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Document 62003CJ0094

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 10. Januar 2006.
Kommission der Europäischen Gemeinschaften gegen Rat der Europäischen Union.
Nichtigkeitsklage - Beschluss 2003/106/EG des Rates über die Genehmigung des Rotterdamer Übereinkommens - Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung - Gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel - Wahl der Rechtsgrundlage - Artikel 133 EG und 175 EG.
Rechtssache C-94/03.

European Court Reports 2006 I-00001

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2006:2

Rechtssache C-94/03

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Rat der Europäischen Union

„Nichtigkeitsklage — Beschluss 2003/106/EG des Rates über die Genehmigung des Rotterdamer Übereinkommens — Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung — Gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel — Wahl der Rechtsgrundlage — Artikel 133 EG und 175 EG“

Schlussanträge der Generalanwältin J. Kokott vom 26. Mai 2005 

Urteil des Gerichtshofes (Zweite Kammer) vom 10. Januar 2006 

Leitsätze des Urteils

1.     Handlungen der Organe — Wahl der Rechtsgrundlage — Kriterien — Gemeinschaftsrechtsakt mit zwei Zielsetzungen oder zwei Komponenten

2.     Völkerrechtliche Verträge — Abschluss — Rotterdamer Übereinkommen

(Artikel 133 EG, 175 Absatz 1 EG und 300 Absätze 2 Unterabsatz 1 und 3 Unterabsatz 1 EG)

1.     Die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts einschließlich des im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages gewählten muss sich auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören.

Ergibt die Prüfung eines Gemeinschaftsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert. Steht dagegen fest, dass der Rechtsakt gleichzeitig mehrere Zielsetzungen verfolgt oder mehrere Komponenten umfasst, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nur zweitrangig und mittelbar ist, so wird ein solcher Rechtsakt ausnahmsweise auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen gestützt werden müssen. Der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage ist allerdings ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen und/oder wenn die Verbindung der Rechtsgrundlagen die Rechte des Parlaments beeinträchtigen würde.

(vgl. Randnrn. 34-36, 52)

2.     Das Rotterdamer Übereinkommen über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel enthält hinsichtlich sowohl der damit verfolgten Ziele als auch seines Inhalts zwei untrennbar miteinander verbundene Komponenten, ohne dass die eine gegenüber der anderen als zweitrangig oder mittelbar angesehen werden könnte, wobei die eine der gemeinsamen Handelspolitik und die andere dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zuzurechnen ist. Somit war der Beschluss 2003/106 über die Genehmigung dieses Übereinkommens im Namen der Europäischen Gemeinschaft auf die beiden entsprechenden Rechtsgrundlagen zu stützen, also auf Artikel 133 EG und Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG.

Dazu ist zum einen zu bemerken, dass der gemeinsame Rückgriff auf die Artikel 133 EG und 175 Absatz 1 EG nicht deshalb ausgeschlossen ist, weil die für diese beiden Rechtsgrundlagen vorgesehenen Verfahren unvereinbar wären. Das Rotterdamer Übereinkommen gehört nämlich nicht zur Kategorie der Abkommen, die nach Artikel 133 Absatz 5 EG Einstimmigkeit im Rat erfordern, so dass der zusätzliche Rückgriff auf Artikel 133 EG keine Auswirkungen auf die im Rat geltenden Abstimmungsregeln haben konnte, da diese Vorschrift grundsätzlich ebenso wie Artikel 175 Absatz 1 EG vorsieht, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließt. Zum anderen ist der gemeinsame Rückgriff auf die Artikel 133 EG und 175 Absatz 1 EG auch nicht dazu angetan, die Rechte des Parlaments zu beeinträchtigen, da zwar der erste dieser beiden Artikel in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 EG die Anhörung dieses Organs vor dem Abschluss eines Abkommens im Bereich der Handelspolitik nicht vorsieht, wohl aber der zweite zu diesem Ergebnis führt.

Folglich ist der genannte Beschluss 2003/106 für nichtig zu erklären, insofern als er allein auf Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 300 Absätze 2 Unterabsatz 1 Satz 1 und 3 Unterabsatz 1 EG gestützt ist.

(vgl. Randnrn. 51-54, 56)




URTEIL DES GERICHTSHOFES (Zweite Kammer)

10. Januar 2006(*)

„Nichtigkeitsklage – Beschluss 2003/106/EG des Rates über die Genehmigung des Rotterdamer Übereinkommens – Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung – Gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel – Wahl der Rechtsgrundlage – Artikel 133 EG und 175 EG“

In der Rechtssache C‑94/03

betreffend eine Nichtigkeitsklage nach Artikel 230 EG, eingereicht am 28. Februar 2003,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch G. zur Hausen, L. Ström van Lier und E. Righini als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Rat der Europäischen Union, vertreten zunächst durch B. Hoff-Nielsen und M. Sims-Robertson, dann durch M. Sims-Robertson und K. Michoel als Bevollmächtigte,

Beklagter,

unterstützt durch

Französische Republik, vertreten durch G. de Bergues, F. Alabrune und E. Puisais als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Königreich der Niederlande, vertreten durch H. G. Sevenster, S. Terstal und N. A. J. Bel als Bevollmächtigte,

Republik Österreich, vertreten durch E. Riedl als Bevollmächtigten, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Republik Finnland, vertreten durch T. Pynnä als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Vereinigtes Königreich Großbritannien und Nordirland, vertreten durch R. Caudwell als Bevollmächtigte im Beistand von A. Dashwood, Barrister, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Europäisches Parlament, vertreten zunächst durch C. Pennera und M. Moore, dann durch M. Moore und K. Bradley als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Streithelfer,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Zweite Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten C. W. A. Timmermans (Berichterstatter) sowie der Richter J. Makarczyk, C. Gulmann, P. Kūris und J. Klučka,

Generalanwältin: J. Kokott,

Kanzler: L. Hewlett, Hauptverwaltungsrätin,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 7. April 2005,

nach Anhörung der Schlussanträge der Generalanwältin in der Sitzung vom 26. Mai 2005

folgendes

Urteil

1       Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften beantragt mit ihrer Klageschrift die Nichtigerklärung des Beschlusses 2003/106/EG des Rates vom 19. Dezember 2002 über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Rotterdamer Übereinkommens über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel (ABl. 2003, L 63, S. 27, im Folgenden: angefochtener Beschluss), insofern als dieser auf Artikel 175 Absatz 1 EG und nicht auf Artikel 133 EG gestützt ist.

 Rechtlicher Rahmen

2       Das genannte Übereinkommen von Rotterdam (im Folgenden: Übereinkommen), das am 10. September 1998 angenommen wurde und vom folgenden Tag an für alle Staaten und alle Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zur Unterzeichnung auflag, bezweckt nach seinem Artikel 1 „die Förderung der gemeinsamen Verantwortung und der gemeinschaftlichen Bemühungen der Vertragsparteien im internationalen Handel mit bestimmten gefährlichen Chemikalien, um die Gesundheit und die Umwelt vor potenziellem Schaden zu bewahren und … zu ihrem umweltgerechten Einsatz beizutragen“. Nach demselben Artikel soll dieses Ziel erreicht werden „durch Erleichterung des Informationsaustauschs über die Merkmale dieser Chemikalien, durch Schaffung eines innerstaatlichen Entscheidungsprozesses für ihre Ein- und Ausfuhr und durch Weiterleitung dieser Entscheidungen an die Vertragsparteien“.

3       Nach Artikel 3 des Übereinkommens über dessen Geltungsbereich findet das Übereinkommen Anwendung auf „verbotene oder strengen Beschränkungen unterliegende Chemikalien“ sowie auf „besonders gefährliche Pestizidformulierungen“, ausgenommen jedoch eine Reihe von Produkten, die in Artikel 3 Absatz 2 aufgeführt sind. Die Produkte, die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallen, werden in Artikel 2 des Übereinkommens genauer definiert.

4       So ergibt sich aus Artikel 2 Buchstaben b und c, dass „verbotene“ oder „strengen Beschränkungen unterliegende“ „Chemikalien“ solche sind, „deren Verwendung … aus Gesundheits‑ und Umweltschutzgründen durch unmittelbar geltende Rechtsvorschriften verboten ist“ bzw. „die aus Gesundheits- oder Umweltschutzgründen für praktisch alle Zwecke … durch unmittelbar geltende Rechtsvorschriften verboten … sind“. In Artikel 2 Buchstabe d werden „besonders gefährliche Pestizidformulierungen“ definiert als „für pestizide Zwecke formulierte Chemikalien, die unter Einsatzbedingungen innerhalb kurzer Zeit nach ein- oder mehrmaliger Exposition feststellbare schwere Gesundheits- oder Umweltschäden hervorrufen“. Die auf diese beiden Produktarten anwendbaren Verfahren werden in den Artikeln 5 und 6 des Übereinkommens beschrieben.

