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Document 62011CC0427

Schlussanträge des Generalanwalts Cruz Villalón vom 29. November 2012.
Margaret Kenny und andere gegen Minister for Justice, Equality and Law Reform, Minister for Finance und Commissioner of An Garda Síochána.
Ersuchen um Vorabentscheidung: High Court - Irland.
Art. 141 EG - Richtlinie 75/117/EWG - Gleiches Entgelt für Männer und Frauen - Mittelbare Diskriminierung - Sachliche Rechtfertigung - Voraussetzungen.
Rechtssache C-427/11.

Court reports – general

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2012:762

SCHLUSSANTRÄGE DES GENERALANWALTS

PEDRO CRUZ VILLALÓN

vom 29. November 2012 ( 1 )

Rechtssache C-427/11

Margaret Kenny,

Patricia Quinn,

Nuala Condon,

Eileen Norton,

Ursula Ennis,

Loretta Barrett,

Joan Healy,

Kathleen Coyne,

Sharon Fitzpatrick,

Breda Fitzpatrick,

Sandra Hennelly,

Marian Troy,

Antoinette Fitzpatrick,

Helena Gatley

gegen

Minister for Justice, Equality and Law Reform,

Minister for Finance,

Commissioner of An Garda Síochána

(Vorabentscheidungsersuchen des High Court [Irland])

„Gleiches Entgelt — Diskriminierung aufgrund des Geschlechts — Richtlinie 75/117/EWG — Mittelbare Diskriminierung — Sachliche Rechtfertigung — Kollektivverhandlungen“

1. 

Der High Court der Republik Irland stellt eine Reihe von Fragen, die die Rechtfertigungspflicht des Arbeitgebers betreffen, „wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts … vorliegt“. Der High Court fragt zudem, ob und inwieweit das „Interesse an guten Arbeitsbeziehungen“ u. a. ein legitimes Kriterium der Rechtfertigung sein kann.

2. 

Vor diesem Hintergrund gibt die Vorlagefrage dem Gerichtshof Gelegenheit, erneut zu sehr konkreten Aspekten seiner Rechtsprechung zur mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Stellung zu nehmen ( 2 ) . Dabei geht es zum einen um die Probleme der Abgrenzung der Referenzbegriffe, auf deren Grundlage die Gleichheit (tertium comparationis) zu beurteilen ist, und zum anderen um die Abwägung der jeweiligen Rechte und Interessen, die sich insbesondere bei der Umstrukturierung der Verwaltung gegenüberstehen, die eine Neuzuweisung der Aufgaben in Arbeitsbereichen mit sich bringt, die immer noch durch die vorherrschende Stellung eines der beiden Geschlechter gekennzeichnet sind.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3.

Art. 1 der Richtlinie 75/117/EWG ( 3 ) lautet:

„Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im Folgenden als ‚Grundsatz des gleichen Entgelts‘ bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.

Insbesondere muss dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts ausgeschlossen werden.“

4.

Art. 3 der Richtlinie 75/117 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten beseitigen alle mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbaren Diskriminierungen zwischen Männern und Frauen, die sich aus ihren Rechts- oder Verwaltungsvorschriften ergeben.“

5.

In Art. 4 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen, Lohn- und Gehaltstabellen oder -vereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt werden können.“

6.

Art. 6 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Die Mitgliedstaaten treffen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Verhältnisse und ihrer Rechtssysteme die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts zu gewährleisten. Sie vergewissern sich, dass wirksame Mittel vorhanden sind, um für die Einhaltung dieses Grundsatzes Sorge zu tragen.“

7.

Die Richtlinie 75/117 wurde durch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen ( 4 ) mit Wirkung vom 15. August 2009 aufgehoben. Sämtliche Verweisungen in anderen Bestimmungen auf die alte Richtlinie gelten als Verweisungen auf die neue Richtlinie (Art. 34).

8.

Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54 gilt als mittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie „eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“ ( 5 ).

B – Nationales Recht

9.

Nach den Employment Equality Acts (Gesetze zur Regelung der Gleichheit am Arbeitsplatz) 1998–2004 ist die Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund des Geschlechts verboten ( 6 ). Part III des Gesetzes von 1998 betrifft die Gleichbehandlung von Mann und Frau. Section 18 (1)(a) in ihrer geänderten Fassung sieht vor:

„Vorbehaltlich des Buchst. b stehen in diesem Part III ‚A‘ und ‚B‘ für zwei Personen verschiedenen Geschlechts, so dass, wenn A eine Frau ist, B ein Mann ist und umgekehrt.“

10.

Section 19 (1), (4) und (5) bestimmt:

„(1)   Ein Vertrag, aufgrund dessen A beschäftigt wird, hat vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Gesetzes die Klausel zu enthalten, dass A für die Arbeit, für die A beschäftigt wird, jederzeit einen Anspruch auf dasselbe Entgelt hat wie B, der bei demselben oder einem mit ihm verbundenen Arbeitgeber zu dieser oder einer anderen maßgebenden Zeit beschäftigt wird, um gleiche Arbeit zu verrichten.

(4)   (a) Mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift Personen des einen Geschlechts (sei es A oder B) gegenüber anderen Beschäftigten ihres Arbeitgebers hinsichtlich des Entgelts in besonderer Weise benachteiligt.

(b) Soweit der Tatbestand des Buchst. a gegeben ist, wird bei den dort genannten Personen für die Zwecke des Abs. 1 davon ausgegangen, dass sie unter die fragliche Vorschrift fallen oder nicht fallen, je nachdem, woraus sich ein höherer Entgeltanspruch ergibt, es sei denn, die Vorschrift ist sachlich durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich.

(c) In jedem Verfahren sind statistische Unterlagen zulässig, um zu bestimmen, ob der vorliegende Absatz auf A oder B Anwendung findet.

(5)   Vorbehaltlich des Abs. 4 enthält Part III keine Bestimmung, die es einem Arbeitgeber untersagt, Arbeitnehmern unterschiedliche Entgelte aus anderen als auf das Geschlecht bezogenen Gründen zu zahlen.“

II – Sachverhalt

11.

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind Beamtinnen, die beim Department of Justice, Equality and Law Reform beschäftigt und mit Verwaltungstätigkeiten in der An Garda Síochána (irische Landespolizei; im Folgenden: Garda) betraut waren. Mit diesen Verwaltungstätigkeiten werden auch Beamte der Garda („Vergleichspersonen“) betraut. Es gibt in der Garda bestimmte Verwaltungsstellen, die diesen Polizisten vorbehalten sind und die als „bezeichnete“ oder „reservierte“ Stellen bezeichnet werden. Die jeweiligen Bezüge hängen von der Laufbahngruppe ab, der die Beamten angehören.

12.

Die Gewerkschaft, der die Klägerinnen angehören, machte mehrere Ansprüche unter den Employment Equality Acts 1998–2004 beim Equality Tribunal geltend, das den Ansprüchen mit Entscheidung vom 22. November 2005 für sieben der 14 Klägerinnen stattgab.

13.

Diese Entscheidung griffen beide Parteien vor dem Labour Court an. Die Berufungsbeklagten trugen in erster Linie vor, (A) dass die Ansprüche eine unmittelbare Diskriminierung beträfen, (B) dass die Berufungsklägerinnen nach ihrer Einstufung als Verwaltungsbeamte bezahlt würden, während die Vergleichspersonen nach ihrem Dienstgrad als Angehörige der Garda bezahlt würden, und (C) dass die unterschiedliche Höhe der Entgelte in Übereinstimmung mit Section 19 (5) des Gesetzes von 1998 aus anderen als auf das Geschlecht bezogenen Gründen gezahlt werde. Sollte der Sachverhalt als mittelbare Diskriminierung zu bewerten sein, sei der Unterschied hinsichtlich des Entgelts gemäß Section 19 (4) des Gesetzes von 1998 jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Berufungsklägerinnen vertraten die Ansicht, dass der Sachverhalt im Wesentlichen eine mittelbare Diskriminierung betreffe, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe.

14.

Der Labour Court stellte fest, dass die Ansprüche der 14 Klägerinnen zutreffend auf eine mittelbare Diskriminierung gestützt worden seien und dass im Hinblick auf die Anteile von Männern und Frauen in den jeweiligen Beschäftigungsgruppen der Anschein einer mittelbaren Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliege. Im Einvernehmen mit beiden Parteien beschloss der Labour Court, die Frage der sachlichen Rechtfertigung vorab zu klären. Demgemäß hat er, ohne in der Sache so zu entscheiden, für das weitere Verfahren unterstellt, dass die Klägerinnen und die von ihnen ausgewählten Vergleichspersonen mit gleicher Arbeit im Sinne der Section 7 (1) des Gesetzes von 1998 beschäftigt waren. Diese Annahme bezog sich lediglich auf die Klägerinnen und die ausgewählten Vergleichspersonen.

15.

Auf dieser Grundlage forderte der Labour Court die Berufungsbeklagten auf, die sachliche Rechtfertigung darzutun. Diese führten aus, dass die Verwendung von Angehörigen der Garda auf den diesen vorbehaltenen Stellen sachlich gerechtfertigt sei, um dem operativen Bedarf der Garda zu entsprechen, und dass es im Hinblick auf diesen operativen Bedarf angemessen und erforderlich sei, den Polizeibeamten, die mit dieser Arbeit betraut seien, die ihrem Dienstgrad entsprechenden Bezüge zu zahlen.

16.

Die Beklagten trugen zudem vor, dass die Zahl der bezeichneten Stellen durch Tarifvertrag zwischen der Polizeiführung und den Personalvertretungsgremien der Garda festgesetzt worden sei und dass der Beklagte zu 3 das Ziel verfolge, die Zahl der mit Polizisten besetzten bezeichneten Verwaltungsstellen in Abstimmung mit den Personalvertretungsgremien der Garda abzubauen. Dieser Stellenabbau werde „civilianisation“ (Umwandlung in Zivilbeamtenstellen) genannt. Die Beklagten räumten ein, dass es bei einigen wenigen mit Polizisten besetzten Stellen keinen echten operativen Bedarf für die Besetzung mit ausgebildeten Polizisten gebe; diese Stellen seien aber nicht repräsentativ für die Dienststellen im Allgemeinen, die mit Polizisten besetzt seien und polizeiliche Kenntnisse und Erfahrungen erforderten.

17.

