EUR-Lex Access to European Union law

Back to EUR-Lex homepage

This document is an excerpt from the EUR-Lex website

Document 52005DC0298

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Einführung des europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- und Signalgebungssystems ERTMS/ETCS [SEC(2005) 903]

/* KOM/2005/0298 endg. */

52005DC0298

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Einführung des europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- und Signalgebungssystems ERTMS/ETCS [SEC(2005) 903] /* KOM/2005/0298 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 04.07.2005

KOM(2005) 298 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Einführung des Europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- und Signalgebungssystems ERTMS/ETCS[SEC(2005) 903]

.

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Einführung des Europäischen Zugsicherungs-/Zugsteuerungs- und Signalgebungssystems ERTMS/ETCS

(Text von Bedeutung für den EWR)

1. EINLEITUNG

Die technischen Hemmnisse, die dem Austausch und der Interoperabilität von Zügen – d. h. ihrer Fähigkeit, auf allen Abschnitten des Eisenbahnnetzes zu fahren – im Wege stehen, beeinträchtigen nach wie vor die Wettbewerbsfähigkeit des Eisenbahnsektors.

So gibt es in Europa derzeit mehr als 20 verschiedene Signalgebungs- und Geschwindigkeitsüberwachungssysteme. Der zwischen Paris und Brüssel verkehrende Thalys muss mit sieben solcher Systeme ausgerüstet werden, wodurch Mehrkosten entstehen, die Fehleranfälligkeit sich erhöht und die Arbeit der Zugführer, die mit jedem dieser Systeme vertraut sein müssen, schwieriger wird. Diese Hemmnisse beeinträchtigen die Entwicklung des Schienenverkehrs in Europa, während gleichzeitig im Straßenverkehr keine solchen Hindernisse bestehen.

Die Beseitigung dieser Hindernisse steht mit der Strategie von Lissabon voll im Einklang, da so die Möglichkeit entsteht, die Wettbewerbsfähigkeit und die Dynamik des Eisenbahnsektors zu steigern, die Integration der Märkte des Schienengüter- und Schienenpersonenverkehrs zu unterstützen und dem europäischen Markt für Eisenbahnausrüstungen Impulse zu geben. Die Senkung der Kosten und die Verbesserung der Qualität des Eisenbahnverkehrs sind weitere Faktoren, die das allgemeine wirtschaftliche Wachstum fördern und die Dynamik des Binnenmarkts aufrechterhalten.

Diese Mitteilung greift die wichtigsten Aspekte der Harmonisierung der Signalgebungssysteme und der damit verbundenen Kosten und Vorteile für die verschiedenen Akteure auf und stellt die Strategie vor, die die Kommission zur Verwirklichung dieses Ziels verfolgt. Insbesondere wird gezeigt, dass die Einführung des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS, ebenso wie GALILEO im Bereich der Satellitennavigation, ein europäisches wirtschaftliches Großvorhaben darstellt. Darüber hinaus ist ERTMS ein wesentlicher Bestandteil der vorrangigen Eisenbahnvorhaben der Gemeinschaft, wobei im Zeitraum 2007-2016 für die ERTMS-Ausrüstung von Fahrzeugen sowie von ca. 20 % des transeuropäischen Schienennetzes ein Investitionsvolumen von 5 Mrd. € erreicht werden kann.

2. SIGNALGEBUNG – EIN HINDERNIS FÜR DIE INTEGRATION DES EISENBAHNRAUMS

2.1. Die Bedeutung eines harmonisierten Signalsystems in Europa

[pic] | Derzeit bestehen in Europa über 20 verschiedene Signalsysteme nebeneinander. Diese Systeme wurden in der Regel auf nationaler Ebene entwickelt und sind bezüglich ihrer Leistung – Optimierung des Zugabstands und damit der Streckenkapazität – und der Sicherheit sehr unterschiedlich. Die hohen Kosten der bestehenden Systeme sind mit dafür verantwortlich, dass auf einem Teil des Netzes noch keine Geschwindigkeitsüberwachung installiert ist. |

