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Document 52008DC0432

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand {SEK(2008) 2203} {SEK(2008) 2204}

/* KOM/2008/0432 endg. */

52008DC0432

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat - Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand {SEK(2008) 2203} {SEK(2008) 2204} /* KOM/2008/0432 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 8.7.2008

KOM(2008) 432 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand{SEK(2008) 2203}{SEK(2008) 2204}

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand

1. Einleitung

Die Problematik des Schienenlärms

In den Industrieländern ist Lärm eine der häufigsten Bedrohungen für die Volksgesundheit. Die Bekämpfung von Lärm ist somit nicht nur für das Wohlbefinden notwendig, sondern auch zur Verringerung seiner negativen Auswirkungen auf die Gesundheit, z. B. in Form von Herz-Kreislauf-Problemen und kognitiven Störungen.

Die Eisenbahn gilt generell als einer der umweltfreundlichsten Verkehrsträger. Dennoch trägt der Schienenverkehr wesentlich zur Lärmbelastung bei, und etwa 10 % der Bevölkerung sind Geräuschpegeln oberhalb des als „erhebliche Belastung“ eingestuften Schwellenwerts[1] ausgesetzt.

In einigen Gebieten Europas leistet die Öffentlichkeit erheblichen Widerstand gegen Schienenlärm und verlangt von der Politik entsprechende Abhilfemaßnahmen. Ohne solche Maßnahmen könnten Einschränkungen des Schienenverkehrs, insbesondere für Güterzüge, auf den wichtigsten europäischen Eisenbahnkorridoren die Folge sein. Die daraus resultierenden Engpässe hätten sicherlich nachteilige Auswirkungen auf die europäischen Volkswirtschaften. Eine Verkehrsverlagerung entlang diesen Korridoren von der Schiene auf die Straße hätte zudem gravierendere Umweltauswirkungen, insbesondere durch höhere Treibhausgasemissionen, da der Güterkraftverkehr erheblich mehr CO2-Emissionen verursacht als der Schienengüterverkehr. Dies würde dann genau in eine Phase fallen, in der die Gemeinschaft den Aufbau eines vorrangig für den Güterverkehr bestimmten Schienennetzes in Erwägung zieht[2].

Bereits unternommene Maßnahmen

Die Europäische Gemeinschaft ist auf diesem Gebiet bereits tätig geworden und hat Maßnahmen in den Bereichen Umwelt und Eisenbahninteroperabilität beschlossen.

Die Richtlinie 2002/49/EG über Umgebungslärm[3] sieht die Ausarbeitung strategischer Lärmkarten (bis Juni 2007) sowie von Aktionsplänen (bis Juni 2008) für Haupteisenbahnstrecken und große Ballungsräume vor.

Sachverständige stellten 2003 fest, dass die Rollgeräusche von Güterwagen die größte Lärmquelle im Schienenverkehr darstellen[4]. Die heutigen Bremssysteme (an die Radlauffläche angreifende Grauguss-Bremsklötze) führen zur Aufrauhung der Laufflächen und damit zu starken Vibrationen von Schienen und Rädern. Da Güterzüge häufig nachts verkehren, sind die entstehenden Lärmemissionen umso kritischer.

Den Empfehlungen von Sachverständigen zufolge sollte die Lärmbekämpfung vorrangig an der Quelle ansetzen, d. h. an Fahrzeugen und Gleisen, weil so eine höhere Kosteneffizienz erreicht wird. Dennoch werden jüngsten Zahlen zufolge[5] in Europa jährlich 150 - 200 Mio. € in die Errichtung von Lärmschutzwänden investiert. Wo die Notwendigkeit besteht, z. B. in dicht besiedelten städtischen Gebieten, können Lärmschutzwände durchaus ein wirksames Element von Lärmschutzprogrammen sein. Bei einer Kombination mit an der Quelle ansetzenden Maßnahmen können aber Länge und/oder Höhe der Wände verringert und erhebliche Kosten eingespart werden.

