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Document 52002IE0870
Opinion of the Economic and Social Committee on "Slovenia on the road to accession"
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Slowenien auf dem Weg zum Beitritt"
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Slowenien auf dem Weg zum Beitritt"
OJ C 241, 7.10.2002, p. 175–179
(ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Slowenien auf dem Weg zum Beitritt"
Amtsblatt Nr. C 241 vom 07/10/2002 S. 0175 - 0179
Stellungnahme des Wirtschafts- und Sozialausschusses zum Thema "Slowenien auf dem Weg zum Beitritt" (2002/C 241/33) Der Wirtschafts- und Sozialausschuss beschloss auf seiner Plenartagung am 30. und 31. Mai 2001, gemäss Artikel 23 Absatz 3 der Geschäftsordnung eine Stellungnahme zu dem vorgenannten Thema zu erarbeiten. Die mit den Vorarbeiten beauftragte Fachgruppe Außenbeziehungen nahm ihre Stellungnahme am 27. Juni 2002 an. Berichterstatter war Herr Confalonieri. Der Ausschuss verabschiedete auf seiner 392. Plenartagung am 17. und 18. Juli 2002 (Sitzung vom 18. Juli) mit 100 Ja-Stimmen bei 2 Stimmenthaltungen folgende Stellungnahme. Vorbemerkung Dieses Dokument ist das Ergebnis: - der Erörterung des Arbeitsdokuments, das in der ersten Studiengruppensitzung am 30. Januar 2002 in Brüssel vorgelegt wurde; - der Erörterung des daraufhin verfassten Vorentwurfs einer Stellungnahme, der in der zweiten Studiengruppensitzung am 27. Februar 2002 in Brüssel vorgelegt wurde; - der Anhörungen der Vertreter slowenischer Institutionen und Organisationen der Zivilgesellschaft vonseiten der Studiengruppe am 13. und 14. März 2002 in Ljubljana; - der Sitzung der Fachgruppe Außenbeziehungen am 27. Juni 2002 in Brüssel. Die in der Anlage enthaltenen Informationen und Bewertungen sind ergänzender und grundlegender Bestandteil des vorliegenden Dokuments. 1. Die Fortschritte auf dem Weg zum Beitritt 1.1. Slowenien stellt in einem hohen Maße seine Bereitschaft und Fähigkeit zur Einbindung in die EU in allen Bereichen, vom politisch institutionellen über den wirtschaftlichen und sozialen Bereich bis hin zur Kultur und Kommunikation, unter Beweis. Dies zeigt sich u. a. in der Übernahme und Umsetzung von 90 % der Kapitel des Acquis communautaire einerseits und in der Entwicklung des Handelns und der Zusammenarbeit andererseits, wobei die wichtigsten Partnerländer der Reihenfolge nach Deutschland, Italien, Frankreich und Österreich sind. 2. Die strategische Bedeutung für den Balkanraum 2.1. Slowenien - das einzige Land des ehemaligen Jugoslawien, das sich auf dem Weg zum EU-Beitritt befindet - nutzt mit Erfolg die Chancen und Möglichkeiten, die die Gemeinschaft den Ländern Mittel- und Osteuropas (ob sie Bewerberländer sind oder nicht) durch ihre Politik bietet. Dies gilt insbesondere für die Stabilisierung und den Zusammenhalt des Balkanraums, in dem sich Slowenien, das am Stabilitätspakt für Südosteuropa beteiligt ist, als wichtiger Brückenkopf etabliert, mit Griechenland auf der gegenüberliegenden Südseite des Balkans. 