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Document 52014DC0057

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten

/* COM/2014/057 final */

52014DC0057

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten /* COM/2014/057 final */


INHALTSVERZEICHNIS

1........... Einleitung...................................................................................................................... 3

2........... Hintergrund der Rahmenbeschlüsse: ein schlüssiges Paket sich gegenseitig ergänzender Legislativinstrumente.................................................................................................... 4

3........... Aktueller Stand der Umsetzung und Folgen der Nichtumsetzung.............................. 5

4........... Vorläufige Bewertung der eingegangenen Umsetzungsvorschriften........................... 6

4.1........ Rolle des Betroffenen im Rahmen des Überstellungsverfahrens................................. 7

4.2........ Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens: Es erfolgt grundsätzlich keine Anpassung des Strafspruchs     8

4.3........ Folgeentscheidungen: Unterschiede bei der Strafvollstreckung.................................. 9

4.4........ Zustimmungspflicht bei Überstellungen, sofern keine Zurückweisungsgründe vorliegen   9

4.5........ Fristen......................................................................................................................... 10

4.6........ Zusammenhang zwischen den Rahmenbeschlüssen und dem Europäischen Haftbefehl     11

4.7........ Erklärungen zu Übergangsbestimmungen.................................................................. 11

5........... Neue rechtliche Rahmenbedingungen, um sicherzustellen, dass die Legislativinstrumente der dritten Säule in der Praxis angewandt werden................................................................................ 12

6........... Fazit............................................................................................................................ 12

BERICHT DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Umsetzung der Rahmenbeschlüsse 2008/909/JI, 2008/947/JI und 2009/829/JI über die gegenseitige Anerkennung von Urteilen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird, von Bewährungsentscheidungen und alternativen Sanktionen und von Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft durch die Mitgliedstaaten

1.           Einleitung

In einem auf gegenseitigem Vertrauen basierenden europäischen Justizraum hat die Union Maßnahmen ergriffen, um sicherzustellen, dass Gebietsfremde, gegen die ein Strafverfahren läuft, nicht anders behandelt werden als diejenigen, die in dem jeweiligen Staat wohnhaft sind. Dies ist angesichts der großen Anzahl von Unionsbürgern, die in anderen Mitgliedstaaten inhaftiert sind, von besonderer Bedeutung.

2008 und 2009 nahm die EU deshalb drei sich ergänzende Rahmenbeschlüsse an, deren Umsetzungsfristen inzwischen abgelaufen sind:

– Der Rahmenbeschluss 2008/909/JI[1] des Rates über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile in Strafsachen, durch die eine freiheitsentziehende Strafe oder Maßnahme verhängt wird (Überstellung verurteilter Personen), war bis zum 5. Dezember 2011 umzusetzen. Zum einen gestattet es dieser Beschluss einem Mitgliedstaat, eine freiheitsentziehende Strafe zu vollstrecken, die durch einen anderen Mitgliedstaat gegen eine Person verhängt wurde, die im ersten Mitgliedstaat verbleibt. Zum anderen wird durch ihn ein System eingerichtet, mit dem verurteilte Personen an den Mitgliedstaat der Staatsangehörigkeit oder des Wohnsitzes (oder in einen anderen Mitgliedstaat, zu dem enge Bindungen bestehen) überstellt werden können, um dort ihre freiheitsentziehende Strafe zu verbüßen.

– Der Rahmenbeschluss 2008/947/JI des Rates[2] über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Urteile und Bewährungsentscheidungen im Hinblick auf die Überwachung von Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen (Bewährung und alternative Sanktionen) war bis zum 6. Dezember 2011 umzusetzen. Dieser Beschluss findet Anwendung auf zahlreiche Alternativen zur Haft und auf Maßnahmen zur Erleichterung einer vorzeitigen Entlassung (z. B. eine Verpflichtung, bestimmte Orte nicht zu betreten, eine gemeinnützige Leistung zu erbringen oder Weisungen, die den Aufenthalt, die Ausbildung oder Berufstätigkeit betreffen, Folge zu leisten). Die Bewährungsentscheidung oder andere alternative Sanktionen können mit Zustimmung des Betroffenen in einem anderen Mitgliedstaat vollstreckt werden.

– Der Rahmenbeschluss 2009/829/JI[3] des Rates über die Anwendung – zwischen den Mitgliedstaaten der Europäischen Union – des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf Entscheidungen über Überwachungsmaßnahmen als Alternative zur Untersuchungshaft (Europäische Überwachungsanordnung) war bis zum 1. Dezember 2012 umzusetzen. Er betrifft die vorläufige Entlassung aus der Untersuchungshaft im Rahmen des Ermittlungsverfahrens. Er macht es möglich, dass eine Überwachungsmaßnahme ohne Freiheitsentzug (z. B. eine Verpflichtung, sich an einem bestimmten Ort aufzuhalten oder sich zu bestimmten Zeiten bei einer bestimmten Behörde zu melden) von dem Mitgliedstaat, in dem der Gebietsfremde verdächtigt wird, eine Straftat begangen zu haben, an den Mitgliedstaat übertragen wird, in dem er seinen Wohnsitz hat. Somit kann ein Verdächtiger einer Überwachungsmaßnahme in seinem Heimatmitgliedstaat unterzogen werden, bis das Verfahren in dem anderen Mitgliedstaat stattfindet, anstatt in Untersuchungshaft genommen zu werden.

