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Document 52016DC0182

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT über die Auswirkungen genetischer Selektion auf das Wohlbefinden von Masthähnchen

COM/2016/0182 final

Brüssel, den 7.4.2016

COM(2016) 182 final

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Auswirkungen genetischer Selektion auf das Wohlbefinden von Masthähnchen


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND AN DEN RAT

über die Auswirkungen genetischer Selektion auf das Wohlbefinden von Masthähnchen

1.    HINTERGRUND    

2.    DER HÜHNERFLEISCHSEKTOR    

2.1 Produktion, Handel und Verbrauch in der EU    

2.2 Zuchtauswahl    

3.    GENETISCHE SELEKTION UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DAS WOHLBEFINDEN VON MASTHÄHNCHEN    

3.1 Genetische Selektion: Heritabilität und Selektionsdruck    

3.2 Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere    

3.3 Wohlbefinden der Tiere und Selektionsziele    

4.    STAND DER DINGE    

4.1 Verfügbarkeit von Daten zu Selektionsprogrammen    

4.2 Genetische Vielfalt    

5.    SCHLUSSFOLGERUNGEN    

ANHANG I: PRODUKTION VON HÜHNERFLEISCH IN DER EU 2010-2014 (1000 Tonnen)    

ANHANG II: ANZAHL DER MASTHÄHNCHENBETRIEBE IN DER EU-27 IM JAHR 2010    

ANHANG III: KREUZUNGSZÜCHTUNG PYRAMIDENSTRUKTUR BEI MASTHÄHNCHEN    

ANHANG IV: MERKMALE AKTUELLER PROGRAMME ZUR SELEKTION VON MASTHÄHNCHEN    


BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND AN DEN RAT

über die Auswirkungen genetischer Selektion auf das Wohlbefinden von Masthähnchen

1.HINTERGRUND

In Artikel 6 Absatz 1 der Richtlinie (EG) 2007/43/EG 1 des Rates mit Mindestvorschriften zum Schutz von Masthühnern heißt es:

„Auf der Grundlage eines wissenschaftlichen Gutachtens der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat spätestens zum 31. Dezember 2010 einen Bericht über den Einfluss genetischer Parameter auf Mangelzustände vor, die das Wohlbefinden von Masthühnern beeinträchtigen. Der Bericht kann erforderlichenfalls von geeigneten Legislativvorschlägen begleitet werden.“

Mit dem vorliegenden Bericht kommt die Kommission dieser Verpflichtung nach.

Im Vorfeld dieses Berichts hat die Kommission 2010 ein wissenschaftliches Gutachten der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) 2 angefordert, das 2012 aktualisiert wurde 3 , und eine Wirtschaftsstudie 4 in Auftrag gegeben, die 2013 abgeschlossen wurde.

Der vorliegende Bericht bezieht sich nur auf Hühner im Sinne der Richtlinie 2007/43/EG 5 .

Da es unerwartet lange dauerte, bis umfassende wissenschaftliche und wirtschaftliche Daten vorlagen, wurde dieser Bericht mit Verzögerung angenommen.

2.DER HÜHNERFLEISCHSEKTOR

2.1 Produktion, Handel und Verbrauch in der EU

2014 ist die Produktion von Hühnerfleisch in der EU (Hühner, die zur Fleischproduktion gehalten werden, werden auch als Masthähnchen bezeichnet) auf 10,5 Millionen Tonnen angestiegen, was rund 6,5 Milliarden Hühnern 6 und rund 12% der Weltproduktion entspricht 7 .

Drei Viertel der EU-Produktion entfallen auf sieben Mitgliedstaaten: Polen, Frankreich, das Vereinigte Königreich, Deutschland, Spanien, Italien und die Niederlande (siehe Anhang I).

2010 gab es mehr als 2,2 Millionen Masthähnchenbetriebe in der EU-27. Allerdings wurden nur in 20 000 Betrieben mehr als 5000 Masthähnchen gehalten (siehe Anhang II).

2014 betrug der Selbstversorgungsgrad 8 in der EU 103,9 %. Innergemeinschaftlich wird vornehmlich Hühnerfrischfleisch gehandelt. Die Niederlande sind im innergemeinschaftlichen Handel mit Hühnerfleisch mit rund 30 % des gesamten grenzüberschreitenden Handels innerhalb der EU führend, gefolgt von Frankreich, Deutschland und Polen.