3. Die Handelsbeziehungen mit der EU 3.1. Die obigen Feststellungen finden auch in den Handelsdaten ihren Niederschlag. Die slowenischen Exporte sind wertmäßig zunehmend gestiegen und belaufen sich im Jahr 2000 auf fast 60 % des BIP. Die Importe liegen jedoch immer noch um 16 % über den Exporten. Bemerkenswert ist, dass die begonnene Verbesserung der Handelsbilanz auf einen zunehmenden Positivsaldo im Handel mit Nicht-EU-Ländern zurückzuführen ist, darunter v.a. Balkanländer und an erster Stelle Kroatien. Die EU war in den letzten Jahren der wichtigste Handelspartner Sloweniens und wird es auf jeden Fall auch in Zukunft bleiben. Im Jahr 2000 kamen 68 % der slowenischen Importe aus der EU und gingen 64 % der slowenischen Exporte in die EU, was zu einem Handelsbilanzdefizit Sloweniens gegenüber der EU von 29 % führte. 3.2. Somit hat Slowenien eine für die EU ins Gewicht fallende Marktposition erreicht und ist dabei, sie weiter auszubauen. Dies muss im Beitrittsvertrag und insbesondere bei der Festlegung des Finanzbeitrags Sloweniens zur EU im Verhältnis zu den EU-Finanzhilfeprogrammen für Slowenien berücksichtigt werden. Es geht um eine der vorrangigen Fragen, die noch zur Diskussion stehen, auch wenn aufgrund offizieller Erklärungen der EU-Kommission feststeht, dass die EU Slowenien nach seinem Beitritt - insbesondere aus den Strukturfonds - Finanzmittel gewähren wird, die zusammen mit den anderen Finanzhilfeprogrammen vollständig dem Finanzbeitrag Sloweniens zur EU entsprechen werden. Das entspricht dem Vorschlag der EU-Kommission, dass kein neues EU-Mitglied beim EU-Beitritt zum Netto-Zahler der EU wird. 4. Die Beziehungen zwischen den Bevölkerungen in der Zukunftsperspektive der EU 4.1. Nach seiner Fläche und Bevölkerungszahl (nur Luxemburg, Malta und Estland sind bevölkerungsmäßig kleiner als Slowenien) sowie nach seiner Wirtschaftskraft gehört Slowenien zu den "kleineren" Ländern, die gegenüber den größeren historischen EU-Mitgliedstaaten, welche wirtschaftlich auch weltweit eine Führungsrolle spielen, zahlenmäßig bereits jetzt überwiegen und nach den Beitritten eine noch größere Mehrheit bilden werden. Darauf hat der Konvent zur Vorbereitung der Verfassungsreform der Union besonders zu achten, bei deren Entwurf schon jetzt die Bevölkerung der einzelnen Länder einzubeziehen ist. Warnsignale sind die zu verzeichnenden Kundgebungen in der öffentlichen Meinung verschiedener Mitgliedsländer, darunter jener, die den Euro noch nicht eingeführt haben. 4.2. Es ist deshalb notwendig, die geeignetsten Kommunikationsmittel und -formen einzusetzen, insbesondere über die Massenmedien, das Fernsehen und die Presse, bei denen Slowenien unlängst eine tiefgreifende institutionelle Reform durchgeführt hat. Gleichzeitig ist unbedingt der direkte und gezielte Austausch unter den wirtschaftlichen und sozialen Organisationen durch transnationale Partnerschaften zu stärken, da diese Organisationen in der Lage sind, ein hinreichendes Verständnis der Beweggründe der slowenischen Bevölkerung, die den Beitrittsvertrag vor seiner Ratifizierung in einem Volksentscheid billigen muss, zu vermitteln. Dabei ist nicht nur der Mehrheit der Beitrittsbefürworter, die derzeit nach offiziellen Angaben 60 % der Bevölkerung ausmacht, sondern auch und v. a. dem restlichen Bevölkerungsanteil von immerhin 40 % unter besonderer Beachtung der jeweiligen sozioökonomischen Gliederung Rechnung zu tragen. Der strategische Beitrag der wirtschaftlichen und sozialen Verbände sowie der nichtstaatlichen und religiösen Organisationen zur unmittelbaren gegenseitigen Verständigung unter den Bevölkerungen und damit zur Festigung des übernationalen Zusammenhalts der EU verdient, von der EU dauerhaft unterstützt zu werden. In dieser Perspektive ist Slowenien als eine neue Kraft zur Fortentwicklung der EU aufzunehmen. 