Tödliche Unfälle aufgrund von Signalfehlern Bei einer Zugkollision im Nebel kamen am 7. Januar 2005 in der Nähe von Bologna (Italien) 17 Menschen ums Leben. Dieses Unglück ist Teil einer Serie von Zusammenstößen, die sich in den vergangenen Jahren in Europa ereignet haben. So kamen im Juni 2003 in der Nähe von Albacete (Spanien) 19 Menschen ums Leben, im März 2001 im belgischen Pécrot 8 Personen und im Oktober 1999 waren in London 31 Todesopfer zu beklagen. Zwar sind noch nicht alle Untersuchungen abgeschlossen, doch scheint offensichtlich, dass ein leistungsfähiges Signalsystem mit automatischer Geschwindigkeitsüberwachung zur Vermeidung dieser Unfälle und damit zur weiteren Verbesserung des – gegenüber dem Straßenverkehr ohnehin wesentlich höheren – Sicherheitsniveaus der Eisenbahn hätte beitragen können. |

Für Grenzüberquerungen müssen Lokomotiven heute noch mit mehreren Systemen ausgerüstet sein, die die von den verschiedenen streckenseitigen Systemen ausgesandten Informationen verarbeiten können. Ist die Konstruktion einer Lokomotive einmal abgeschlossen, wird es äußerst kostspielig und manchmal unmöglich, noch weitere Bordsysteme hinzuzufügen. Aus diesem Grund müssen die meisten Züge noch am ersten Grenzbahnhof zum Auswechseln der Lokomotive anhalten.

Der Einsatz des Europäischen Eisenbahnverkehrsleitsystems ERTMS, das dank der Forschungsrahmenprogramme der Gemeinschaft seit Anfang der 1990er Jahre entwickelt und danach mit den Haushaltsmitteln für die transeuropäischen Netze weiter gefördert wurde, stellt einen beträchtlichen Fortschritt für die Entwicklung der Interoperabilität und der Sicherheit der Netze dar.

Auf die Bedeutung einer im Rahmen der transeuropäischen Netze vorrangigen ERTMS-Einführung wurde mehrfach hingewiesen, insbesondere in dem Vorschlag einer Verordnung über die Grundregeln für die Gewährung von Gemeinschaftszuschüssen für transeuropäische Netze[1].

Abgeleitet aus den sich auf die transeuropäischen Netze beziehenden Bestimmungen des Vertrags (Titel XV Artikel 154, 155 und 156) bildet die Richtlinie 96/48/EG einen rechtlichen Rahmen, der u. a. seit November 2002 vorschreibt, auf allen neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken des transeuropäischen Schienennetzes ERTMS zu installieren und bei der Erneuerung von Signalsystemen auf ERTMS umzustellen. Für den konventionellen Eisenbahnverkehr werden sechs Monate nach Inkrafttreten einer Entscheidung über Technische Spezifikationen für die Interoperabilität[2] gemäß der Richtlinie 2001/16/EG ähnliche Anforderungen wirksam. Die Installation von ERTMS ist insbesondere bei der Errichtung neuer und der Erneuerung bestehender Signalsysteme im Rahmen der vorrangigen Projekte gemäß der Richtlinie 884/2004/EG vorgeschrieben[3].

Im Zusammenhang mit den Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität fanden mehrere Konsultationen der Benutzer und Sozialpartner statt, die sich für die Entwicklung und Einführung des ERTMS ausgesprochen haben.

2.2. Das Europäische Eisenbahnverkehrsleitsystem ERTMS

Das ERTMS umfasst heute zwei Basiskomponenten:

- GSM-R, basierend auf dem Mobilfunkstandard, nutzt spezielle, dem Schienenverkehr vorbehaltene Frequenzen und verfügt über bestimmte fortgeschrittene Funktionen; GSM-R ist das für den Informationsaustausch (Sprache und Daten) zwischen Strecke und Fahrzeug verwendete Funksystem;

- ETCS[4], das Europäische Zugsicherungs-/Zugsteuerungssystem, erlaubt es, dem Zugführer Informationen über die zulässige Höchstgeschwindigkeit zu übermitteln und die Einhaltung dieser Vorgaben kontinuierlich zu überwachen.

