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Document 32014L0087

Richtlinie des Rates 2014/87/Euratom vom 8. Juli 2014 zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen

OJ L 219, 25.7.2014, p. 42–52 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dir/2014/87/oj

25.7.2014   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 219/42


RICHTLINIE DES RATES 2014/87/EURATOM

vom 8. Juli 2014

zur Änderung der Richtlinie 2009/71/Euratom über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Atomgemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 31 und 32,

auf Vorschlag der Europäischen Kommission, der nach Stellungnahme der Gruppe der vom Ausschuss für Wissenschaft und Technik bestellten wissenschaftlichen Sachverständigen der Mitgliedstaaten ausgearbeitet worden ist,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses (2),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Mit der Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates (3) werden einheitliche grundlegende Sicherheitsnormen für den Schutz von Personen, die beruflicher oder medizinischer Exposition oder der Exposition der Bevölkerung ausgesetzt sind, vor den Gefahren durch ionisierende Strahlung festgelegt.

(2)

Die Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates (4) erlegt den Mitgliedstaaten Verpflichtungen zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines nationalen Rahmens für die nukleare Sicherheit auf. Die Richtlinie spiegelt die Vorgaben der wichtigsten internationalen Instrumente auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit, nämlich des Übereinkommens über nukleare Sicherheit (5) sowie der sicherheitstechnischen Grundsätze (Safety Fundamentals) (6) der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO), wider.

(3)

Die Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates (7) verpflichtet die Mitgliedstaaten zur Schaffung und Aufrechterhaltung eines nationalen Rahmens für die Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle.

(4)

In den Schlussfolgerungen des Rates vom 8. Mai 2007 über die nukleare Sicherheit und die sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle wird betont, dass „die nukleare Sicherheit in einzelstaatlicher Verantwortung liegt, die gegebenenfalls in einem EU-Rahmen ausgeübt wird. Beschlüsse über Sicherheitsmaßnahmen und die Überwachung kerntechnischer Anlagen sind weiterhin ausschließlich Sache der Betreiber und einzelstaatlichen Behörden“.

(5)

Durch den Nuklearunfall von Fukushima (Japan) im Jahr 2011 wurde weltweit die Aufmerksamkeit erneut auf die Maßnahmen gelenkt, die zur Minimierung der Risiken und zur Gewährleistung einer belastbaren nuklearen Sicherheit notwendig sind. Auf der Grundlage der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates vom 24./25. März 2011 führten die zuständigen nationalen Regulierungsbehörden gemeinsam mit der Kommission im Rahmen der Europäischen Gruppe der Regulierungsbehörden für nukleare Sicherheit (European Nuclear Safety Regulators Group — ENSREG), festgelegt im Kommissionsbeschluss 2007/530/Euratom (8), gemeinschaftsweit umfassende Risiko- und Sicherheitsbewertungen in Kernkraftwerken („Stresstests“) durch. Diese zeigten eine Reihe von Verbesserungsmöglichkeiten bei den Konzepten für nukleare Sicherheit und den Vorgehensweisen der Betreiber in den teilnehmenden Ländern auf.

Der Europäische Rat forderte die Kommission zudem auf, erforderlichenfalls den bestehenden Rahmen der Rechts- und Verwaltungsvorschriften für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen zu überprüfen und alle erforderlichen Verbesserungen vorzuschlagen. Er betonte ferner, dass in der Union die höchsten Standards für die nukleare Sicherheit umgesetzt und ständig verbessert werden sollten.

(6)

Starke zuständige Regulierungsbehörden, die in ihrer regulatorischen Entscheidungsfindung tatsächlich unabhängig sind, sind eine wesentliche Anforderung des Rechtsrahmens der Gemeinschaft im Bereich der nuklearen Sicherheit. Es ist von größter Bedeutung, dass die zuständigen Regulierungsbehörden in der Lage sind, im Rahmen der regulatorischen Entscheidungsfindung ihre Befugnisse unparteiisch, transparent und frei von ungebührlicher Beeinflussung auszuüben, damit ein hohes Maß an nuklearer Sicherheit gewährleistet ist. Regulierungsentscheidungen und Durchsetzungsmaßnahmen auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit sollten auf objektiven, sicherheitsbezogenen technischen Überlegungen beruhen und ohne ungebührliche Beeinflussung von außen, wie ungebührliche Einflussnahme im Zusammenhang mit sich ändernden politischen, wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Bedingungen, getroffen werden, die die Sicherheit gefährden könnte.

Die Bestimmungen der Richtlinie 2009/71/Euratom zur funktionalen Trennung der zuständigen Regulierungsbehörden sollten gestärkt werden, um sicherzustellen, dass die Regulierungsbehörden in ihrer regulatorischen Entscheidungsfindung tatsächlich von ungebührlicher Beeinflussung unabhängig und mit den geeigneten Mitteln und Kompetenzen ausgestattet sind, die sie für die ordnungsgemäße Durchführung der ihnen übertragenen Aufgaben benötigen. Insbesondere sollten die Regulierungsbehörden über ausreichende rechtliche Befugnisse, eine ausreichende Personalausstattung und ausreichende finanzielle Mittel für die ordnungsgemäße Wahrnehmung der ihnen übertragenen Aufgaben verfügen.

Die unter Umständen erforderliche enge Zusammenarbeit mit anderen zuständigen nationalen Behörden oder allgemeine politische Leitlinien der Mitgliedstaaten bleiben von den strengeren Anforderungen jedoch unberührt.

(7)

Bei der Entscheidungsfindung der Regulierungsbehörden sollten Kompetenzen und Fachkenntnisse, die von einer Organisation für technische Unterstützung zur Verfügung gestellt werden können, berücksichtigt werden. Diese Fachkenntnisse sollten auf — unter anderem aus praktischen Erfahrungen und sicherheitsbezogener Forschung stammenden — wissenschaftlichen und technischen Erkenntnissen nach dem Stand von Wissenschaft und Technik, auf Wissensmanagement und auf geeigneten technischen Mitteln basieren.

(8)

Gemäß Teil 1 der Allgemeinen Sicherheitsanforderungen der IAEO ist sowohl der Rolle der Mitgliedstaaten bei der Festlegung des Rahmens für die nukleare Sicherheit als auch der Rolle der Regulierungsbehörden bei der Umsetzung dieses Rahmens Rechnung zu tragen.

