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Document 52017IR3202

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Thema „Stärkung der territorialen Widerstandsfähigkeit: Regionen und Städte für die Globalisierung wappnen“

OJ C 54, 13.2.2018, p. 32–37 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

13.2.2018   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 54/32


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen zum Thema „Stärkung der territorialen Widerstandsfähigkeit: Regionen und Städte für die Globalisierung wappnen“

(2018/C 054/07)

Hauptberichterstatterin:

Micaela Fanelli (IT/SPE), Bürgermeisterin von Riccia, Campobasso

Referenzdokument:

Reflexionspapier „Die Globalisierung meistern“

COM(2017) 240 final

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

I.   ALLGEMEINE BEMERKUNGEN

1.

begrüßt die Tatsache, dass die Kommission mit der Vorlage ihres „Reflexionspapier — Die Globalisierung meistern“ die Globalisierung als wesentliche Frage bei den Überlegungen über die Zukunft der Europäischen Union anerkennt (1). Die Fähigkeit der EU zur Gestaltung der Globalisierung und zur Bewältigung ihrer Auswirkungen ist nämlich für die öffentliche Debatte über die Zukunft der EU und ihre Legitimität in Bezug auf die Erwartungen der Bürger von entscheidender Bedeutung;

2.

anerkennt den bisherigen umfassenden und bewusst gewählten Ansatz, mit dem sich die Kommission diesem Thema widmet, insbesondere die am 14. September 2017 vorgelegten raschen Folgemaßnahmen zum Reflexionspapier in Form eines Handelspakets, das einen europäischen Rahmen für die Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen umfasst, und einer Initiative zur Errichtung eines multilateralen Gerichtshofs für die Beilegung von Investitionsstreitigkeiten. Dieses Handelspaket wird Gegenstand einer gesonderten Stellungnahme des AdR sein; verweist nichtsdestotrotz darauf, dass die Kommission in Bezug auf die Globalisierung einen ganzheitlichen Ansatz verfolgen muss, der insbesondere Sozialpolitik, Humankapital und Innovation sowie Migration und demografischen Wandel und seine räumlichen Auswirkungen umfasst;

3.

begrüßt zudem die ausgewogene Darstellung der Chancen und Herausforderungen der Globalisierung in dem „Reflexionspapier — Die Globalisierung meistern“. Die Globalisierung hat zu Wirtschaftswachstum in vielen Regionen der Welt beigetragen und dadurch auch den Lebensstandard vieler europäischer Bürgerinnen und Bürger verbessert. Aber nicht alle Regionen bzw. alle Bevölkerungsgruppen haben gleichermaßen von der Globalisierung profitiert. Zudem reagieren viele Menschen mit Verunsicherung auf die tiefgreifenden Veränderungen. Die EU muss weiterhin eine aktive Rolle an der Gestaltung des Globalisierungsprozesses einnehmen und die damit verbundenen Chancen aktiv nutzen. Ziel muss sein, zu einer gerechteren Verteilung der Globalisierungschancen sowohl innerhalb der EU als auch weltweit zu gelangen;

4.

betont die große Bedeutung der strategischen Überlegungen zu den Bereichen Finanzen, soziale Säule und Kohäsionspolitik, die die Kommission besser in die Lage versetzen, den Herausforderungen der Globalisierung konstruktiv zu begegnen, und betont in diesem Zusammenhang die Notwendigkeit einer stärkeren und besseren Koordinierung;

5.

unterstützt das Anliegen der Kommission, zur Verwirklichung einer gerechteren Verteilung der Globalisierungschancen gemeinsam mit internationalen Partnern die globale Governance zu stärken. Die Akzeptanz internationaler Politiken muss verbessert werden, indem mehr demokratische Diskussionen stattfinden, die Zeit brauchen und die man entsprechend gestalten muss. Die EU kann hier ihre Erfahrungen aus dem europäischen Integrationsprozess einbringen und sich so für eine von Multilateralismus geprägte und auf starken Regeln beruhende friedliche Weltordnung engagieren;

6.

begrüßt, dass die Kommission die ausgeprägte regionale Dimension der verschiedenen Politikbereiche mit Globalisierungsbezug und die regional ungleichen Auswirkungen der Globalisierung (2) sowie die geteilte Verantwortung aller Regierungs- und Verwaltungsebenen für die Aufgabe anerkennt, die europäische Wirtschaft wettbewerbsfähiger, nachhaltiger und widerstandsfähiger zu machen und dafür zu sorgen, dass die Vorteile der Globalisierung — wie im dem Jahreswachstumsbericht 2017 betont wird — „gerecht unter den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen verteilt werden und vor allem junge Menschen nicht außen vor bleiben. Im Interesse der Gleichheit, Gerechtigkeit und Inklusion muss auf allen Ebenen ein Bewusstsein hinsichtlich der Auswirkungen politischer Maßnahmen und Reformen auf die Einkommensverteilung geschaffen werden“ (3);