Die Auswertung der zahlreichen Antworten auf das Grünbuch der Kommission vom Juni 2011 zur Anwendung der EU-Strafrechtsvorschriften im Bereich des Freiheitsentzugs[4] ergab, dass die ordnungsgemäße und fristgerechte Umsetzung der Rahmenbeschlüsse absoluten Vorrang haben sollte.

Dieser Bericht soll daher zweierlei leisten: erstens den Stand der Umsetzung der Rahmenbeschlüsse vor dem Hintergrund der Tatsache bewerten, dass die Kommission ab dem 1. Dezember 2014[5] befugt ist, Vertragsverletzungsverfahren einzuleiten; zweitens eine vorläufige Bewertung der bei der Kommission bereits eingegangen nationalen Umsetzungsvorschriften vorzunehmen.

2.           Hintergrund der Rahmenbeschlüsse: ein schlüssiges Paket sich gegenseitig ergänzender Legislativinstrumente

Jedes Jahr werden Zehntausende von Unionsbürgern wegen mutmaßlicher Verbrechen in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union strafrechtlich verfolgt oder verurteilt. Sehr häufig ordnen die Strafgerichte bei Gebietsfremden Untersuchungshaft an, weil befürchtet wird, dass der Betroffene zum Verfahren nicht erscheinen wird. Eine beschuldigte Person, die in dem Land wohnhaft ist, würde in einer vergleichbaren Situation dagegen in der Regel einer weniger einschneidenden Überwachungsmaßnahme, wie einer Meldeauflage oder einem Reiseverbot, unterworfen werden.

Die Rahmenbeschlüsse müssen als ein Paket schlüssiger und sich ergänzender Rechtsvorschriften gesehen werden, welche die Frage des Freiheitsentzugs von Unionsbürgern in einem andern Mitgliedstaat angehen und potenziell zu einer Verringerung der Untersuchungshaft bzw. zur Erleichterung der sozialen Wiedereingliederung von Straftätern im grenzüberschreitenden Kontext führen können. Zwischen den drei Rahmenbeschlüssen bestehen in der Tat funktionale Verbindungen wie auch zwischen den Rahmenbeschlüssen und dem Europäischen Haftbefehl[6].

Die korrekte Umsetzung der Europäischen Überwachungsanordnung durch alle Mitgliedstaaten wird es Personen, gegen die ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt wurde, erlauben, bis zur Gerichtsverhandlung im anderen Mitgliedstaat rasch in ihren Wohnsitzstaat zurückzukehren. Dadurch wird nach Vollstreckung des Europäischen Haftbefehls und vor dem eigentlichen Verfahren eine lange Untersuchungshaft im Ausland vermieden. Ferner wird eine korrekte Umsetzung des Rahmenbeschlusses über Bewährung und alternative Sanktionen die Richter, die darauf vertrauen können, dass eine Person in einem anderen Mitgliedstaat angemessen überwacht wird, dazu ermutigen, anstelle des Freiheitsentzugs eine alternative Sanktion zu verhängen, die im Ausland vollstreckt wird.

Es gibt auch einen Zusammenhang zwischen dem Rahmenbeschluss zur Europäischen Überwachungsanordnung und dem Rahmenbeschluss Bewährung und alternative Sanktionen. Wurde die beschuldigte Person während des Ermittlungsverfahrens bereits auf der Grundlage einer Europäischen Überwachungsanordnung zurückgesandt und hat sie gezeigt, dass sie die ihr für die Dauer des Ermittlungsverfahrens auferlegten Auflagen einhält, wird der Richter selbstverständlich eher geneigt sein, (anstelle des Freiheitsentzugs) alternative Sanktionen zu verhängen, die anschließend im Ausland vollstreckt werden können.

Des Weiteren stellt Artikel 25 des Rahmenbeschlusses Überstellung von verurteilten Personen eine Verbindung zum Europäischen Haftbefehl her. Diese Bestimmung erlaubt es in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 6 und Artikel 5 Absatz 3 des Europäischen Haftbefehls einem Mitgliedstaat, die Überstellung von Staatsbürgern oder dort wohnhaften Personen zu verweigern, wenn er sich dazu verpflichtet, die Haftstrafe gemäß dem Rahmenbeschluss Überstellung von verurteilten Personen zu vollstrecken.

Dieses Legislativpaket kann seine volle Wirkung nur entfalten, wenn die Rahmenbeschlüsse ordnungsgemäß in nationales Recht umgesetzt werden.

3.           Aktueller Stand der Umsetzung und Folgen der Nichtumsetzung

Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts hatten 10, 14 bzw. 16 Mitgliedstaaten die Rahmenbeschlüsse mehr als zwei Jahre bzw. ein Jahr nach Ablauf der Umsetzungsfrist noch nicht umgesetzt. Nur folgende Mitgliedstaaten haben der Kommission die nationalen Umsetzungsvorschriften gemeldet:

– Überstellung verurteilter Personen: von DK, FI, IT, LU und UK vor Ablauf der Umsetzungsfrist und von AT, BE, CZ, FR, HR, HU, LV, MT, NL, PL, RO, SI und SK nach Ablauf der Umsetzungsfrist.