(9)

Angesichts der Besonderheiten der Nuklearindustrie und der begrenzten Verfügbarkeit von Personen mit den erforderlichen Fachkenntnissen und Kompetenzen, die dazu führen können, dass Personen mit Entscheidungsbefugnissen zwischen Nuklearindustrie und Regulierungsbehörden wechseln, sollte der Vermeidung von Interessenkonflikten besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden. Darüber hinaus sollte durch entsprechende Vorkehrungen sichergestellt werden, dass keine Interessenkonflikte für Organisationen bestehen, die die Regulierungsbehörde beraten oder sonstige Dienstleistungen für sie erbringen.

(10)

Die Folgen eines Nuklearunfalls können über Landesgrenzen hinausgehen; deshalb sollten eine enge Zusammenarbeit, die Koordinierung und der Informationsaustausch zwischen den zuständigen Regulierungsbehörden von Mitgliedstaaten in der Umgebung kerntechnischer Anlagen gefördert werden, unabhängig davon, ob diese Mitgliedstaaten kerntechnische Anlagen betreiben oder nicht. In diesem Zusammenhang sollten die Mitgliedstaaten dafür sorgen, dass geeignete Vorkehrungen getroffen werden, um diese Zusammenarbeit in Fragen der nuklearen Sicherheit mit grenzüberschreitender Relevanz zu erleichtern.

(11)

Um zu gewährleisten, dass sämtliche Mitarbeiter, die Verantwortung im Bereich der nuklearen Sicherheit kerntechnischer Anlagen und der anlageninternen Notfallvorsorge und -reaktion tragen, die richtigen Fähigkeiten erwerben und ein angemessenes Kompetenzniveau erreichen und aufrechterhalten, sollten alle Parteien sicherstellen, dass ihre Mitarbeiter einen kontinuierlichen Lernprozess durchlaufen. Erreicht werden kann dies durch die Erstellung von Schulungsprogrammen und Schulungsplänen, Verfahren für eine regelmäßige Überprüfung und Aktualisierung der Schulungsprogramme sowie die Einsetzung angemessener Haushaltsmittel für diese Schulungen.

(12)

Eine weitere wichtige Lehre aus dem Nuklearunfall von Fukushima ist die Erkenntnis, dass die Transparenz im Bereich der nuklearen Sicherheit erhöht werden muss. Transparenz ist auch ein wichtiger Faktor für eine größere Unabhängigkeit bei der Entscheidungsfindung der Regulierungsbehörden. Daher sollten die derzeitigen Bestimmungen der Richtlinie 2009/71/Euratom über die der Öffentlichkeit bereitzustellenden Informationen genauer gefasst und präzisiert werden, welche Arten von Informationen bereitzustellen sind. Zusätzlich sollten der Öffentlichkeit Möglichkeiten gegeben werden, sich im Einklang mit dem nationalen Rahmen für die nukleare Sicherheit und unter Berücksichtigung der unterschiedlichen nationalen Systeme an den relevanten Phasen des Entscheidungsprozesses in Bezug auf kerntechnische Anlagen zu beteiligen. Entscheidungen über Genehmigungen obliegen nach wie vor den zuständigen nationalen Behörden.

(13)

Die Vorschriften dieser Richtlinie zur Transparenz ergänzen entsprechende Vorschriften bestehender Euratom-Rechtsakte. Mit der Entscheidung 87/600/Euratom des Rates (9) wird den Mitgliedstaaten die Verpflichtung auferlegt, die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten im Falle einer radiologischen Notstandssituation in ihrem Hoheitsgebiet zu benachrichtigen und zu informieren; die Richtlinie 2013/59/Euratom enthält Anforderungen an die Mitgliedstaaten zur Unterrichtung der Bevölkerung über zu ergreifende Gesundheitsschutzmaßnahmen und Verhaltensmaßregeln bei einer radiologischen Notstandssituation sowie zur Bereitstellung regelmäßig aktualisierter Informationen für die von einer radiologischen Notstandssituation wahrscheinlich betroffenen Personen der Bevölkerung.

(14)

Die Vertragsparteien des Übereinkommens für nukleare Sicherheit bekräftigten auf ihrer Sechsten Überprüfungstagung, dass sie sich den Erkenntnissen der Zweiten Außerordentlichen Tagung, die nach dem Unfall in Fukushima stattfand, verpflichtet sehen. Insbesondere betonten sie, dass „Kernkraftwerke mit dem Ziel ausgelegt, gebaut und betrieben werden sollten, Unfälle zu vermeiden und im Falle eines Unfalls dessen Auswirkungen abzuschwächen und anlagenexterne Verstrahlungen zu verhindern“, und dass „Regulierungsbehörden dafür sorgen sollten, dass diese Ziele darauf angewandt werden, um angemessene Sicherheitsverbesserungen in bestehenden Anlagen auszumachen und umzusetzen“.

(15)

Angesichts der durch die Regelungen der IAEO und den Verband der westeuropäischen Aufsichtsbehörden im Nuklearbereich (WENRA) erreichten technischen Fortschritte und der aus den Stresstests und den Untersuchungen zum Nuklearunfall von Fukushima gewonnenen Erkenntnisse sollte die Richtlinie 2009/71/Euratom dahingehend geändert werden, dass ein übergeordnetes Gemeinschaftsziel im Bereich der nuklearen Sicherheit für alle Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen (Standortwahl, Auslegung, Errichtung, Inbetriebnahme, Betrieb, Stilllegung) aufgenommen wurde. Insbesondere werden mit diesem Ziel erhebliche Sicherheitsverbesserungen bei der Auslegung neuer Reaktoren angestrebt, für die unter Berücksichtigung der aktuellen internationalen Sicherheitsanforderungen Erkenntnisse nach dem Stand von Wissenschaft und Technik und modernste Technologien zum Einsatz kommen sollten.

(16)

Dieses Ziel sollte insbesondere durch Bewertungen der nuklearen Sicherheit erreicht werden, die in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen. Sie sollten von den Genehmigungsinhabern unter der Aufsicht der zuständigen nationalen Regulierungsbehörde durchgeführt werden und können zur Bewertung des Risikos eines schweren Unfalls gemäß der Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates (10) verwendet werden, sofern die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllt sind.

