zur Unterstützung der Ziele im Digitalbereich 52 % ausmachen. Die vollständige Durchführung des Aufbau- und Resilienzplans gemäß den einschlägigen Etappenzielen und Zielwerten wird Deutschland dabei helfen, die Folgen der COVID-19-Krise rasch zu überwinden und gleichzeitig seine Resilienz zu stärken. Die systematische Einbeziehung der Sozialpartner und anderer einschlägiger Interessenträger ist für die erfolgreiche Durchführung des Aufbau- und Resilienzplans sowie anderer, nicht im Plan enthaltener wirtschafts- oder beschäftigungspolitischer Maßnahmen nach wie vor unerlässlich, da nur so ein umfassendes Engagement für das politische Gesamtkonzept gewährleistet werden kann.

(26)Bis zum 4. April 2022 übermittelte Deutschland die Programmunterlagen der Kohäsionspolitik 21 für alle 15 Programme des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, alle 16 Programme des Europäischen Sozialfonds Plus und ein gemischtes Programm des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung und des Europäischen Sozialfonds Plus. Die Kommission hat die Partnerschaftsvereinbarung mit Deutschland über die Verwendung der finanziellen Unterstützung aus den Kohäsionsfonds am 19. April 2022 genehmigt. Im Einklang mit der Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 hat Deutschland die einschlägigen länderspezifischen Empfehlungen bei der Programmplanung der Kohäsionsfondsmittel 2021–2027 berücksichtigt. Dies ist unabdingbar, um die Wirksamkeit der finanziellen Unterstützung aus den Kohäsionsfonds zu verbessern, ihren Mehrwert zu maximieren und dabei gleichzeitig die Koordinierung, Komplementarität und Kohärenz zwischen diesen Fonds und anderen Unionsinstrumenten und -mitteln zu fördern. Die erfolgreiche Umsetzung der Aufbau- und Resilienzfazilität und der kohäsionspolitischen Programme setzt zudem voraus, dass die Engpässe bei den Investitionen zur Förderung des ökologischen und des digitalen Wandels und der ausgewogenen territorialen Entwicklung beseitigt werden.

(27)Abgesehen von den wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen, die mit dem Aufbau- und Resilienzplan angegangen werden, hat Deutschland beim Ausbau eines hochleistungsfähigen Breitbandnetzes in ländlichen Gebieten, in denen höhere Investitionen das Produktivitätswachstum verbessern und dem Ersparnisüberhang entgegenwirken könnten, immer noch Nachholbedarf. Insgesamt hat Deutschland die Breitbandversorgung mit sehr hoher Kapazität im vergangenen Jahr deutlich verbessert und liegt hier derzeit über dem EU-Durchschnitt. In ländlichen Gebieten lag die Abdeckung jedoch nur bei 22,5 % und damit unter dem EU-Durchschnitt von 37,1 %. Zugleich haben nur 15,4 % der Haushalte Zugang zu einem Glasfaseranschluss (im Vergleich zu einem EU-Durchschnitt von 50 %). Damit gehört Deutschland zu den Mitgliedstaaten mit der niedrigsten Glasfaserabdeckung, während die fünf führenden EU-Länder eine Abdeckung von mindestens 85 % aufweisen. Der Mangel an Glasfaseranschlüssen tritt in ländlichen Gebieten besonders deutlich zutage (11,3 % gegenüber 33,8 % im EU-Durchschnitt). Dies bremst das Produktivitätswachstum, insbesondere bei kleinen und mittleren Unternehmen, von denen viele in ländlichen und halbländlichen Gebieten angesiedelt sind. Breitbandausbau und 5G-Netz sind im deutschen Aufbau- und Resilienzplan nicht berücksichtigt. Auf Bundes- und regionaler Ebene gibt es Pläne zur Verbesserung der Konnektivität in „grauen Flecken“ und zur Mobilfunkanbindung in „weißen Flecken“. Der Koalitionsvertrag enthält ehrgeizige Ziele für die bundesweite Verfügbarkeit von Glasfaser und 5G für alle Haushalte; eine Frist für die Umsetzung muss jedoch noch festgelegt werden. Der Ausbau der Planungs- und Managementkapazitäten im Hoch- und Tiefbau im privaten Sektor sowie des Planungs- und Durchführungsmanagements im öffentlichen Sektor ist für eine rechtzeitige Umsetzung von entscheidender Bedeutung. Damit die Ziele erreicht werden, sind zudem Verbesserungen bei den Antrags- und Genehmigungsverfahren sowie die Standardisierung alternativer, weniger zeitaufwendiger Installationstechniken erforderlich.