– Bewährung und alternative Sanktionen: von DK und FI vor Ablauf der Umsetzungsfrist und von AT, BE, BG, CZ, HR, HU, LV, NL, PL, RO, SI und SK nach Ablauf der Umsetzungsfrist.

– Europäischer Haftbefehl: von DK, FI, LV und PL vor Ablauf der Umsetzungsfrist und von AT, CZ, HR, HU, NL, RO, SI und SK nach Ablauf der Umsetzungsfrist.

Keine Meldung ging von folgenden Mitgliedstaaten ein[7]:

– Überstellung von verurteilten Personen: BG, CY, DE, EE, EL, ES, IE, LT, PT und SE.

– Bewährung und alternative Sanktionen: CY, DE, EE, EL, ES, FR, IE, IT, LT, LU, MT, PT, SE und UK.

– Europäische Überwachungsanordnung: BE, BG, CY, DE, EE, EL, ES, FR, IE, IT, LT, LU, MT, PT, SE und UK.

Eine Tabelle über den aktuellen Stand der Umsetzung der Rahmenbeschlüsse ist in der beiliegenden Arbeitsunterlage zusammen mit einer Tabelle mit Angaben zu den diesbezüglichen Erklärungen der Mitgliedstaaten enthalten.

Rahmenbeschlüsse müssen von den Mitgliedstaaten ebenso wie jede andere Rechtsvorschrift des EU-Besitzstands umgesetzt werden. Rahmenbeschlüsse sind hinsichtlich des zu erreichenden Ergebnisses für die Mitgliedstaaten verbindlich, doch bleibt die Wahl der Form und der Methode der Umsetzung den Behörden der Mitgliedstaaten überlassen. Rahmenbeschlüsse haben keine unmittelbare Wirkung. Allerdings gilt der Grundsatz konformer Auslegung für Rahmenbeschlüsse, die unter Titel VI des Vertrags über die Europäische Union fallen.[8]

Die Nichtumsetzung der Rahmenbeschlüsse durch einige Mitgliedstaaten ist sehr problematisch, da diejenigen Mitgliedstaaten, welche die Rahmenbeschlüsse ordnungsgemäß umgesetzt haben, die Bestimmungen zur Zusammenarbeit in ihren Beziehungen mit denjenigen Mitgliedstaaten, die die Beschlüsse nicht fristgerecht umgesetzt haben, nicht nutzen können. Der Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung, der Eckstein des gemeinsamen Rechtsraums, macht eine gegenseitige Umsetzung erforderlich; dies kann nicht funktionieren, wenn die Instrumente in den beiden betroffenen Mitgliedstaaten nicht korrekt umgesetzt sind. Folglich müssen bei der Zusammenarbeit mit einem Mitgliedstaat, der die Beschlüsse nicht fristgerecht umgesetzt hat, selbst diejenigen Mitgliedstaaten, die dies getan haben, weiterhin die entsprechenden Übereinkommen des Europarates zur Überstellung von verurteilten Personen oder zur Strafvollstreckung in anderen Mitgliedstaaten anwenden.

4.           Vorläufige Bewertung der eingegangenen Umsetzungsvorschriften

Bei den Sachverständigentreffen mit den Mitgliedstaaten wurde klar, dass einige Fragen und rechtliche Bestimmungen verstärkter Aufmerksamkeit bedürfen. Dieser Eindruck wurde auch im Rahmen einer vorläufigen Analyse der Umsetzungsvorschriften der Mitgliedstaaten bestätigt, die der Kommission bereits vorgelegt wurden.

Aus diesem Grund stehen im Mittelpunkt dieses Berichts einige Artikel, die angesichts der verfolgten Ziele den eigentlichen Kern der Rahmenbeschlüsse bilden. Da dieser Bericht sich auf die drei Rahmenbeschlüsse bezieht, sind die Artikel jeweils nach Themenbereich zusammengefasst.

Angesichts der Tatsache, dass es sich hierbei um eine vorläufige Bewertung handelt und dass so viele Mitgliedstaaten ihrer Verpflichtung zur Umsetzung der Rahmenbeschlüsse noch nicht nachgekommen sind, ist es zu früh, um allgemeine Schlussfolgerungen über die Qualität der Umsetzung zu ziehen.

Ferner haben die Mitgliedstaaten bislang wenig praktische Erfahrung mit der Anwendung der Rahmenbeschlüsse gesammelt. Zum Zeitpunkt der Erstellung dieses Berichts lagen der Kommission nur einige wenige aussagekräftige Informationen über die praktische Anwendung der Rahmenbeschlüsse von drei Mitgliedstaaten vor (BE, FI und NL). Die wenigen verfügbaren Zahlen zeigen, dass der Rahmenbeschluss Überstellung von verurteilten Personen bereits angewandt wird, es aber noch zu keinen Überstellungen auf der Grundlage des Rahmenbeschlusses Bewährung und alternative Sanktionen und der Europäischen Überwachungsanordnung gekommen ist.