7.

betont jedoch, dass im Reflexionspapier bei der Behandlung der ungleichen Auswirkungen der Globalisierung auf die Arbeitsmärkte folgende Aspekte nicht angemessen angegangen werden: die territorialen Unterschiede dieser Auswirkungen innerhalb der EU, ihre Wechselwirkung mit der Krise und der Sparpolitik, das Ausmaß von Phänomenen wie Qualifikationsinflation und Unterbeschäftigung höher qualifizierter Arbeitskräfte (insbesondere unter jungen Menschen) sowie der Zusammenhang dieser Entwicklungen mit dem Rückgang der Beschäftigungsmöglichkeiten für Geringqualifizierte;

8.

betont, dass die Investitionskapazität der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als Faktor der Widerstandsfähigkeit gegenüber der Globalisierung unbedingt erhalten werden muss; bekräftigt deshalb, dass die im Zuge der Kofinanzierung der ESIF und der EIB von den Mitgliedstaaten und lokalen und regionalen Gebietskörperschaften getätigten öffentlichen Ausgaben nicht als strukturelle Ausgaben im Sinne des Stabilitäts- und Wachstumspakts anzusehen sind, da dies per definitionem Investitionen im allgemeinen europäischen Interesse sind, deren Hebelwirkung für die Förderung des Wirtschaftswachstum erwiesen ist (4);

9.

bekräftigt seine Überzeugung, dass Wachstum mit Ungleichheit und sozialer Ausgrenzung nicht vereinbar ist, und erinnert daran, dass die EU gemäß Artikel 3 Absatz 3 EUV eine in hohem Maße wettbewerbsfähige soziale Marktwirtschaft anstrebt, die auf Vollbeschäftigung und sozialen Fortschritt abzielt; unterstreicht außerdem, dass die EU im Einklang mit Artikel 9 AEUV — der horizontalen Sozialklausel dieses Vertrags — in allen Bereichen ihrer Politik und Maßnahmen den Erfordernissen im Zusammenhang mit der Gewährleistung eines angemessenen sozialen Schutzes und mit der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung Rechnung tragen muss;

10.

verweist darauf, dass die Kosten der Sozialpolitik nach aktuellen Untersuchungen zu keiner Beeinträchtigung der Wettbewerbsfähigkeit führen und dass die nationalen Sozialsysteme folglich als produktiver Faktor und nicht als Hemmnis für die Wirtschaft zu begreifen sind; stellt fest, dass erstmals auch die OECD (5) neben der Produktion und Beschäftigung auch die soziale Eingliederung als vorrangiges Ziel sieht, und betont, dass die Regierungen jenen sozialen Gruppen größere Aufmerksamkeit schenken müssen, die am stärksten von den Kosten der Reformen betroffen sind;

11.

weist erneut mit Besorgnis darauf hin, dass es aufgrund der europäischen Haushaltsregeln bisweilen schwierig ist zu gewährleisten, dass auch die sozial benachteiligten Gruppen in den Genuss der Vorteile der Globalisierung kommen, zumal diese Regeln häufig einen Abbau der Sozialsysteme und der Mechanismen zur Umverteilung des Wohlstands bewirken und damit die Probleme dieser Gruppen sogar noch verschärfen; unterstreicht die wesentliche Rolle der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften bei der Erbringung öffentlicher Dienste (6) und beklagt die zunehmenden Schwierigkeiten, mit denen die Gebietskörperschaften aufgrund der vorgenannten Haushaltsregeln bei der Aufrechterhaltung der Qualität und der Gewährleistung der Innovation in diesem Bereich zu kämpfen haben; erwartet deshalb, dass insbesondere im Rahmen des Europäischen Semesters die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften bei der Umsetzung von Nachhaltigkeitsziel 11 (Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig machen) stärker anerkannt wird;

12.