Zum Sachverhalt stellte der Labour Court fest, dass es bei der erstmaligen Geltendmachung der Ansprüche im Juli 2000 insgesamt 353 bezeichnete und mit Polizisten besetzte Stellen gegeben habe, von denen 279 Stellen mit männlichen und 74 mit weiblichen Polizisten besetzt gewesen seien; gleichzeitig habe es 761 vorwiegend mit weiblichen Verwaltungsbeamten besetzte Verwaltungsposten in der Garda gegeben. Der Labour Court stellte außerdem fest, dass es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor ihm im Mai 2007 insgesamt 298 bezeichnete Stellen gegeben habe und dass die Beklagten beabsichtigten, diese Zahl bis auf einen Kern von 219 bezeichneten Stellen abzubauen.

18.

Mit Urteil vom 27. Juli 2007 gab der Labour Court der Berufung des Ministers for Justice, Equality and Law Reform statt. Die Verwendung von Polizisten für Verwaltungstätigkeiten sei entweder dem operativen Bedarf der Polizei oder der Notwendigkeit geschuldet, die Stellenumwandlung auf eine Weise und nach einem Zeitplan durchzuführen, die die Zustimmung der Personalvertretungsgremien der Polizei gewährleisteten. Diesem Ziel entspreche insbesondere, dass die den Verwaltungsstellen zugewiesenen Polizisten wie Angehörige der Garda bezahlt würden. In dem Urteil wird festgestellt, dass angesichts der geringen Zahl von „bezeichneten“ Stellen die Aufrechterhaltung des mit den Personalvertretungsgremien geschlossenen Tarifvertrags bis zum Abschluss der „civilianisation“ im Hinblick auf den operativen Bedarf der Garda verhältnismäßig sei.

19.

Gegen die Entscheidung des Labour Court legten die Klägerinnen Rechtsmittel ein. Sie brachten vor, dass angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden könne, dass die mittelbare Diskriminierung sachlich gerechtfertigt sei, denn der insoweit geltend gemachte operative Bedarf sei nicht für alle bezeichneten Stellen und darüber hinaus nicht für die Stellen der als Vergleichsmaßstab ausgewählten Vergleichspersonen maßgeblich. Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich nicht aus dem Nachweis, dass den Vergleichspersonen ein höheres Entgelt gezahlt werden müsse, sondern dass gerechtfertigt werden müsse, dass den Klägerinnen ein niedrigeres Entgelt gezahlt werde und dieses niedrigere Entgelt die einzige Möglichkeit sei, die Ziele der Beklagten zu erreichen. Das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen könne den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz jedenfalls nicht rechtfertigen.

III – Vorlagefrage

20.

Der High Court hat dem Gerichtshof vor diesem Hintergrund folgende Fragen vorgelegt:

Frage 1

Hat der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts unter Verstoß gegen Art. 141 (jetzt Art. 157 AEUV) und gegen die Richtlinie 75/177 vorliegt, zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung

a)

die Verwendung der Vergleichspersonen auf den mit ihnen besetzten Stellen,

b)

das höhere Entgelt für die Vergleichspersonen oder

c)

das niedrigere Entgelt für die Anspruchsteller

zu rechtfertigen?

Frage 2

Hat der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliegt, zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung Rechtfertigungsgründe hinsichtlich

a)

der von den Anspruchstellern ausgewählten Vergleichspersonen und/oder

b)

der Dienststellen von Vergleichspersonen im Allgemeinen

anzuführen?

Frage 3

Ist, falls Frage 2 Buchst. b zu bejahen ist, die sachliche Rechtfertigung nachgewiesen, auch wenn sie für die ausgewählten Vergleichspersonen keine Geltung besitzt?

Frage 4

Hat der Labour Court gemeinschaftsrechtlich fehlerhaft angenommen, dass das „Interesse an guten Arbeitsbeziehungen“ bei der Prüfung der Frage, ob der Arbeitgeber den Unterschied beim Arbeitsentgelt sachlich rechtfertigen kann, zu berücksichtigen sei?

Frage 5

Kann, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliegt, die sachliche Rechtfertigung unter Berufung auf das Anliegen des Beklagten hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden? Ist ein derartiges Anliegen von irgendeiner Bedeutung bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung?

21.

Der High Court führt aus, dass sich im Ausgangsverfahren wichtige Fragen zum Gemeinschaftsrecht stellten, zu denen der Gerichtshof im Rahmen der auf das Urteil vom 13. Mai 1986, Bilka ( 7 ), zurückgehenden Rechtsprechung noch nicht spezifisch Stellung genommen habe.

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

22.

Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 16. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

23.

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Regierungen Spaniens und Irlands sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

24.

In der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2012 haben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Regierung Irlands und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

V – Vorbringen

25.

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass sie die gleiche Arbeit leisteten wie die Polizisten, denen die „bezeichneten“ oder „reservierten“ Stellen zugewiesen worden seien. Die Beklagten hätten verschiedene der zur Rechtfertigung des Bestehens der „bezeichneten“ Stellen vorgetragenen Gründe nicht nachgewiesen, z. B., dass ihre Inhaber Pläne zur Aufrechterhaltung der Ordnung hätten aufstellen müssen oder dass diese Stellen zur Gewährleistung der Kontinuität des Dienstes oder für Kontakte mit internationalen Organisationen, die nur mit Polizisten zusammenarbeiteten, erforderlich seien. Zudem sei erwiesen, dass einige Polizisten mit Tätigkeiten betraut seien, die keine Ausübung polizeilicher Befugnisse beinhalteten, und ihre Aufgaben in bestimmten Fällen mit den Aufgaben von Zivilbeamten austauschbar seien.

26.

Zur ersten Frage tragen die Kläger vor, dass der Arbeitgeber rechtfertigen müsse, dass er ein geringeres Entgelt zahle und keine anderen Mittel zur Gewährleistung des operativen Bedarfs der Garda zur Verfügung stünden. Zur zweiten und zur dritten Frage führen die Klägerinnen aus, dass sich die Rechtfertigung auf die ausdrücklich von ihnen benannten Vergleichsarbeitnehmer beziehen müsse, denen wie ihnen selbst keine Bürotätigkeiten bei der Garda zugewiesen seien, für die polizeiliche Befugnisse erforderlich seien. Zur vierten und zur fünften Frage führen die Klägerinnen aus, dass das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen keine Rechtfertigung für ein unterschiedliches Arbeitsentgelt sein könne.

27.

Die irische Regierung weist zunächst darauf hin, dass das Ministerium nicht eingeräumt habe, dass die Klägerinnen und die Vergleichspersonen die gleiche Tätigkeit ausgeübt hätten. Zur Rechtfertigung des unterschiedlichen Entgelts bestünden Gründe, die nichts mit dem Geschlecht zu tun hätten. Die Gleichwertigkeit der Arbeit sei jedenfalls nur eine Hypothese, die der Labour Court aus Gründen der Prozessökonomie zugrunde gelegt habe.

28.

Zur ersten Frage führt die Regierung Irlands aus, dass neutrale Vorschriften, Kriterien oder Praktiken, die Frauen diskriminierten, Gegenstand der Rechtfertigung sein müssten, nicht aber ein konkretes Entgelt oder die Beschäftigung besonderer Vergleichspersonen. Im vorliegenden Fall bestehe die streitige Praxis darin, aus dienstlichen Gründen Verwaltungsstellen mit Polizeibeamten zu besetzen und ihnen die ihrem Dienstgrad entsprechenden Bezüge zu zahlen. Zur zweiten Frage trägt die irische Regierung vor, die Rechtfertigung müsse sich auf sämtliche Vergleichsstellen beziehen. Sei die festgestellte Praxis danach gerechtfertigt, reiche der Umstand, dass mehrheitlich Frauen von ihr betroffen seien, für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 157 AEUV nicht aus. In Bezug auf die dritte Frage macht die irische Regierung geltend, der Labour Court sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Rechtfertigung auf sämtliche Verwaltungsstellen beziehen müsse und dass bestimmte Stellen polizeiliche Kenntnisse und Erfahrungen erforderten, dass die Kontinuität des Dienstes sichergestellt sein müsse und dass aus operativen Gründen die Anzahl der „bezeichneten“ Stellen nicht niedriger als 219 sein dürfe. In diesem Kontext könnten arbeitsrechtliche Erwägungen durchaus Berücksichtigung finden, wenngleich der Labour Court solche nur in Bezug auf die geringe Zahl der „bezeichneten“ Stellen, die nicht unbedingt erforderlich seien, angestellt habe. Dieses Kriterium sei daher nicht von allgemeiner Bedeutung gewesen.

29.

Das Königreich Spanien führt zu den ersten drei Fragen aus, die Rechtfertigung müsse sich auf die Unterschiede zwischen dem Entgelt der Klägerinnen und dem der Vergleichspersonen beziehen, während andere Personen, mit denen die „bezeichneten“ Stellen besetzt seien, unberücksichtigt bleiben müssten. Das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen stelle keine ausreichende Rechtfertigung für eine Ausnahme vom Recht auf gleiches Entgelt dar.

30.

Die Kommission vertritt zu den ersten drei Fragen die Auffassung, dass jeder Unterschied hinsichtlich des Entgelts objektiv gerechtfertigt sein müsse. Im vorliegenden Fall müsse dargelegt werden, wie die Stellen den Vergleichspersonen zugewiesen worden seien. Werde nachgewiesen, dass die ausgeübten Tätigkeiten gleich seien – wie es bei den Polizisten, die jahrelang auf einer Verwaltungsstelle eingesetzt worden seien, ohne Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung der Ordnung ausgeübt zu haben, der Fall sei –, könne der Unterschied hinsichtlich des Entgelts kaum gerechtfertigt werden. Jedenfalls müsse sich die Rechtfertigung auf das unterschiedliche Entgelt für eine ähnliche Arbeit und nicht auf eine höhere oder niedrigere Entlohnung der einen oder anderen Gruppe beziehen. Insoweit müsse sie sich auf die Personengruppe beschränken, die eine ähnliche Arbeit ausübe wie die Klägerinnen. Zur vierten und fünften Frage führt die Kommission aus, dass das Bestreben nach sozialem Dialog den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung befreie, bestehende Unterschiede hinsichtlich des Entgelts sachlich zu rechtfertigen, wenn der Anschein einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bestehe.

VI – Würdigung

A – Einleitende Erwägung

31.

Bei der Eingrenzung des Gegenstands dieses Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass das vorlegende Gericht vom Gerichtshof nicht erwartet, dass er dazu Stellung nimmt, ob im Ausgangsverfahren eine Diskriminierung der Klägerinnen aufgrund des Geschlechts besteht. Die Frage, ob sie eine solche Diskriminierung erlitten haben, ist in jedem Fall von den irischen Gerichten zu beantworten.