Um die Probleme an der Quelle anzugehen und interoperable Eisenbahnstrecken zu schaffen, verabschiedete die Kommission im Dezember 2005 die technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI) „Lärm des konventionellen transeuropäischen Bahnsystems“[6], in der für in der Europäischen Union betriebene Schienenfahrzeuge Lärmgrenzwerte festgelegt werden. Diese Grenzwerte gelten für neue und erneuerte Fahrzeuge, einschließlich Güterwagen, die mit geräuscharmen Bremsklötzen, bei denen nur etwa halb so viel Lärm entsteht, ausgerüstet werden müssen.

Weitere Maßnahmen auf europäischer Ebene sind notwendig

Wegen der langen Nutzungsdauer von Schienenfahrzeugen wird es allerdings im Rahmen der geltenden Vorschriften mehrere Jahre dauern, bis die globalen Lärmemissionen von Güterzügen spürbar zurückgehen, wenn keine zusätzlichen Maßnahmen für die bestehende Flotte ergriffen werden.

Rund 50 % des heutigen Schienengüterverkehrs sind grenzüberschreitende Beförderungen, so dass zahlreiche Wagen auf einer Vielzahl nationaler Streckennetze fahren. Da bereits wenige laute Wagen die Gesamtlärmbelastung entscheidend beeinflussen, kann das Problem durch nationale Abhilfemaßnahmen nicht hinreichend gelöst werden. Darüber hinaus könnten unterschiedliche nationale Vorgehensweisen den Betrieb grenzüberschreitender Korridore beeinträchtigen und einigen Akteuren einen Wettbewerbsvorteil verschaffen.

Eine wirksame Verringerung des Schienenlärms lässt sich daher am besten dadurch erreichen, dass auf Ebene der Mitgliedstaaten bereits ergriffene Maßnahmen durch gemeinschaftliche Lärmbekämpfungsmaßnahmen ergänzt werden.

2. Ziele und Umfang der Gemeinschaftsmaßnahmen

Ziel der Gemeinschaftsinitiative ist es, die durch den Schienenverkehr verursachte Lärmbelastung der Bürger durch die Förderung von Lärmbekämpfungsprogrammen zu verringern. Vor allem durch die Nachrüstung von Güterwagen mit geräuscharmen Bremsen, die von allen Maßnahmen am kosteneffizientesten ist, sollen die Geräuschemissionen von Güterzügen verringert werden, ohne die Wettbewerbsfähigkeit des Schienengüterverkehrs zu beeinträchtigen.

Grundsätzlich sind von der Umrüstung alle Güterwagen in Europa betroffen, die jährlich mehr als 10 000 Kilometer zurücklegen und noch mindestens fünf Jahre genutzt werden. Wagen mit einer Laufleistung von weniger als 10 000 Kilometer pro Jahr (15 % des Wagenbestands) werden nur punktuell eingesetzt, so dass ihr Anteil an der Gesamtbeförderungsleistung des Güterwagenparks unter 3 % beträgt. Um frühzeitig eine maximale Lärmminderung zu erzielen, sollten daher vorrangig Wagen mit hoher jährlicher Laufleistung umgerüstet werden. Unter Anwendung dieser beiden Kriterien könnten die Umrüstungskosten erheblich gesenkt werden, ohne das beabsichtigte Ziel der Lärmminderung in Frage zu stellen.

Die Umrüstung soll bis 2015 abgeschlossen sein. Die Folgenabschätzung[7] hat ergeben, dass bei Einsatz von geeigneter Technik eine Umrüstung des europäischen Wagenparks bis zu diesem Termin durchführbar ist.

Schwerpunkt der Folgenabschätzung war zwar das Schienennetz mit 1435 mm Spurweite (für diese Normalspur-Bahnnetze sind wegen der begrenzten Wirksamkeit nationaler Maßnahmen EU-Initiativen notwendig), doch sind die Maßnahmenvorschläge auch auf Breitspurnetze übertragbar. Erforderlichenfalls muss für eine Zusammenarbeit zwischen Nachbarländern gesorgt werden.