(28)Im Anschluss an den Auftrag, den die Staats- und Regierungschefs der EU in der Erklärung von Versailles formuliert haben, wurde der REPowerEU-Plan aufgestellt, um die Abhängigkeit der Europäischen Union von Einfuhren fossiler Brennstoffe aus Russland so bald wie möglich zu beenden. Zu diesem Zweck werden im Dialog mit den Mitgliedstaaten optimal geeignete Projekte, Investitionen und Reformen auf nationaler, regionaler und Unionsebene ermittelt. Diese Maßnahmen zielen darauf ab, die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen insgesamt zu verringern und fossile Brennstoffe zunehmend von anderen Exportländern als Russland zu beziehen.

(29)Für Deutschland bestehen Herausforderungen im Zusammenhang mit seiner Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und Energieimporten aus Russland sowie mit den Rahmenbedingungen für Investitionen in ein vollständig integriertes nachhaltiges Energiesystem. Den Daten für 2020 zufolge ist die Abhängigkeit von Erdgasimporten aus Russland besonders hoch (65 % 22 ), höher als im EU-Durchschnitt (44 %). Auch beim Öl ist die Abhängigkeit von Importen aus Russland höher als im EU-Durchschnitt (34 % in Deutschland gegenüber einem EU-Durchschnitt von 26 %). 23 Gas (26 %) und Öl (35 %) machen mehr als die Hälfte des deutschen Energiemixes aus. Diese Abhängigkeit hat unmittelbare Auswirkungen auf die deutsche Industrie, auf die 35 % des Endenergieverbrauchs von Erdgas entfällt. Schnellere Fortschritte beim Ausbau der Übertragungs- und Verteilernetze und beim Einsatz erneuerbarer Energien sind von entscheidender Bedeutung dafür, diese Herausforderungen zu bewältigen, die Klima- und Energieziele zu erreichen und Investitionen im Verhältnis zum Sparen zu fördern. Größere Anstrengungen sind erforderlich, um die Energieversorgung und -lieferwege zu diversifizieren, wobei alle verfügbaren CO2-freien Energiequellen, insbesondere durch den Einsatz von Strom und Gas aus erneuerbaren Quellen einschließlich erneuerbaren Wasserstoffs, sowie Flüssigerdgas zu nutzen sind. Es wird empfohlen, neue Gasinfrastruktur- und -netzinvestitionen möglichst zukunftssicher zu gestalten, damit sie sich auch für nachhaltige Energieträger eignen und somit langfristig nachhaltig sind. Damit Deutschland das Ziel „Fit für 55“ erfüllt, müssen die Zielsetzungen im Hinblick auf die Verringerung der Treibhausgasemissionen sowie die Steigerung des Anteils der erneuerbaren Energien und der Energieeffizienz ambitionierter gestaltet werden. Es müssen Anstrengungen unternommen werden, um die Dekarbonisierung der Industrie zu beschleunigen, die Flexibilitätsmöglichkeiten und die Reaktion der Energieverbraucher auf schwankende Preise zu verbessern und die Integration des Energiesystems 24 zu stärken. Ferner sollten Maßnahmen ergriffen werden, um die Energieeffizienz zu steigern und den Energieverbrauch zu senken sowie die Dekarbonisierung des Gebäudebestands und des Verkehrssektors zu beschleunigen, wo 2021 die jährlichen nationalen Emissionsziele für diese Sektoren nicht erreicht wurden. Eine stärkere Nutzung geteilter Mobilität und des nachhaltigen öffentlichen Verkehrs kann den Verbrauch fossiler Brennstoffe senken. Der Ausbau der Stromnetze in Deutschland leidet unter erheblichen Verzögerungen. Haupthindernisse sind unter anderem die Komplexität und Dauer der Planungs-, Genehmigungs- und Einspruchsverfahren. Durch die Verzögerungen beim Ausbau der Stromnetze kam es in bestimmten Regionen zu Einschränkungen bei der erneuerbaren Energie. Darüber hinaus wirken sich die Verzögerungen beim Ausbau der Stromnetze erheblich auf die Netze benachbarter Mitgliedstaaten aus, da die Netzkapazität innerhalb Deutschlands nicht ausreicht, um die innerhalb der jeweiligen Preiszone gehandelten Strommengen zu transportieren. Die Regierung hat sich das Ziel gesetzt, den Anteil erneuerbarer Energien an der Stromerzeugung bis 2030 auf 80 % und bis 2035 auf fast 100 % zu erhöhen. Der Ausbau der erneuerbaren Energie, insbesondere der Windenergie an Land, hat sich jedoch in den letzten Jahren aufgrund der nach wie vor bestehenden Umsetzungshemmnisse erheblich verlangsamt. Diese Hemmnisse können durch Maßnahmen zur frühzeitigen Lösung von Konfliktsituationen im Zusammenhang mit der Landnutzung, eine Lockerung der Mindestabstandsvorschriften, eine bessere Nutzung der Raumplanung zur Ermittlung von Gebieten für den Einsatz von Windenergie und die Erleichterung der Einholung von Genehmigungen beseitigt werden. Die lokale Akzeptanz kann verbessert werden, unter anderem durch einen gestrafften Konsultationsprozess, eine stärkere Bürgerbeteiligung und eine stärkere Teilung der Einnahmen bei Projekten. Der Ausbau der erneuerbaren Energie und die Steigerung der Energieeffizienz werden nicht nur die Abhängigkeit von Energieimporten verringern, sondern auch die Energiepreise erheblich senken. Zuletzt kann die Beteiligung an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Energiebereich weiter gestärkt und können Flexibilität und die Kapazität für den Umkehrfluss im Hinblick auf die bestehende Interkonnektivität erhöht werden.

