EUROPÄISCHE KOMMISSION
Brüssel, den 13.10.2022
COM(2022) 518 final
MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN
Durchsetzung des EU-Rechts für ein Europa, das greifbare Ergebnisse liefert
Durchsetzung des EU-Rechts für ein Europa, das greifbare Ergebnisse liefertDurchsetzung des EU-Rechts für ein Europa, das greifbare Ergebnisse liefert
I.EINLEITUNG
Die Europäische Union ist eine Rechtsgemeinschaft, die auf gemeinsamen Werten beruht, die von allen Mitgliedstaaten getragen werden. Die Anwendung und Durchsetzung des EU-Rechts und die Achtung der Rechtsstaatlichkeit bilden das Fundament der EU. Das Recht ist der wertvollste Trumpf der EU, um die Vorteile der EU für die Menschen, die Unternehmen und unsere Umwelt zu realisieren. Der Grundsatz des Vorrangs des EU-Rechts basiert auf dem Grundsatz der Gleichheit vor den Verträgen. Dieser gewährleistet gleiche Rechte für alle Menschen in der EU, was bedeutet, dass alle Bestimmungen des EU-Rechts in allen Mitgliedstaaten die gleiche Bedeutung haben sollten und in gleicher Weise anzuwenden sind. Auf der Grundlage des Rechts kann die EU den Binnenmarkt optimal nutzen, unseren Wandel hin zu einem grüneren und digitaleren Europa vorantreiben sowie unsere Werte, eine wirksame justizielle Zusammenarbeit und die Sicherheit unserer Union schützen und fördern. Deshalb ist das auf Regeln beruhende System von zentraler Bedeutung für die Vision der EU, sowohl in Europa als auch weltweit, und eine Voraussetzung für Gerechtigkeit, Demokratie und die Achtung der Grundrechte. Die Kommission hat sich verpflichtet, ihre Bemühungen um die Förderung und Wahrung der Rechte der Menschen, der Grundfreiheiten sowie der Rechtsstaatlichkeit zu verstärken. Wichtige Arbeitsbereiche wie die jährlichen Berichte über die Rechtsstaatlichkeit, der Aktionsplan für Demokratie in Europa und die erneuerte Strategie zur Umsetzung der EU-Grundrechtecharta (im Folgenden „Charta“) sind Teil einer maßgeblichen Intensivierung der Arbeit zur Stärkung der rechtlichen und demokratischen Grundlagen der EU.
Die Durchsetzung des EU-Rechts ist für dieses Ziel von zentraler Bedeutung. Dies gehört zu den Kernaufgaben der Kommission, da ihr durch die EU-Verträge, die von den Mitgliedstaaten unterzeichnet wurden, die Funktion der „Hüterin der Verträge“ und ganz allgemein des EU-Rechts übertragen wurde. Mit dieser übergreifenden Rolle trägt die Kommission die zentrale Verantwortung für die Durchsetzung des Rechts. Sie nimmt diese Rolle insbesondere wahr, indem sie mit den Mitgliedstaaten zusammenarbeitet sowie deren Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts überwacht. In der vorliegenden Mitteilung wird näher dargelegt, wie die Kommission diese Aufgabe erfüllt, während die Rechtsvorschriften der EU ausgearbeitet, in nationales Recht umgesetzt, durchgeführt und in der Praxis angewandt werden. Ähnlich wie beim Schutz der Rechtsstaatlichkeit, bei dem der Schwerpunkt der Kommission darauf liegt, das Auftreten von Problemen zu verhindern, lässt sich das EU-Recht am besten durchsetzen, indem dafür gesorgt wird, dass es gar nicht erst zu Verstößen kommt. Eine tägliche Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten ist von wesentlicher Bedeutung, um eine frühzeitige Einhaltung der Vorschriften sicherzustellen. Letztlich sind Vertragsverletzungsverfahren, einschließlich der Möglichkeit, Mitgliedstaaten vor dem Gerichtshof der Europäischen Union (im Folgenden „Gerichtshof“) zu verklagen, jedoch häufig erforderlich, um gegen Verletzungen des EU-Rechts vorzugehen.
Eine wirksame Durchsetzung sorgt dafür, dass die Menschen und Unternehmen in der EU schnellstmöglich von den Vorteilen gemeinsam vereinbarter Regeln profitieren und jeder sich darauf verlassen kann, dass seine Grundrechte stets geachtet werden, wo auch immer in der EU er lebt oder arbeitet. Aus diesem Grund unterstützt die Kommission die Mitgliedstaaten bereits in einer frühen Phase der Aufnahme von EU-Vorschriften in ihre Rechtsordnung, um sicherzustellen, dass das EU-Recht von Anfang an korrekt umgesetzt und angewandt wird. Dies erklärt zudem, warum die Zahlen zu den Vertragsverletzungsverfahren allein nicht unbedingt gut dafür geeignet sind, die Durchsetzungsbemühungen der Kommission zu messen, die darauf abzielen, Verstöße zu verhindern und erforderlichenfalls möglichst rasch zu beseitigen.
Neben der Kommission und den nationalen Regierungen spielen auch andere Akteure eine entscheidende Rolle bei der wirksamen Anwendung des EU-Rechts. Einige von ihnen haben eine förmlich festgelegte Rolle, etwa nationale Gerichte, nationale Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden oder gesetzlich befugte Stellen wie Verbraucherschutzbehörden oder unabhängige Datenschutzaufsichtsbehörden. Auch die Zivilgesellschaft und Einzelpersonen helfen dabei, auf mögliche Verstöße und die Notwendigkeit ihrer Beseitigung aufmerksam zu machen.
In der vorliegenden Mitteilung wird dargelegt, wie die Kommission ihre Arbeit bezüglich der Durchsetzung vertieft und weiterentwickelt hat, um sicherzustellen, dass das EU-Recht in allen Mitgliedstaaten gleichermaßen geachtet wird, und um den konkreten Nutzen zu maximieren, den ihre Um- und Durchsetzungsarbeit im Alltag der Menschen in der EU bringt.
II.NUTZBARMACHUNG DER VORTEILE DES EU-RECHTS
Die Menschen und Unternehmen verlassen sich darauf, dass die gemeinsam vereinbarten Regeln der EU rasch und korrekt durchgeführt oder in nationales Recht umgesetzt und von den Mitgliedstaaten umfassend angewandt werden. Die Durchsetzung der EU-Vorschriften ist für die Durchführung der EU-Politik von wesentlicher Bedeutung und untrennbar mit der Politikgestaltung verbunden. Die EU-Rechtsvorschriften durchlaufen einen gründlichen Prozess, der eine Bewertung der bestehenden Gesetze der Mitgliedstaaten und der EU, eine Konsultation der Öffentlichkeit und eine Abschätzung der ökologischen, sozialen und wirtschaftlichen Folgen beinhaltet. Die Annahme dieser Rechtsvorschriften ist das Ergebnis eines inklusiven und transparenten Gesetzgebungsprozesses unter der Beteiligung des Europäischen Parlaments und des Rates, sodass die Politikerinnen und Politiker sowie Entscheidungsträgerinnen und Entscheidungsträger sich dazu äußern konnten, wie die diskutierten Gesetze in der Praxis umgesetzt werden. Wenn die verabschiedeten Rechtsakte die beabsichtigte Wirkung haben sollen, müssen sie in allen Mitgliedstaaten umfassend, korrekt, gleich und zeitnah angewandt werden.
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Ermöglichung des Arbeitens und der Ausübung von Geschäftstätigkeiten überall in der EU
Die EU-Vorschriften über die Anerkennung von Berufsqualifikationen erleichtern es Fachkräften, Dienstleistungen in der gesamten EU zu erbringen, und gewährleisten gleichzeitig einen besseren Schutz für Verbraucherinnen und Verbraucher. Die Mitgliedstaaten hatten diese Vorschriften jedoch uneinheitlich umgesetzt, sodass die Verfahren für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie selbstständig Erwerbstätige in einigen Mitgliedstaaten aufwendiger waren als in anderen. Infolge von Vertragsverletzungsverfahren änderten Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften, um dafür zu sorgen, dass Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen von den Vorteilen dieser Vorschriften profitieren. Darüber hinaus entfernten die Mitgliedstaaten nach Zusammenarbeit im Rahmen der Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften 217 Berufe von der Liste der Berufe, für die eine Vorabprüfung erforderlich war, und erleichterten den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern so die Dienstleistungserbringung in diesen Mitgliedstaaten.
Eine verbesserte Koordinierung der einzelstaatlichen Systeme der sozialen Sicherheit in den Mitgliedstaaten hilft den Menschen ferner dabei, ihr Recht auf Freizügigkeit wirksam wahrzunehmen. Um die Freizügigkeit der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer und die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zu schützen, leitete die Kommission Verfahren gegen zwei Mitgliedstaaten ein, da sie geringere Familienleistungen für dort tätige EU-Staatsangehörige gewährten, wenn deren Kinder in einem Mitgliedstaat lebten, in dem die Lebenshaltungskosten als niedriger betrachtet wurden. In einem dieser Fälle wurde die Haltung der Kommission bereits durch den Gerichtshof bestätigt, der entschied, dass es rechtswidrig sei, die Familienleistungen je nach Wohnsitzmitgliedstaat der Kinder der begünstigten Person anzupassen.
Der Kooperationsmechanismus SOLVIT zur Lösung grenzüberschreitender Probleme ermöglicht eine frühzeitigere Erkennung möglicher Verstöße gegen das EU-Recht und kann sofortige Abhilfe für die betroffenen Unternehmen und Personen bieten. Mit dem Mechanismus werden praktische Probleme und Hindernisse angegangen, denen sich Menschen gegenübersehen, die in anderen Mitgliedstaaten arbeiten, leben oder Geschäfte tätigen. Die einzelstaatlichen Behörden, die das SOLVIT-Netz bilden, arbeiten bei der Anwendung der EU-Vorschriften zusammen und machen ausgiebig Gebrauch von der Hilfe und dem Fachwissen der Kommission. Die nationalen SOLVIT-Zentren finden nicht nur Lösungen für zahlreiche Einzelfälle, sondern helfen auch dabei, strukturelle Probleme in Bezug auf die Anwendung des EU-Rechts zu ermitteln und anzugehen.
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Die Nichteinhaltung von Vorschriften geht mit Kosten einher. Das kann bedeuten, dass der Schutz der Grundrechte hinausgezögert wird oder eingeschränkt ist, da Rechte wie das Recht auf Gleichbehandlung und das Recht auf Freizügigkeit untergraben werden. Belastungen für die Öffentlichkeit und Unternehmen können aufrechterhalten werden. Die Nichteinhaltung kann zur Folge haben, dass eine Umweltschädigung andauert. Möglich ist auch, dass der Schutz der Verbraucherinnen und Verbraucher, der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer oder der Asylsuchenden geschwächt ist oder hinausgezögert wird. Die Nichteinhaltung wirkt sich in besonderer Weise auf Menschen aus, die grenzüberschreitend arbeiten oder reisen oder Grenzen für andere Zwecke überschreiten
, da sie sich nach unterschiedlichen Regeln richten müssen, je nachdem, wie das EU-Recht angewandt wird. Die fehlerhafte Anwendung von EU-Vorschriften verzerrt ferner den Wettbewerb auf dem Binnenmarkt und untergräbt die Idee gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen in der gesamten EU.
Wenn die Mitgliedstaaten gegen EU-Vorschriften verstoßen, indem sie Hürden auf dem Binnenmarkt einführen oder tolerieren, um Unternehmen dadurch Vorteile zu verschaffen, sind die möglichen Vorteile oft kurzfristiger Natur, während die dauerhaften Auswirkungen auf Unternehmen umso gravierender sein können, wodurch es für alle Unternehmen wesentlich schwieriger wird, die Möglichkeiten zu nutzen, die der Binnenmarkt bietet.
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Kosten einer fehlerhaften oder unvollständigen Anwendung von Vorschriften
Bestehende Hindernisse auf dem Binnenmarkt lassen sich in vielen Fällen auf die fehlerhafte oder unvollständige Anwendung der Verträge und Rechtsvorschriften der EU zurückführen. Dies wirkt sich besonders auf KMU und Start-ups aus, da sie von Verwaltungsaufwand und verwaltungstechnischer Komplexität als Erste betroffen sind, insbesondere, wenn sie grenzüberschreitend tätig sind, um im Binnenmarkt Geschäfte zu tätigen. Die fehlerhafte Anwendung von Vorschriften beeinträchtigt auch die Größenvorteile, die der Binnenmarkt bietet, was zulasten der Verbraucherinteressen geht. Uneinheitliche Vorschriften schaden insbesondere Grenzregionen.
