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Document 52001DC0672

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine gemeinsame politik auf dem gebiet der illegalen einwanderung

/* KOM/2001/0672 endg. */

52001DC0672

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine gemeinsame politik auf dem gebiet der illegalen einwanderung /* KOM/2001/0672 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT ÜBER EINE GEMEINSAME POLITIK AUF DEM GEBIET DER ILLEGALEN EINWANDERUNG

Inhalt

1. Zusammenfassung

2. Teil I - Einführung

3. Teil II - Leitlinien, Zielsetzungen und Anforderungen

3.1. Das Phänomen verstehen

3.2. Internationale Verpflichtungen und Menschenrechte

3.3. Einbeziehung aller Beteiligten in der ,Migrationskette"

3.4. Verhinderung illegaler Einwanderung

3.5. Durchsetzung existierender Bestimmungen

3.6. Angemessene Sanktionen für kriminelle Aktivitäten

4. Teil III - Aktionsplan

4.1. Visumpolitik

4.2. Informationsaustausch und Analyse

4.3. Maßnahmen im Grenzvorbereich

4.4. Grenzkontrolle: Auf dem Weg zu einem Europäischen Grenzschutz

4.5. Verbesserung der Kooperation und Koordination auf operationeller Ebene

4.6. Aufwertung der Rolle von Europol

4.7. Ausländerrecht und Strafrecht

4.8. Rückübernahme- und Rückkehrpolitik

5. Schlussfolgerung

1. Zusammenfassung

Kurz vor dem Gipfeltreffen des Europäischen Rates in Laeken ist bei der Umsetzung des Vertrags von Amsterdam und der Schlussfolgerungen von Tampere nun eine entscheidende Phase angebrochen. Da die Kommission inzwischen die meisten Vorschläge im Bereich Asyl und legale Einwanderung vorgelegt hat, muss jetzt auch die illegale Einwanderung als fehlendes Glied einer umfassenden Einwanderungs- und Asylpolitik abgedeckt werden. Die Kommission übermittelt dem Rat und dem Europäischen Parlament daher diese Mitteilung über eine gemeinsame Politik auf dem Gebiet der illegalen Einwanderung.

Die Kommission hat sechs Bereiche bestimmt, in denen Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung getroffen werden können:

1. Visumpolitik;

2. Infrastrukturen für den Informationsaustausch, die Zusammenarbeit und die Koordinierung;

3. Handhabung der Grenzkontrollen;

4. Polizeiliche Zusammenarbeit;

5. Ausländerrecht und Strafrecht;

6. Rückkehr- und Rückübernahmepolitik.

Auf der Grundlage bestehender Instrumente und Maßnahmen auf einzelstaatlicher Ebene ist die Kommission bestrebt, weitere Fortschritte zu erzielen, um Synergieeffekte zu bewirken, indem die einzelstaatlichen Anstrengungen durch eine europäische Dimension ergänzt werden. Außerdem will die Kommission einen Beitrag zu der derzeitigen Diskussion auf europäischer Ebene leisten.

- In Anbetracht der Tatsache, dass sämtliche Maßnahmen zur Bekämpfung irregulärer Wanderungsbewegungen in möglichst engem Zusammenhang mit den betreffenden irregulären Migranten stehen müssen, sollte die EU Maßnahmen in und von Herkunfts- und Transitländern fördern, die auch der EU-Politik auf dem Gebiet der Menschenrechte Rechnung tragen. Hierzu sollte ein intensiver Informationsaustausch, ein Wissenstransfer und die finanzielle Unterstützung angemessener Kontrollmaßnahmen gehören.

- Da die Durchsetzung bereits erlassener gemeinsamer Vorschriften, insbesondere gemeinsamer Standards für die Visumerteilung und für Grenzkontrollen, von großer Bedeutung ist, sollte sich die EU verstärkt um eine geeignete Überprüfung bemühen.

- Die Zusammenarbeit der Verwaltungen sollte intensiviert werden, indem beispielsweise das Netz von Verbindungsbeamten weiter ausgebaut oder das Konzept, dem zufolge für Grenzkontrollen gemeinsame Patrouillen eingesetzt werden, gefördert wird.

- Im Hinblick auf eine bessere Zusammenarbeit und Koordinierung der Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten könnte eine ständige technische Unterstützungseinheit geschaffen werden, die beim Sammeln, bei der Analyse und der Verbreitung von Informationen behilflich ist, die Zusammenarbeit der Verwaltungen koordiniert und gemeinsame Datenbanken zur Steuerung der Migrationsströme verwaltet.

- Alle Möglichkeiten moderner Technologie und Telekommunikation sollten genutzt werden, um die operative Zusammenarbeit zu verbessern, zum Beispiel im Rahmen des Frühwarnsystems zur Meldung irregulärer Wanderungsbewegungen.

- Der Austausch von Informationen einschließlich Statistiken und Analysen sollte durch verschiedene Maßnahmen gefördert werden, zum Beispiel indem die Qualität der Statistiken verbessert oder eine Europäische Beobachtungsstelle für Wanderungs bewegungen eingerichtet wird.

- Das Konzept angemessener und vergleichbarer Sanktionen für Personen, die die illegale Einwanderung fördern, muss weiter verbessert und harmonisiert werden. Dies umfasst insbesondere eine harte Bestrafung krimineller Aktivitäten. Der Beschlagnahme illegal erzielter finanzieller Vorteile kommt ebenfalls eine Schlüsselrolle zu.

- Nicht angemeldete Erwerbstätigkeiten illegal aufhältiger Personen sind ein weiterer Grund zur Besorgnis; hier bedarf es weitergehender Maßnahmen, um die Attraktivität dieser Personen für die Arbeitgeber und die Anziehungskraft solcher Tätigkeiten für potenzielle illegale Einwanderer zu verringern.

- Die polizeiliche Zusammenarbeit muss verstärkt werden, indem die Rolle von Europol aufgewertet wird.

- Es gilt ferner, die Rückübernahmepolitik der Gemeinschaft weiterzuentwickeln und die laufenden Verhandlungen mit Drittstaaten zu gegebener Zeit abzuschließen.

Außerdem beabsichtigt die Kommission, Diskussionen über einige neue und innovative Konzepte zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung einzuleiten.

- Die Rückkehrpolitik muss weiter ausgebaut werden, wobei der Schwerpunkt auf der internen Koordinierung wie Festlegung gemeinsamer Standards und Einleitung gemeinsamer Maßnahmen liegen sollte. Die Kommission wird daher in Kürze ein Grünbuch über die Rückkehrpolitik der Gemeinschaft vorlegen.

- Die ersten Schritte zur Schaffung eines Europäischen Grenzschutzes werden erläutert, um diesen Prozess zu erleichtern. Weitere Einzelheiten werden einer Mitteilung über den Europäischen Grenzschutz zu entnehmen sein, die die Kommission in naher Zukunft vorlegen wird.

- Die EU sollte prüfen, ob ein Europäisches Visa-Identifizierungssystem eingeführt werden kann, das einen Informationsaustausch über erteilte Visa zwischen den Mitgliedstaaten ermöglichen würde. Zu diesem Zweck wird die Kommission eine Durchführbarkeitsstudie über die Schaffung eines Europäischen Visa-Identifizierungssystems durchführen lassen.

2. Teil I - Einführung

Die Verhinderung und die Bekämpfung illegaler Einwanderung sind wesentliche Bestandteile der gemeinsamen, umfassenden Asyl- und Einwanderungspolitik der Europäischen Union. [1] Mit Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam wurden durch die Einführung des neuen Titels IV in den EG-Vertrag neue Kompetenzen geschaffen. Während Art. 62 EGV die Rechtsgrundlage für Bestimmungen zu Grenzkontrollen und Visumpolitik bildet, bezieht sich Art. 63 Absatz 3 EGV explizit auf Maßnahmen zu illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt einschließlich der Rückführung von illegal aufhältigen Personen. Da die Beihilfe zur illegalen Einwanderung in den meisten Fällen durch kriminelle Schleusernetze erfolgt, die auf internationaler Ebene operieren, finden auch die relevanten Bestimmungen von Titel VI des Vertrags über die Europäische Union zur polizeilichen und justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen (Art. 29, 30, 31 EUV) Anwendung.

[1] vgl. KOM (2000) 755 endg.; KOM (2000) 757 endg.

Bereits im Wiener Aktionsplan des Rates und der Kommission zur bestmöglichen Umsetzung der Bestimmungen des Amsterdamer Vertrags über den Aufbau eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts vom Dezember 1998 [2] wird darauf hingewiesen, dass entsprechend der Priorität, die der Kontrolle der Zuwanderungsströme zuerkannt wurde, rasch konkrete Vorschläge zu einer besseren Bekämpfung der illegalen Einwanderung vorgelegt werden sollten.

[2] vgl. ABl. C 19 vom 23.1.1999, S. 1.

Darüber hinaus betonte der Europäische Rat in den Schlussfolgerungen seiner Sitzung in Tampere vom Oktober 1999 [3], dass die Migrationsströme in sämtlichen Phasen effizienter gesteuert werden müssen und die illegale Einwanderung an ihrer Wurzel bekämpft werden muss. Zudem ersuchte der Rat um engere Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten und bestätigte die Anforderung an neue Mitgliedstaaten, den einschlägigen gemeinschaftlichen Besitzstand vollumfänglich anzuerkennen, einschließlich der im Rahmen der Schengen-Kooperation gesetzten Normen. [4] Das gemeinsame Interesse am Kampf gegen die illegale Einwanderung, die Notwendigkeit einer engen Zusammenarbeit und die Entschlossenheit zur Bekämpfung krimineller Netze wurden deutlich in der vor kurzem erzielten Einigung über die Richtlinie über die Definition der Beihilfe zur illegalen Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt, den Rahmenbeschluss über die Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Beihilfe zur illegalen Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt sowie die Richtlinie über die Harmonisierung der Geldbußen und Geldstrafen für Beförderungsunternehmer, die Drittstaatsangehörige ohne die erforderlichen Einreisedokumente in die Mitgliedstaaten verbringen.

[3] vgl. Ziffern 22 - 25.

[4] vgl. ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 1.

Im Anzeiger der Fortschritte bei der Errichtung eines Raums "der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts" in der Europäischen Union hat die Kommission ein erstes Bündel von Zielsetzungen zur verstärkten Bekämpfung der illegalen Einwanderung festgelegt. [5] Neben Verbesserungen in den Bereichen Informationsaustausch und Statistik werden auch die Verstärkung der Maßnahmen gegen den Menschenhandel und die wirtschaftliche Ausbeutung von Zuwanderern sowie die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern und die Schaffung einer kohärenten EU-Rückübernahme- und Rückkehrpolitik angesprochen.

[5] vgl. KOM (2000) 782 endg.; KOM (2000) 167 endg.