begrüßt das Reflexionspapier der Kommission zur sozialen Dimension Europas (7) und ihren Vorschlag zur Schaffung einer europäischen Säule sozialer Rechte, und ist der Auffassung, dass beide Initiativen entscheidende Schritte bei der Aufwärtskonvergenz zur Gewährleistung besserer Lebens- und Arbeitsbedingungen in Europa und bei der gerechteren Verteilung der Vorteile der Globalisierung darstellen; unterstützt den Vorschlag für die Schaffung eines sozialen Bewertungsrahmens, der nach seiner Auffassung verbindliche soziale Zielvorgaben enthalten muss;

13.

empfiehlt, künftig von Strukturreformen ohne räumliche Dimension (space-blind structural reforms) abzusehen und stattdessen eine EU-Strategie zur Bewältigung der Globalisierung mit folgenden drei Hauptachsen zu entwickeln: einer klaren proaktiven Strategie zur Verbesserung der Kompetenzen, Kenntnisse, Infrastruktur und damit der regionalen Wettbewerbsfähigkeit, damit die Gebiete in der EU die Chancen der Globalisierung besser nutzen können; einer Strategie zur Abmilderung oder Abfederung mittels des Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) und anderer sozialpolitischer Instrumente; und einer partizipativen Strategie auf der Grundlage der demokratischen Rechenschaftspflicht auf europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Ebene mit dem Ziel einer stärkeren Einbindung der Bürger in die Politikgestaltung der EU;

14.

bekräftigt die zentrale Bedeutung eines erneuerten und gestärkten territorialen Ansatzes der europäischen Politik, der eine wirksame Steuerung der territorialen Umstrukturierung und der Entstehung von Ballungsräumen ermöglicht, die durch die globale Integration der Märkte bewirkt werden. Diese Neuausrichtung, die im Rahmen der Kohäsionspolitik bereits eine zentrale Rolle spielt, ist unerlässlich, um die zunehmenden sozioterritorialen Ungleichheiten abzufedern, die in den städtischen Ballungsgebieten und Städten sowie zwischen den städtischen und den ländlichen Gebieten entstanden sind und deren negative Auswirkungen auf das soziale Wohlergehen das politische und institutionelle Gleichgewicht der Union gefährden;

II.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

In Bezug auf die Handelspolitik

15.

weist darauf hin, dass Handel kein Selbstzweck ist, sondern ein Mittel zur Erreichung der übergeordneten Ziele der Union, die in Artikel 3 EUV festgelegt sind, der Zielstellungen der Strategie Europa 2020 und der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung sowie der Ziele für nachhaltige Entwicklung (8);

16.

begrüßt die Zusage der Kommission, für mehr Transparenz in den Handelsverhandlungen zu sorgen; ruft die Europäische Kommission auf, im Rahmen von Verhandlungen und beim Entscheidungsprozess im Zusammenhang mit Handelsvereinbarungen mit Blick auf die Festlegung eines gemeinsamen EU-Standpunktes einen wirksamen Dialog mit allen Regierungsebenen und Interessenträgern zu führen und die Ergebnisse der Verhandlungen überzeugend zu vermitteln; fordert zudem die Mitgliedstaaten auf, die Transparenz bereits in der Phase der Formulierung der handelspolitischen Ziele für die einzelnen Handelsverhandlungen zu verbessern;

17.

weist darauf hin, dass die gemeinsame Handelspolitik nach Art. 3 Abs. 1 AEUV in die ausschließliche Zuständigkeit der EU fällt. Erstrecken sich jedoch die Handelsverhandlungen auch auf Bereiche mit geteilter Zuständigkeit mit den Mitgliedstaaten, muss ebenfalls zum frühestmöglichen Zeitpunkt und unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips die Aufteilung der Zuständigkeiten in diesen Verhandlungen geklärt werden;

18.

ist der Auffassung, dass die Kommission und die Mitgliedstaaten Maßnahmen ergreifen sollten, um die Einbeziehung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften in die Handelsverhandlungen zu gewährleisten;

19.

erinnert daran, dass der Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) am 16. Mai 2017, also nur wenige Tage nach Veröffentlichung des Reflexionspapiers der Kommission (10. Mai 2017), sein Gutachten 2/2015 zum Freihandelsabkommen mit Singapur vorgelegt hat, wonach diese Art von Abkommen in die ausschließliche Zuständigkeit der Union fällt, mit Ausnahme der Bestimmungen über den Schutz von Investitionen, die in die geteilte Zuständigkeit der EU und der Mitgliedstaaten fallen. Daher könnte die Kommission künftig dazu neigen, Handelsabkommen vorzuschlagen, die sich nur auf Bereiche mit ausschließlicher EU-Zuständigkeit erstrecken. Dieser Ansatz sollte jedoch nicht dazu führen, dass die Kommission ihre hohen Ansprüche an die Transparenz und die Einbeziehung aller Regierungsebenen zurückschraubt. Folglich erwartet der AdR, dass die Kommission ihn an der Gruppe beteiligt, die die EU bei der Aushandlung von Handelsabkommen beraten soll, die sie in ihrer Mitteilung vom 13. September 2017 zum Thema „Durch eine ausgewogene und fortschrittliche Handelspolitik die Globalisierung meistern“ (9) angekündigt hat;