Eine entschiedene Durchsetzung der Wettbewerbsvorschriften ist von wesentlicher Bedeutung, damit die Unternehmen sowie die Verbraucherinnen und Verbraucher die Vorteile des Binnenmarkts ausnutzen können. Werden diese Vorschriften nicht ordnungsgemäß angewandt, untergräbt dies die Idee gleicher Wettbewerbsbedingungen für die Unternehmen, was möglicherweise höhere Preise und ein geringeres Angebot für die Verbraucherinnen und Verbraucher zur Folge hat.
Die Umsetzung der Umweltpolitik und -vorschriften der EU ist nicht nur unverzichtbar für eine gesunde Umwelt, sondern eröffnet auch neue Chancen für Wirtschaftswachstum, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit. Durch die vollständige Umsetzung der EU-Umweltvorschriften könnte die Wirtschaft in der EU zudem bei der Gesundheitsversorgung und den direkten Kosten für die Umwelt jährlich Mittel in Höhe von rund 55 Mrd. EUR einsparen.
Vorteile einer raschen Umsetzung der neuen EU-Steuervorschriften
Neue Vorschriften über die Mehrwertsteuer (MwSt) für den elektronischen Geschäftsverkehr traten 2021 im Rahmen der Arbeiten zur Sicherstellung einheitlicherer Wettbewerbsbedingungen und zur Vereinfachung der MwSt-Vorschriften in Kraft. Onlineverkäuferinnen und Onlineverkäufer können sich jetzt auf einem elektronischen Portal (der „einzigen Anlaufstelle“) registrieren und so all ihren MwSt-Pflichten für Verkäufe in der gesamten EU nachkommen. Die Kommission leistete sowohl den Mitgliedstaaten als auch den betroffenen Interessenträgern Unterstützung und Orientierungshilfe bezüglich der neuen Vorschriften. Dies half dabei, die Umsetzung der neuen MwSt-Vorschriften für den elektronischen Geschäftsverkehr, die Erhebung von MwSt-Einnahmen in Höhe von 8,8 Mrd. EUR über das neue Portal, darunter neue MwSt-Einnahmen in Höhe von 700 Mio. EUR
, und die Registrierung von 100 000 Onlineverkäuferinnen und Onlineverkäufern über die elektronische Plattform reibungslos zu gestalten.
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Eine uneingeschränkte und kohärente Anwendung der EU-Vorschriften durch die Mitgliedstaaten ist wichtig für Rechtssicherheit und das Vertrauen der Menschen und Unternehmen in die nationalen Institutionen und die EU insgesamt. Dies gilt insbesondere in Bezug auf unsere gemeinsamen Werte, die Grundrechte, die Rechtsstaatlichkeit, die vier Grundfreiheiten der EU sowie das Funktionieren des Binnenmarkts. Im Interesse einer Union der Gleichheit ist es von entscheidender Bedeutung, dass Gleichstellung und Nichtdiskriminierung in der gesamten EU geachtet werden und dass die Bürgerinnen und Bürger vom gleichen Grad an Schutz für ihre Rechte profitieren können, wo auch immer in der EU sie leben.
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Schutz der Unionsbürgerschaft
Staatsbürgerschaftsregelungen für Investorinnen und Investoren („goldene Pässe“) in bestimmten Mitgliedstaaten haben in den letzten Jahren große Besorgnis hervorgerufen. Die systematische Gewährung der Staatsangehörigkeit und dadurch der Unionsbürgerschaft gegen eine im Voraus festgelegte Bezahlung und ohne echten Bezug zu einem Mitgliedstaat verstößt gegen das Konzept der Unionsbürgerschaft sowie den Grundsatz der loyalen Zusammenarbeit. Sie stellt ferner eine ernsthafte Gefahr für die Sicherheit sowie im Hinblick auf Geldwäsche, Steuerhinterziehung und Korruption dar. Um nachdrücklich daran festzuhalten, dass die Unionsbürgerschaft nicht zum Verkauf steht und dass sämtliche bestehenden Staatsbürgerschaftsregelungen für Investorinnen und Investoren unverzüglich aufgehoben werden sollten, eröffnete die Kommission wegweisende Vertragsverletzungsverfahren gegen zwei Mitgliedstaaten und befasste letztlich den Gerichtshof mit einem der Fälle. Darüber hinaus hat sich die Kommission mit einem anderen Mitgliedstaat in Verbindung gesetzt, der seine Staatsbürgerschaftsregelungen für Investorinnen und Investoren mittlerweile abgeschafft hat.
Wahrung von Gleichstellung und Nichtdiskriminierung
Die Achtung der Menschenwürde und Gleichheit sind grundlegende Werte der EU, die in Artikel 2 des Vertrags über die Europäische Union verankert sind. Diese Werte stellen keine bloßen ethischen Normen dar, sondern in der Charta verankerte Grundrechte und allgemeine Grundsätze des EU-Rechts. Die Kommission unternahm Schritte, um die Rechte von LGBTIQ-Personen zu schützen, und leitete schließlich eine Klage gegen einen Mitgliedstaat wegen einzelstaatlicher Rechtsvorschriften, die Menschen auf der Grundlage ihrer sexuellen Orientierung oder Geschlechtsidentität benachteiligten, vor dem Gerichtshof ein.
Bezüglich der Geschlechtergleichstellung und insbesondere der sozialen Sicherheit ergriff die Kommission Maßnahmen gegen einen Mitgliedstaat, dessen Rentenrecht Frauen bei der Berechnung der Beitragsdauer, die erforderlich war, um Anspruch auf eine Rente zu haben, indirekt benachteiligte.
Verteidigung der Medienfreiheit
Die Sicherstellung der Medien- und Redefreiheit ist die Grundlage einer offenen, demokratischen und nachhaltigen digitalen Gesellschaft. Mediendiensteanbieterinnen und Mediendiensteanbieter müssen unter diskriminierungsfreien, verhältnismäßigen und sachlich gerechtfertigten Bedingungen Zugang zum Markt haben, sodass sie frei und unabhängig überall in der Europäischen Union arbeiten können. Die Kommission verklagte einen Mitgliedstaat vor dem Gerichtshof, da gegen die Telekommunikationsvorschriften des Binnenmarkts und die in der Charta verankerte Redefreiheit verstoßen wurde.
Förderung der legalen Migration und Gleichbehandlung von Drittstaatsangehörigen
Gleichzeitig ist die Gewinnung von Talenten aus Drittländern bereichernd für unsere Gesellschaft und vorteilhaft für unsere Volkswirtschaften. Die EU-Vorschriften sehen gemeinsame Einreise- und Aufenthaltsvoraussetzungen für bestimmte Kategorien von Staatsangehörigen aus Nicht-EU-Staaten sowie eine Gleichbehandlung mit den Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern in verschiedenen Bereichen vor. Die Kommission ergriff Maßnahmen gegen mehrere Mitgliedstaaten, die ungerechtfertigte Hindernisse für Drittstaatsangehörige im Hinblick auf den Zugang zu Beschäftigung und die Ausübung einer selbstständigen Erwerbstätigkeit eingeführt hatten. Sie leitete ferner Vertragsverletzungsverfahren wegen übermäßigen Aufwands bei der Bearbeitung von EU-Erlaubnissen ein. Infolgedessen haben mehrere Mitgliedstaaten ihre einzelstaatlichen Rechtsvorschriften geändert, um sie in Einklang mit dem EU-Recht zu bringen, was Aufenthalt und Arbeit in Europa für qualifizierte Drittstaatsangehörige einfacher und attraktiver macht.
Bekämpfung rassistischer und fremdenfeindlicher Hassreden und Hassverbrechen
Hassreden und Hassverbrechen schädigen nicht nur die betroffenen Personen und die Gesellschaft insgesamt, sondern stellen auch einen direkten Angriff auf die Werte der EU dar. Der Schlüssel zur Erreichung einer wirksamen Durchsetzung liegt in der beschleunigten Umsetzung des Rahmenbeschlusses von 2008 zur Bekämpfung von Hassreden und Hassverbrechen. Die Kommission ist entschlossen, eine wirksame strafrechtliche Verfolgung von Hassreden und Hassverbrechen sicherzustellen, und diese Strategie hat zu erheblichen Fortschritten bei der Umsetzung in den Mitgliedstaaten geführt. In dieser Hinsicht wurde die Absicht der Kommission, weiterhin erforderlichenfalls Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten, in ihrem EU-Aktionsplan gegen Rassismus erneut bestätigt. Nach einer Reihe von Vertragsverletzungsklagen, die zwischen 2020 und 2021 erhoben wurden, haben mehrere Mitgliedstaaten Verfahren zur Änderung ihrer Rechtsvorschriften eingeleitet oder bereits neue Gesetzesänderungen verabschiedet. Beispielsweise stärken die in einem Mitgliedstaat angenommenen Änderungen die Unterstrafestellung und Strafverfolgung von Hetze und Hassdelikten und verbessern den Schutz von Minderheiten vor diesen Straftaten.
Bündelung der Kräfte gegen Terrorismus
Terroristische Handlungen stellen eine der schwerwiegendsten Verletzungen der Grundfreiheiten dar, auf die sich die Union gründet. Die Terroranschläge in EU-Mitgliedstaaten haben mit aller Schärfe deutlich gemacht, dass Polizei und Staatsanwaltschaft bessere Instrumente zur Verhütung und Bekämpfung terroristischer Straftaten benötigen. Die Richtlinie zur Terrorismusbekämpfung von 2017 ist der Eckpfeiler des strafrechtlichen Vorgehens der Mitgliedstaaten gegen Terrorismus und ein wichtiger Bestandteil des Rahmens der EU für eine Sicherheitsunion. Die Kommission leitete gegen mehrere Mitgliedstaaten Verfahren ein, um sicherzustellen, dass die rechtlichen Bedingungen gegeben sind, die den nationalen Behörden die Zusammenarbeit und den Informationsaustausch in Bezug auf terroristische Bedrohungen ermöglichen.
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III.UMSETZUNG UND ANWENDUNG DES EU-RECHTS: GEMEINSAME ANSTRENGUNGEN
Die Kommission überwacht die Achtung des EU-Rechts durch die Mitgliedstaaten und macht von einer Vielzahl von Instrumenten Gebrauch, um die korrekte Anwendung zu fördern und durchzusetzen, einschließlich Vertragsverletzungsverfahren. Für eine wirksame Anwendung und Durchsetzung vor Ort ist es jedoch erforderlich, dass mehrere andere Akteure ebenfalls ihren Anteil beitragen. Bei der Durchsetzung geht es darum, in erster Linie mit den Mitgliedstaaten zu kooperieren und Hand in Hand zusammenzuarbeiten, aber auch mit spezialisierten Behörden wie Verbraucher- oder Datenschutzbehörden, Wettbewerbs- und Regulierungsbehörden, NRO, Unternehmen und der Öffentlichkeit. Damit das System wirksam funktionieren kann, sind einerseits das uneingeschränkte Engagement der für die ordnungsgemäße Anwendung und Durchsetzung des Rechts zuständigen einzelstaatlichen Behörden und andererseits die Beteiligung der Öffentlichkeit, der Zivilgesellschaft, der Unternehmen und sonstiger Akteure zur Ermittlung möglicher Verstöße notwendig.
Die nationalen Gerichte fungieren bei der Anwendung des EU-Rechts als EU-Gerichte und nehmen eine besonders wichtige Rolle in der Durchsetzungskette ein. Werden die Rechte von Unionsbürgerinnen und Unionsbürgern oder EU-Unternehmen in den Mitgliedstaaten verletzt, muss den Betroffenen im Einklang mit dem Grundsatz des wirksamen gerichtlichen Rechtsschutzes Zugang zu einem schnellen und wirksamen nationalen Rechtsbehelf gewährt werden. Aus diesem Grund müssen die nationalen Gerichte unabhängig, unparteiisch und auf gesetzlicher Grundlage geschaffen sein.
Gleichzeitig haben die Gerichte in den Mitgliedstaaten das Recht – und in bestimmten Fällen sogar die Pflicht –, dem Gerichtshof Fragen zu stellen, wenn sie sich unsicher sind, wie das EU-Recht auszulegen oder anzuwenden ist. Dieser Dialog mittels eines Vorabentscheidungsersuchens an den Gerichtshof ist unverzichtbar für die einheitliche Anwendung der EU-Rechtsvorschriften auf der Grundlage des Grundsatzes des Vorrangs des EU-Rechts und von wesentlicher Bedeutung für die Wahrung der Bürgerrechte. Die Kommission macht in allen Vorabentscheidungsverfahren vor dem Gerichtshof systematisch von ihrem Recht auf eine Stellungnahme Gebrauch. Findet der Gerichtshof einen Verstoß gegen das EU-Recht, ist das vorlegende Gericht verpflichtet, diesen Verstoß im konkreten vorliegenden Fall zu beseitigen.