In ihrer im November 2000 angenommenen Mitteilung über eine Migrationspolitik der Gemeinschaft [6] hat die Kommission die Notwendigkeit einer umfassenden gemeinsamen Migrationspolitik betont, die den sich wandelnden wirtschaftlichen und demografischen Bedürfnissen der Europäischen Union Rechnung trägt. Zur effektiven Steuerung der Migrationsströme und zur Vermeidung von Wettbewerbsverzerrungen sollte die Einwanderung innerhalb eines klar definierten Rechtsrahmens erfolgen: Die illegale Einreise bzw. der unerlaubte Aufenthalt sollten nicht zu der erstrebten, dauerhaften Form des Aufenthalts führen. Der legale Arbeitsmarkt verzeichnet eine wachsende Nachfrage für hoch- und geringqualifizierte Arbeitskräfte. Der illegal aufhältige Personenkreis kann jedoch, ungeachtet der Tatsache, dass für potenzielle Migranten der Zugang zu illegaler Arbeit möglicherweise der wichtigste "Zugfaktor" ist, keinesfalls als Pool zum Ausgleich eines Arbeitskräftemangels angesehen werden. Gleichwohl kann die Öffnung bzw. die Wiedereröffnung legaler Kanäle für die Einwanderung nicht als Allheilmittel gegen die illegale Einwanderung angesehen werden.

[6] vgl. Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament über eine Migrationspolitik der Gemeinschaft, KOM (2000) 757 endg.

Im Juli 2001 hat die Kommission eine weitere Mitteilung angenommen, in der sie einen offenen Koordinierungsmechanismus zur Umsetzung der Migrationspolitik auf Gemeinschaftsebene vorschlägt, der ergänzend zu den Rechtsvorschriften eingesetzt werden soll. [7] Dazu gehört die Ausarbeitung europäischer Leitlinien, die von den Mitgliedstaaten auf einzelstaatlicher Ebene umzusetzen sind. In dieser Mitteilung hat die Kommission vorgeschlagen, zunächst sechs Leitlinien in den bereits auf der Sitzung des Rates in Tampere ermittelten Schlüsselbereichen aufzustellen. Die dritte Leitlinie befasst sich unter dem Thema "Steuerung der Migrationsströme" mit der verstärkten Bekämpfung der illegalen Einwanderung sowie des Schleusens von Menschen und des Menschenhandels.

[7] KOM (2001) 387 endg.

Die Kommission erwägt, das Problem der illegalen Einwanderung auf der Grundlage eines umfassenden Konzepts anzugehen, das darauf abzielt, die verschiedenen institutionellen Möglichkeiten im Rahmen der Verträge so gut wie möglich zu nutzen. Allerdings sollten hierbei die unterschiedlichen relevanten Begriffe wie Schleusen und Menschenhandel (siehe 4.7) stets beachtet werden.

Nun gilt es unter Berücksichtigung der auf einzelstaatlicher Ebene umzusetzenden relevanten europäischen Leitlinien zur Einwanderung konkret festzulegen, welche Maßnahmen die Bekämpfung der illegalen Einwanderung auf EU-Ebene umfassen soll. Es lassen sich viele Bereiche erkennen, die mit illegaler Einreise in die EU und illegalem Aufenthalt in der EU in Verbindung stehen. Ziel dieser Mitteilung ist es, aktuelle Entwicklungen, die als erste Schritte betrachtet werden könnten, und mögliche zukünftige Initiativen auf EU-Ebene in einen kohärenten Rahmen zu bringen. Daher werden zunächst die Schlüsselelemente einer solchen Politik ermittelt (Teil II), sodann erfolgt eine strukturierte Skizzierung der Maßnahmen und Kooperationsformen, die in der Zukunft zur wirksamen, gemeinschaftlichen Bekämpfung illegaler Einwanderung führen können (Teil III).

3. Teil II - Leitlinien, Zielsetzungen und Anforderungen

3.1. Das Phänomen verstehen

Die illegale Einwanderung ist ein vielschichtiges Phänomen, sowohl hinsichtlich der betroffenen Personen selbst als auch in Bezug auf die Muster der illegalen Einreise und des illegalen Aufenthalts. Da gibt es zum einen Menschen, die illegal in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates einreisen. Dies kann entweder vermittels eines illegalen Grenzübertritts erfolgen oder an einer Grenzkontrollstelle mit ge- oder verfälschten Dokumenten. Oft erfolgt diese illegale Einreise allein und ohne fremde Hilfe. In zunehmendem Maße wird sie jedoch von Schleusern organisiert, die - angefangen bei den Herkunftsländern über die Transitländer bis zu den Zielländern - Transport, zeitweilige Unterkunft, Reisedokumente, Informationen, Sicherungs- und andere unterstützende Dienste übernehmen. Die Preise für diese Schleuserdienste sind sehr hoch, und die meisten illegalen Einwanderer müssen dafür ihre kompletten Ersparnisse oder zumindest den Großteil davon hergeben. Wenn sie diese Summen nicht aufbringen können, werden sie oftmals zu Opfern von Menschenhändlern, die ausbeuterische Mittel anwenden, um die "Rückerstattung" der Reisekosten zu erreichen.

Daneben gibt es eine große Zahl illegal aufhältiger Personen, die mit einem gültigen Visum bzw. Aufenthaltstitel in die Europäische Union eingereist und über dessen Gültigkeitsdauer hinaus geblieben sind. Wieder andere Personen aus Drittländern, deren Staatsangehörige für einen kurzen Aufenthalt kein Visum benötigen, reisen mit gültigen Reisedokumenten ein. Der legale Aufenthalt wird jedoch dann illegal, wenn die betreffende Person ohne eine entsprechende Genehmigung eine selbständige oder unselbständige Erwerbstätigkeit aufnimmt, die nach den Bestimmungen über die Befreiung von der Visumspflicht oder bei einem erteilten Visum erforderlich wäre. Häufig bleiben Personen mit einer ordnungsgemäßen Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis schlicht länger als ihnen gestattet ist bzw. verletzen auf andere Weise die aufenthaltsrechtlichen Bestimmungen.

Es liegt in der Natur der Sache, dass zur Zahl der den verschiedenen Kategorien zuzurechnenden illegal aufhältigen Personen keine exakten Aussagen möglich sind. Klar ist jedoch auch, dass jede dieser Kategorien einen wichtigen Teilaspekt des gesamten Phänomens der illegalen Einwanderung darstellt und dass zukünftige Maßnahmen alle Kategorien angemessen erfassen müssen. Damit für die verschiedenen Kategorien illegal aufhältiger Personen bzw. Muster des illegalen Aufenthalts wirkungsvolle Instrumente bereitgestellt werden können, ist eine weitere gründliche Analyse des Phänomens erforderlich.

Die Kommission befürwortet weitere Bemühungen um die Analyse der Muster des illegalen Aufenthalts in der Europäischen Union, um sicherzustellen, dass zukünftige Maßnahmen zur wirksamen Verhinderung und Bekämpfung illegaler Einwanderung an der richtigen Stelle ansetzen. Deshalb setzt sich die Kommission in Teil III für die Erarbeitung eines entsprechenden Instrumentariums und angemessener Strukturen ein, die eine unionsweite Analyse ermöglichen.

3.2. Internationale Verpflichtungen und Menschenrechte

Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Einwanderung müssen im Einklang mit dem Recht stehen, Drittstaatsangehörigen die Einreise ins Hoheitsgebiet zu gewähren oder zu verweigern, sowie mit der Verpflichtung, denjenigen Menschen internationalen Schutz zu gewähren, die ihn tatsächlich benötigen. Dies betrifft insbesondere die Verpflichtung zur Gewährung von Schutz, die sich aus der Europäischen Menschenrechtskonvention, hier besonders Art. 3, und aus der Genfer Flüchtlingskonvention, hier besonders Artikel 33 und 31, ergeben. Gemäß dem letztgenannten Artikel können die Vertragsstaaten "wegen unrechtmäßiger Einreise oder Aufenthalts keine Strafen gegen Flüchtlinge verhängen, die unmittelbar aus einem Gebiet kommen, in dem ihr Leben oder ihre Freiheit im Sinne von Artikel 1 bedroht waren und die ohne Erlaubnis in das Gebiet der vertragschließenden Staaten einreisen oder sich dort aufhalten, vorausgesetzt, dass sie sich unverzüglich bei den Behörden melden und Gründe darlegen, die ihre unrechtmäßige Einreise oder ihren unrechtmäßigen Aufenthalt rechtfertigen".

Die wirksame Bekämpfung der illegalen Einwanderung spielt eine wichtige Rolle bei der Sicherung der Akzeptanz der Aufnahme von Flüchtlingen aus humanitären Gründen in der Bevölkerung, da sie dazu beiträgt, dass ein Missbrauch des Asylsystems verhindert wird. Allerdings muss die Bekämpfung der illegalen Einwanderung auf umsichtige und ausgewogene Weise erfolgen. Daher sollten die Mitgliedstaaten Möglichkeiten ausfindig machen, die raschen Zugang zum Schutz bieten, damit Flüchtlinge nicht auf illegale Einwanderung bzw. auf Schleuser angewiesen sind. Hier wäre die verstärkte Nutzung des Ermessenspielraums der Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulassung der Antragstellung vom Ausland aus denkbar oder die Behandlung eines Antrags auf Schutz in den Herkunftsregionen und die Erleichterung der Ankunft von Flüchtlingen im Gebiet der Mitgliedstaaten durch einen Wiedereingliederungsmechanismus. Mit solchen Ansätzen ließe sich in einem System effizienter Gegenmaßnahmen gegen die illegale Einwanderung ein ausreichender Schutz der Flüchtlinge sicherstellen, der mit dem System vereinbar ist. Hinzu kommt, dass bei allen Maßnahmen zur Bekämpfung illegaler Einwanderung die spezifischen Bedürfnisse besonders gefährdeter Gruppen wie Minderjähriger und Frauen berücksichtigt werden müssen.

In ihrer Mitteilung vom November 2000 [8] für ein gemeinsames Asylverfahren und einen unionsweit geltenden einheitlichen Status für die Personen, denen Asyl gewährt wird, vertritt die Kommission den Standpunkt, dass die Behandlung von Anträgen auf Schutz in den Herkunftsregionen und die Erleichterung der Ankunft von Flüchtlingen im Gebiet der Mitgliedstaaten durch einen Wiedereingliederungsmechanismus Mittel sein können, die raschen Zugang zum Schutz bieten, ohne dass Flüchtlinge Opfer von illegalen Einwanderungsnetzen oder Menschenhändlern werden müssen. Zu diesem Zweck hat die Kommission zwei Studien über diesen neuen Ansatz in Auftrag gegeben.

[8] vgl. KOM (2000) 755 endg., Punkt 2.3.2.

3.3. Einbeziehung aller Beteiligten in der ,Migrationskette"

Die Bemühungen zur Steuerung der Migrationsströme können nur dann ihre volle Wirkung entfalten, wenn die Maßnahmen am Anfang der "Migrationskette" ansetzen, d. h. wenn Frieden, politische Stabilität, Menschenrechte, demokratische Grundsätze und eine nachhaltige wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Entwicklung in den Herkunftsländern gefördert werden. Hierzu sollten Migrationsfragen innerhalb der bestehenden Partnerschaften, die den allgemeinen Rahmen für die Beziehungen der EU zu Drittländern bilden, behandelt werden.