(17)

Das gestaffelte Sicherheitskonzept ist von wesentlicher Bedeutung für die Sicherheit kerntechnischer Anlagen und stellt die Grundlage für die Verwirklichung der übergeordneten Ziele im Bereich der nuklearen Sicherheit dar. Die Anwendung der in internationalen Normen und Leitlinien sowie vom WENRA anerkannten Grundsätze der gestaffelten Sicherheit gewährleistet, dass sicherheitsrelevante Tätigkeiten — sofern dies vernünftigerweise durchführbar ist — Vorschriften auf voneinander unabhängigen Ebenen unterliegen, so dass im Falle eines Ausfalls dieser entdeckt und durch geeignete Maßnahmen ausgeglichen oder korrigiert würde. Die Wirksamkeit jeder einzelnen Ebene ist ein wesentliches Element des gestaffelten Sicherheitskonzepts, um Unfällen vorzubeugen und, falls diese eintreten, deren Auswirkungen abzuschwächen. Das gestaffelte Sicherheitskonzept gliedert sich in der Regel in fünf Ebenen. Sollte eine Ebene versagen, kommt die nächste Ebene zum Tragen. Ziel der ersten Schutzebene ist die Vermeidung von anomalen Betriebsbedingungen und Fehlfunktionen. Wenn die erste Ebene versagt, werden auf der zweiten Schutzebene anomale Betriebsbedingungen beherrscht bzw. Fehlfunktionen entdeckt. Wenn die zweite Ebene versagt, gewährleistet die dritte Ebene, dass Sicherheitsfunktionen weiter ablaufen, indem spezifische Einrichtungen des Sicherheitssystems und andere Sicherheitselemente aktiviert werden. Wenn die dritte Ebene versagt, dann beschränkt die vierte Ebene den Unfallablauf durch Unfallmanagement, um die Bedingungen schwerer Unfälle mit anlagenexterner Freisetzung von radioaktivem Material zu verhindern oder abzumildern. Das letzte Ziel (fünfte Schutzebene) ist die Abmilderung der radiologischen Auswirkungen erheblicher anlagenexterner Freisetzungen durch anlagenexterne Notfallmaßnahmen.

(18)

Gemeinsam mit dem gestaffelten Sicherheitskonzept gilt eine effektive Sicherheitskultur im Nuklearbereich als wesentlicher Faktor für das Erreichen eines hohen Niveaus nuklearer Sicherheit und ihrer laufenden Verbesserung. Die Indikatoren für eine effektive Sicherheitskultur im Nuklearbereich umfassen insbesondere folgende Faktoren: das Engagement für die nukleare Sicherheit und ihre laufende Verbesserung auf allen Ebenen des Personals und des Managements in einer Organisation; die Förderung der Fähigkeit des Personals auf allen Ebenen, im Hinblick auf die laufende Verbesserung der nuklearen Sicherheit zu hinterfragen, ob die maßgeblichen Sicherheitsgrundsätze und -praktiken ihrer Funktion gerecht werden; die Fähigkeit des Personals, Sicherheitsprobleme rechtzeitig zu melden; die Fähigkeit, Lehren aus der Betriebserfahrung zu ziehen; sowie die systematische Berichterstattung über jede Abweichung von den normalen Betriebsbedingungen oder den Vorkehrungen im Zusammenhang mit dem Unfallmanagement, die möglicherweise Auswirkungen auf die nukleare Sicherheit hat. Wichtige Elemente, die zu einer starken Sicherheitskultur im Nuklearbereich beitragen, sind insbesondere effektive Managementsysteme, geeignete Ausbildung und Schulung und Vorkehrungen des Genehmigungsinhabers zur Registrierung, Bewertung und Dokumentation interner und externer sicherheitsrelevanter Betriebserfahrung und der effektiven Lösung aufgetretener Probleme.

(19)

Der Ausdruck „vernünftigerweise durchführbar“ in dieser Richtlinie sollte gemäß den etablierten Definitionen, insbesondere den Definitionen von WENRA und der IAEO, verwendet werden.

(20)

Nach den Nuklearunfällen in Three Mile Island und Tschernobyl hat uns der Nuklearunfall von Fukushima erneut vor Augen geführt, welche ausschlaggebende Bedeutung die Funktion des Sicherheitsbehälters hat, der die letzte Barriere für den Schutz des Menschen und der Umwelt vor der Freisetzung radioaktiver Stoffe nach einem Unfall darstellt. Daher sollte der Antragsteller für eine Errichtungsgenehmigung für einen neuen Leistungs- oder Forschungsreaktor nachweisen, dass die Auslegung die Folgen eines Reaktorkernschadens auf den Bereich innerhalb des Sicherheitsbehälters beschränkt, d. h. der Antragsteller sollte nachweisen, dass eine umfassende oder unzulässige Freisetzung radioaktiven Materials außerhalb des Sicherheitsbehälters äußerst unwahrscheinlich ist und er sollte mit hoher Zuverlässigkeit nachweisen können, dass eine solche Freisetzung nicht vorkommen wird.

(21)

Im Hinblick auf die Verhütung von Unfällen und Abmilderung von Unfallfolgen sollten spezifischere Vorkehrungen für das Unfallmanagement und anlageninterne Notfallmaßnahmen vorgeschrieben werden. Diese sollten im Einklang mit den maßgeblichen Bestimmungen der Richtlinie 2013/59/Euratom stehen und diese unberührt lassen. Der Genehmigungsinhaber sollte im Hinblick auf Unfälle, einschließlich schwerer Unfälle, die in allen Betriebszuständen einschließlich Volllast, Abschaltung und Übergangszuständen auftreten können, Verfahren einrichten, Leitlinien festlegen und Vorkehrungen treffen, die die Kohärenz und Kontinuität zwischen diesen Verfahren und Vorkehrungen sowie deren Anwendung, Überprüfung und Aktualisierung gewährleisten. Diese Vorkehrungen sollten auch genügend Personal, Ausrüstung und andere notwendige Ressourcen vorsehen. Ferner sollten eine Organisationsstruktur mit einer klaren Zuweisung der Verantwortlichkeiten und die Koordinierung der zuständigen Stellen vorgesehen werden.

(22)

Bei den Stresstests zeigte sich, welch zentrale Rolle verbesserten Kooperations- und Koordinierungsmechanismen zwischen allen Parteien mit Zuständigkeiten für die nukleare Sicherheit zukommt. Die Peer Reviews haben sich als ein gutes Mittel der Vertrauensbildung erwiesen, damit Erfahrungen gemacht und ausgetauscht werden können und die gemeinsame Anwendung von hohen Standards im Bereich der nuklearen Sicherheit gewährleistet ist.

(23)

Die Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten im Bereich der nuklearen Sicherheit hat sich gut bewährt und kann einen Mehrwert in Bezug auf nukleare Sicherheit, Transparenz und Offenheit gegenüber den Interessenträgern auf europäischer und internationaler Ebene bieten.