32.

Der High Court stellt seine Fragen ausdrücklich für den Fall, dass „der Anschein einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliegt“. Die Diskriminierung wird mithin bloß unterstellt, um den Kontext, in dem die Fragen angesiedelt sind, einzugrenzen. Es geht hier also nicht um eine Beurteilung der Gleichheit, sondern um die Beantwortung sehr präziser Fragen, die die Definition der Begriffe betreffen, die eine derartige Beurteilung ermöglichen.

33.

Meiner Ansicht nach lassen sich die fünf Fragen des High Court in drei Gruppen einteilen.

34.

Die erste Gruppe bildet die erste Frage, d. h., ob der Arbeitgeber im vorliegenden Fall rechtfertigen muss, (A) dass bestimmte Stellen mit den von den Klägerinnen als Vergleichspersonen herangezogenen Personen besetzt sind, (B) dass diese Personen mehr verdienen bzw. (C) dass die Klägerinnen weniger verdienen. Jede dieser Alternativen bezieht sich auf eine unterschiedliche Behandlung, die eine Diskriminierung darstellen kann. Die Frage ist letztlich, was gerechtfertigt werden muss: die Besetzung bestimmter Stellen mit bestimmten Personen oder die zwischen verschiedenen Personen festgestellten Unterschiede hinsichtlich des Entgelts.

35.

Unter die zweite Gruppe fallen die zweite und die dritte Frage, mit denen der High Court wissen will, ob die verlangte Rechtfertigung sich (A) auf die spezifisch genannten Vergleichspersonen beziehen muss oder (B) auf sämtliche Stellen, die mit diesen Arbeitnehmern besetzt sind, und in welchem Umfang. Mit diesen Fragen wird letztendlich nach dem subjektiven Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Gleichheit gefragt, die erforderlich ist, um feststellen zu können, ob die von den Klägerinnen gerügte Diskriminierung tatsächlich besteht.

36.

Die vierte und die fünfte Frage bilden schließlich die dritte Gruppe, die die Bedeutung des Interesses an guten Arbeitsbeziehungen als Rechtfertigungsgrund betrifft. Der High Court möchte insoweit wissen, ob die in Rede stehende Ungleichbehandlung durch dieses Interesse sachlich gerechtfertigt sein kann. Der Zweifel des vorlegenden Gerichts richtet sich insoweit nur auf einen sehr konkreten Gesichtspunkt eines der Bestandteile der Beurteilung der Gleichheit: die Rechtfertigung der als diskriminierend gerügten Ungleichbehandlung. Keinesfalls wird um eine Antwort zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung oder zur konkreten Bedeutung des geltend gemachten Interesses als Rechtfertigungsgrund ersucht. Der High Court möchte lediglich wissen, ob und inwieweit zu den von ihm anzuwendenden Kriterien für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung des Unterschieds hinsichtlich des Entgelts das Interesse an der Aufrechterhaltung von guten Arbeitsbeziehungen zählt.

37.

Vor diesem Hintergrund beschränkt sich meiner Ansicht nach der Gegenstand dieses Verfahrens auf drei Aspekte, die die eigentliche Struktur der Beurteilung der Gleichheit bilden: (A) die Ungleichbehandlung, die eine Rechtfertigung verlangt, (B) das tertium comparationis, aus dessen Gegenüberstellung sich die Ungleichbehandlung ergibt, und (C) die Bedeutung der Kriterien, auf die die vermeintlich diskriminierende Ungleichbehandlung gestützt wurde, als Rechtfertigungsgrund ( 8 ).

B – Die Ungleichbehandlung

38.

Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die Polizisten, mit denen die sogenannten „bezeichneten“ oder „reservierten“ Stellen besetzt sind, wegen ihrer Zugehörigkeit zur Garda ein höheres Arbeitsentgelt beziehen als die Klägerinnen. Das höhere Entgelt knüpft folglich nicht an eine „bezeichnete oder reservierte“ Stelle an, bei der es sich tatsächlich um eine Verwaltungsstelle handelt, die denjenigen entspricht, die mit den Klägerinnen besetzt sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass bestimmte Verwaltungsstellen nur mit Polizeibeamten besetzt werden können, weil sie die Ausübung typisch polizeilicher Befugnisse mit sich bringen. Doch sogar diese vielleicht als „Verwaltungsstellen mit polizeilicher Dimension“ zu bezeichnenden Stellen implizieren an und für sich kein höheres Entgelt. Vielmehr beruht auch in diesen Fällen das höhere Entgelt darauf, dass der Beamte, mit dem die Stelle besetzt ist, Polizist ist.

39.

Ich bin daher der Ansicht, dass es keinen großen Sinn hätte, die Besetzung von Stellen zu rechtfertigen, die als solche keine Unterschiede hinsichtlich des Entgelts zur Folge haben.

40.

Gerechtfertigt werden muss jedoch – unabhängig von dem Fall, den ich als „Verwaltungsstellen mit polizeilicher Dimension“ bezeichnet habe –, dass es in der Garda eine Reihe von Verwaltungsstellen gibt, die ausgehend von der Annahme, dass sie eine grundsätzlich nicht unterscheidbare Tätigkeit betreffen, nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Kategorie der Personen, mit denen sie besetzt sind, unterschiedlich vergütet werden, und dies darüber hinaus in der Praxis zu einer Unterscheidung führt, die vornehmlich Frauen benachteiligt, wodurch es zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts kommt.

41.

Infolgedessen betrifft die Rechtfertigung ausschließlich den Unterschied hinsichtlich des Entgelts. Ob die Prüfung dieses Unterschieds aus der Perspektive der höheren oder der niedrigeren Vergütung erfolgt, ist aus meiner Sicht irrelevant. Bedeutsam ist der Unterschied als solcher. Ist ein Unterschied und gegebenenfalls nach der entsprechenden Prüfung hinsichtlich der Gleichheit dessen diskriminierender Charakter festgestellt worden, ist dazu Stellung zu nehmen, wie der Diskriminierung abzuhelfen ist. Dazu ist zu prüfen, ob der Unterschied durch die Angleichung der Entgelte im einen oder anderen Sinne zu korrigieren ist, d. h., indem das Entgelt derjenigen, die ein niedrigeres Entgelt erhalten, erhöht, oder das Entgelt der besser bezahlten Beamten herabgesetzt wird oder das Entgelt beider Gruppen auf mittlerem Niveau ausgeglichen wird. Ebenso wird auch auf andere Punkte der Wiederherstellung der Gleichheit einzugehen sein, wie insbesondere den zeitlichen Rahmen für ihre Einführung. Jedenfalls handelt es sich hierbei nicht um den Abschnitt der Beurteilung der Gleichheit, in dem sich das Ausgangsverfahren befindet, und noch weniger um den Abschnitt, der den Gegenstand des Verfahrens beim Gerichtshof bildet.

42.

Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage dahin zu beantworten, dass der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, ein unterschiedliches Entgelt für die jeweilige Gruppe mit ihrer bereits festgestellten unterschiedlichen geschlechtlichen Zusammensetzung rechtfertigen muss, ohne dass festgestellt zu werden braucht, dass die Regelwidrigkeit durch das betragsmäßig höhere oder niedrigere Entgelt bedingt ist. Entscheidend ist insoweit der Unterschied zwischen beiden.

C – Die Identifizierung des tertium comparationis

43.

Die zweite und die dritte Frage betreffen den Vergleichsmaßstab, den das vorlegende Gericht bei der Feststellung, ob die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens diskriminiert werden, anlegen muss.

44.

Es versteht sich aus meiner Sicht fast von selbst, dass die Gleichheit definitionsgemäß ein relativer oder relationaler Grundsatz ist. Das Recht auf Gleichbehandlung ist nichts anderes als das Recht, genauso behandelt zu werden wie jemand, der sich in einer vergleichbaren rechtlichen Situation befindet. Es handelt sich mithin um ein Recht, das immer den Vergleich zwischen mindestens zwei Subjekten, Objekten, Umständen oder Situationen voraussetzt.

45.

Die Rüge einer Ungleichbehandlung impliziert mithin immer den Vergleich mit einem Dritten, der anders behandelt wird, obwohl er sich in einer Situation befindet, die der Person, die die Rüge erhebt, vergleichbar ist. Die Berufung auf ein tertium comparationis zum Nachweis des beanstandeten Unterschieds stellt mithin das entscheidende Element des eigentlichen Nachweises dieses Unterschieds dar. Ist der Unterschied Ergebnis des Vergleichs, hängt sein tatsächliches Vorliegen von der zutreffenden Bestimmung der miteinander verglichenen Begriffe ab.

46.

Wir bewegen uns damit auf einem Gebiet, das dem der Beweislast in Bezug auf die Gleichheit sehr nahekommt. Das Beibringen eines für die Feststellung eines Unterschieds geeigneten Vergleichsmaßstabs ist an sich nicht der Nachweis einer Diskriminierung. Vielmehr stellt er die Voraussetzung für diesen Nachweis dar, denn wenn die Diskriminierung jede Ungleichbehandlung ist, die einer vernünftigen Rechtfertigung entbehrt, ist das tertium comparationis der Vergleichsmaßstab, durch den der Unterschied ersichtlich wird, der einer Rechtfertigung bedarf.

47.

Die Beweislast für das Vorliegen eines Unterschieds trifft denjenigen, der sich auf den ungerechtfertigten und diskriminierenden Charakter des in Rede stehenden Unterschieds beruft. Insoweit sind daher die vom Gerichtshof aufgestellten Regeln für die Beweislast in Bezug auf die Ungleichbehandlung anzuwenden. An dieser Stelle reicht der Hinweis darauf, dass, mit den Worten in dem Urteil vom 26. Juni 2001, Brunnhofer ( 9 ), „grundsätzlich … derjenige, der sich zur Stützung eines Anspruchs auf Tatsachen beruft, diese zu beweisen [hat]. Die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts trifft daher grundsätzlich den Arbeitnehmer, der sich diskriminiert glaubt, und deshalb gegen seinen Arbeitgeber Klage auf Beseitigung dieser Diskriminierung erhebt (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-127/92, Enderby, Slg. 1993, I-5535, Randnr. 13)“.

48.

Folglich obliegt in erster Linie den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens der Nachweis einer Ungleichbehandlung. Hierzu müssen sie einen treffenden Vergleichsmaßstab beibringen, durch den deutlich wird, dass eine Personengruppe existiert, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet, aber hinsichtlich des Arbeitsentgelts anders behandelt wird.