Als zweiter Schritt muss die Zusammenarbeit mit den Transitländern weiter verstärkt werden. Schleuser nutzen für ihre illegalen Aktivitäten unterschiedliche Transportmittel und Wege. Von den wichtigsten Herkunftsländern führen zumeist keine direkten Verbindungen in die Zielländer, so dass der Weg über Transitländer die Regel ist. Irreguläre Migranten nutzen Lücken in der Grenzkontrolle und andere Defizite bei den Kontrollmaßnahmen. Manche Transitländer zeigen sich bei konkreten Maßnahmen gegen das Problem der irregulären Migration eher zögerlich, weil sie kein Interesse daran haben, selbst zum Zielland zu werden. Aus diesem Grund muss ein Dialog mit den Transitländern begonnen werden, um diese bei ihren Anstrengungen zur Lösung des Problems zu unterstützen. Eine Möglichkeit zur konkreten Unterstützung dieser Länder bestuende zum Beispiel beim Aufbau von Kapazitäten zur Feststellung der Rechtsstellung als Flüchtling und zur Aufnahme von Flüchtlingen.

Im Hinblick auf die Erweiterung müssen die Beitrittsländer den Besitzstand der EU zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung in ihre innerstaatlichen Rechtsvorschriften und Praktiken übernehmen. Dazu gehört auch die vollständige Anerkennung des Schengen-Besitzstands gemäß Artikel 8 des Schengen-Protokolls; die Beitrittsländer müssen außerdem detaillierte nationale Aktionspläne zur Umsetzung des Schengen-Besitzstands ausarbeiten.

Darüber hinaus ist zu bedenken, dass sich die irregulären Migrationsströme trotz der vorhandenen Kontrollmaßnahmen auch innerhalb der Europäischen Union fortsetzen können, da illegal eingereiste oder aufhältige Migranten auf dem Weg in ihren bevorzugten Mitgliedstaat durch andere Mitgliedstaaten reisen. Über die vorhandenen Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Migration und der Kooperation zwischen den Mitgliedstaaten hinaus sollten deshalb illegale Migrationsbewegungen auch im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten weiter beobachtet und beeinflusst werden, wobei der Schwerpunkt auf der Intensivierung des Informationsaustauschs und der Kooperation liegen sollte.

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten müssen sich auch weiterhin aktiv an anderen internationalen Foren beteiligen und entsprechende multilaterale Übereinkommen abschließen. Der Ausbau der internationalen Kooperation wiederum kann zu einer Intensivierung der Zusammenarbeit mit Drittländern und anderer Bemühungen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung führen. Insbesondere bei der Durchführung von Maßnahmen gegen die illegale Einwanderung in Drittländern kann das Fachwissen internationaler Organisationen wie UNHCR oder IOM in vielerlei Hinsicht wertvolle Hilfe leisten. Diese Organisationen können zum einen sicherstellen, dass die Maßnahmen vollumfänglich mit den berechtigten Schutzbedürfnissen in Einklang stehen. Zum anderen kann die Nutzung bereits vorhandener Infrastrukturen zu Synergieeffekten führen. Und schließlich kann ihr Engagement auch dazu beitragen, dass die Beteiligten größeres Verständnis füreinander entwickeln.

Damit die illegalen Migrationsbewegungen genau verfolgt werden können, ist eine effiziente Steuerung der Migrationsströme in allen Phasen erforderlich. Um eine Beobachtung und Beeinflussung der illegalen Migrationsbewegungen von den Herkunftsländern bzw. -regionen über die Transitländer bis hin zu den Bestimmungsländern zu ermöglichen, wird die Kommission bei der Gestaltung der zukünftigen Politik alle Beteiligten in der "Migrationskette" einbeziehen. Daher müssen bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung auch einige außenpolitische Aspekte berücksichtigt werden.

3.4. Verhinderung illegaler Einwanderung

Es wird bereits unionsweit anerkannt, dass für ein effizientes und kohärentes Vorgehen in dem speziellen Bereich des Menschenhandels ein multidisziplinärer Ansatz mit parallelen Verhütungs- und Verfolgungsmaßnahmen gebraucht wird. Eine ausgewogene Politik der Europäischen Union auf dem Gebiet der illegalen Einwanderung muss als wesentliches Element auch vorbeugende Maßnahmen beinhalten. Dazu sollte die Untersuchung der Gründe für die illegale Einwanderung, die Erweiterung der Kenntnisse über die Hintergründe des Phänomens, die Ermittlung und Beobachtung eventueller neuer Trends, die Durchführung von Informationskampagnen und die Förderung neuer Partnerschaften sowie die Weiterentwicklung der vorhandenen Netzwerke gehören. In diesem Zusammenhang ist auch den Unionsregionen in äußerster Randlage Beachtung zu schenken, wobei ihre geographische Lage zu berücksichtigen ist, aufgrund deren sie in besonderem Maße solchen Wanderungsbewegungen ausgesetzt sind.

Das von der Kommission im Mai 2001 eingerichtete Europäische Forum zur Verhütung der organisierten Kriminalität, das sich bereits mit der Verhinderung von Menschenhandel befasst, könnte als Katalysator zur Förderung solcher Initiativen fungieren.

3.5. Durchsetzung existierender Bestimmungen

Natürlich gibt es in allen Mitgliedstaaten mit den Bestimmungen zur Ausstellung von Visa, zu Grenzkontrollen, illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt, zur Einschleusung von Migranten und zum Menschenhandel, zur illegalen Beschäftigung und zur Haftung der Beförderungsunternehmer einen Rechtsrahmen für die Bekämpfung der illegalen Einwanderung. . Bereits im Rahmen des Maastricht-Vertrags wurden dazu in einigen Empfehlungen bestimmte gemeinsame Prinzipien festgelegt. [9] Darüber hinaus wurden im Schengen-Rahmen zahlreiche verbindliche Bestimmungen eingeführt, deren Bedeutung weitaus größer ist.

[9] vgl. z. B. ABl. C 5 vom 10.1.1996, S. 1; ABl. C 5 vom 10.1.1996, S. 3; ABl. C 304 vom 14.10.1996, S. 1; ABl. L 342 vom 31.12.1996, S. 5.

Die Einführung neuer Regelungen und die unionsweite Harmonisierung vorhandener Bestimmungen erscheinen wenig sinnvoll, solange die existierenden Vorschriften nicht mit ausreichenden Mitteln und, wichtiger noch, mit hinreichender Entschlossenheit durchgesetzt werden. Die gemeinsamen Bemühungen werden fehlschlagen, wenn die Dienststellen der Mitgliedstaaten sich nicht an die gemeinsam beschlossenen Vorschriften zur Visumerteilung und zu den Kontrollen an den Außengrenzen halten und die einzelstaatlichen Praktiken nicht mit diesen Vorschriften in Einklang stehen. Dazu müssen sie, sei es als Transit- oder als Zielland, entschlossen auf eine echte Partnerschaft hinarbeiten, die auf wechselseitigem Vertrauen in den jeweiligen Gesetzesvollzug basiert.

Zur Errichtung eines Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist es erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten die gemeinsamen Vorschriften wirkungsvoll anwenden. Das gemeinsame Sicherheitssystem ist nur so stark wie sein schwächstes Glied. Deshalb ist der konsequente Vollzug der vorhandenen Bestimmungen von zentraler Bedeutung.

Die Glaubwürdigkeit der Rechtsstaatlichkeit des im Vertrag von Amsterdam vorgesehenen Raums der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts ist nur dann gewährleistet, wenn die vorhandenen Bestimmungen praktisch umgesetzt und konsequent angewandt werden. Aus diesem Grunde sollte die Überwachung der Durchsetzung der vorhandenen Vorschriften verstärkt werden, zum Beispiel durch die regelmäßige gemeinsame Überprüfung der konsularischen Vertretungen und der Außengrenzen.

3.6. Angemessene Sanktionen für kriminelle Aktivitäten

Kriminelle Aktivitäten im Zusammenhang mit irregulärer Migration geben in allen Mitgliedstaaten Anlass zur Sorge. Insbesondere der Menschenhandel und die Schleusung von Migranten gelten unionsweit als völlig unannehmbar, und es müssen entsprechende strafrechtliche Sanktionen eingeführt sein. Kein potenzieller Straftäter darf davon ausgehen können, dass gesetzeswidrige Handlungen in irgendeinem Mitgliedstaat der Europäischen Union mit einem geringeren Risiko verbunden sind als in anderen. Dieser Ansatz würde die Gerechtigkeit in der Union stärken und deutlich das Signal aussenden, dass die Mitgliedstaaten bereit sind, harte Sanktionen vorzusehen. Aus diesem Grund drängt der Europäische Rat in seinen Schlussfolgerung von Tampere (Ziffer 23) auf die Annahme von Rechtsvorschriften, die zur Ahndung schwerer Verbrechen harte Sanktionen vorsehen.

Im September 2001 gelangte der Rat "Justiz und Inneres" zu einer politischen Einigung über einen Rahmenbeschluss zur Bekämpfung des Menschenhandels. [10] Dieser Beschluss enthält insbesondere eine gemeinsame Definition des Menschenhandels, die die Zusammenarbeit der Justiz- und Strafvollzugsbehörden in Strafsachen erleichtern wird. Neben Regelungen zur Verantwortlichkeit juristischer Personen, zu Sanktionen gegen juristische Personen, zur Gerichtsbarkeit und zur Strafverfolgung sieht der Rahmen auch ein gemeinsames Mindeststrafmaß von acht Jahren Freiheitsentzug vor, wenn die Straftat bestimmten Kriterien entspricht.

[10] vgl. KOM (2000) 854 endg.

Nachdem sich der Rat auf seiner Tagung im Mai 2001 über den Vorschlag für einen Rahmenbeschluss zur Schleusung von Migranten geeinigt hat, müssen nun auch die Aktivitäten zur Harmonisierung des Strafrechts in den Mitgliedstaaten und zur möglichst raschen Umsetzung auf einzelstaatlicher Ebene fortgesetzt werden. Darüber hinaus ist die Erarbeitung gemeinsamer Normen für die Bereiche illegale Beschäftigung, Haftung des Beförderungsunternehmers und für die Regelungen zu illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt von großer Bedeutung.

Weiter ist zu bedenken, dass es nahezu allen Personen, die die illegale Einwanderung begünstigen, in erster Linie um finanzielle Vorteile geht. Strafrechtliche Sanktionen allein sind als wirksame Gegenmaßnahme nicht ausreichend. Die Kosten der illegalen Einwanderung sollten durch ein Bündel von Maßnahmen erhöht werden, die sowohl für die Schleuser und Menschenhändler als auch für die Arbeitgeber von illegal Beschäftigten erhebliche finanzielle Auswirkungen haben. Ein solches Maßnahmenbündel sollte als Erstes das Einfrieren und die Beschlagnahme von Vermögensgegenständen beinhalten, die Menschenhändler und Schleuser mit ihren Aktivitäten erlangt haben. Des Weiteren könnten Menschenhändler, Schleuser und Arbeitgeber von illegal Beschäftigten zur Übernahme der Kosten für die Rückführung illegal aufhältiger Personen verpflichtet werden. Darüber hinaus wäre auch eine Aufhebung des Wettbewerbsvorteils, den sich Arbeitgeber durch illegale Beschäftigung verschaffen, durch Auferlegung finanzieller Sanktionen denkbar.