5. Historisch-kulturelle Identität und Minderheiten in der Zukunftsperspektive der EU 5.1. Slowenien unterscheidet sich von anderen Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens dadurch, dass es seit dem frühen Mittelalter ununterbrochen mit dem deutschsprachigen Raum der katholischen Kaiserreiche und in der Folge Österreich-Ungarns verbunden war. Unter Letzterem forderte die slowenische Bevölkerung die Anerkennung ihrer Selbständigkeit im Zeichen ihrer sprachlichen Eigenständigkeit. Die jüngsten Konflikte auf dem Balkan belegen aber die Bedeutung der historisch-kulturellen Verbundenheit, die stärker in der religiösen als in der sprachlichen Zugehörigkeit begründet ist, im Übergangsprozess zu einer pluralistischen Demokratie und einer Marktwirtschaft westlicher Prägung. Zu überwinden ist jedoch jedes schematische, statische, nicht evolutive Verständnis des "ethnischen" Begriffs, mit dem zwischen "Volksgruppen" unterschieden wird, als wären sie von Natur aus unvereinbar, was in Wirklichkeit nur dann so erscheint, wenn eine durch gemeinsame Werte legitimierte und anerkannte Ordnung fehlt und der Wettbewerb infolge der Ressourcenknappheit schwerer wiegt als die Solidarität. 5.2. Der Schutz der Sprachenvielfalt in der supranationalen Einheit ist als ein wesentliches Thema im Konvent zur Vorbereitung der Verfassungsreform der Union zu betrachten mit dem Ziel, eine wirkliche Gleichberechtigung der Sprachen zu gewährleisten. Das gilt insbesondere für die Sprachen, die - wie das Slowenische (eine südslawische Sprache mit lateinischer Schrift) - auf Gemeinschaftsebene zu Minderheitensprachen werden. In diesem Rahmen werden auch die sprachlichen Minderheiten diesseits und jenseits der jeweiligen Staatsgrenzen - der Italiener und Ungarn in Slowenien und der Slowenen in Österreich und Italien - eine weitergehende Anerkennung finden können. Diesen Minderheiten kommt beim Ausbau der grenzüberschreitenden Zusammenarbeit eine wesentliche Bedeutung zu. 5.3. Gerade diese kulturelle Vielfalt, die über die Staatsgrenzen hinausgeht, bildet die wesentliche Grundlage der supranationalen Einheit Europas. 6. Der Übergangsprozess: Stabilität und Zusammenhalt, Probleme und Chancen 6.1. Die relative Homogenität der Bevölkerung seines Staatsgebiets und seine Position und Funktion als wirtschaftliche Schnittstelle zwischen der Europäischen Gemeinschaft und dem ehemaligen Jugoslawien (siehe Handels- und Kooperationsabkommen von 1980 und die 1978 ins Leben gerufene grenzüberschreitende Arbeitsgemeinschaft Alpen-Adria) haben Slowenien wie keinem anderen mittel- oder osteuropäischen Land einen zwar allmählichen, aber untraumatischen Übergang zu einer pluralistischen Demokratie und zur Marktwirtschaft ermöglicht. Seit der Gründung der Republik Slowenien 1991 war die Annäherungspolitik auf den Beitritt ausgerichtet und wurde de facto von der EU unterstützt, wenngleich das Assoziierungsabkommen (Europa-Abkommen) erst 1996 paraphiert wurde, da es durch die noch nicht völlig gelöste Frage der Rückgabe des Vorkriegseigentums verzögert worden war. Angesichts des Stabilitäts- und Wachstumspaktes der EU ist es von Bedeutung, dass Slowenien zu den Ländern mit dem niedrigsten Staatsdefizit zählt; dieses ist zwar 