3. Hindernisse und Vorteile der Umrüstung

Die Industrie hat in den letzten zehn Jahren verschiedene Typen von Verbundstoffbremssohlen entwickelt, die die herkömmlichen Grauguss-Bremsklötze ersetzen sollen, da diese die Hauptursache für die Rad- und Schienenrauhigkeit darstellen. Mit diesen Bremssohlen können die wahrgenommenen Rollgeräusche um bis zu 50 % reduziert werden. Die so genannten K-Sohlen[8] sind eine bewährte Technik, die bei neuen Wagen zum Einsatz kommt, bei Umrüstungen allerdings mit hohen Kosten verbunden ist. Andere Typen von Bremsbelägen wie die so genannten LL-Sohlen[9] werden daher speziell für die Nachrüstung entwickelt. Eine Bauart von K-Sohlen erhielt Anfang 2008 die endgültige UIC-Zulassung[10], während drei Typen von LL-Sohlen über eine vorläufige Zulassung verfügen.

Der Folgenabschätzungsstudie zufolge müssen bis zu 370 000 Wagen umgerüstet werden, von denen rund zwei Drittel den etablierten Eisenbahnunternehmen gehören und ein Drittel sich in Privatbesitz befindet (u. a. Unternehmen des kombinierten Verkehrs und kleine Eisenbahnunternehmen).

Beim heutigen Stand der Technik wären für die Umrüstung Investitionen von 200 - 700 Mio. € (LL-Sohlen) bzw. 1,0 - 1,8 Mrd. € (K-Sohlen) sowie zusätzliche Instandhaltungskosten von 200 - 400 Mio. € (insgesamt bis 2025 für beide Technologien) erforderlich.

Der Hauptvorteil einer Umrüstung besteht darin, dass die von Güterzügen ausgehende Lärmbelastung bis um die Hälfte verringert würde und somit rund 16 Millionen weniger Menschen erheblichem Schienenlärm ausgesetzt wären. Die Kosten-Nutzen-Analyse weist für die Umrüstung einen erheblichen Nettonutzen aus, der die Kosten um das Drei- bis Zehnfache übersteigt. Dabei wurden wichtige, jedoch nicht bezifferbare Vorteile noch nicht berücksichtigt, beispielsweise Einsparungen durch die Einschränkung infrastrukturbezogener Lärmschutzprogramme, geringere Kosten für die Instandhaltung der Schieneninfrastruktur und effizienteres Flottenmanagement.

Obwohl Einigkeit über die Umrüstung als kosteneffizienteste Methode zur Verringerung des Schienenlärms besteht, ist das Haupthindernis für eine großmaßstäbliche Umrüstung von Güterwagen finanzieller Art, da die Mittel der beteiligten Akteure hierfür nicht ausreichen oder ihnen nicht genügend Anreize geboten werden.

4. Maßnahmen zur Durchführung und Förderung der Umrüstung

Zur Überwindung der Hindernisse, die einer Umrüstung im Wege stehen, hat die Kommission unterschiedliche Maßnahmen analysiert und gelangte zu dem Schluss, das Kombinationen mehrerer politischer Instrumente geeigneter und wirksamer sind als Einzelmaßnahmen (vgl. Folgenabschätzungsbericht).

Am geeignetsten erschien eine Kombination aus lärmabhängigen Trassenpreisen, Lärmemissionsgrenzen und Selbstverpflichtungen. Die Hauptvorteile dieser Alternative sind das größte Lärmminderungspotenzial (mit einem Nutzen-Kosten-Verhältnis von bis zu 10), die im Vergleich zu anderen Instrumenten wie Direktzuschüssen eventuell geringeren Kosten sowie die breite Erfassung von Wagen, die in verschiedenen Mitgliedstaaten oder sogar außerhalb der EU registriert sind. Das marktorientierte Instrument gestaffelter Trassenpreise schafft ebenfalls Anreize, vorrangig Wagen mit hoher Laufleistung umzurüsten. Darüber hinaus könnten gestaffelte Preise in Verbindung mit Lärmemissionsgrenzen noch größere Wirkung entfalten, da die Eisenbahnunternehmen ein größeres Interesse erhielten, ihre Wagen umzurüsten.

4.1. Einführung gestaffelter Trassenpreise

Im Einklang mit der Vorgabe „Den richtigen Preis festsetzen“[11] als Grundvoraussetzung für effiziente Bepreisung im Verkehrssektor bildet die Einführung gestaffelter Trassenpreise den wichtigsten Bestandteil des Maßnahmenpakets zur Förderung der Fahrzeugumrüstung.