Darüber hinaus überwacht die Kommission nicht nur, dass der jeweilige Mitgliedstaat dem Urteil nachkommt, sondern stellt auch sicher, dass alle anderen Mitgliedstaaten den vom Gerichtshof gesetzten Standard gleichermaßen anwenden. Durch die Zunahme der Vorabentscheidungen im Laufe der Zeit und die Interventionen der Kommission in diesen Fällen wurde daher ein wichtiger Beitrag zu einer stärkeren Durchsetzung des EU-Rechts in den Mitgliedstaaten geleistet. Ferner hat die Kommission Vertragsverletzungsverfahren wegen Verstößen eingeleitet, die die Grundsätze der Eigenständigkeit, des Vorrangs, der Wirksamkeit und der einheitlichen Anwendung des Unionsrechts sowie die Achtung der Autorität des Gerichtshofs betreffen.
Die Kommission setzt die Strategie für die justizielle Aus- und Fortbildung auf europäischer Ebene um, um sicherzustellen, dass Angehörige der Rechtsberufe wie Richterinnen und Richter, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte und sonstige an der Rechtspflege mitwirkende Juristinnen und Juristen das EU-Recht und die Instrumente der justiziellen Zusammenarbeit der EU kennen und über die richtigen Kompetenzen verfügen, um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und das EU-Recht korrekt und kohärent in ihrem Land anzuwenden.
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Vorantreibung der Umsetzung der EU-Steuervorschriften durch Intervention in Vorabentscheidungsverfahren
Im Bereich der Besteuerung stellen Vorabentscheidungsverfahren eine wichtige Möglichkeit für die Kommission dar, um für eine korrekte Anwendung des EU-Rechts zu sorgen.
Im Bereich der direkten Besteuerung geht es bei Vorabentscheidungsverfahren um konkrete grenzüberschreitende Hindernisse für die Freizügigkeit, die durch die nationalen Steuersysteme verursacht werden. Beispielsweise entschied der Gerichtshof in einem Vorabentscheidungsverfahren, dass Bürgerinnen und Bürger, die einer gemeinnützigen Einrichtung in einem anderen Mitgliedstaat Geld spenden, von den gleichen Steuervergünstigungen profitieren sollten wie Bürgerinnen und Bürger, die einer vergleichbaren gemeinnützigen Einrichtung im eigenen Mitgliedstaat Geld spenden.
Im Zusammenhang mit der indirekten Besteuerung haben Vorabentscheidungsverfahren, denen ein Dialog zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten folgte, dazu geführt, dass Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften geändert haben. Dies war bei einem Mitgliedstaat bezüglich der Nutzung von Fahrzeugen mit ausländischen Kennzeichen und bei einem anderen Mitgliedstaat in Bezug auf restriktive Bedingungen für MwSt-Vorschriften der Fall.
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Die nationalen Parlamente spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, und zwar arbeiten sie mit den nationalen Regierungen mit Blick auf die Verabschiedung von Gesetzen zusammen, mit denen sie EU-Richtlinien umsetzen und bestimmte Regelungen durch das nationale Recht anwenden. Die Kommission verfolgt einen strengen Kurs hinsichtlich der Nichtumsetzung von Richtlinien und nutzt dabei das vollständige Potenzial des Instruments gemäß Artikel 260 Absatz 3 AEUV, das durch den Vertrag von Lissabon eingeführt wurde: Die Kommission leitet automatisch Verfahren ein und ersucht den Gerichtshof systematisch um die Verhängung finanzieller Sanktionen, wenn Mitgliedstaaten Richtlinien nicht rechtzeitig umsetzen. Dieser Ansatz hatte erhebliche Auswirkungen, sodass die Anzahl von Fällen, in denen die Kommission aufgrund einer fehlenden Mitteilung von Umsetzungsmaßnahmen den Gerichtshof anrufen musste, seit dem Inkrafttreten des Vertrags von Lissabon um mehr als die Hälfte zurückgegangen ist. Dennoch ist die Zahl der Vertragsverletzungsverfahren, die eingeleitet wurden, da Mitgliedstaaten ihre Umsetzungsmaßnahmen der Kommission nicht innerhalb der in der jeweiligen EU-Richtlinie festgelegten Frist mitgeteilt hatten, weiterhin hoch. Die nationalen Gesetzgeber spielen eine wichtige Rolle, wenn es darum geht, dafür zu sorgen, dass die Umsetzung sowohl fristgerecht als auch vollständig erfolgt: So müssen die Mitgliedstaaten der Kommission bei der Mitteilung von Umsetzungsmaßnahmen klar und transparent erläutern, wie die einzelnen Bestimmungen einer Richtlinie umgesetzt wurden.
Weitere wichtige Stellen, die eine bedeutende Rolle bei der Durchsetzung des EU-Rechts spielen, sind unter anderem sektorale Regulierungs-, Kontroll- und Durchführungsstellen, nationale und regionale Aufsichtsbehörden, Staatsanwältinnen und Staatsanwälte, nationale Ombudspersonen und Gleichbehandlungsstellen. Die Kommission legt bei ihren Durchsetzungsmaßnahmen einen Schwerpunkt darauf, sicherzustellen, dass die nationalen Behörden hinreichend ausgestattet sind und ihre Aufgaben erfüllen können, indem sie auf Interessenkonflikte, die Unabhängigkeit und die Personalausstattung solcher Behörden achtet. Außerdem unterstützt die Kommission die Umsetzungsbemühungen der Mitgliedstaaten aktiv mit technischer und finanzieller Unterstützung und mit Fachwissen zur Stärkung von strukturellen Reformen sowie mit spezialisierten Trainingsprogrammen. Beispielsweise hat die Kommission den nationalen Datenschutzaufsichtsbehörden Finanzhilfen gewährt, um sie bei ihrer Arbeit zur Durchsetzung der Datenschutz-Grundverordnung zu unterstützen. Die Kommission leitete ferner Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten ein, um dafür zu sorgen, dass diese Behörden unabhängig und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestattet sind, um Verstöße gegen diese Verordnung zu sanktionieren.
Spezifische EU-Initiativen haben ebenfalls geholfen, darunter grenzüberschreitende Rechtsbehelfsmechanismen wie SOLVIT, das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen oder die europäische Online-Streitbeilegung. Im Finanzsektor haben die drei Europäischen Finanzaufsichtsbehörden die Befugnis, Überprüfungen der zuständigen nationalen Behörden vorzunehmen, um die Konvergenz der einzelstaatlichen Bestimmungen zu bewerten, die im Rahmen der Umsetzung des Unionsrechts angenommen wurden. Die Europäischen Finanzaufsichtsbehörden sind zudem befähigt, Ermittlungen einzuleiten und Maßnahmen zu ergreifen, sollten die zuständigen nationalen Behörden ihren Pflichten gemäß dem EU-Recht nicht nachkommen. Dies trägt zur Sicherstellung der kohärenten und wirksamen Anwendung des EU-Rechts im Finanzsektor bei.
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Die Rolle der Europäischen Verbraucherzentren bei der Durchsetzung des Verbraucherschutzrechts
Die Europäischen Verbraucherzentren sind von entscheidender Bedeutung, um mögliche weitverbreitete Verstöße gegen das Verbraucherschutzrecht zu erkennen und dagegen vorzugehen. Unter anderem wurden hierbei bereits Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass bei Online-Buchungssystemen für Unterkünfte keine manipulativen Techniken zum Einsatz kommen, etwa verstecktes Sponsoring bei Rangordnungen, unangemessener Zeitdruck für Nutzerinnen und Nutzer oder Falschdarstellungen von Preisnachlässen.
Im Jahr 2020 nahmen die führenden Buchungsplattformen für Unterkünfte nach einem Dialog mit der Kommission und den einzelstaatlichen Behörden Änderungen bezüglich der Art und Weise vor, wie sie Verbraucherinnen und Verbrauchern Angebote, Rabatte und Preise präsentieren, damit die Nutzerinnen und Nutzer in der Lage sind, im Einklang mit den Anforderungen des EU-Verbraucherschutzrechts fundierte Vergleiche vorzunehmen. Unter anderem durften fortan keine Angebote mehr als zeitlich begrenzt präsentiert werden, wenn der gleiche Preis anschließend weiterhin verfügbar sein würde, und es musste klargestellt werden, wonach sich die Rangfolgen von Ergebnissen richten. Ein ähnlicher Dialog führte dazu, dass ein großer Online-Marktplatz 2022 seine Kündigungspraktiken mit den EU-Verbraucherschutzvorschriften in Einklang brachte. Dadurch ist es für Verbraucherinnen und Verbraucher jetzt deutlich einfacher, das Abonnement von Premiumdiensten zu beenden, da nur noch zwei Klicks nötig sind und eine auffällige und eindeutige Schaltfläche zur Kündigung vorhanden ist.
Schulungen im Verbraucherschutzrecht für KMU
Das Projekt „Consumer Law Ready“ ist ein EU-weites Programm zur Schulung im Verbraucherschutzrecht für kleine und mittlere Unternehmen. Eine im jeweiligen Mitgliedstaat ernannte leitende Schulungsperson bietet Schulungen für Mittelspersonen, die anschließend KMU schulen. Dies trägt dazu bei, Verstöße zu minimieren und das Bewusstsein dafür zu stärken, wie das EU-Verbraucherschutzrecht funktioniert.
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IV.INTELLIGENTE DURCHSETZUNG – VERHINDERUNG VON VERSTÖẞEN GEGEN DAS EU-RECHT VON ANFANG AN
Um Verstöße vorherzusehen und zu verhindern, werden Umsetzungs- und Durchsetzungsprobleme bereits bei der Erarbeitung von Vorschlägen für EU-Rechtsvorschriften durch die Kommission berücksichtigt. Die von der Kommission in Zusammenarbeit mit den nationalen Verwaltungen ausgearbeiteten Umsetzungsstrategien helfen dabei, die wesentlichen Herausforderungen zu ermitteln, mit denen die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung und Anwendung von EU-Rechtsvorschriften konfrontiert sind, und legen die Instrumente dar, von denen die Kommission Gebrauch macht, um die Einhaltung von Vorschriften zu fördern.
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Unterstützung der Mitgliedstaaten bei der Vorbereitung auf die Umsetzung
Die Verordnung über die Bewertung von Gesundheitstechnologien zielt darauf ab, den Zugang der Patientinnen und Patienten in der EU zu innovativen Technologien im Gesundheitsbereich zu verbessern, etwa in Bezug auf Arzneimittel und Medizinprodukte. Die Kommission veröffentlichte einen fortlaufenden Plan, um die nationalen Behörden, Entwickler von Gesundheitstechnologien und Interessenträger bei der Durchführung dieser Verordnung zu unterstützen, sobald sie 2025 anzuwenden ist.
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Um unterschiedliche Auslegungen der neu angenommenen EU-Rechtsvorschriften zu vermeiden und ein einheitliches Verständnis der bestehenden Vorschriften zu fördern, bietet die Kommission den Mitgliedstaaten, Unternehmen, Interessenträgern und der Öffentlichkeit praktische Orientierungshilfen dazu, wie spezifische Aspekte des EU-Rechts zu verstehen und anzuwenden sind.
Diese Orientierungshilfen können beispielsweise die Form von Leitlinien zur Auslegung und Anwendung des EU-Rechts oder im Internet veröffentlichten häufig gestellten Fragen haben. Sie sind in allen wichtigen Politikbereichen veröffentlicht worden. Insbesondere nutzt die Kommission Leitlinien, um die Mitgliedstaaten beim Umsetzungsprozess für Richtlinien und bei der Anwendung von Vorschriften zu begleiten, in der Regel gleich ab der Verabschiedung eines Rechtsakts, und um die Rechtsprechung des Gerichtshofs zu konsolidieren.