2000 (erstmals aufgrund einer stärkeren Auslands- als Inlandsverschuldung) gestiegen, macht aber nur 25,8 % des BIP aus. 6.2. Die innere Stabilität und Kohäsion bildeten und bilden das oberste Ziel der Regierung in Übereinstimmung mit den vom Europäischen Rat 1993 in Kopenhagen festgelegten Beitrittskriterien. Dieses Ziel wurde durch die Staffelung der Reformen im Wesentlichen umgesetzt, obgleich diese zugleich als zeitliche Verzögerung des Übergangsprozesses kritisch wahrgenommen wurde. Dies gilt insbesondere für den Fortgang der Privatisierungen, die Öffnung gegenüber ausländischen Investitionen und Finanzierungen, das Eigentumsrecht für Ausländer, die Rückgabe der in der Nachkriegszeit enteigneten Güter. Nicht zu verkennen sind die damit angestrebten und erzielten Ergebnisse: Eindämmung der Inflationsrate und der Arbeitslosenquote (heute liegt der erste Wert noch über, der zweite deutlich unter dem entsprechenden EU-Durchschnitt), Erhaltung der sozialen Sicherheit, Vorrechte der slowenischen Bürger bei den Privatisierungen, Abwehr unkontrollierbarer Formen von Kapitalismus und von Finanzspekulationen. Es dürfen jedoch auch nicht die Hemmnisse übersehen werden, die ausländischen Investitionen und Finanzierungen lange Zeit im Wege standen und teilweise auch heute noch stehen, was sich auf die Umstrukturierungen, die Innovation und Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen und somit auf das gesamte Wirtschaftssystem verzögernd ausgewirkt hat. 6.3. Ein Großteil der mittelständischen Industrie- und Agrarbetriebe befanden sich zwar im Staatsbesitz, waren aber zur "Selbstverwaltung" einem Genossenschaftssystem anvertraut, das als Alternative zur sowjetischen Staatswirtschaft galt. Ihre Privatisierung bestand vorwiegend in ihrer Übereignung an die früheren Genossenschaftsmitglieder und damit in ihrer Zerstückelung in Kleinunternehmen, denen es heute schwer fällt, sich wieder zu Genossenschaften oder moderneren Unternehmensgesellschaften zusammenzuschließen, was für eine angemessene Kapitalausstattung und Marktpositionierung notwendig wäre. 6.4. Die Politik zur Erhaltung der Beschäftigung in der ersten Übergangsperiode erzeugte einen ziemlich unbeweglichen Arbeitsmarkt, der seinerseits den Umstrukturierungsprozess der Industrie bremste. Die slowenische Bevölkerung verfügt traditionell über ein relativ hohes Bildungsniveau, was sowohl für die allgemeine und berufliche als auch für die akademische Bildung gilt. Dies ist ein Verdienst des schon vorher bestehenden Bildungs- und Ausbildungssystems, das daher unschwer an die neuen Herausforderungen angepasst werden konnte, was unlängst durch eine Reform des gesamten Systems geschah. 6.5. Erst vor kurzem wurde damit begonnen, die Voraussetzungen für eine tatsächliche Öffnung des Arbeitsmarktes für EU-Bürger zu schaffen. Das jüngst erlassene Gesetz über die Beschäftigungsverhältnisse sichert die dafür notwendigen Rahmenbedingungen. Die gegenseitige Anerkennung der beruflichen Bildungsnachweise ist jedoch noch nicht abgeschlossen. Dies gilt auch für das Recht auf freie Niederlassung und die Ausübung selbstständiger Erwerbstätigkeit. 