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Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten

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Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten

Diese Richtlinie legt Mindestnormen für die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber fest. Damit soll sichergestellt werden, dass die Antragsteller ein menschenwürdiges Leben führen können und dass ihnen in allen Mitgliedstaaten vergleichbare Lebensbedingungen gewährt werden. Gleichzeitig dämmt die Richtlinie auch die Sekundärmigration von Asylbewerbern ein.

RECHTSAKT

Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27.1.2003 über Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten.

ZUSAMMENFASSUNG

Die vorliegende Richtlinie definiert einige zentrale Begriffe wie Genfer Konvention, Asylantrag, Familienangehöriger, Flüchtling, reguläres Verfahren, unbegleiteter Minderjähriger, Aufnahmebedingungen und Gewahrsam. Die Richtlinie gilt grundsätzlich nur für Asylbewerber. Die zuständigen Behörden gehen allerdings davon aus, dass alle Gesuche um internationalen Schutz einem Asylantrag gleich zu setzen sind, außer wenn der Betreffende ausdrücklich um einen anderweitigen Schutz nachsucht. Diese Richtlinie betrifft nicht das Recht auf Familienzusammenführung. Als Familienangehörige gelten der Ehegatte und der nicht verheiratete Partner, sofern der Aufnahmestaat die rechtliche Gleichstellung unverheirateter Paare mit verheirateten Paaren vorsieht. Zur Familie zählen des Weiteren die ehelich und außerehelich geborenen Kinder, Adoptivkinder sowie sonstige Familienangehörige, wenn der Asylbewerber für ihren Unterhalt aufkommt, sie schwer traumatisiert sind oder eine besondere medizinische Behandlung benötigen.

Die Richtlinie gilt für alle Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen, die an der Grenze oder im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats einen Asylantrag stellen. Außerdem wird sie auf alle Familienangehörigen Anwendung finden, die den Antragsteller begleiten. Hingegen regelt sie nicht die Verfahren für diplomatisches oder territoriales Asyl, das bei den Vertretungen der Mitgliedstaaten beantragt wird.

Den Mitgliedstaaten bleibt es weiterhin frei gestellt, günstigere als die in der Richtlinie vorgesehenen Aufnahmebedingungen zu gewähren. Diese Bedingungen können sie auch Personen zugute kommen lassen, die um andere als in der Genfer Konvention vorgesehene Formen des Schutzes nachsuchen.

Bestimmungen betreffend die Aufnahmebedingungen

Die Mitgliedstaaten habe Antragstellern mitzuteilen, auf welche Vergünstigungen sie Anspruch haben und welchen Pflichten sie nachkommen müssen. Den Betreffenden soll auch eine Bescheinigung über ihren Status als Asyl suchende Personen ausgehändigt werden, die bis zur endgültigen Entscheidung über das Asylgesuch verlängerbar ist. Bei Vorliegen schwerwiegender humanitärer Gründe, die die Anwesenheit des Asylbewerbers in einem anderen Land erfordern, können die Mitgliedstaaten außerdem ein Reisedokument ausstellen.

Grundsätzlich müssen die Mitgliedstaaten dem Antragsteller das Recht auf freie Bewegung in ihrem Hoheitsgebiet zuerkennen. Sie dürfen Personen nur zwecks Identitätsprüfung in Gewahrsam nehmen. Die Begrenzung der Bewegungsfreiheit auf einen Teil des Hoheitsgebiets soll in mehreren Fällen zulässig, aber lediglich unter bestimmten Bedingungen obligatorisch sein (beispielsweise zur zügigen Antragsbearbeitung). In jedem Fall sollen Antragsteller das Recht auf Einlegen eines Rechtsbehelfs gegen die genannten Beschränkungen erhalten.

Garantien

Die Mitgliedstaaten müssen Folgendes garantieren:

  • bestimmte materielle Aufnahmebedingungen, wie Wohnung, Ernährung und Kleidung, die als Sach- oder Geldleistungen gewährt werden; diese Leistungen werden so bemessen, dass der Antragsteller nicht bedürftig wird;
  • angemessene Bestimmungen zur Wahrung der familiären Einheit;
  • ärztliche und psychologische Betreuung;
  • Zugang der minderjährigen Kinder zum Bildungssystem, gegebenenfalls Zugang zu Sprachkursen, wenn nur so eine reguläre schulische Bildung gewährleistet ist.