Die Mitgliedstaaten sollten über ihre zuständigen Regulierungsbehörden — unter Nutzung von ENSREG, soweit einschlägig, und aufbauend auf den Fachkenntnissen von WENRA — alle sechs Jahre eine Methode, die Rahmenbedingungen und einen Zeitrahmen für Peer Reviews zu einem gemeinsamen spezifischen technischen Thema im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit ihrer kerntechnischen Anlagen festlegen. Das zu prüfende gemeinsame spezifische technische Thema sollte auf der Grundlage der von WENRA festgelegten Sicherheitsreferenzniveaus oder von Feedback aus der Betriebserfahrung, Vorkommnissen und Unfällen sowie technologischen und wissenschaftlichen Entwicklungen ausgewählt werden. Die Mitgliedstaaten sollten eine nationale Selbstbewertung durchführen und Vorkehrungen für gemeinsame Peer Reviews ihrer nationalen Selbstbewertung durch die zuständigen Regulierungsbehörden anderer Mitgliedstaaten treffen.

Über die Ergebnisse dieser Peer Reviews sollten Berichte erstellt werden. Die Mitgliedstaaten sollten unter Berücksichtigung der Ergebnisse dieser Peer Reviews nationale Aktionspläne zur Weiterbehandlung maßgeblicher Erkenntnisse und ihrer eigenen nationalen Bewertung festlegen. Die Berichte über die Peer Reviews sollten auch die Grundlage für alle zusammenfassenden Berichte über die Ergebnisse der unionsweiten themenbezogenen Peer Reviews bilden, die gemeinsam von den zuständigen Regulierungsstellen der Mitgliedstaaten erstellt werden. Diese zusammenfassenden Berichte sollten keine Rangliste in Bezug auf die Sicherheit kerntechnischer Anlagen darstellen, sondern das Verfahren und die technischen Erkenntnisse der themenbezogenen Peer Reviews in den Mittelpunkt stellen, um die dadurch gewonnenen Erkenntnisse gemeinsam nutzen zu können.

Bei allen Peer Reviews sollte gegenseitiges Vertrauen herrschen, und die Kommission sollte daher nach Möglichkeit die Mitgliedstaaten unterrichten, wenn sie die Ergebnisse der Peer-Review-Berichte in ihren Strategiepapieren zu verwenden beabsichtigt.

(24)

Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Berichterstattung über die Umsetzung der Richtlinie und die Verpflichtung der Kommission zur Erstellung eines Berichts auf der Grundlage der nationalen Berichte sollten Gelegenheit zu einer Bestandsaufnahme und einer Evaluierung der einzelnen Aspekte der Umsetzung dieser Richtlinie und deren Wirksamkeit bieten. Auch auf internationaler Ebene gibt es eine Reihe von Berichterstattungspflichten, wie etwa die Verpflichtung zur Erstellung von Berichten im Rahmen des Übereinkommens über nukleare Sicherheit, deren Ergebnisse zur Evaluierung der Umsetzung dieser Richtlinie verwendet werden könnten. Zudem sollten in dieser Richtlinie weitere Anforderungen an die Berichterstattung über die Erkenntnisse der themenbezogenen Peer Reviews kerntechnischer Anlagen festgelegt werden. Infolgedessen sollten die Berichterstattungspflichten für die Mitgliedstaaten sowohl im Hinblick auf die Häufigkeit als auch in Bezug auf den Inhalt der Berichte weniger aufwändig gestaltet werden, um die Rechtsvorschriften zu vereinfachen und die Bürokratie zu verringern.

(25)

Im Einklang mit der abgestuften Vorgehensweise hängt die Umsetzung der Bestimmungen dieser Richtlinie von der Art der kerntechnischen Anlagen im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats ab. Daher sollten die Mitgliedstaaten bei der Umsetzung dieser Bestimmungen in nationales Recht dem potenziellen Ausmaß und der Art der Risiken Rechnung tragen, die sich durch die von ihnen geplanten oder betriebenen kerntechnischen Anlagen ergeben. Insbesondere wird die abgestufte Vorgehensweise diejenigen Mitgliedstaaten betreffen, die nur über einen geringen Bestand an nuklearen und radioaktiven Materialien verfügen, z. B. solche in Verbindung mit dem Betrieb kleinerer Forschungsreaktoranlagen, die bei einem schweren Unfall keine Folgen hervorrufen würden, die mit denen von Kernkraftwerken vergleichbar sind.

(26)

Die Bestimmungen dieser Richtlinie, die untrennbar mit dem Vorhandensein von kerntechnischen Anlagen verbunden sind, also die Bestimmungen über die Pflichten des Genehmigungsinhabers, die neuen spezifischen Anforderungen an kerntechnische Anlagen und die anlageninterne Notfallvorsorge und -reaktion, sollten auf Mitgliedstaaten ohne kerntechnische Anlagen nicht anwendbar sein. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sollten in verhältnismäßiger Weise im Einklang mit den landesspezifischen Gegebenheiten und unter Berücksichtigung der Tatsache, dass diese Mitgliedstaaten keine kerntechnischen Anlagen haben, umgesetzt und durchgeführt werden, wobei zu gewährleisten ist, dass die Regierung beziehungsweise die zuständigen Behörden der nuklearen Sicherheit angemessene Aufmerksamkeit widmen.

(27)

Gemäß der Richtlinie 2009/71/Euratom müssen die Mitgliedstaaten einen nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen festlegen und beibehalten. Dabei verbleibt es in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten, die Annahmemodalitäten für die Vorschriften des nationalen Rahmens sowie die Instrumente zur Anwendung dieser Vorschriften zu bestimmen.

(28)

Gemäß der Gemeinsamen Politischen Erklärung der Mitgliedstaaten und der Kommission zu erläuternden Dokumenten vom 28. September 2011 haben sich die Mitgliedstaaten verpflichtet, in begründeten Fällen zusätzlich zur Mitteilung ihrer Umsetzungsmaßnahmen ein oder mehrere Dokumente zu übermitteln, in denen der Zusammenhang zwischen den Bestimmungen einer Richtlinie und den entsprechenden Teilen innerstaatlicher Umsetzungsinstrumente erläutert wird. In Bezug auf diese Richtlinie ist die Übermittlung dieser Dokumente gerechtfertigt.

(29)

Die Richtlinie 2009/71/Euratom sollte daher entsprechend geändert werden —

HAT FOLGENDE RICHTLINIE ERLASSEN:

Artikel 1

Die Richtlinie 2009/71/Euratom wird wie folgt geändert:

1.