Angesichts der wachsenden Beteiligung internationaler krimineller Organisationen an illegaler Einwanderung und Menschenhandel sollte der Rat im Wege der Durchführung des Aktionsplans zur organisierten Kriminalität von 1997 prioritäre Maßnahmen ermitteln und gegebenenfalls ihrer Annahme bzw. Durchführung Vorrang einräumen. Die Konferenz zur Unterzeichnung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und der beiden Zusatzprotokolle über den Menschenhandel und die Schleusung von Migranten [11] vom 12.-15. Dezember 2000 in Palermo bildet jetzt die Grundlage für die weltweite Anerkennung des Problems und einen vergleichbaren Ansatz zu seiner Lösung in einem breiteren Kontext. Aus diesem Grunde sind die rasche Ratifizierung dieser Instrumente und die koordinierte Umsetzung ihrer Bestimmungen auf EU-Ebene dringend erforderlich.

[11] vgl. UN Doc. A/55/383 vom 2. November 2000 sowie KOM (2000) 760 endg.

4. Teil III - Aktionsplan

4.1. Visumpolitik

Nach Artikel 61 EGV gehört die Visumpolitik zu den flankierenden Maßnahmen des freien Personenverkehrs in Bezug auf die Kontrolle der Außengrenzen. Sie dient nicht nur zur Erleichterung des freien Personenverkehrs, sondern kann auch einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung illegaler Einwanderung leisten. Mit den Mitteln der Visumpolitik allein kann jedoch nicht allen Aspekten der illegalen Einwanderung begegnet werden; sie greift z. B. nicht, wenn Drittstaatsangehörige legal einreisen und über die Gültigkeitsdauer des Visums hinaus im Land bleiben.

4.1.1. Visalisten

Die Verordnung des Rates zur Aufstellung einer Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie einer Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind, ist ein weiterer Schritt auf dem Weg zur Harmonisierung der Visumpolitik und zur Verhinderung der Einreise von Personen ohne Genehmigung in die Mitgliedstaaten. [12]

[12] ABl. L 81 vom 21.3.2001, S. 1.

4.1.2. Einheitliche Visa und Sicherheitsnormen

Dem Problembereich Sicherheit und Identifizierung wird bislang mit der Verwendung sicherer Dokumente begegnet, die eine eindeutige Identifizierung der in Rede stehenden Person ermöglichen sollten. Darüber hinaus sollen Reisedokumente auch den Nachweis erbringen, dass ihr Inhaber zur Ausübung bestimmter Rechte befugt ist. Reisedokumente sind - aus nahe liegenden Gründen - immer schon Gegenstand von Fälschung und Missbrauch gewesen. Aus diesem Grunde sind alle Staaten stets um die Erhöhung des Sicherheitsniveaus dieser Dokumente bemüht. Ein Beispiel für eine überaus erfolgreiche Zusammenarbeit im Bereich Dokumentensicherheit ist die Einführung der EU/Schengen-Visummarke. Auf der Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 1683/95 des Rates vom 29. Mai 1995 über eine einheitliche Visagestaltung wurde mit dieser Marke ein fälschungssicheres Dokument auf höchstem Sicherheitsstandard entwickelt. Auch Drittländern sollte bei ihren Bemühungen um die Verbesserung des Sicherheitsstandards ihrer Reisedokumente aktive Unterstützung gewährt werden.

Die Verbesserung der Sicherheit von Visa ist ein kontinuierlicher Prozess. Durch die Entwicklung immer neuer und innovativer Lösungen wird die Verwendung dieser Dokumente weiter verbessert. Ein wichtiger Aspekt ist eine verlässliche Verbindung zwischen dem Inhaber und der Visummarke. Diesem Aspekt trägt die Kommission mit ihrem Vorschlag vom 9. Oktober 2001 [13] zur Änderung der Verordnung 1683/95 für eine hochsichere Lichtbildintegration in die Visummarke Rechnung. Dies ist nur ein erster konkreter Schritt in Richtung auf weitere Hochsicherheitsmaßnahmen, die auf der Grundlage neuer Technologien entwickelt werden sollten.

[13] KOM(2001) 577 endg.

4.1.3. Schaffung gemeinsamer Verwaltungsstrukturen

In den Schlussfolgerungen von Tampere (Ziffer 22) heißt es: "Außerdem sollte eine gemeinsame aktive Politik im Bereich Visa und gefälschte Dokumente weiterentwickelt werden, einschließlich einer engeren Zusammenarbeit zwischen den EU-Konsulaten in Drittländern sowie bei Bedarf der Einrichtung von gemeinsamen EU-Visumstellen."

Der Informationsaustausch über die Praxis der Erteilung von Visa und über die neuesten Trends bei der Dokumentenfälschung auf formeller wie auch auf informeller Ebene ist bereits im Gang. Diese nützliche Zusammenarbeit sollte durch gegenseitige Unterstützung bei Maßnahmen zur Mitarbeiterschulung weiter verstärkt und gefördert werden. Auch die Vertretung anderer Mitgliedstaaten, die im betreffenden Land keine Auslandsvertretung haben, ist bereits gängige Praxis.

In diesem Zusammenhang wurde wiederholt das Konzept gemeinsamer Einrichtungen zur Erteilung von Visa angesprochen, aufgrund praktischer und juristischer Fragen sowie aufgrund von Problemen im Zusammenhang mit der Kostenaufteilung wurden hier jedoch noch keine konkreten Ergebnisse erzielt.

Ein erheblicher Vorteil gemeinsamer Visumstellen läge natürlich in der Reduzierung der Kosten der Visumerteilung. Die mit einer derartigen Lastenteilung eingesparten Mittel könnten von den Mitgliedstaaten zur Verbesserung der technischen Ausrüstung im Visabereich (Ermittlung ge- oder verfälschter Dokumente, Online-Zugang zu Datenbanken mit Mustern von Reisedokumenten, sichere Lagerung von Blanko-Visamarken usw.) verwendet werden. Der gemeinsame Einsatz von Mitarbeitern würde darüber hinaus zur gemeinsamen Nutzung von Erfahrungen und Know-how bei der Abschätzung des Risikos illegaler Einwanderung oder eines weiteren Verbleibs nach Ablauf des legalen Aufenthalts führen. Mittel- bzw. langfristig würde die Nutzung gemeinsamer Visumstellen schließlich zur einheitlicheren Anwendung der gemeinschaftlichen Bestimmungen und nicht zuletzt auch zu einer Reduzierung des Phänomens "Visa-Shopping" führen.

Die Einrichtung gemeinsamer Visumstellen sollte zunächst im Rahmen eines Pilotprojekts an einem geeigneten Ort erprobt werden. Zur Überwindung der möglicherweise entstehenden juristischen, finanziellen und in gewissem Umfang sicher auch psychologischen Schwierigkeiten empfiehlt die Kommission ein schrittweises Vorgehen: zunächst würden Räumlichkeiten und Ausrüstungen gemeinsam genutzt, dann auch technische Hilfsmittel, und schließlich könnte ein Mitarbeiteraustausch mit dem Ziel der Einrichtung gemeinsamer Teams erfolgen.

4.1.4. Entwicklung eines Europäischen Visa-Identifizierungssystems

Die Schaffung gemeinsamer Verwaltungsstrukturen könnte bereits einen wichtigen Beitrag zur Harmonisierung der Politiken und Praktiken der Mitgliedstaaten in Bezug auf Visa leisten. Alternativ und ergänzend dazu erscheint aber auch die Nutzung moderner Kommunikations- und Computertechnologien sinnvoll.

Doch auch die hochsicherste Visummarke nützt wenig, wenn sie auf einem Pass angebracht wird, der keinen vergleichbaren Standard aufweist. Ebenso wirkungslos sind fälschungssichere Dokumente, wenn der Inhaber sie versteckt oder weggeworfen hat, um die eigene Identität, den Reiseweg oder den Ablauf seines Visums zu verschleiern. Im Übrigen ist selbst die Identifizierung und Verifizierung von bona-fide Reisenden mit gültigem Visum äußerst schwierig, wenn sie ihre Reisedokumente nicht bei sich tragen.

Im Zusammenhang mit der Prävention terroristischer Bedrohungen hat der Rat Justiz und Inneres in den Schlussfolgerungen seiner Tagung vom 20. September die Kommission um Vorschläge zur Schaffung eines Informationsaustauschsystems über erteilte Visa ersucht. Durch Analysen und Machbarkeitsstudien, deren Durchführung wünschenswert erscheint, ließe sich herausfinden, ob ein solches gemeinschaftliches elektronisches Online-System eine sinnvolle Ergänzung des Konzepts der sicheren Dokumente wäre und ob auf diese Weise ein doppelter Identifizierungsmechanismus auf der Grundlage sicherer Dokumente gepaart mit einer entsprechenden Datenbank geschaffen werden könnte.

Ein derartiges System könnte Informationen umfassen, die ein Visumantragsteller bereits heute liefern muss, wie z. B. seine persönlichen Daten. Des Weiteren könnte ein digitalisiertes Lichtbild aufgenommen und gespeichert werden. Reisedokumente lassen sich ebenfalls einscannen und speichern, was zwei gewichtige Vorteile hätte: Zum einen ließen sich durch einen Vergleich leicht nachträgliche Manipulationen am Dokument erkennen, zum anderen könnte die gespeicherte Kopie des Reisedokuments die Beschaffung neuer Reisedokumente beschleunigen, z. B. wenn die betreffende Person ausreisepflichtig ist, aber ihre Identität zu verschleiern versucht. Vor der Einrichtung eines solchen Systems sollten auf jeden Fall die Anforderungen und Zielsetzungen klar definiert, bereits realisierte Initiativen (einschließlich der schon heute im Rahmen von SIS und VISION gebotenen Möglichkeiten) umfassend bewertet und die Höhe der gegebenenfalls bereitzustellenden Mittel geklärt werden. Bei der Konzeption eines derartigen Systems sind die geltenden Vorschriften über den Schutz personenbezogener Daten zu beachten.

Zum Zweck der raschen Einführung eines Instruments für die Zulassung zu einem kurzfristigen Aufenthalt und zur Sicherung der Rückkehr nach Ablauf der Gültigkeitsdauer des Visums empfiehlt die Kommission, die Realisierbarkeit eines Europäischen Visa-Identifizierungssystems zu prüfen. In einer späteren Phase könnte die probeweise Einrichtung eines solchen Systems für einige Herkunftsländer oder -regionen ins Auge gefasst werden.

4.2. Informationsaustausch und Analyse

4.2.1. Statistiken

Es herrscht Einverständnis darüber, dass die illegale Einwanderung Ausmaße angenommen hat, die aufgrund der sozialen, ökonomischen und politischen Auswirkungen auf die Zielländer nicht unbeachtet bleiben können. Der genaue Umfang dieses Phänomens in den Mitgliedstaaten der Europäischen Union ist naturgemäß nicht zu ermitteln. Schätzungen sind nur aufgrund so genannter "harter" Daten möglich, die mit der illegalen Einwanderung in direktem Zusammenhang stehen, wie z. B. die Anzahl von Einreiseverweigerungen, Aufgriffen illegal aufhältiger Personen an der Grenze oder im Land, abgelehnter Asylanträge, gestellter Anträge auf Legalisierung des Aufenthaltsstatus sowie begleiteter bzw. zwangsweiser Rückführungsmaßnahmen.