(30)Der beschleunigte Übergang zur Klimaneutralität mit der Abkehr von fossilen Brennstoffen wird zwar in einigen Sektoren erhebliche Restrukturierungskosten verursachen, doch kann Deutschland im Rahmen der kohäsionspolitischen Programmplanung den Mechanismus für einen gerechten Übergang nutzen, um die sozioökonomischen Auswirkungen des Übergangs in den am meisten betroffenen Regionen zu verringern. Darüber hinaus kann Deutschland den Europäischen Sozialfonds Plus nutzen, um die Beschäftigungsmöglichkeiten zu verbessern und den sozialen Zusammenhalt zu stärken.

(31)Vor dem Hintergrund der Bewertung der Kommission hat der Rat das Stabilitätsprogramm 2022 geprüft; seine Stellungnahme 25 hierzu spiegelt sich insbesondere in der nachstehenden Empfehlung 1 wider.

(32)Angesichts der engen Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften der Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets und ihres kollektiven Beitrags zur Funktionsweise der Wirtschafts- und Währungsunion empfahl der Rat den Mitgliedstaaten des Euro-Währungsgebiets, unter anderem im Rahmen ihrer Aufbau- und Resilienzpläne Maßnahmen zu ergreifen, um die Empfehlung zur Wirtschaftspolitik des Euro-Währungsgebiets umzusetzen. Für Deutschland spiegelt sich dies insbesondere in den nachstehenden Empfehlungen 1, 2 und 3 wider.

(33)Vor dem Hintergrund der eingehenden Überprüfung durch die Kommission und dieser Bewertung analysierte der Rat das nationale Reformprogramm 2022 und das Stabilitätsprogramm 2022. Seine Empfehlungen nach Artikel 6 der Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 spiegeln sich in den nachstehenden Empfehlungen 1, 2, 3 und 4 wider. Die Empfehlungen 1, 2 und 3 tragen auch zur Umsetzung der Empfehlungen für das Euro-Währungsgebiet, insbesondere der ersten und vierten Euro-Währungsgebiet-Empfehlung bei. Die in Empfehlung 1 genannten haushaltspolitischen Maßnahmen und die in den Empfehlungen 2, 3 und 4 genannten Maßnahmen tragen unter anderem dazu bei, Ungleichgewichte im Zusammenhang mit dem Leistungsbilanzüberschuss zu beseitigen, insofern als es um höhere Investitionen geht.