Kapitel 1 erhält folgende Überschrift:

„ZIELE, GELTUNGSBEREICH UND BEGRIFFSBESTIMMUNGEN“.

2.

Artikel 2 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„(1)   Diese Richtlinie gilt für alle zivilen kerntechnischen Anlagen, die einer Genehmigung unterliegen.“

b)

Absatz 3 erhält folgende Fassung:

„(3)   Diese Richtlinie ergänzt die Grundnormen im Sinne des Artikels 30 des Vertrags in Bezug auf die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen und lässt die bestehenden Rechtsvorschriften der Gemeinschaft für den Schutz der Gesundheit der Arbeitskräfte und der Bevölkerung gegen die Gefahren durch ionisierende Strahlungen, und insbesondere die Richtlinie 2013/59/Euratom (11), unberührt.

(11)  Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom (ABl. L 13 vom 17.1.2014, S. 1).“"

3.

Artikel 3 wird wie folgt geändert:

a)

Nummer 1 Buchstabe a erhält folgende Fassung:

„a)

ein Kernkraftwerk, eine Anreicherungsanlage, eine Anlage zur Kernbrennstoffherstellung, eine Wiederaufarbeitungsanlage, einen Forschungsreaktor, eine Zwischenlagerung für abgebrannte Brennelemente und“.

b)

Folgende Nummern werden angefügt:

„(6)

‚Unfall‘ jedes unbeabsichtigte Ereignis, dessen Folgen oder potenziellen Folgen aus Sicht des Strahlenschutzes oder der nuklearen Sicherheit erheblich sind;

(7)

‚Vorkommnis‘ jedes unbeabsichtigte Ereignis, dessen Folgen oder potenziellen Folgen aus Sicht des Strahlenschutzes oder der nuklearen Sicherheit nicht vernachlässigbar sind;

(8)

‚anomaler Betrieb‘ einen Betriebszustand, der vom Normalbetrieb abweicht, der mindestens einmal während der Betriebsdauer einer Anlage zu erwarten ist, der jedoch aufgrund angemessener Vorschriften über die Auslegung keinen erheblichen Schaden an Einrichtungen verursacht, die wichtig für die Sicherheit sind, bzw. nicht zu Unfallbedingungen führt;

(9)

‚Auslegung‘ die Bandbreite von Bedingungen und Ereignissen, die ausdrücklich bei der Auslegung einer kerntechnischen Anlage (einschließlich Nachrüstungen) gemäß festgelegten Kriterien berücksichtigt werden und denen die Anlage durch den geplanten Betrieb des Sicherheitssystems standhalten kann, ohne zulässige Grenzwerte zu überschreiten;

(10)

‚Auslegungsstörfall‘ Unfallbedingungen, gegen die eine kerntechnische Anlage gemäß festgelegten Auslegungskriterien ausgelegt ist und bei denen — soweit einschlägig — die Schädigung des Brennstoffs und die Freisetzung radioaktiver Stoffe innerhalb zulässiger Grenzwerte gehalten werden;

(11)

‚schwerer Unfall‘ Bedingungen, die schwerwiegender sind als die Bedingungen bei einem Auslegungsstörfall; diese Bedingungen können durch Mehrfachversagen verursacht werden, etwa den vollständigen Ausfall aller Stränge des Sicherheitssystems, oder durch ein äußerst unwahrscheinliches Ereignis.“

4.

In Kapitel 2 wird nach der Überschrift „VERPFLICHTUNGEN“ folgender Titel eingefügt:

„ABSCHNITT 1

Allgemeine Verpflichtungen“.

5.

Artikel 4 Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„(1)   Die Mitgliedstaaten schaffen einen nationalen Gesetzes-, Vollzugs- und Organisationsrahmen (im Folgenden ‚nationaler Rahmen‘) für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen. Der nationale Rahmen sieht insbesondere Folgendes vor:

a)

die Zuweisung der Verantwortlichkeiten und die Koordinierung zwischen den zuständigen staatlichen Stellen;

b)

innerstaatliche Anforderungen an die nukleare Sicherheit, die sich auf alle Phasen des Lebenszyklus kerntechnischer Anlagen erstrecken;

c)

ein Genehmigungssystem und das Verbot des Betriebs kerntechnischer Anlagen ohne Genehmigung;

d)

ein System der behördlichen Kontrolle der nuklearen Sicherheit durch die zuständige Regulierungsbehörde;

e)

wirksame und verhältnismäßige Durchsetzungsmaßnahmen einschließlich, soweit angemessen, Abhilfemaßnahmen oder Einstellung des Betriebs und der Änderung oder des Widerrufs einer Genehmigung.

Die Bestimmung der Modalitäten für die Annahme der in Buchstabe b genannten innerstaatlichen Anforderungen an die nukleare Sicherheit sowie der Instrumente für deren Anwendung verbleibt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.“

6.

Artikel 5 Absätze 2 und 3 erhalten folgende Fassung:

„(2)   Die Mitgliedstaaten stellen die tatsächliche Unabhängigkeit der zuständigen Regulierungsbehörde von ungebührlicher Beeinflussung bei der Entscheidungsfindung sicher. Zu diesem Zweck sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass die zuständige Regulierungsbehörde

a)

funktional von allen anderen Stellen oder Organisationen getrennt ist, die mit der Förderung oder Nutzung von Kernenergie befasst sind, und bei der Wahrnehmung ihrer Regulierungsaufgaben nicht um Weisungen einer solchen Stelle oder Organisation ersucht oder solche annimmt;

b)

regulatorische Entscheidungen trifft, die sich auf belastbare und transparente Anforderungen hinsichtlich der nuklearen Sicherheit stützen;

c)

eigene angemessene Mittelzuweisungen erhält, damit sie ihre Regulierungsaufgaben gemäß dem nationalen Rahmen erfüllen kann, und für die Ausführung der zugewiesenen Haushaltsmittel verantwortlich ist;

d)

eine angemessene Anzahl von Mitarbeitern mit der zur Erfüllung ihrer Aufgaben erforderlichen Qualifikation, Erfahrung und Sachkenntnis beschäftigt. Sie kann zur Unterstützung bei ihren Regulierungsaufgaben auf externe wissenschaftliche und technische Ressourcen und Sachkenntnisse zurückgreifen;

e)

Verfahren für die Vermeidung und Beilegung von Interessenkonflikten festlegt;

f)