Drei ETCS-Anwendungsstufen Mittels ETCS werden von der Strecke aus Informationen an den Zug übermittelt, anhand derer stets die jeweils zulässige Höchstgeschwindigkeit errechnet werden kann. Auf den Strecken, auf denen die Signalübertragung durch Streckensignale erfolgt (Lichtsignale und Hinweisschilder mit der zulässigen Geschwindigkeit), können diese Informationen durch entlang der Strecke installierte Standardbalisen (Eurobalisen) übertragen werden. Dies wird als ETCS-Anwendungsstufe 1 bezeichnet. Die Informationen können auch per Funk (GSM-R) übertragen werden. Man spricht dann von der ETCS-Anwendungsstufe 2. Die Streckensignale sind dann nicht mehr notwendig, wodurch erhebliche Investitionen und Instandhaltungskosten eingespart werden können. Die Zugposition wird weiterhin mit Hilfe der streckenseitigen Ausrüstung ermittelt. Ein mit ETCS und GSM-R ausgestatteter Zug kann auf Strecken der Anwendungsstufen 1 und 2 gleichermaßen verkehren. Auf der Anwendungsstufe 3 werden die Positionsdaten direkt vom Zug ausgesandt, wodurch die Streckenkapazität optimal genutzt und die streckenseitige Ausrüstung noch weiter abgebaut werden kann. Auf allen Anwendungsstufen vergleicht ein Bordrechner (Eurocab) die Geschwindigkeit des Zuges mit der zulässigen Höchstgeschwindigkeit und leitet bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung eine automatische Bremsung ein. |

3. EINFÜHRUNG VON GSM-R

Die Mitgliedstaaten sind gegenwärtig dabei, ihre durch das Aufkommen digitaler Technologien (z. B. GSM) überholten Funksysteme durch GSM-R zu ersetzen. Diese Umstellung findet in raschem Tempo in fast ganz Europa statt. Da GSM-R auf den Standards des öffentlichen Mobilfunks beruht, ist es in Bezug auf Kosten und Qualität den alten Systemen, die in der Regel auf nationaler Ebene entwickelt wurden, weit überlegen.

Die Einführung von GSM-R sollte jedoch durch gemeinschaftliche Begleitmaßnahmen unterstützt werden, um die nationalen Einführungsstrategien aufeinander abzustimmen, die Kontinuität der Verkehrsdienste sicherzustellen und die Entstehung von Funklöchern im transeuropäischen Netz zu vermeiden. In den meisten der neuen Mitgliedstaaten ist die Einführung von GSM-R nach wie vor ein strategisches Schwerpunktziel.

Auf technischer Seite muss weiterhin auf die Interoperabilität der von den verschiedenen Herstellern entwickelten Anwendungen geachtet werden, vor allem um sicherzustellen, dass bei der Grenzüberquerung von Zügen durch den Wechsel des Mobilfunknetzbetreibers keine Störungen auftreten.

4. EINFÜHRUNG DES ETCS

Die Einführung des ETCS dauert länger als die von GSM-R. Es handelt sich nämlich um ein speziell für die Eisenbahn entwickeltes System, so dass im Vergleich zu GSM-R nur in einem geringeren Umfang für andere Bereiche entwickelte Standards genutzt werden konnten.

Die Entwicklung wurde Mitte der 1990er Jahre zunächst durch Gemeinschaftsmittel der Forschungsrahmenprogramme und später während der Erprobungs- und Vorserienphase im Rahmen des Haushalts für die transeuropäischen Netze gefördert, was erst relativ spät zu stabilen Spezifikationen geführt hat.

Inzwischen sind stabile Spezifikationen vorhanden und die Produkte erprobt, so dass bei der Erneuerung von Signalsystemen die Ausstattung mit ETCS unumgänglich erscheint. Wegen der Rückständigkeit und der hohen Kosten der herkömmlichen Signalsysteme, insbesondere in Bezug für die Instandhaltung, sowie ihrer technischen Inkompatibilität betrachten alle Akteure des Sektors ETCS als einziges zukunftsträchtiges Signalgebungssystem für das transeuropäische Eisenbahnnetz.

Die Kosten mehrfacher Bordsysteme: Der Fall Thalys Die Züge des zwischen Paris, Brüssel, Köln und Amsterdam (PBKA) verkehrenden Thalys sind mit sieben verschiedenen Signalsystemen ausgerüstet. Mehrere Faktoren, darunter Erschwernisse aufgrund der Vielzahl unterschiedlicher Systeme und die begrenzte Stückzahl der speziell für diese Strecken produzierten Züge, führen bei jedem Zug zu Mehrkosten von 60 %. Darüber hinaus muss im Führerstand für jedes Signalsystem ein eigener Bildschirm vorhanden sein. |

4.1. Hemmnisse bei der ETCS-Einführung

Die Einführung von ETCS erfordert ein entsprechendes Modul im Triebfahrzeug sowie streckenseitige Ausrüstungen, die ebenfalls das ETCS-Format verwenden, um an den Zug die Informationen zu übermitteln, anhand derer zu jedem Zeitpunkt die zulässige Höchstgeschwindigkeit ermittelt werden kann. Da weder alle Züge gleichzeitig mit ETCS ausgerüstet noch die Signalsysteme des gesamten Netzes von heute auf morgen ausgetauscht werden können, ist es häufig unausweichlich, an Bord der Fahrzeuge und/oder entlang der Strecke mindestens eines der bestehenden Systeme und ETCS nebeneinander zu betreiben.