Durch die Richtlinie 2001/14/EG[12] wurden die Grundsätze der Preisbildung europaweit harmonisiert. Gemäß einem dieser Grundsätze können Trassenpreise die Kosten der durch den Zugverkehr verursachten Umweltfolgen, einschließlich Lärm, widerspiegeln. Bei der Preisstaffelung ist grundsätzlich die Größenordnung der Umweltfolgen zu berücksichtigen. Für die Einführung gestaffelter Trassenpreise gäbe es drei Grundmodelle:

- ein kostenneutrales Bonus-Malus-System mit ermäßigten Preisen für geräuscharme Wagen und höheren Preisen für laute Wagen;

- ein Bonus-System mit ermäßigten Preisen, das die Umrüstung bestehender Wagen mit besonders hohen Geräuschemissionen ermöglicht und bei dem die Infrastrukturbetreiber vom Mitgliedstaat einen finanziellen Ausgleich erhalten;

- ein Malus-System mit erhöhten Preisen für laute Wagen.

Da gemäß der Richtlinie 2001/14/EG die Gesamterlöse nicht steigen dürfen (es sei denn, vergleichbare Entgelte werden auch bei konkurrierenden Verkehrsträgern erhoben), ist ein Malus-System nur dann denkbar, wenn auch im Güterkraftverkehr eine vergleichbare Entgeltregelung gilt. Die vorgeschlagene Eurovignetten-Richtlinie[13] sieht im Güterkraftverkehr die Anlastung externer Kosten vor, wodurch eine umfassendere Differenzierung der Trassenpreise - sofern die Entgelte im Straßenverkehr sich auf einem vergleichbaren Niveau bewegen - möglich wird.

In Bezug auf das Bonus-System hat die Folgenabschätzung ergeben, dass den Wageneignern in der Anlaufphase die erforderlichen wirtschaftlichen Anreize für eine Umrüstung geboten werden müssten. Diese wären insofern gerechtfertigt, als damit die Verlagerung des Schienenverkehrs auf andere Verkehrsträger infolge der den Eisenbahnunternehmen entstehenden Umrüstungskosten begrenzt würde.

Das Bonus-System wirft die Frage nach der Vereinbarkeit mit den Vorschriften über staatliche Beihilfen auf, da die Differenzbeträge zwischen ermäßigten und normalen Trassenpreisen mit öffentlichen Geldern erstattet werden. Das System sollte daher auf der Grundlage eindeutiger und transparenter Kriterien angewandt werden, u. a.

- sollte die Anwendung auf die Anlaufphase der Umrüstung und die Rückerstattung der Anfangsinvestitionen begrenzt sein;

- sollten alle Nutzer das System auf einheitliche und diskriminierungsfreie Weise in Anspruch nehmen können;

- sollte die Intensität dem beabsichtigen Ziel entsprechen, nämlich während der Anlaufphase des Umrüstungsprogramms finanzielle Anreize zu bieten.

Bonus-Systeme können eine staatliche Beihilfe darstellen und sind als solche der Kommission gemäß Artikel 88 Absatz 3 EG-Vertrag zu melden und anhand der einschlägigen Leitlinien zu beurteilen.

Nach der Anlaufphase, wenn der überwiegende Teil der betroffenen Fahrzeuge umgerüstet worden ist, kann auf das Bonus-System verzichtet werden. Stattdessen könnte ein kostenneutrales Bonus-Malus-System Anreize bieten, die Umrüstungsprogramme fortzusetzen und die Einführung innovativerer Technologien zur Lärmminderung über die Grenzwerte der aktuellen TSI hinaus zu fördern.

Lärmabhängige Trassenpreise werden für einzelne Wagen anhand der auf einer bestimmten Strecke zurückgelegten Fahrzeug- oder Achskilometer berechnet. Der Bonus sollte für alle geräuscharmen Wagen (auch jene, die die technischen Spezifikationen für die Interoperabilität bereits erfüllen) gewährt werden, damit Wageneigner, die in die Erneuerung ihres Fahrzeugbestands investieren, nicht benachteiligt werden und der Einsatz geräuscharmer Wagen gefördert wird, da nur diese für geringere Lärmemissionen sorgen. Ferner könnte ein zusätzlicher Bonus für den Einsatz geräuscharmer Wagen auf Strecken in lärmbelasteten Gebieten und/oder im Nachtverkehr den Eisenbahnunternehmen Anreize bieten, ihr Flottenmanagement an die Erfordernisse in solchen Gebieten anzupassen. Gegebenenfalls könnten auch Reisezugwagen in die Preisregelungen einbezogen werden.