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Orientierungshilfen der Kommission zur Hilfe bei der praktischen Anwendung von Rechtsvorschriften
Die Orientierungshilfe der Kommission zur Anwendung des Artikels 17 der Urheberrechtsrichtlinie fördert die kohärente Anwendung der neuen Vorschriften über Plattformen für das Teilen von Inhalten in den Mitgliedstaaten. Sie ist ein praktisches Dokument, um die Situation für Nutzerinnen und Nutzer sowie Rechteinhaberinnen und Rechteinhaber im Hinblick darauf zu klären, was ohne die Zustimmung der Urheberrechteinhaberin beziehungsweise des Urheberrechteinhabers hochgeladen werden kann und was nicht und wann die Plattformen aufgefordert werden können, von Nutzerinnen und Nutzern hochgeladene Inhalte zu entfernen oder zu überprüfen.
Nach der Verabschiedung des Mobilitätspakets veröffentlichte die Kommission Orientierungsdokumente in Form von Fragen und Antworten und Leitlinien zur Auslegung verschiedener neuer Vorschriften in Bezug auf insbesondere Lenkzeiten, die Entsendung von Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern, intelligente Fahrtenschreiber und die Rückkehrpflicht von Fahrzeugen zur Betriebsstätte, um die Interessenträger bei der korrekten Anwendung dieser Vorschriften und die Mitgliedstaaten bei ihrer Umsetzung und konsequenten Durchsetzung zu unterstützen.
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Die Kommission setzt auch ein breites Spektrum an anderen sitzungsbasierten Instrumenten ein, zum Beispiel Ausschüsse, Netze, Sachverständigengruppen und Workshops, um eine wirksame Umsetzung des EU-Rechts über alle Politikbereiche hinweg zu fördern. Diese Gruppen ermöglichen es den Mitgliedstaaten, bewährte Verfahren hinsichtlich der Anwendung der EU-Rechtsvorschriften zu teilen und Probleme zu besprechen, die sich in diesem Zusammenhang ergeben haben. Die Kommission kann daraufhin Schwierigkeiten bei der Umsetzung zu einem frühen Zeitpunkt ermitteln und an möglichen Abhilfemaßnahmen arbeiten, einschließlich der Nutzung von IT-Werkzeugen, um eine effizientere und wirksame Umsetzung zu fördern. Ein wichtiges Forum zur Verbesserung der Anwendung und Durchsetzung ist die Taskforce für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften, die 2020 infolge der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates zur Industriepolitik eingerichtet wurde. Ein zentraler Bestandteil ihrer Arbeit besteht darin, Hindernisse für die Durchsetzung der Binnenmarktvorschriften zu betrachten und praktische Lösungen auszuarbeiten.
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Vermeidung von Hemmnissen auf dem Binnenmarkt vor deren Entstehung
Die Transparenzrichtlinie für den Binnenmarkt sieht vor, dass die Mitgliedstaaten der Kommission Entwürfe nationaler technischer Vorschriften übermitteln müssen, bevor diese angenommen werden, damit die Schaffung von Hemmnissen für den Binnenmarkt vermieden wird. Dieser Notifizierungsmechanimus hat zu einer positiven Praxis des Informationsaustauschs, des Dialogs und der Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission sowie zwischen den Mitgliedstaaten untereinander geführt. Außerdem werden bewährte Verfahren ausgetauscht, um häufige Probleme in Bezug auf technische Vorschriften zu lösen, insbesondere in neu regulierten Sektoren wie den Sektoren der digitalen Dienste und der neuen Technologien. Durch den Mechanismus ist es nicht nur gelungen, neue Vorschriften zu vermeiden, die gegen das EU-Recht verstoßen, sondern er hat auch dabei geholfen, den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung anzuwenden.
Im Bereich der Dienstleistungen zielt das Mitteilungsverfahren gemäß der Dienstleistungsrichtlinie
darauf ab, die Schaffung ungerechtfertigter rechtlicher Hemmnisse für den Binnenmarkt zu verhindern. Die Kommission fördert aktiv Transparenz hinsichtlich der Maßnahmen der Mitgliedstaaten zu Dienstleistungen und unternimmt fortwährende Anstrengungen zur Steigerung der Effizienz dieses Mitteilungsverfahrens.
Die Richtlinie über eine Verhältnismäßigkeitsprüfung ist ein weiteres Instrument, das neue Hindernisse für fachliche Dienstleistungen auf dem Binnenmarkt verhindert. Alle neuen nationalen Berufsreglementierungen müssen einer gründlichen Prüfung unterzogen werden, da vor ihrer Annahme ein Nachweis der Verhältnismäßigkeit erforderlich ist.
Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der Durchsetzung
Die Expertengruppe für die Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites (WADEX) wurde eingerichtet, um die Kommission bei der Umsetzung der Richtlinie über den barrierefreien Zugang zu Websites zu unterstützen und ein Forum für den Austausch von bewährten Verfahren und Erfahrungen im Bereich des barrierefreien Zugangs zu Websites zwischen den Mitgliedstaaten zu bieten. Zwischen 2020 und 2022 wurden monatliche Webinare abgehalten, die dabei halfen, sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten einen gemeinsamen Ansatz verfolgten und dass die ersten Berichte der Mitgliedstaaten über die Überwachung der Websites und mobilen Anwendungen rechtzeitig vorgelegt wurden und wirksam waren. Diesen Berichten zufolge wurden über 10 000 Websites und 300 mobile Anwendungen von den Mitgliedstaaten während dieses Zeitraums geprüft. Dieses Vorgehen trug zu einer Sensibilisierung für die Online-Inhalte des öffentlichen Sektors auf Websites und in mobilen Anwendungen und zu einer Verbesserung des barrierefreien Zugangs zu diesen Inhalten bei.
Nutzung von IT-Werkzeugen zur Erleichterung der Einhaltung und Durchsetzung des Rechts
Das Binnenmarkt-Informationssystem (IMI) ist ein Online-IT-Werkzeug, das die Verwaltungszusammenarbeit im Bereich der Binnenmarktvorschriften für die öffentlichen Verwaltungen der Mitgliedstaaten erleichtert. Dies kann der Öffentlichkeit und grenzüberschreitend tätigen Unternehmen helfen. Das IMI ist umweltfreundlich, sicher und mehrsprachig, reduziert den Verwaltungsaufwand und unterstützt 19 Politikbereiche.
Es kann angepasst werden, um bestimmte Zwecke zu unterstützen. Beispielsweise wurden im Jahr 2022 drei neue Module der Kommission eingeführt, um die grenzüberschreitende Durchsetzung der mit dem Mobilitätspaket eingeführten neuen Vorschriften zu erleichtern, insbesondere in Bezug auf die Entsendung von Kraftfahrerinnen und Kraftfahrern, die Rückkehr einer Kraftfahrerin oder eines Kraftfahrers sowie die Rückkehr eines Fahrzeugs. Darüber hinaus wurde die mit dem IMI verbundene neue öffentliche Schnittstelle geschaffen, um es für die Kraftverkehrsunternehmen leichter zu machen, den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, in die sie ihre Fahrerinnen und Fahrer entsenden, Entsendungserklärungen zu übermitteln. Kraftverkehrsunternehmen in ganz Europa können ihre Entsendungserklärung jetzt denkbar einfach vollständig online abgeben und so Zeit und Geld sparen. Seit der Einführung wurden mehr als zehn Millionen Entsendungserklärungen übermittelt.
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Neben Ausschüssen und Sachverständigengruppen organisiert die Kommission auch bilaterale Treffen mit den Mitgliedstaaten zur Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften in einem bestimmten Politikbereich. Diese Treffen bieten der Kommission und dem betreffenden Mitgliedstaat die Möglichkeit, alle anhängigen Vertragsverletzungsverfahren und EU-Pilotverfahren in diesem bestimmten Bereich zu überprüfen. Sie haben sich als zweckmäßig erwiesen, um übergreifende Fragen zu ermitteln und zu klären, durch die Behandlung mehrerer Fälle in einer Sitzung für Zeitersparnis zu sorgen und das gegenseitige Verständnis zwischen den einzelstaatlichen Behörden und den Kommissionsdienststellen zu entwickeln.
Verknüpfung von EU-Politik und Unterstützung
Die finanzielle Unterstützung der EU hat sich auch als wirksames Instrument erwiesen, um die Mitgliedstaaten dazu zu ermutigen, Reformen durchzuführen und gegebenenfalls das Erreichen der im EU-Recht festgelegten Ziele zu beschleunigen. Diese Unterstützung umfasst die Mittel aus den europäischen Struktur- und Investitionsfonds wie dem Europäischen Meeres-, Fischerei- und Aquakulturfonds oder die im Rahmen der Kohäsionspolitik bereitgestellten Mittel, Finanzierung durch die Programme Zoll und Fiscalis sowie Finanzhilfen und Darlehen aus der Aufbau- und Resilienzfazilität (ARF).
Mit der ARF sollen die wirtschaftlichen und sozialen Auswirkungen der Coronavirus-Pandemie abgefedert, die europäischen Volkswirtschaften und Gesellschaften nachhaltiger und widerstandsfähiger gemacht sowie besser auf die Herausforderungen und Chancen des ökologischen und digitalen Wandels vorbereitet werden. Die Fazilität ist ein zeitlich befristetes Aufbauinstrument. Sie ermöglicht es der Kommission, Mittel aufzunehmen, um den Mitgliedstaaten bei der Durchführung von Reformen und Investitionen zu helfen, die in ihren eigenen nationalen Plänen enthalten sind, mit den Prioritäten der EU im Einklang stehen und die Herausforderungen angehen, die in den länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters zur Koordinierung der Wirtschafts- und Sozialpolitik ermittelt wurden. Obwohl die ARF kein Durchsetzungsinstrument ist, muss diesen Prioritäten, die in Etappenziele und Zielwerte umgesetzt werden, entsprochen werden, damit die Mitgliedstaaten Auszahlungen erhalten.
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Die ARF als Hilfe für die EU bei der Erreichung ihres Ziels der Klimaneutralität
Um den ökologischen Wandel zu beschleunigen, insbesondere im Hinblick auf die Ziele für das Paket „Fit für 55“, legen viele Mitgliedstaaten in ihren nationalen Aufbau- und Resilienzplänen den Schwerpunkt auf den Verkehrs- und den Gebäudesektor. Die Fazilität wird unter anderem genutzt werden, um Investitionen für die thermische Sanierung von Gebäuden zu unterstützen, die Fahrzeugflotte umweltfreundlicher aufzustellen und die Verkehrsverlagerung auf den Schienenverkehr zu fördern. Beispielsweise wird in einem Mitgliedstaat aus dem Plan ein Zuschuss für Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer finanziert, um diesen dabei zu helfen, für Heizungsaustausch, Belüftung oder Energieaudits für Einfamilienhäuser oder Wohnungen in Mehrfamilienhäusern zu zahlen. Durch diese Investitionen wird die thermische Sanierung von 400 000 Haushalten in diesem Mitgliedstaat finanziert.
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Die Nutzung von Kofinanzierungsbedingungen für die Auszahlung beispielsweise von regionalen Mitteln zur Entwicklung der Infrastruktur im Rahmen der EU-Kohäsionspolitik hat sich ebenfalls als starker Anreiz für die Mitgliedstaaten erwiesen, ihre Einhaltung des entsprechenden EU-Rechts zu beschleunigen und zu verbessern.
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Nutzung von Finanzierungsbedingungen zur Förderung der Einhaltung des Rechts in den Bereichen Wasser- und Abfallwirtschaft
Um eine vollständige Einhaltung der EU-Rechtsvorschriften in Bereichen wie Wasser- und Abfallwirtschaft zu erreichen, sind hohe Investitionen erforderlich: Die kumulierten Gesamtausgaben, die benötigt werden, um bis 2030 die Vorschriften in den Bereichen Wasserversorgung und Wasserentsorgung einzuhalten, betragen 255 Mrd. EUR in den 27 Mitgliedstaaten. Ähnlich ist es bei den zusätzlichen Investitionen, die notwendig sind, um die Zielvorgaben für die Kreislauf- und Abfallwirtschaft zu erreichen, wobei diese bis 2030 schätzungsweise zwischen 13 Mrd. EUR und 28 Mrd. EUR pro Jahr betragen. Dies ist erforderlich, um das Abfallsystem zu modernisieren, indem die Abfallsammlung und -trennung, die Bioabfallbehandlung und die Abfallwiederaufbereitung verbessert und Verzeichnisse digitalisiert werden.