In der EU sind die Hauptabnehmer von Hühnerfleisch die Niederlande, das Vereinigte Königreich, Deutschland und Frankreich. Auf diese vier Länder entfallen auch 62 % aller Einfuhren von Hühnerfleisch in die EU, bei denen es sich vornehmlich um gefrorenes unverarbeitetes Brustfleisch aus Brasilien oder gefrorenes vorgekochtes Brustfleisch aus Thailand handelt.

Mit einem durchschnittlichen Pro-Kopf-Verbrauch von 26,8 kg im Jahr 2014 ist Hühnerfleisch mit rund 30 % des gesamten Fleischverzehrs nach Schweinefleisch 9 das am zweithäufigsten verzehrte Fleisch in der EU. Der Verbrauch von Hühnerfleisch steigt in fast allen Mitgliedstaaten weiter an.

2.2 Zuchtauswahl

Das System zur Produktion von Hühnerfleisch ist hochkomplex und beginnt bereits, bevor die Küken schlüpfen. Masthühner entstehen durch komplexe genetische Kombinationen, die bereits mehrere Generationen zuvor erfolgen.

Bei der genetischen Selektion werden die geeignetsten Hühner ausgewählt, um die nächste Generation hervorzubringen. Hierdurch werden die Eigenschaften festgelegt, für die je nach Marktanforderungen eine bestimmte Abstammungslinie ausgewählt wird.

Masthühner entstehen durch eine Kreuzungszucht in vier Schritten (siehe Anhang III). Ausgangspunkt bei diesem pyramidenartigen Produktionsprozess ist die genetische Selektion einer Reihe von reinen Abstammungslinien (auch Stammbaum genannt) durch den Zuchtbetrieb. Hühner aus ausgewählten reinrassigen Abstammungslinien werden miteinander gekreuzt und unter Einhaltung hoher Anforderungen an die biologische Sicherheit frei von spezifischen Krankheitserregern und an weit auseinanderliegenden Orten gehalten, um Ansteckung und somit wesentliche wirtschaftliche und genetische Verluste zu verhindern, zu denen es ansonsten kommen könnte.

Reinrassige Hühner, aus denen die nächste Generation hervorgehen soll, werden ausgewählt und anschließend dem Multiplikationsverfahren zugeführt. Dieses Verfahren umfasst drei Stufen: Die erste Stufe ist die Ebene der Urgroßeltern, die zweite die der Großeltern und die dritte die der Elterntiere; diese bringen Küken hervor, die ab dem Alter von einem Tag zu kommerziellen Masthühnern herangezogen werden.

Bislang befindet sich der Weltmarkt für die Masthähnchenzucht in der Hand einiger weniger Betriebe. Diese Unternehmen haben der Kommission keine genauen Angaben zu Brutstätten oder Tieren übermittelt, vor allem, weil es sich bei diesen Informationen ihrer Auffassung nach um sensible Geschäftsinformation handelt.

2.3 Modelle der Hühnerzucht in der EU

In der Hühnerfleischindustrie in der EU sind vor allem zwei Organisationsmodelle verbreitet: die vertikale integrierte Produktion und unabhängige Verknüpfungen der Produktionskette.

Beim vertikalen Integrationsmodell werden mehrere oder alle Verknüpfungen innerhalb der Produktion (Zucht, Brutbetrieb, Unterbringung, Futtermittelfabrik und Verarbeitungsbetrieb) von einem Hauptunternehmen überwacht. Dieses liefert die Eintagsküken und die Futtermittel und stellt manchmal auch die Unterbringungsmöglichkeiten für die Hühner zur Verfügung; die Hühner sind jederzeit sein Eigentum. Die Landwirte erhalten für ihre Arbeit einen vorab definierten Satz zuzüglich Mittel zur Deckung ihrer variablen Kosten. Dieses System ist im Vereinigten Königreich, Italien, Frankreich und Spanien gängig.

Beim zweiten Modell (unabhängige Verknüpfungen) ist jedes Glied der Produktionskette am freien Markt tätig und trägt sein Risiko selbst. Der Landwirt ist Eigentümer der Hühner und den Schwankungen bei den Futtermittelpreisen und der Nachfrage nach Geflügelfleisch stärker ausgesetzt. Dieses System ist in den Niederlanden und Belgien verbreitet, während man in Deutschland beide Modelle findet.

Die genetische Selektion zielt zumeist darauf ab, den Bedarf an schnellwachsenden Hühnern zu decken, da das Produktionssystem in der EU überwiegend darauf ausgerichtet ist.