Bei der Folgenabschätzung ergab sich hinsichtlich der Staffelung der Trassenpreise ein praktisches Problem, nämlich dass das Unternehmen, das den Lärmbonus erhält, nicht unbedingt dasselbe ist, das auch die Umrüstung finanziert. Da die Wagenvermietung als funktionierender Markt gilt, ist eine entsprechende Anpassung der Wagenmieten zu erwarten, d. h. geräuscharme Wagen, für die geringere Trassenpreise zu entrichten sind, werden mit zunehmender Zahlungsbereitschaft höhere Mietpreise auf dem Markt erzielen. Allerdings könnten die Beteiligten diesen Prozess durch eine Selbstverpflichtung unterstützen, indem die mit der Umrüstung und der Entrichtung der Trassenpreise verbundenen Geldströme transparent gestaltet werden.

Gestaffelte Trassenpreise erfordern ein automatisches Fahrzeugerkennungssystem sowie eine Software für die Preiserhebung, die mit dem Erkennungssystem und den nationalen Fahrzeugregistern verbunden ist. Eine Messung des Geräuschniveaus ist nicht notwendig. Mit der Einführung von Telematikanwendungen im Schienengüterverkehr, wie es die entsprechende technische Spezifikation für die Interoperabilität (TSI TAF)[14] vorsieht, würde die technische Grundlage für solche Erkennungssysteme geschaffen.

Gemäß dem strategischen europäischen Bereitstellungsplan des Eisenbahnsektors sollen sämtliche Funktionen, einschließlich der Überwachung einzelner Wagenbewegungen, bis Januar 2014 zur Verfügung stehen, ein Großteil unter ihnen aber auch schon vorher.

Bei einer uneinheitlichen Einführung lärmabhängiger Trassenpreise auf nationaler Ebene wären diese möglicherweise weniger wirksam, da die Eisenbahnunternehmen nicht genügend Anreize hätten, wenn nur einige Mitgliedstaaten solche Regelungen einführten, die entsprechenden Zeitpläne inkohärent wären und verschiedene geräuscharme Wagentypen unterschiedlich behandelt würden. Uneinheitliche Regelungen würden zudem unnötig hohe Verwaltungskosten verursachen. Das Instrument mit den nötigen Anreizen zur Umrüstung muss deshalb in allen betroffenen Mitgliedstaaten zeitgleich, verbindlich und einheitlich eingeführt werden. Neben der Harmonisierung der Hauptelemente der Preisregelungen bedarf es auch eines einheitlichen Systems für die Einstufung der von den Wagen verursachten Lärmemissionen.

Für die Einführung gestaffelter Trassenpreise sind gemeinsame Anstrengungen des Eisenbahnsektors, der Mitgliedstaaten und der Europäischen Kommission notwendig.

Im Zuge der Neufassung der Richtlinie 2001/14/EG wird die Kommission Rechtsvorschriften für die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise vorschlagen.

Die Infrastrukturbetreiber werden die Preisregelungen an die Gemeinschaftsvorschriften anpassen. Sie sind ferner für die Einführung der Erkennungssysteme und der erforderlichen IT-Werkzeuge verantwortlich. Der Abschluss der Umrüstungsprogramme ist für Ende 2015 vorgesehen, wobei für den Austausch der Bremsbeläge drei Jahre veranschlagt werden.

Um die Einführung lärmabhängiger Trassenpreise vorzubereiten, wird die Kommission eine Studie im Hinblick auf die Entwicklung und Harmonisierung wesentlicher Elemente dieser Regelungen in Auftrag geben.

4.2. Schritt 2: Festlegung von Lärmemissionsgrenzen

Die Festlegung von Lärmemissionsgrenzen dient der Begrenzung der an einem bestimmten Streckenpunkt in einer bestimmten Zeitspanne entstehenden Lärmemissionen. Beispielsweise könnten die aktuellen Lärmemissionswerte als Grenzwerte festgelegt werden, um bei zunehmendem Schienengüterverkehr einen Lärmanstieg zu vermeiden. Gemäß der Richtlinie 2002/49/EG sind die Mitgliedstaaten für die Festlegung von Grenzwerten für Umgebungslärm zuständig.