5       So sieht Artikel 5 Absätze 1 bis 3 des Übereinkommens für verbotene oder strengen Beschränkungen unterliegende Chemikalien im Wesentlichen vor, dass eine Vertragspartei, die unmittelbar geltende Rechtsvorschriften – nach Artikel 2 Buchstabe e des Übereinkommens „von einer Vertragspartei erlassene Vorschriften, die kein weiteres gesetzgeberisches Handeln der Vertragspartei erfordern und deren Zweck darin besteht, Chemikalien zu verbieten oder mit strengen Beschränkungen zu belegen“ – erlassen hat, diese dem mit dem Übereinkommen errichteten Sekretariat so schnell wie möglich zu notifizieren hat; das Sekretariat hat sodann zu prüfen, ob die eingegangene Notifikation alle in Anlage I des Übereinkommens vorgesehenen Informationen enthält, insbesondere hinsichtlich der Identifikation der betreffenden Chemikalie und ihrer physikalisch-chemischen, toxikologischen und ökotoxikologischen Eigenschaften sowie in Bezug auf die Gründe für den Erlass der unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften, die für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt von Belang sind. Ist dies der Fall, übermittelt das Sekretariat allen Vertragsparteien unverzüglich eine Zusammenfassung der ihm zugeleiteten Informationen. Andernfalls informiert das Sekretariat die Vertragspartei, die ihm eine unvollständige Notifikation übermittelt hat, damit diese ihm unverzüglich die fehlenden Informationen nachreicht. Nach Artikel 5 Absatz 4 des Übereinkommens übermittelt das Sekretariat den Vertragsparteien auf jeden Fall alle sechs Monate eine kurze Zusammenfassung der ihm aufgrund der Absätze 1 und 2 dieser Vorschrift zugeleiteten Informationen „einschließlich Informationen über diejenigen Notifikationen, die nicht alle nach Anlage I erforderlichen Informationen enthalten“.

6       Artikel 5 Absatz 5 des Übereinkommens bestimmt: „Sobald das Sekretariat aus zwei PIC‑Regionen [PIC: vorherige Zustimmung nach Inkenntnissetzung] mindestens je eine Notifikation zu einer bestimmten Chemikalie erhalten hat, die nachweislich die Anforderungen der Anlage I erfüllt, leitet es diese Notifikationen an den Chemikalienprüfungsausschuss weiter. …“ Nach Artikel 5 Absatz 6 überprüft dieser Ausschuss die in den eingegangenen Notifikationen enthaltenen Informationen und übermittelt der Konferenz der Vertragsparteien in Übereinstimmung mit den in Anlage II des Übereinkommens niedergelegten Kriterien – die im Wesentlichen die Grundlage und die Rechtfertigung der unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften sowie ihre tatsächlichen oder erwarteten Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit oder die Umwelt betreffen – Empfehlungen im Hinblick darauf, ob die betreffende Chemikalie dem PIC‑Verfahren unterliegen und dementsprechend in Anlage III des Übereinkommens aufgenommen werden soll.

7       Ein ähnliches Verfahren ist in Artikel 6 des Übereinkommens für besonders gefährliche Pestizidformulierungen vorgesehen. Nach Artikel 6 Absatz 1 können nämlich „Vertragsparteien, die Entwicklungsländer sind oder deren Wirtschaftssystem sich im Übergang befindet und in deren Hoheitsgebiet eine besonders gefährliche Pestizidformulierung unter Anwendungsbedingungen Probleme verursacht, … dem Sekretariat die Aufnahme dieser Pestizidformulierung in Anlage III vorschlagen“. Das in einem solchen Fall zu befolgende Verfahren, das in den Absätzen 2 bis 5 dieses Artikels beschrieben wird, ist dem in den Randnummern 5 und 6 dieses Urteils dargestellten Verfahren, das auf verbotene oder strengen Beschränkungen unterliegende Chemikalien Anwendung findet, sehr ähnlich.

8       In den Artikeln 7 und 9 des Übereinkommens werden die Verfahren für die Aufnahme und die Streichung einer Chemikalie in bzw. aus Anlage III des Übereinkommens beschrieben, während Artikel 8 regelt, gemäß welchen Anforderungen Chemikalien in diese Anlage aufgenommen werden, die vor dem Inkrafttreten des Übereinkommens in das 1989 vom Umweltprogramm der Vereinten Nationen (UNEP) und der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation (FAO) der Vereinten Nationen eingerichtete freiwillige Verfahren vorheriger Information und Zustimmung einbezogen waren. Das durch das Übereinkommen eingerichtete PIC‑Verfahren wird im Einzelnen in den Artikeln 10 und 11 des Übereinkommens beschrieben, die die Verpflichtungen im Hinblick auf Einfuhren und die Ausfuhr von in Anlage III aufgenommenen Chemikalien regeln.

9       Artikel 10 sieht vor:

„(1)      Jede Vertragspartei erlässt geeignete Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften, um eine frühzeitige Entscheidung über die Einfuhr von in Anlage III aufgenommenen Chemikalien zu gewährleisten.

(2)      Jede Vertragspartei übermittelt dem Sekretariat so bald wie möglich, spätestens jedoch neun Monate nach Absendung des in Artikel 7 Absatz 3 bezeichneten Dokuments zur Unterstützung des Entscheidungsprozesses [das beigefügt wird, wenn die Konferenz der Vertragsparteien eine neue Chemikalie in Anlage III aufnimmt], eine Antwort im Hinblick auf die künftige Einfuhr der betreffenden Chemikalie. Ändert eine Vertragspartei diese Antwort, so legt sie dem Sekretariat die geänderte Antwort unverzüglich vor.

(3)      Nach Ablauf der in Absatz 2 genannten Frist übermittelt das Sekretariat einer Vertragspartei, die eine solche Antwort nicht erteilt hat, unverzüglich eine entsprechende schriftliche Aufforderung. Sollte die Vertragspartei keine Antwort erteilen können, hilft ihr das Sekretariat gegebenenfalls, innerhalb der in Artikel 11 Absatz 2 letzter Satz genannten Frist eine Antwort vorzulegen.

(4)      Eine Antwort nach Absatz 2 besteht entweder aus

a)       einer endgültigen Entscheidung aufgrund von Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften,

i)       der Einfuhr zuzustimmen,

ii)       der Einfuhr nicht zuzustimmen oder

iii)  der Einfuhr nur vorbehaltlich bestimmter Voraussetzungen zuzustimmen, oder aus

b)      einer vorläufigen Antwort, die Folgendes beinhalten kann:

i)       eine vorläufige Entscheidung über die Zustimmung zur Einfuhr mit oder ohne bestimmte Bedingungen oder über die Nichtzustimmung zur Einfuhr während der Übergangszeit;

ii)      eine Erklärung, dass eine endgültige Entscheidung derzeit intensiv geprüft wird;

iii)      ein Ersuchen an das Sekretariat oder an die Vertragspartei, welche die unmittelbar geltenden Rechtsvorschriften notifiziert hat, um weitere Informationen;

iv)      ein an das Sekretariat gerichtetes Ersuchen um Unterstützung bei der Bewertung der Chemikalie.

(5)      Eine Antwort nach Absatz 4 Buchstabe a) oder b) bezieht sich auf die für die Chemikalie in Anlage III spezifizierte(n) Kategorie(n).

(8)      Jede Vertragspartei stellt ihre Antworten nach diesem Artikel in Übereinstimmung mit ihren Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften den Betroffenen innerhalb ihres Hoheitsbereichs zur Verfügung.

(9)      Eine Vertragspartei, die aufgrund der Absätze 2 und 4 oder des Artikels 11 Absatz 2 entscheidet, der Einfuhr einer Chemikalie nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen, muss – sofern sie dies nicht bereits getan hat – gleichzeitig Folgendes verbieten oder es denselben Bedingungen unterwerfen:

a)      die Einfuhr der Chemikalie aus jeder Quelle und

b)      die Herstellung der Chemikalie im eigenen Land für den Inlandsverbrauch.