Informationen im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit ohne Freigabe durch eine andere Stelle oder Organisation zur Verfügung stellt, sofern dadurch nicht andere übergeordnete Interessen — wie Sicherheitsinteressen —, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften oder in internationalen Instrumenten anerkannt sind, gefährdet werden.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass die zuständige Regulierungsbehörde mit den rechtlichen Befugnissen ausgestattet ist, die erforderlich sind, um ihre Pflichten im Zusammenhang mit dem nationalen Rahmen gemäß Artikel 4 Absatz 1 zu erfüllen. Zu diesem Zweck sorgen die Mitgliedstaaten dafür, dass der nationale Rahmen die zuständigen Regulierungsbehörden mit folgenden wesentlichen Regulierungsaufgaben betraut:

a)

die Definition der nationalen Anforderungen an die nukleare Sicherheit vorzuschlagen, festzulegen oder sich daran zu beteiligen;

b)

zu verlangen, dass der Genehmigungsinhaber die nationalen Anforderungen an die nukleare Sicherheit und die Bestimmungen der betreffenden Genehmigung erfüllt und die Erfüllung dieser Anforderungen nachweist;

c)

die Erfüllung dieser Anforderungen durch behördliche Bewertungen und Inspektionen zu überprüfen;

d)

wirksame und verhältnismäßige Durchsetzungsmaßnahmen vorzuschlagen oder durchzuführen.“

7.

Die Artikel 6, 7 und 8 erhalten folgende Fassung:

„Artikel 6

Genehmigungsinhaber

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass

a)

die Verantwortung für die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage in erster Linie dem Genehmigungsinhaber obliegt. Diese Verantwortung kann nicht delegiert werden und erstreckt sich auch auf die Tätigkeiten der Auftragnehmer und Unterauftragnehmer, deren Tätigkeiten die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage beeinträchtigen könnten;

b)

Antragsteller bei der Beantragung einer Genehmigung verpflichtet sind, einen Nachweis der nuklearen Sicherheit vorzulegen. Dabei müssen Umfang und Detaillierungsgrad dem potenziellen Ausmaß und der Art der Gefahr, die für die kerntechnische Anlage und ihren Standort maßgeblich ist, angepasst sein;

c)

die Genehmigungsinhaber die nukleare Sicherheit ihrer kerntechnischen Anlagen regelmäßig in systematischer und nachprüfbarer Weise bewerten, überprüfen und, so weit wie vernünftigerweise durchführbar, kontinuierlich verbessern. Dies umfasst die Überprüfung, dass Maßnahmen zur Vermeidung von Unfällen und zur Abmilderung der Auswirkungen von Unfällen getroffen worden sind, einschließlich der Überprüfung, ob die Bestimmungen des gestaffelten Sicherheitskonzepts angewandt werden;

d)

die Genehmigungsinhaber Managementsysteme einrichten und anwenden, die der nuklearen Sicherheit gebührenden Vorrang einräumen;

e)

die Genehmigungsinhaber angemessene Verfahren und Vorkehrungen für den anlageninternen Notfallschutz vorsehen, einschließlich Leitlinien für das Vorgehen bei schweren Unfällen oder ähnliche Vorkehrungen, damit sie wirksam auf Unfälle reagieren können, um deren Auswirkungen vorzubeugen bzw. diese abzumildern. Für diese Verfahren gilt insbesondere Folgendes:

i)

Sie stehen mit anderen betrieblichen Verfahren im Einklang und werden regelmäßig in Übungen angewandt, um ihre praktische Umsetzbarkeit zu prüfen;

ii)

sie sind bei Unfällen und schweren Unfällen anwendbar, die in allen Betriebszuständen auftreten können und die gleichzeitig mehrere Blöcke betreffen oder beeinträchtigen;

iii)

sie sehen Vorkehrungen zur Annahme von externer Unterstützung vor;

iv)

sie werden unter Berücksichtigung der bei Übungen gemachten Erfahrungen und der aus Unfällen gewonnenen Erkenntnisse regelmäßig überprüft und aktualisiert;

f)

die Genehmigungsinhaber die finanziellen Mittel und die entsprechend qualifizierten und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Mitarbeiter vorsehen und bereithalten, die zur Erfüllung ihrer Pflichten in Bezug auf die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage notwendig sind. Die Genehmigungsinhaber stellen ferner sicher, dass die Auftragnehmer und Unterauftragnehmer unter ihrer Verantwortung, deren Tätigkeiten die nukleare Sicherheit einer kerntechnischen Anlage beeinträchtigen könnten, über die entsprechend qualifizierten und mit den erforderlichen Befugnissen ausgestatteten Mitarbeiter verfügen, die zur Erfüllung ihrer Pflichten notwendig sind.

Artikel 7

Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass alle Beteiligten Vorkehrungen für die Aus- und Fortbildung ihres Personals das mit Aufgaben im Bereich der nuklearen Sicherheit kerntechnischer Anlagen betraut ist, treffen müssen, damit dieses Kenntnisse und Fähigkeiten auf dem Gebiet der nuklearen Sicherheit und des anlageninternen Notfallschutzes erwirbt, erhält und ausbaut.

Artikel 8

Transparenz

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass den Arbeitskräften und der Bevölkerung die notwendigen Informationen über die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen und ihre Regulierung zur Verfügung gestellt werden, wobei die lokalen Behörden, die Bevölkerung und die Interessenträger in der Umgebung einer kerntechnischen Anlage besondere Beachtung erhalten. Zu dieser Verpflichtung gehört auch, sicherzustellen, dass die zuständige Regulierungsbehörde und die Genehmigungsinhaber in ihren jeweiligen Zuständigkeitsbereichen im Rahmen ihrer Kommunikationspolitik folgende Informationen bereitstellen:

a)

den Arbeitskräften und der Bevölkerung Informationen über die normalen Betriebsbedingungen kerntechnischer Anlagen und

b)

den Arbeitskräften und der Bevölkerung sowie den zuständigen Regulierungsbehörden anderer Mitgliedstaaten in der Umgebung einer kerntechnischen Anlage sofortige Informationen bei Vorkommnissen und Unfällen.

(2)   Die Unterrichtung der Öffentlichkeit erfolgt im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und internationalen Instrumenten, sofern dadurch nicht andere übergeordnete Interessen — wie Sicherheitsinteressen —, die in den einschlägigen Rechtsvorschriften oder internationalen Instrumenten anerkannt sind, gefährdet werden.

(3)   Unbeschadet des Artikels 5 Absatz 2 stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass die zuständige Regulierungsbehörde gegebenenfalls mit den zuständigen Regulierungsbehörden anderer Mitgliedstaaten in der Umgebung einer kerntechnischen Anlage im Bereich der nuklearen Sicherheit kerntechnischer Anlagen zusammenarbeitet, u. a. durch den Austausch und/oder die gemeinsame Nutzung von Informationen.