20.

fordert die Kommission auf, die Ziele der Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung durch den neuen Europäischen Konsens zur Entwicklungspolitik umzusetzen. Die Bekämpfung der strukturellen Ursachen von Armut und wachsender globaler Ungleichheit kann auch zur Reduzierung von Fluchtursachen beitragen;

21.

stellt fest, dass der größte Teil des globalen Wachstums in Zukunft außerhalb der EU generiert wird. Zudem sind die tarifären Handelshemmnisse durch multilaterale und bilaterale Abkommen bereits erheblich abgebaut worden; erwartet daher, dass stärker auf die Beseitigung der nichttarifären Handelshemmnisse (NTH) und Regulierungsfragen gedrängt wird. Das Recht europäischer, nationaler, regionaler und lokaler Behörden, im öffentlichen Interesse regelnd tätig zu werden sowie die Rolle und der weite Ermessensspielraum der nationalen, regionalen und lokalen Behörden bei der Organisation und Erbringung von Dienstleistungen von allgemeinem wirtschaftlichem Interesse, müssen jedoch in vollem Umfang gewahrt bleiben. Das demokratische Gesetzgebungsverfahren darf durch die Zusammenarbeit in Regulierungsfragen nicht untergraben werden;

22.

begrüßt den Ansatz der Kommission, dass zur Förderung nachhaltigen Wachstums und der Schaffung von Arbeitsplätzen in Entwicklungsländern mit der im Rahmen des Europäischen Fonds für nachhaltige Entwicklung (EFSD) vorgeschlagenen „Investitionsoffensive für Drittländer“ eine verstärkte Kooperation mit dem Privatsektor angestrebt werden soll. In diesem Zusammenhang müssen adäquate Instrumente geschaffen werden, mit denen eine nachhaltige und faire Wirkung von Privatinvestitionen sichergestellt wird, die auch den Interessen der Entwicklungsländer dient und nicht nur auf Profit ausgerichtet ist;

23.

betont, dass der EuGH in seinem Gutachten 2/2015 die Auffassung vertritt, „dass die Liberalisierung dieses Handelsverkehrs davon abhängig gemacht wird, dass die Vertragsparteien ihre internationalen Verpflichtungen in den Bereichen des sozialen Schutzes von Arbeitnehmern und des Umweltschutzes beachten“ (Randnr. 166); ist daher der Ansicht, dass in den Verhandlungsrichtlinien für Verhandlungen über Freihandelsabkommen (FHA) das Erfordernis vorheriger Nachhaltigkeitsprüfungen beibehalten werden sollte. Handelsabkommen müssen den geltenden Regulierungsstandards und den arbeitsrechtlichen Vorschriften entsprechen, die in künftigen Freihandelsabkommen Gegenstand eines gesonderten Kapitels sein sollten;

24.

unterstützt die Kommission in dem Anliegen, sich weiterhin für eine von Multilateralismus geprägte und auf starken Regeln beruhende friedliche Weltordnung zu engagieren. Dazu gehören die Einhaltung, die effektive Durchsetzung und die transparente Weiterentwicklung handelspolitischer Übereinkommen zur Sicherung fairer Wettbewerbsbedingungen, zur Stärkung der fundamentalen Arbeitnehmerrechte im Sinne der acht Kernarbeitsnormen der International Labor Organization (ILO) und die Absicherung, gerade auch gegenüber dem globalen Süden, der hohen europäischen Schutzstandards;

25.

fordert den Rat auf, eine rasche Einigung über die Reform der handelspolitischen Schutzinstrumente und insbesondere über die neue Antidumping-Methode der EU herbeizuführen; spricht sich zudem dafür aus, die Kriterien für „strategische Investitionen“ in Bezug auf den Wert (Interventionsschwellen) und die Sektoren, bei denen die öffentliche Sicherheit auf dem Spiel steht und die Handelspartnern sich keine Gegenseitigkeit gewähren, auf der Grundlage von Artikel XXI des GATT sowie Artikel 65 und 346 AEUV zu harmonisieren; begrüßt vor diesem Hintergrund den Tenor des von der Kommission am 13. September vorgelegten Vorschlags für eine Verordnung zur Überprüfung ausländischer Direktinvestitionen in strategischen EU-Sektoren als einen wichtigen Schritt auf dem Weg zu einheitlichen Rahmenbedingungen in Europa und zu einem besseren Schutz insbesondere im Fall von Unternehmenskäufen in der EU durch staatlich kontrollierte Unternehmen aus Drittländern;

