EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52008XC0923(02)

Leitlinie zu verschiedenen Aspekten der Anwendung von Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates: Überprüfung der Gültigkeitsdauer einer Marktexklusivität für Arzneimittel für seltene Leiden

OJ C 242, 23.9.2008, p. 8–11 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

23.9.2008   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 242/8


Leitlinie zu verschiedenen Aspekten der Anwendung von Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates: Überprüfung der Gültigkeitsdauer einer Marktexklusivität für Arzneimittel für seltene Leiden

(2008/C 242/07)

1.   EINLEITUNG

Die Verordnung (EG) Nr. 141/2000 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Dezember 1999 über Arzneimittel für seltene Leiden (1) trat am 28. April 2000 in Kraft. Darin sind ein Gemeinschaftsverfahren für die Ausweisung von Arzneimitteln als Arzneimittel für seltene Leiden sowie Anreize für die Erforschung, Entwicklung und das Inverkehrbringen von Arzneimitteln festgelegt, die als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden.

In Übereinstimmung mit Artikel 3 Absatz 2 und Artikel 8 Absatz 4 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 nahm die Kommission am 27. April 2000 die Verordnung (EG) Nr. 847/2000 der Kommission zur Festlegung von Bestimmungen für die Anwendung der Kriterien für die Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden und von Definitionen für die Begriffe „ähnliches Arzneimittel“ und „klinische Überlegenheit“ (2) an.

Nach dreijähriger Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 veröffentlichte die Kommission im Juli 2003 eine Mitteilung (3) mit allgemeinen Überlegungen zu bestimmten Anwendungsaspekten.

In Übereinstimmung mit Artikel 10 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 nahmen die Dienststellen der Kommission im Juni 2006 einen allgemeinen Bericht über die Erfahrungen mit der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 (4) an.

In der vorliegenden Leitlinie werden die allgemeinen Grundsätze und Verfahren dargelegt, anhand derer die Marktexklusivitätsdauer für Arzneimittel für seltene Leiden überprüft und gegebenenfalls auf sechs Jahre verkürzt wird. Falls erforderlich, wird diese Leitlinie auf der Grundlage künftiger Erfahrungen mit der Anwendung von Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung Nr. 141/2000 aktualisiert (5).

2.   HINTERGRUND UND RECHTSGRUNDLAGE

Die Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden ist in Artikel 3 und 5 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 geregelt. In Artikel 3 Absatz 1 sind folgende Ausweisungskriterien festgelegt:

„Ein Arzneimittel wird als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen, wenn der Investor nachweisen kann, dass:

a)

das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines Leidens bestimmt ist, das lebensbedrohend ist oder eine chronische Invalidität nach sich zieht und von dem zum Zeitpunkt der Antragstellung in der Gemeinschaft nicht mehr als fünf von zehntausend Personen betroffen sind (das sogenannte ‚Prävalenzkriterium‘), oder

das Arzneimittel für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung eines lebensbedrohenden Leidens, eines zu schwerer Invalidität führenden oder eines schweren und chronischen Leidens in der Gemeinschaft bestimmt ist und dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize vermutlich nicht genügend Gewinn bringen würde, um die notwendigen Investitionen zu rechtfertigen;

und

b)

in der Gemeinschaft noch keine zufriedenstellende Methode für die Diagnose, Verhütung oder Behandlung des betreffenden Leidens zugelassen wurde oder dass das betreffende Arzneimittel — sofern eine solche Methode besteht — für diejenigen, die von diesem Leiden betroffen sind, von erheblichem Nutzen sein wird. (Hervorhebungen durch die Kommissionsdienststelle)“.

Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 besagt, dass bei Erteilung einer Zulassung für ein Arzneimittel für seltene Leiden in sämtlichen Mitgliedstaaten die Gemeinschaft und die Mitgliedstaaten während der nächsten zehn Jahre (6) weder einen anderen Zulassungsantrag für ein ähnliches Arzneimittel für dasselbe therapeutische Anwendungsgebiet annehmen noch eine entsprechende Zulassung erteilen noch einem Antrag auf Erweiterung einer bestehenden Zulassung stattgeben.