Die Mitgliedstaaten können Asylbewerbern sechs Monate nach Einreichung des Antrags nicht mehr den Zugang zum Arbeitsmarkt und zur beruflichen Bildung verwehren. Die Mitgliedstaaten behalten die vollständige Kontrolle über ihren Arbeitsmarkt, da sie beispielsweise weiterhin darüber entscheiden, für welche Arten von Stellen Asylbewerber sich bewerben können, wie viele Stunden oder Tage pro Woche, Monat oder Jahr sie arbeiten dürfen und welche Fähigkeiten und Qualifikationen sie besitzen müssen.

Die materiellen Aufnahmebedingungen sowie die medizinische und psychologische Betreuung sind während der gesamten Dauer des Verfahrens (reguläres Verfahren, Zulässigkeitsverfahren, beschleunigtes Verfahren und Berufungsverfahren) garantiert, um dem Antragsteller und seiner Familie unter gesundheitlichen Aspekten angemessene Lebensbedingungen zuzusichern. Sofern die wirtschaftliche Situation des Betreffenden es zulässt, können die Mitgliedstaaten verlangen, dass er die Kosten im Zusammenhang mit den materiellen Aufnahmebedingungen und der medizinischen und psychologischen Versorgung teilweise oder vollständig übernimmt.

Für Schwangere, Minderjährige, Geisteskranke, Behinderte, Opfer von Vergewaltigung und sonstigen Formen von Gewalt ist die jeweils erforderliche medizinische und psychologische Betreuung sicherzustellen.

Die Mitgliedstaaten müssen Räumlichkeiten zur Unterbringung von Asylbewerbern in Privathäusern, Unterbringungszentren oder Hotels zur Verfügung stellen, um den Schutz des Familien- und Privatlebens zu gewährleisten. In jedem Fall tragen sie dafür Sorge, dass die Betreffenden mit einem Rechtsbeistand, Vertretern einschlägiger Nichtregierungsorganisationen (NRO) oder dem Vertreter des Hohen Kommissars für Flüchtlinge (UNHCR) in Kontakt treten können.

Einschränkung oder Aberkennung von Aufnahmebedingungen

Die Mitgliedstaaten können die Ansprüche und Leistungen einschränken oder aberkennen, wenn der Antragsteller

  • ohne hinreichenden Grund untertaucht oder seinen Melde- und Auskunftspflichten oder einer Aufforderung zur persönlichen Anhörung über sein Asylverfahren nicht nachkommt;
  • seinen Asylantrag zurückgezogen hat;
  • unberechtigt materielle Aufnahmebedingungen in Anspruch genommen hat;
  • eine Gefahr für die nationale Sicherheit darstellt oder im Verdacht steht, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen zu haben.

Die Entscheidungen über die Einschränkung oder Aberkennung von Aufnahmebedingungen werden objektiv und unparteiisch getroffen; sie stützen sich ausschließlich auf das Verhalten des Betroffenen, der gegen die Entscheidung ein Rechtsmittel einlegen kann und gegebenenfalls Anspruch auf einen Rechtsbeistand hat.

Das Recht auf medizinische Notfallversorgung kann in keinem Fall eingeschränkt oder aberkannt werden.

Besondere Bestimmungen

Die Mitgliedstaaten sind gehalten, Minderjährigen, Behinderten, alten Menschen und Opfern von Diskriminierung und Ausbeutung besondere Aufmerksamkeit zu schenken. Insbesondere müssen sie Bestimmungen für den Schutz von Kindern vorsehen, die Opfer von Misshandlung, Ausbeutung, Folter oder grausamer oder erniedrigender Strafe waren.

Für den unbegleiteten Minderjährigen soll möglichst frühzeitig ein Vormund bestellt werden. Die Mitgliedstaaten übernehmen außerdem die Suche nach seinen Familienangehörigen.

Opfer von Folter oder Gewalt haben Anspruch auf Rehabilitationsmaßnahmen und posttraumatische Betreuung.

Bestimmungen zur Zusammenarbeit und Schlussbestimmungen

Jeder Mitgliedstaat muss eine nationale Kontaktstelle benennen, die eine enge Zusammenarbeit mit den übrigen Mitgliedstaaten gewährleistet.

Die Mitgliedstaaten sorgen für harmonische Beziehungen zwischen Kommunen und auf ihrem Gebiet befindlichen Unterbringungszentren, um rassistische, sexistische und fremdenfeindliche Angriffe auf Asylbewerber zu verhindern.

Die mit der Umsetzung dieser Richtlinie betrauten Organisationen sind mit ausreichenden personellen Ressourcen auszustatten. Das Personal, das mit Asylbewerbern arbeitet, muss speziell geschult werden und unterliegt der Schweigepflicht.