49.

Ist der Unterschied nachgewiesen, muss bewiesen werden, ob er diskriminierend, d. h. ungerechtfertigt ist. Was aber die Bestimmung des tertium comparationis anbelangt, erfolgt die Beurteilung der Gleichheit noch bei der Feststellung des Unterschieds.

50.

Vor dem Hintergrund des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens besteht die Frage meines Erachtens weniger darin, ob die von den Klägerinnen spezifisch benannten Vergleichsarbeitnehmer oder die Gesamtheit der Stellen, die mit diesen Arbeitnehmern besetzt sind, den entscheidenden Vergleichsmaßstab darstellen – und im letztgenannten Fall, welche Folgen es hat, wenn die mögliche Rechtfertigung des Unterschieds bei diesen Stellen nicht auch die von den Klägerinnen bezeichneten Arbeitnehmer umfasst. Entscheidend ist meiner Ansicht nach eher, ob die Klägerinnen eine repräsentative Zahl von Arbeitnehmern nachweisen konnten, die ein höheres Entgelt beziehen, obwohl sie eine Arbeit verrichten, die mit ihrer vergleichbar ist.

51.

Zu diesem Ergebnis gelangte der Gerichtshof in der Rechtssache Brunnhofer, als er feststellte, dass dem Arbeitgeber der Nachweis obliegt, dass seine Lohnpolitik nicht diskriminierend ist, „sofern eine Arbeitnehmerin auf der Grundlage einer relativen großen Zahl von Arbeitnehmern belegt, dass das durchschnittliche Entgelt der Frauen niedriger als das der Männer ist (Urteil vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 109/88, Danfoss, Slg. 1989, 3199, Randnr. 16)“ ( 10 ).

52.

Letztendlich ist daher entscheidend, ob es den Klägerinnen gelungen ist, einen Vergleichsmaßstab anzuführen, der für den Nachweis „einer relativ großen Zahl von Arbeitnehmern“, die ein höheres Entgelt erhalten, obwohl sie die gleichen Aufgaben erfüllen, geeignet ist.

53.

Von hier an handelt es sich um ein Problem der Würdigung der im Verfahren vorgelegten Beweise und folglich um eine Frage, die von den nationalen Gerichten zu beantworten ist. In diesem Sinne ist im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Beweiswert der in einem Verfahren vorgelegten statistischen Nachweise für das Bestehen einer mittelbaren Diskriminierung heranzuziehen. Der Gerichtshof hat im Urteil Enderby ( 11 ), festgestellt, dass es „Sache des nationalen Gerichts [ist], zu beurteilen, ob es diese statistischen Angaben berücksichtigen kann, d. h. ob sie sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie generell gesehen als aussagekräftig erscheinen“.

54.

In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geht, müssen die Klägerinnen ausreichende Anhaltspunkte dafür beibringen, dass ein Unterschied besteht, der vermutlich tatsächlich zulasten der Frauen geht. Sie müssen folglich nachweisen, dass eine „relativ große“ bzw. „ausreichende“ Zahl von männlichen Arbeitnehmern eine vergleichbare Tätigkeit verrichtet, aber ein höheres Entgelt bezieht als sie selbst und – allgemein – eine Personengruppe, die mehrheitlich aus Arbeitnehmerinnen besteht. Dies muss auf eine Art und Weise erfolgen, die die Feststellung ermöglicht, dass es sich nicht um eine „zufällige“ oder „konjunkturelle“ Erscheinung handelt, sondern eher um eine strukturelle oder um eine solche, die für eine ihrem Wesen nach diskriminierende Entgeltregelung charakteristisch ist.

55.

Ob die Feststellung, dass der beanstandete Unterschied vorliegt, anhand des Vergleichs zwischen der Situation der Klägerinnen und der der von ihnen konkret bezeichneten Arbeitnehmer oder aber zwischen ihrer Situation und der derjenigen Personen, die die Gesamtheit der sogenannten „bezeichneten“ oder „reservierten“ Stellen besetzen, zu treffen ist, ist natürlich Sache der nationalen Gerichte. Entscheidend ist meiner Ansicht nach, dass das nationale Gericht aufgrund der Angaben der Klägerinnen in der Lage ist (gemäß den Vorschriften über die Beweiserhebung und -würdigung des innerstaatlichen Prozessrechts), festzustellen, ob der geltend gemachte Unterschied tatsächlich besteht, da eine zweifellos repräsentative Zahl von Arbeitnehmern ein höheres Entgelt bezieht, obwohl sie dieselbe Tätigkeit verrichten wie die Klägerinnen.

56.

Folglich schlage ich dem Gerichtshof zweitens vor, die zweite und die dritte Frage dahin zu beantworten, dass der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts besteht, eine Rechtfertigung beibringen muss, die sich auf eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern bezieht, die dieselbe Arbeit verrichten wie die Klägerinnen.

D – Einige Erwägungen zur Rechtfertigung der Unterschiede, die im Rahmen der Umstrukturierung der Arbeitsbedingungen entstanden sind

57.

Mit der vierten und fünften Frage möchte der High Court wissen, ob das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen den untersuchten Unterschied hinsichtlich des Entgelts sachlich rechtfertigen kann. Wie ich bereits ausgeführt habe, bittet das vorlegende Gericht nicht um eine Stellungnahme zur konkreten Bedeutung des geltend gemachten Interesses als Rechtfertigungsgrund. Es fragt nur, ob und in welchem Umfang das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen unter die Kriterien fallen kann, die für die Feststellung der sachlichen Rechtfertigung des Unterschieds hinsichtlich des Entgelts von Bedeutung sind.

58.

Vor der Prüfung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass meiner Ansicht nach der Vergleich des Wortlauts beider Fragen verblüfft. Bei der ersten Frage geht es darum, ob der Labour Court „gemeinschaftsrechtlich fehlerhaft angenommen [hat], dass das ‚Interesse an guten Arbeitsbeziehungen‘ bei der Prüfung der Frage, ob der Arbeitgeber den Entgeltunterschied sachlich rechtfertigen kann, zu berücksichtigen sei“, während die zweite Frage dahin geht, ob im vorliegenden Fall, „die sachliche Rechtfertigung unter Berufung auf das Anliegen des Beklagten hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden [kann]“, ergänzt um die Frage, ob dieses Anliegen „von irgendeiner Bedeutung bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung“ ist.

59.

Ich räume ein, dass ich gewisse Schwierigkeiten habe, den graduellen Unterschied des Sinns beider Fragen zu erfassen. Ich meine, dass in Wirklichkeit eine einzige Frage zur Bedeutung des Interesses an guten Arbeitsbeziehungen als Rechtfertigungsgrund gestellt wird, und sich die beiden Fragen jeweils auf den möglichen Grad oder die Qualität der Rechtfertigungskraft dieses Interesses beziehen. Wird also gefragt, ob dieses Interesse bei der Prüfung, ob der Unterschied hinsichtlich des Entgelts sachlich gerechtfertigt ist, „zu berücksichtigen sei“, möchte der High Court wissen, ob dieses Kriterium schlicht und einfach berücksichtigt werden kann. Wird dagegen gefragt, ob die sachliche Rechtfertigung „unter Berufung auf das Anliegen des Beklagten hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden“ kann, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieses Interesse nicht nur u. a. als ein Rechtfertigungsgrund berücksichtigt, sondern darüber hinaus die Grundlage („unter Berufung auf“) der Rechtfertigung selbst sein kann.

60.

Ich schicke bereits vorweg, dass ich die zweite Möglichkeit ausschließe.

61.

Bei der Darstellung der Gründe für meine Entscheidung ist zunächst auf den Kontext einzugehen, in dem die Aufrechterhaltung guter Arbeitsbeziehungen zu einem relevanten Interesse wurde.

62.

Zu dem von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gerügten Unterschied hinsichtlich des Entgelts ist es offensichtlich durch eine Umstrukturierung der Garda gekommen, in deren Rahmen bestimmte Verwaltungsstellen, die traditionell mit Polizisten besetzt wurden, mit Zivilbeamten besetzt wurden. Der Unterschied hinsichtlich des Entgelts geht auf die Tatsache zurück, dass Letztere nach Maßgabe ihres Status als Zivilbeamte entlohnt werden, während Erstere weiterhin als Polizisten bezahlt werden, so dass der Unterschied nicht an die Stelle anknüpft, sondern an den Status des Beamten, mit dem sie besetzt ist.

63.

Die Polizeibehörde führt zur sachlichen Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung an, die Entgeltregelung für die Polizisten habe aufrechterhalten werden müssen, damit diejenigen, die Verwaltungstätigkeiten verrichteten, nicht gegenüber den übrigen Polizisten benachteiligt würden. Tatsächlich war die insoweit mit den Vertretungsgremien der Polizisten getroffene Vereinbarung für den Erfolg der Umstrukturierung der Garda offenbar entscheidend.

64.

In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Prigge ( 12 ) habe ich ausgeführt, dass „die Tarifautonomie angemessenen unionsrechtlichen Schutz“ verdient. Die Angemessenheit dieses Schutzes muss ganz offenkundig die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes umfassen. Dieser Grundsatz ist nicht nur in Titel III der Charta der Grundrechte der Union in seiner Ausgestaltung als Recht, nicht aufgrund des Geschlechts beim Entgelt benachteiligt zu werden, verankert, sondern auch in Art. 157 AEUV als einer der Grundsätze niedergelegt, der „zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehört“ ( 13 ).

65.

In der Rechtssache Prigge habe ich daran erinnert, dass „es eine reichhaltige Rechtsprechung [gibt,] nach der Tarifverträge nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des Vertrags über die Grundfreiheiten ausgenommen sind“, und insbesondere, dass „das Verbot der Diskriminierung zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern hinsichtlich des Arbeitsentgelts nach den Verträgen (Art. 119 EG danach Art. 141 EG, jetzt Art. 157 AEUV) und dem Sekundärrecht als zwingende Regel auch für Tarifverträge gilt“ ( 14 ).

66.

Demnach ist es meiner Ansicht nach ausgeschlossen, dass die im Rahmen der Verhandlungen mit den Vertretern der Polizisten getroffenen Vereinbarungen ein ausreichender Grund für die sachliche Rechtfertigung eines Unterschieds wie des im Ausgangsverfahren untersuchten sein können.

67.