Die Anstrengungen der Mitgliedstaaten, welche die Rahmenbeschlüsse rechtzeitig umgesetzt haben, sind hervorzuheben und die Anmerkungen zu diesen Mitgliedstaaten sind so zu verstehen, dass die Kommission das Umsetzungsverfahren weiterhin unterstützen möchte.

4.1.        Rolle des Betroffenen im Rahmen des Überstellungsverfahrens

(Artikel 6 Überstellung von verurteilten Personen, Artikel 5 Bewährung und alternative Sanktionen und Artikel 9 Europäische Überwachungsanordnung)

Angesichts der Bedeutung der sozialen Wiedereingliederung als Leitprinzip der Rahmenbeschlüsse müssen die Umsetzungsvorschriften der Mitgliedstaaten sicherstellen, dass die betroffene Person im Rahmen von Überstellungsbeschlüssen angemessen konsultiert wird.

Allerdings ist nach Artikel 6 Überstellung von verurteilten Personen eine Überstellung ohne Zustimmung der verurteilten Person unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Da dies gegenüber dem Übereinkommen des Europarates aus dem Jahr 1983 einen neuen Aspekt darstellt[9], ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten diese Bestimmung korrekt umsetzen. Die Umsetzungsvorschriften sollten eine Überstellung der verurteilten Personen ohne deren Zustimmung nur in den drei genau abgegrenzten Fällen zulassen, die in diesem Artikel genannt werden. Es sollte zumindest vorgesehen werden, dass die Stellungnahme der verurteilten Person berücksichtigt wird (sofern sie sich noch im Anordnungsstaat befindet), dass die verurteilte Person unterrichtet wird, dass es zu einer Konsultation zwischen den zuständigen Behörden kommt und dass die Behörden des Vollstreckungsstaates die Möglichkeit haben, eine begründete Stellungnahme abzugeben.

Eine vorläufige Analyse der Umsetzungsvorschriften der Mitgliedstaaten zeigt, dass es nicht immer ausdrücklich vorgesehen ist, dass die Person unterrichtet wird und dass ihr die Möglichkeit eingeräumt wird, eine Stellungnahme abzugeben, die zu berücksichtigen ist.

Dem Rahmenbeschluss Bewährung und alternative Sanktionen zufolge ist die Zustimmung der verurteilten Person unerlässlich, es sei denn, die Person ist bereits in den Vollstreckungsstaat zurückgekehrt, sodass von ihrer Zustimmung ausgegangen werden kann. Dies ist wichtig, da dieser Rahmenbeschluss nicht gegen den Willen der betroffenen Person angewandt werden kann. Der Grund dafür ist, dass dieser Rahmenbeschluss nur dann zum Tragen kommt, wenn die betroffene Person im Anordnungsstaat bereits freigelassen wurde und als freier Mensch in ihr Heimatland zurückkehren möchte und bereit ist, mit den für die Überwachung zuständigen Behörden zusammenzuarbeiten. Dasselbe gilt für die Europäische Überwachungsanordnung, die sich auf das Ermittlungsverfahren bezieht, in dem die Unschuldsvermutung gilt.

Die Kommission wird prüfen, ob die Mitgliedstaaten in ihren Umsetzungsvorschriften ordnungsgemäß ein wirksames Verfahren vorgesehen haben, in dem der verurteilten Person im Überstellungsverfahren Mitsprache eingeräumt wird.

4.2.        Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens: Es erfolgt grundsätzlich keine Anpassung des Strafspruchs

(Artikel 8 Überstellung von verurteilten Personen, Artikel 9 Bewährung und alternative Sanktionen und Artikel 13 Europäische Überwachungsanordnung)

Es ist wichtig, dass zwischen der Achtung des ursprünglichen Strafspruchs und den Rechtstraditionen der Mitgliedstaaten ein Ausgleich erzielt wird, um Konflikte, die das Funktionieren der Rahmenbeschlüsse negativ beeinflussen könnten, zu vermeiden. Da die Rahmenbeschlüsse auf dem Vertrauen in die Rechtssysteme anderer Mitgliedstaaten basieren, sollte die Entscheidung des Richters im Anordnungsstaat anerkannt und grundsätzlich keine Revision oder Anpassung der Entscheidung vorgenommen werden. Nur wenn die Dauer oder die Art der Sanktion mit den nationalen Rechtsvorschriften des Vollstreckungsstaates unvereinbar ist (zum Beispiel wenn eine Höchststrafe vorgesehen ist), kann der Strafspruch angepasst werden. Die angepasste Strafe muss jedoch der ursprünglichen Strafe so genau wie möglich entsprechen und darf Art oder Dauer der im Anordnungsstaat verhängten Sanktion nicht verschärfen.

Einige Mitgliedstaaten haben die Möglichkeit der Anpassung erweitert, indem sie zusätzliche Bedingungen hinzugefügt haben (PL, LV). Dies eröffnet dem Vollstreckungsstaat die Möglichkeit, zu prüfen, ob die im Anordnungsstaat verhängte Sanktion derjenigen entspricht, die für die Straftat normalerweise im Vollstreckungsstaat verhängt worden wäre. Ein solches Vorgehen steht im Widerspruch zu den Zielen und dem Geist der Rahmenbeschlüsse.