Einige Mitgliedstaaten sind für die Finanzierung der notwendigen Investitionen darauf angewiesen, Mittel aus beispielsweise den EU-Kohäsionsfonds zu erhalten. Der Zugang zur Kofinanzierung der EU ist jedoch an spezifische Anforderungen geknüpft. Die Mitgliedstaaten erhalten die Kofinanzierung nur, wenn sie eine Reihe von Bedingungen erfüllen, die im EU-Recht dargelegt sind (so müssen sie etwa Abfallbewirtschaftungspläne erstellen oder für die erforderlichen Investitionen im Wassersektor planen). Dies stellt sicher, dass die Kofinanzierung der EU effizient verwendet wird und es ermöglicht wird, wichtige Umweltinfrastruktur einzurichten und die Standards zu erfüllen, die in den EU-Rechtsvorschriften in den Bereichen Abfall- und Wasserwirtschaft festgelegt sind.
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Die Achtung der Rechtsstaatlichkeit ist für die wirtschaftliche Führung des Unionshaushalts und die wirksame Verwendung der Unionsmittel von entscheidender Bedeutung. Seit dem 1. Januar 2021 gilt die Konditionalitätsverordnung, die den EU-Haushalt vor Beeinträchtigungen durch Verletzungen der Rechtsstaatlichkeit in den Mitgliedstaaten schützt. Die Kommission veröffentlichte am 2. März 2022 Leitlinien für die Anwendung der allgemeinen Konditionalitätsregelung. Ein erster Vorschlag für einen Durchführungsbeschluss des Rates wurde am 18. September 2022 angenommen.
Neben finanzieller Unterstützung stellt die Kommission den EU-Mitgliedstaaten im Rahmen des Instruments für technische Unterstützung auch maßgeschneidertes technisches Fachwissen für die Konzeption und Durchführung von Reformen zur Verfügung. Das Instrument für technische Unterstützung unterstützt die einzelstaatlichen Behörden bei der Verbesserung ihrer Fähigkeit zur Konzeption, Entwicklung und Durchführung von Reformen zur Stärkung der Widerstandsfähigkeit in verschiedenen Bereichen (Verwaltungszusammenarbeit, Rechtsstaatlichkeit, Reform der Justizsysteme, Stärkung der Finanzaufsicht und Intensivierung der Bekämpfung von Betrug, Korruption und Geldwäsche).
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Förderung einer guten öffentlichen Verwaltung durch PACE (Austausch zur Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung)
Die öffentlichen Verwaltungen sind die direkte Schnittstelle zwischen der EU und den Bürgerinnen und Bürgern, da sie das Recht und die Programme der EU in konkrete Maßnahmen umsetzen. Die Qualität der öffentlichen Verwaltungen ist ein entscheidender Faktor für die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten und daher auch der EU insgesamt. Die Kommission erprobt im Rahmen des Instruments für technische Unterstützung eine Initiative für einen Austausch zur Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Verwaltung (PACE), durch den Beamtinnen und Beamte vorübergehend in einen anderen Mitgliedstaat abgeordnet werden können. Dieses Programm ermöglicht es den Teilnehmenden, Kenntnisse und Fähigkeiten zu erwerben, Verbindungen zu schaffen und letztlich zum Aufbau eines echten europäischen Verwaltungsraums beizutragen.
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V.FRÜHZEITIGE ERKENNUNG UND BESEITIGUNG VON VERSTÖẞEN GEGEN DAS EU-RECHT
Größere Transparenz und Überwachungsmechanismen zur Ermittlung von Problemen
Größere Transparenz, die Veröffentlichung von Informationen über die Einhaltung von Vorschriften und regelmäßige Überwachungsmechanismen haben sich ebenfalls als wirksam erwiesen, um die Mitgliedstaaten zu einer schnelleren Einhaltung von Vorschriften zu ermutigen oder um zumindest Bereiche zu ermitteln, die weiterer Aufmerksamkeit bedürfen.
Die Veröffentlichung von Berichten über diese Themen führt dazu, dass die Öffentlichkeit über die Leistung der Mitgliedstaaten in bestimmten Politikbereichen und das Niveau ihrer Einhaltung der einschlägigen Vorschriften informiert bleiben kann, dass Unternehmen sensibilisiert werden und dass die öffentliche Debatte gefördert wird. Anzeiger und andere ähnliche Bewertungen helfen dabei, diese Arbeit zu fokussieren, wobei Instrumente wie der Binnenmarktanzeiger, die länderspezifischen Berichte im Rahmen des Europäischen Semesters, die Überprüfung der Umsetzung der Umweltpolitik und ihre begleitende interaktive Karte zu Umweltverstößen eine Rolle spielen; ferner ist die Veröffentlichung von Reaktionen der Kommission auf die Notifizierungen der Mitgliedstaaten gemäß der Transparenzrichtlinie für den Binnenmarkt von Bedeutung. Andere Instrumente wie der Bericht über die Rechtsstaatlichkeit oder das EU-Justizbarometer bieten länderspezifische Einblicke in die Entwicklungen in den Mitgliedstaaten, die eine entscheidende Rolle bei der wirksamen Durchsetzung des EU-Rechts spielen. Ein gut funktionierendes nationales Justizsystem ist unabdingbar für einen effektiven gerichtlichen Schutz der Rechte, die die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen aus dem EU-Recht herleiten. In einigen bestimmten Politikbereichen veröffentlicht die Kommission Informationen über den Stand der Umsetzung von Richtlinien durch die Mitgliedstaaten.
Die Kommission berichtet auch häufig über die Umsetzung spezifischer Instrumente oder Bereiche des EU-Rechts. Diese Berichte zielen nicht nur darauf ab, die Öffentlichkeit über die Bereiche zu informieren, in denen ihre Rechte gefährdet sind, sondern dienen auch der Ermittlung allgemeiner Trends und Probleme, was hilfreich für Durchsetzungsmaßnahmen gegen die Mitgliedstaaten sein und zu einer möglichen Überprüfung des Rechts führen kann.
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Schengen-Evaluierung
Ein gut funktionierender Schengen-Raum setzt die ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung des Schengen-Besitzstands und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten voraus. Der Schengen-Evaluierungs- und Überwachungsmechanismus sieht objektive und unparteiische Evaluierungen vor, um Mängel bei der Anwendung der Schengen-Bestimmungen schnell zu ermitteln und sicherzustellen, dass diese zügig behoben werden. Die Kommission und die Mitgliedstaaten führen Evaluierungsbesuche durch, woraufhin die Mitgliedstaaten Empfehlungen des Rates für Abhilfemaßnahmen erhalten. Der Mechanismus ist aktualisiert und verbessert worden, und ein strafferes Verfahren stellt sicher, dass insbesondere gravierende Mängel unverzüglich beseitigt werden.
Bericht über die Rechtsstaatlichkeit
Der jährliche Bericht über die Rechtsstaatlichkeit steht im Zentrum des EU-Mechanismus zur Wahrung der Rechtsstaatlichkeit. Im Juli 2022 legte die Kommission ihren dritten Jahresbericht über die Rechtsstaatlichkeit vor, einschließlich der 27 länderspezifischen Kapitel. Der Bericht beruht auf einem intensiven Dialog mit den nationalen Behörden und Interessenträgern und beleuchtet alle Mitgliedstaaten objektiv und unparteiisch in Bezug auf die vier wichtigen Pfeiler für die Rechtsstaatlichkeit: die Justizsysteme, die Korruptionsbekämpfung, Medienpluralismus und -freiheit sowie sonstige institutionelle Fragen im Zusammenhang mit der Gewaltenteilung. Seit 2022 beinhaltet der Bericht spezifische Empfehlungen an die einzelnen Mitgliedstaaten. Im Einklang mit der präventiven Ausrichtung des Berichts besteht das Ziel der Empfehlungen darin, den Mitgliedstaaten dabei zu helfen und sie dabei zu unterstützen, laufende oder geplante Reformen voranzubringen und zu ermitteln, wo Verbesserungen, Folgemaßnahmen zu jüngsten Änderungen oder Reformen erforderlich sind.
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Durchführung von Audits zur Überprüfung der Einhaltung von Vorschriften
In einigen Bereichen des EU-Rechts nimmt die Kommission Audits vor, um zu überprüfen, ob die Mitgliedstaaten die EU-Vorschriften in der Praxis einhalten, und um die einzelstaatlichen Kontrollen zu bewerten.
Audits sind ein wesentliches Instrument zum Schutz des EU-Haushalts. Sie helfen dabei, vorschriftswidrige Zahlungen aufzudecken und rechtsgrundlos von den Mitgliedstaaten gezahlte Beträge zurückzufordern, wenn die Vorschriften und Grundsätze der Wirtschaftlichkeit der Haushaltsführung nicht beachtet wurden. Die Empfehlungen, die sich aus den Audits ergeben, und die Aktionspläne, die von den Mitgliedstaaten auf Aufforderung der Kommission hin initiiert werden, führen häufig direkt zu einer verbesserten Umsetzung der Vorschriften durch die Behörden der Mitgliedstaaten.
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Schutz der EU-Normen für die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln
Die Menschen in der EU erwarten strenge Normen für die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln sowie die Tier- und Pflanzengesundheit. Diese Normen werden durch Kontrollen, einschließlich Audits, in den Mitgliedstaaten und in Drittländern, die Pflanzen, Tiere und Lebensmittel in die EU ausführen, geschützt. Im Zeitraum 2019–2020 nahm die Kommission 170 Audits und ähnliche Überprüfungen der amtlichen Kontrollsysteme der Mitgliedstaaten vor, woraufhin 527 Empfehlungen an die Mitgliedstaaten ausgesprochen wurden. In der überwiegenden Zahl der Fälle ergriffen die Mitgliedstaaten Korrekturmaßnahmen oder machten zufriedenstellende Zusagen, die Schwachstellen zu beheben. Im Jahr 2020 wurden etwa 17 Mio. Unternehmerinnen und Unternehmern in der Lebensmittelkette amtlichen Kontrollen durch die einzelstaatlichen Behörden unterzogen. Diese führten mehr als vier Millionen Kontrollen bei diesen Unternehmerinnen und Unternehmern durch. Dies hat den einzelstaatlichen Behörden dabei geholfen, die strengen Normen der EU für die Sicherheit von Lebens- und Futtermitteln besser durchzusetzen.
Erarbeitung von Aktionsplänen für eine verbesserte Einhaltung der gemeinsamen Vorschriften für die Fischerei
Die Kommission führt Inspektionen in den Mitgliedstaaten durch, um zu überprüfen, wie sie die Fischereikontrollen umsetzen. Stellt sie systematische Mängel bei den Kontrollen fest, arbeitet sie gemeinsam mit den Mitgliedstaaten Aktionspläne aus, um deren Kontrollsysteme zu stärken. Diese Aktionspläne helfen der Kommission bei der Weiterverfolgung der Umsetzung und Fortschritte bezüglich der Fischereikontrollsysteme in den Mitgliedstaaten, die zur Sicherstellung einer nachhaltigen Fischerei und gesunder Fischbestände von wesentlicher Bedeutung sind. Dies hat zu verlässlicheren Fangmeldungen und verbesserten Systemen zur Erkennung von Verstößen gegen die gemeinsame Fischereipolitik geführt.
Sicherstellung der Ordnungsmäßigkeit von Zahlungen im Bereich der Landwirtschaft
Die Kommission führt regelmäßige Audits in den Mitgliedstaaten durch, um deren Achtung der EU-Rechtsvorschriften zu überprüfen, die die Förderung für Landwirtinnen und Landwirte sowie sonstige Begünstigte im Rahmen der Gemeinsamen Agrarpolitik regeln. Im Falle von Verstößen oder Mängeln bei den Kontrollsystemen kann die Kommission die EU-Finanzierung aussetzen oder von den Mitgliedstaaten zurückfordern. Diese Finanzkorrekturen haben sich als wirksame Mechanismen erwiesen, um Fehler zu korrigieren und den EU-Haushalt zu schützen. Darüber hinaus verlangt die Kommission zur Stärkung der Kontrollsysteme des betreffenden Mitgliedstaats von diesem, einen Aktionsplan durchzuführen.