Die Modernisierung oder Verlängerung von Strecken erfolgt gewöhnlich mit dem Ziel, eine große Anzahl von Fahrzeugen darauf verkehren zu lassen. Den Zugang zu diesen Strecken nur Zügen vorzubehalten, die über ETCS verfügen, wird häufig als Einschränkung und wirtschaftlich inakzeptabel angesehen, solange es nur wenige Züge dieses Typs gibt. Außerdem müssen die Fahrzeuge im Moment noch in jedem Fall mit dem alten System ausgerüstet sein, um zu den verlängerten bzw. modernisierten Strecken zu gelangen.

Untersuchungen über den Ausbau bestehender Strecken, bei denen die Interoperabilitätsvorteile und der daraus resultierende Nutzen für das gesamte Netz außer Acht gelassen werden, könnten zu Ungunsten des ETCS ausfallen, da in jedem Fall die alte Streckenausrüstung während einer bestimmten Übergangsphase aufrechtzuerhalten ist.

Wird jedoch beim Neubau oder der Modernisierung von Strecken das neue europäische Signalsystem nicht installiert, so sind im Fall einer Nachrüstung die Schwierigkeiten weitaus größer, da die Arbeiten auf einer bereits in Betrieb befindlichen Strecke durchzuführen wären, wodurch Mehrkosten von bis zu 80 % entstehen können.

Solange ein wesentlicher Teil des Netzes noch nicht über ETCS verfügt, können die Eisenbahnunternehmen es noch als ein zusätzliches System betrachten, das zum jetzigen Zeitpunkt nicht unbedingt notwendig ist, da die meisten Strecken während einer Übergangszeit weiterhin mit einem oder mehreren der herkömmlichen Systeme ausgerüstet sein müssen.

Wird aber ETCS nicht schon bei der Konstruktion des Antriebsfahrzeugs eingeplant, so fallen die Kosten einer späteren Nachrüstung wesentlich höher aus (ungefähr um das Dreifache).

Die lange Lebensdauer von Signalanlagen behindert die zügige ETCS-Einführung Selbst bei einem systematischen Einsatz von ETCS auf allen neuen Strecken und Fahrzeugen würde die lange Lebensdauer der streckenseitigen Signalausrüstung und der Fahrzeuge – in der Regel über 20 Jahre – dazu führen, dass der überwiegende Teil des transeuropäischen Netzes auch in zehn Jahren noch nicht umgerüstet wäre. Ausgehend von einer Erneuerungsrate von 2,5 % pro Jahr würde in 20 Jahren erst die Hälfte des Netzes über ETCS verfügen. Somit müssten auch im Jahr 2025 noch die meisten Lokomotiven mit den nationalen Systemen ausgerüstet werden, die aber zum Teil bereits heute als veraltet angesehen werden. |

Der Rechtsrahmen, der für die Signalausrüstung aller neuen Hochgeschwindigkeitsstrecken des transeuropäischen Schienennetzes und die darauf verkehrenden Fahrzeuge eine ETCS-Ausrüstung vorschreibt und auch für die vorrangigen Vorhaben des konventionellen Eisenbahnnetzes ähnliche Anforderungen enthält, reicht allein nicht aus, um in den nächsten 10 – 12 Jahren ein Netz entstehen zu lassen, auf dem ausschließlich mit ETCS ausgerüstete Züge verkehren.

Erfolgte die Einführung nämlich nur nach Vorschrift, so wären die Kosten zwar geringer, da nur bei Erneuerungsarbeiten umgerüstet würde, doch entstünde dadurch erst nach langer Zeit ein zusammenhängendes ETCS-Netz. Dabei würden die zuerst umstellenden Eisenbahnunternehmen und Netzbetreiber erheblich benachteiligt, da sie über längere Zeit die Kosten einer doppelten Ausrüstung zu tragen hätten.

4.2. Hauptvorteile der ETCS-Einführung

Das ETCS ist Teil einer Strategie zur Wiederbelebung des Eisenbahnsektors. Insbesondere wird ETCS dem grenzüberschreitenden Eisenbahnpersonen- und -güterverkehr Impulse verleihen, indem es die Grenzüberquerung von Lokomotiven erleichtert. Die Herausforderungen, insbesondere hinsichtlich der durch Umweltverschmutzung, Lärm, Sicherheitsbelange und Verkehrsüberlastung bedingten externen Kosten, sind enorm, und alles, was zu einem ausgewogeneren Verhältnis zwischen den Verkehrsträgern beiträgt, kann eine Senkung dieser Kosten bewirken.