Zu diesem Zweck stützt sich der Hühnerfleischsektor in der EU auf schnellwachsende Masthühner. Diese Masthühner erzielen das angestrebte Lebendgewicht von 2-2,5 kg in rund 35-45 Tagen. Allerdings gibt es Abweichungen je nach Land, Region oder zu belieferndem Marktsegment. Der Trend geht in Europa im Allgemeinen dahin, dass auf schnelles Wachstum gezüchtete Masthähnchen abgesperrt und kontrolliert untergebracht, mit Einstreu versorgt und automatisch gefüttert und getränkt werden.

Ein Teil der Produktion zielt auch auf langsames Wachstum ab; hier erfolgt die genetische Selektion der Tiere entsprechend.

Langsam wachsende Masthähnchen (70 bis 81 Tage) haben in vielen EU-Ländern in den letzten Jahren an Bedeutung gewonnen. Diese Masthähnchen kommen in der Freiland- und Biohaltung vor; hier ist die Besatzdichte gering und die Tiere haben ständig Zugang zu einem Außenbereich. Sachverständige aus der Branche sind allerdings der Auffassung, dass langsam wachsende Hühner auch in Zukunft ein Nischenmarkt bleiben werden. Außerdem gibt es die zertifizierte Masthähnchenproduktion, bei der langsam wachsende Masthähnchen bis zu ihrem 56. Lebenstag im Stall gehalten werden, was einer Zwischenlösung zwischen der konventionellen Mast und der Bioproduktion gleichkommt. Es liegen keine Statistiken zur genauen Zahl der alternativ gehaltenen (langsam wachsenden oder zertifizierten) Masthähnchen in der EU vor; Branchensachverständige gehen allerdings davon aus, dass der Marktanteil bei 5 % bis 10 % der gesamten Produktion liegt 10 .

3.GENETISCHE SELEKTION UND IHRE AUSWIRKUNGEN AUF DAS WOHLBEFINDEN VON MASTHÄHNCHEN

In der genetischen Selektion von Masthähnchen haben sich in den vergangenen 50 Jahren bedeutende Veränderungen ergeben. Insbesondere wurde das Wachstum von Masthähnchen deutlich beschleunigt: Während Masthähnchen in den 1950er Jahren 120 Tage benötigten, um ein Körpergewicht von 1,5 kg zu erreichen, passiert dies heutzutage für gewöhnlich in weniger als 30 Tagen. Ziel der Selektion waren ursprünglich ein schnelleres Wachstum und höhere Fleischerträge. Um jedoch unerwünschte Folgen einseitiger Produktionsselektion zu vermeiden, wurde in den letzten Jahren auch nach Resistenz für bestimmte Krankheiten und tierschützerischen Kriterien selektiert.

Die meisten Tierschutzprobleme bei Masthähnchen sind auf eine Kombination aus Umwelt-, Haltungs- und genetischen Faktoren zurückzuführen. In wissenschaftlichen Stellungnahmen wird jedoch anerkannt, dass manche Tierschutzprobleme ausschließlich genetisch bedingt sind, während andere vornehmlich auf Umwelt-/Haltungsfaktoren wie Besatzdichte, Qualität der Einstreu, Lichtverhältnisse und Größe des Käfigs zurückzuführen sind.

3.1 Genetische Selektion: Heritabilität und Selektionsdruck

Zuchtprogramme dienen dazu, Geflügelbetrieben eintägige Masthähnchen zur Verfügung zu stellen (Multiplikationspyramide) (siehe Abschnitt 2.2). Die Zuchtpyramide erleichtert die Kreuzzüchtung zwischen genetisch unterschiedlichen Abstammungslinien zur Selektion bestimmter Merkmale, auf die das genetische Programm abzielt. Wie stark sich das Merkmal nach einer Generation herausbildet, hängt von der Heritabilität 11 des Merkmals und dem ausgeübten Selektionsdruck (dem Anteil der Tiere, die ein bestimmtes Merkmal aufweisen und als Elterntiere für die nachfolgende Generation verwendet werden) ab. Außerdem stellen Fortschritte, die bei der genetischen Selektion in Zuchtbetrieben erzielt werden, nicht sicher, dass bei Masthähnchen eine ähnlich Veränderung erzielt werden kann, da Masthähnchen nicht in dem gleichen Umfeld gehalten werden wie Zuchtgeflügel 12 .