(10)      Alle sechs Monate informiert das Sekretariat sämtliche Vertragsparteien über die ihm zugegangenen Antworten. Diese Information schließt, soweit vorhanden, auch eine Beschreibung der Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften ein, auf die sich die Entscheidungen stützen. Das Sekretariat informiert darüber hinaus die Vertragsparteien über alle Fälle, in denen keine Antwort übermittelt worden ist.“

10     Artikel 11 des Übereinkommens, der die Verpflichtungen im Hinblick auf die Ausfuhr in Anlage III aufgenommener Chemikalien regelt, sieht vor:

„(1)      Jede ausführende Vertragspartei

a)      wendet angemessene Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften an, um die vom Sekretariat nach Artikel 10 Absatz 10 zugeleiteten Antworten an die Betroffenen innerhalb ihres Hoheitsbereichs weiterzugeben;

b)      erlässt angemessene Rechts- bzw. Verwaltungsvorschriften, um sicherzustellen, dass Ausführer innerhalb ihres Hoheitsbereichs spätestens sechs Monate nach dem Zeitpunkt, zu dem das Sekretariat die Vertragsparteien erstmals nach Artikel 10 Absatz 10 über die einzelnen Antworten informiert hat, den Entscheidungen in diesen Antworten nachkommen;

c)      berät und unterstützt einführende Vertragsparteien auf Ersuchen und soweit angemessen bei Folgendem:

i)      bei der Beschaffung weiterer Informationen, die es ihnen ermöglichen, Maßnahmen gemäß Artikel 10 Absatz 4 sowie Artikel 11 Absatz 2 Buchstabe c) zu ergreifen, und

ii)      bei der Stärkung ihrer Kapazitäten und Fähigkeiten in Bezug auf ein sicheres Management von Chemikalien während deren gesamter Lebensdauer.

(2)      Jede Vertragspartei stellt sicher, dass eine in Anlage III aufgenommene Chemikalie nicht aus ihrem Hoheitsgebiet an eine einführende Vertragspartei ausgeführt wird, die unter außergewöhnlichen Umständen keine Antwort übermittelt hat oder die eine vorläufige Antwort übermittelt hat, die keine vorläufige Entscheidung enthält, es sei denn,

a)      es handelt sich um eine Chemikalie, die zum Zeitpunkt der Einfuhr bei der einführenden Vertragspartei als Chemikalie registriert ist;

b)      es handelt sich um eine Chemikalie, die nachweislich von der einführenden Partei bereits eingeführt oder verwendet worden ist und für die keine Rechtsvorschriften über ein Verbot ihrer Verwendung erlassen worden sind;

c)      der Ausführer hat sich über eine bezeichnete nationale Behörde bei der einführenden Vertragspartei um die ausdrückliche Zustimmung zu der Einfuhr bemüht und sie auch erhalten. Die einführende Vertragspartei beantwortet ein derartiges Ersuchen binnen sechzig Tagen und notifiziert dem Sekretariat umgehend ihre Entscheidung.

Die Verpflichtungen der ausführenden Vertragsparteien nach diesem Absatz treten sechs Monate nach dem Zeitpunkt in Kraft, zu dem das Sekretariat die Vertragsparteien erstmals nach Artikel 10 Absatz 10 darüber informiert hat, dass eine Vertragspartei keine Antwort übermittelt hat oder dass sie eine vorläufige Antwort übermittelt hat, die keine vorläufige Entscheidung enthält; sie gelten für die Dauer eines Jahres.“

11     Während in den Artikeln 10 und 11 des Übereinkommens die Verpflichtungen im Hinblick auf Einfuhren und Ausfuhren von in Anlage III aufgenommenen Chemikalien aufgeführt sind, regelt Artikel 12 des Übereinkommens den speziellen Fall von noch nicht in diese Anlage aufgenommenen Chemikalien. Er sieht im Wesentlichen vor, dass eine Vertragspartei, wenn eine von ihr verbotene oder strengen Beschränkungen unterworfene Chemikalie aus ihrem Hoheitsgebiet ausgeführt wird, der einführenden Vertragspartei die Ausfuhr notifiziert; die einführende Vertragspartei hat den Empfang der Notifikation zu bestätigen. Diese Notifikation enthält insbesondere Informationen zur Identifikation der betreffenden Chemikalie und über Vorsichtsmaßnahmen zur Reduzierung der Exposition und der Emissionen der Chemikalie sowie der zuständigen bezeichneten nationalen Behörde der ausführenden Vertragspartei leicht zugängliche zusätzliche Informationen, die für die zuständige nationale Behörde der einführenden Vertragspartei hilfreich wären. Nach Artikel 12 Absatz 5 entfällt diese Ausfuhrnotifikationsverpflichtung jedoch, wenn die drei folgenden Bedingungen erfüllt sind: Die fragliche Chemikalie wurde in Anlage III aufgenommen, die einführende Vertragspartei hat dem Sekretariat nach Artikel 10 Absatz 2 eine Antwort über die künftige Einfuhr dieser Chemikalie erteilt, und das Sekretariat hat diese Antwort nach Artikel 10 Absatz 10 an die anderen Vertragsparteien weitergeleitet.

12     Artikel 13 des Übereinkommens bezieht sich auf die Begleitinformationen für ausgeführte Chemikalien. Nach Absatz 1 dieses Artikels regt „[d]ie Konferenz der Vertragsparteien … die Weltzollorganisation an, den in Anlage III aufgenommenen einzelnen Chemikalien beziehungsweise Chemikaliengruppen im Rahmen des Harmonisierten Systems bestimmte Zollcodes zuzuordnen“. Wurde ein solcher Code zugeordnet, so ist er bei der Ausfuhr in den Versandpapieren der betreffenden Chemikalie zu vermerken. Nach Artikel 13 Absätze 2 und 3 haben die Vertragsparteien im Übrigen vorzuschreiben, dass sowohl für die in Anlage III aufgenommenen Chemikalien und die in ihrem Hoheitsgebiet verbotenen oder strengen Beschränkungen unterliegenden Chemikalien (Artikel 13 Absatz 2) als auch für die Chemikalien, die in ihrem Hoheitsgebiet umwelt- oder gesundheitsbezogenen Kennzeichnungsvorschriften unterliegen (Artikel 13 Absatz 3), bei der Ausfuhr „Kennzeichnungsvorschriften gelten, die unter Berücksichtigung der einschlägigen internationalen Normen gewährleisten, dass ausreichende Informationen über Risiken und/oder Gefahren für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt zur Verfügung stehen“. Nach Artikel 13 Absatz 4 des Übereinkommens schreiben die ausführenden Vertragsparteien mindestens für diejenigen der in Artikel 13 Absatz 2 genannten Chemikalien, die zur beruflichen Verwendung bestimmt sind, vor, dass jedem Einführer ein Sicherheitsdatenblatt zugesandt wird, das in international anerkannter Form die neuesten verfügbaren Informationen enthält. Schließlich müssen die Angaben auf dem Etikett und auf dem Sicherheitsdatenblatt der betreffenden Chemikalie nach Artikel 13 Absatz 5 so weit wie möglich in einer oder mehreren Amtssprachen der einführenden Vertragspartei abgefasst sein.

13     Ferner gibt Artikel 14 des Übereinkommens den Vertragsparteien auf, alle ihnen zur Verfügung stehenden wissenschaftlichen, technischen, wirtschaftlichen und rechtlichen Informationen über die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Chemikalien sowie über interne Rechtsvorschriften, die eine oder gegebenenfalls mehrere Verwendungen dieser Chemikalien erheblich einschränken, auszutauschen, während Artikel 16 des Übereinkommens die technische Hilfe betrifft. Danach sollen die Vertragsparteien mit fortschrittlicheren Programmen zur Kontrolle von Chemikalien anderen Vertragsparteien, insbesondere Entwicklungsländern und Ländern mit im Übergang befindlichen Wirtschaftssystemen, bei der Entwicklung ihrer Infrastruktur und ihrer Kapazitäten für das Management von Chemikalien „während deren gesamter Lebensdauer“ Hilfe gewähren.

14     Schließlich ergibt sich aus Artikel 15 des Übereinkommens, dass die Vertragsparteien alle für die wirksame Durchführung des Übereinkommens erforderlichen Maßnahmen zu ergreifen haben; dazu gehören auch die Schaffung oder Verstärkung von Infrastrukturen und eigenen staatlichen Institutionen sowie gegebenenfalls Maßnahmen wie die Einrichtung nationaler Register und Datenbanken einschließlich sicherheitsrelevanter Informationen über Chemikalien, die Unterstützung von Initiativen der Industrie oder die Förderung freiwilliger Vereinbarungen über technische Hilfe. Aus Artikel 15 Absatz 2 ergibt sich außerdem, dass „[j]ede Vertragspartei … im Rahmen des Möglichen sicher[stellt], dass die Öffentlichkeit angemessenen Zugang zu Informationen über die Handhabung von Chemikalien und das Verhalten bei Unfällen sowie über Alternativen hat, die für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt unbedenklicher sind als die in Anlage III aufgenommenen Chemikalien“, und Artikel 15 Absatz 4 sieht vor, dass das „Übereinkommen … nicht so auszulegen [ist], als beschränke es das Recht der Vertragsparteien, Maßnahmen zu treffen, die die menschliche Gesundheit und die Umwelt strenger schützen als die in dem Übereinkommen verlangten, sofern diese Maßnahmen im Einklang mit dem Übereinkommen und dem Völkerrecht stehen“.