Auch wenn Globalanalysen schwierig sind, weil für die Einführung der streckenseitigen ETCS-Komponenten unterschiedliche Strategien bestehen und jedes bestehende System seine eigene Kostenstruktur und eigenen Leistungsmerkmale aufweist, wird dennoch allgemein anerkannt, dass die Kosten des ETCS bei einer ausschließlichen Verwendung merklich geringer sind als die Kosten konventioneller Systeme. Da letztere außerdem häufig alt und technisch überholt sind, steigen ihre Instandhaltungskosten sehr schnell an.

Bei der fahrzeugseitigen ETCS-Ausrüstung sind die Kosten mit denen bestehender Systeme vergleichbar, doch muss derzeit für jedes Land, das ein Zug zu durchqueren hat, mindestens ein Signalsystem in den Lokomotiven installiert sein. Wird der Lokomotivführer an der Grenze nicht ausgewechselt, so muss er mit jedem dieser Systeme vertraut sein. Die Verwendung eines einzigen Systems hätte eine geringere Komplexität der Fahrzeuge und eine Vereinfachung von Betrieb und Instandhaltung zur Folge. Der Faktor Mensch allgemein und die Auswirkungen des neuen Systems auf die Zugführer im Besonderen wurden bereits bei der Konzeption des Systems mit berücksichtigt, was seine Einführung erleichtert hat.

Darüber hinaus verschafft ein europäischer Standard, der sich in einem offenen Wettbewerb zwischen den Ausrüstungsherstellern rasch in Europa verbreitet, den Unternehmen bei der Ausfuhr ihrer Produkte in Länder außerhalb der Union einen Wettbewerbsvorteil. Dies wiederum trägt zu einem Preisrückgang innerhalb der Europäischen Union bei.

ETCS als Exportartikel Im Frühjahr 2004 erhielt ein Hersteller den Auftrag, in Korea 414 Züge und 760 Streckenkilometer mit ETCS auszurüsten. Das Auftragsvolumen beträgt rund 32 Millionen Euro. Davor hatte bereits Taiwan Ausrüstung für 756 Züge und 1 200 Streckenkilometer bestellt. Auch mit Indien und China wurden unlängst Verträge ähnlichen Umfangs abgeschlossen. |

Mittels ETCS können auch konventionelle Strecken mit einem Signalsystem ausgestattet werden, dessen Sicherheitsniveau mindestens so hoch ist wie das der heute auf den Hochgeschwindigkeitsstrecken eingesetzten Systeme.

Nach Angaben des UNIFE[5] ermöglicht ETCS eine ebenso hohe Infrastrukturauslastung (Züge pro Stunde) wie die derzeit besten Signalsysteme und damit Kapazitätsgewinne zwischen 2 % und 15 %, im Vergleich zu den weniger leistungsfähigen Systemen sogar von 20 %. Allerdings ist durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass es bei großen Kapazitätssteigerungen zu keinen Beeinträchtigungen, insbesondere der Umwelt, kommt.

4.3. Strategie für eine zügige und koordinierte Migration

Werden Strecken bei einer Modernisierung oder einem Neubau nicht mit ETCS ausgerüstet, so erschwert dies die Interoperabilität der Strecke während der gesamten Lebensdauer der Ausrüstung. Dasselbe gilt auch für die fahrzeugseitige Ausrüstung.

Solange noch kein echtes ETCS-Netz besteht und nur wenige Antriebsfahrzeuge entsprechend ausgerüstet sind, müssen strecken- und fahrzeugseitig weiterhin die herkömmlichen Systeme installiert werden, was zu den am Beispiel des Thalys beschriebenen Mehrkosten führt. Andererseits können durch die streckenseitige Installation von ETCS nur dann Einsparungen – etwa durch den Abbau von Streckensignalen – erzielt werden, wenn auch ein großer Teil der Fahrzeuge mit dem System ausgerüstet ist.

Durch eine Verkürzung der Migrationsphase auf 10 – 12 Jahre zur Schaffung eines ETCS-Netzes und Ausrüstung einer ausreichenden Zahl von Fahrzeugen sowie die gleichzeitige Verwirklichung großer grenzüberschreitender und interoperabler Verkehrskorridore könnten somit die sich aus der Koexistenz unterschiedlicher Systeme ergebenden Mehrkosten erheblich verringert werden. Durch eine solche Strategie könnten auch die zuvor genannten Vorteile früher genutzt werden.