In Bezug auf Sanktionen, die keinen Freiheitsentzug vorsehen, stellt der Rahmenbeschluss Bewährung und alternative Sanktionen sicher, dass die Vollstreckung einer alternativen Sanktion einem anderen Staat übertragen werden kann, selbst wenn eine Sanktion dieser Art für eine derartige Straftat in diesem Staat nicht verhängt werden würde. Da die Mitgliedstaaten jedoch zumindest die in Artikel 4 Absatz 1 dieses Rahmenbeschlusses vorgesehenen Bewährungsmaßnahmen und alternativen Sanktionen vorsehen müssen, wird ein positiver Nebeneffekt in der Förderung und Angleichung von Alternativen zum Freiheitsentzug in den verschiedenen Mitgliedstaaten bestehen. Eine vorläufige Prüfung der Rechtsvorschriften ergab, dass einige Mitgliedstaaten nicht alle verbindlichen Maßnahmen umgesetzt haben (BG, PL).

Dasselbe gilt für den Rahmenbeschluss Europäische Überwachungsanordnung, wonach die Mitgliedstaaten nach Artikel 8 Absatz 1 mindestens sechs verbindliche Maßnahmen vorsehen müssen. HU lässt lediglich die Übertragung von drei Überwachungsmaßnahmen zu.

4.3.        Folgeentscheidungen: Unterschiede bei der Strafvollstreckung

(Artikel 17 Überstellung von verurteilten Personen, Artikel 14 Bewährung und alternative Sanktionen und Artikel 18 Europäische Überwachungsanordnung)

Wie lange die verurteilte Person wirklich inhaftiert sein wird, hängt weitgehend von den Bestimmungen zur vorzeitigen und bedingten Entlassung im Vollstreckungsstaat ab. Es bestehen diesbezüglich erhebliche Unterschiede zwischen den Mitgliedstaaten: In einigen Mitgliedstaaten wird die verurteilte Person nach Verbüßen von zwei Dritteln der Sanktion entlassen, in anderen nach einem Drittel.

Nach Artikel 17 des Rahmenbeschlusses Überstellung von verurteilten Personen ist das Recht des Vollstreckungsstaats auf die Vollstreckung einer Sanktion, einschließlich der Gründe für eine vorzeitige und bedingte Entlassung, anwendbar. Dieser Mitgliedstaat muss jedoch den Anordnungsstaat auf dessen Ersuchen über die für eine etwaige vorzeitige oder bedingte Entlassung im Vollstreckungsstaat geltenden Bestimmungen unterrichten. Falls der Anordnungsstaat befürchtet, dass die Überstellung zu einer nach Ansicht des Anordnungsstaats frühzeitigen Entlassung führen würde, kann dieser entscheiden, die betroffene Person nicht zu überstellen und die Bescheinigung zurückziehen. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass die Mitgliedstaaten diese Pflicht zur Unterrichtung auf Ersuchen vor der Überstellung und Vollstreckung der Strafe ordnungsgemäß umgesetzt haben, was bei einigen Mitgliedstaaten nicht der Fall ist.

Die Kommission wird den Informationsaustausch über die vorzeitige oder bedingte Entlassung mithilfe von Datenbanken in Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten und Interessenträgern fördern.

4.4.        Zustimmungspflicht bei Überstellungen, sofern keine Zurückweisungsgründe vorliegen

(Artikel 9 Überstellung von verurteilten Personen, Artikel 11 Bewährung und alternative Sanktionen und Artikel 15 Europäische Überwachungsanordnung)

Einer der neuen Aspekte der Rahmenbeschlüsse besteht darin, dass sie grundsätzlich eine Pflicht zur Annahme von Überstellungsanträgen vorsehen. Dies ist auf den Grundsatz der gegenseitigen Anerkennung zurückzuführen, auf dem die Rahmenbeschlüsse basieren und der seinen Niederschlag in der in allen Rahmenbeschlüssen vorgesehenen Bestimmung findet, wonach der Vollstreckungsstaat ein vom Anordnungsstaat übermitteltes Urteil anerkennt. Überstellungen können nur in begrenzten Fällen zurückgewiesen werden, insbesondere bei Vorliegen der in den verschiedenen Rahmenbeschlüssen genannten Gründe. Im Gegensatz dazu gibt es für den Anordnungsstaat keine Verpflichtung zur Übermittlung eines Urteils (siehe Artikel 4 Absatz 5 Überstellung von verurteilten Personen)

Eine vorläufige Analyse der Umsetzungsvorschriften der Mitgliedstaaten ergab, dass beachtliche Unterschiede im Hinblick auf die Umsetzung der Gründe für die Zurückweisung bestehen. Einige Mitgliedstaaten haben nicht alle in den Rahmenbeschlüssen genannten Gründe für die Zurückweisung umgesetzt (HU, LU, NL, DK, LV), andere haben zusätzliche Gründe vorgesehen (AT, BE, DK). Einige Mitgliedstaaten haben die Gründe für die Zurückweisung derart umgesetzt, dass die Umsetzung den zuständigen Behörden freisteht (FI, LV, BG), in anderen dagegen ist die Umsetzung verbindlich (AT, IT, MT, SK) und in einer dritten Gruppe ist eine Mischung der fakultativen und verbindlichen Gründe festzustellen (BE, DK, HU, LU, NL, PL).