15     Die folgenden Bestimmungen des Übereinkommens betreffen im Wesentlichen die Rolle und die Aufgaben der für die Prüfung und Bewertung der Durchführung des Übereinkommens zuständigen Organe und Einrichtungen (Artikel 18 und 19), die im Fall der Nichteinhaltung der Verpflichtungen nach dem Übereinkommen oder bei Streitigkeiten über seine Auslegung oder Anwendung anzuwendenden Regeln (Artikel 17 und 20) sowie das für Änderungen des Übereinkommens oder seiner Anlagen oder die Beschlussfassung über weitere Anlagen zu befolgende Verfahren (Artikel 21 und 22).

16     Das Übereinkommen bedarf nach seinem Artikel 25 Absatz 1 der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch Staaten und durch Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration und steht von dem Tag an, an dem es nicht mehr zur Unterzeichnung aufliegt, Staaten und derartigen Organisationen zum Beitritt offen. In Bezug auf diese Organisationen sieht Artikel 25 Absatz 2 vor, dass „[j]ede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, die Vertragspartei dieses Übereinkommens wird, ohne dass einer ihrer Mitgliedstaaten Vertragspartei ist, … durch alle Verpflichtungen aus dem Übereinkommen gebunden [ist]. Sind [dagegen] ein oder mehrere Mitgliedstaaten einer solchen Organisation Vertragspartei des Übereinkommens, so entscheiden die Organisation und ihre Mitgliedstaaten über ihre jeweiligen Verantwortlichkeiten hinsichtlich der Erfüllung ihrer Verpflichtungen aus dem Übereinkommen.“ In Artikel 25 Absatz 2 a. E. heißt es, dass in diesen Fällen „die Organisation und die Mitgliedstaaten nicht berechtigt [sind], Rechte aufgrund des Übereinkommens gleichzeitig auszuüben“. Nach Artikel 25 Absatz 3 des Übereinkommens hat eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration in ihrer Ratifikations‑, Annahme‑, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde anzugeben, „in welchem Umfang sie in Bezug auf die durch das Übereinkommen erfassten Angelegenheiten zuständig ist“.

 Vorgeschichte des Rechtsstreits

17     Nach der Unterzeichnung des Übereinkommens im Namen der Gemeinschaft am 11. September 1998 in Rotterdam (Niederlande) legte die Kommission am 24. Januar 2002 einen Vorschlag für einen Beschluss des Rates über die Genehmigung dieses Übereinkommens im Namen der Gemeinschaft (ABl. C 126 E, S. 274) vor, in dem entsprechend Artikel 25 Absatz 3 des Übereinkommens angegeben war, in welchem Umfang die Gemeinschaft in Bezug auf die durch das Übereinkommen erfassten Angelegenheiten zuständig ist. Gestützt auf Artikel 133 EG in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 EG und Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 EG sah dieser Beschlussvorschlag in Artikel 2 Absatz 2 vor, dass „die Gemeinschaft in Bezug auf alle durch das Übereinkommen erfassten Angelegenheiten zuständig ist“.

18     Nach der Anhörung des Europäischen Parlaments gemäß Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 EG beschloss der Rat jedoch einstimmig, diesem Vorschlag nicht zu folgen und Artikel 133 EG durch Artikel 175 Absatz 1 EG zu ersetzen. Der angefochtene Beschluss, der in der Sitzung des Rates „Justiz und Inneres“ am 19. Dezember 2002 in Brüssel ohne Diskussion erlassen wurde, wurde somit auf Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 Satz 1 EG und Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 EG gestützt. Die nach Artikel 25 Absatz 3 des Übereinkommens erforderliche Erklärung über die Zuständigkeit findet sich in Anhang B dieses Beschlusses und lautet wie folgt:

„Die Europäische Gemeinschaft erklärt, dass sie gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere gemäß Artikel 175 Absatz 1, befugt ist, internationale Übereinkommen zu schließen und den sich daraus ergebenden Verpflichtungen nachzukommen, die zur Verfolgung der nachstehenden Ziele beitragen:

–       Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qualität;

–       Schutz der menschlichen Gesundheit;

–       umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen;

–       Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme.

Ferner erklärt die Europäische Gemeinschaft, dass sie bereits rechtliche Instrumente zu in diesem Übereinkommen geregelten Angelegenheiten angenommen hat, die für die Mitgliedstaaten verbindlich sind, darunter die Verordnung (EG) Nr. 304/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates [vom 28. Januar 2003] über die Aus- und Einfuhr gefährlicher Chemikalien [ABl. L 63, S. 1], und dass sie dem Sekretariat des Übereinkommens eine gegebenenfalls aktualisierte Aufstellung dieser rechtlichen Instrumente übermitteln wird.

Die Europäische Gemeinschaft ist für die Erfüllung derjenigen Verpflichtungen aus dem Übereinkommen zuständig, die unter geltendes Gemeinschaftsrecht fallen.

[Die] Ausübung der Gemeinschaftszuständigkeit unterliegt naturgemäß einer ständigen Weiterentwicklung.“

19     Da die Kommission unter diesen Umständen die Auffassung vertrat, dass das Übereinkommen rechtswidrig angenommen worden sei, hat sie beschlossen, die vorliegende Klage zu erheben.

20     Mit Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofes vom 16. Juli 2003 sind die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Republik Finnland, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Europäische Parlament in der vorliegenden Rechtssache als Streithelfer zur Unterstützung der Anträge des Rates zugelassen worden.

 Zur Klage

 Vorbringen der Verfahrensbeteiligten

21     Die Kommission macht als einzigen Klagegrund einen Verstoß gegen den EG-Vertrag infolge der Wahl einer falschen Rechtsgrundlage geltend. Denn da das Übereinkommen im Wesentlichen ein Instrument zur Regelung des internationalen Handels mit bestimmten gefährlichen Chemikalien sei, falle es unter die gemeinsame Handelspolitik und nicht unter die gemeinschaftliche Umweltpolitik. Somit hätte der angefochtene Beschluss auf Artikel 133 EG in Verbindung mit Artikel 300 EG und nicht auf Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 300 EG gestützt werden müssen.

22     Die Kommission stützt sich dazu insbesondere auf den Zweck und die Ziele des Übereinkommens, die klar die Absicht der Vertragsparteien ausdrückten, eine enge Zusammenarbeit im Bereich des internationalen Handels mit Pestiziden und anderen gefährlichen Chemikalien einzurichten, aber auch auf den Wortlaut des Übereinkommens, dessen Bestimmungen eindeutig die überwiegende handelsrechtliche Ausrichtung dieses Instruments widerspiegelten.

23     Das gelte zunächst für den Titel und Artikel 1 des Übereinkommens, die ausdrücklich auf den „internationalen Handel“ mit bestimmten gefährlichen Chemikalien und Pestiziden sowie deren „Ein‑ und Ausfuhr“ Bezug nähmen. Ebenso verhalte es sich mit den Artikeln 5 bis 9 des Übereinkommens, die die wesentlichen Vorschriften über die Aufnahme – oder Streichung – besonders gefährlicher Chemikalien in oder aus Anlage III des Übereinkommens enthielten. Schließlich und vor allem gelte es für die Artikel 10 und 11 des Übereinkommens, die in seinem System eine entscheidende Rolle spielten, indem sie die Hauptverpflichtungen im Hinblick auf Einfuhren und die Ausfuhr von in die genannte Anlage aufgenommenen Chemikalien aufstellten und die Konturen des PIC‑Verfahrens genau festlegten. Diese beiden Artikel hätten insbesondere deshalb eine klare handelsrechtliche Bedeutung, weil sie es den Ausführern dank des Mechanismus der Notifikation der Antworten in Bezug auf die künftige Einfuhr von Chemikalien ermöglichten, genaue Kenntnis davon zu erlangen, welche Märkte ihren Produkten zu welchen Bedingungen offen stünden.

24     Ebenso wirkten sich die in den Artikeln 12 bis 16 des Übereinkommens niedergelegten Regeln unbestreitbar auf den Handel mit Chemikalien aus, da sie den einführenden Ländern die erforderlichen Instrumente und Informationen an die Hand gäben, um die mit der Verwendung dieser Produkte verbundenen potenziellen Gefahren festzustellen und somit die Einfuhr von Produkten, die sie selbst verboten oder mit strengen Beschränkungen belegt hätten oder die sie gegebenenfalls nicht völlig sicher managen oder verwenden könnten, in ihr Hoheitsgebiet zu verweigern oder einzuschränken.