Eine solche Strategie der zügigen und koordinierten Migration ist der Wunsch des gesamten Eisenbahnsektors, dessen Vertreter zu diesem Zweck eine Vereinbarung getroffen haben, in der die Grundzüge der Strategie festgelegt werden. Vizepräsident Barrot hat die Vereinbarung am 17. März 2005 im Namen der Kommission unterzeichnet.

5. HIN ZU EINER ZÜGIGEN UND KOORDINIERTEN ETCS-MIGRATION

In dem technischen Anhang zu dieser Mitteilung wird das Ziel dieser Strategie der zügigen Migration beschrieben, bei der es darum geht, eine kritische Masse zu erreichen, bei der die Zahl der mit ETCS ausgerüsteten Züge und Strecken so groß ist, dass die Nachrüstung der restlichen Züge und Strecken unumgänglich wird.

Durch die Einführung dieses neuen europäischen Standards kann der Eisenbahnsektor die technischen Hindernisse, die für die anderen Verkehrsträger nicht bestehen, schrittweise überwinden. Dabei kommen die meisten Vorteile aber erst zum Tragen, wenn eine kritische Masse erreicht ist und die „alten“ Ausrüstungen nach und nach abgebaut und die Züge mit nur einem System ausgerüstet werden können. Diese Umstellung ist für die verschiedenen Akteure zunächst mit Kosten verbunden.

In dem technischen Anhang wird anhand erster Schätzungen dargelegt, wie diese kritische Masse mit Investitionen von rund 5 Mrd. € bis Ende 2016 erreicht werden kann. Die Kommission schlägt vor, bis zu 50 % dieser Investitionen, einschließlich derer zur Umrüstung der Fahrzeuge, zu finanzieren, um dieses Vorhaben von eindeutig europäischer Dimension zu unterstützen. Dabei könnten die Gemeinschaftszuschüsse zeitlich degressiv gestaffelt werden, um den Migrationsprozess zu beschleunigen.

6. SICHERSTELLUNG DER INTEROPERABILITÄT

Die Kommission schlägt somit eine wesentliche finanzielle Unterstützung des Vorhabens vor, um die Interoperabilität allgemein und besonders die Einführung des ETCS zu fördern. Dabei ist dafür zu sorgen, dass die dem Sektor in anderen Bereichen, insbesondere für Infrastrukturprojekte, gewidmeten Gemeinschaftsmittel der Verwirklichung eines interoperablen transeuropäischen Schienennetzes nicht im Wege stehen.

Erfüllung der Interoperabilitätsanforderungen Die Kommission erhält Förderanträge für eine Vielzahl interessanter Projekte von großem gemeinschaftlichem Nutzen, die aber unmöglich alle berücksichtigt werden können. Vielmehr müssen Prioritäten gesetzt werden. Die Nichteinhaltung der Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität im Allgemeinen und insbesondere der Einsatz anderer Signalsysteme als ETCS, auch wenn dies rechtlich zulässig ist, schlagen bei der Bewertung der einzelnen Vorhaben negativ zu Buche. |

Konkret bedeutet dies, dass bei ETCS- bzw. GSM-R-Projekten dafür gesorgt werden sollte, dass die mit den ETCS-/GSM-R-Komponenten eines Herstellers ausgestatteten Züge auch die Netze befahren können, die von anderen Herstellern ausgerüstet wurden. Ferner ist sicherzustellen, dass alle Untersuchungen durchgeführt und entsprechende Vorkehrungen für eine optimale Grenzüberquerung, einschließlich des schnellen Umschaltens zwischen GSM-R-Netzen, getroffen wurden.

Die Unternehmen stützen sich bei ihrer Arbeit auf gemeinsame Spezifikationen, die in den Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität[6] (TSI) aufgeführt sind. Die TSI für den Hochgeschwindigkeitsverkehr wurden von der Kommission 2002 verabschiedet und sind inzwischen stabil. Die TSI für das konventionelle Eisenbahnsystem wurden vom zuständigen Ausschuss am 23. November 2004 festgelegt und werden demnächst von der Kommission verabschiedet.

Natürlich sind diese Spezifikationen noch nicht endgültig und werden unter Umständen angepasst, um der technologischen Entwicklung oder etwaigen Ungenauigkeiten Rechnung zu tragen, die während der Entwicklungsarbeiten auftreten.