Gewiss wird nicht konkret gefragt, ob die mit den Vertretern der Polizisten getroffene Vereinbarung diese Wirkung haben kann. Es ist aber klar, dass im Rahmen der Frage die Beachtung der Vereinbarung eine notwendige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung guter Beziehungen ist, die Gegenstand des Interesses ist, das den untersuchten Unterschied möglicherweise rechtfertigen kann.

68.

Meiner Ansicht nach kann dieses Interesse, das grundsätzlich völlig legitim ist, für sich allein keine ausreichende Grundlage für die Rechtfertigung eines geschlechtsbezogenen Unterschieds hinsichtlich des Entgelts darstellen ( 15 ).

69.

Damit ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Interesse gemeinsam mit anderen Kriterien einen zulässigen Rechtfertigungsgrund bilden kann. Die Feststellung, ob im vorliegenden Fall in dieser Weise Rechtfertigungsgründe zusammentreffen, wird vom nationalen Gericht zu treffen sein. Ihm obliegt auch die Abwägung des relativen Gewichts, das insoweit dem konkreten Interesse, mit dem wir hier befasst sind, zukommen kann.

70.

Der Gerichtshof sollte aber nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass sich im vorliegenden Fall dieses relative Gewicht nach der Länge der Zeit richtet, die für die administrative Umstrukturierung aufgewendet wurde, in deren Verlauf der streitige Unterschied hinsichtlich des Entgelts entstanden ist und aufrechterhalten wurde.

71.

Ich möchte damit sagen, dass das Interesse an der Aufrechterhaltung guter Arbeitsbeziehungen nicht gleich bewertet werden kann, wenn die Umstrukturierung, durch die die Beziehungen Schaden nehmen können, wegen ihrer unmittelbaren Ausführung und Durchschlagskraft die Rechte oder Erwartungen der Betroffenen stärker beeinträchtigt als bei einer zeitlichen Streckung des Umstrukturierungsprozesses, wodurch dessen Folgen aufgrund einer vorhersehbaren, schrittweisen und planmäßigen Ausführung gemildert werden können.

72.

Es ist Sache der irischen Gerichte, die Bedeutung dieses Interesses im Zusammenhang mit einem Umstrukturierungsprozess abzuwägen, der im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts eingeleitet wurde und heute die Ergebnisse zeigt, die die Parteien im Verfahren beschrieben haben.

73.

Daher schlage ich dem Gerichtshof an dritter und letzter Stelle vor, die vierte und die fünfte Frage dahin zu beantworten, dass, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, die sachliche Rechtfertigung nicht allein unter Berufung auf das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden kann. Dieses Interesse kann jedoch bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung im Zusammenhang mit dem Kontext, in dem es geltend gemacht wird, von gewisser Bedeutung sein.

VII – Ergebnis

74.

Es wird daher vorgeschlagen, die vom High Court vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1.

Der Arbeitgeber muss, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts unter Verstoß gegen Art. 141 EG (jetzt Art. 157 AEUV) und gegen die Richtlinie 75/177/EWG des Rates vorliegt, zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung den Unterschied hinsichtlich des Entgelts rechtfertigen.

2.

Der Arbeitgeber muss, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, eine Rechtfertigung beibringen, die sich auf eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern bezieht, die dieselbe Tätigkeit verrichten wie die Klägerinnen.

3.

Wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, kann die sachliche Rechtfertigung nicht allein unter Berufung auf das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden. Dieses Interesse kann jedoch bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung im Zusammenhang mit dem Kontext, in dem es geltend gemacht wird, von gewisser Bedeutung sein.


( 1 ) Originalsprache: Spanisch.

( 2 ) Eine noch aktuelle Aufzählung insoweit relevanter Entscheidungen enthält das Urteil vom 3. Oktober 2006, Cadman (C-17/05, Slg. 2006, I-9583).

( 3 ) Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19).

( 4 ) ABl. L 204, S. 23.

( 5 ) Diese Definition liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Gerichtshofs und stimmt auch mit der in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (ABl. L 14, S. 6), und in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbeziehungen (ABl. L 269, S. 15), überein.

( 6 ) Mit dem Employment Equality Act 1998 wurden ältere gesetzliche Vorschriften aufgehoben und ersetzt, mit denen u. a. die Richtlinie 75/117 in das irische Recht umgesetzt worden war. Mit dem Employment Equality Act 2004 wurde das Gesetz von 1998 geändert, um bestimmte Gleichbehandlungsrichtlinien in das irische Recht umzusetzen.

( 7 ) Rechtssache 170/84, Slg. 1982, 1607.

( 8 ) Zur typischen Struktur einer Beurteilung der Gleichheit vgl. statt vieler, Alexy, R., „Das allgemeine Gleichheitsrecht“, in Theorie der Grundrechte, Frankfurt am Main, 5. Aufl., 2006, S. 357 bis 393, und Sachs, M., „Zur dogmatischen Struktur der Gleichheitsrechte als Abwehrrechte“, in DÖV, 1984, S. 411 bis 419.

( 9 ) Rechtssache C-381/99 (Slg. 1999, I-4961, Randnr. 52).

( 10 ) Urteil Brunnhofer, Randnr. 54.

( 11 ) Oben in Nr. 47 angeführt, Randnr. 17.

( 12 ) Vom 19. Mai 2011 (C-447/09, Urteil vom 13. September 2011, Slg. 2011, I-8003, Nr. 46).

( 13 ) Urteil Cadman, Randnr. 28. Art. 157 AEUV wurde definiert als „zentrale Bestimmung über die Gleichbehandlung im Arbeitsrecht“ (Krebber, S., „Art. 157, Rn. 1“, in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar, München, 4. Aufl., 2011.

( 14 ) Nr. 45. Unter Anführung der Urteile vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, Slg. 1976, 455, Randnr. 39), vom 8. November 1983, Kommission/Vereinigtes Königreich (165/82, Slg. 1983, 3431, Randnr. 11), vom 27. Juni 1990, Kowalska (C-33/89, Slg. 1990, I-2591, Randnr. 12), vom 7. Februar 1991, Nimz (C-184/89, Slg. 1991, I-297, Randnr. 11), vom 21. Oktober 1999, Lewen (C-333/97, Slg. 1999, I-7243, Randnr. 26), vom 18. November 2004, Sass (C-284/02, Slg. 2004, I-11143, Randnr. 25), und vom 9. Dezember 2004, Hlozek (C-19/02, Slg. 2004, I-11491, Randnr. 43).

( 15 ) Zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung allgemein Hervey, T. K., „EC law on justifications for sex discrimination in working life“, in Collective bargaining, discrimination, social security and European integration, Bulletin of comparative labour relations, 48, 2003, S. 103 bis 152.

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Schlußanträge des Generalanwalts

Schlußanträge des Generalanwalts

1. Der High Court der Republik Irland stellt eine Reihe von Fragen, die die Rechtfertigungspflicht des Arbeitgebers betreffen, „wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts … vorliegt“. Der High Court fragt zudem, ob und inwieweit das „Interesse an guten Arbeitsbeziehungen“ u. a. ein legitimes Kriterium der Rechtfertigung sein kann.

2. Vor diesem Hintergrund gibt die Vorlagefrage dem Gerichtshof Gelegenheit, erneut zu sehr konkreten Aspekten seiner Rechtsprechung zur mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts Stellung zu nehmen(2) . Dabei geht es zum einen um die Probleme der Abgrenzung der Referenzbegriffe, auf deren Grundlage die Gleichheit (tertium comparationis) zu beurteilen ist, und zum anderen um die Abwägung der jeweiligen Rechte und Interessen, die sich insbesondere bei der Umstrukturierung der Verwaltung gegenüberstehen, die eine Neuzuweisung der Aufgaben in Arbeitsbereichen mit sich bringt, die immer noch durch die vorherrschende Stellung eines der beiden Geschlechter gekennzeichnet sind.

I – Rechtlicher Rahmen

A – Unionsrecht

3. Art. 1 der Richtlinie 75/117/EWG(3) lautet:

„Der in Artikel 119 des Vertrages genannte Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen, im Folgenden als ‚Grundsatz des gleichen Entgelts‘ bezeichnet, bedeutet bei gleicher Arbeit oder bei einer Arbeit, die als gleichwertig anerkannt wird, die Beseitigung jeder Diskriminierung auf Grund des Geschlechts in Bezug auf sämtliche Entgeltsbestandteile und -bedingungen.

Insbesondere muss dann, wenn zur Festlegung des Entgelts ein System beruflicher Einstufung verwendet wird, dieses System auf für männliche und weibliche Arbeitnehmer gemeinsamen Kriterien beruhen und so beschaffen sein, dass Diskriminierungen auf Grund des Geschlechts ausgeschlossen werden.“

4. Art. 3 der Richtlinie 75/117 sieht vor:

„Die Mitgliedstaaten beseitigen alle mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbaren Diskriminierungen zwischen Männern und Frauen, die sich aus ihren Rechts- oder Verwaltungsvorschriften ergeben.“

5. In Art. 4 dieser Richtlinie heißt es:

„Die Mitgliedstaaten treffen die notwendigen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass mit dem Grundsatz des gleichen Entgelts unvereinbare Bestimmungen in Tarifverträgen, Lohn- und Gehaltstabellen oder -vereinbarungen oder Einzelarbeitsverträgen nichtig sind oder für nichtig erklärt werden können.“

6. Art. 6 der Richtlinie hat folgenden Wortlaut:

„Die Mitgliedstaaten treffen nach Maßgabe ihrer innerstaatlichen Verhältnisse und ihrer Rechtssysteme die Maßnahmen, die erforderlich sind, um die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts zu gewährleisten. Sie vergewissern sich, dass wirksame Mittel vorhanden sind, um für die Einhaltung dieses Grundsatzes Sorge zu tragen.“

7. Die Richtlinie 75/117 wurde durch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen(4) mit Wirkung vom 15. August 2009 aufgehoben. Sämtliche Verweisungen in anderen Bestimmungen auf die alte Richtlinie gelten als Verweisungen auf die neue Richtlinie (Art. 34).

8. Gemäß Art. 2 Abs. 1 Buchst. b der Richtlinie 2006/54 gilt als mittelbare Diskriminierung im Sinne der Richtlinie „eine Situation, in der dem Anschein nach neutrale Vorschriften, Kriterien oder Verfahren Personen des einen Geschlechts in besonderer Weise gegenüber Personen des anderen Geschlechts benachteiligen können, es sei denn, die betreffenden Vorschriften, Kriterien oder Verfahren sind durch ein rechtmäßiges Ziel sachlich gerechtfertigt und die Mittel sind zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich“(5) .