EMPFIEHLT, dass Deutschland 2022 und 2023

1.dafür sorgt, dass der Anstieg der national finanzierten laufenden Ausgaben 2023 mit einem weitgehend neutralen politischen Kurs im Einklang steht, unter Berücksichtigung der fortgesetzten befristeten und gezielten Unterstützung für die vom Energiepreisanstieg besonders betroffenen Haushalte und Unternehmen sowie die aus der Ukraine flüchtenden Menschen; die laufenden Ausgaben an die sich wandelnde Situation anpasst; die öffentlichen Investitionen für den ökologischen und den digitalen Wandel sowie die Energiesicherheit ausweitet, unter anderem durch Inanspruchnahme der Aufbau- und Resilienzfazilität, von REPowerEU und anderen EU-Mitteln; für die Zeit nach 2023 eine Haushaltspolitik verfolgt, die darauf abzielt, mittelfristig eine vorsichtige Haushaltslage zu erreichen; den Steuermix verbessert, um ein inklusiveres und nachhaltigeres Wachstum zu erreichen, insbesondere durch bessere steuerliche Anreize zur Erhöhung der Arbeitszeit; die langfristige Tragfähigkeit des Rentensystems sichert;

2.seinen Aufbau- und Resilienzplan gemäß den im Durchführungsbeschluss des Rates vom 13. Juli 2021 festgelegten Etappenzielen und Zielwerten weiter durchführt; die Verhandlungen mit der Kommission über die Programmunterlagen der Kohäsionspolitik für 2021–2027 rasch abschließt, um mit deren Umsetzung beginnen zu können;

3.Investitionshemmnisse beseitigt und Investitionen in digitale Kommunikationsnetze mit sehr hoher Kapazität fördert;

4.die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen insgesamt verringert und ihre Importe durch Verbesserung der Energieeffizienz diversifiziert, Anreize für Energieeinsparungen schafft, die Energieversorgung und -lieferwege diversifiziert, Investitionsengpässe beseitigt, die Genehmigungsverfahren weiter strafft, Investitionen in Stromnetze und Energie aus erneuerbaren Quellen fördert und den Ausbau beschleunigt sowie die Beteiligung an der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit im Energiebereich weiter voranbringt.