25     Die Kommission weist ergänzend darauf hin, dass der Umstand, dass der Abschluss des Übereinkommens möglicherweise auch durch Gründe des Schutzes der menschlichen Gesundheit oder der Umwelt veranlasst sei, seiner Genehmigung auf der Grundlage von Artikel 133 EG nicht entgegenstehe, da zum einen die gemeinsame Handelspolitik nach ständiger Rechtsprechung ihrer Natur nach weit auszulegen sei und über den strikten Rahmen des Handelsverkehrs hinausgehe. Sie könne somit andere Maßnahmen als Zoll- oder Tarifmaßnahmen umfassen und andere Ziele als nur die Regelung des Handels mit Drittstaaten verfolgen, etwa Entwicklungshilfe für diese Staaten, die Durchführung einer Außen- und Sicherheitspolitik oder gerade den Schutz der Umwelt und der Gesundheit. Dazu verweist die Kommission insbesondere auf die Urteile vom 26. März 1987 in der Rechtssache 45/86 (Kommission/Rat, Slg. 1987, 1493) und vom 29. März 1990 in der Rechtssache C‑62/88 (Griechenland/Rat, „Tschernobyl“, Slg. 1990, I‑1527) sowie auf das Urteil vom 12. Dezember 2002 in der Rechtssache C‑281/01 (Kommission/Rat, Slg. 2002, I‑12049), mit dem der Gerichtshof den Beschluss 2001/469/EG des Rates vom 14. Mai 2001 über den Abschluss, im Namen der Europäischen Gemeinschaft, des Abkommens zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten von Amerika und der Europäischen Gemeinschaft über die Koordinierung von Kennzeichnungsprogrammen für Strom sparende Bürogeräte (ABl. L 172, S. 1) für nichtig erklärt hat.

26     Zum anderen gehe auch aus dem Wortlaut des Vertrages und insbesondere der Artikel 6 EG und 152 Absatz 1 Unterabsatz 1 EG hervor, dass die Erfordernisse zum einen des Umwelt‑ und zum anderen des Gesundheitsschutzes bei der Festlegung und Durchführung aller in Artikel 3 EG genannten Gemeinschaftspolitiken und ‑maßnahmen einbezogen werden müssten. Ein völkerrechtlicher Vertrag könne somit durchaus auf der Grundlage von etwa Artikel 133 EG genehmigt werden, auch wenn damit in erster Linie oder als Ergänzung Umweltziele verfolgt würden. Im vorliegenden Fall sei der Rückgriff auf die letztgenannte Vorschrift umso mehr geboten, als das Übereinkommen im Wesentlichen die Regelung des internationalen Handels mit gefährlichen Chemikalien betreffe und nicht die nationale Regelung ihrer Herstellung oder ihres Inverkehrbringens; diese Aspekte seien im Vergleich zur Ein‑ und Ausfuhr dieser Produkte nebensächlich. Wie der Gerichtshof anlässlich des genannten Abkommens zwischen der Regierung der Vereinigten Staaten und der Gemeinschaft (im Folgenden: Energy-Star-Abkommen) entschieden habe, sei das Übereinkommen somit ein Instrument mit einer Wirkung auf den Handel mit gefährlichen Chemikalien, die „unmittelbar ist und sofort eintritt“, während die günstige Wirkung auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt nur eine „mittelbare und langfristige“ sei.

27     Der Rat und alle Streithelfer treten diesem Schluss entschieden entgegen. Sie machen geltend, dass das Übereinkommen, da es keinen Mechanismus der gegenseitigen Anerkennung von Normen über die Kennzeichnung von gefährlichen Chemikalien einrichte und eher auf die Kontrolle oder sogar Beschränkung des Handels mit diesen Produkten als auf seine Förderung ausgerichtet sei, eher mit dem Protokoll von Cartagena über die biologische Sicherheit vergleichbar sei als mit dem Energy-Star-Abkommen, das den Herstellern gerade ermöglichen solle, aufgrund eines Verfahrens der gegenseitigen Anerkennung von Registrierungen ein gemeinsames Emblem zu benutzen, und damit das Angebot an und die Nachfrage nach Strom sparenden Produkten stimulieren solle. Der Gerichtshof, der sich insbesondere zur richtigen Rechtsgrundlage für den Abschluss dieses Protokolls, das ebenfalls ein „Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung“ einrichte, zu äußern gehabt habe, habe in Randnummer 33 des Gutachtens 2/00 vom 6. Dezember 2001 (Slg. 2001, I‑9713) entschieden, dass dieses Verfahren ein typisches Instrument der Umweltpolitik darstelle, so dass der Abschluss dieses Protokolls im Namen der Gemeinschaft auf Artikel 175 Absatz 1 EG zu stützen war. Im vorliegenden Fall seien in Bezug auf den Abschluss des Übereinkommens ähnliche Überlegungen ausschlaggebend.

28     Was die Ziele des Übereinkommens anbelangt, beziehen sich der Rat und die Streithelfer auf die zahlreichen Begründungserwägungen des Übereinkommens, in denen auf die Gefahren und die schädlichen Wirkungen von Chemikalien und Pestiziden auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt verwiesen werde, sowie auf seinen Artikel 1, der die Absicht der Vertragsparteien zum Ausdruck bringe, die gemeinsame Verantwortung und die gemeinschaftlichen Bemühungen der Vertragsparteien im internationalen Handel mit diesen Produkten – nicht aber diesen Handel – zu fördern, um die Gesundheit und die Umwelt vor potenziellem Schaden zu bewahren und zum umweltgerechten Einsatz dieser Produkte beizutragen. Dieser Artikel bestätige somit das vorherrschende Umweltziel des Übereinkommens, und Gleiches gelte für Artikel 2 Buchstabe f des Übereinkommens, wonach unter „Ausfuhren“ und „Einfuhren“ von Chemikalien jede Beförderung von Chemikalien zwischen den Vertragsparteien unter Ausnahme des Transitverkehrs zu verstehen sei, ohne dass es auf den jeweiligen Zweck ankomme.

29     Ebenso brächten mehrere zentrale Bestimmungen des Übereinkommens klar zum Ausdruck, dass den Gesundheits- und Umweltschutzzielen der Vorrang vor der von der Kommission den Vertragsparteien zugeschriebenen Absicht zukomme, den internationalen Handel mit den fraglichen Produkten zu fördern, zu erleichtern oder zu regeln. Neben den Artikeln 10 und 11 des Übereinkommens über das PIC‑Verfahren im eigentlichen Sinne nennen der Rat und die Streithelfer insoweit insbesondere die Bestimmungen über die Notifikation von nationalen Rechtsvorschriften, mit denen Chemikalien verboten oder mit strengen Beschränkungen belegt werden sollten (Artikel 5), das Verfahren, das für die Aufnahme von Chemikalien in oder ihre Streichung aus Anlage III des Übereinkommens zu befolgen sei (Artikel 7 bis 9), die Regeln über die Etikettierung dieser Produkte (Artikel 13), den Austausch von Informationen jeglicher Art über die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Chemikalien (Artikel 14), die Schaffung oder Verstärkung von Infrastrukturen und staatlichen Institutionen für die wirksame Durchführung des Übereinkommens, insbesondere durch die Einrichtung nationaler Register und Datenbanken einschließlich sicherheitsrelevanter Informationen über Chemikalien (Artikel 15) und die Entwicklungsländern und Ländern mit im Übergang befindlichen Wirtschaftssystemen zu gewährende technische Hilfe (Artikel 16).

30     Schließlich ergibt sich für den Rat und die Streithelfer die im Wesentlichen umweltrechtliche Natur des Übereinkommens klar aus dem Kontext, in dem es angenommen wurde. Der Rat trägt dazu zunächst vor, dass das Übereinkommen direkt auf das vom UNEP und von der FAO – also in einem nicht handelsrechtlichen Rahmen – eingerichtete freiwillige Verfahren vorheriger Information und Zustimmung zurückgehe und dass es die Leitungsorgane dieses Programms und dieser Organisation gewesen seien, die zur Vorbereitung und Annahme des Übereinkommens die Konferenz der Vertragsparteien einberufen hätten und die im Übrigen eine wesentliche Rolle bei dessen Verwaltung wahrnähmen, da nach Artikel 19 Absatz 3 des Übereinkommens „[d]ie Sekretariatsaufgaben im Rahmen dieses Übereinkommens … vom Exekutivdirektor des UNEP und vom Generaldirektor der FAO vorbehaltlich der zwischen ihnen vereinbarten und von der Konferenz der Vertragsparteien genehmigten Regelungen gemeinsam wahrgenommen [werden]“.