Laut Artikel 8 Absatz 2 derselben Verordnung kann dieser Zeitraum jedoch auf sechs Jahre verkürzt werden (7), wenn am Ende des fünften Jahres in Bezug auf das betreffende Arzneimittel feststeht, dass die in Artikel 3 festgelegten Ausweisungskriterien nicht mehr erfüllt sind, wenn nämlich unter anderem anhand der verfügbaren Nachweise belegt wird, dass die Rentabilität ausreichend ist, so dass die Aufrechterhaltung der Marktexklusivität nicht mehr gerechtfertigt ist.

Artikel 8 Absatz 5 ist die Rechtsgrundlage der Kommission für die Erstellung ausführlicher Leitlinien zur Anwendung von Artikel 8. Die vorliegende Leitlinie bezieht sich speziell auf Artikel 8 Absatz 2, so dass der entsprechenden Anforderung damit teilweise entsprochen wird.

3.   ALLGEMEINE GRUNDSÄTZE FÜR DIE ÜBERPRÜFUNG GEMÄSS ARTIKEL 8 ABSATZ 2

Ausgelöst wird das Überprüfungsverfahren nach Artikel 8 Absatz 2 dadurch, dass ein Mitgliedstaat Informationen über einen bestimmten Fall der Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden übermittelt. Es ist nicht vorgesehen, dass das Verfahren nach Artikel 8 Absatz 2 systematisch für alle Arzneimittel für seltene Leiden eingeleitet wird. Im Gegenteil: die Mitgliedstaaten sollten die Europäische Arzneimittel-Agentur (nachstehend „die Agentur“) nur dann informieren, wenn sie ausreichende Anhaltspunkte dafür haben, dass die Ausweisungskriterien nicht mehr erfüllt sind. In einem solchen Fall sind sie allerdings sogar dazu verpflichtet. Das Überprüfungsverfahren nach Artikel 8 Absatz 2 dürfte daher die Ausnahme sein.

Wird das Verfahren durch einen Mitgliedstaat eingeleitet, führt der Ausschuss für Arzneimittel für seltene Leiden (Committee on Orphan Medicinal Products — COMP) innerhalb der Agentur eine Beurteilung gemäß dem Verfahren von Artikel 5 Absatz 4 und Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 durch. Der COMP gibt ein Gutachten dazu ab, ob die Marktexklusivitätsdauer aufrechterhalten oder verkürzt werden soll. In die Beurteilung eines Arzneimittels werden alle zugelassenen therapeutischen Anwendungsgebiete einbezogen, die unter dieselbe Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden fallen.

Die Überprüfung der Marktexklusivität durch den COMP basiert in einem ersten Schritt auf denselben Kriterien, nach denen die Ausweisung gemäß Artikel 3 derselben Verordnung erfolgte. Die Marktexklusivitätsdauer wird nicht auf sechs Jahre verkürzt, wenn die ursprünglichen Ausweisungskriterien am Ende des fünften Jahres nach wie vor erfüllt sind. Sind die ursprünglichen Kriterien nicht mehr erfüllt, überprüft der COMP in einem zweiten Schritt, ob das betreffende Arzneimittel die anderen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 erfüllt.

Die Anleitung unter Ziffer 5 ist im Zusammenhang mit den bestehenden Bestimmungen und Leitlinien zu lesen, die für jene Faktoren gelten, welche für die erste Beurteilung der Ausweisungskriterien und der dazugehörigen Dokumentation sowie für die Neubewertung der Ausweisungskriterien vor Erteilung einer Zulassung maßgeblich sind. Diese Faktoren und diese Dokumentation gelten gleichermaßen bei der Überprüfung der Marktexklusivitätsdauer. Sie sind insbesondere festgelegt in:

der Verordnung (EG) Nr. 847/2000 und der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2003 (siehe oben), die verschiedene Regeln für die Bewertung der Ausweisungskriterien enthalten, sowie in,

der Leitlinie zu Format und Inhalt der Anträge auf Ausweisung eines Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden sowie zur Übertragung einer solchen Ausweisung von einem Investor auf einen anderen (8), die praktische Ratschläge zur Zusammenstellung der Unterlagen zwecks Nachweis der Einhaltung der Ausweisungskriterien enthält.

Nach Erhalt des Gutachtens erlässt die Kommission gemäß dem Verfahren von Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 eine Entscheidung. Entscheidet sie, die Marktexklusivitätsdauer zu verkürzen, wird das betreffende Arzneimittel gemäß Artikel 5 Absatz 12 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 aus dem Gemeinschaftsregister für Arzneimittel für seltene Leiden gestrichen.