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Vorverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren (EU-Pilot)
Stellt die Kommission trotz ihrer Präventionsbemühungen und ihrer Unterstützung für die Mitgliedstaaten einen möglichen Verstoß gegen das EU-Recht fest, kann sie beschließen, von einem Vorverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren Gebrauch zu machen, das als EU-Pilot bezeichnet wird. Dieses Instrument kommt zum Einsatz, wenn es einen Mehrwert bietet: Im Jahr 2021 ging 33 der 302 Vertragsverletzungsverfahren, die von der Kommission nach Untersuchungen auf eigene Initiative oder infolge von Beschwerden eingeleitet wurden, ein EU-Pilot-Verfahren voraus. Es handelt sich hierbei um ein Instrument, das eingesetzt werden kann, wenn es die Rechtsbefolgung in der Regel zügiger gewährleistet als ein förmliches Vertragsverletzungsverfahren. Es ermöglicht der Kommission, eine Reihe von Fällen im Rahmen des EU-Pilots zu klären, ohne dass zusätzlich ein Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet werden muss. Dies kann beispielsweise der Fall sein, wenn die strittigen Fragen technischer Art sind. Der EU-Pilot kann sich außerdem als zweckmäßig erweisen, wenn die Kommission faktische oder rechtliche Informationen einholen möchte, die sie benötigt, um ihre Bewertung vorzunehmen. Das Vorverfahren wird nicht genutzt, wenn der Verstoß gut belegt beziehungsweise offensichtlich ist oder selbst anerkannt wurde oder wenn es um sensiblere Themen geht, bei denen Gespräche auf technischer Ebene mit geringerer Wahrscheinlichkeit zu einem erfolgreichen Ergebnis führen. Die Kommission muss ferner verhindern, dass ein solches Verfahren unnötige Verzögerung verursacht: Wird das Verfahren übermäßig lang, ohne dass es wesentliche Fortschritte gibt, oder zeigt der Mitgliedstaat mangelnde Kooperationsbereitschaft, beendet die Kommission das EU-Pilot-Verfahren und geht zu einem Vertragsverletzungsverfahren über.
Im Laufe der Zeit hat das EU-Pilot-Verfahren seinen Wert unter Beweis gestellt. Es wurde ein Ansatz verfolgt, bei dem Offenheit und gegenseitiges Vertrauen zwischen den Mitgliedstaaten und der Kommission genutzt wurden, um die Einhaltung von Vorschriften schneller herbeizuführen. Im Jahr 2021 wurden mehr als 80 % der EU-Pilot-Verfahren zufriedenstellend zu Ende gebracht. Gelingt kein erfolgreicher Abschluss, werden Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet.
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EU-Pilot zur Sicherstellung der Verwendbarkeit von IBAN-Konten in jedem Mitgliedstaat
Die Verordnung über den einheitlichen Euro-Zahlungsverkehrsraum (SEPA) zielt darauf ab, sicherzustellen, dass jedes EU-Bankkonto grenzüberschreitend genauso einfach wie im Inland für Überweisungen und Lastschriften verwendet werden kann. In einigen Mitgliedstaaten akzeptierten wichtige Zahlungsempfänger wie Telekommunikationsunternehmen, Steuer- oder Sozialversicherungsbehörden den IBAN-Code jedoch nicht, sodass Konten in anderen EU-Ländern nicht verwendet werden konnten, um Lastschriften einzurichten oder Geldbeträge wie Steuererstattungen oder Renten zu überweisen. Zwischen 2016 und 2021 leitete die Kommission EU-Pilot-Verfahren gegen fünf Mitgliedstaaten ein. Infolgedessen wurde oder wird ihr Rechtsrahmen geändert, um die Verstöße zu bekämpfen und für angemessene Sanktionen zu sorgen. In drei Fällen leitete die Kommission zudem Vertragsverletzungsverfahren ein, um sicherzustellen, dass die zuständigen nationalen Behörden mit ausreichenden Befugnissen ausgestattet werden, um die Einhaltung von Vorschriften zu überwachen und Sanktionen zu verhängen. Dies hat auch zu Gesetzesänderungen geführt, mit denen den Behörden die erforderlichen Befugnisse übertragen wurden.
EU-Pilot zur Verbesserung des grenzüberschreitenden Zugangs zur Gesundheitsversorgung
Patientinnen und Patienten haben das Recht auf Zugang zur Gesundheitsversorgung in jedem Mitgliedstaat und auf Erstattung der Versorgung im Ausland durch ihren Herkunftsstaat. Da einige Mitgliedstaaten die EU-Vorschriften über die Patientenrechte bei der grenzüberschreitenden Gesundheitsversorgung nicht korrekt in nationale Rechtsvorschriften umsetzten, eröffnete die Kommission EU-Pilot-Verfahren, um den Zugang zu sicherer und hochwertiger grenzüberschreitender Gesundheitsversorgung in diesen Ländern zügig zu verbessern. Zwar sind gegen drei Mitgliedstaaten Vertragsverletzungsverfahren eingeleitet worden, jedoch führte das EU-Pilot-Verfahren bei neun Mitgliedstaaten zu einem erfolgreichen Ergebnis. In den meisten dieser Fälle änderten die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften oder ihre Verwaltungspraxis, um diese mit den EU-Vorschriften in Einklang zu bringen. Dadurch profitieren die Patientinnen und Patienten von weniger belastenden Anforderungen für eine vorherige Genehmigung, vereinfachten Verwaltungsverfahren und transparenteren Informationen über grenzüberschreitende Gesundheitsversorgung, was insgesamt dafür sorgt, dass sie jetzt einen einfacheren Zugang zu Gesundheitsdiensten in anderen Mitgliedstaaten haben.
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VI.WIRKSAME NUTZUNG VON VERTRAGSVERLETZUNGSVERFAHREN
Die Durchsetzungspolitik der Kommission wurde im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Seit 2017 hat die Kommission ihre Bemühungen zunehmend auf Fragen konzentriert, bei denen sie mit ihren Maßnahmen den größten Mehrwert erzielen und bei möglichst vielen Menschen und Unternehmen etwas für ihr Leben beziehungsweise ihre Tätigkeiten bewirken kann. Die Kommission verfolgt daher weiterhin den strategischen Ansatz, die Ziele und die Prioritäten, die sie selbst in der Mitteilung von 2016 „EU-Recht: Bessere Ergebnisse durch bessere Anwendung“ festgelegt hat.
Hauptziel eines Vertragsverletzungsverfahrens ist es nicht, in konkreten Fällen einen Rechtsbehelf zu bieten, sondern sicherzustellen, dass die Mitgliedstaaten das EU-Recht im allgemeinen Interesse umsetzen. Der strategische Ansatz der Kommission sieht entsprechend vor, dass der Schwerpunkt bei Vertragsverletzungsverfahren selten auf Einzelfragen liegt, sondern eher auf systemischen und strukturellen Fragen, die eine große Zahl von Menschen oder Unternehmen in einem bestimmten Mitgliedstaat oder in der gesamten Union betreffen.
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Behandlung vieler einzelner Falschanwendungen in einem Vertragsverletzungsverfahren
Im Umweltbereich eröffnete die Kommission in der Vergangenheit einzelne Fälle für eine einzige nicht konforme Deponie oder eine Gemeinde, die gegen die Rechtsvorschriften zu kommunalem Abwasser verstieß. Mittlerweile liegt ihr Schwerpunkt auf systemischen Fällen, bei denen es teilweise um Hunderte Gemeinden in einem Fall über die Behandlung von kommunalem Abwasser oder Dutzende Deponien in Fällen über Abfall geht. Dieses Vorgehen ist deutlich effizienter, da alle Regionen in einem Mitgliedstaat mittels eines einzigen Vertragsverletzungsverfahrens dazu gebracht werden, die Vorschriften einzuhalten.
Weiterverfolgung von Grundsatzfragen aus einer Beschwerde
Das in der Charta verankerte Recht auf Vereinigungsfreiheit ist eine der wichtigsten Grundlagen für eine demokratische und pluralistische Gesellschaft. Diesbezüglich entschied der Gerichtshof in einem Vertragsverletzungsverfahren, das von der Kommission eingeleitet wurde und auf eine Beschwerde zurückzuführen war, dass die einzelstaatlichen Rechtsvorschriften eines Mitgliedstaats den freien Kapitalverkehr und die Wahrnehmung der Grundrechte auf Schutz personenbezogener Daten und auf Vereinigungsfreiheit behinderten.
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Einzelfälle einer möglichen falschen Anwendung des EU-Rechts, die keine grundsätzlichen Fragen allgemeiner Art aufwerfen (etwa die nicht ordnungsgemäße Umsetzung einer Richtlinie oder die Behinderung des Vorabentscheidungsverfahrens) und bei denen keine ausreichenden Belege für eine allgemeine Praxis oder systemische Mängel vorliegen, können wirkungsvoller von Beschwerdeinstanzen behandelt werden, die den Betroffenen des Verstoßes näherstehen. Diese Instanzen können schnelle und direkte Lösungen bieten. Abgesehen von der Schwierigkeit, solche Fälle vor Ort zu untersuchen, und der Länge eines Vertragsverletzungsverfahrens auf EU-Ebene richtet sich ein Urteil des Gerichtshofs an einen Mitgliedstaat und kann das Problem einer Einzelperson nur indirekt behandeln. Der Gerichtshof kann den Mitgliedstaat nicht anweisen, Schadensersatz für eine Einzelperson zu leisten, die durch einen Verstoß gegen das EU-Recht geschädigt wurde. Um einen Schadensersatzanspruch geltend zu machen oder eine einzelstaatliche Maßnahme aufheben zu lassen, müssen beschwerdeführende Personen weiterhin vor einem nationalen Gericht klagen.
Bei der Kommission gehen jährlich etwa 4000 Beschwerden ein. Sie erhält auch viele Petitionen in Bezug auf das EU-Recht, die vom Petitionsausschuss des Europäischen Parlaments weitergeleitet werden. Auch wenn die Kommission nicht jede einzelne mögliche Falschanwendung des EU-Rechts untersucht, schätzt sie weiterhin Beschwerden, schriftliche Anfragen und Petitionen als Informationsquelle in umfangreicheren Fällen bezüglich systemischer oder struktureller Verstöße gegen das EU-Recht in den Mitgliedstaaten.
Dieser strategische Ansatz verlangt, dass die nationalen Vorschriften durch ein unabhängiges und effizientes Justizsystem wirksame Rechtsbehelfsverfahren für einen Verstoß gegen das EU-Recht bieten. Aus diesem Grund geht die Kommission besonders vorrangig gegen Verstöße vor, die die Fähigkeit der nationalen Justizsysteme, zur wirksamen Anwendung des EU-Rechts beizutragen, beeinträchtigen. Parallel dazu legt die Kommission bei ihren Durchsetzungsbemühungen auch einen Schwerpunkt darauf, sicherzustellen, dass die nationalen Behörden und Regulierungsstellen in Bezug auf ihre Befugnisse und Ressourcen so ausgestattet sind, dass sie wirksame Rechtsbehelfe bieten können, und dass die nationalen Maßnahmen zur Umsetzung des EU-Rechts angemessene Sanktionen für Verstöße gegen das EU-Recht umfassen.
Das Ziel der Kommission besteht darin, dafür zu sorgen, dass die Mitgliedstaaten das EU-Recht schnellstmöglich einhalten. Sie begrüßt die Tatsache, dass die meisten Verstöße in einem frühen Stadium des Verfahrens beseitigt werden – über 90 % der Vertragsverletzungsverfahren werden beigelegt, bevor der Gerichtshof angerufen wird. Wenn Fragen geklärt werden, ohne dass der Gerichtshof mit der Angelegenheit befasst werden muss, sorgt dies für eine frühere Einhaltung des Rechts und für eine Zeit- und Kostenersparnis. Von den Mitgliedstaaten wird verlangt, dass sie alle Anstrengungen unternehmen, um dem Urteil des Gerichtshofs so schnell wie möglich nachzukommen. Wenn der Mitgliedstaat den Verstoß jedoch trotz des Urteils des Gerichtshofs weiterhin nicht behebt, kann die Kommission den Gerichtshof erneut anrufen und ihn ersuchen, finanzielle Sanktionen für den Mitgliedstaat zu verhängen.
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Wirksame Verletzungsverfahren
Das EU-Recht über die Luftverschmutzung ist ein Bereich, in dem die Sicherstellung der Rechtsbefolgung möglicherweise mit hohen wirtschaftlichen Kosten verbunden ist, in dem eine Nichteinhaltung der EU-Rechtsvorschriften jedoch Leben kostet und schwere Erkrankungen verursacht. Es hat diesbezüglich eine hohe Zahl von Vertragsverletzungsverfahren gegeben. Bis Juli 2022 hatte die Kommission 28 Vertragsverletzungsverfahren wegen Nichtanwendung der Luftqualitätsrichtlinie durch 18 Mitgliedstaaten in die Wege geleitet. 15 Fälle sind an den Gerichtshof verwiesen worden, von denen zehn zu einem Urteil geführt haben. Einer dieser Fälle stellt eine zweite Befassung des Gerichtshofs dar und kann somit Geldbußen nach sich ziehen. Diese Durchsetzungsbemühungen haben wesentlich dazu beigetragen, die Zahl der Luftqualitätsgebiete, die die gesetzlichen Grenzwerte für Feinstaub überschreiten, von 91 im Jahr 2019 auf 55 im Jahr 2021 sowie die Zahl der Gebiete mit einer Überschreitung der Werte für Stickstoffdioxid von 68 auf 23 im Jahr 2021 zu senken. Das bedeutet, dass die Menschen in einigen Städten in ganz Europa jetzt von saubererer Luft profitieren können. Die Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über die Luftqualität hat dazu beigetragen, dass die Zahl vorzeitiger Todesfälle im Zusammenhang mit Luftverschmutzung seit 2005 um ein Drittel zurückgegangen ist, wodurch über 150 000 Menschenleben gerettet wurden.