31     Der Rat verweist weiter darauf, dass das Übereinkommen auch Kapitel 19 des Programms „Agenda 21“ widerspiegele, das auf der Konferenz der Vereinten Nationen über Umwelt und Entwicklung, die vom 3. bis zum 14. Juni 1992 in Rio de Janeiro (Brasilien) stattfand, angenommen worden sei. In diesem mit „Umweltverträglicher Umgang mit toxischen Chemikalien einschließlich Maßnahmen zur Verhinderung des illegalen internationalen Handels mit toxischen und gefährlichen Produkten“ überschriebenen Kapitel werde ausdrücklich die allgemeine Anwendung des PIC‑Verfahrens als Mittel zur Stärkung des rationellen Umgangs mit toxischen Chemikalien genannt.

32     Schließlich gehöre das Übereinkommen auch zu den wesentlichen Abkommen, auf die beim Weltgipfel für Nachhaltige Entwicklung in Johannesburg (Südafrika) vom 26. August bis zum 4. September 2002 verwiesen worden sei. Der am Ende dieses Gipfels verabschiedete Aktionsplan fordere in Nummer 23 Buchstabe a alle Parteien auf, die schnelle Ratifizierung und Umsetzung dieses Instruments wegen seiner günstigen Auswirkungen auf die menschliche Gesundheit und die Umwelt zu fördern.

33     Alle diese Faktoren sprächen demnach klar für einen Rückgriff auf Artikel 175 Absatz 1 EG. Der Rat und die Streithelfer führen dazu mehrere Abkommen und Verordnungen der Gemeinschaft an, die ebenfalls Bestimmungen handelsrechtlicher Natur enthielten, aber aufgrund ihrer vorherrschenden umweltrechtlichen Zielsetzung dennoch auf Artikel 175 EG, auf Artikel 130s EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 175 EG) oder auf Artikel 130s EWG-Vertrag (nach Änderung Artikel 130s EG-Vertrag) gestützt seien. Das gelte insbesondere für den Beschluss 93/98/EWG des Rates vom 1. Februar 1993 zum Abschluss – im Namen der Gemeinschaft – des Übereinkommens über die Kontrolle der grenzüberschreitenden Verbringung von gefährlichen Abfällen und ihrer Entsorgung (Basler Übereinkommen) (ABl. L 39, S. 1), die Verordnung (EWG) Nr. 2455/92 des Rates vom 23. Juli 1992 betreffend die Ausfuhr und Einfuhr bestimmter gefährlicher Chemikalien (ABl. L 251, S. 13), die Verordnung (EWG) Nr. 259/93 des Rates vom 1. Februar 1993 zur Überwachung und Kontrolle der Verbringung von Abfällen in der, in die und aus der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 30, S. 1) und die Verordnung (EG) Nr. 338/97 des Rates vom 9. Dezember 1996 über den Schutz von Exemplaren wild lebender Tier‑ und Pflanzenarten durch Überwachung des Handels (ABl. 1997, L 61, S. 1).

 Würdigung durch den Gerichtshof

34     Einleitend ist darauf zu verweisen, dass sich die Wahl der Rechtsgrundlage eines gemeinschaftlichen Rechtsakts einschließlich des im Hinblick auf den Abschluss eines völkerrechtlichen Vertrages gewählten nach ständiger Rechtsprechung auf objektive, gerichtlich nachprüfbare Umstände gründen muss, zu denen insbesondere das Ziel und der Inhalt des Rechtsakts gehören (vgl. Urteile vom 26. März 1987, Kommission/Rat, Randnr. 11, vom 11. Juni 1991 in der Rechtssache C‑300/89, Kommission/Rat, „Titandioxid“, Slg. 1991, I‑2867, Randnr. 10, vom 3. Dezember 1996 in der Rechtssache C‑268/94, Portugal/Rat, Slg. 1996, I‑6177, Randnr. 22, und vom 13. September 2005 in der Rechtssache C‑176/03, Kommission/Rat, Slg. 2005, I‑0000, Randnr. 45).

35     Ergibt die Prüfung eines Gemeinschaftsrechtsakts, dass er zwei Zielsetzungen hat oder zwei Komponenten umfasst, und lässt sich eine von ihnen als die hauptsächliche oder überwiegende ausmachen, während die andere nur nebensächliche Bedeutung hat, so ist der Rechtsakt nur auf eine Rechtsgrundlage zu stützen, und zwar auf die, die die hauptsächliche oder überwiegende Zielsetzung oder Komponente erfordert (vgl. Urteile vom 30. Januar 2001 in der Rechtssache C‑36/98, Spanien/Rat, Slg. 2001, I‑779, Randnr. 59, vom 11. September 2003 in der Rechtssache C‑211/01, Kommission/Rat, Slg. 2003, I‑8913, Randnr. 39, und vom 29. April 2004 in der Rechtssache C‑338/01, Kommission/Rat, Slg. 2004, I‑4829, Randnr. 55).

36     Steht dagegen fest, dass der Rechtsakt gleichzeitig mehrere Zielsetzungen verfolgt oder mehrere Komponenten umfasst, die untrennbar miteinander verbunden sind, ohne dass die eine gegenüber der anderen nur zweitrangig und mittelbar ist, so wird ein solcher Rechtsakt ausnahmsweise auf die verschiedenen einschlägigen Rechtsgrundlagen gestützt werden müssen (vgl. in diesem Sinne u. a. Urteile vom 19. September 2002 in der Rechtssache C‑336/00, Huber, Slg. 2002, I‑7699, Randnr. 31, vom 12. Dezember 2002, Kommission/Rat, Randnr. 35, und vom 11. September 2003, Kommission/Rat, Randnr. 40).

37     Im vorliegenden Fall ist der Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt, wie der Rat und alle Streithelfer in ihren schriftlichen und mündlichen Erklärungen ausgeführt haben, unbestreitbar das wesentliche Anliegen der Unterzeichner des Übereinkommens. Dieses Ziel geht nämlich klar nicht nur aus den Begründungserwägungen, sondern auch aus dem Wortlaut des Übereinkommens hervor, da mehrere Bestimmungen unzweideutig die Bedeutung dieses Zieles bestätigen.

38     So verhält es sich insbesondere mit Artikel 5 des Übereinkommens, der ein Verfahren des Informationsaustauschs über Vorschriften einrichtet, mit denen die Vertragsparteien die Verwendung einer Chemikalie auf ihrem Hoheitsgebiet verbieten oder mit strengen Beschränkungen belegen, sowie mit Artikel 12 des Übereinkommens, der die Vertragsparteien im Fall der Ausfuhr einer verbotenen oder strengen Beschränkungen unterworfenen Chemikalie aus ihrem Hoheitsgebiet verpflichtet, der einführenden Vertragspartei die Ausfuhr zu notifizieren, und dieser letztgenannten Vertragspartei im Interesse der Transparenz aufgibt, den Empfang der entsprechenden Notifikation formell zu bestätigen. Wie die Generalanwältin in Nummer 37 ihrer Schlussanträge ausführt, soll mit diesen Vorschriften im Wesentlichen verhindert werden, dass eine Vertragspartei und insbesondere ein Entwicklungsland sich mit der Einfuhr gefährlicher Chemikalien konfrontiert sieht, ohne zuvor Gelegenheit gehabt zu haben, die nötigen Vorkehrungen für den Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zu treffen.

39     Unter demselben Aspekt sind die Artikel 10 und 11 des Übereinkommens zu nennen, die nicht nur die Verpflichtungen im Hinblick auf Einfuhren und die Ausfuhr von in Anlage III des Übereinkommens aufgenommenen Chemikalien aufstellen, sondern auch bestimmte Vorschriften wie die in Artikel 10 Absatz 9 Buchstabe b des Übereinkommens oder die in Artikel 11 Absatz 1 Buchstabe c des Übereinkommens – über die Herstellung und das innerstaatliche Management dieser Produkte – enthalten, mit denen unabhängig von der Herkunft oder Quelle der fraglichen Chemikalien ein hohes Gesundheits- und Umweltschutzniveau gewährleistet werden soll.