Es ist sehr schwierig, Daten zur Heritabilität des selektierten Merkmals zu erhalten, da einerseits mehrere hundert Tiere benötigt werden, um zuverlässige Daten zu erhalten, und es zum anderen mindestens vier Jahre dauert, bis sich ein genetischer Wandel bei Masthähnchen zeigt (siehe Anhang III).

Zielt die Selektion gleichzeitig auf mehrere Merkmale ab, dann bildet sich ein Merkmal nicht so schnell heraus, als wenn die Selektion der Herausbildung nur eines Merkmals dienen würde, weil in ersterem Fall der Selektionsdruck geringer ist. Wenn beispielsweise das Selektionsprogramm A auf die Wachstumsrate und die Krankheitsresistenz und das Selektionsprogramm B nur auf die Wachstumsrate abzielt, dann wird die Herausbildung einer hohen Wachstumsrate im Programm A länger dauern als im Programm B.

In der Vergangenheit wurde ausschließlich auf Produktionsmerkmale gezüchtet und selektiert. Seit die Futtermittelkosten der wichtigste Faktor für die Wirtschaftlichkeit der Hähnchenfleischproduktion sind, ist die effiziente Futterverwertung 13 zum wichtigsten Selektionsmerkmal geworden. In den vergangenen Jahren war hier jedoch ein Wandel zu beobachten, da der Schwerpunkt zunehmend auf nicht produktionsbezogene Merkmale wie Knochenqualität, Herz-Kreislauf-Effizienz und Aszitesresistenz gelegt wurde (siehe Anhang IV).

Wie diese Merkmale in Programme zur genetischen Selektion eingebunden sind, ist eine sensible Geschäftsinformation, die von den Zuchtbetrieben nicht offengelegt wird. Daher ist der genaue Selektionsdruck auf die produktionsbezogenen und nichtproduktionsbezogenen Merkmale nicht bekannt.

3.2 Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Tiere

In den vergangenen Jahrzehnten wurde eine große Bandbreite von Stoffwechsel- und Verhaltensmerkmalen von Masthähnchen durch genetische Selektion modifiziert, was zu den verschiedenen nachfolgend beschriebenen Tierschutzproblemen geführt hat:

Beine und Bewegung

Probleme mit den Beinen, wie Knochendeformationen und Lahmheit, beeinträchtigen das Bewegungssystem und sind eine der wichtigsten Ursachen für mangelndes Wohlbefinden bei Masthähnchen; diese Probleme können genetisch bedingt sein. Wie die EFSA aufgezeigt hat, weisen rund 30 % der Masthähnchen in Intensivhaltung Beinabnormalitäten auf. Diese biomechanischen Einschränkungen sind vermutlich die Folge der morphologischen Veränderungen, etwa des schnellen Wachstums der Brustmuskulatur, durch das der Körperschwerpunkt nach vorne rückt, und der relativ kurzen Beine im Verhältnis zum Körpergewicht der Tiere.

Aus dem wissenschaftlichen Gutachten geht hervor, dass die Knochen schnellwachsender selektierter Stämme poröser und weniger stark mineralisiert sind als die eines langsamwachsenden Kontrollstamms. Überdies haben Studien ergeben, dass 56 Tage alte langsamwachsende Masthähnchen deutlich besser laufen konnten als solche, die nur 42 Tage alt werden.

Hühner, die eine extrem abnormale Gangart aufweisen, haben Schwierigkeiten bei der Fortbewegung und weisen mit großer Wahrscheinlichkeit ein verändertes Fressverhalten auf, d. h. sie verbringen mehr Zeit liegend, da ihnen Bewegung Schmerzen bereitet, und leiden daher häufiger an Kontaktdermatitis (siehe unten).

Aszites und plötzlicher Herztod

Als Aszites wird die Ansammlung von Flüssigkeit in der Bauchhöhle bezeichnet; es handelt sich dabei um eine Stoffwechselstörung in Folge einer Herzerweiterung und Herzhypertrophie, was zu Herzversagen und Änderungen der Leberfunktion führt. Der plötzliche Herztod ist die häufigste Todesursache bei Masthähnchenbeständen und betrifft in erster Linie schnellwachsende männliche Tiere 14 . Es wird im Allgemeinen angenommen, dass die Hauptursachen für Aszites und den plötzlichen Herztod unzureichende Sauerstoffversorgung oder ein überhöhter Sauerstoffbedarf sind. Weitere Faktoren wie Ernährung, Luftqualität oder Lichtverhältnisse können beim Auftreten von Aszites und dem plötzlichen Herztod ebenfalls eine Rolle spielen.