Bei Einführung von Lärmemissionsgrenzen bleibt es dem Eisenbahnsektor überlassen, nach optimalen Lösungen zu deren Einhaltung zu suchen. So können die Eisenbahnunternehmen durch die Verwendung geräuschärmerer Wagen mehr Züge einsetzen und/oder deren Geschwindigkeit erhöhen, ohne die Grenzwerte zu überschreiten. Lärmemissionsgrenzen bieten somit einen Anreiz, geräuscharme Fahrzeuge einzusetzen. Ferner könnten dadurch Probleme wie besonders lärmintensive Abschnitte im europäischen Schienennetz und der kritische Abend- und Nachtverkehr direkt angegangen werden. Darüber hinaus umfasst das Instrument auch infrastrukturbezogene Maßnahmen, was den ganzheitlichen Ansatz zur Verringerung des Schienenlärms abrundet.

Als zweiten Schritt nach Abschluss der Umrüstungsprogramme empfiehlt die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten, für die Hauptstrecken des Schienengüterverkehrs Lärmemissionsgrenzen einzuführen, um das mit der Umrüstung erzielte niedrigere Geräuschniveau beizubehalten. Allerdings sollten zuvor Kosten-Nutzen-Analysen durchgeführt werden, in denen die bis zu jenem Zeitpunkt durch Umrüstung und andere Mittel bereits erreichte Lärmminderung berücksichtigt wird.

4.3. Selbstverpflichtungen des Eisenbahnsektors

Durch ergänzende Selbstverpflichtungen kann die Wirksamkeit gestaffelter Trassenpreise sichergestellt und ihre Einführung so weit beschleunigt werden, dass sie noch vor Inkrafttreten einschlägiger Rechtsvorschriften Anwendung finden.

Durch Selbstverpflichtungen der Eisenbahnunternehmen, den von den Infrastrukturbetreibern gewährten Lärmbonus an die Wageneigner (sofern diese die Wagen nicht selbst nutzen) weiterzugeben, werden Marktinstrumente unterstützt, die dafür sorgen, dass mit dem Lärmbonus die Umrüstung finanziert werden kann.

Darüber hinaus würden Selbstverpflichtungen der Branche im Hinblick auf eine möglichst rasche Durchführung einzelner Umrüstungsprogramme dazu führen, dass Einzelmaßnahmen besser aufeinander abgestimmt werden und die Außenwirkung der Initiative verstärkt wird.

Um den Schienenlärm möglichst rasch einzudämmen, schlägt die Kommission neben den Gesetzgebungsmaßnahmen auch die freiwillige Einführung gestaffelter Trassenpreise vor (siehe Abschnitt 4.1). Die von „Vorreitern“ auf freiwilliger Basis einzuführenden Regelungen müssen auf europäischer Ebene koordiniert werden. Die Kommission kann zu diesem Zweck geeignete Leitlinien herausgeben und Sachverständigengruppen einsetzen.

Die Europäische Kommission fordert den Eisenbahnsektor eindringlich auf, derartige Selbstverpflichtungen unverzüglich einzugehen.

4.4. Senkung der Umrüstungskosten

Einer Umrüstung stehen in erster Linie die erheblichen Investitions- und zusätzlichen Instandhaltungskosten im Wege. Allerdings belegen Beispiele aus Portugal und dem Vereinigten Königreich, wo Güterwagen mit (vom UIC nicht zugelassenen) Verbundstoffbremssohlen nachgerüstet wurden, dass eine kostenneutrale Umrüstung möglich ist.

Für eine Umrüstung in europäischem Maßstab ist die heute verfügbare Technik aber eindeutig ungeeignet. Die Europäische Kommission fordert die Industrie deshalb eindringlich auf, in enger Zusammenarbeit mit den Eisenbahnunternehmen und Wageneignern Verbundstoffbremssohlen zu entwickeln, um die Kosten spürbar zu verringern. Die Kommission wird geeignete Forschungs- und Demonstrationsvorhaben im Rahmen der bestehenden Programme wie RP7 und LIFE+ weiterhin unterstützen.