Die Bewertung des Arzneimittels durch die Agentur und die Kommission findet im Allgemeinen gegen Ende des fünften Jahres nach Erteilung der Zulassung in allen Mitgliedstaaten statt. Behält ein Arzneimittel nach einer solchen Bewertung seinen Status als Arzneimittel für seltene Leiden, ist zwischen dem sechsten Jahr und dem Ende der Marktexklusivität keine weitere Überprüfung vorgesehen.

4.   ÜBERMITTLUNG VON INFORMATIONEN DURCH EINEN MITGLIEDSTAAT

Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 sieht vor, dass ein Mitgliedstaat der Agentur mitteilt, wenn mindestens eines der Kriterien, aufgrund deren die Marktexklusivität gewährt wurde, möglicherweise nicht mehr erfüllt ist.

Außerdem ist in Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 vorgesehen, dass die Marktexklusivitätsdauer verkürzt werden kann, wenn am Ende des fünften Jahres der Markexklusivität entsprechende Nachweise vorgelegt werden. Damit die Informationen innerhalb dieses zeitlichen Rahmens bearbeitet werden können, sollten die Mitgliedstaaten sie vor Ende des vierten Jahres der Marktexklusivität vorlegen.

Der betreffende Mitgliedstaat sollte seine Zweifel begründen und entsprechende Daten als Nachweis dafür beifügen, warum mindestens eines der ursprünglichen Kriterien für die Ausweisung des betreffenden Arzneimittels als Arzneimittel für selten Leiden nicht mehr erfüllt ist. Bei der Vorbereitung der Informationen für die Agentur kann der Mitgliedstaat Daten verwenden, die im Rahmen der ursprünglichen Ausweisung vorgelegt wurden und von der Agentur aufbewahrt werden.

5.   BEURTEILUNG DURCH DIE AGENTUR

Sobald Informationen gemäß Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 aus einem oder mehreren Mitgliedstaaten bei ihr eingegangen sind, setzt die Agentur die Kommission und den Zulassungsinhaber davon in Kenntnis, bevor sie das Bewertungsverfahren einleitet. Dem Zulassungsinhaber wird die Begründung des betreffenden Mitgliedstaates vorgelegt, in der dieser aufzeigt, warum mindestens eines der Ausweisungskriterien, die der Gewährung der Marktexklusivität zugrunde liegen, nicht mehr erfüllt ist. Er erhält Gelegenheit, seine Position und entsprechende Daten schriftlich vorzulegen, und kann vom COMP zu einer Anhörung geladen werden.

Der COMP gibt im Anschluss an die Beurteilung ein Gutachten dazu ab, ob der Status als Arzneimittel für seltene Leiden aufrechterhalten werden sollte. In seiner Beurteilung überprüft der COMP die einschlägigen Ausweisungskriterien auf der Grundlage der verfügbaren Nachweise, die insbesondere vom Investor und dem betreffenden Mitgliedstaat vorgelegt wurden. Kann anhand der verfügbaren Nachweise nicht mit ausreichender Sicherheit festgestellt werden, ob die Ausweisungskriterien weiterhin erfüllt sind oder nicht, empfiehlt der COMP, die Marktexklusivitätsdauer nicht zu verkürzen.

Die Beurteilung erfolgt in zwei Schritten. Der erste Schritt (siehe Ziffer 5.1) besteht in der Überprüfung der ursprünglichen Ausweisungskriterien durch den COMP. Sind diese ursprünglichen Kriterien weiterhin erfüllt, nimmt der COMP ein Gutachten an, in dem er empfiehlt, die Marktexklusivitätsdauer nicht zu verkürzen.

Sind die ursprünglichen Ausweisungskriterien nicht mehr erfüllt, erfolgt der zweite Schritt (siehe Ziffer 5.2). Nachdem der Investor dem COMP die erforderlichen Informationen vorgelegt hat, überprüft dieser, ob die anderen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 erfüllt sind.

Sind die anderen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 erfüllt, nimmt der COMP ein Gutachten an, in dem er empfiehlt, dass die Marktexklusivitätsdauer nicht verkürzt wird.