B – Nationales Recht

9. Nach den Employment Equality Acts (Gesetze zur Regelung der Gleichheit am Arbeitsplatz) 1998–2004 ist die Diskriminierung am Arbeitsplatz aufgrund des Geschlechts verboten(6) . Part III des Gesetzes von 1998 betrifft die Gleichbehandlung von Mann und Frau. Section 18 (1)(a) in ihrer geänderten Fassung sieht vor:

„Vorbehaltlich des Buchst. b stehen in diesem Part III ‚A‘ und ‚B‘ für zwei Personen verschiedenen Geschlechts, so dass, wenn A eine Frau ist, B ein Mann ist und umgekehrt.“

10. Section 19 (1), (4) und (5) bestimmt:

„(1) Ein Vertrag, aufgrund dessen A beschäftigt wird, hat vorbehaltlich der Bestimmungen dieses Gesetzes die Klausel zu enthalten, dass A für die Arbeit, für die A beschäftigt wird, jederzeit einen Anspruch auf dasselbe Entgelt hat wie B, der bei demselben oder einem mit ihm verbundenen Arbeitgeber zu dieser oder einer anderen maßgebenden Zeit beschäftigt wird, um gleiche Arbeit zu verrichten.

(4) (a) Mittelbare Diskriminierung liegt vor, wenn eine dem Anschein nach neutrale Vorschrift Personen des einen Geschlechts (sei es A oder B) gegenüber anderen Beschäftigten ihres Arbeitgebers hinsichtlich des Entgelts in besonderer Weise benachteiligt.

(b) Soweit der Tatbestand des Buchst. a gegeben ist, wird bei den dort genannten Personen für die Zwecke des Abs. 1 davon ausgegangen, dass sie unter die fragliche Vorschrift fallen oder nicht fallen, je nachdem, woraus sich ein höherer Entgeltanspruch ergibt, es sei denn, die Vorschrift ist sachlich durch ein rechtmäßiges Ziel gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels sind angemessen und erforderlich.

(c) In jedem Verfahren sind statistische Unterlagen zulässig, um zu bestimmen, ob der vorliegende Absatz auf A oder B Anwendung findet.

(5) Vorbehaltlich des Abs. 4 enthält Part III keine Bestimmung, die es einem Arbeitgeber untersagt, Arbeitnehmern unterschiedliche Entgelte aus anderen als auf das Geschlecht bezogenen Gründen zu zahlen.“

II – Sachverhalt

11. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind Beamtinnen, die beim Department of Justice, Equality and Law Reform beschäftigt und mit Verwaltungstätigkeiten in der An Garda Síochána (irische Landespolizei; im Folgenden: Garda) betraut waren. Mit diesen Verwaltungstätigkeiten werden auch Beamte der Garda („Vergleichspersonen“) betraut. Es gibt in der Garda bestimmte Verwaltungsstellen, die diesen Polizisten vorbehalten sind und die als „bezeichnete“ oder „reservierte“ Stellen bezeichnet werden. Die jeweiligen Bezüge hängen von der Laufbahngruppe ab, der die Beamten angehören.

12. Die Gewerkschaft, der die Klägerinnen angehören, machte mehrere Ansprüche unter den Employment Equality Acts 1998–2004 beim Equality Tribunal geltend, das den Ansprüchen mit Entscheidung vom 22. November 2005 für sieben der 14 Klägerinnen stattgab.

13. Diese Entscheidung griffen beide Parteien vor dem Labour Court an. Die Berufungsbeklagten trugen in erster Linie vor, (A) dass die Ansprüche eine unmittelbare Diskriminierung beträfen, (B) dass die Berufungsklägerinnen nach ihrer Einstufung als Verwaltungsbeamte bezahlt würden, während die Vergleichspersonen nach ihrem Dienstgrad als Angehörige der Garda bezahlt würden, und (C) dass die unterschiedliche Höhe der Entgelte in Übereinstimmung mit Section 19 (5) des Gesetzes von 1998 aus anderen als auf das Geschlecht bezogenen Gründen gezahlt werde. Sollte der Sachverhalt als mittelbare Diskriminierung zu bewerten sein, sei der Unterschied hinsichtlich des Entgelts gemäß Section 19 (4) des Gesetzes von 1998 jedenfalls sachlich gerechtfertigt. Die Berufungsklägerinnen vertraten die Ansicht, dass der Sachverhalt im Wesentlichen eine mittelbare Diskriminierung betreffe, für die es keine sachliche Rechtfertigung gebe.

14. Der Labour Court stellte fest, dass die Ansprüche der 14 Klägerinnen zutreffend auf eine mittelbare Diskriminierung gestützt worden seien und dass im Hinblick auf die Anteile von Männern und Frauen in den jeweiligen Beschäftigungsgruppen der Anschein einer mittelbaren Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliege. Im Einvernehmen mit beiden Parteien beschloss der Labour Court, die Frage der sachlichen Rechtfertigung vorab zu klären. Demgemäß hat er, ohne in der Sache so zu entscheiden, für das weitere Verfahren unterstellt, dass die Klägerinnen und die von ihnen ausgewählten Vergleichspersonen mit gleicher Arbeit im Sinne der Section 7 (1) des Gesetzes von 1998 beschäftigt waren. Diese Annahme bezog sich lediglich auf die Klägerinnen und die ausgewählten Vergleichspersonen.

15. Auf dieser Grundlage forderte der Labour Court die Berufungsbeklagten auf, die sachliche Rechtfertigung darzutun. Diese führten aus, dass die Verwendung von Angehörigen der Garda auf den diesen vorbehaltenen Stellen sachlich gerechtfertigt sei, um dem operativen Bedarf der Garda zu entsprechen, und dass es im Hinblick auf diesen operativen Bedarf angemessen und erforderlich sei, den Polizeibeamten, die mit dieser Arbeit betraut seien, die ihrem Dienstgrad entsprechenden Bezüge zu zahlen.

16. Die Beklagten trugen zudem vor, dass die Zahl der bezeichneten Stellen durch Tarifvertrag zwischen der Polizeiführung und den Personalvertretungsgremien der Garda festgesetzt worden sei und dass der Beklagte zu 3 das Ziel verfolge, die Zahl der mit Polizisten besetzten bezeichneten Verwaltungsstellen in Abstimmung mit den Personalvertretungsgremien der Garda abzubauen. Dieser Stellenabbau werde „civilianisation“ (Umwandlung in Zivilbeamtenstellen) genannt. Die Beklagten räumten ein, dass es bei einigen wenigen mit Polizisten besetzten Stellen keinen echten operativen Bedarf für die Besetzung mit ausgebildeten Polizisten gebe; diese Stellen seien aber nicht repräsentativ für die Dienststellen im Allgemeinen, die mit Polizisten besetzt seien und polizeiliche Kenntnisse und Erfahrungen erforderten.

17. Zum Sachverhalt stellte der Labour Court fest, dass es bei der erstmaligen Geltendmachung der Ansprüche im Juli 2000 insgesamt 353 bezeichnete und mit Polizisten besetzte Stellen gegeben habe, von denen 279 Stellen mit männlichen und 74 mit weiblichen Polizisten besetzt gewesen seien; gleichzeitig habe es 761 vorwiegend mit weiblichen Verwaltungsbeamten besetzte Verwaltungsposten in der Garda gegeben. Der Labour Court stellte außerdem fest, dass es im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor ihm im Mai 2007 insgesamt 298 bezeichnete Stellen gegeben habe und dass die Beklagten beabsichtigten, diese Zahl bis auf einen Kern von 219 bezeichneten Stellen abzubauen.

18. Mit Urteil vom 27. Juli 2007 gab der Labour Court der Berufung des Ministers for Justice, Equality and Law Reform statt. Die Verwendung von Polizisten für Verwaltungstätigkeiten sei entweder dem operativen Bedarf der Polizei oder der Notwendigkeit geschuldet, die Stellenumwandlung auf eine Weise und nach einem Zeitplan durchzuführen, die die Zustimmung der Personalvertretungsgremien der Polizei gewährleisteten. Diesem Ziel entspreche insbesondere, dass die den Verwaltungsstellen zugewiesenen Polizisten wie Angehörige der Garda bezahlt würden. In dem Urteil wird festgestellt, dass angesichts der geringen Zahl von „bezeichneten“ Stellen die Aufrechterhaltung des mit den Personalvertretungsgremien geschlossenen Tarifvertrags bis zum Abschluss der „civilianisation“ im Hinblick auf den operativen Bedarf der Garda verhältnismäßig sei.

19. Gegen die Entscheidung des Labour Court legten die Klägerinnen Rechtsmittel ein. Sie brachten vor, dass angesichts des Ergebnisses der Beweisaufnahme nicht davon ausgegangen werden könne, dass die mittelbare Diskriminierung sachlich gerechtfertigt sei, denn der insoweit geltend gemachte operative Bedarf sei nicht für alle bezeichneten Stellen und darüber hinaus nicht für die Stellen der als Vergleichsmaßstab ausgewählten Vergleichspersonen maßgeblich. Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich nicht aus dem Nachweis, dass den Vergleichspersonen ein höheres Entgelt gezahlt werden müsse, sondern dass gerechtfertigt werden müsse, dass den Klägerinnen ein niedrigeres Entgelt gezahlt werde und dieses niedrigere Entgelt die einzige Möglichkeit sei, die Ziele der Beklagten zu erreichen. Das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen könne den Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz jedenfalls nicht rechtfertigen.

III – Vorlagefrage

20. Der High Court hat dem Gerichtshof vor diesem Hintergrund folgende Fragen vorgelegt:

Frage 1

Hat der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts unter Verstoß gegen Art. 141 (jetzt Art. 157 AEUV) und gegen die Richtlinie 75/177 vorliegt, zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung

a) die Verwendung der Vergleichspersonen auf den mit ihnen besetzten Stellen,

b) das höhere Entgelt für die Vergleichspersonen oder

c) das niedrigere Entgelt für die Anspruchsteller

zu rechtfertigen?

Frage 2

Hat der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliegt, zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung Rechtfertigungsgründe hinsichtlich

a) der von den Anspruchstellern ausgewählten Vergleichspersonen und/oder

b) der Dienststellen von Vergleichspersonen im Allgemeinen

anzuführen?

Frage 3

Ist, falls Frage 2 Buchst. b zu bejahen ist, die sachliche Rechtfertigung nachgewiesen, auch wenn sie für die ausgewählten Vergleichspersonen keine Geltung besitzt?