Mehreren von der EFSA angeführten Studien war zu entnehmen, dass die Anfälligkeit für Aszites erblich ist. Die durch genetische Selektion erzielten hohen Wachstumsraten führen zu einem Anstieg des Risikos für Aszites oder den plötzlichen Herztod, da das Herz-Lungen-System durch den erhöhten Sauerstoffbedarf unter Druck gerät. Aus mehreren Studien geht hervor, dass die Mortalität durch Aszites bei schnellwachsenden Masthähnchen (die nach 42 Tagen geschlachtet werden) höher ist als bei langsam wachsenden Hühnern (die nach 56 Tagen geschlachtet werden).

Kontaktdermatitis

Hauterkrankungen wie Kontaktdermatitis (Erosionen an der Brust, dem Sprunggelenk und den Fußballen, die sich zu Geschwüren entwickeln und sich entzünden können) sind in erster Linie auf Haltungspraktiken zurückzuführen, da feuchte Einstreu und die Zusammensetzung der Futtermittel (in geringerem Ausmaß) anscheinend die wichtigsten Faktoren waren, um das Auftreten von Kontaktdermatitis zu verhindern 15 . Allerdings haben verschiedene Studien ergeben, dass Kontaktdermatitis in geringem Maß vererblich ist und sich dieses wichtige Tierschutzproblem durch genetische Selektion teilweise lösen ließe.

3.3 Wohlbefinden der Tiere und Selektionsziele

Genetisch betrachtet, ist das angestrebte Ziel der Selektion ein Huhn, das Merkmale der Produktion, der Fortpflanzung, der Gesundheit und des Wohlbefindens effektiv in sich vereint. Durch die Einschätzung der genetischen Korrelation zwischen Merkmalen der Produktion und des Wohlbefindens, die als Selektionskriterien bei Tierzuchtprogrammen herangezogen werden, könnte leichter eingeschätzt werden, wie sich eine direkte Selektion auf andere Merkmale auswirken würde.

Die Korrelation zwischen einigen Merkmalen der Gesundheit und des Wohlbefindens auf der einen und Merkmalen der Produktion auf der anderen Seite kann höher oder niedriger sein. Eine hohe Korrelation zwischen zwei Merkmalen bedeutet, dass die genetische Selektion nicht getrennt erfolgen kann. Korrelieren Merkmale der Produktion stark negativ mit Merkmalen der Gesundheit und des Wohlbefindens, so bedeutet dies, dass die Verbesserung eines Produktionsmerkmals (z. B. der Wachstumsrate) die anderen Merkmale beeinträchtigt (z. B. weil das Risiko für Aszites steigt). Dies stellt eine Herausforderung dar, die in einem ausgewogenen Zuchtprogramm anhand angemessener Selektionsindizes angegangen werden kann.

Idealerweise sollten in Zuchtprogrammen Merkmale in einem Selektionsindex zusammengefasst werden, in dem die Auswirkungen auf verschiedene Merkmale der Tiere berücksichtigt werden.

Im Hinblick auf die oben beschriebenen wichtigsten Auswirkungen auf das Wohlbefinden ergaben die von der EFSA zitierten wissenschaftlichen Studien Folgendes:

Aufgrund der genetischen Korrelation zwischen Merkmalen, etwa zwischen spezifischen Skelettproblemen und Wachstum, dürfte es möglich sein, eine genetische Verbesserung der Beingesundheit zu erzielen und gleichzeitig die Wachstumsrate weiter, wenn auch weniger schnell, zu steigern.  

Es ist möglich, eine Abstammungslinie zu züchten, die gegen Aszites resistent ist, da sich herausgestellt hat, dass nur eine Handvoll Gene für die Anfälligkeit für Aszites verantwortlich sind, die aber stark vererbbar sind. Der plötzliche Herztod korreliert mit Aszites.

Es besteht eine geringfügige genetische Korrelation zwischen Kontaktdermatitis (Verbrennungen am Fußballen und am Sprunggelenk) und dem Körpergewicht, was darauf hindeutet, dass die Selektion gegen Anfälligkeit für Fußballendermatitis ohne unerwünschte Auswirkungen auf die Gewichtszunahme möglich ist.