6.6. Jetzt gilt es, die Kenntnis der gebotenen neuen Chancen besser zu vermitteln, um die Finanzwelt, die Unternehmen und die freien Berufe in der EU zuverlässig und wirksam darauf hinzuweisen. Aber ebenso ist es notwendig, die potenziellen Gefahren für Beschäftigung, Arbeitsbedingungen und soziale Sicherheit im Zusammenhang mit dem vollständigen Übergang zur Marktwirtschaft und zum Währungssystem der EU vorauszusehen und ihnen vorzubeugen. Die jährlich von der Regierungsagentur UMAR/IMAD (Institute of Macroeconomic Analysis and Development) vorgelegten Berichte zur Gesamtentwicklung Sloweniens widmen in der Tat den Auswirkungen des wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Wandels auf die menschlichen Beziehungen und Lebensbedingungen große Aufmerksamkeit. 6.7. Die Rahmenbedingungen des Übergangsprozesses, der Wirtschafts-, Unternehmens-, Infrastruktur-, Regional-, Sozial- und Umweltpolitik sind unter besonderer Berücksichtigung der Umsetzungsmaßnahmen zur Privatisierung und Freizügigkeit sowie der Rolle der öffentlichen Verwaltung, der Wirtschaftskammern, der Sozialpartnerschaft und der Organisationen der Zivilgesellschaft im Anhang zu dieser Stellungnahme ausführlich dargestellt. 7. Die Rolle der Sozialpartner und die Entwicklungsstrategien für die Zukunft 7.1. Slowenien hat die revidierte Europäische Sozialcharta im Juni 2001 ratifiziert. Die Sozialpartner sind durch ihre Vertretung im Staatsrat, einem in der Verfassung vorgesehenen beratenden Organ des Parlaments, ständig in den Gesetzgebungsprozess einbezogen. Die Handelskammer hat bislang die Unternehmen sowohl gegenüber der Regierung als auch bei den Tarifverhandlungen mit den Gewerkschaften vertreten, was sich hemmend auf die entstehende Gewerkschafts- und Tarifautonomie ausgewirkt hat. Die trilaterale Konzertierung auf Regierungsebene überwiegt jedenfalls noch gegenüber bilateralen Tarifverhandlungen auf Branchen- und Unternehmensebene. In dieser Situation ist ein "Sozialpakt 2001-2004" vorgesehen, der aus einem Vorschriftenpaket in folgenden Bereichen besteht: Lohnpolitik, Arbeitnehmerrechte, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz, soziale Sicherheit und Beschäftigungspolitik. 7.2. Dieser Sozialpakt ist in einen Rahmen strategischer Programme und Pläne eingebunden, die von Parlament und Regierung verabschiedet wurden und eine Gesamtorientierung für die Zukunft bieten. - Die vom slowenischen Parlament verabschiedeten "Strategischen Ziele für die Entwicklung des Arbeitsmarktes bis 2006" verfolgen insbesondere folgende Ziele: Anhebung des Bildungsniveaus, Durchführung von Beschäftigungsprogrammen für Arbeitslose, Verringerung des regionalen Gefälles, Senkung der Arbeitslosenquote auf unter 6 %. Es handelt sich um einen Aktionsplan im Anschluss an die im Jahr 2000 zwischen der Europäischen Kommission und der slowenischen Regierung vereinbarte gemeinsame Bewertung der prioritären Beschäftigungspolitiken. - Das "Strategische Programm und die politischen Leitlinien zur Entwicklung bis 2006", für deren Umsetzung die Regierungsagentur UMAR/IMAD zuständig ist und denen auch das der Kommission vorgelegte Programm zur wirtschaftlichen Annäherung entspricht, setzt mit Blick auf die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit auf das Humankapital. In Übereinstimmung mit den Arbeitsmarkt- und Wirtschaftsstrategien hat die slowenische Regierung unlängst einen Aktionsplan festgelegt für: den Übergang zur Informationsgesellschaft, die Schaffung eines effizienten Finanzsystems, die Um- und Infrastrukturierung der Wirtschaft. Für die Entwicklung der KMU und des