(4)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der Öffentlichkeit angemessene Möglichkeiten gegeben werden, sich im Einklang mit den einschlägigen Rechtsvorschriften und internationalen Instrumenten an der Entscheidungsfindung im Zusammenhang mit der Genehmigung kerntechnischer Anlagen effektiv zu beteiligen.“

8.

Nach Artikel 8 wird folgender Abschnitt 2 eingefügt:

„ABSCHNITT 2

Besondere Verpflichtungen

Artikel 8a

Ziel der nuklearen Sicherheit für kerntechnische Anlagen

(1)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen für die nukleare Sicherheit vorschreibt, dass kerntechnische Anlagen mit dem Ziel ausgelegt, errichtet, in Betrieb genommen, betrieben und stillgelegt werden und ihr Standort mit dem Ziel zu wählen ist, Unfälle zu vermeiden und im Fall eines Unfalls dessen Auswirkungen abzumildern und Folgendes zu vermeiden:

a)

frühe Freisetzungen von radioaktivem Material, die anlagenexterne Notfallschutzmaßnahmen erfordern würden, für deren Umsetzung nicht ausreichend Zeit zur Verfügung steht;

b)

große Freisetzungen von radioaktivem Material, die Schutzmaßnahmen erfordern würden, die weder örtlich noch zeitlich begrenzt werden könnten.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass das in Absatz 1 genannte Ziel

a)

für kerntechnische Anlagen gilt, für die erstmals nach dem 14. August 2014 eine Genehmigung zur Errichtung erteilt wird;

b)

als Bezugsgröße für die zeitgerechte Umsetzung von vernünftigerweise durchführbaren Sicherheitsverbesserungen für bestehende kerntechnische Anlagen, auch im Rahmen der regelmäßigen Sicherheitsüberprüfungen gemäß Artikel 8c Buchstabe b, verwendet wird.

Artikel 8b

Umsetzung des Ziels der nuklearen Sicherheit für kerntechnische Anlagen

(1)   Im Hinblick auf die Verwirklichung des in Artikel 8a genannten Ziels der nuklearen Sicherheit stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass das gestaffelte Sicherheitskonzept, sofern es anwendbar ist, mit dem Ziel angewandt wird, zu gewährleisten, dass

a)

die Auswirkungen extremer externer natürlicher und durch den Menschen verursachter unbeabsichtigter Gefahren auf ein Mindestmaß beschränkt werden;

b)

anomaler Betrieb und Fehlfunktionen vermieden werden;

c)

anomaler Betrieb beherrscht wird und Fehlfunktionen entdeckt werden;

d)

Auslegungsstörfälle beherrscht werden;

e)

schwere Unfälle unter Kontrolle gebracht werden, einschließlich der Verhinderung des Fortschreitens des Unfallablaufs und der Abmilderung der Auswirkungen schwerer Unfälle;

f)

Organisationsstrukturen gemäß Artikel 8d Absatz 1 bestehen.

(2)   Im Hinblick auf die Verwirklichung des in Artikel 8a genannten Ziels der nuklearen Sicherheit stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass die zuständige Regulierungsbehörde und der Genehmigungsinhaber Maßnahmen treffen, um eine effektive Sicherheitskultur im Nuklearbereich zu fördern und zu verbessern. Diese Maßnahmen umfassen insbesondere

a)

Managementsysteme gemäß Artikel 6 Buchstabe d, die der nuklearen Sicherheit gebührenden Vorrang einräumen und auf allen Ebenen des Personals und des Managements die Fähigkeit fördern, zu hinterfragen, ob die einschlägigen Sicherheitsgrundsätze und -praktiken ihrer Funktion effektiv gerecht werden, und Sicherheitsprobleme rechtzeitig zu melden;

b)

Vorkehrungen des Genehmigungsinhabers zur Registrierung, Evaluierung und Dokumentation interner und externer sicherheitsrelevanter Betriebserfahrung;

c)

Verpflichtung des Genehmigungsinhabers zur Meldung von Ereignissen mit potenziellen Auswirkungen auf die nukleare Sicherheit an die zuständige Regulierungsbehörde und

d)

Vorkehrungen für Aus- und Weiterbildung gemäß Artikel 7.

Artikel 8c

Erstbewertung und periodische Sicherheitsüberprüfungen

Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass der nationale Rahmen vorschreibt, dass

a)

sich die Erteilung einer Genehmigung zur Errichtung einer kerntechnischen Anlage oder zum Betrieb einer kerntechnischen Anlage auf eine angemessene standort- und anlagenspezifische Bewertung stützt, die einen Nachweis der nuklearen Sicherheit im Hinblick auf die nationalen Anforderungen an die nukleare Sicherheit auf der Grundlage des in Artikel 8a genannten Ziels umfasst;

b)

der Genehmigungsinhaber unter der rechtlichen Kontrolle der zuständigen Regulierungsbehörde die Sicherheit der kerntechnischen Anlage gemäß den Bestimmungen des Artikels 6 Buchstabe c systematisch und regelmäßig — mindestens alle zehn Jahre — neu bewertet. Durch diese Sicherheitsbewertung soll die Einhaltung der aktuellen Auslegung sichergestellt werden; zudem werden weitere Sicherheitsverbesserungen unter Berücksichtigung der Alterung, der Betriebserfahrung, jüngster Forschungsergebnisse und Entwicklungen internationaler Normen ausgemacht, wobei das in Artikel 8a genannte Ziel als Bezugsgröße dient.

Artikel 8d

Anlageninterne Notfallvorsorge und -reaktion

(1)   Unbeschadet der Bestimmungen der Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates stellen die Mitgliedstaaten sicher, dass im nationalen Rahmen eine Organisationsstruktur für die anlageninterne Notfallvorsorge und -reaktion mit einer klaren Zuweisung von Zuständigkeiten und einer Koordinierung zwischen den Genehmigungsinhabern und mit den zuständigen Behörden und Organisationen unter Berücksichtigung aller Phasen eines Notfalls festgelegt wird.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen die Kohärenz und Kontinuität zwischen den Vorkehrungen für die anlageninterne Notfallvorsorge und -reaktion gemäß dem nationalen Rahmen und anderen Vorkehrungen für die Notfallvorsorge und -reaktion gemäß der Richtlinie 2013/59/Euratom sicher.“

9.