Vor diesem Hintergrund können bereits positive Anzeichen einer besseren Einbindung von Aspekten des Wohlbefindens in das Selektionsverfahren von Zuchtprogrammen festgestellt werden. Zum Beispiel deuten jüngste Studien über Masthähnchenbestände darauf hin, dass Beinprobleme und Aszites in den vergangenen zehn Jahren zurückgegangen sind. Gemäß den Branchenangaben sind diese Ergebnisse darauf zurückzuführen, dass Merkmale der Gesundheit und des Wohlbefindens in die Selektionsprogramme aufgenommen wurden.

4.STAND DER DINGE

4.1 Verfügbarkeit von Daten zu Selektionsprogrammen

Neue Technologien auf der Grundlage genetischer Marker können bei der genetischen Selektion hilfreich sein, um diejenigen Hühner ausfindig zu machen, die die gewünschten Gene in sich tragen. Wenngleich die genetische Selektion im Rahmen von Zuchtprogrammen zur Gewährleistung einer wettbewerbsfähigen Masthähnchenproduktion in der EU beiträgt, kann aufgrund des unzureichenden Zugangs zu zuverlässigen Zuchtdaten in diesem Bericht nicht in Zahlen dargelegt werden, wie groß die genetischen Verbesserungen oder die einzelnen Merkmale sind.

Überdies beruhen diese Selektionsverfahren im Wesentlichen auf Beständen, die von Zuchtbetrieben kontrolliert werden. Es gibt weltweit nur wenige Zuchtbetriebe, die Masthähnchen und Mastküken liefern 16 . Die Erzeuger haben nur begrenzten Zugang zu präzisen Informationen über die Selektionskriterien des Zuchtprogramms.

Außerdem besteht aufgrund des Marktdrucks derzeit kein ausreichender Anreiz für Zuchtbetriebe, Merkmalen des Wohlbefindens ein größeres Gewicht in ihren Zuchtprogrammen zu verleihen.

Am Markt für Hühnerfleisch liegt der Schwerpunkt aus Wettbewerbsgründen seit einiger Zeit auf der Senkung der Preise. Auf Futtermittel entfallen rund 65 % der Produktionskosten, so dass bei der genetischen Selektion aus Kostengründen vornehmlich auf schnelles Wachstum gesetzt wird. Dass Masthähnchen, die nach Merkmalen des Wohlbefindens selektiert werden, Futter weniger effizient verwerten, führt zu höheren Kosten.

4.2 Genetische Vielfalt

Selektionsprogramme sind ein hilfreiches Mittel, um bestimmte Produktionsmerkmale bei Masttieren zu verstärken. Allerdings führt dies auch zu einem Verlust der genetischen Vielfalt und möglicherweise zu einem unbeabsichtigten Ausrotten genetischer Merkmale, die sich künftig als nützlich erweisen könnten, wenn sich die Produktionsbedingungen ändern (Resistenz gegenüber neuen Erkrankungen, neuen klimatischen Bedingungen usw.).

Daher wird im Rahmen des EU-Gemeinschaftsprogramms zur Erhaltung, Charakterisierung, Sammlung und Nutzung genetischer Ressourcen in der Landwirtschaft die genetische Vielfalt gefördert. Vor diesem Hintergrund hat die Kommission das Projekt Globaldiv 17 ins Leben gerufen mit dem Hauptziel, internationale Sachverständige aus verschiedenen Bereichen mit Bezug zur Charakterisierung der genetischen Ressourcen landwirtschaftlicher Nutztiere zusammenzuführen, um zu eruieren, welche Faktoren hauptsächlich für den Verlust an biologischer Vielfalt verantwortlich und welche Strategien für ihre Erhaltung möglich sind.

5.SCHLUSSFOLGERUNGEN

Bei den Selektionsprogrammen von Zuchtbetrieben rücken Merkmale mit Bezug zur Gesundheit und zum Wohlbefinden der Hühner allmählich stärker in den Vordergrund.

Die derzeitige Gesetzgebung sieht ein Überwachungssystem für Indikatoren der Gesundheit von Masttieren vor 18 , die bei der genetischen Selektion stärker zum Tragen kommen könnten.

Das Interesse der Verbraucher an Masthähnchen, die nach Merkmalen des Wohlbefindens selektiert und kostenintensiver produziert wurden, nimmt zu.