Die Kommission widmet dem Schutz der europäischen Wälder besondere Aufmerksamkeit, da diese erhebliche Kohlenstoffbestände speichern, Kohlenstoff aus der Atmosphäre entfernen und von höchster Wichtigkeit für die biologische Vielfalt und die Erbringung wesentlicher Ökosystemleistungen sind. Gegen Mitgliedstaaten, die systemisch dabei versagten, die Zerstörung der Waldhabitate durch illegalen Holzeinschlag oder regelwidrige Waldbewirtschaftungspraktiken zu vermeiden, hat die Kommission Vertragsverletzungsverfahren in die Wege geleitet, wobei sie Satellitenbilder genutzt hat, um die Zerstörung der Waldhabitate aufzuzeigen. Mehrere Vertragsverletzungsverfahren laufen gegen vier Mitgliedstaaten, wobei in einem dieser Fälle bereits ein Urteil vom Gerichtshof verkündet wurde. In ähnlichen Gerichtsverfahren bezüglich des Schutzes der Wälder berief sich die Kommission auf Artikel 279 AEUV und ersuchte den Gerichtshof um den Erlass einstweiliger Maßnahmen, um unumkehrbare Schäden für unsere Wälder zu verhindern. Der Gerichtshof ordnete in der Folge an, dass der betreffende Mitgliedstaat die aktiven Waldbewirtschaftungstätigkeiten und das Entfernen jahrhundertealter toter Fichten zu beenden habe, um die Waldhabitate zu schützen, da ansonsten ein tägliches Zwangsgeld verhängt würde, bis der Anordnung nachgekommen wird.
Die Kommission wendet alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel an, um die europäischen Unternehmen vor Hindernissen für den Zugang zu öffentlichen Aufträgen zu schützen. Dazu gehört, dass für eine ordnungsgemäße Durchsetzung der bestehenden Vorschriften zur Vermeidung des Missbrauchs von Direktvergaben oder für die Beseitigung der Beschränkungen für die Unterauftragsvergabe gesorgt wird, da Letztere von entscheidender Bedeutung für KMU ist, damit diese an Ausschreibungsverfahren teilnehmen können, sowohl grenzüberschreitend als auch auf nationaler Ebene.
Im Bereich der Dienstleistungen leitete die Kommission Vertragsverletzungsverfahren gegen zehn Mitgliedstaaten ein, da diese Beschränkungen für bestimmte Dienstleistungen auferlegt hatten, die insbesondere von Architektinnen und Architekten, Ingenieurinnen und Ingenieuren, Buchhalterinnen und Buchhaltern, Steuerberaterinnen und Steuerberatern, Anwältinnen und Anwälten sowie Beschäftigten im Bau- und Gebäudesektor erbracht wurden. Durch diese Beschränkungen war es für die betroffenen Unternehmen schwierig, grenzüberschreitend tätig zu sein und zu expandieren. Folglich waren die Menschen und Unternehmen nicht in der Lage, von den wettbewerbsfähigsten und innovativsten Dienstleistungen, die auf dem EU-Markt zur Verfügung standen, zu profitieren. Infolge dieser Vertragsverletzungsverfahren änderten die Mitgliedstaaten ihre Rechtsvorschriften.
Die europäischen Verbraucherinnen und Verbraucher sollten unabhängig von ihrem Aufenthaltsort, ihrem Wohnsitz oder ihrer Staatsangehörigkeit hürden- und reibungslosen grenzüberschreitenden Zugang zu Waren und Dienstleistungen im Internet haben. Die Kommission hat die Mitgliedstaaten bei der Anwendung der Geoblocking-Verordnung unterstützt, die die Kundinnen und Kunden bei Online-Käufen auf Websites des elektronischen Handels vor Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit, des Wohnsitzes oder des Orts der Niederlassung schützt. Zu den Verantwortlichkeiten der Mitgliedstaaten gehört jedoch auch die Pflicht, darzulegen, wie und von wem die Vorschriften durchgesetzt werden. In diesem Zusammenhang leitete die Kommission im Jahr 2019 Vertragsverletzungsverfahren gegen neun Mitgliedstaaten ein. 2021 hatten alle Mitgliedstaaten ihre Pflichten erfüllt und zuständige Behörden benannt. Dies war beispielsweise dabei hilfreich, eine EU-weite Untersuchung einer bekannten Online-Suchmaschine aufgrund ungerechtfertigter Geoblocking-Praktiken vorzubereiten.
Um die Rechtsstaatlichkeit zu wahren und insbesondere die Unabhängigkeit der Justiz zu schützen und den wirksamen gerichtlichen Rechtsschutz durch unabhängige nationale Gerichte sicherzustellen, ergriff die Kommission gegen einen Mitgliedstaat Maßnahmen, da dieser Rechtsvorschriften verabschiedet hatte, die das Rentenalter von Richterinnen und Richtern senkten sowie ein uneingeschränktes Ermessen der Exekutive für die Verlängerung aktiver Amtszeiten vorsahen, wodurch eine Reihe von Richterinnen und Richtern im aktiven Dienst gezwungenermaßen in Rente gehen musste. Die Kommission befasste den Gerichtshof mit dem Fall, der den Verstoß gegen das EU-Recht bestätigte. Infolgedessen hob der Mitgliedstaat seine Rentenvorschriften für Richterinnen und Richter auf und setzte die Richterinnen und Richter, die zum Eintritt in den Ruhestand gezwungen worden waren, wieder ein.
Nach dem Eingang von Beschwerden, die auf eine mangelnde Umsetzung der Verbrauchserfassungs- und Abrechnungsvorschriften für Wärme und Warmwasser in Haushalten im Rahmen der Energieeffizienz-Richtlinie deuteten, eröffnete die Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren. Da die Richtlinie im betreffenden Mitgliedstaat nicht umgesetzt worden war, beschloss die Kommission, den Gerichtshof anzurufen. Nachdem dieser sein Urteil verkündet hatte, nahm der Mitgliedstaat die erforderlichen Rechtsvorschriften an. Menschen, die in Gebäuden mit mehreren Wohnungen leben, haben jetzt das Recht, Wärme- oder Warmwasserzähler einzeln installieren zu lassen, sodass sie ihren eigenen Energieverbrauch überwachen und Maßnahmen zur Verbrauchsreduzierung treffen können.
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Die Kommission leitet Vertragsverletzungsverfahren entweder auf eigene Initiative, zur Verfolgung einer Beschwerde oder automatisch alle zwei Monate ein, und zwar in Fällen einer Nichtmitteilung von Umsetzungsmaßnahmen, die dadurch ausgelöst werden, dass Mitgliedstaaten selbst erklären, EU-Richtlinien nicht vollständig innerhalb der Frist umgesetzt zu haben. Die Weiterverfolgung von Fällen einer verspäteten Umsetzung von Richtlinien in einzelstaatliches Recht ist und bleibt eine Priorität für die Kommission, da diese Verzögerungen verhindern, dass die Vorteile der vereinbarten EU-Vorschriften zum Tragen kommen. Im Laufe der Zeit sind immer weniger Fälle von Mitgliedstaaten verzeichnet worden, die die Frist zur Umsetzung von Richtlinien nicht einhielten, was zu einem Gesamtrückgang der Vertragsverletzungsverfahren geführt hat.
In den letzten Jahren wurde ein größerer Teil der Verfahren nach eigenen Untersuchungen der Kommission eingeleitet. Diese Vertragsverletzungsverfahren auf eigene Initiative haben es der Kommission ermöglicht, ihren strategischen Ansatz für die Durchsetzung voranzubringen, indem sie die in der Mitteilung von 2016 dargelegten vorrangigen Fälle verfolgt, einschließlich der nicht ordnungsgemäßen Umsetzung von Richtlinien, und schnell und entschieden gegen Verstöße vorgeht, die die Grundfreiheiten und -werte der EU beeinträchtigen.
VII.SCHNELLE UND WIRKSAME REAKTIONEN AUF KRISEN
Durch Krisen oder Notsituationen wie die COVID-19-Pandemie und den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine werden die uneingeschränkte Beachtung der vier Grundfreiheiten der EU durch die Mitgliedstaaten sowie das Funktionieren des Binnenmarkts auf die Probe gestellt. Unter schwierigen Umständen kann die Versuchung groß sein, inländischen Erwägungen vor der ordnungsgemäßen Anwendung des EU-Rechts Vorrang einzuräumen. Die wirksame Durchsetzung des EU-Rechts bleibt jedoch für die Menschen und Unternehmen von entscheidender Bedeutung, um sicherzustellen, dass sie weiterhin vom Schutz und der Rechtssicherheit durch das EU-Recht profitieren können und dass wesentliche Waren und Dienstleistungen dort zur Verfügung stehen, wo sie am meisten benötigt werden.
Die jüngsten Krisen haben sowohl die Notwendigkeit als auch die Fähigkeit der EU gezeigt, sich anzupassen. Die Kommission hat ein breites Spektrum an Schritten unternommen, um den Mitgliedstaaten und der Öffentlichkeit dabei zu helfen, sich den veränderten Umständen anzupassen – vom Vorschlag neuer Rechtsvorschriften zur Änderung von Regelungen über die Bereitstellung von Leitlinien und finanzieller Unterstützung sowie die Koordinierung zwischen einschlägigen Behörden bis hin zur Beteiligung an spezifischen Dialogen. Von Vertragsverletzungsverfahren wurde ebenfalls Gebrauch gemacht, wo dies erforderlich war. Dieser umfassende Ansatz hat dabei geholfen, sicherzustellen, dass das EU-Recht während einer Krise weiterhin Anwendung findet. Dies hat wiederum zu einem weitverbreiteten Gefühl beigetragen, dass die EU gemeinsam wirksamer auf diese Krisen reagieren konnte, als dies mit nationalen Reaktionen allein möglich gewesen wäre.
Einige EU-Vorschriften bieten bereits eine erhebliche Flexibilität, die in der Krise sinnvoll genutzt wurde, etwa in Bezug auf die allgemeine Ausweichklausel im Stabilitäts- und Wachstumspakt oder die im Rahmen der Richtlinie über die Gewährung vorübergehenden Schutzes getroffenen Maßnahmen. Die Kommission hat befristete Rahmen angenommen, um es den Mitgliedstaaten zu ermöglichen, die Flexibilität der Vorschriften über staatliche Beihilfen zur Unterstützung der Wirtschaft zu nutzen. Die Kommission schlug vor, spezifische Ausnahmeregelungen für Vorschriften über Unternehmensversammlungen anzuwenden sowie Fristen in Bereichen wie der Steuererklärung anzupassen. In anderen Fällen brachten Leitlinien Klarheit bezüglich der bestehenden Regelungen, etwa diejenigen für die Initiative „Green Lanes“ zur Sicherstellung kontinuierlicher Warenströme auf dem Binnenmarkt und zur Ermöglichung der Freizügigkeit kritischer Arbeitskräfte während der Pandemie oder diejenigen zur Hilfe bezüglich der Anerkennung von Abschlüssen der Menschen, die aus der Ukraine fliehen. Spezifische Maßnahmen halfen ferner dabei, den Mitgliedstaaten zu zeigen, dass es klare Alternativen zu nationalen Lösungen gab: Das digitale COVID-Zertifikat der EU wahrte die Freizügigkeit, indem den nationalen Behörden ein Mittel an die Hand gegeben wurde, um den Status aller durch die EU reisenden Inhaberinnen und Inhaber eines Zertifikats zu prüfen. Bis Ende 2021 hatten die Mitgliedstaaten mehr als 1 Mrd. Zertifikate ausgestellt. Diese Maßnahmen schützten allesamt die Integrität des EU-Rechts, wobei gleichzeitig die erforderliche Flexibilität zugelassen wurde.