26.

weist darauf hin, dass bei dem Abschluss weiterer Freihandelsabkommen darauf zu achten ist, dass die in der EU geltenden hohen Standards, etwa im Bereich des Verbraucherschutzes, des Umwelt- und Naturschutzes oder des Datenschutzes, geachtet werden;

27.

betont, dass es für die EU als exportorientiertes Wirtschaftssystem nur von Vorteil sein kann, wenn das öffentliche Beschaffungswesen in internationale Handelsabkommen einbezogen wird. Die EU ist bereits jetzt in diesem Bereich aufgrund der Geltung des Government Procurement Agreement im Rahmen der WTO eine der offensten Volkswirtschaften weltweit. Eine weitere asymmetrische Öffnung der öffentlichen Beschaffungsmärkte ist nicht zielführend. Aufgrund der großen Diskrepanz zwischen der Offenheit der EU-Märkte für öffentliche Aufträge und den restriktiven Praktiken wichtiger Handelspartner bzw. in Ermangelung einer Garantie für die Gegenseitigkeit sollte jedoch eine freiwillige unverbindliche Initiative in der EU im Sinne einer Charta „Kaufen Sie Produkte aus europäischen Regionen“ zur Förderung hochwertiger lokaler und regionaler Erzeugnisse in Betracht gezogen werden. Eine solche Initiative könnte unter anderem klarstellen, wie „Made in European Regions“-Erzeugnisse gefördert werden können; bekräftigt überdies seine seit langem bestehende Forderung an die Kommission, einen Gesetzgebungsvorschlag über die Ausweitung des Schutzes der geografischen Angaben der EU auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse vorzulegen;

28.

betont, dass der Anteil von KMU, die an internationalen Aktivitäten beteiligt sind, nach wie vor sehr gering ist; ist sich der Bedeutung einer EU-Wirtschaftsdiplomatie bewusst, um dieses unerschlossene Potenzial in vollem Umfang zu nutzen, und betont die Notwendigkeit einer besseren Koordinierung zwischen der EU, den Mitgliedstaaten, den lokalen und regionalen Gebietskörperschaften und Finanzinstitutionen wie der Europäischen Investitionsbank (EIB), um die bestehenden Marktzugangsbeschränkungen abzubauen und stärker vom Netz der weltweiten EU-Delegationen sowie der europäischen Industrie- und Handelskammern zu profitieren;

29.

ist der Ansicht, dass die EU in ihrer Handelspolitik u. a. auch der Steuertransparenz, Fairness und Effizienz höchste Priorität einräumen und für die weltweite Harmonisierung der Anwendung gemeinsamer Standards wie der von der OECD im Rahmen ihrer Initiative zur Bekämpfung der Gewinnverkürzung und Gewinnverlagerung vorgeschlagenen Maßnahmen sorgen sollte;

30.

befürwortet auch die im Zusammenhang mit der Steuerpolitik stehende Forderung an die Kommission, anknüpfend an ihre Richtlinienvorschläge über eine Gemeinsame Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage und gestützt auf Artikel 116 AEUV eine sogenannte „Ausgleichssteuer“ für von Unternehmen der digitalen Wirtschaft in Europa erwirtschaftete Umsätze vorzuschlagen, um unterlautere Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu vermeiden;

31.

bringt seine Besorgnis darüber zum Ausdruck, dass es ungeachtet der umfangreichen Analysen, die Eurofound insbesondere durch das Beobachtungsinstrument für Rückverlagerungen („European Reshoring Monitor“) durchgeführt hat, an geeigneten Instrumenten für die Messung möglicher asymmetrischer regionaler Auswirkungen der Globalisierung mithilfe konkreter Daten fehlt, und bekräftigt daher seine Forderung nach systematischen territorialen Folgenabschätzungen, die die Kommission vor der Aufnahme von Handelsverhandlungen in Zusammenarbeit mit dem AdR und dem Wissenszentrum für territoriale Maßnahmen bei der GFS durchführen sollte;

In Bezug auf die internen Politikbereiche

32.