Informationen zu verschiedenen Aspekten der Tiergesundheit, die auf die Bedürfnisse des jeweiligen Publikums (Schule, Medien usw.) zugeschnitten sind, könnten zu einem Anstieg der Nachfrage nach Produkten beitragen, die unter dem Aspekt des Wohlbefindens der Tiere produziert werden.

Zum gegenwärtigen Zeitpunkt wird kein Legislativvorschlag für erforderlich gehalten. Im Einklang mit ihrem Auftrag zum Schutz von Tieren ist die Europäische Kommission bereit, unter Einsatz der bestehenden Mittel Verbesserungen auf diesem Gebiet zu fördern.

ANHANG I: PRODUKTION VON HÜHNERFLEISCH IN DER EU 2010-2014 (1000 Tonnen)

 

2010

2011

2012

2013

2014

Belgien

497,117

487,05

401,747

379,33

425,01

Bulgarien

72,763

73,428

74,482

69,81

71,53

Tschechische Republik

182,723

166,636

148,986

143,85

143,87

Dänemark

184

185,7

153,9

159,3

142,8

Deutschland

802,781

853,525

864

911

969

Estland

11,244

11,244

11,244

11,244

11,244

Irland

108,554

108,554

108,554

108,554

108,554

Griechenland

175,898

173,05

179,999

177,73

187,86

Spanien

1 115,86

1 111,91

1 128,37

1 133,70

1 236,83

Frankreich

1 037,00

1 060,00

1 044,00

1 078,00

1 047,00

Kroatien

48,5

50

48,8

49,8

Italien

864,969

894,744

922,353

902,74

919,55

Zypern

27,473

27,22

25,148

21,83

21,48

Lettland

23,394

22,807

24,491

26,71

28,56

Litauen

63,994

67,943

73,773

82,94

86,69

Luxemburg

0

0

0

0

0

Ungarn

208,275

219,828

240,09

235,59

261,26

Malta

4,398

4,155

4,252

4,13

3,94

Niederlande

781,454

840,922

888,521

920,8

956,12

Österreich

96,562

95,063

92,681

94,94

97,27

Polen

1 000,29

1 046,25

1 270,70

1 365,61

1 477,09

Portugal

248,848

245,633

244,311

245,4

248,9

Rumänien

298,386

298,386

298,386

301,877

301,877

Slowenien

54,626

52,903

53,957

52,81

55,64

Slowakei

71,315

71,315

71,315

69,739

69,739

Finnland

86,544

92,493

98,183

102,33

104,55

Schweden

111,993

111,528

109,671

117,42

126,12

Vereinigtes Königreich

1 379,37

1 357,00

1 378,97

1 442,55

1 437,64

EU

9 509,83

9 727,78

9 962,09

10 208,73

10 589,92

ANHANG II: ANZAHL DER MASTHÄHNCHENBETRIEBE IN DER EU-27 IM JAHR 2010

Land

> 1 Masthähnchen

> 5000 Masthähnchen

% der Gesamtmenge in der EU-27

(> 5000 Masthähnchen)

Belgien

930

620

3,2

Bulgarien

19470

140

0,7

Tschechische Republik

280

130

0,7

Dänemark

280

170

0,9

Deutschland

4540

1040

5,3

Estland

120

0

0,0

Irland

550

170

0,9

Griechenland

102280

630

3,2

Spanien

36570

3360

17,1

Frankreich

41710

5780

29,4

Italien

13200

1550

7,9

Zypern

2570

40

0,2

Lettland

480

0

0,0

Litauen

13190

10

0,1

Luxemburg

40

Siehe BE

0,0

Ungarn

18760

250

1,3

Malta

160

40

0,2

Niederlande

640

620

3,2

Österreich

1190

300

1,5

Polen

337540

2330

11,8

Portugal

105010

750

3,8

Rumänien

1532550

300

1,5

Slowenien

2910

170

0,9

Slowakei

470

60

0,3

Finnland

100

100

05

Schweden

180

80

0,4

Vereinigtes Königreich

1740

1040

5,3

EU-27

2237460

19680

100,0

Quelle: Eurostat (2010)

ANHANG III: KREUZUNGSZÜCHTUNG PYRAMIDENSTRUKTUR BEI MASTHÄHNCHEN

ANHANG IV: MERKMALE AKTUELLER PROGRAMME ZUR SELEKTION VON MASTHÄHNCHEN

Selektionsbereiche

Wichtigste Merkmalskategorien (mehrere Merkmale möglich)

Gesundheit und Wohlbefinden

Immunabwehr, Vollständigkeit des Skeletts, Funktionstüchtigkeit des Herzens und der Lunge, Lebensfähigkeit/Überleben/geringe Sterblichkeit, Federkleid, keine Brustläsionen

Reproduktion

Schlupffähigkeit, Anzahl der Eier, Fruchtbarkeit, Alter und Geschlechtsreife

Produktion

Futterverwertung, Wachstumsprofil, Fleischqualität, Brustfleischertrag, Gewicht, geringer Fettanteil

(1)

   ABl. L 182 vom 12.7.2007, S. 19.