Geschehen zu Brüssel

   Im Namen des Rates

   Der Präsident

(1)    ABl. L 209 vom 2.8.1997, S. 1.
(2)    ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25.
(3)    Verordnung (EU) 2021/241 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Februar 2021 zur Einrichtung der Aufbau- und Resilienzfazilität (ABl. L 57 vom 18.2.2021, S. 17).
(4)    Verordnung (EU) Nr. 1176/2011 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. November 2011 über die Vermeidung und Korrektur makroökonomischer Ungleichgewichte (ABl. L 306 vom 23.11.2011, S. 25).
(5)    Durchführungsbeschluss (EU) 2022/382 des Rates vom 4. März 2022 zur Feststellung des Bestehens eines Massenzustroms von Vertriebenen aus der Ukraine im Sinne des Artikels 5 der Richtlinie 2001/55/EG und zur Einführung eines vorübergehenden Schutzes (ABl. L 71 vom 4.3.2022, S. 1).
(6)    Mitteilung der Kommission an den Rat über die Aktivierung der allgemeinen Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts (COM(2020) 123 final vom 20.3.2020).
(7)    Mitteilung der Kommission an den Rat – Ein Jahr nach dem Ausbruch von COVID-19 – die fiskalpolitische Reaktion, Brüssel (COM(2021) 105 final vom 3.3.2021).
(8)    Bei den Schätzungen zum finanzpolitischen Kurs und seinen Komponenten in dieser Empfehlung handelt es sich um Schätzungen der Kommission, die auf den Annahmen beruhen, die der Frühjahrsprognose 2022 der Kommission zugrunde liegen. Die von der Kommission vorgenommenen Schätzungen des mittelfristigen Potenzialwachstums lassen die positiven Auswirkungen der im Aufbau- und Resilienzplan vorgesehenen Reformen unberücksichtigt, die dem Potenzialwachstum einen Schub verleihen könnten.
(9)    Nicht durch Zuschüsse aus der Aufbau- und Resilienzfazilität und aus anderen EU-Fonds finanziert.
(10)    Mitteilung der Kommission an den Rat: Haushaltspolitische Leitlinien für 2023, Brüssel (COM(2022) 85 final vom 2.3.2022).
(11)    Durchführungsbeschluss des Rates vom 13. Juli 2021 zur Billigung der Bewertung des Aufbau- und Resilienzplans Deutschlands (ST 10158/2021; ST 10158/2021 ADD).
(12)    COM(2022) 607 final vom 23.5.2022.
(13)    COM(2022) 600 final und SWD(2022) 629 final vom 23.5.2022.
(14)    Die Zahlen geben die Höhe der jährlichen Haushaltskosten für die seit Herbst 2021 ergriffenen Maßnahmen wieder, einschließlich laufender Einnahmen und Ausgaben sowie gegebenenfalls Investitionsausgaben.
(15)    Die Gesamtzahl der Vertriebenen aus der Ukraine dürfte in der EU bis Ende 2022 allmählich die Marke von 6 Millionen erreichen. Ihre geografische Verteilung wird auf der Grundlage der Größe der bestehenden Diaspora, der relativen Bevölkerung des Aufnahmemitgliedstaats und der tatsächlichen Verteilung der Vertriebenen aus der Ukraine in der gesamten EU ab März 2022 geschätzt. Für die Haushaltskosten pro Person basieren die Schätzungen auf dem Euromod-Mikrosimulationsmodell der Gemeinsamen Forschungsstelle der Kommission, wobei sowohl etwaige zustehende Geldleistungen als auch Sachleistungen wie Bildung und Gesundheitsversorgung berücksichtigt werden.
(16)    Empfehlung des Rates vom 18. Juni 2021 mit einer Stellungnahme des Rates zum Stabilitätsprogramm Deutschlands 2021 (ABl. C 304 vom 29.7.2021, S. 18).
(17)    Ein negatives (positives) Vorzeichen des Indikators bedeutet, dass das Wachstum der Primärausgaben über (unter) dem mittelfristigen Wirtschaftswachstum liegt, was auf eine expansive (kontraktive) Haushaltspolitik hinweist.
(18)    Von sonstigen national finanzierten Investitionsausgaben wird ein kontraktiver Beitrag von 0,1 BIP-Prozentpunkten erwartet.
(19)    Ein negatives (positives) Vorzeichen des Indikators bedeutet, dass das Wachstum der Primärausgaben über (unter) dem mittelfristigen Wirtschaftswachstum liegt, was auf eine expansive (kontraktive) Haushaltspolitik hinweist.
(20)    Der Beitrag der sonstigen national finanzierten Investitionsausgaben dürfte neutral bleiben.
(21)    Verordnung (EU) 2021/1060 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 24. Juni 2021 mit gemeinsamen Bestimmungen für den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Europäischen Sozialfonds Plus, den Kohäsionsfonds, den Fonds für einen gerechten Übergang und den Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds sowie mit Haushaltsvorschriften für diese Fonds und für den Asyl-, Migrations- und Integrationsfonds, den Fonds für die innere Sicherheit und das Instrument für finanzielle Hilfe im Bereich Grenzverwaltung und Visumpolitik. (ABl. L 231 vom 30.6.2021, S. 159).
(22)    Jüngsten Daten des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz zufolge ist der Anteil an den gesamten Erdgasimporten auf 35 % zurückgegangen.
(23)

   Eurostat (2020), Anteil der Einfuhren aus Russland an den Gesamteinfuhren von Erdgas und Rohöl. Grundlage für die Gesamteinfuhren für den EU27-Durchschnitt bilden die Extra-EU27-Einfuhren. Für Deutschland umfassen die Gesamteinfuhren auch Einfuhren aus Mitgliedstaaten. Rohöl umfasst keine raffinierten Erdölerzeugnisse.

(24)    Die Integration der Energiesysteme verbindet die verschiedenen Energieträger untereinander und mit den Endverbrauchssektoren.
(25)    Nach Artikel 5 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 1466/97 des Rates.
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