Frage 4

Hat der Labour Court gemeinschaftsrechtlich fehlerhaft angenommen, dass das „Interesse an guten Arbeitsbeziehungen“ bei der Prüfung der Frage, ob der Arbeitgeber den Unterschied beim Arbeitsentgelt sachlich rechtfertigen kann, zu berücksichtigen sei?

Frage 5

Kann, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliegt, die sachliche Rechtfertigung unter Berufung auf das Anliegen des Beklagten hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden? Ist ein derartiges Anliegen von irgendeiner Bedeutung bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung?

21. Der High Court führt aus, dass sich im Ausgangsverfahren wichtige Fragen zum Gemeinschaftsrecht stellten, zu denen der Gerichtshof im Rahmen der auf das Urteil vom 13. Mai 1986, Bilka(7), zurückgehenden Rechtsprechung noch nicht spezifisch Stellung genommen habe. 

IV – Verfahren vor dem Gerichtshof

22. Das Vorabentscheidungsersuchen ist am 16. August 2011 bei der Kanzlei des Gerichtshofs eingegangen.

23. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Regierungen Spaniens und Irlands sowie die Kommission haben schriftliche Erklärungen eingereicht.

24. In der mündlichen Verhandlung vom 12. Juli 2012 haben die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, die Regierung Irlands und die Kommission mündliche Ausführungen gemacht.

V – Vorbringen

25. Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens machen geltend, dass sie die gleiche Arbeit leisteten wie die Polizisten, denen die „bezeichneten“ oder „reservierten“ Stellen zugewiesen worden seien. Die Beklagten hätten verschiedene der zur Rechtfertigung des Bestehens der „bezeichneten“ Stellen vorgetragenen Gründe nicht nachgewiesen, z. B., dass ihre Inhaber Pläne zur Aufrechterhaltung der Ordnung hätten aufstellen müssen oder dass diese Stellen zur Gewährleistung der Kontinuität des Dienstes oder für Kontakte mit internationalen Organisationen, die nur mit Polizisten zusammenarbeiteten, erforderlich seien. Zudem sei erwiesen, dass einige Polizisten mit Tätigkeiten betraut seien, die keine Ausübung polizeilicher Befugnisse beinhalteten, und ihre Aufgaben in bestimmten Fällen mit den Aufgaben von Zivilbeamten austauschbar seien.

26. Zur ersten Frage tragen die Kläger vor, dass der Arbeitgeber rechtfertigen müsse, dass er ein geringeres Entgelt zahle und keine anderen Mittel zur Gewährleistung des operativen Bedarfs der Garda zur Verfügung stünden. Zur zweiten und zur dritten Frage führen die Klägerinnen aus, dass sich die Rechtfertigung auf die ausdrücklich von ihnen benannten Vergleichsarbeitnehmer beziehen müsse, denen wie ihnen selbst keine Bürotätigkeiten bei der Garda zugewiesen seien, für die polizeiliche Befugnisse erforderlich seien. Zur vierten und zur fünften Frage führen die Klägerinnen aus, dass das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen keine Rechtfertigung für ein unterschiedliches Arbeitsentgelt sein könne.

27. Die irische Regierung weist zunächst darauf hin, dass das Ministerium nicht eingeräumt habe, dass die Klägerinnen und die Vergleichspersonen die gleiche Tätigkeit ausgeübt hätten. Zur Rechtfertigung des unterschiedlichen Entgelts bestünden Gründe, die nichts mit dem Geschlecht zu tun hätten. Die Gleichwertigkeit der Arbeit sei jedenfalls nur eine Hypothese, die der Labour Court aus Gründen der Prozessökonomie zugrunde gelegt habe.

28. Zur ersten Frage führt die Regierung Irlands aus, dass neutrale Vorschriften, Kriterien oder Praktiken, die Frauen diskriminierten, Gegenstand der Rechtfertigung sein müssten, nicht aber ein konkretes Entgelt oder die Beschäftigung besonderer Vergleichspersonen. Im vorliegenden Fall bestehe die streitige Praxis darin, aus dienstlichen Gründen Verwaltungsstellen mit Polizeibeamten zu besetzen und ihnen die ihrem Dienstgrad entsprechenden Bezüge zu zahlen. Zur zweiten Frage trägt die irische Regierung vor, die Rechtfertigung müsse sich auf sämtliche Vergleichsstellen beziehen. Sei die festgestellte Praxis danach gerechtfertigt, reiche der Umstand, dass mehrheitlich Frauen von ihr betroffen seien, für die Feststellung eines Verstoßes gegen Art. 157 AEUV nicht aus. In Bezug auf die dritte Frage macht die irische Regierung geltend, der Labour Court sei zu dem Ergebnis gekommen, dass sich die Rechtfertigung auf sämtliche Verwaltungsstellen beziehen müsse und dass bestimmte Stellen polizeiliche Kenntnisse und Erfahrungen erforderten, dass die Kontinuität des Dienstes sichergestellt sein müsse und dass aus operativen Gründen die Anzahl der „bezeichneten“ Stellen nicht niedriger als 219 sein dürfe. In diesem Kontext könnten arbeitsrechtliche Erwägungen durchaus Berücksichtigung finden, wenngleich der Labour Court solche nur in Bezug auf die geringe Zahl der „bezeichneten“ Stellen, die nicht unbedingt erforderlich seien, angestellt habe. Dieses Kriterium sei daher nicht von allgemeiner Bedeutung gewesen.

29. Das Königreich Spanien führt zu den ersten drei Fragen aus, die Rechtfertigung müsse sich auf die Unterschiede zwischen dem Entgelt der Klägerinnen und dem der Vergleichspersonen beziehen, während andere Personen, mit denen die „bezeichneten“ Stellen besetzt seien, unberücksichtigt bleiben müssten. Das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen stelle keine ausreichende Rechtfertigung für eine Ausnahme vom Recht auf gleiches Entgelt dar.

30. Die Kommission vertritt zu den ersten drei Fragen die Auffassung, dass jeder Unterschied hinsichtlich des Entgelts objektiv gerechtfertigt sein müsse. Im vorliegenden Fall müsse dargelegt werden, wie die Stellen den Vergleichspersonen zugewiesen worden seien. Werde nachgewiesen, dass die ausgeübten Tätigkeiten gleich seien – wie es bei den Polizisten, die jahrelang auf einer Verwaltungsstelle eingesetzt worden seien, ohne Tätigkeiten zur Aufrechterhaltung der Ordnung ausgeübt zu haben, der Fall sei –, könne der Unterschied hinsichtlich des Entgelts kaum gerechtfertigt werden. Jedenfalls müsse sich die Rechtfertigung auf das unterschiedliche Entgelt für eine ähnliche Arbeit und nicht auf eine höhere oder niedrigere Entlohnung der einen oder anderen Gruppe beziehen. Insoweit müsse sie sich auf die Personengruppe beschränken, die eine ähnliche Arbeit ausübe wie die Klägerinnen. Zur vierten und fünften Frage führt die Kommission aus, dass das Bestreben nach sozialem Dialog den Arbeitgeber nicht von der Verpflichtung befreie, bestehende Unterschiede hinsichtlich des Entgelts sachlich zu rechtfertigen, wenn der Anschein einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bestehe.

VI – Würdigung

A – Einleitende Erwägung

31. Bei der Eingrenzung des Gegenstands dieses Verfahrens ist zu berücksichtigen, dass das vorlegende Gericht vom Gerichtshof nicht erwartet, dass er dazu Stellung nimmt, ob im Ausgangsverfahren eine Diskriminierung der Klägerinnen aufgrund des Geschlechts besteht. Die Frage, ob sie eine solche Diskriminierung erlitten haben, ist in jedem Fall von den irischen Gerichten zu beantworten.

32. Der High Court stellt seine Fragen ausdrücklich für den Fall, dass „der Anschein einer mittelbaren geschlechtsspezifischen Diskriminierung hinsichtlich des Arbeitsentgelts vorliegt“. Die Diskriminierung wird mithin bloß unterstellt, um den Kontext, in dem die Fragen angesiedelt sind, einzugrenzen. Es geht hier also nicht um eine Beurteilung der Gleichheit, sondern um die Beantwortung sehr präziser Fragen, die die Definition der Begriffe betreffen, die eine derartige Beurteilung ermöglichen.

33. Meiner Ansicht nach lassen sich die fünf Fragen des High Court in drei Gruppen einteilen.

34. Die erste Gruppe bildet die erste Frage, d. h., ob der Arbeitgeber im vorliegenden Fall rechtfertigen muss, (A) dass bestimmte Stellen mit den von den Klägerinnen als Vergleichspersonen herangezogenen Personen besetzt sind, (B) dass diese Personen mehr verdienen bzw. (C) dass die Klägerinnen weniger verdienen. Jede dieser Alternativen bezieht sich auf eine unterschiedliche Behandlung, die eine Diskriminierung darstellen kann. Die Frage ist letztlich, was gerechtfertigt werden muss: die Besetzung bestimmter Stellen mit bestimmten Personen oder die zwischen verschiedenen Personen festgestellten Unterschiede hinsichtlich des Entgelts.

35. Unter die zweite Gruppe fallen die zweite und die dritte Frage, mit denen der High Court wissen will, ob die verlangte Rechtfertigung sich (A) auf die spezifisch genannten Vergleichspersonen beziehen muss oder (B) auf sämtliche Stellen, die mit diesen Arbeitnehmern besetzt sind, und in welchem Umfang. Mit diesen Fragen wird letztendlich nach dem subjektiven Vergleichsmaßstab für die Beurteilung der Gleichheit gefragt, die erforderlich ist, um feststellen zu können, ob die von den Klägerinnen gerügte Diskriminierung tatsächlich besteht.

36. Die vierte und die fünfte Frage bilden schließlich die dritte Gruppe, die die Bedeutung des Interesses an guten Arbeitsbeziehungen als Rechtfertigungsgrund betrifft. Der High Court möchte insoweit wissen, ob die in Rede stehende Ungleichbehandlung durch dieses Interesse sachlich gerechtfertigt sein kann. Der Zweifel des vorlegenden Gerichts richtet sich insoweit nur auf einen sehr konkreten Gesichtspunkt eines der Bestandteile der Beurteilung der Gleichheit: die Rechtfertigung der als diskriminierend gerügten Ungleichbehandlung. Keinesfalls wird um eine Antwort zur Rechtfertigung der Ungleichbehandlung oder zur konkreten Bedeutung des geltend gemachten Interesses als Rechtfertigungsgrund ersucht. Der High Court möchte lediglich wissen, ob und inwieweit zu den von ihm anzuwendenden Kriterien für die Beurteilung der sachlichen Rechtfertigung des Unterschieds hinsichtlich des Entgelts das Interesse an der Aufrechterhaltung von guten Arbeitsbeziehungen zählt.