40     Schließlich lassen sich in diesem Kontext auch die Artikel 13 bis 16 des Übereinkommens anführen, die u. a. die Erstellung eines Sicherheitsdatenblattes (Artikel 13 Absatz 4), den Austausch von Informationen jeglicher Art über die in den Geltungsbereich des Übereinkommens fallenden Chemikalien einschließlich toxikologischer, ökotoxikologischer und sicherheitsbezogener Informationen (Artikel 14 Absatz 1 Buchstabe a) und den Zugang der Öffentlichkeit zu Informationen über die Handhabung von Chemikalien und das Verhalten bei Unfällen sowie über Alternativen vorsehen, „die für die menschliche Gesundheit oder die Umwelt unbedenklicher sind“ (Artikel 15 Absatz 2). Diese verschiedenen Bestimmungen unterstreichen wie im Übrigen auch Artikel 16 des Übereinkommens über technische Hilfe für Entwicklungsländer und Länder mit im Übergang befindlichen Wirtschaftssystemen klar die Notwendigkeit, für die Sicherheit von Chemikalien Sorge zu tragen und ein gesundes und nachhaltiges Management von Chemikalien sicherzustellen. Im Übrigen ermächtigt das Übereinkommen die Vertragsparteien ausdrücklich, Maßnahmen zu treffen, die die menschliche Gesundheit und die Umwelt strenger schützen als die in dem Übereinkommen verlangten, sofern diese Maßnahmen im Einklang mit dem Übereinkommen und dem Völkerrecht stehen (Artikel 15 Absatz 4).

41     Die genannten Bestimmungen zeigen somit die Bedeutung, die der Umwelt‑ und der Gesundheitskomponente im System des Übereinkommens zukommt. Wie der Rat zu Recht ausgeführt hat, lässt sich diese Bedeutung auch an den internationalen Foren erkennen, auf denen das Übereinkommen diskutiert oder verhandelt wurde (UNEP, FAO, Konferenz von Rio de Janeiro 1992 und Johannesburger Gipfel 2002), sowie an den laufenden Diskussionen auf Gemeinschaftsebene, wobei die rasche Ratifizierung des Übereinkommens insbesondere unter den prioritären Aktionen nach Artikel 7 Absatz 2 Buchstabe d des Beschlusses Nr. 1600/2002/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. Juli 2002 über das sechste Umweltaktionsprogramm der Europäischen Gemeinschaft (ABl. L 242, S. 1) genannt wird.

42     Gleichwohl kann aber aus den vorstehenden Randnummern nicht gefolgert werden, dass die handelsrechtliche Komponente des Übereinkommens bloß nebensächlich ist. Eine Betrachtung der Bestimmungen des Übereinkommens und insbesondere seiner Artikel über das PIC‑Verfahren führt nämlich zu dem Schluss, dass das Übereinkommen auch Normen enthält, die den Handel mit gefährlichen Chemikalien regeln und sich unmittelbar und sofort auf diesen Handel auswirken (vgl. in diesem Sinne Gutachten 2/00, Randnr. 37, und Urteil vom 12. Dezember 2002, Kommission/Rat, Randnrn. 40 und 41).

43     Vom Vorhandensein solcher Normen zeugen bereits Artikel 1 des Übereinkommens, in dem die Vertragsparteien als ihr Ziel angeben, die gemeinsame Verantwortung und die gemeinschaftlichen Bemühungen „im internationalen Handel mit bestimmten gefährlichen Chemikalien“ zu fördern, und auch gerade der Beschluss, der mit der vorliegenden Klage angefochten wird. In der dritten Begründungserwägung dieses Beschlusses erkennt der Rat nämlich ausdrücklich an, dass das Übereinkommen „ein wichtiger Schritt [ist] zur Verbesserung der internationalen Regulierung des Handels mit bestimmten gefährlichen Chemikalien sowie Pestiziden mit dem Ziel, die Gesundheit und die Umwelt vor potenziellem Schaden zu bewahren und zu einer umweltgerechten Verwendung der Stoffe beizutragen“. Die Parteien des Übereinkommens streben somit an, das Ziel des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt gerade mit dem Erlass von Maßnahmen handelsrechtlicher Natur – zur Regelung des Handels mit bestimmten gefährlichen Chemikalien oder Pestiziden – zu erreichen.

44     In diesem Zusammenhang ist auch darauf hinzuweisen, dass das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung zwar, wie der Rat und mehrere Streithelfer in ihren Schriftsätzen ausführen, tatsächlich ein typisches Instrument der Umweltpolitik ist, dass seine Durchführung im Rahmen des vorliegenden Übereinkommens aber Bestimmungen unterliegt, die unmittelbar den Handel mit den davon erfassten Produkten regeln. Sowohl aus dem Titel dieses Übereinkommens als auch aus seinem Artikel 5 Absatz 6 – in Verbindung mit Anlage II Buchstabe c Ziffer iv des Übereinkommens – ergibt sich nämlich, dass das Übereinkommen nur auf bestimmte gefährliche Chemikalien und Pestizide im internationalen Handel anwendbar ist, wobei ein solcher Handel unerlässliche Voraussetzung für ihre Aufnahme in Anlage III des Übereinkommens und damit für ihre Einbeziehung in das PIC‑Verfahren ist. Im vom Gerichtshof im Gutachten 2/00 geprüften Protokoll von Cartagena fehlt es an einer derart ausdrücklichen Verbindung zwischen Handel und Umwelt.

45     Das Protokoll von Cartagena, das in der Folge des von der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten im Juni 1992 unterzeichneten und mit dem Beschluss 93/626/EWG des Rates vom 25. Oktober 1993 (ABl. L 309, S. 1) genehmigten Übereinkommens über die biologische Vielfalt angenommen wurde, verfolgt nämlich, wie der Gerichtshof in Randnummer 34 des Gutachtens 2/00 ausgeführt hat, in erster Linie das Ziel, die biologische Vielfalt vor den schädlichen Auswirkungen zu schützen, die sich aus Tätigkeiten, bei denen mit lebenden veränderten Organismen umgegangen wird, und insbesondere aus deren grenzüberschreitender Verbringung ergeben könnten. Der Handel mit solchen Organismen ist somit nur einer der Aspekte, die von dem genannten Protokoll geregelt werden, während er im System des Übereinkommens Voraussetzung für die Anwendung des PIC‑Verfahrens ist.

46     Dieses Verfahren umfasst zudem entsprechend seiner Definition in dem Übereinkommen mehrere Maßnahmen, die als Maßnahmen zur „Regelung“ oder „Reglementierung“ des internationalen Handels mit den betreffenden Produkten einzustufen sind und somit in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik fallen. Insoweit können insbesondere genannt werden die den Parteien des Übereinkommens auferlegte Verpflichtung, eine Einfuhrregelung für die diesem Verfahren unterliegenden Produkte aufzustellen (Artikel 10 Absätze 1 bis 5), die Mitteilung der wesentlichen Elemente dieser Regelung an jede betroffene natürliche oder juristische Person (Artikel 10 Absatz 8) oder die ausführenden Vertragsparteien auferlegte Verpflichtung, die Beachtung der von den einführenden Vertragsparteien aufgestellten Regelungen durch Ausführer innerhalb ihres Hoheitsbereichs sicherzustellen und insbesondere – von klar umrissenen Ausnahmen abgesehen – jede Ausfuhr von in Anlage III aufgenommenen Chemikalien an eine Vertragspartei zu verbieten, die dem Sekretariat ihre für diese Produkte geltende Einfuhrregelung nicht mitgeteilt oder nur eine vorläufige Antwort übermittelt hat, die keine Entscheidung über eine vorläufig anwendbare Einfuhrregelung enthält (Artikel 11 Absätze 1 Buchstabe b und 2).

47     Artikel 10 Absatz 9 des Übereinkommens – der die Vertragsparteien, die entschieden haben, der Einfuhr einer Chemikalie nicht oder nur unter bestimmten Bedingungen zuzustimmen, verpflichtet, gleichzeitig die Einfuhr dieses Produktes aus jeder Quelle sowie die Herstellung des Produktes im Inland zu verbieten oder zu beschränken – zeigt insoweit besonders deutlich, dass Handels- und Umweltpolitik in diesem Übereinkommen eng miteinander verschränkt sind. Denn soweit dieser Artikel auch die Herstellung der entsprechenden Chemikalien im Inland betrifft, fällt er unbestreitbar in den Bereich der Politik des Schutzes der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Zugleich kann aber nicht bestritten werden, dass dieser Bestimmung eine offenkundige handelsrechtliche Bedeutung zukommt, da die von den einführenden Vertragsparteien getroffene Verbots- oder Beschränkungsmaßnahme auf jede Einfuhr der betreffenden Produkte unabhängig von ihrer Quelle Anwendung finden muss. Diese Bestimmung betrifft daher auch Länder, die das Übereinkommen nicht unterzeichnet haben, und kann die Handelsströme aus diesen Ländern oder in diese Länder unmittelbar beeinflussen.