Die Umsetzung zusätzlicher Gründe für die Zurückweisung und deren Verbindlichkeit scheinen sowohl dem Wortlaut als auch dem Geist der Rahmenbeschlüsse zu widersprechen.

Zur Frage, ob die Anwendung der Gründe für die Zurückweisung für die zuständigen Behörden, die die Entscheidung über die Anerkennung und Vollstreckung treffen, einen fakultativen Charakter haben sollte, sieht der Wortlaut der Rahmenbeschlüsse eindeutig vor, dass die zuständige Behörde sich weigern „kann“, das Urteil anzuerkennen und die Strafe zu vollstrecken, vorausgesetzt die Gründe für die Zurückweisung sind anwendbar. Dem Wortlaut ist zu entnehmen, dass der zuständigen Behörde ein Ermessensspielraum eingeräumt werden sollte, um Fall für Fall entscheiden zu können, ob ein Grund für die Zurückweisung vorliegt. Dabei ist dem Aspekt der sozialen Wiedereingliederung, der allen drei Rahmenbeschlüssen zugrunde liegt, Rechnung zu tragen. Die Gründe für die Zurückweisung sollten deshalb als fakultative Gründe für die zuständige Behörde umgesetzt werden.

Dieser Ansatz entspricht dem Geist der Rahmenbeschlüsse, die vorsehen, dass die Überstellung die Aussichten auf die soziale Wiedereingliederung stärken soll und auf das ausdrückliche Ersuchen der angeklagten oder verurteilten Person hin stattfinden kann. In einem solchen Fall wäre eine Verpflichtung zur Zurückweisung einer Überstellung aufgrund des Vorliegens von einem der Gründe normalerweise nicht im Interesse der verurteilten Person selbst.

4.5.        Fristen

(Artikel 12 Überstellung von verurteilten Personen, Artikel 12 Bewährung und alternative Sanktionen und Artikel 12 Europäische Überwachungsanordnung)

Die Rahmenbeschlüsse richten ein neues, vereinfachtes und wirksameres System für die Übertragung von Sanktionen zur Erleichterung und Beschleunigung der justiziellen Zusammenarbeit ein. Aus diesem Grund sehen sie hierfür feste Fristen vor.

Die Fristen sollten von den Mitgliedstaaten derart umgesetzt werden, dass die endgültige Entscheidung, einschließlich des Rechtsbehelfsverfahrens, innerhalb der festgesetzten Frist getroffen wird. Diese Frist darf nur in außergewöhnlichen Fällen überschritten werden.

Obgleich es ein gemeinsames Anliegen ist, dass alle Mitgliedstaaten sicherstellen, dass verurteilte Personen ihre Rechte ausüben können und die ihnen gemäß einzelstaatlichem Recht zustehenden Rechtsmittel in Anspruch nehmen können, haben AT, HU und LV in ihren Umsetzungsvorschriften keinerlei Regelung bezüglich einer maximalen Frist vorgesehen, innerhalb welcher eine Entscheidung des Gerichts bei Widerspruchsverfahren bezüglich Überstellungen ergehen muss.

Die Mitgliedstaaten sollten sicherstellen, dass ein angemessenes Gleichgewicht zwischen der Aufnahme von Rechtsmitteln in das eigene Rechtssystem und der Bedeutung der Einhaltung der Fristen bei der Umsetzung der Rahmenbeschlüsse gewährleistet wird[10].

4.6.        Zusammenhang zwischen den Rahmenbeschlüssen und dem Europäischen Haftbefehl

(Artikel 25 Überstellung von verurteilten Personen und Artikel 21 Europäische Überwachungsanordnung)

Artikel 25 des Rahmenbeschlusses zur Überstellung von verurteilten Personen in Verbindung mit Artikel 4 Absatz 6 und Artikel 5 Absatz 3 des Rahmenbeschlusses zum Europäischen Haftbefehl erlaubt es einem Mitgliedstaat, die Auslieferung einer Person auf der Grundlage eines Europäischen Haftbefehl zu verweigern (bzw. gestattet es, die Auslieferung mit der Bedingung zu verknüpfen, dass die Person dem Mitgliedstaat rücküberstellt werden muss), sofern die betroffene Person ein Staatsbürger des Mitgliedstaates ist oder dort ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt hat, vorausgesetzt der Mitgliedstaat verpflichtet sich, die Sanktion nach Maßgabe des Rahmenbeschlusses zur Überstellung von verurteilten Personen zu vollstrecken.

