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Document 52014AR5386

Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Ausdehnung des Schutzes der geografischen Angaben der EU auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse

OJ C 140, 28.4.2015, p. 13–15 (BG, ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, HR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, RO, SK, SL, FI, SV)

28.4.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 140/13


Stellungnahme des Europäischen Ausschusses der Regionen — Ausdehnung des Schutzes der geografischen Angaben der EU auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse

(2015/C 140/03)

Berichterstatterin

:

Maria Luisa COPPOLA (IT/EVP), Mitglied des Regionalrats und des Regionalausschusses der Region Venetien

Referenzdokument

:

Grünbuch — Bestmögliche Nutzung des traditionellen Wissens Europas: Mögliche Ausdehnung des Schutzes der geografischen Angaben der Europäischen Union auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse

COM(2014) 469 final

I.   POLITISCHE EMPFEHLUNGEN

DER EUROPÄISCHE AUSSCHUSS DER REGIONEN

1.

begrüßt die von der Europäischen Kommission mit dem Grünbuch — Bestmögliche Nutzung des traditionellen Wissens Europas: Mögliche Ausdehnung des Schutzes der geografischen Angaben der Europäischen Union auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse angestoßene Konsultation; erinnert daran, dass in Artikel 3 EUV unter den bei der Entwicklung des Binnenmarkts zu berücksichtigenden Zielen der Schutz und die Entwicklung des kulturellen Erbes Europas festgeschrieben ist und dass Artikel 118 AEUV darauf abzielt, einen einheitlichen Schutz der Rechte des geistigen Eigentums auf dem EU-Binnenmarkt zu gewährleisten, und dass in Artikel 169 AEUV der Schutz der Verbraucherrechte (einschließlich der Förderung ihres Rechtes auf Information) verankert ist;

2.

anerkennt, dass der Schutz des sozialen und kulturellen Erbes Europas auch mit der Aufwertung traditionellen kunsthandwerklichen und gewerblichen Wissens einhergeht, das in den verschiedenen Regionen der EU vorhanden ist, und dass korrekte Informationen über handwerkliche und industrielle Produkte zum Schutz und der Gewährleistung der Verbraucherrechte beitragen kann;

3.

ist der Auffassung, dass die Regionen Europas eine enorme Vielzahl an nichtlandwirtschaftlichen Erzeugnissen aufweisen, die auf traditionelle Fertigungskompetenzen zurückgehen (und die häufig von Kleinst- und Kleinunternehmen am Leben gehalten werden), und dass angemessene Systeme zur Aufwertung und zum Schutz dieser Erzeugnisse zur lokalen und regionalen Entwicklung der EU beitragen könnten — vor allem in wirtschaftlicher und sozialer Perspektive — und ebenfalls unerwünschte Phänomene der Fälschung und Nachahmung einschränken würden;

4.

teilt die Auffassung, dass die Einhaltung der Bestimmungen zum Schutz von geografischen Angaben (g.A.) gemäß dem Übereinkommen über handelsbezogene Aspekte der Rechte am geistigen Eigentum (TRIPS), das für alle Mitglieder der Welthandelsorganisation gilt, unbedingt zu gewährleisten ist;

5.

verlangt von der Europäischen Kommission, am Prozess der Auswertung der im Zuge der Konsultation eingegangen Antworten aktiv beteiligt und konsultiert zu werden angesichts der zentralen Rolle des Ausschusses als institutionelle Vertretung der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften. Denn g.A. weisen naturgemäß eine regionale und lokale Beschaffenheit auf;

Bestmögliche Nutzung der g.A.: Mögliche Vorteile aus der Erweiterung des Schutzes der g.A. der EU auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse

6.

weist darauf hin, dass der EuGH bekräftigt hat, dass eine g.A. ein Recht des geistigen Eigentums darstellt (1) und dass das EU-System für den Schutz von g.A. in der ausschließlichen Zuständigkeit der EU liegt; erachtet es daher für notwendig, tätig zu werden und die derzeit in einigen Mitgliedstaaten (2) bestehenden, nicht harmonisierten Regelungen in einer einheitlichen europäischen Regelung zusammenzufassen;

7.

erinnert daran, dass die mit den bestehenden g.A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse gemachten Erfahren in der Diskussion über die mögliche Ausweitung dieser Angaben auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse gebührend berücksichtigt werden müssen;

8.

ist der Auffassung, dass ein verstärkter und harmonisierter Schutz der g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse zu einer Stärkung des Binnenmarkts beitragen könnte, dank verschiedener, bereits im Grünbuch der Europäischen Kommission ausgemachter positiver direkter (mehr Möglichkeiten, Mittel aus Förderfonds zu bekommen, Erhaltung von Arbeitsplätzen in wirtschaftlich schwachen Regionen) und indirekter Auswirkungen (wie z. B. Chancen für den Tourismus);