Solche Ungenauigkeiten könnten beispielsweise zu Kompatibilitätslücken bei der entwickelten Software führen. Zur Wahrung der Interoperabilität wird die Europäische Eisenbahnagentur mit den Spezifikationsänderungen beauftragt. Zu diesem Zweck wird die Eisenbahnagentur gemäß ihrem Arbeitsprogramm ab der zweiten Jahreshälfte 2005 schrittweise ihre Rolle als Systembehörde für ETCS und GSM-R übernehmen.

Die Europäische Eisenbahnagentur als Hüterin der TSI Die in Lille/Valenciennes (Frankreich) angesiedelte Europäische Eisenbahnagentur ist dabei, schrittweise ihre Arbeit aufzunehmen. Ihre Aufgabe besteht vor allem darin, die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität auf dem neuesten Stand zu halten. |

Neben der Einhaltung der Spezifikationen ist ebenfalls zu gewährleisten, dass die Prototypen vor ihrer Inbetriebnahme erprobt werden, um festzustellen, ob sämtliche Spezifikationen für die Interoperabilität tatsächlich erfüllt werden. In der Praxis erscheint die Verwendung von Umgebungssimulatoren, die innerhalb des gesamten Sektors anerkannt sind, für die Konformitätsbewertung der fahrzeugseitigen Ausrüstung unverzichtbar.

Erfüllung der Interoperabilitätsanforderungen und Validierung Bei allen mit Gemeinschaftsmitteln geförderten ETCS- und GSM-R-Vorhaben erfolgt die Schlusszahlung nur unter der Bedingung, dass die Spezifikationen für die Interoperabilität nachweislich eingehalten wurden. Im Fall der Fahrzeugausrüstung muss dieser Nachweis unter Verwendung von Umgebungssimulatoren sowohl im Labor als auch im Feld erfolgen. Hinsichtlich der streckenseitigen Ausrüstung werden Gespräche mit Vertretern des Eisenbahnsektors geführt, um das Verfahren festzulegen, durch das Interoperabilitätsprobleme möglichst früh erkannt werden. In die Finanzierungsbeschlüsse wird eine Standardklausel eingefügt, nach der die Schlusszahlung nur dann erfolgt, wenn mittels einer Bescheinigung nachgewiesen wird, dass die Interoperabilitätsprüfungen erfolgreich abgeschlossen wurden. |

Wird eine Strecke mit ETCS ausgerüstet, so müssen alle Hersteller fahrzeugseitiger ETCS-Komponenten – auch wenn die von ihnen bestückten Lokomotiven nicht sofort auf der betreffende Strecke eingesetzt werden – mittels Prüfungen sicherstellen können, dass zwischen ihren Komponenten und der für die Strecke gewählten Lösung keine Interoperabilitätsprobleme bestehen.

7. SICHERSTELLUNG EINER KOHÄRENTEN ETCS-EINFÜHRUNG

Häufig hängt für einen Infrastrukturbetreiber die Entscheidung darüber, auf einer Strecke oder einem Netzabschnitt ETCS zu installieren, von der Strategie seines bzw. seiner Netznachbarn ab. Desgleichen werden Eisenbahnunternehmen keinen bestimmten Migrationsweg einschlagen, ohne zuvor von den Betreibern der von ihnen benutzten Infrastruktur bestimmte Zusagen über die von ihnen verfolgte Strategie zu erhalten. Diese Strategie der Infrastrukturbetreiber wird aber wiederum von der Migrationsstrategie der Eisenbahnunternehmen maßgeblich beeinflusst. Dies führt den Koordinierungsbedarf deutlich vor Augen.

7.1. Vereinbarung zwischen Kommission und Eisenbahnsektor

Am 17. März 2005 hat die Kommission eine Vereinbarung mit dem Eisenbahnsektor (europäische Branchenverbände, Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen) unterzeichnet, um eine kohärente und abgestimmte Einführung von ERTMS im Allgemeinen und von ETCS im Besonderen zu fördern. Der Eisenbahnsektor verpflichtet sich darin, die Mitgliedstaaten bei der Erstellung ihrer nationalen Pläne zur ERTMS-Einführung und die Kommission bei der Konsolidierung dieser Pläne und der Erstellung eines europäischen Gesamtplans zu unterstützen. Die Kommission erwartet die uneingeschränkte Mitarbeit des Eisenbahnsektors an den Studien, deren Ziel insbesondere darin besteht, die Kosten zu ermitteln, die mit der ETCS-Umstellung der großen transeuropäischen Korridore verbunden sind.