Auf der Ratssitzung vom Mai 2001 wurde beschlossen, als Grundlage für die Diskussion über die Trends bei den Asyl- und Migrationsbewegungen und die relevanten politischen Entwicklungen in der Europäischen Union einen jährlich zu veröffentlichenden Bericht einzuführen, der aus einem statistischen Überblick und einem Analyseteil bestehen und auch eine Analyse der Daten zur illegalen Einwanderung beinhalten soll.

Die Kommission wird einen Aktionsplan zur Durchführung des Beschlusses des Rates sowie weiterer, zur Verbesserung der Datenerhebung im Bereich Asyl und Migration gemäß den Empfehlungen des Arbeitsdokuments der Kommissionsdienststellen vom April 2001 [14] erforderlicher Maßnahmen vorlegen.

[14] vgl. SEK (2001) 602 vom 09.04.2001.

4.2.2. Sammeln von Informationen, Erkenntnisse und Analysen

Zahlen allein sind jedoch keine ausreichende Grundlage für ein echtes Verständnis des Phänomens und die Vorbereitung von Entscheidungen für operative Zwecke. Vielmehr bedarf es einer weiteren gründlichen Analyse der Ursachen der illegalen Einwanderung, ihrer Methoden sowie ihrer Folgen für unsere Gesellschaften. Auf einzelstaatlicher Ebene wurden hier bereits umfangreiche Informationen gesammelt und Fachkenntnisse erworben, doch die unionsweite Dimension des Phänomens wurde bislang noch nicht hinreichend untersucht. Zwar ist im Laufe der Jahre eine Reihe formeller und informeller Netzwerke zum Informationsaustausch entstanden, gleichwohl besteht im Hinblick auf den Austausch von Erkenntnissen und Informationen auf europäischer Ebene noch weiterer Verbesserungsbedarf, damit die Gemeinschaft angemessene gemeinsame Politiken entwickeln kann.

Zur Gewährleistung eines kontinuierlichen Informationsaustauschs zwischen den Mitgliedstaaten wurde das Zentrum CIREFI [15] eingerichtet. Hier tauschen die Mitgliedstaaten auf nahezu monatlicher Basis Informationen vor allem zu den aktuellen Trends bei der irregulären Migration aus. Diese Form der Kooperation könnte allerdings durch eine engmaschigere Vernetzung der zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten insbesondere im Analysebereich noch verstärkt werden.

[15] Informations-, Reflexions- und Austauschzentrum für Fragen im Zusammenhang mit dem Überschreiten der Außengrenzen und der Einwanderung, s. ABl. C 274 vom 19.9.1996, S. 50.

Die Kommission prüft gegenwärtig die Möglichkeit der Einrichtung einer Europäischen Beobachtungsstelle für Wanderungsbewegungen zur Überwachung und vergleichenden Analyse legaler und illegaler Einwanderungsbewegungen. Sie verweist insbesondere auf die Notwendigkeit der Weiterentwicklung angemessener Strukturen auf Gemeinschaftsebene, um ein koordinierteres Vorgehen der Vollzugsorgane sicherzustellen.

4.2.3. Weiterentwicklung des Frühwarnsystems

Mit einer Entschließung des Rates vom Mai 1999 wurde ein Frühwarnsystem zur Übermittlung von Informationen über illegale Einwanderung und Schleuserkriminalität eingerichtet. Angestrebt war ein standardisierter und dauerhafter Kommunikationsrahmen, der den Mitgliedstaaten die umgehende Meldung illegaler Wanderungsbewegungen ermöglichen sollte. Leider befindet sich dieses Frühwarnsystem noch immer in einer rudimentären Phase. Die Hauptprobleme sind die unzureichende Nutzung des Systems, die mangelhafte Informationsverteilung innerhalb der zuständigen Dienststellen der Mitgliedstaaten und die schlechte technische Infrastruktur. Als ein erster Schritt wäre die Weiterentwicklung der gemeinsamen Leitlinien zu den Fällen denkbar, in denen das System Anwendung finden sollte. Die verwaltungstechnische und technische Infrastruktur scheint hier allerdings das Haupthindernis darzustellen. Die zuständigen Dienststellen müssten permanenten Zugriff auf das System haben und zu jeder beliebigen Zeit problemlos Informationen eingeben und abrufen können. Aus diesem Grund sollte das Frühwarnsystem in Form einer web-basierten sicheren Intranet-Seite eingerichtet werden. Der Erfolg des Systems wird natürlich in erheblichem Umfang davon abhängen, dass die zuständigen Dienststellen problemlos Zugang zu ihm haben.

Die Kommission wird einen Vorschlag dazu unterbreiten, wie ein solches weiterentwickeltes Frühwarnsystem realisiert und verwaltet werden könnte.

4.3. Maßnahmen im Grenzvorbereich

4.3.1. Beratung und Unterstützung durch Verbindungsbeamte

Es wurden bereits erste Schritte zum Einsatz von Verbindungsbeamten in den Transit- und Herkunftsländern und zur Koordination dieser Bemühungen innerhalb der Mitgliedstaaten unternommen. [16] Im Sinne der vom Rat im November 2000 und Mai 2001 gebilligten Schlussfolgerungen wird das Netz der Verbindungsbeamten der Mitgliedstaaten weiter ausgebaut, z. B. bei der Kooperation im westlichen Balkan-Gebiet.

[16] Im Schengen-Rahmen wurde dieses Konzept des koordinierten Einsatzes bereits im Bereich Dokumentenberater und Außengrenzen eingesetzt; vgl. SCH/Comex (98) 59 rev. = ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 308 und SCH/Comex (99) 7 Rev 2 = ABl. L 239 vom 22.9.2000, S. 411.

Die Europäische Union sollte durch die Förderung einer wünschenswerten engeren Kooperation den Aufbau eines Netzes von Verbindungsbeamten im Einwanderungsbereich und der Verbindungsbeamten bei den Fluggesellschaften weiter vorantreiben. Ein permanenter Informationsaustausch zwischen diesen sowie mit den Polizei-Verbindungsbeamten und anderen Ermittlungsbeamten der Mitgliedstaaten sollte sichergestellt werden. Es sollten regelmäßig gemeinsame Schulungen auf der Grundlage vorab festgelegter Aufgaben und Aufträge stattfinden. Auch die gegenseitige Unterstützung der Verbindungsbeamten sollte gefördert werden.

Die Aufgabenzuweisung, Schulung und Entsendung von Verbindungsbeamten bedarf einer wirksamen Koordination. Darüber hinaus erscheint auch eine Ad-hoc-Koordinierung am Zielort sinnvoll, z. B. zur Herstellung von Kontakten mit anderen Beteiligten vor Ort.

4.3.2. Finanzielle Unterstützung von Maßnahmen in Drittstaaten

Die Einbeziehung aller Akteure in der "Migrationskette" erfordert gezielte Maßnahmen in den Herkunfts- und Transitländern. Einige Möglichkeiten wurden bereits in den Schlussfolgerungen von Tampere genannt, insbesondere der Ausbau der Unterstützung der Behörden dieser Länder, um ihre Fähigkeit zur wirkungsvollen Bekämpfung des Menschenhandels und zur Erfuellung ihrer Rückübernahmeverpflichtungen zu stärken (siehe 4.8.). In diesem Zusammenhang wäre die Finanzierung gezielter Migrations- und Asylprojekte in folgenden Bereichen denkbar:

* Unterstützung der Infrastruktur im Asylbereich;

* Entwicklung öffentlicher Registerstrukturen;

* Sensibilisierungsmaßnahmen;

* Verbesserung der Dokumentensicherheit;

* Entsendung von Verbindungsbeamten;

* Expertensitzungen, Schulungen und Seminare;

Im Hinblick auf die spezifische Situation in den Transitländern wäre darüber hinaus die Finanzierung folgender Maßnahmen möglich:

* Unterstützung bei der Rückkehr bzw. Rückführung irregulärer Migranten;

* Verbesserung der Grenzkontrolle und der dazu erforderlichen Ausrüstung.

Aufbauend auf den Erkenntnissen, die aus der Durchführung der von der Hochrangigen Arbeitsgruppe erarbeiteten und vom Rat angenommenen Aktionspläne gewonnen wurden, wird die Kommission ein neues Programm zur Ergänzung der nationalen Aktionen vorschlagen, die im Rahmen der europäischen Leitlinien zur Einwanderung durchgeführt werden. Es könnte die laufenden regionalen Programme ergänzen, die sich unter anderem mit Migrationsfragen befassen, jedoch eine umfassendere Zielsetzung haben. Auf jeden Fall ist besonders auf die Kohärenz sämtlicher außenpolitischer Maßnahmen der EU zu achten.

4.3.3. Sensibilisierungsmaßnahmen

In Ziffer 22 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere wird als weiteres Instrument zur Einflussnahme auf die irreguläre Migration die Durchführung von Informationskampagnen in den Herkunftsländern genannt. Dieses Konzept sollte möglichst breit ausgelegt werden. Denkbar wären in diesem Zusammenhang Initiativen zur Sensibilisierung der gesamten Öffentlichkeit für die mit der illegalen Einwanderung zusammenhängenden Probleme und Risiken, aber auch Initiativen, die auf spezifische Gruppen wie Arbeitslose, Frauen oder Studierende abzielen. Dabei können zur Verbreitung der Informationen verschiedene Kanäle genutzt werden, z. B. Seminare, Diskussionsforen, Presse und Fernsehen.

Die Vorbereitung solcher Informationskampagnen erfordert einen maßgenauen Zuschnitt auf das betreffende Herkunftsland bzw. die Herkunftsregion. Die kulturelle Dimension ist ein grundlegendes Element solcher Kampagnen. Damit in der Zielregion bzw. bei der Zielgruppe die erwünschte Wirkung erzielt wird, müssen derartige Kampagnen sorgfältig konzipiert werden.

Die Kommission wird das Konzept der Sensibilisierungskampagnen als wirksames und gezieltes Instrument in den Herkunftsländern unter angemessener Berücksichtigung der regionalen und kulturellen Identitäten weiterentwickeln.

4.4. Grenzkontrolle: Auf dem Weg zu einem Europäischen Grenzschutz

Die Kontrolle der Außengrenzen auf höchstem Standard kann einen wichtigen Beitrag zur Verhinderung illegaler Einwanderung leisten. Es muss allerdings darauf hingewiesen werden, dass sich Grenzkontrollen nicht allein auf den Aspekt der Einwanderung konzentrieren, sondern - unter anderem - auch der Prüfung von Zollangelegenheiten und der Verkehrssicherheit sowie der Verhinderung der Einfuhr gefährlicher oder illegaler Güter und Waren und der Identifizierung von Personen dienen, um deren Festnahme oder Auslieferung eine Justizbehörde ersucht hat.