9.

ist der Ansicht, dass die Ausweitung des Schutzes der g.A. auf nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse für die Verbraucher von Vorteil sein kann. Sie würden damit über ein zusätzliches Instrument verfügen, um trotz eines umfangreichen Warenangebots auf dem Markt bewusste Entscheidungen treffen und Echtheit, Ursprünglichkeit und Qualität der Produkte besser erkennen zu können;

10.

betont, dass ein harmonisiertes System für den Schutz von g.A. nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse auch für die Beziehungen der EU zu Drittstaaten von Vorteil wäre. Denn eine einheitliche Position würde das Gewicht der EU bei der Aushandlung von Handelsabkommen oder beim Schutz der eigenen Erzeugnisse auf Drittmärkten stärken;

11.

teilt die Auffassung, dass der Schutz der g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse zur Erhaltung des kulturellen und künstlerischen Erbes der lokalen und regionalen Traditionen Europas beitragen kann; empfiehlt vorzusehen, dass Elemente der sozialen Unternehmensverantwortung in die eventuellen Produktspezifikationen aufgenommen werden können, damit diese Produkte verstärkt zur Schaffung sozialen Kapitals in den Erzeugungsgebieten beitragen können;

Optionen für den Rechtsschutz einer g. A. auf Unionsebene

12.

hofft, dass für den Schutz von g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse ein im Vergleich zu jenem für landwirtschaftliche Produkte einfacheres System erreicht werden kann. Letzteres verfügt heute aufgrund der kontinuierlichen Ausweitung des Schutzes über eine erhebliche Anzahl von Arten von g.A., die den Verbraucher mitunter zu verwirren drohen;

13.

plädiert dafür, dass die Kennzeichen für g.A. nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse einfach und leicht erkennbar sind und in der Sprache des Herkunftslandes der Produkte und/oder in Englisch verfasst sein können;

14.

ist der Auffassung, dass ein neues System für g.A. nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse — wie bereits bei den g.A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse — den Schutz nichtgeografischer Bezeichnungen, die unmissverständlich mit einem genauen Ort verknüpft sind, ermöglichen sollte. Dabei ist den bereits im TRIPS-Abkommen vorgesehenen Ausnahmen Rechnung zu tragen;

15.

macht deutlich, dass ein horizontaler Ansatz für den Schutz g.A. nichtlandwirtschaftlicher Erzeugnisse einem sektoralen Ansatz unbedingt vorzuziehen ist, da eine Reihe gemeinsamer Vorschriften für alle Produktarten sowohl für die Unternehmen als auch für die nationalen, regionalen und lokalen Behörden sicherlich einfacher zu handhaben wäre;

16.

unterstreicht, dass für die g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse zwei unterschiedliche Arten von Verbindungen mit dem Gebiet vorgesehen werden sollten, die der gegenwärtigen Unterscheidung zwischen landwirtschaftlichen Erzeugnissen mit geschützter geografischer Angabe (g.g.A. — stärkere Verbindung) und g.A.-Erzeugnissen (schwächere Verbindung) entspricht;

17.

erwartet, dass die eventuellen Produktspezifikationen (die für die Registrierung als g.A. entscheidend sind) Folgendes enthalten: Informationen über die verwendeten Grundstoffe, eine Beschreibung des Produktionsprozesses, den Nachweis der Verbindung zwischen Erzeugnis und Gebiet und eventuelle Elemente sozialer Unternehmensverantwortung (um das Engagement für das entsprechende Gebiet zu gewährleisten);

18.

hebt hervor, dass die Kriterien, denen die Erzeugnisse entsprechen müssen, um den Schutz einer g.A. zu erhalten, eventuelle Produktinnovationen oder Effizienzsteigerungen des Produktionsprozesses nicht verhindern dürfen;

19.

erinnert daran, dass mit g.A. u. a. bezweckt werden soll, die Qualität für die Verbraucher sicherzustellen. Da kein einheitlicher Qualitätsparameter festgelegt werden kann, sollte eine Überwachung vorgesehen werden, um die Einhaltung der Produktspezifikationen über den gesamten Schutzzeitraum sicherzustellen. Diese Überwachung könnte von regionalen Behörden (oder öffentlich-privaten Partnerschaften, wie z. B. Handelskammern) durchgeführt werden;

Verbesserung des Schutzes

20.

zieht die Schaffung eines einzigen EU-weiten Systems zum Schutz der g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse der Option einer Harmonisierung nationaler Rechtsvorschriften vor, da es gerechter ist und einheitliche Fristen in der gesamten EU gewährleistet;

21.