7.2. Europäischer Koordinator

Zur Unterstützung einer koordinierten Einführung des ERTMS im Allgemeinen und ETCS im Besonderen erschien es sinnvoll, eine innerhalb des Sektors anerkannte Persönlichkeit als Europäischen Koordinator zu benennen. Seine Aufgabe wird vor allem darin bestehen, bei der Ausarbeitung kohärenter und wirtschaftlich tragfähiger nationaler Einführungspläne behilflich zu sein und Probleme bei der Durchführung dieser Pläne zu ermitteln. Er wird ferner die Umsetzung der genannten Vereinbarung unterstützen und Vorschläge zur Finanzierung der fahrzeug- und streckenseitigen ETCS-Ausrüstung unterbreiten. Dabei wird er eng mit den anderen Europäischen Koordinatoren zusammenarbeiten, die jene Verkehrskorridore betreuen, bei denen große Verzögerungen oder Koordinierungsschwierigkeiten aufgetreten sind.

7.3. Schulung und Zertifizierung von Zugführern

Im Rahmen des dritten Eisenbahnpakets hat die Kommission am 3. März 2004 dem Parlament und dem Rat den Vorschlag einer Richtlinie über die Zertifizierung von Triebfahrzeugführern[7] vorgelegt. Der Vorschlag wurde in enger Abstimmung mit dem Sektor und den Sozialpartnern ausgearbeitet und sieht vor, dass Triebfahrzeugführer über eine eigene Fahrerlaubnis verfügen müssen, die eine Anerkennung ihrer allgemeinen Qualifikation darstellt und im gesamten Gebiet der Gemeinschaft gültig ist. Diese Fahrerlaubnis muss durch eine Bescheinigung des jeweiligen Eisenbahnunternehmens ergänzt werden, die eine spezielle Schulung auf der Fahrstrecke, den eingesetzten Fahrzeugen und in den unternehmenseigenen Betriebs- und Sicherheitsverfahren bestätigt.

Die durch ETCS eingeleitete Standardisierung der Ausrüstung und Verfahren wird auf längere Sicht eine Vereinfachung der speziellen Schulung ermöglichen. Darüber hinaus können beim ERTMS bereits heute Informationen in der Muttersprache des Zugführers angezeigt werden. Das Ziel ist eine Vereinheitlichung der Ausbildung, um so auf eine größere Mobilität der Zugführer hinzuwirken und ihre Beschäftigungsmöglichkeiten zu verbessern. Die Eisenbahnagentur wird außerdem den Austausch von Zugführern und Ausbildern zwischen den Eisenbahnunternehmen verschiedener Mitgliedstaaten fördern.

8. FAZIT

Nach Ansicht der Kommission wird durch die zügige ERTMS-Einführung auf einem strategisch wichtigen Teil des transeuropäischen Eisenbahnnetzes ein Schneeballeffekt ausgelöst, durch den rasch eine Situation erreicht werden kann, in der ERTMS auf dem gesamten transeuropäischen Schienennetz zum Standard geworden ist. Diese zügige Einführung deckt sich mit der Strategie der Wiederbelebung des Eisenbahnsektors, wofür die Interoperabilität des Netzes eine Voraussetzung ist.

Um diese Einführung zu beschleunigen und zu koordinieren, wird in der vorliegenden Mitteilung dargelegt, wie die im Rahmen der bestehenden Finanzierungsinstrumente verfügbaren Mittel mobilisiert werden können, insbesondere zugunsten jener Infrastrukturbetreiber und Eisenbahnunternehmen, die als erste ERTMS einführen. Zugleich wird die Kommission darauf achten, dass die Spezifikationen für die Interoperabilität bei den von ihr finanzierten Vorhaben genau befolgt werden. Die Kommission fordert das Europäische Parlament und den Rat auf, die Leitlinien dieser Mitteilung zu unterstützen.

[1] KOM(2004) 475 endg.

[2] Die Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität, die von der Kommission demnächst verabschiedet werden sollen, wurden im Rahmen des Ausschussverfahrens vereinbart.

[3] Ausnahmen sind möglich, insbesondere für Vorhaben, die zum Zeitpunkt der Veröffentlichung der Technischen Spezifikationen für die Interoperabilität bereits weit vorangeschritten sind.

[4] European Train Control System.

[5] Verband der Europäischen Eisenbahnindustrie.

[6] Entscheidung Nr. 2002/731/EG.

[7] KOM(2004) 142 endg. vom 3. März 2004.

Top