Bei der Anhörung der Öffentlichkeit wurde zudem deutlich, dass die Zulassungsverfahren für Verbundstoffbremssohlen präzisiert, bewertet und beschleunigt werden müssen, um auf diese Weise ebenfalls zur Senkung der Umrüstungskosten beizutragen. Die Kommission wird deshalb das aktuelle Zulassungsverfahren in enger Abstimmung mit der Europäischen Eisenbahnagentur überarbeiten, um es effizienter, transparenter und zeitlich straffer zu gestalten.

4.5. Überwachung der Umrüstung und ihrer Folgen

Zur Bewertung des Erfolgs der Umrüstungsprogramme sollten die nach der Richtlinie 2002/49/EG erstellten Lärmkarten und die der Kommission von den Mitgliedstaaten übermittelten Daten herangezogen werden. Im Abgleich mit den als Grundlage dienenden Karten von 2007 wird die Wirksamkeit der Umrüstungsprogramme überwacht und kann die Notwendigkeit von Lärmemissionsgrenzen eingeschätzt werden.

Die Mitgliedstaaten sollten die Möglichkeit prüfen, im Rahmen ihrer Lärmbekämpfungspläne gemäß der Richtlinie 2002/49/EG durch gestaffelte Trassenpreise geförderte Umrüstungsprogramme in Gang zu setzen.

Ferner wird die Kommission die Umsetzung der vorgeschlagenen Maßnahmen und die Fortschritte bei der Umrüstung überwachen. Sie wird spätestens drei Jahre nach Annahme dieser Mitteilung einen Bericht über die im Eisenbahnsektor unternommenen Schritte veröffentlichen.

4.6. Einsetzung von Sachverständigengruppen

Da vor der Einführung lärmabhängiger Trassenpreise eine Reihe technischer Aspekte zu klären und zu harmonisieren sind, wird die Kommission Sachverständigengruppen , von denen sie bei der Ausarbeitung von Leitlinien Unterstützung erhalten wird, einsetzen und ihre Zusammenarbeit sicherstellen. Die Sachverständigengruppen werden sich u. a. damit beschäftigen, Systeme für die Wagenklassifizierung zu entwickeln, Fahrzeugerkennungssysteme zu spezifizieren, lärmabhängige Preisregelungen zu harmonisieren sowie die Umrüstung und ihre Folgen zu überwachen.

5. Weitere Maßnahmen zur Verringerung des Schienenlärms

Kernstück der Initiative zur Verringerung des Schienenlärms ist eine konkrete Maßnahme, nämlich die Nachrüstung von Güterwagen mit geräuscharmen Bremsen. Sie gilt zwar allgemein als besonders wirkungsvoll und effizient, doch lassen sich durch diese Maßnahme nicht alle Schienenlärmprobleme in Europa lösen.

Deshalb wird die Kommission außerhalb dieser Initiative noch andere Maßnahmen, die mit Sachverständigen, den Mitgliedstaaten und den beteiligten Akteuren erörtert wurden, prüfen und gegebenenfalls umsetzen, beispielsweise:

- Nach Meinung von Sachverständigen4 ist es wichtig, die auf die Fahrzeuge ausgerichteten Maßnahmen durch infrastrukturbezogene Maßnahmen (z. B. Schienenschleifen und der Einsatz von Schienendämpfern) und weitere Ergänzungsmaßnahmen zu unterstützen („glatte Räder auf glatten Schienen“). Die Kommission ermuntert die Mitgliedstaaten und die Eisenbahnbranche zur gleichzeitigen Umsetzung dieser Maßnahmen.

- Zur Berücksichtigung des technischen Fortschritts wird die regelmäßige Anpassung der TSI über Lärmemissionen für notwendig erachtet, da für Güterwagen neben Verbundstoffbremssohlen noch andere Technologien zur Lärmminderung entwickelt wurden.

- Staatliche Beihilfen zur Förderung der Interoperabilität[15] sind ebenfalls denkbar, sofern sie zur Beseitigung technischer Hindernisse im europäischen Markt für Eisenbahndienste beitragen. Behilfefähig sind dabei sämtliche der Lärmminderung dienenden Investitionen in Fahrzeuge und Infrastruktur. Als Alternative kämen auch staatliche Umweltschutzbeihilfen in Frage[16].