hätte erwartet, dass in dem Reflexionspapier konkrete Maßnahmen für eine Verbesserung des EGF vorgeschlagen werden, um einige seiner Mängel abzustellen, u. a.: seinen geringen finanziellen Spielraum (150 Mio. EUR jährliche Mittelausstattung für den Zeitraum 2014-2020); das langwierige Verfahren, da der Fonds nicht Teil des mehrjährigen Finanzrahmens der EU (MFR) ist; der geforderte hohe Kofinanzierungsanteil der Mitgliedstaaten (mindestens 40 %); fordert deshalb: die Ergänzung des EGF um eine präventive Komponente; die Aufstockung seiner Mittelausstattung auf mindestens 500 Mio. EUR pro Jahr; seine Integration in den MFR; die deutliche Herabsetzung der Kriterien für die Inanspruchnahme des EGF (10); Synergien mit den europäischen Struktur- und Investitionsfonds; mehr Flexibilität, um den besonderen Bedürfnissen der Regionen und Gebietskörperschaften besser Rechnung zu tragen;

33.

ist davon überzeugt, dass die EU aufgrund der aktuellen globalen Zwänge eine umfassende und standortsbezogene industriepolitische Strategie (11) braucht, die die strategische Koordinierung zwischen den einschlägigen Strategien und Instrumenten der EU beinhaltet;

34.

betont, dass der grundlegende Wandel der Wirtschaft den Kommissionsdokumenten zufolge auf lokaler Ebene stattfindet, wo Wirtschaft und Menschen interagieren. Daher müssen wir vorrangig auf den lokalen und regionalen Investitionsbedarf eingehen und dafür sorgen, dass der Binnenmarkt allen Regionen zugutekommt und diese sich besser für die Herausforderungen der Globalisierung rüsten können. Die europäischen Struktur- und Investitionsfonds und insbesondere der Europäische Fonds für strategische Investitionen müssen aufeinander abgestimmt werden, damit sie die Regionen in ihren Strategien für „intelligente“ Spezialisierung unterstützen und durch einen schrittweisen Innovationsprozess, der sämtliche territorialen Akteure einbeziehen muss, für alle Regionen wirksam zugänglich gemacht werden;

35.

weist mit Nachdruck darauf hin, dass die EU, die derzeit der weltweit größte Importeur und Exporteur von Lebensmitteln ist, immer stärker von Drittländern abhängig ist. Die Agrarpreise in Europa sind zunehmend an die Preise des günstigsten Anbieters auf dem Weltmarkt gekoppelt und die europäischen Landwirte sind daher einem verstärkten Wettbewerb ausgesetzt und müssen zugleich strengere Umwelt-, Sozial- und Gesundheitsstandards einhalten. Die größere Abhängigkeit der EU von Importen steht darüber hinaus im Widerspruch zu der von ihr angestrebten Verringerung der Treibhausgasemissionen. Die EU exportiert überdies Überschüsse zu Preisen unterhalb der Produktionskosten in Europa, was die Existenzgrundlage der Landwirte in Entwicklungsländern bedroht und die ländliche Bevölkerung zur Migration veranlasst, obwohl sich die Union zu den Nachhaltigkeitszielen der Vereinten Nationen (SDG) verpflichtet hat; bekräftigt daher seine Forderung nach einer Reform der GAP, um sie gerechter und nachhaltiger zu gestalten (12);

36.

zeigt sich besorgt über den Verlust an Arbeitsplätzen aufgrund der Verlagerung europäischer Unternehmen in außereuropäische Gebiete, in denen weniger strenge Sozial-, Steuer- und Umweltnormen gelten;

37.

bekräftigt, dass die europäische Säule sozialer Rechte zur Verbesserung der Lebens- und Arbeitsbedingungen und zur Armutsbekämpfung beitragen kann, wenn sie zu konkreten legislativen Folgemaßnahmen führt und wenn die Rolle und der Bekanntheitsgrad der sozialen Indikatoren im Rahmen des Europäischen Semesters gestärkt werden;

38.

unterstreicht die zentrale Bedeutung der Migrationsthematik bei der Erarbeitung einer europäischen Strategie für die Globalisierung und bekräftigt (13) seine Unterstützung für die Europäische Migrationsagenda 2015 unter besonderem Verweis auf die Notwendigkeit der Erfüllung der eingegangenen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der Umsetzung einer starken gemeinsamen Politik in den Bereichen Asyl und legale Migration, der Schaffung von Partnerschaften mit Drittstaaten, in denen die Rolle der Regionen und lokalen Gebietskörperschaften anerkannt ist, und der Erarbeitung eines Plans für internationale Investitionen zur Umsetzung der Entwicklungsziele der Vereinten Nationen;