Unternehmertums hat die Regierung einen besonderen, mit der Unternehmenspolitik der EU abgestimmten Plan angenommen. - Der "Nationale Plan 2000-2003 für die angewandte wissenschaftliche und technologische Forschung zugunsten der Unternehmen" untersteht der Akademie der Wissenschaften und dem nationalen Forschungs- und Entwicklungsrat. Es beteiligen sich daran die beiden slowenischen Universitäten und zahlreiche Institute für angewandte Forschung, darunter einige private. Dabei wird eine Kombination aus öffentlicher Finanzierung (in diesem Bereich schon auf dem Niveau des EU-Durchschnitts) und privatem Kapital angestrebt. Die Forschungseinrichtungen haben ihre Leistungsfähigkeit im Rahmen des Fünften Rahmenprogramms für Forschung und Entwicklung der EU gezeigt und sind im Ausschuss für wissenschaftliche und technische Forschung (CREST) vertreten. Auch im Hinblick auf die Umsetzung des Sechsten Rahmenprogramms empfehlen Kommission und Europäischer Rat eine weitere Vertiefung der Zusammenarbeit zwischen slowenischen Instituten und anderen Gemeinschaftspartnern. 7.3. Dringender Handlungsbedarf besteht hingegen für die noch ausstehenden Maßnahmen zur Verwaltungsgliederung des Staatsgebietes sowie zur Bereitstellung der Verwaltungskapazität, um eine ordnungsgemäße Verwendung der Struktur-, Kohäsions- und Sozialfonds zu gewährleisten. Demzufolge gelten die Kapitel des Acquis communautaire zur Regionalpolitik und zu Direktbeihilfen für die Landwirtschaft als noch nicht abgeschlossen. 8. Umwelt, Verkehr, Tourismus, soziale Dienstleistungen, Verbraucherschutz 8.1. Die von den Rahmenbedingungen zum EU-Beitritt von Slowenien geforderte Wirtschaftsproduktivität haben den integrierten Umweltschutz möglicherweise anfangs in den Hintergrund gedrängt. Zu denselben Rahmenbedingungen gehören aber ebenfalls die Umweltvorschriften der EU, deren Umsetzung heute in Slowenien auch im Vergleich zu den anderen Gemeinschaftsländern sehr fortgeschritten ist. Auf die Wirtschaftsbeziehungen zwischen dem ehemaligen Jugoslawien und Frankreich geht das Kernkraftwerk von Krsko zurück, das 20 % der Elektrizität von Slowenien und Kroatien erzeugt. Dabei wurden und werden fortgeschrittene, überprüfte und im Euratom-Rahmenprogramm fortentwickelte Sicherheitstechniken angewandt, die im Allgemeinen innerhalb und außerhalb Sloweniens als angemessen betrachtet werden. Wie in Deutschland wird auch in Slowenien jegliche Steigerung der nuklearen Energieerzeugung ausgeschlossen und ist ihr schrittweiser Ersatz durch erneuerbare Energiequellen vorgesehen. Das nationale Umweltaktionsprogramm schreibt die Einbeziehung des Umweltschutzes in die verschiedenen Politikbereiche, in die Industrie-, Verkehrs-, Energie-, Landwirtschafts- und Fremdenverkehrspolitik vor. Ein Beleg dafür ist der nationale Verkehrsplan, der dem Ausbau der Eisenbahnverbindungen auf den transeuropäischen Ost-West- und Nord-Süd-Korridoren, die sich auf dem slowenischen Staatsgebiet kreuzen und denen die EU strategische Bedeutung beimisst, Vorrang einräumt. 