All diese Elemente müssen in eine kohärente Strategie eingebunden werden. Die Einrichtung eines Europäischen Grenzschutzes als zentrales Element einer solchen Strategie findet bereits breite politische Unterstützung; erste, durch das Programm ODYSSEUS finanzierte Sondierungsarbeiten laufen bereits. In naher Zukunft können die ersten konkreten Schritte unternommen werden, die den Kern eines solchen umfassenden Ansatzes bilden werden.

4.4.1. Gemeinsames Curriculum und gemeinsame Schulungsmaßnahmen

Wie bereits angeführt, erfolgen die Grenzkontrollen nach einheitlichen Grundsätzen und auf der Grundlage gemeinsamer Standards. Diese Elemente müssen jedoch weiterentwickelt werden. Ein Schlüsselfaktor zur Steigerung der Qualität der Zusammenarbeit könnte die Erarbeitung eines harmonisierten Curriculums für Grenzschutzbeamte sein, unter Berücksichtigung der Besonderheiten nationaler Aus- und Weiterbildungsgepflogenheiten.

Eine weitere Maßnahme zur Verstärkung der Kooperation der Grenzschutzbehörden besteht in der Harmonisierung der Schulung von Grenzbeamten. Innerhalb der geplanten Europäischen Polizeiakademie (EPA) laufen hier bereits erste Versuche. In diesem Zusammenhang muss jedoch darauf hingewiesen werden, dass klar zu trennen ist zwischen Einwanderung und den damit zusammenhängenden Grenzkontrollangelegenheiten und der polizeilichen Zusammenarbeit. Grenzkontrollangelegenheiten sollten von einer spezialisierten Organisationseinheit durchgeführt werden, die über diesespezifischen Kenntnisse verfügt. Professioneller Grenzschutz erfordert klar fokussierte Aus- und Weiterbildung. . Darüber hinaus ist der Tatsache Rechnung zu tragen, dass der rechtliche Rahmen sich unterscheidet.

Daher wäre zu überlegen, ob man diesen spezifischen Anforderungen nicht durch die Einrichtung eines unabhängigen Instruments begegnen sollte, das - gestützt auf das Netz der vorhandenen nationalen Schulungseinrichtungen - gezielte Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen in Form von Seminaren, Workshops usw. anbieten könnte. Daraus könnte dann die erste Phase einer Europäischen Grenzschutzschule werden. Eine solche Schule könnte auch Aus- und Weiterbildungsmaßnahmen für Personal aus Transitländern anbieten, die in irgendeiner Form mit der Union zusammenarbeiten.

4.4.2. Grenzkontrollen und Grenzüberwachung durch gemeinsame Patrouillen

In den Artikeln 7 und 47 des Schengener Durchführungsübereinkommens wird eine engere Zusammenarbeit im Bereich der Grenzkontrollen gefordert. Diese könnte in Form des - auf der Grundlage bilateraler Vereinbarungen bereits praktizierten -Austauschs von Verbindungsbeamten erfolgen. Diese Verbindungsbeamten können zu den Grenzschutzdienststellen an den Außengrenzen entsandt werden. Sie nehmen dort keine hoheitlichen Aufgaben wahr, sondern beraten und unterstützen die zuständigen Grenzschutzbehörden. Es sollte geprüft werden, wie sich ein Austausch dieser Art nicht nur durch bilaterale Zusammenarbeit einzelner Mitgliedstaaten, sondern auch durch einen umfassenden gemeinschaftlichen Ansatz verbessern und weiterentwickeln ließe. Zu diesem Zweck könnte die unter 4.5. angesprochene technische Unterstützungseinheit benutzt werden.

Die Kommission plant die Weiterentwicklung dieser Vorschläge in einer in Kürze erscheinenden Mitteilung über ein europäisches Grenzkontrollsystem. Ein wichtiges Merkmal dieses umfassenden Ansatzes wird die Ausarbeitung eines operativen Konzepts sein, dass mittelfristig zu einem Europäischen Grenzschutz führen soll.

4.5. Verbesserung der Kooperation und Koordination auf operationeller Ebene

Durch verstärkte gemeinschaftliche Bemühungen könnten die Maßnahmen der Mitgliedstaaten in vielen Fällen besser koordiniert und aufeinander abgestimmt werden. Verbesserungen wären denkbar bei der:

* Koordinierung der Entsendung von Verbindungsbeamten und Experten (siehe 4.3.1.);

* Koordinierung der Maßnahmen der Verbindungsbeamten, Experten und anderen Akteure im Zielgebiet (siehe 4.3.1.);

* Verbindung und Vernetzung der operationellen Dienste der Mitgliedstaaten (siehe 4.4.2.).

Es gibt bereits viele wertvolle Initiativen, die entweder auf einzelstaatlicher Ebene gestartet oder innerhalb des Rates entwickelt wurden, häufig mit Unterstützung durch Gemeinschaftsmittel im Rahmen des Programms ODYSSEUS. Ungeachtet dessen ist es nun an der Zeit, die Phase der Zersplitterung in Einzelinitiativen zu überwinden und Kohärenz und Konsistenz sicherzustellen.

Die Kommission hat dieser Notwendigkeit einer verstärkten Kooperation bei der Ausarbeitung ihres Vorschlags [17] für das Nachfolgeprogramm von ODYSSEUS in angemessener Weise Rechnung getragen. Erwägenswert wäre auch die Schaffung einer ständigen technischen Unterstützungseinheit, die bei der Initiierung, Kanalisierung und Koordinierung konkreter Maßnahmen Unterstützung leisten könnte.

[17] Siehe den Vorschlag für eine Entscheidung des Rates über ein Aktionsprogramm für Verwaltungszusammenarbeit in den Bereichen Außengrenzen, Visa, Asyl und Einwanderung (ARGO), KOM (2001) 567 endg.

In der vorliegenden Mitteilung werden noch weitere Bereiche angeführt, in denen eine Verbesserung der Koordination und Kooperation dazu führen könnte, dass neue Instrumente bzw. Strukturen z. B. für die Sammlung, Analyse und Verbreitung von Informationen und Erkenntnissen (siehe 4.2.), die Verwaltung vorhandener oder zukünftiger elektronischer Systeme (siehe 4.1.4. und 4.2.3.) und für Schulungsmaßnahmen (siehe 4.4.1.) entstehen. Für den Fall, dass der Rat diesen Vorschlägen folgt, empfiehlt die Kommission im Interesse einer besseren Koordination der Maßnahmen einen schrittweisen Ansatz, der sich auf die derzeitigen Überlegungen zur Externalisierung stützt und mittelfristig zur Einrichtung einer einzigen für technische Unterstützung zuständigen Agentur führen könnte. Diese Agentur könnte im Zusammenhang mit der Steuerung der Migrationsströme folgende drei Hauptfunktionen wahrnehmen: Sammlung und Verbreitung von Informationen (Europäische Beobachtungsstelle für Wanderungsbewegungen, Frühwarnsystem), Koordinierung der Zusammenarbeit der Verwaltungen (Aus- und Weiterbildung, Europäische Grenzschutzschule, Koordinierung und Planung der operativen Zusammenarbeit) und Systemmanagement (SIS, Eurodac, Europäisches Visa-Identifizierungssystem).

Als Nachfolger für das Programm ODYSSEUS schlägt die Kommission ein neues mehrjähriges Programme (ARGO) zur Unterstützung der Zusammenarbeit der Verwaltungen vor, die zur Realisierung der in Art. 62 und 63 EGV genannten Maßnahmen und Instrumente erforderlich ist. Dabei werden viele der oben angeführten Zielsetzungen Berücksichtigung finden. Der Rat wird ersucht, so rasch wie möglich eine entsprechende Rechtsgrundlage zu schaffen.

Um eine ausreichende Koordination und Effizienz bei der Durchführung der operationellen Aufgaben sicherzustellen, die sich aus der verstärkten Zusammenarbeit ergeben, ist die Schaffung angemessener Strukturen auf Gemeinschaftsebene zu erwägen. Zur Vermeidung von Doppelarbeiten und Überlappungen sollte dies auf der Grundlage einer gemeinsamen, kohärenten Evaluierung der vorhandenen Bedürfnisse und Ressourcen sowohl auf einzelstaatlicher wie auch auf Gemeinschaftsebene erfolgen.

4.6. Aufwertung der Rolle von Europol

Im Kampf gegen die illegale Einwanderung hat die Aufdeckung und Zerschlagung krimineller Netze größte Bedeutung. Eine gute Kooperation der verschiedenen Polizeidienste ist dabei von Nutzen, und eine Stärkung der Rolle des Europäischen Polizeiamtes Europol wäre in diesem Zusammenhang denkbar.

Genau wie in anderen Bereichen hat Europol auch bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung die Aufgabe, die Mitgliedstaaten bei der Verhütung, Untersuchung und Analyse der damit zusammenhängenden Straftaten zu unterstützen. Europol liefert strategische Produkte, die nicht nur deskriptive, sondern auch prognostische Elemente enthalten und eine angemessene Abschätzung der Gefahren und Risiken ermöglichen. Mit Hilfe von Lageberichten und Arbeitsdateien zu Analysezwecken leistet Eurostat operationelle Unterstützung. Darüber hinaus unterstützt Europol gemeinsame Ermittlungen und Operationen, die in verschiedenen Fällen bereits zu weiteren Ermittlungen sowie zur Observation, Verhaftung und Verurteilung von Verdächtigen geführt haben.

Die Task Force der europäischen Polizeichefs hat Europol um die Durchführung von Expertentreffen, die Gefahrenabschätzung und die Erarbeitung von Arbeitsdateien zu Analysezwecken im Zusammenhang mit der Einschleusung von Migranten und dem Menschenhandel und um entsprechende Rückmeldung an die Task Force ersucht. Zu diesem Zweck forderte die Task Force die Mitgliedstaaten auf, Europol die benötigten relevanten Informationen zu übermitteln. Darüber hinaus wurde Europol um die Ausarbeitung eines Strategiepapiers zur illegalen Einwanderung und zum Menschenhandel ersucht.

Europol sollte, wie bereits im März 2001 von der operativen Task Force der Polizeichefs angeregt, mit umfassenderen operativen Befugnissen ausgestattet werden, um die nationalen Behörden in den Bereichen Schleusung von Migranten und Menschenhandel besser unterstützen zu können.

Zu diesem Zweck sollte von Artikel 30 EUV umfassend Gebrauch gemacht und Europol in rechtlich bindender Weise mit folgenden Befugnissen ausgestattet werden:

* weitere Förderung und Unterstützung spezifischer Ermittlungsmaßnahmen der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten, einschließlich operativer Aktionen gemeinsamer Gruppen mit Vertretern von Europol in unterstützender Funktion;

* Einschaltung der zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten zur Durchführung von Ermittlungen in spezifischen Fällen sowie Erarbeitung spezifischer Fachkenntnisse, die den Mitgliedstaaten zur Unterstützung ihrer Ermittlungstätigkeit in Fällen von Schleusung und Menschenhandel zur Verfügung gestellt werden können;

* Unterstützung der Strafverfolgungsorgane bei der Zusammenstellung und beim Austausch von Informationen, die Berichte zu verdächtigen finanziellen Transaktionen im Zusammenhang mit dem Einschleusen von Migranten und Menschenhandel betreffen. Darüber hinaus wird der Europol-Verwaltungsrat ersucht zu prüfen, ob Vereinbarungen mit Transitländern zur Förderung des operativen Informationsaustauschs ausgearbeitet werden sollten.