Die Kommission erstattet dem Europäischen Parlament und dem Rat bis zum 6. August 2006 Bericht über die Anwendung dieser Richtlinie und schlägt gegebenenfalls Änderungen vor. Nach Vorlage des Berichts erstattet die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat mindestens alle fünf Jahre Bericht.

Hintergrund

In Tampere kamen die Mitgliedstaaten 1999 überein, auf ein gemeinsames europäisches Asylsystem hinzuwirken. Auf kurze Sicht sollte es u. a. gemeinsame Mindestbedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern beinhalten (Punkt 13 und 14 der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Tampere).

Darüber hinaus sieht der Anzeiger, den der Rat am 27. März 2000 gebilligt hat, eine Richtlinie zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern vor, die Anfang 2001 im Entwurf vorgelegt werden sollte.

Bezug

RECHTSAKT

Datum des Inkrafttretens

Termin für die Umsetzung in den Mitgliedstaaten

Amtsblatt

Richtlinie 2003/9/EG

6.2.2003

6.2.2005

ABl. L 31 vom 6.2.2003

VERBUNDENE RECHTSAKTE

Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates vom 3. Dezember 2008 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (Neufassung) [KOM(2008) 815 endg. – Nicht im Amtsblatt veröffentlicht]. Das Ziel dieses Vorschlags besteht darin, die Richtlinie 2003/9/EG zu ersetzen, um die Mängel bezüglich der nationalen Aufnahmebedingungen zu beseitigen, die im unten genannten Bewertungsbericht und in der Konsultation zum Grünbuch über das Gemeinsame Europäische Asylsystem aufgezeigt wurden.

Die neue Richtlinie soll im Einklang mit dem Völkerrecht bessere Normen für die Aufnahmebedingungen gewährleisten und zudem die nationalen Aufnahmepolitiken harmonisieren, um die Sekundärmigration von Asylbewerbern weiter einzudämmen. Insbesondere betrifft der Vorschlag

  • den Anwendungsbereich der Richtlinie, der auch auf Personen ausgeweitet werden soll, die subsidiären Schutz beantragt haben. Die Richtlinie soll unabhängig vom geografischen Gebiet und von der Einrichtung zur Unterbringung von Asylbewerbern für alle Arten von Asylverfahren angewandt werden;
  • den Zugang zum Arbeitsmarkt, der dadurch erleichtert werden soll, dass Asylbewerbern nach einem Zeitraum von höchstens sechs Monaten nach Beantragung des Asyls Zugang zur Beschäftigung gewährt wird und dass die Mitgliedstaaten verpflichtet werden, diesen Zugang nicht durch die nationalen Arbeitsmarktbedingungen zu beschränken;
  • den Zugang zu den im Rahmen der Aufnahme gewährten materiellen Leistungen, die den Asylbewerbern einen angemessenen Lebensstandard sichern sollen. Die Mitgliedstaaten sollen bei der Gewährung finanzieller Unterstützung für Asylbewerber den Umfang der den eigenen Staatsangehörigen gewährten Sozialhilfe und bei der Bereitstellung von Unterbringungseinrichtungen Geschlecht, Alter und besondere Bedürfnisse der Antragsteller berücksichtigen. Gleichzeitig sollen die Umstände, unter denen die im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteile vollständig entzogen werden können, begrenzt werden;
  • den Gewahrsam, der nur in Ausnahmefällen zulässig sein soll. Die Grundrechte sowie das Völkerrecht und das innerstaatliche Recht sollen gewahrt werden, wenn Asylbewerber in Gewahrsam genommen werden, und schutzbedürftige Gruppen müssen die Beachtung erhalten, die sie benötigen. Die Ingewahrsamnahme unbegleiteter Minderjähriger soll untersagt werden;
  • Personen mit besonderen Bedürfnissen. Die Mitgliedstaaten sollen Maßnahmen zur Feststellung dieser Bedürfnisse einführen und die im Rahmen der Aufnahme gewährten Vorteile entsprechend konzipieren. Besondere Aufmerksamkeit soll dem Zugang zu medizinischer Versorgung, zu Unterbringungseinrichtungen und (im Falle Minderjähriger) zum Bildungssystem gelten;
  • die Umsetzung und die Verbesserung der nationalen Systeme, die durch die Überwachung und Kontrolle der nationalen Aufnahmesysteme und durch eine kontinuierliche Berichterstattung sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf einzelstaatlicher Ebene gewährleistet werden sollen.

Mitentscheidungsverfahren (2008/0244/COD)

Bericht der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament vom 26. November 2007 über die Anwendung der Richtlinie 2003/9/EG vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten [KOM(2007) 745 endg. – Amtsblatt C 55 vom 28.2.2008].

Letzte Änderung: 09.12.2008

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