8.2. Diese Politik steht in Einklang mit der Alpenkonvention. Slowenien ist ihr zusammen mit Deutschland, Frankreich, Italien, Österreich und der Schweiz sowie den Fürstentümern Liechtenstein und Monaco beigetreten und führte lange den Vorsitz. In den Berichten der Kommission wird dieses Abkommen von 1991 nirgends erwähnt, obwohl ihm auch die Europäische Gemeinschaft beigetreten ist und ein gutes Drittel des slowenischen Staatsgebiets einschließlich des Nationalparks Triglav (mit 2864 m höchster Berg und Wahrzeichen Sloweniens) davon betroffen ist. Im Rahmen dieses Abkommens ist überdies ein besonderes Maßnahmenpaket für den Tourismus geschnürt worden. Der Tourismus wird jedoch von der Kommission nur hinsichtlich seiner Wirtschaftsleistung gestreift, obwohl er wegen seiner Auswirkungen sowohl auf die Umwelt als auch auf den Arbeitsmarkt sowie wegen einiger potenziell wettbewerbsverzerrender Aspekte im Grenzraum zur EU größere Beachtung verdienen würde. 8.3. Mehr Information und Aufmerksamkeit verlangen insbesondere die sozialen Dienstleistungen und vor allem das Gesundheitswesen. Das Gesundheitswesen hatte früher auf einigen chirurgischen Fachgebieten Spitzenleistungen hervorgebracht und zog deshalb Ärzte und Patienten aus Italien sowie aus Österreich an. Heute stellt sich das Verhältnis umgekehrt dar, offensichtlich aufgrund der Eindämmung der öffentlichen Ausgaben in diesem Bereich. Es erscheint daher problematisch, dass sich die Kommission darauf beschränkt zu bemerken: "Slowenien muss die geplante Reform des Gesundheitswesens in Angriff nehmen, um den Staatshaushalt zu entlasten und die langfristige Tragfähigkeit zu sichern". In gleicher Weise beurteilt die Kommission das neue Gesetz zur Renten- und Erwerbsunfähigkeitsversicherung positiv, aber nur unter dem Gesichtspunkt, dass dadurch die entsprechenden Ausgaben um 0,7 % des BIP im Jahr 2000 gesenkt wurden (was in Wirklichkeit auf den erfolgten Abschluss der Frühpensionierungsmaßnahmen anstelle von Entlassungen in der Hauptumstrukturierungsphase zurückzuführen ist). 8.4. Das für 2001-2005 verabschiedete nationale Verbraucherschutzprogramm sieht gezielte Maßnahmen und ein direktes Einschreiten durch spezialisierte Verwaltungseinrichtungen vor, wobei die regierungsunabhängigen, aber von der Regierung anerkannten und finanziell unterstützten Verbraucherverbände ständig sachlich einbezogen werden. 9. Strategische Rolle des Managements in öffentlicher Verwaltung und Privatwirtschaft 9.1. Das nationale Programm für die Übernahme des Acquis communautaire, das auf dem Partnerschaftsabkommen von 1999 beruht und am 31. Mai 2001 auf den neuesten Stand gebracht wurde, gibt die prioritären Ziele an, die noch im Wege eines gestaffelten Zeitplans zu erreichen sind. Der Bericht der Kommission vom November 2001 und der anschließende Beschluss des Europäischen Rates von Laeken unterstreichen, dass die ordnungsgemäße und wirksame Umsetzung des von Slowenien inzwischen fast gänzlich übernommenen Acquis communautaire absolut vorrangig ist. Zu diesem Zweck drängen die Kommission und der Rat insbesondere auf die Reform der öffentlichen Verwaltung und des öffentlichen Dienstes sowie auf die Verabschiedung des geplanten Gesetzes über die öffentlichen Einrichtungen. 