39.

unterstreicht, dass die legale Zuwanderung von Fachkräften aus Drittländern zwar zum nachhaltigen Wachstum der EU-Wirtschaft beiträgt, dass es jedoch auch wichtig ist, die negativen Auswirkungen zu berücksichtigen, die eine solche Abwanderung hochqualifizierter Arbeitskräfte auf die künftige Wirtschaftsentwicklung der Partnerländer hat;

40.

bekräftigt, dass es notwendig ist, die Kohäsionspolitik zu optimieren, um einerseits die negativen Auswirkungen der Globalisierung auf die Regionen und Kommunen in der EU wirksamer abzumildern und andererseits die positiven Auswirkungen durch die Konzipierung und Umsetzung von lokalen Entwicklungsstrategien zu fördern, die zu einer Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit, der Nachhaltigkeit und der Widerstandsfähigkeit der europäischen Wirtschaft beitragen; ist der Auffassung, dass es zu diesem Zweck notwendig ist, in die Rolle der lokalen Gebietskörperschaften sowie in ihre Fähigkeit zur Mobilisierung der für die Schaffung solcher Strategien unerlässlichen Ressourcen (Informationen, Kompetenzen, Legitimität) zu investieren, wobei den Gebieten, die gegenüber den Herausforderungen des internationalen Wettbewerbs besonders anfällig sind, besondere Aufmerksamkeit geschenkt werden muss (territoriales Recht auf Globalisierung);

41.

betont den Beitrag von Migranten zur Wirtschaft der Aufnahmeländer; fordert, dass ihrer wirksamen Integration durch allgemeine und berufliche Bildung mehr Aufmerksamkeit geschenkt wird;

42.

bedauert, dass im Reflexionspapier nicht ausreichend auf die Notwendigkeit einer Stärkung der institutionellen Kapazitäten aller Regierungsebenen als wesentliche Voraussetzung für eine wirksame Umsetzung der Instrumente zur Förderung der territorialen Entwicklung verwiesen wird, und macht darauf aufmerksam, dass laut einer AdR-Analyse 53 % der länderspezifischen Empfehlungen für 2017 diesen Bereich betreffen und dass gerade in diesem Bereich geringe Fortschritte erzielt wurden; bekräftigt seine Forderung nach einem Verhaltenskodex, um dem Europäischen Semester eine territoriale Dimension zu verleihen, das das wichtigste Instrument für die Koordinierung der Wirtschafts- und Finanzpolitik auf EU-Ebene ist, das jedoch aufgrund der mangelnden Umsetzung der länderspezifischen Empfehlungen und der geringen Verantwortungsbereitschaft den Erwartungen nicht gerecht wird;

43.

unterstreicht den Beitrag der EU-Städteagenda (Pakt von Amsterdam) zu territorialen Entwicklungsmaßnahmen und schlägt vor, die entsprechenden Umsetzungsinstrumente (URBACT, innovative Maßnahmen für eine nachhaltige Stadtentwicklung, Bürgermeisterkonvent, intelligente Städte und Gemeinschaften) noch weiter zu stärken; ruft die Kommission in diesem Zusammenhang auf zu gewährleisten, dass wichtige kohäsionspolitische Instrumente wie die integrierten territorialen Investitionen (ITI) und die von der örtlichen Bevölkerung betriebene lokale Entwicklung (CLLD), die bislang kaum zum Tragen kommen, in einem möglichst großen Umfang eingesetzt werden;

44.

bittet die Kommission, bei der Weiterentwicklung des EGF insbesondere auch solche Regionen und Kommunen in den Blick zu nehmen, die besonders unter negativen Auswirkungen der Globalisierung leiden, um sie nicht als „Verlierer im Globalisierungsprozess“ zurückzulassen. Die mit der Globalisierung einhergehenden Entwicklungen sollen für alle EU-Bürgerinnen und -Bürger Vorteile mit sich bringen;

45.

bekräftigt, dass im Einklang mit der Reform der Kohäsionspolitik (14) differenzierte Ansätze und gebietsbezogene Reformen erforderlich sind, die unter anderem die Merkmale und das Potenzial der ländlichen Gebiete aufwerten, um ein nachhaltigeres Entwicklungsmodell zu etablieren, das auf dem Erhalt des ökologischen und des demografischen Gleichgewichts Europas und der umfassenden Nutzung seiner Ressourcen beruht (15);

46.