schlägt vor, für die Mitgliedstaaten, die bereits über ein System für den Schutz von g.A. nichtlandwirtschaftlicher Produkte verfügen, einen kurzen Zeitraum mit Übergangsvorschriften auf der Grundlage der Koexistenz beider Regelungen (z. B. bis 2020) vorzusehen, um dann endgültig zu einem einheitlichen Verfahren der EU überzugehen;

22.

ist der Auffassung, dass ein Verfahren zur Eintragung der nichtlandwirtschaftlichen g.A. verbindlich sein muss, und dass ein solches Verfahren auf einem zweistufigen System basieren sollte (wie es heute für landwirtschaftliche g.A. der Fall ist); dabei ist für die Überprüfung der lokalen Besonderheiten die regionale Ebene und für die Überprüfung der für die gesamte EU gemeinsamen Kriterien die europäische Ebene zu beteiligen;

23.

macht deutlich, dass für die Eintragung in das Register für g.A. genaue und gesetzlich verankerte maximale Bearbeitungszeiten festgelegt werden sollten, um zu verhindern, dass nachlässige Behörden das Verfahren zum Schaden der Erzeuger verzögern;

24.

ist der Ansicht, dass die Erzeuger, ihre Verbände und die Handelskammern die maßgeblichen Akteure sein sollten, denen es gestattet ist, die Eintragung einer g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse zu beantragen. Es ist aber auch sinnvoll vorzusehen, dass in bestimmten und genau begründeten Fällen auch ein einzelner Erzeuger, eine lokale oder regionale Gebietskörperschaft (LRG) oder ein Verbraucherverband die Eintragung beantragen kann. Die gleichen Kategorien, die berechtigt sind, einen Antrag auf Eintragung zu stellen, sollten auch berechtigt sein, ein eventuelles Einspruchsverfahren anzustrengen;

25.

unterstreicht, dass es angesichts des derzeitigen Interesses für die Lage der öffentlichen Haushalte möglich wäre, einen Beitrag der Erzeuger für den Erhalt des Status einer g.A. zu fordern, sofern ein solcher Beitrag eine Einmalzahlung ist, mit Blick auf die zu tragenden Kosten gerecht ist und in der gesamten EU einheitlich erhoben wird;

Schutzumfang

26.

hofft, dass das durch g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse gewährte Schutzniveau dem Niveau entspricht, das durch Artikel 23 des TRIPS-Abkommens für Wein und Spirituosen gewährt wird. Dadurch würden die Erzeugerrechte mit dem nötigen Nachdruck geschützt werden;

27.

schlägt vor, dass das System zur Überwachung von Rechten an g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse öffentlich oder öffentlich/privat sein kann. In beiden Fällen sollte jedoch die Kompetenz der LRG und ihr unmittelbarer Kontakt zur Territorium zur Geltung gebracht werden;

28.

gibt zu bedenken, dass der eventuelle Erfolg eines Systems g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse in gewissem Maße dazu führen könnte, dass die Gefahr von Fälschungen oder Nachahmungen seitens der Wettbewerber zunimmt. Deshalb müssen Schutzmechanismen vorgesehen werden, um gefälschte oder nachgeahmte Produkte zügig erkennen und beseitigen zu können;

29.

ist der Auffassung, dass der Schutz der g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse keine befristete Dauer haben sollte. Vielmehr sollte die Möglichkeit vorgesehen werden, dass der Schutz zu den selben für g.A. für landwirtschaftliche Erzeugnisse geltenden Bedingungen aufgehoben werden kann;

30.

ist der Auffassung, dass potenzielle Konflikte zwischen g.A. für nichtlandwirtschaftliche Produkte und Marken auf dieselbe Art wie bei g.A. für landwirtschaftliche Produkte gelöst werden sollten;

31.

unterstreicht schließlich, dass der Standpunkt des AdR angesichts seiner hoher Kompetenz in Fragen der Regional- und Kommunalpolitik die Empfehlung zur Schaffung eines EU-Systems für den Schutz der g.A. für nichtlandwirtschaftliche Erzeugnisse stärken dürfte und fordert daher, dass die Europäische Kommission einen dahin gehenden Legislativvorschlag vorlegt.

Brüssel, den 12. Februar 2015

Der Präsident des Europäischen Ausschusses der Regionen

Markku MARKKULA


(1)  Siehe Rechtssache C-3/91, Turrón de Jijona, Randnr. 37, oder Prosciutto di Parma, C-108/01, Randnr. 64.

(2)  Belgien (nur Wallonien), Bulgarien, Kroatien, Deutschland, Estland, Frankreich, Lettland, Polen, Portugal, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Spanien (nur Region von Murcia), Tschechische Republik und Ungarn.


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