9.2. Grundlegende Bedeutung wird der Stärkung und Verbesserung des öffentlichen Managements beigemessen. Eigens dafür zuständig sind ein Staatssekretär, der dem Ministerpräsidenten untersteht, und eine Verwaltungsakademie, die einen systematischen Bildungsplan verabschiedet haben. Die Kommission hat ihrerseits die "Twinning"-Projekte (Partnerschaften) unterstützt, von denen einige bereits erfolgreich abgeschlossen, andere noch in der Planung sind. Ihr Ziel ist die Umsetzung der Kapitel des Acquis Communautaire, bei denen der größte und dringendste Handlungsbedarf festgestellt wurde. Ihre Planung und Durchführung erfolgen in enger Zusammenarbeit zwischen Experten Sloweniens und anderer europäischer Partnerländer, die auf den jeweiligen Sachgebieten ein beispielhaftes Know-how erworben haben. In diesem Bereich und auch aus dem Blickwinkel der angestrebten Harmonisierung der öffentlichen Verwaltungen in der EU kommt den Organisationen, die den öffentlichen Dienst vertreten, und insbesondere ihrer Bereitschaft und Fähigkeit, auf transnationaler und europäischer Ebene zusammenzuarbeiten, eine wichtige Rolle zu. 9.3. Zugleich muss das private Management mit Blick auf die Weiterentwicklung bestehender Unternehmen und die Gründung neuer unternehmerischer Initiativen gestärkt und ausgebildet werden, um es in die Lage zu versetzen, auf die Chancen und Herausforderungen der Marktwirtschaft und der vollen EU-Mitgliedschaft Sloweniens mit Leistungsfähigkeit und Durchsetzungskraft zu antworten. Dabei können die jeweiligen Berufsverbände zusammen mit den Arbeitgeberverbänden - auch im Wege ihrer transnationalen und europäischen Zusammenarbeit - eine wesentliche Rolle spielen. 9.4. Teil dieses Ganzen sind die freien Berufe und ihre Vereinigungen (Kammern). Einige von ihnen haben übrigens schon seit langem fruchtbare transnationale Beziehungen aufgebaut, vor allem in Hinblick auf die gegenseitige Anerkennung des Rechts auf Berufsausübung in den jeweiligen Ländern. 9.5. Die gegenseitige Abhängigkeit von Modernisierung der öffentlichen Verwaltung und Innovation des Produktionssystems sowie die wirksame Wahrnehmung der Rechte und Pflichten durch ein korrektes partnerschaftliches Verhalten erfordern ein starkes Zusammenwirken zwischen dem öffentlichen und dem privaten Sektor, was insbesondere auf der Grundlage einer gemeinsamen Ausbildung der jeweiligen Berufsgruppen des öffentlichen Dienstes, der Privatwirtschaft und der freien Berufe - wie sie tatsächlich im Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss vertreten sind, erreicht werden kann. 10. Schlussbemerkungen 10.1. Der Übergang von einem monokratischen System zu einer pluralistischen Demokratie, die Umwandlung einer Staatswirtschaft in eine Marktwirtschaft, der damit einhergehende gesellschaftliche Wandel, die Veränderungen in den sozialen Beziehungen, den Bedürfnissen und Bestrebungen, welche die individuellen und kollektiven Verhaltensweisen leiten, orientieren sich - im Guten wie im Schlechten - an den vorhandenen Modellen. In diesem Sinne und Zusammenhang ist es angebracht, die kritische Aufmerksamkeit gleichermaßen auf die EU zu lenken und auf die Vereinbarkeit ihrer Politiken in allen (politisch-institutionellen, wirtschaftlichen, sozialen, ökologischen und kulturellen) Bereichen mit einer Marktwirtschaft, die wettbewerbsfähig und zugleich auf eine nachhaltige soziale und ökologische Entwicklung ausgerichtet sein will. 10.2. Und schließlich ist der Ausschuss der Auffassung, dass die Integration Sloweniens sowie jedes anderen südosteuropäischen Landes eine umfassende regionale Vorgehensweise, angemessene Instrumente zur Durchführung einer "Regionalpolitik" und die Förderung der regionalen Zusammenarbeit erfordert. Brüssel, den 18. Juli 2002. Der Präsident des Wirtschafts- und Sozialausschusses Göke Frerichs