4.7. Ausländerrecht und Strafrecht

Ein "klassischer" Ansatz zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung besteht im Erlass von Vorschriften im Rahmen des Ausländerrechts, wie z. B. Sanktionen gegen Beförderungsunternehmen oder Maßnahmen gegen illegale Beschäftigung. Die Bestimmungen der Ausländergesetzgebung sind im Grunde ein Bündel von Maßnahmen, die bei angemessener Umsetzung nach innen wie nach außen präventive Wirkung haben.

Auf dem Weg zu einem umfassenden Ansatz zur Bekämpfung von Schleusern und Menschenhändlern müssen viele der rechtlichen und praktischen Instrumente, mit deren schrittweisem Aufbau sich die Europäische Union in eng mit diesem Thema verbundenen Bereichen wie der Zusammenarbeit der Polizei- und Justizbehörden befasst, nutzbar gemacht werden. Die Verbindungsrichter und -staatsanwälte (so vorhanden), das Europäische Justizielle Netz und insbesondere Eurojust sollten ihre Aktivitäten zur Bekämpfung dieser Straftaten bündeln. Zu den wichtigsten Instrumenten zur Steigerung der justiziellen Zusammenarbeit im Kampf gegen Schleuser und Menschenhändler gehören das vom Rat am 29. Mai 2000 angenommene Übereinkommen über die Rechtshilfe in Strafsachen sowie die jüngsten Entwicklungen im Zusammenhang mit dem Protokoll zur Verbesserung der Rechtshilfe in Strafsachen, insbesondere im Bereich der Bekämpfung der organisierten Kriminalität, des Waschens der Erträge aus Straftaten sowie der Finanzkriminalität. Es muss auf eine rasche Ratifizierung des Übereinkommens sowie anschließend des zugehörigen Protokolls gedrängt werden.

4.7.1. Schleusen von Migranten

* Unterscheidung zwischen Schleusen und Menschenhandel

Die Begriffe "Schleusen" und "Menschenhandel" werden oft synonym verwendet, obwohl die beiden Tatbestände sich deutlich voneinander unterscheiden und klar voneinander getrennt werden sollten. Auch aus strafrechtlicher Hinsicht erscheint dies sinnvoll. Im Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität und in den beiden Zusatzprotokollen über Menschenhandel und über die Schleusung von Migranten, die am 12.-15. Dezember 2000 in Palermo zur Unterschrift auflagen, wurde eine Klärung der Begrifflichkeiten vorgenommen. [18]

[18] Gemäß Art. 3 des Protokolls über die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg bedeutet "Schleusung von Migranten" die Herbeiführung der illegalen Einreise einer Person in einen Vertragsstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzt oder in dem sie keine Berechtigung zum ständigen Aufenthalt hat, mit dem Ziel, sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen.

Diesen Definitionen zufolge geht es beim Schleusen um die Unterstützung eines illegalen Grenzübertritts und einer illegalen Einreise, es beinhaltet also immer ein transnationales Element. Beim Menschenhandel ist dies nicht notwendigerweise der Fall, mit ihm wird in erster Linie ein ausbeuterischer Zweck verfolgt. Der Tatbestand der Ausbeutung hat zunächst einmal nichts mit der Frage zu tun, auf welche Weise das Opfer an den Ort seiner Ausbeutung gelangt. Wenn dazu Grenzen überschritten wurden, kann dies in Form der legalen wie der illegalen Einreise ins Zielland erfolgt sein. Natürlich kann illegale Einwanderung mit Menschenhandel im Zusammenhang stehen, sie ist jedoch weiter gefasst und bezieht sich ganz generell auf die illegale Einreise und den illegalen Aufenthalt von Personen. Illegale Einwanderer im weiteren Sinn sind also nicht notwendigerweise Opfer von Menschenhändlern.

* Maßnahmen gegen das Schleusen von Migranten

Was das Schleusen von Migranten angeht, so fordert Art. 27 des Schengener Durchführungsübereinkommens, "angemessene Sanktionen gegen jede Person vorzusehen, die zu Erwerbszwecken einem Drittausländer hilft oder zu helfen versucht, in das Hoheitsgebiet einer der Vertragsparteien unter Verletzung ihrer Rechtsvorschriften in Bezug auf die Einreise und den Aufenthalt von Drittausländern einzureisen oder sich dort aufzuhalten."

Vor kurzem erzielte der Rat politische Einigung über eine Richtlinie zur Definition der Beihilfe zur illegalen Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt sowie einen Rahmenbeschluss zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung dieser Taten. [19]

[19] Aufgrund verfahrensbedingter Zwänge steht die förmliche Annahme der Richtlinie und des Rahmenbeschlusses noch aus (Stand Anfang November 2001). Die Grundlage der Vorschläge bildet die Initiative im Hinblick auf den Erlass einer Richtline zur Definition der Beihilfe zur illegalen Einreise und zum unerlaubten Aufenthalt sowie im Hinblick auf die Annahme eines Rahmenbeschlusses zur Verstärkung des strafrechtlichen Rahmens für die Bekämpfung dieser Taten; ABl. C 253 vom 4.9.2000, S. 1 und S. 6.

Auf der Grundlage des Ergebnisses dieser Übereinkunft gilt es festzustellen, ob Bedarf für eine weitere Harmonisierung der Bestimmungen zur Schleusung von Menschen besteht. Als Mindestergebnis sollte ein verbindlicher Rahmen für die Strafverfolgung von Schleusern, die die illegale Einreise von Personen ermöglichen, sowie ihrer Anstifter und Gehilfen geschaffen werden. Dazu gehören nicht nur gemeinsame Definitionen und Mindestbedingungen für die Verhängung der Hoechststrafe, sondern auch die Einführung von Mindestsanktionen für die betreffenden Straftaten.

4.7.2. Menschenhandel

Wie bereits unter 3.6 erwähnt, ist der Rat zu einer politischen Einigung über einen Rahmenbeschluss zu den wesentlichen strafrechtlichen Aspekten des Tatbestands Menschenhandel gelangt. Wichtig erscheint bei den legislativen Maßnahmen gegen den Menschenhandel vor allem, dass die Opfer im Mittelpunkt stehen. In diesem Zusammenhang ist die am 15. März 2001 erfolgte Annahme eines Rahmenbeschlusses betreffend die Stellung der Opfer von Straftaten im Gerichtsverfahren von besonderer Relevanz. Darin ist für die Opfer ein besserer Rechtsschutz vorgesehen, z. B. das Recht auf Zugang zu den relevanten Informationen und auf angemessenen Schutz im Gerichtsverfahren. Darüber hinaus gilt es jedoch auch den aufenthaltrechtlichen Status der Opfer von Menschenhändlern zu klären, die zur Zusammenarbeit bei den Ermittlungen gegen ihre Ausbeuter bereit sind. Dies ergäbe eine Grundlage für strukturiertere Unterstützungs- und Schutzmaßnahmen, die direkt auf die individuelle Lage und die Bedürfnisse der Opfer abstellen, und wäre zudem für die Strafverfolgungs- und Justizorgane hilfreich bei der Durchführung ihrer Ermittlungen gegen Menschenhändler.

Nach der endgültigen Annahme und Evaluierung der Durchführung des Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung des Menschenhandels sollte unter gebührender Berücksichtigung des Grundsatzes der Subsidiarität ermittelt werden, ob eine weitere Annäherung gemeinsamer Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und über die Strafzumessung in diesem Bereich erforderlich ist. Darüber hinaus wird die Kommission einen Legislativvorschlag vorlegen über die Erteilung kurzfristiger Aufenthaltstitel für Opfer von Menschenhändlern, die bei den Ermittlungen und Strafverfahren gegen ihre Ausbeuter zur Zusammenarbeit bereit sind.

4.7.3. Illegale Beschäftigung

Ein erheblicher Teil der illegalen Zuwanderer sind legal ins Bestimmungsland eingereist, aber über die Gültigkeitsdauer ihres Aufenthaltstitels hinaus im Land geblieben, um dort weiter ihrer Erwerbstätigkeit nachzugehen. Seit der Empfehlung des Rates vom 27. September 1996 zur Bekämpfung der illegalen Beschäftigung von Drittstaatsangehörigen [20] stand dieses sensible Thema nicht mehr auf der Tagesordnung des Rates. [21] 1998 hat die Kommission eine Mitteilung zur nicht angemeldeten Erwerbstätigkeit angenommen, in der auch die illegale Beschäftigung von illegal aufhältigen Drittstaatsangehörigen angesprochen wird. [22] Damit sollte in den Mitgliedstaaten und unter den Sozialpartnern eine Diskussion über die bestmögliche Strategie zur Bekämpfung illegaler Beschäftigung angeregt werden.

[20] ABl. C304 vom 14.10.1996, S. 1.

[21] vgl. jedoch den Beschluss des Rates vom 19. Januar 2001 über die Leitlinien für beschäftigungspolitische Maßnahmen der Mitgliedstaaten im Jahr 2001 und die beschäftigungspolitischen Leitlinien für 2001, ABl. L 22 vom 24.1.2001, S. 18/23 zur generellen Bekämpfung von illegaler Arbeit.

[22] KOM (1998) 219 endg.

Wenn man das Problem der illegalen Einwanderung wirklich umfassend angehen will, müsste auch das Thema illegale Beschäftigung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger wieder auf die politische Tagesordnung gesetzt werden. Die Nachfrage nach illegalen Arbeitskräften wird in erster Linie durch deren Arbeitgeber geschaffen. Die Sanktionen zur Ahndung der illegalen Beschäftigung sollten so harmonisiert werden, dass Wettbewerbsvorteile ausgeschlossen sind; dies ist eines der Grundprinzipien des Gemeinschaftsrechts. Dazu ist nicht nur ein Mindeststrafrahmen erforderlich. sondern auch - wie im Folgenden beschrieben - die Reduzierung der finanziellen Vorteile.

Die Kommission wird die Möglichkeit der Vorlage eines Vorschlags für eine Richtlinie zur Beschäftigung illegal aufhältiger Drittstaatsangehöriger prüfen, der sich an den spezifischen Anforderungen ausrichtet.

4.7.4. Illegale Einwanderung und finanzielle Vorteile

Die Annahme des Rahmenbeschlusses über Geldwäsche, die Ermittlung, das Einfrieren, die Beschlagnahme und die Einziehung von Tatwerkzeugen und Erträgen aus Straftaten ist ein wichtiges Instrument zur Verhütung und Verfolgung des Schleuserunwesens und des Menschenhandels.