Nach Artikel 8d wird folgendes Kapitel eingefügt:

„KAPITEL 2a

PEER REVIEWS UND BERICHTERSTATTUNG

Artikel 8e

Peer Reviews

(1)   Die Mitgliedstaaten sehen vor, dass mindestens einmal alle zehn Jahre eine regelmäßige Selbstbewertung ihres nationalen Rahmens und ihrer zuständigen Regulierungsbehörden erfolgt, und laden mit dem Ziel, die nukleare Sicherheit kontinuierlich zu verbessern, zu einer Prüfung passender Segmente ihres nationalen Rahmens und ihrer zuständigen Regulierungsbehörden durch internationale Experten ein. Über die Ergebnisse dieser Peer Reviews wird den Mitgliedstaaten und der Kommission berichtet, sobald diese Ergebnisse verfügbar sind.

(2)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass auf einer koordinierten Grundlage

a)

ausgehend von einem bestimmten Thema im Zusammenhang mit der nuklearen Sicherheit der hierzu in Betracht kommenden kerntechnischen Anlagen in ihrem Hoheitsgebiet eine nationale Bewertung durchgeführt wird;

b)

alle anderen Mitgliedstaaten und die Kommission als Beobachter zu einem Peer Review der nationalen Bewertung nach Buchstabe a eingeladen werden;

c)

angemessene Folgemaßnahmen zu den einschlägigen Erkenntnissen aus dem Peer Review getroffen werden;

d)

entsprechende Berichte über das genannte Verfahren und seine wichtigsten Ergebnisse veröffentlicht werden, sobald die Ergebnisse vorliegen.

(3)   Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass Vorkehrungen getroffen werden, damit der erste themenbezogene Peer Review 2017 eingeleitet werden kann und die nächsten themenbezogenen Peer Reviews danach mindestens alle sechs Jahre stattfinden können.

(4)   Im Fall eines Unfalls, der anlagenexterne Notfallschutzmaßnahmen oder Schutzmaßnahmen für die Bevölkerung erfordert, stellt der betroffene Mitgliedstaat sicher, dass unverzüglich zu einem internationalen Peer Review eingeladen wird.“

10.

Artikel 9 wird wie folgt geändert:

a)

Absatz 1 erhält folgende Fassung:

„(1)   Die Mitgliedstaaten legen der Kommission zum ersten Mal bis zum 22. Juli 2014 und danach bis zum 22. Juli 2020 einen Bericht über die Durchführung dieser Richtlinie vor.“

b)

Absatz 3 wird gestrichen.

11.

In Artikel 10 wird nach Absatz 1 folgender Absatz eingefügt:

„(1a)   Die Verpflichtungen zur Umsetzung und Durchführung der Artikel 6, 8a, 8b, 8c und 8d gelten nicht für Mitgliedstaaten ohne kerntechnische Anlagen, es sei denn, sie beschließen, eine Tätigkeit im Zusammenhang mit kerntechnischen Anlagen aufzunehmen, die Gegenstand einer Genehmigung unter ihrer Rechtshoheit ist.“

Artikel 2

(1)   Die Mitgliedstaaten erlassen die erforderlichen Rechts- und Verwaltungsvorschriften, um dieser Richtlinie spätestens am 15. August 2017 nachzukommen. Sie setzen die Kommission unverzüglich davon in Kenntnis.

Bei Erlass dieser Vorschriften nehmen die Mitgliedstaaten in den Vorschriften selbst oder durch einen Hinweis bei der amtlichen Veröffentlichung auf diese Richtlinie Bezug. Die Mitgliedstaaten regeln die Einzelheiten dieser Bezugnahme.

(2)   Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission den Wortlaut der wichtigsten nationalen Rechtsvorschriften, die sie auf dem unter diese Richtlinie fallenden Gebiet erlassen, sowie alle späteren Änderungen dieser Vorschriften mit.

Artikel 3

Diese Richtlinie tritt am zwanzigsten Tag nach ihrer Veröffentlichung im Amtsblatt der Europäischen Union in Kraft.

Artikel 4

Diese Richtlinie ist an die Mitgliedstaaten gerichtet.

Geschehen zu Brüssel am 8. Juli 2014.

Im Namen des Rates

Der Präsident

P. C. PADOAN


(1)  Stellungnahme vom 2. April 2014 (noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht).

(2)  ABl. C 341 vom 21.11.2013, S. 92.

(3)  Richtlinie 2013/59/Euratom des Rates vom 5. Dezember 2013 zur Festlegung grundlegender Sicherheitsnormen für den Schutz vor den Gefahren einer Exposition gegenüber ionisierender Strahlung und zur Aufhebung der Richtlinien 89/618/Euratom, 90/641/Euratom, 96/29/Euratom, 97/43/Euratom und 2003/122/Euratom (ABl. L 13 vom 17.1.2014, S. 1).

(4)  Richtlinie 2009/71/Euratom des Rates vom 25. Juni 2009 über einen Gemeinschaftsrahmen für die nukleare Sicherheit kerntechnischer Anlagen (ABl. L 172 vom 2.7.2009, S. 18).

(5)  Beschluss 1999/819/Euratom der Kommission vom 16. November 1999 über den Beitritt der Europäischen Atomgemeinschaft (EAG) zum Übereinkommen über nukleare Sicherheit von 1994 (ABl. L 318 vom 11.12.1999, S. 20).

(6)  IAEA Safety Fundamentals: Fundamental safety principles, IAEA Safety Standard Series No. SF-1 (2006).

(7)  Richtlinie 2011/70/Euratom des Rates vom 19. Juli 2011 über einen Gemeinschaftsrahmen für die verantwortungsvolle und sichere Entsorgung abgebrannter Brennelemente und radioaktiver Abfälle (ABl. L 199 vom 2.8.2011, S. 48).

(8)  Beschluss der Kommission 2007/530/Euratom vom 17. Juli 2007 zur Einsetzung der Europäischen hochrangigen Gruppe für nukleare Sicherheit und Abfallentsorgung (ABl. L 195 vom 27.7.2007, S. 44).

(9)  Entscheidung 87/600/Euratom des Rates vom 14. Dezember 1987 über Gemeinschaftsvereinbarungen für den beschleunigten Informationsaustausch im Fall einer radiologischen Notstandssituation (ABl. L 371 vom 30.12.1987, S. 76).

(10)  Richtlinie 2011/92/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Umweltverträglichkeitsprüfung bei bestimmten öffentlichen und privaten Projekten (ABl. L 26 vom 28.1.2012, S. 1).


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