Ist keines der anderen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 erfüllt, nimmt der COMP ein Gutachten an, in dem er empfehlen kann, dass die Marktexklusivitätsdauer verkürzt wird.

5.1.   Erster Schritt

Der COMP überprüft die ursprünglichen Ausweisungskriterien, d. h. das Kriterium nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und das Kriterium nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 141/2000, die zur Ausweisung des Arzneimittels als Arzneimittel für seltene Leiden geführt haben.

5.1.1.   Andere Kriterien nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 141/2000

5.1.1.1.   Arzneimittel, die ursprünglich auf der Grundlage des Prävalenzkriteriums als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden

Für Arzneimittel, die ursprünglich auf der Grundlage des Prävalenzkriteriums nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 1 als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden, beinhaltet die Beurteilung der Agentur eine Bewertung der Prävalenz des seltenen Leidens zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität.

Für die als seltenes Leiden ausgewiesene Indikation, auf die sich die Überprüfung bezieht, wird die Prävalenz in der Gemeinschaft anhand derselben Standards errechnet, die zum Zeitpunkt der Ausweisung angewendet wurden.

Der Investor wird aufgefordert, eine kritische Überprüfung möglicher Veränderungen der geschätzten Prävalenz des Leidens bereitzustellen, einschließlich einer Erörterung der Auswirkungen des Arzneimittels auf die Prävalenz im Vergleich zur natürlichen Entwicklung der Prävalenz des Leidens. Die Prävalenzschätzung kann im Prinzip im Zeitverlauf ansteigen, entweder weil die Prävalenz zuvor unterschätzt worden war (z. B. bessere Schätzungen aufgrund einer stärkeren Sensibilisierung für das Leiden) oder weil die tatsächliche Prävalenz des Leidens gestiegen ist (z. B. gestiegene Inzidenz oder höhere Überlebensrate).

Eine Verlängerung der Überlebenszeit der Patienten, die auf die Wirkung des Arzneimittels zurückzuführen ist, würde nicht als Grund für die Reduzierung der Marktexklusivitätsdauer herangezogen. Berücksichtigt werden müsste allerdings, wenn eine gestiegene Prävalenz des Leidens auf eine längere Überlebenszeit aufgrund anderer Fortschritte bei der Behandlung der Krankheit, die nicht direkt mit dem fraglichen Arzneimittel in Zusammenhang stehen, oder auf eine erhöhte Inzidenz zurückzuführen ist.

5.1.1.2.   Arzneimittel, die ursprünglich aufgrund unzureichender Investitionserträge als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden

Für Arzneimittel, die ursprünglich wegen ungenügender Erträge auf der Grundlage des Investitionskriteriums nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a Unterabsatz 2 ausgewiesen wurden, wendet die Agentur zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität dieselbe Methodik an wie zum Zeitpunkt der Ausweisung als Arzneimittel für seltene Leiden.

Prüfkriterium nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a ist zum Zeitpunkt der Ausweisung, „dass das Inverkehrbringen des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize vermutlich nicht genügend Gewinn bringen würde, um die notwendigen Investitionen zu rechtfertigen“. (Hervorhebungen durch die Kommissionsdienststelle) Das Kriterium basiert damit auf der Prognose, dass nicht mit Erträgen zu rechnen ist, die die notwendigen Investitionen rechtfertigen würden. Das Prüfkriterium gilt als erfüllt, wenn es sich als unwahrscheinlich herausstellt, dass ein Investor zu investieren bereit wäre, weil die zu erwartenden Erträge das vom Investor getragene Risiko nicht hinreichend aufwiegen würden.

Das entsprechende Prüfkriterium zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität würde denselben Grundsätzen folgen. Somit wäre das Kriterium immer noch erfüllt, wenn die Vermarktung des Arzneimittels in der Gemeinschaft ohne Anreize nicht genügend Gewinn bringen würde, um das vom Investor bereits eingegangene oder noch einzugehende Risiko aufzuwiegen. Wenn nach Abzug der finanziellen Vorteile aufgrund der Anreize gemäß dieser Verordnung der Investitionsertrag nicht ausreicht, wird die Marktexklusivitätsdauer nicht verkürzt.