(2)

   Gremium für Tiergesundheit und Tierschutz der EFSA (AHAW): Wissenschaftliches Gutachten zum Einfluss genetischer Parameter auf das Wohlbefinden und die Stressresistenz von Masthähnchen. EFSA Journal 2010; 8 (7):1666. [82 S.]. doi:10.2903/j.efsa.2010.1666. Online abrufbar unter: www.efsa.europa.eu.

(3)

   de Jong I, Berg C., Butterworth A., Estevéz I: Wissenschaftlicher Bericht zur Aktualisierung des Gutachtens der EFSA zum Wohlbefinden von Masthähnchen. Begleitende Veröffentlichungen 2012:EN-295. Online abrufbar unter: www.efsa.europa.eu/publications.

(4)

   Study of the impact of genetic selection on the welfare of chickens bred and kept for meat production (Studie über die Auswirkungen genetischer Selektion auf das Wohlbefinden von Masthähnchen) (Januar 2013): http://ec.europa.eu/food/animals/docs/aw_practice_farm_broilers_653020_final-report_en.pdf.

(5)

   Siehe Artikel 1 Absatz 1 Buchstabe b und Artikel 1 Absatz 2 Unterabsatz 1 der Richtlinie 2007/43/EG.

(6)

   Quelle: Eurostat.

(7)

   http://www.avec-poultry.eu/system/files/archive/new-structure/avec/Communication/Study%20final%20version.pdf.

(8)

   Als Selbstversorgungsgrad wird das Verhältnis von EU-Produktion zu Binnenverbrauch bezeichnet (Selbstversorgungsgrad = Produktion/(Produktion + Einfuhren - Ausfuhren).

(9)

   http://ec.europa.eu/agriculture/external-studies/2013/origin-labelling/fulltext_en.pdf.

(10)

    http://www.avec-poultry.eu/system/files/archive/new-structure/avec/Communication/Study%20final%20version.pdf.

(11)

   Von der Heritabilität ist abhängig, wie hoch der Anteil der genetisch bedingten Unterschiede zwischen Individuen ist. Im Rahmen der Heritabilitätsforschung wird untersucht, wie sehr sich die Unterschiede genetischer und nichtgenetischer Faktoren relativ gesehen auf die gesamte beobachtbare Populationsvarianz auswirken. So sind manche Menschen in einer Population größer als andere; im Rahmen der Heritabilitätsforschung soll festgestellt werden, in welchem Maße die unterschiedliche Körpergröße genetisch bedingt ist.

(12)

   Study of the impact of genetic selection on the welfare of chickens bred and kept for meat production (Studie über die Auswirkungen genetischer Selektion auf das Wohlbefinden von Masthähnchen) (Januar 2013): http://ec.europa.eu/food/animals/docs/aw_practice_farm_broilers_653020_final-report_en.pdf.

(13)

   Futterverwertungsrate: die Futtermittelmenge, die aufgenommen werden muss, um ein Kilo Körpergewicht zuzulegen.

(14)

   Maxwell und Robertson (1997;1998) gelangten zu dem Schluss, dass weltweit 4,7 % der Masthähnchen betroffen sind.

(15)

   Wie häufig Kontaktdermatitis auftritt, ist unterschiedlich, und die Ergebnisse unterschieden sich je nach Alter der Hühner zum Zeitpunkt der Bewertung.

(16)

   Rund 60-70 % der Masthähnchenzucht erfolgt durch europäische Unternehmen und die Nachfrage nach ihren Produkten steigt insbesondere vonseiten der Entwicklungsländer (China, Brasilien, Indien).

(17)

   http://ec.europa.eu/agriculture/genetic-resources/actions/f-067/067-executive-summary_en.pdf

(18)

   Artikel 6 Absatz 2 der Richtlinie 2007/43/EG des Rates.

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