Dennoch gab es Fälle, in denen die Mitgliedstaaten versuchten, sich über EU-Vorschriften hinwegzusetzen. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie führten einige Mitgliedstaaten beispielsweise einseitig Ausfuhrbeschränkungen für Arzneimittel oder Schutzausrüstungen ein oder unternahmen Schritte, um inländische Produzentinnen und Produzenten oder Diensteanbieterinnen und Diensteanbieter in Sektoren wie der Lebensmittel- und Reisebranche zu begünstigen. Die Kommission blieb angesichts dieser Bedrohungen für den Binnenmarkt wachsam, und viele von den Mitgliedstaaten in den ersten Monaten der Pandemie ergriffene protektionistische Maßnahmen wurden relativ zügig aufgehoben. Die Kommission leitete zudem Verletzungsverfahren wegen nationaler protektionistischer Maßnahmen nach der Invasion der Ukraine ein, etwa aufgrund von Ausfuhrverboten in mehreren Wirtschaftsbereichen, zum Beispiel für Getreide und Baumaterialien, oder der Anwendung diskriminierender Kraftstoffpreise für Fahrzeuge mit ausländischen Kennzeichen.
Infolge der Invasion Russlands in die Ukraine verabschiedete die Kommission Maßnahmen, um den Transport, den Transit und den Austausch mit der Ukraine zu erleichtern, darunter einen „Aktionsplan für Solidaritätskorridore zwischen der EU und der Ukraine zur Erleichterung der Agrarexporte der Ukraine und ihres bilateralen Handels mit der EU“, und um somit die Auswirkungen dieser Krise auf den Warentransport abzumildern. Die Kommission setzte für ein Jahr die Einfuhrabgaben auf alle ukrainischen Ausfuhren in die Europäische Union aus. Sie unternahm ferner Schritte, um die Um- und Durchsetzung von Sanktionen gegen gelistete russische und belarussische Personen und Organisationen zu stärken. Die Kommission veröffentlichte eine Reihe von Orientierungsdokumenten zur Auslegung der Sanktionen und bot den Mitgliedstaaten so Erläuterungen zu neuen Fragen und anhaltende Unterstützung zur Sicherstellung einer korrekten Durchsetzung.
Die Kommission aktivierte Notfallinstrumente gemäß dem EU-Recht, um die Auswirkungen der Energiekrise zu mindern. Auf Vorschlag der Kommission nahmen die gesetzgebenden Organe Vorschriften an, um für die Befüllung von Gasspeichern zu sorgen, sodass während des Winters 2022 ausreichend Gas zur Verfügung steht, was unmittelbare Auswirkungen auf die Menschen und Unternehmen hat. Die Kommission schlug auch zügig neue Vorschriften über koordinierte Maßnahmen zur Senkung der Gasnachfrage und über Notfallmaßnahmen als Reaktion auf die hohen Energiepreise vor. Diese Notfallmaßnahmen bedeuten einen weiteren Schritt im Rahmen der Arbeit der Kommission zur Sicherstellung, dass der EU-Rechtsrahmen eine entschlossene und effiziente Reaktion auf Krisensituationen ermöglicht.
Die Kommission wertet ferner Erfahrungen aus und prüft, inwiefern EU-Vorschriften Flexibilität und Koordinationsmechanismen beinhalten müssen, damit im Falle einer Krise innerhalb eines vorgegebenen Rechtsrahmens Maßnahmen ergriffen werden können. Auf der Grundlage der aus der COVID-19-Pandemie gewonnenen Erkenntnisse nahm die Kommission einen Notfallplan für den Verkehr an, der ein Instrumentarium für den Umgang mit Verkehrskrisen jeder Art bietet und insbesondere dafür sorgt, dass die EU-Rechtsvorschriften so geändert und durchgesetzt werden, dass gegebenenfalls angemessen auf solche Ereignisse reagiert werden kann. Außerdem führte die Kommission in ihrem Vorschlag zur Änderung des Schengener Grenzkodex vom Dezember 2021 einen Koordinationsmechanismus für den Umgang mit Gesundheitsgefahren an den Außengrenzen sowie einen neuen Schutzmechanismus für den Schengen-Raum für eine gemeinsame Reaktion an den Binnengrenzen bei Bedrohungen für die Mitgliedstaaten ein. Im Rahmen der Europäischen Gesundheitsunion schuf die Kommission zudem die EU-Behörde für die Krisenvorsorge und -reaktion bei gesundheitlichen Notlagen (HERA), um die Fähigkeit Europas zur Verhinderung grenzüberschreitender gesundheitlicher Notlagen und zur schnellen Reaktion auf diese sowie die Durchführung von Sofortmaßnahmen zu stärken. Ferner ermöglicht das Notfallinstrument für den Binnenmarkt schnelle Reaktionen in Krisensituationen, um den Waren- und Personenverkehr aufrechtzuerhalten und den Zugang zu wichtigen Versorgungsgütern und Dienstleistungen zu wahren.
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Nutzung des vielseitigen Durchsetzungsinstrumentariums in einer Krise
Die COVID-19-Pandemie verursachte eine schwerwiegende Störung der Reisebranche, woraufhin mehrere Mitgliedstaaten es als notwendig erachteten, darauf zu reagieren. Nationale Maßnahmen, bei denen die Menschen, deren Urlaubsreisen annulliert wurden, lediglich Reisegutscheine oder lange aufgeschobene Rückerstattungen von Zahlungen erhielten, standen nicht im Einklang mit den Rechten auf Erstattung der Reisenden gemäß dem EU-Recht. In einem ersten Schritt gab die Kommission frühzeitige Orientierung zur Anwendung der EU-Rechtsvorschriften über Passagierrechte und verabschiedete eine Empfehlung zu Gutscheinen als Alternative zur Rückerstattung von Zahlungen für annullierte Reisen, in der sie auch hervorhob, wie die Mitgliedstaaten die finanzielle Liquidität der Verkehrsunternehmen fördern konnten. Sie bemühte sich ferner mit den für die Zusammenarbeit im Verbraucherschutz zuständigen Durchsetzungsbehörden um Dialoge mit Fluggesellschaften. Daraufhin einigten sich 16 große europäische Fluggesellschaften im Jahr 2022 auf eine Reaktion, die die Erstattung von mehr als 500 000 Fluggutscheinen umfasste, die Verbraucherinnen und Verbraucher infolge von Flugannullierungen während der Pandemie annehmen mussten. Die Kommission leitete des Weiteren Vertragsverletzungsverfahren gegen Mitgliedstaaten ein, die Vorschriften erlassen hatten, die gegen die EU-Fluggastrechteverordnung oder die Pauschalreiserichtlinie verstießen. Die überwiegende Mehrheit dieser Mitgliedstaaten brachte die eigene Praxis zügig mit dem EU-Recht in Einklang, sodass nur ein Fall an den Gerichtshof verwiesen werden musste.
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VIII.SCHLUSSFOLGERUNG
Die Durchsetzung des EU-Rechts ist und bleibt eine der Hauptprioritäten der Kommission. In der vorliegenden Mitteilung wurde das breite und vielfältige Spektrum an Maßnahmen dargelegt, die von der Kommission zur Durchsetzung des EU-Rechts ergriffen wurden und stets im Einklang mit unserem obersten Ziel standen: dem Vorantreiben positiver Veränderungen und der Sicherstellung, dass die Menschen und Unternehmen in den uneingeschränkten Genuss der Vorteile des EU-Rechts kommen. Es kann viele Auslöser für eine mangelnde oder nicht ordnungsgemäße Umsetzung geben, weshalb die Kommission ein vielseitiges Instrumentarium entwickelt hat, um darauf zu reagieren.
Ein umfassender, intelligenter und strategischer Ansatz für die Durchsetzung hat direkte Vorteile gebracht – von saubererer Luft über höhere Wasserqualitätsnormen, einen sichereren Verkehr und einen besseren Verbraucherschutz bis hin zur Wahrung der Grundrechte und ‑freiheiten der EU. In all diesen Fällen ist die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten von entscheidender Bedeutung: Die Umsetzung und Anwendung des EU-Rechts ist das Ergebnis gemeinsamer Anstrengungen, und die Einhaltung des Rechts hängt davon ab, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Schritte unternehmen, um Verstöße zu vermeiden und unverzüglich zu beseitigen, einschließlich durch ein wirksames nationales Justizsystem mit unabhängigen Gerichten.
Die Durchsetzung des EU-Rechts ist kein einmaliges Ereignis, sondern erfordert kontinuierliche und anhaltende Bemühungen der Kommission und der Mitgliedstaaten, um für die kohärente und wirksame Anwendung der EU-Vorschriften zu sorgen und potenzielle Probleme zu vermeiden. Unser schnelllebiges internationales Umfeld, unerwartete Krisen und neue Herausforderungen im Zusammenhang mit der Durchsetzung erfordern, dass die Kommission fortlaufend Möglichkeiten prüft, um die Umsetzung und Anwendung unserer gemeinsam vereinbarten Vorschriften weiter zu verbessern. Derzeit läuft eine Bestandsaufnahme innerhalb der Kommission und mit den Mitgliedstaaten, um zu gewährleisten, dass die richtigen Durchsetzungsinstrumente zur Verfügung stehen, damit das EU-Recht in der Praxis funktioniert.
Insbesondere wird bei dieser Bestandsaufnahme bewertet, ob der derzeitige Umgang mit Beschwerden, EU-Pilot-Verfahren und Verstößen weiterhin zweckmäßig ist. Mehrere Verbesserungen der Durchsetzungsmaßnahmen werden im Rahmen dieser Analyse bereits geprüft.
Im Laufe der Zeit ist die Zahl der neuen Richtlinien zurückgegangen, wohingegen zunehmend von Verordnungen als Rechtsinstrument Gebrauch gemacht wird. Die Kommission verfügt über ein bewährtes System für die Überwachung und Durchsetzung der schnellen und korrekten Umsetzung von Richtlinien. Die Durchführung und Durchsetzung von Verordnungen ist ebenso wichtig – und obwohl Verordnungen unmittelbare Wirkung haben, hängt dies häufig von der Arbeit der nationalen Behörden ab. Einige Verordnungen erfordern Änderungen nationaler Rechtsvorschriften, und viele weisen nationalen Stellen oder Regulierungsbehörden Zuständigkeiten zu, die für die Durchführung der Rechtsvorschriften von wesentlicher Bedeutung sind. Die Kommission wird daher ihre Anstrengungen verstärken, um die Durchführung und Anwendung von Verordnungen systematischer und strategischer zu überwachen und durchzusetzen.
Die Kommission misst der Transparenz eine große Bedeutung bei. Diese hilft der breiteren Öffentlichkeit dabei, sich an der gemeinsamen Verantwortung für die Durchsetzung zu beteiligen, und fördert eine schnellere Rechtsbefolgung durch die Mitgliedstaaten. Aus diesem Grund hat die Kommission schrittweise immer mehr Informationen über ihre Durchsetzungsmaßnahmen veröffentlicht. Im Jahresbericht über die Kontrolle der Anwendung des EU-Rechts
werden wichtige Trends dargelegt, wird die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten genau beschrieben und werden große Vertragsverletzungsentscheidungen erläutert. Ein öffentliches Verzeichnis für Verletzungsverfahren
bietet aktuelle Informationen über den zuletzt unternommenen Schritt in jedem einzelnen Fall. Die Kommission veröffentlicht Pressemitteilungen über alle Entscheidungen in Verletzungsverfahren, wobei sie bei den wichtigsten Entscheidungen zusätzliche Informationen bereitstellt. Die Öffentlichkeit und die Zivilgesellschaft haben jedoch eine Reihe von Bereichen ermittelt, in denen es Potenzial für mehr Transparenz gibt, etwa in Bezug auf das Vorverfahren zum Vertragsverletzungsverfahren (EU-Pilot), Überblicke über die Fälle und aktuelle Statistiken zu den Durchsetzungsmaßnahmen der Kommission. Die Kommission wird die Informationen, die der Öffentlichkeit systematisch und in leicht zugänglicher Form zur Verfügung gestellt werden, weiterhin verbessern und immer mehr solcher Informationen veröffentlichen. Bei der Bestandsaufnahme wird in enger Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten genauer betrachtet werden, welche zusätzlichen Informationen öffentlich zugänglich gemacht werden sollten und welche Mittel dafür geeignet sind.
Schließlich werden im Rahmen der Bestandsaufnahme auch Möglichkeiten geprüft werden, um die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und den Mitgliedstaaten in Bezug auf die rasche und korrekte Umsetzung von Richtlinien zu verbessern.
Die Kommission wird im Laufe des Jahres 2023 über die Ergebnisse der Bestandsaufnahme berichten.