5.1.2.   Andere Kriterien nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 141/2000

Für das Kriterium nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b — Fehlen einer zufriedenstellenden Methode oder eines erheblichen Nutzens — berücksichtigt die Agentur alle Veränderungen in Bezug auf Behandlung, Verhütung oder Diagnose bei Patienten mit diesem bestimmten Leiden seit dem Zeitpunkt der Zulassungserteilung.

Der Investor kann aufgefordert werden, zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität eine kritische Überprüfung seines Arzneimittels vorzulegen. Die kritische Überprüfung umfasst alle verfügbaren Daten, beispielsweise:

die Ergebnisse vergleichender Studien,

einen umfassenden und ausgewogenen Überblick über die Fachliteratur,

Marktstudien, oder

Patientenerhebungen.

Von den Investoren wird jedoch nicht verlangt, neue vergleichende Daten in Bezug auf eine andere Behandlung/Behandlungsmethode zu gewinnen, die nach Erteilung der Zulassung für das als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesene Mittel verfügbar wurden.

5.1.2.1.   Arzneimittel, die ursprünglich aufgrund des Fehlens einer zufriedenstellenden Methode als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden

Für Arzneimittel, die ursprünglich aufgrund des Fehlens einer zufriedenstellenden Methode als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erster Teil), kann der Investor aufgefordert werden, kritisch zu überprüfen, welche Bedeutung das Arzneimittel für die therapeutische, diagnostische oder prophylaktische Betreuung von Patienten innerhalb des zugelassenen therapeutischen Anwendungsbereichs zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität hat.

5.1.2.2.   Arzneimittel, die ursprünglich aufgrund eines erheblichen Nutzens als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden

Für Arzneimittel, die ursprünglich aufgrund eines erheblichen Nutzens als Arzneimittel für seltene Leiden ausgewiesen wurden (Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b zweiter Teil), kann der Investor aufgefordert werden, kritisch zu überprüfen, ob der erhebliche Nutzen des Arzneimittels bei der Behandlung des betreffenden Leidens im Vergleich zu anderen Behandlungs-, Diagnose- oder Prophylaxemethoden zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität immer noch gegeben ist.

5.1.3.   Gutachten des COMP

Kommt der COMP zu dem Schluss, dass die ursprünglichen Ausweisungskriterien immer noch erfüllt sind, empfiehlt er, die Marktexklusivitätsdauer nicht zu verkürzen.

5.2.   Zweiter Schritt

Vertritt der COMP die Auffassung, dass die ursprünglichen Ausweisungskriterien nicht mehr erfüllt sind, gibt er dem Investor Gelegenheit nachzuweisen, dass die Marktexklusivität auf der Grundlage der anderen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 aufrechterhalten werden kann. Der Investor wird aufgefordert, der Agentur zu diesem Zweck die erforderlichen Informationen zu übermitteln.

5.2.1.   Andere Kriterien nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 141/2000

Basierte die ursprüngliche Ausweisung auf der Prävalenz und wird festgestellt, dass dieses Kriterium nicht mehr erfüllt ist, beurteilt der COMP den Investitionsertrag des Arzneimittels zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität.

Basierte die ursprüngliche Ausweisung hingegen auf dem Investitionsertrag und wird festgestellt, dass dieses Kriterium nicht mehr erfüllt ist, beurteilt der COMP die Prävalenz des Arzneimittels zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität.

5.2.2.   Andere Kriterien nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b der Verordnung (EG) Nr. 141/2000

Basierte die ursprüngliche Ausweisung auf dem Fehlen einer zufriedenstellenden Methode und wird festgestellt, dass dieses Kriterium nicht mehr erfüllt ist, beurteilt der COMP den erheblichen Nutzen des Arzneimittels zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität.

Basierte die ursprüngliche Ausweisung jedoch auf einem erheblichen Nutzen und wird festgestellt, dass dieses Kriterium nicht mehr erfüllt ist, gibt es normalerweise kein anderes Kriterium mehr, das herangezogen werden könnte. Allerdings würde der COMP in Ausnahmefällen überprüfen, ob zum Zeitpunkt der Überprüfung der Marktexklusivität eine zufriedenstellende Methode fehlt; dies könnte zum Beispiel der Fall sein, wenn eine zum Zeitpunkt der Ausweisung verfügbare Methode in der Zwischenzeit nicht mehr existiert.