48     Schließlich kann auch Artikel 13 des Übereinkommens, und zwar seine Absätze 2 und 3, die bei der Ausfuhr gefährlicher Chemikalien eine angemessene Kennzeichnung vorschreiben, unter die Vorschriften des Übereinkommens zur „Regelung“ oder „Reglementierung“ des internationalen Handels mit den fraglichen Produkten eingereiht werden. Im Übrigen werden die Auswirkungen des Übereinkommens auf den internationalen Handel noch durch Artikel 13 Absatz 1 bestätigt, wonach die Weltzollorganisation ersucht wird, den in Anlage III des Übereinkommens aufgenommenen einzelnen Chemikalien oder Chemikaliengruppen im Rahmen des Harmonisierten Systems bestimmte Zollcodes zuzuordnen, die bei der Ausfuhr zwingend in den Versandpapieren des fraglichen Produktes zu vermerken sind.

49     Diese Feststellungen zur handelsrechtlichen Komponente des Übereinkommens werden nicht dadurch in Frage gestellt, dass das Übereinkommen eher auf eine Beschränkung des Handels mit den genannten Produkten als auf seine Förderung ausgerichtet sein soll. Wie die Kommission in ihren Schriftsätzen zu Recht ausgeführt hat, wurden nämlich zahlreiche Gemeinschaftsrechtsakte auf der Grundlage von Artikel 133 EG oder zuvor Artikel 113 EG-Vertrag (nach Änderung jetzt Artikel 133 EG) erlassen, auch wenn sie ausdrücklich auf die Beschränkung oder sogar das vollständige Verbot der Ein- oder Ausfuhr bestimmter Produkte abzielten (vgl. dazu u. a. Urteile vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C‑70/94, Werner, Slg. 1995, I‑3189, Randnr. 10, und in der Rechtssache C‑83/94, Leifer, Slg. 1995, I‑3231, Randnr. 10, und vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C‑124/95, Centro-Com, Slg. 1997, I‑81, Randnr. 26).

50     Der von mehreren Streithelfern angeführte Umstand schließlich, dass andere ähnliche Abkommen oder Verordnungen der Gemeinschaft auf die Artikel 130s EWG-Vertrag oder EG-Vertrag oder auf Artikel 175 EG gestützt seien, ist für die vorliegende Rechtssache ohne jede Bedeutung. Die Bestimmung der Rechtsgrundlage einer Handlung hat nämlich in Ansehung des Zieles und des Inhalts dieser Handlung zu erfolgen und nicht aufgrund der für den Erlass anderer Gemeinschaftshandlungen, die gegebenenfalls ähnliche Merkmale aufweisen, herangezogenen Rechtsgrundlage (vgl. u. a. Urteil vom 28. Juni 1994 in der Rechtssache C‑187/93, Parlament/Rat, Slg. 1994, I‑2857, Randnr. 28, das die Wahl der Rechtsgrundlage eben der Verordnung Nr. 259/93 betraf, die vom Rat und mehreren Streithelfern für die Heranziehung des Artikel 175 EG in der vorliegenden Rechtssache angeführt wird).

51     Angesichts aller vorstehenden Erwägungen ist somit, wie sich im Übrigen auch ausdrücklich aus der achten Begründungserwägung des Übereinkommens ergibt, wonach sich Handels‑ und Umweltpolitik der Parteien des Übereinkommens mit Blick auf eine nachhaltige Entwicklung gegenseitig ergänzen sollten, im Ergebnis festzustellen, dass das Übereinkommen hinsichtlich sowohl der damit verfolgten Ziele als auch seines Inhalts zwei untrennbar miteinander verbundene Komponenten enthält, ohne dass die eine gegenüber der anderen als zweitrangig oder mittelbar angesehen werden könnte, wobei die eine der gemeinsamen Handelspolitik und die andere dem Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt zuzurechnen ist. In Anwendung der in Randnummer 36 dieses Urteils zitierten Rechtsprechung war der Beschluss über die Genehmigung des Übereinkommens im Namen der Gemeinschaft somit auf die beiden entsprechenden Rechtsgrundlagen zu stützen, also auf Artikel 133 EG und Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit den einschlägigen Bestimmungen des Artikels 300 EG.

52     Zwar ist, wie der Gerichtshof in den Randnummern 17 bis 21 seines Urteils Titandioxid im Wesentlichen ausgeführt hat, der Rückgriff auf eine doppelte Rechtsgrundlage ausgeschlossen, wenn sich die für die beiden Rechtsgrundlagen jeweils vorgesehenen Verfahren nicht miteinander vereinbaren lassen und/oder wenn die Verbindung der Rechtsgrundlagen die Rechte des Parlaments beeinträchtigen würde (vgl. in diesem Sinne auch Urteile vom 25. Februar 1999 in den Rechtssachen C‑164/97 und C‑165/97, Parlament/Rat, Slg. 1999, I‑1139, Randnr. 14, und vom 29. April 2004, Kommission/Rat, Randnr. 57). Im vorliegenden Fall hätte aber ein gemeinsamer Rückgriff auf Artikel 133 EG und Artikel 175 Absatz 1 EG keine dieser Folgen.

53     Zum einen gehört das Übereinkommen nämlich nicht zur Kategorie der Abkommen, die nach Artikel 133 Absatz 5 EG Einstimmigkeit im Rat erfordern, so dass der zusätzliche Rückgriff auf Artikel 133 EG hier keine Auswirkungen auf die im Rat geltenden Abstimmungsregeln haben konnte, da diese Vorschrift grundsätzlich ebenso wie Artikel 175 Absatz 1 EG vorsieht, dass der Rat mit qualifizierter Mehrheit beschließt.

54     Zum anderen ist der gemeinsame Rückgriff auf die Artikel 133 EG und 175 Absatz 1 EG auch nicht dazu angetan, die Rechte des Parlaments zu beeinträchtigen, da zwar der erste dieser beiden Artikel in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1 EG die Anhörung dieses Organs vor dem Abschluss eines Abkommens im Bereich der Handelspolitik nicht vorsieht, wohl aber der zweite zu diesem Ergebnis führt. Anders als in der Rechtssache Titandioxid bewirkt die Verbindung der Rechtsgrundlagen somit im vorliegenden Fall keinerlei Beeinträchtigung der Rechte des Parlaments.

55     Schließlich ist zu beachten, dass die Gemeinschaft, indem sie den Beschluss über die Genehmigung des Übereinkommens auf die doppelte Rechtsgrundlage der Artikel 133 EG und 175 EG stützt, auch den anderen Parteien des Übereinkommens Hinweise gibt zum Umfang der Zuständigkeit der Gemeinschaft in Bezug auf das Übereinkommen, das, wie oben gezeigt wurde, sowohl in den Bereich der gemeinsamen Handelspolitik als auch in den der gemeinschaftlichen Umweltpolitik fällt, und zudem zur Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten, wobei diese Aufteilung auch im Stadium der Durchführung des Übereinkommens auf Gemeinschaftsebene zu berücksichtigen ist.

56     Nach alledem ist der angefochtene Beschluss für nichtig zu erklären, insofern als er allein auf Artikel 175 Absatz 1 EG in Verbindung mit Artikel 300 Absätze 2 Unterabsatz 1 Satz 1 und 3 Unterabsatz 1 EG gestützt ist.

 Kosten

57     Nach Artikel 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Nach Artikel 69 § 3 Absatz 1 der Verfahrensordnung kann der Gerichtshof jedoch die Kosten teilen oder beschließen, dass jede Partei ihre eigenen Kosten trägt, wenn jede Partei teils obsiegt, teils unterliegt oder wenn ein außergewöhnlicher Grund gegeben ist. Da im vorliegenden Fall die Kommission und der Rat mit ihrem Vorbringen jeweils zum Teil unterlegen sind, ist zu entscheiden, dass sie jeweils ihre eigenen Kosten tragen. Nach Artikel 69 § 4 der Verfahrensordnung tragen die Mitgliedstaaten und die Organe, die dem Rechtsstreit als Streithelfer beigetreten sind, ihre eigenen Kosten.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Zweite Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Der Beschluss 2003/106/EG des Rates vom 19. Dezember 2002 über die Genehmigung – im Namen der Europäischen Gemeinschaft – des Rotterdamer Übereinkommens über das Verfahren der vorherigen Zustimmung nach Inkenntnissetzung für bestimmte gefährliche Chemikalien sowie Pestizide im internationalen Handel wird für nichtig erklärt.

2.      Die Kommission der Europäischen Gemeinschaften und der Rat der Europäischen Union tragen jeweils ihre eigenen Kosten.

3.      Die Französische Republik, das Königreich der Niederlande, die Republik Österreich, die Republik Finnland, das Vereinigte Königreich Großbritannien und Nordirland sowie das Europäische Parlament tragen ihre eigenen Kosten.

Unterschriften.


* Verfahrenssprache: Englisch.

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