Einige Mitgliedstaaten führten in ihren Umsetzungsvorschriften nicht an, dass die nationalen Bestimmungen zur Umsetzung des Rahmenbeschlusses zur Übermittlung von verurteilten Personen in den oben genannten Situationen Anwendung finden (DK, HU, LU, LV, MT und SK). AT sieht diese Möglichkeit lediglich dann vor, wenn der Auslieferungsantrag sich auf die eigenen Staatsbürger bezieht. Anstatt die Verpflichtung zur Vollstreckung der Sanktion, so wie diese im Anordnungsstaat verhängt wurde, vorzusehen, hat sich NL das Recht vorbehalten, zu prüfen, ob die verhängte Freiheitsstrafe derjenigen entspricht, die für diese Straftat in den Niederlanden verhängt worden wäre. Dies scheint dem Wortlaut und dem Geist der Rahmenbeschlüsse zu widersprechen.

Artikel 21 des Rahmenbeschlusses über die Europäische Überwachungsanordnung sieht die Möglichkeit vor, einen Europäischen Haftbefehl auszustellen, um die Person rückzuüberstellen, sofern sie sich vor Gericht verantworten muss oder ihre Rücküberstellung erforderlich ist, da sie die Auflagen, die in der Europäischen Überwachungsanordnung verhängt wurden, nicht erfüllt. Nicht alle Mitgliedstaaten haben Artikel 21 umgesetzt (HU, LV und PL).

Dies ist zu bedauern, da die Europäische Überwachungsanordnung von ihrem Wesen her sehr hilfreich wäre, um es Personen bei relativ leichten Straftaten zu erlauben, bis zum Beginn der Gerichtsverhandlung nach Hause zurückzukehren. Genau aus diesem Grund sieht Artikel 21 der Europäischen Überwachungsanordnung ausdrücklich vor, dass von der Bedingung des Europäischen Haftbefehls abgesehen wird, wonach die Straftat, für die ein Europäischer Haftbefehl ausgestellt werden kann, mit Freiheitsentzug im Höchstmaß von mindestens zwölf Monaten bedroht sein muss.[11]

4.7.        Erklärungen zu Übergangsbestimmungen

(Artikel 28 Überstellung von verurteilten Personen)

Artikel 28 des Rahmenbeschlusses zur Überstellung von verurteilten Personen gestattet es den Mitgliedstaaten, zum Zeitpunkt der Annahme dieses Rahmenbeschlusses eine Erklärung abzugeben, wonach der Mitgliedstaat in Fällen, in denen das rechtskräftige Urteil vor dem angegebenen Zeitpunkt (d. h. spätestens dem 5. Dezember 2011) ergangen ist, weiterhin die für die Überstellung verurteilter Personen geltenden Rechtsinstrumente anwenden wird. Die Rahmenbeschlüsse wurden am 27. November 2008 angenommen.

Aus den Informationen, die der Kommission übermittelt wurden, geht hervor, dass vier Mitgliedstaaten (IE, MT, NL und PL) eine derartige Erklärung abgegeben haben. Allerdings haben IE, MT und PL den jüngsten Informationen der Kommission zufolge die Erklärung nach dem Datum der Annahme dieses Rahmenbeschlusses, d. h. nach dem 27. November 2008, angenommen. Nach Auffassung der Kommission sind diese Erklärungen nicht gültig; die betreffenden Mitgliedstaaten sollten daher die Zeitbegrenzung unverzüglich aus ihren bestehenden oder vorgeschlagenen Umsetzungsvorschriften streichen.

5.           Neue rechtliche Rahmenbedingungen, um sicherzustellen, dass die Legislativinstrumente der dritten Säule in der Praxis angewandt werden

Die Rahmenbeschlüsse, die im Rahmen der sogenannten „dritten Säule“ angenommen wurden, wurden einstimmig von allen Mitgliedstaaten vereinbart, die sich verpflichtet haben, diese vor Ablauf der Umsetzungsfrist umzusetzen.

Die Mitgliedstaaten haben folglich eine Rechtsordnung geschaffen, die für sie – wie in anderen Bereichen des Unionsrechts – verbindlich ist, selbst wenn vor Ablauf der Übergangsfrist gemäß Protokoll Nr. 36 des Vertrags von Lissabon kein Vollstreckungsmechanismus verfügbar ist.

Es ist ein gemeinsames Anliegen, dass die Vollstreckbarkeit des Unionsrechts, einschließlich der im Rahmen der „dritten Säule“ angenommenen Maßnahmen, nicht von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat – je nach Grad der Umsetzung in die nationale Rechtsordnung – variiert, da dies die Erreichung einer wirksamen justiziellen Zusammenarbeit gefährden würde.

Ab dem 1. Dezember 2014 unterliegt der Bereich der polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle durch den Gerichtshof der Europäischen Union, wozu auch Vorabentscheidungen über die Auslegung der Rechtsvorschriften zählen. Die Kommission sowie die Mitgliedstaaten werden befugt sein, Vertragsverletzungsverfahren gegen diejenigen Mitgliedstaaten einzuleiten, die das Unionsrecht nicht oder nicht korrekt umgesetzt haben.

Diese neuen Möglichkeiten werden insbesondere für die wichtigsten Rechtsinstrumente aus der Zeit vor dem Vertrag von Lissabon im Bereich des Strafrechts von Belang sein, wozu nach Ansicht der Kommission die drei Rahmenbeschlüsse zählen.