5.2.3.   Gutachten des COMP

Ergibt der zweite Beurteilungsschritt des COMP, dass die alternativen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt sind, nimmt der COMP ein Gutachten an, in dem er empfiehlt, die Marktexklusivitätsdauer nicht zu verkürzen.

Ergeben der erste und der zweite Beurteilungsschritt, dass weder die ursprünglichen noch die anderen Ausweisungskriterien nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a und Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b erfüllt sind, nimmt der COMP ein Gutachten an, in dem er empfehlen kann, die Marktexklusivitätsdauer zu verkürzen. Maßgeblich für die Entscheidung des COMP über eine etwaige Verkürzung der Marktexklusivität wäre zum Beispiel, in welchem Umfang ein Ausweisungskriterium nicht mehr erfüllt ist. Außerdem sollte der COMP eine ungenügende Rentabilität als Argument gegen eine Verkürzung der Marktexklusivität berücksichtigen.

6.   ENTSCHEIDUNG DER EUROPÄISCHEN KOMMISSION

Die Kommission trifft die Entscheidung darüber, ob die Marktexklusivitätsdauer beibehalten oder verkürzt wird; dabei stützt sie sich auf das Gutachten des COMP. Nach Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 wird diese Entscheidung innerhalb von 30 Tagen nach Eingang des Gutachtens erlassen.

Gemäß Artikel 5 Absatz 8 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 kann die Kommission unter außergewöhnlichen Umständen eine Entscheidung erlassen, die nicht dem Gutachten des COMP entspricht. In dieser Ermessensfrage berücksichtigt die Kommission die besonderen Umstände des betreffenden Arzneimittels vor dem Hintergrund der Hauptziele der Verordnung, nämlich der Verbesserung der Verfügbarkeit von Arzneimitteln für seltene Leiden und der Gewährleistung angemessener und effizienter Anreize für Forschung und Entwicklung in diesem Bereich.


(1)  ABl. L 18 vom 22.1.2000, S. 1.

(2)  ABl. L 103 vom 28.4.2000, S. 5.

(3)  ABl. C 178 vom 29.7.2003, S. 2.

(4)  Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen vom 20. Juni 2006, „Experience acquired as a result of the application of Regulation (EC) No 141/2000 on orphan medicinal products and account of the public health benefits obtainedDocument on the basis of Article 10 of Regulation (EC) No 141/2000“, SEK(2006) 832, verfügbar unter:

http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/orphanmp/doc/orphan_en_06-2006.pdf

(5)  Einige Grundsätze für diese Überprüfung und etwaige Verkürzung der Marktexklusivitätsdauer sind bereits in Abschnitt D Ziffer 4 der Mitteilung der Kommission aus dem Jahr 2003 enthalten. Die Kommission hat allerdings ihre Auslegung von Artikel 8 Absatz 2, wie in der vorliegenden Leitlinie dargelegt, auf der Grundlage weiterer Erfahrungen mit der Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 weiterentwickelt. Daher tritt nun die vorliegende Leitlinie an die Stelle von Abschnitt D Ziffer 4 der genannten Mitteilung.

(6)  Die Verordnung (EG) Nr. 1901/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Kinderarzneimittel und zur Änderung der Verordnung (EWG) Nr. 1768/92, der Richtlinien 2001/20/EG und 2001/83/EG sowie der Verordnung (EG) Nr. 726/2004 (ABl. L 378 vom 27.12.2006, S. 1) sieht in Artikel 37 vor, dass bei Erfüllung spezieller Kriterien der Kinderarzneimittel-Verordnung die zehnjährige Gültigkeitsdauer nach Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 für Arzneimittel für seltene Leiden auf zwölf Jahre verlängert werden kann (Verlängerung um zwei Jahre als Belohnung für die Einhaltung des pädiatrischen Prüfkonzepts).

(7)  Für Arzneimittel, die durch Artikel 37 der Kinderarzneimittel-Verordnung geregelt werden, beträgt der verkürzte Zeitraum nach Artikel 8 Absatz 2 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000 ebenfalls sechs Jahre; Artikel 37 der Kinderarzneimittel-Verordnung betrifft lediglich die Berechnung des Zeitraums gemäß Artikel 8 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 141/2000.

(8)  Verfügbar unter:

http://ec.europa.eu/enterprise/pharmaceuticals/orphanmp/index.htm wird regelmäßig aktualisiert.


Top