ruft die Kommission auf, das Konzept der „territorialen Widerstandsfähigkeit“ auszubauen und es zu einem europäischen Paradigma zu machen, das nach und nach in alle Politikbereiche der EU einfließt. Bei der Entwicklung dieses Paradigmas müssen zentrale Themen wie die Diversifizierung des lokalen Produktions- und Wirtschaftsgefüges, die Entwicklung von produktiven, sozialen und institutionellen Verbindungen zwischen städtischen, stadtnahen und ländlichen Gebieten, die nachhaltige Umgestaltung der Ressourcenzyklen, die Reaktionsfähigkeit auf neue Risiken und Herausforderungen (z. B. Klimawandel) und proaktive Entwicklung des Sozialkapitals auf lokaler Ebene berücksichtigt werden.

Brüssel, den 10. Oktober 2017

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Karl-Heinz LAMBERTZ


(1)  Als Folgemaßnahme zu seiner Entschließung zum „Weißbuch der Europäischen Kommission zur Zukunft Europas: Die EU der 27 im Jahr 2025 — Überlegungen und Szenarien“ vom 12. Mai 2017 hat der AdR eine Konsultation eingeleitet, deren Ergebnisse Mitte 2018 in Form einer Stellungnahme vorgelegt werden sollen.

(2)  Reflexionspapier über die Zukunft der EU-Finanzen, S. 16.

(3)  COM(2016) 725 final, 16.11.2016.

(4)  AdR-Stellungnahme zur Förderung der Qualität öffentlicher Investitionen im Handlungsbereich der EU, BUDG-V-009, Ref.: COR-2014-04885, Berichterstatterin: Catiuscia Marini (IT/SPE); AdR-Stellungnahme zum Thema Optimale Nutzung der im Stabilitäts- und Wachstumspakt vorgesehenen Flexibilität, ECON-VI/002, Ref.: COR-2015-01185, Berichterstatterin: Olga Zrihen (BE/SPE); AdR-Stellungnahme zum Thema Die Investitionslücke schließen: Wie können die Herausforderungen bewältigt werden?, ECON VI/014, Berichterstatter: Markku Markkula (FI/EVP), 8./9. Februar 2017.

(5)  Going for Growth, OECD, 2017.

(6)  Europäische Kommission, Sechster Bericht über den wirtschaftlichen, sozialen und territorialen Zusammenhalt, 2014.

(7)  Eine AdR-Stellungnahme zur europäischen Säule sozialer Rechte und zum Reflexionspapier zur sozialen Dimension befindet sich derzeit in Erarbeitung (Berichterstatter: Mauro d'Attis (IT/EVP), Verabschiedung voraussichtlich auf der Plenartagung am 9.-11. Oktober 2017).

(8)  Stellungnahme des AdR „Auf dem Weg in eine nachhaltige Zukunft — Europäische Nachhaltigkeitspolitik“ vom 6. April 2017, CIVEX-VI/020, Berichterstatter: Franco Iacop (IT/SPE).

(9)  COM(2017) 492.

(10)  Insbesondere in Anbetracht der Tatsache, dass im äquivalenten US-amerikanischen Programm für strukturelle Anpassungshilfen (Trade Adjustment Assistance — TAA) nicht vorgesehen ist, dass eine bestimmte Mindestschwelle von Entlassungen erreicht sein muss.

(11)  Der AdR erarbeitet derzeit eine Initiativstellungnahme zum Thema „Eine europäische Industriestrategie: Rolle und Perspektive der regionalen und lokalen Gebietskörperschaften“, Berichterstatter: Heinz Lehmann (EVP/DE).

(12)  Siehe AdR-Stellungnahme „Die GAP nach 2020“ von Berichterstatter Guillaume Cros (SPE/FR), verabschiedet am 12. Juli 2017 (AC NAT-VI/21), (ABl. C 342 vom 12.10.2017, S. 10).

(13)  Vgl. AdR-Stellungnahme zum Partnerschaftsrahmen für die Zusammenarbeit mit Drittländern im Bereich der Migration, Berichterstatter: Peter Bossman (SI/SPE), verabschiedet am 9. Februar 2017, COR-2016-04555-00-00-AC.

(14)  Fabrizio Barca, „Documento di posizione: Politica di coesione UE, una prospettiva di lungo periodo. La grande opportunità dell’UE“. Siebtes Kohäsionsforum, Brüssel, 26./27. Juni 2017.

(15)  Siehe u. a. italienische Nationalstrategie für Binnenregionen (www.agenziacoesione.gov.it/it/arint/).


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