6.           Fazit

Trotz der Anstrengungen, die einige Mitgliedstaaten bislang unternommen haben, ist der Stand der Umsetzung dieser drei wichtigen Rechtsinstrumente bislang alles andere als zufriedenstellend.

Das Ziel der Schaffung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts für die Bürger der Europäischen Union, das in Artikel 3 des Vertrags über die Europäische Union verankert ist, kann nicht erzielt werden, wenn die Mitgliedstaaten die von allen gemeinsam vereinbarten Instrumente nicht korrekt umsetzen.

Die teilweise und unvollständige Umsetzung der Rahmenbeschlüsse behindert die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung auf dem Gebiet der Strafjustiz. Ferner wird dadurch der Grundsatz des Vertrauensschutzes der Unionsbürger verletzt, da sie ein kostbares Instrument verlieren, um die negativen Auswirkungen auf ihr Leben zu beschränken, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat verdächtigt oder beschuldigt werden, insbesondere diejenigen Bürger, gegen die ein Europäischer Haftbefehl ergangen ist und gegen die ein Ermittlungsverfahren läuft. Gleichzeitig kann auf diese Weise die Zielsetzung der Rahmenbeschlüsse, nämlich der Gerechtigkeit Genüge zu tun und die soziale Wiedereingliederung der verdächtigten oder beschuldigten Person zu fördern, nicht erreicht werden.

Abschließend sei angemerkt, dass eine verspätete Umsetzung zu bedauern ist, da die Rahmenbeschlüsse zu einer Reduzierung von Freiheitsstrafen führen können, die von den Gerichten gegen Gebietsfremde verhängt werden. Dies könnte nicht nur die Überfüllung der Haftanstalten verringern und folglich die Haftbedingungen verbessern, sondern auch – als eine Folge davon – zu beachtlichen Einsparungen für den Staatshaushalt der Mitgliedstaaten führen.

Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Kommission ab dem 1. Dezember 2014 zur Einleitung von Vertragsverletzungsverfahren befugt ist, ist es äußerst wichtig, dass alle Mitgliedstaaten diesen Bericht prüfen und der Kommission alle weiteren sachdienlichen Informationen vorlegen, um ihren Verpflichtungen aus dem Vertrag nachzukommen. Ferner fordert die Kommission diejenigen Mitgliedstaaten, die ihr mitgeteilt haben, dass die maßgeblichen Vorschriften sich in Ausarbeitung finden, dazu auf, diese anzunehmen und ihr die nationalen Maßnahmen so bald wie möglich zu melden. Die Kommission ruft all diejenigen Mitgliedstaaten, die dies noch nicht getan haben, dringend dazu auf, rasch Maßnahmen zu ergreifen, um die Rahmenbeschlüsse in vollem Umfang umzusetzen. Außerdem ersucht sie all diejenigen Mitgliedstaaten, die die Rahmenbeschlüsse nicht korrekt umgesetzt haben, die nationalen Umsetzungsvorschriften zu überarbeiten und den Bestimmungen der Rahmenbeschlüsse anzugleichen.

[1]               Rahmenbeschluss 2008/909/JI des Rates vom 27. November 2008 (ABl. L 327 vom 5.12.2008, S. 27).

[2]               Rahmenbeschluss 2008/947/JI des Rates vom 27. November 2008 (ABl. L 337 vom 16.12.2008, S. 102).

[3]               Rahmenbeschluss 2009/829/JI des Rates vom 23. Oktober 2009 (ABl. L 294 vom 11.11.2009, S. 20).

[4]               KOM(2011) 327 endgültig: http://ec.europa.eu/justice/newsroom/criminal/opinion/110614_en.htm.

[5]               Datum, an dem die Übergangsfrist gemäß Protokoll Nr. 36 des Vertrags von Lissabon abläuft (siehe Abschnitt 5).

[6]               Rahmenbeschluss 2002/584/JI des Rates vom 13. Juni 2002 über den Europäischen Haftbefehl und die Übergabeverfahren zwischen den Mitgliedstaaten (Europäischer Haftbefehl), ABl. L 190 vom 18.7.2002, S. 1.

[7]               Einige Mitgliedstaaten haben die Kommission über die Ausarbeitung der betreffenden Rechtsvorschriften auf nationaler Ebene unterrichtet. Keiner dieser Mitgliedstaaten hatte jedoch vor Dezember 2013 die betreffenden Rechtsvorschriften angenommen oder der Kommission gemeldet.

[8]               Urteil des EuGH vom 16. Juni 2005, Rechtssache C-105/3, Pupino.

[9]               Zwar war die Überstellung von verurteilten Personen ohne deren Zustimmung unter bestimmten Voraussetzungen im Zusatzprotokoll von 1997 zum Übereinkommen des Europarates bereits vorgesehen, aber dieses Protokoll wurde nicht von allen Mitgliedstaaten ratifiziert.

[10]             Urteil des EuGH vom 30. Mai 2013, Rechtssache C-168/13 PPU, Jeremy F. / Premier ministre.

[11]             Siehe Artikel 2 Absatz 1 des Europäischen Haftbefehls.

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