Grundsätzlich sollte der Beschlagnahme aller finanziellen Gewinne aus Straftaten im Zusammenhang mit illegaler Einwanderung Vorrang eingeräumt werden. Dazu müssen - soweit dies noch nicht geschehen ist - entsprechende Vorschriften erlassen und angemessen durchgesetzt werden, die auch Bestimmungen zur Verantwortlichkeit der an diesen Aktivitäten beteiligten juristischen Personen enthalten sollten. Mögliche Sanktionen für juristische Personen wären zum Beispiel der Ausschluss von öffentlichen Zuwendungen oder das Verbot der Ausübung einer Handelstätigkeit. Darüber hinaus sollten den Menschenhändlern oder Schleusern bzw. den verantwortlichen juristischen Personen alle Kosten für die Rückkehr illegal aufhältiger Beschäftigter sowie für soziale Unterstützungsleistungen und andere öffentliche Aufwendungen während ihres Aufenthalts angelastet werden.

Die Arbeitgeber von illegal Beschäftigten schaffen eine Nachfrage nach illegalen Arbeitsmigranten. Dieser Anreiz zur illegalen Einwanderung würde entfallen, wenn es schwierig oder gar unmöglich wäre, eine illegale Beschäftigung zu bekommen und so Geld zu verdienen. Dieser kausale Zusammenhang rechtfertigt wirksame Maßnahmen mit erheblichen finanziellen Konsequenzen, die zudem dazu beitragen würden, unfairen Wettbewerb zu verhindern.

Auf subsidiärer Grundlage könnten die Arbeitgeber von illegal Beschäftigten auch zur Übernahme aller Kosten für die Rückführung illegaler Arbeitskräfte herangezogen werden, einschließlich der gesamten Aufenthaltskosten bis zur Rückkehr, die zurzeit üblicherweise aus Mitteln der Sozialhilfe oder durch andere öffentliche Mittel gedeckt werden. Daneben ist die Einführung finanzieller Sanktionen für die Arbeitgeber eine Möglichkeit, um die finanziellen Anreize für illegale Beschäftigung zu verringern. Solche finanziellen Sanktionen könnten jeweils in Höhe der Einsparungen durch die illegale Beschäftigung festgesetzt werden. Mit den aufgrund dieser Sanktionen eingegangenen Mitteln ließen sich Programme zur freiwilligen Rückkehr finanzieren, die den in ihr Heimatland zurückgekehrten Migranten neue Perspektiven eröffnen würden. Diese finanziellen Maßnahmen würden das Interesse an der Unterstützung illegaler Einwanderung erheblich reduzieren. Die Mitgliedstaaten sollten dafür sorgen, dass sich diese Art von Geschäft nicht lohnt.

Mit dem Ziel der Entwicklung eines gemeinschaftlichen Rechtsrahmens und gemeinsamer Vorschriften empfiehlt die Kommission, unionsweit mehr Nachdruck auf die Beschlagnahme der finanziellen Vorteile zu legen. Ein erster konkreter Schritt bestuende in der Annahme verbindlicher Mindestsanktionen sowie eines Katalogs fakultativer Sanktionen im Hinblick auf die Transportmittel und die Rückführungskosten auf der Grundlage eines von der Kommission vorgelegten Vorschlags.

4.7.5. Verantwortlichkeit des Beförderungsunternehmers

Schon heute sind die Beförderungsunternehmer auf der Grundlage von Art. 26 des Schengener Durchführungsübereinkommens vom 14. Juni 1985 zur Rückverbringung eines Drittausländers verpflichtet, dem die Einreise verweigert wurde. Darüber hinaus müssen sie alle erforderlichen Maßnahmen treffen, um sich zu vergewissern, dass Drittausländer über die erforderlichen Reisedokumente verfügen. Im Juni 2001 hat der Rat eine Richtlinie zur Ergänzung der Regelungen nach Artikel 26 des Schengener Durchführungsübereinkommens erlassen, in der für Beförderungsunternehmen, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen, drei Sanktionsmöglichkeiten vorgesehen sind.

Gleichwohl sollte im Rahmen einer intensiven Diskussion aller Beteiligten über stärker harmonisierte Vorschriften nachgedacht werden. Zu diesem Zweck werden trilaterale Gespräche zwischen den Mitgliedstaaten, den Beförderungsunternehmen und der Kommission stattfinden.

Diese Gespräche könnten zum Ausgleich zwischen den Verantwortlichkeiten der Beförderer und ihren Problemen bei der Durchführung von Kontrollmaßnahmen beitragen. In ihrem Verlauf sollten die Besonderheiten des Personen- und des Gütertransports berücksichtigt werden. Darüber hinaus sollten die kommerziellen Beförderungsunternehmen durch Schulungsmaßnahmen und technische Beratung unterstützt werden, damit sie ihren Verpflichtungen in angemessener Weise nachkommen können.

4.8. Rückübernahme- und Rückkehrpolitik

Die Rückkehrpolitik der Gemeinschaft sollte auf drei Elementen basieren: auf gemeinsamen Grundsätzen, gemeinsamen Normen und gemeinsamen Maßnahmen. Wichtige gemeinsame Grundsätze sind z. B. der Vorrang der freiwilligen Rückkehr gegenüber zwangsweiser Rückführung und die Stärkung der völkerrechtlichen Verpflichtung zur Rückübernahme eigener Staatsangehöriger. Auf der Basis dieser Grundsätze könnten gemeinsame Normen zu Ausweisung, Abschiebehaft und Abschiebung entwickelt werden. Auch die Folgen von illegaler Einreise und illegalem Aufenthalt für jeden einzelnen illegal aufhältigen Migranten sowie die Durchführbarkeit von Ausreisekontrollen sollten Gegenstand weiterer Überlegungen sein.

Bei den gemeinschaftlichen Maßnahmen und Bestimmungen ist besonderer Wert auf die Zusammenarbeit der Verwaltungen der Mitgliedstaaten zu legen. So könnte ein Europäisches Visa-Identifizierungssystem (s. o.) in erheblichem Maße zur Erleichterung der Identifizierung illegal aufhältiger Personen und zur Beschaffung von Reisedokumenten für die Rückkehr beitragen. Auch könnte auf der Grundlage der mit dem Europäischen Flüchtlingsfonds gesammelten Erfahrungen geprüft werden, ob für Rückkehrzwecke ein spezifisches Finanzierungsinstrument zur Verfügung gestellt werden sollte, um den Mitgliedstaaten einen Anreiz zur Verstärkung ihrer Bemühungen zu geben.

Des Weiteren ist eine engere Zusammenarbeit in den Bereichen Transit und Rückübernahme erforderlich. Das in die Schlussfolgerungen des Rates von Tampere (Ziffer 27) aufgenommene Konzept der Rückübernahmeabkommen muss fortentwickelt werden. Allerdings ist vor der Aushandlung eines Rückübernahme abkommens auch die politische Lage und die Menschenrechtssituation im Herkunfts- oder Transitland in Betracht zu ziehen. Nach Abschluss und Umsetzung der ersten Rückübernahmeabkommen der Gemeinschaft muss eine Evaluierung ihrer Auswirkungen erfolgen. Außerdem sollten in alle künftigen Assoziierungs- und Kooperationsabkommen der Gemeinschaft Rückübernahmeklauseln aufgenommen werden. Bei Bedarf könnte eine gezielte - erforderlichenfalls durch Gemeinschaftsmittel finanzierte - technische Unterstützung angeboten werden. Ferner sollte die Europäische Union gegenüber Drittländern, die sich bei der Erfuellung ihrer Rückübernahmeverpflichtungen zögerlich verhalten, ihr politisches Gewicht in die Waagschale werfen. Zudem sollten sich die Mitgliedstaaten auch untereinander über die Regelung der Verfahren zur wechselseitigen Rückübernahme einigen. Eng verbunden mit dem Thema Rückübernahme ist der Transit. Es sollten unionsweite Bestimmungen zum Transit von Rückkehrern bzw. rückzuführenden Personen vereinbart werden, gegebenenfalls auch mit Drittländern.

Die Rückkehrpolitik ist ein zentrales Element im Kampf gegen die illegale Einwanderung. Aufgrund seiner eigenständigen Bedeutung wird dieses Thema in einem separaten Grünbuch über die Rückführungspolitik der Gemeinschaft ausführlicher behandelt. Die umfassende Diskussion über die in diesem Dokument angesprochenen Themen wird der Kommission als Grundlage z. B. für die Erarbeitung eines Entwurfs für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für Rückführungsverfahren dienen.

5. Schlussfolgerung

Der Europäische Rat von Tampere hat die Union aufgefordert, eine gemeinsame Asyl- und Einwanderungspolitik zu entwickeln und dabei der Notwendigkeit einer konsequenten Kontrolle der Außengrenzen zur Beendung der illegalen Einwanderung und zur Bekämpfung derjenigen, die diese organisieren, Rechnung zu tragen. Grenzkontrollen müssen insbesondere den Herausforderungen im Zusammenhang mit einer wirksamen Bekämpfung krimineller Netze, zuverlässigen Maßnahmen gegen terroristische Bedrohungen und der Schaffung eines Klimas des gegenseitigen Vertrauens zwischen denjenigen Mitgliedstaaten, die die Grenzkontrollen an den Binnengrenzen aufgehoben haben, gerecht werden. Wirksame Maßnahmen zur Verhinderung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des Menschenhandels sind ein Schlüsselelement zur erfolgreichen Umsetzung des ehrgeizigen Programms, das sich aus diesen Schlussfolgerungen und dem EG-Vertrag ergibt. Sie sind unerlässlich, um in der breiten Öffentlichkeit das notwendige Vertrauen und die Unterstützung zu schaffen, auf deren Grundlage das dringend benötigte gemeinsame Vorgehen in der Asylpolitik gemäß höchsten humanitären Standards sowie eine echte Einwanderungspolitik im Einklang mit der langwährenden europäischen Tradition der Gastfreundschaft und Solidarität erreicht werden kann. Dabei sind die neuen Dimensionen des weltweit zu beobachtenden Phänomens der Migration zu berücksichtigen und eine echte Integration der legal in unserer Mitte lebenden Migranten sicherzustellen.

Auch die Bürgergesellschaft muss intensiv in die Bemühungen zur Verhinderung und Bekämpfung der illegalen Einwanderung einbezogen werden. Bei der Entwicklung eines Maßnahmenbündels, das auf breite Akzeptanz treffen soll, müssen sich wichtige Akteure wie politische Parteien, Gewerkschaften, Repräsentanten der Industrie und der Wirtschaft sowie Nichtregierungsorganisationen einbringen können. Dieser integrative Ansatz sollte im Rahmen des für die gemeinsame Migrationspolitik vorgeschlagenen offenen Koordinierungsmechanismus auf einzelstaatlicher wie auch auf unionsweiter Ebene Anwendung finden.

Der Rat wird ersucht, zur Gewährleistung einer zügigen Entwicklung den Aktionsplan nach Möglichkeit vor Ablauf des Jahres zu billigen und anzugeben, welche der möglichen Maßnahmen nach seiner Ansicht vorrangig erarbeitet werden müssen. Die Kommission wird ihrerseits die wichtigsten Elemente dieses Ansatzes bei der Ausarbeitung des ersten Bündels von Leitlinien berücksichtigen, das sie dem Rat Anfang 2002 mit dem Ziel der Initiierung eines offenen Koordinierungsmechanismus im Bereich Einwanderung vorlegen wird.

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