[1] Europäische Umweltagentur: TERM 2001. Der Veröffentlichung zufolge sind 30 % der Bevölkerung erheblichem Straßenlärm ausgesetzt.

[2] Mitteilung der Kommission „Aufbau eines vorrangig für den Güterverkehr bestimmten Schienennetzes“, KOM(2007) 608.

[3] Richtlinie 2002/49/EG, ABl. L 189 vom 18.7.2002, S. 12.

[4] Arbeitsgruppe „Schienenverkehrslärm“ der Europäischen Kommission: Positionspapier über die europäischen Strategien und Prioritäten zur Bekämpfung des Schienenverkehrslärms, Brüssel 2003.http://ec.europa.eu/transport/rail/ws/doc/position-paper.pdf.

[5] UIC: Lärmreduzierung auf der europäischen Schieneninfrastruktur. Sachstandsbericht 2007.

http://www.uic.asso.fr/download.php/environnement/reductionbruitinfra_de.pdf

[6] Entscheidung 2006/66/EG der Kommission vom 23. Dezember 2005, ABl. L 37 vom 8.2.2006, S. 1.

[7] PricewaterhouseCoopers Advisory: Impact Assessment study on rail noise abatement measures addressing the existing fleet (Folgenabschätzungsstudie über Lärmschutzmaßnahmen am aktuellen Schienenfahrzeugbestand) . Abschlussbericht Dezember 2007.http://ec.europa.eu/transport/rail/studies/index_de.htm

[8] K-Sohlen werden aus organischen Verbundwerkstoffen hergestellt und besitzen andere Bremseigenschaften als herkömmliche Bremsklötze. Eine Umrüstung erfordert deshalb Änderungen an der Bremsanlage, die zusätzliche Kosten von bis zu 10 000 € je Wagen verursachen. Sie verursachen wesentlich weniger Lärm (bis zu 10 dB, was einem um 50 % niedrigeren Geräuschpegel entspricht) und gelten bei Neufahrzeugen als kostenneutral.

[9] LL-Sohlen erfordern nur geringe Anpassungen der Bremsanlage. Ihre Bremseigenschaften sind denen von Grauguss relativ ähnlich. Sie werden entweder aus organischen Verbundwerkstoffen oder aus Sintermetall hergestellt und führen zu einer Lärmminderung derselben Größenordnung wie K-Sohlen. Obwohl bereits 1999 mit ihrer Entwicklung begonnen wurde, stand wegen der anspruchsvollen Technik ihre endgültige Zulassung Anfang 2008 noch aus.

[10] Da keine einschlägigen europäischen Spezifikationen bestehen, werden Bremsbeläge vom Internationalen Eisenbahnverband (UIC) zugelassen. Der UIC prüft Bremsleistung, Sicherheit und Betriebseigenschaften (z. B. im strengen Winter) der Bremsbeläge und stellt fest, ob die Spezifikationen eingehalten werden. Nach erfolgreichem Abschluss der technischen Tests wird eine vorläufige Zulassung erteilt. Anschließend beginnen großmaßstäbliche Feldversuche, die bei positiven Ergebnissen zur endgültigen Zulassung führen.

[11] Mitteilung der Kommission zur Ökologisierung des Verkehrs.

[12] Richtlinie 2001/14/EG über die Zuweisung von Fahrwegkapazität der Eisenbahn, die Erhebung von Entgelten für die Nutzung von Eisenbahninfrastruktur und die Sicherheitsbescheinigung, ABl. L 75 vom 15.3.2001, S. 29.

[13] Vorschlag für eine Richtlinie zur Änderung der Richtlinie 1999/62/EG über die Erhebung von Gebühren für die Benutzung bestimmter Verkehrswege durch schwere Nutzfahrzeuge.

[14] Verordnung (EG) Nr. 62/2006 vom 23. Dezember 2005, ABl. L 13 vom 18.1.2006, S. 1.

[15] Gemeinschaftliche Leitlinien für staatliche Beihilfen an Eisenbahnunternehmen, beschlossen von der Europäischen Kommission am 30. April 2008.

[16] Gemeinschaftsrahmen für staatliche Umweltschutzbeihilfen, ABl. C 82 vom 1.4.2008, S. 1.

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