37. Vor diesem Hintergrund beschränkt sich meiner Ansicht nach der Gegenstand dieses Verfahrens auf drei Aspekte, die die eigentliche Struktur der Beurteilung der Gleichheit bilden: (A) die Ungleichbehandlung, die eine Rechtfertigung verlangt, (B) das tertium comparationis , aus dessen Gegenüberstellung sich die Ungleichbehandlung ergibt, und (C) die Bedeutung der Kriterien, auf die die vermeintlich diskriminierende Ungleichbehandlung gestützt wurde, als Rechtfertigungsgrund(8) .

B – Die Ungleichbehandlung

38. Aus dem Vorlagebeschluss ergibt sich, dass die Polizisten, mit denen die sogenannten „bezeichneten“ oder „reservierten“ Stellen besetzt sind, wegen ihrer Zugehörigkeit zur Garda ein höheres Arbeitsentgelt beziehen als die Klägerinnen. Das höhere Entgelt knüpft folglich nicht an eine „bezeichnete oder reservierte“ Stelle an, bei der es sich tatsächlich um eine Verwaltungsstelle handelt, die denjenigen entspricht, die mit den Klägerinnen besetzt sind. Dabei spielt es keine Rolle, dass bestimmte Verwaltungsstellen nur mit Polizeibeamten besetzt werden können, weil sie die Ausübung typisch polizeilicher Befugnisse mit sich bringen. Doch sogar diese vielleicht als „Verwaltungsstellen mit polizeilicher Dimension“ zu bezeichnenden Stellen implizieren an und für sich kein höheres Entgelt. Vielmehr beruht auch in diesen Fällen das höhere Entgelt darauf, dass der Beamte, mit dem die Stelle besetzt ist, Polizist ist.

39. Ich bin daher der Ansicht, dass es keinen großen Sinn hätte, die Besetzung von Stellen zu rechtfertigen, die als solche keine Unterschiede hinsichtlich des Entgelts zur Folge haben.

40. Gerechtfertigt werden muss jedoch – unabhängig von dem Fall, den ich als „Verwaltungsstellen mit polizeilicher Dimension“ bezeichnet habe –, dass es in der Garda eine Reihe von Verwaltungsstellen gibt, die ausgehend von der Annahme, dass sie eine grundsätzlich nicht unterscheidbare Tätigkeit betreffen, nach Maßgabe der beamtenrechtlichen Kategorie der Personen, mit denen sie besetzt sind, unterschiedlich vergütet werden, und dies darüber hinaus in der Praxis zu einer Unterscheidung führt, die vornehmlich Frauen benachteiligt, wodurch es zu einer mittelbaren Diskriminierung aufgrund des Geschlechts kommt.

41. Infolgedessen betrifft die Rechtfertigung ausschließlich den Unterschied hinsichtlich des Entgelts. Ob die Prüfung dieses Unterschieds aus der Perspektive der höheren oder der niedrigeren Vergütung erfolgt, ist aus meiner Sicht irrelevant. Bedeutsam ist der Unterschied als solcher. Ist ein Unterschied und gegebenenfalls nach der entsprechenden Prüfung hinsichtlich der Gleichheit dessen diskriminierender Charakter festgestellt worden, ist dazu Stellung zu nehmen, wie der Diskriminierung abzuhelfen ist. Dazu ist zu prüfen, ob der Unterschied durch die Angleichung der Entgelte im einen oder anderen Sinne zu korrigieren ist, d. h., indem das Entgelt derjenigen, die ein niedrigeres Entgelt erhalten, erhöht, oder das Entgelt der besser bezahlten Beamten herabgesetzt wird oder das Entgelt beider Gruppen auf mittlerem Niveau ausgeglichen wird. Ebenso wird auch auf andere Punkte der Wiederherstellung der Gleichheit einzugehen sein, wie insbesondere den zeitlichen Rahmen für ihre Einführung. Jedenfalls handelt es sich hierbei nicht um den Abschnitt der Beurteilung der Gleichheit, in dem sich das Ausgangsverfahren befindet, und noch weniger um den Abschnitt, der den Gegenstand des Verfahrens beim Gerichtshof bildet.

42.  Daher schlage ich dem Gerichtshof vor, die erste Frage dahin zu beantworten, dass der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, ein unterschiedliches Entgelt für die jeweilige Gruppe mit ihrer bereits festgestellten unterschiedlichen geschlechtlichen Zusammensetzung rechtfertigen muss, ohne dass festgestellt zu werden braucht, dass die Regelwidrigkeit durch das betragsmäßig höhere oder niedrigere Entgelt bedingt ist. Entscheidend ist insoweit der Unterschied zwischen beiden.

C – Die Identifizierung des tertium comparationis

43. Die zweite und die dritte Frage betreffen den Vergleichsmaßstab, den das vorlegende Gericht bei der Feststellung, ob die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens diskriminiert werden, anlegen muss.

44. Es versteht sich aus meiner Sicht fast von selbst, dass die Gleichheit definitionsgemäß ein relativer oder relationaler Grundsatz ist. Das Recht auf Gleichbehandlung ist nichts anderes als das Recht, genauso behandelt zu werden wie jemand, der sich in einer vergleichbaren rechtlichen Situation befindet. Es handelt sich mithin um ein Recht, das immer den Vergleich zwischen mindestens zwei Subjekten, Objekten, Umständen oder Situationen voraussetzt.

45. Die Rüge einer Ungleichbehandlung impliziert mithin immer den Vergleich mit einem Dritten, der anders behandelt wird, obwohl er sich in einer Situation befindet, die der Person, die die Rüge erhebt, vergleichbar ist. Die Berufung auf ein tertium comparationis zum Nachweis des beanstandeten Unterschieds stellt mithin das entscheidende Element des eigentlichen Nachweises dieses Unterschieds dar. Ist der Unterschied Ergebnis des Vergleichs, hängt sein tatsächliches Vorliegen von der zutreffenden Bestimmung der miteinander verglichenen Begriffe ab.

46. Wir bewegen uns damit auf einem Gebiet, das dem der Beweislast in Bezug auf die Gleichheit sehr nahekommt. Das Beibringen eines für die Feststellung eines Unterschieds geeigneten Vergleichsmaßstabs ist an sich nicht der Nachweis einer Diskriminierung. Vielmehr stellt er die Voraussetzung für diesen Nachweis dar, denn wenn die Diskriminierung jede Ungleichbehandlung ist, die einer vernünftigen Rechtfertigung entbehrt, ist das tertium comparationis der Vergleichsmaßstab, durch den der Unterschied ersichtlich wird, der einer Rechtfertigung bedarf.

47. Die Beweislast für das Vorliegen eines Unterschieds trifft denjenigen, der sich auf den ungerechtfertigten und diskriminierenden Charakter des in Rede stehenden Unterschieds beruft. Insoweit sind daher die vom Gerichtshof aufgestellten Regeln für die Beweislast in Bezug auf die Ungleichbehandlung anzuwenden. An dieser Stelle reicht der Hinweis darauf, dass, mit den Worten in dem Urteil vom 26. Juni 2001, Brunnhofer(9), „grundsätzlich … derjenige, der sich zur Stützung eines Anspruchs auf Tatsachen beruft, diese zu beweisen [hat]. Die Beweislast für das Vorliegen einer Diskriminierung beim Entgelt aufgrund des Geschlechts trifft daher grundsätzlich den Arbeitnehmer, der sich diskriminiert glaubt, und deshalb gegen seinen Arbeitgeber Klage auf Beseitigung dieser Diskriminierung erhebt (vgl. Urteil vom 27. Oktober 1993 in der Rechtssache C-127/92, Enderby, Slg. 1993, I-5535, Randnr. 13)“.

48. Folglich obliegt in erster Linie den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens der Nachweis einer Ungleichbehandlung. Hierzu müssen sie einen treffenden Vergleichsmaßstab beibringen, durch den deutlich wird, dass eine Personengruppe existiert, die sich in einer vergleichbaren Situation befindet, aber hinsichtlich des Arbeitsentgelts anders behandelt wird.

49. Ist der Unterschied nachgewiesen, muss bewiesen werden, ob er diskriminierend, d. h. ungerechtfertigt ist. Was aber die Bestimmung des tertium comparationis anbelangt, erfolgt die Beurteilung der Gleichheit noch bei der Feststellung des Unterschieds.

50. Vor dem Hintergrund des Sachverhalts des Ausgangsverfahrens besteht die Frage meines Erachtens weniger darin, ob die von den Klägerinnen spezifisch benannten Vergleichsarbeitnehmer oder die Gesamtheit der Stellen, die mit diesen Arbeitnehmern besetzt sind, den entscheidenden Vergleichsmaßstab darstellen – und im letztgenannten Fall, welche Folgen es hat, wenn die mögliche Rechtfertigung des Unterschieds bei diesen Stellen nicht auch die von den Klägerinnen bezeichneten Arbeitnehmer umfasst. Entscheidend ist meiner Ansicht nach eher, ob die Klägerinnen eine repräsentative Zahl von Arbeitnehmern nachweisen konnten, die ein höheres E ntgelt beziehen, obwohl sie eine Arbeit verrichten, die mit ihrer vergleichbar ist.

51. Zu diesem Ergebnis gelangte der Gerichtshof in der Rechtssache Brunnhofer, als er feststellte, dass dem Arbeitgeber der Nachweis obliegt, dass seine Lohnpolitik nicht diskriminierend ist, „sofern eine Arbeitnehmerin auf der Grundlage einer relativen großen Zahl von Arbeitnehmern belegt, dass das durchschnittliche Entgelt der Frauen niedriger als das der Männer ist (Urteil vom 17. Oktober 1989 in der Rechtssache 109/88, Danfoss, Slg. 1989, 3199, Randnr. 16)“(10) .

52. Letztendlich ist daher entscheidend, ob es den Klägerinnen gelungen ist, einen Vergleichsmaßstab anzuführen, der für den Nachweis „einer relativ großen Zahl von Arbeitnehmern“, die ein höheres Entgelt erhalten, obwohl sie die gleichen Aufgaben erfüllen, geeignet ist.

53. Von hier an handelt es sich um ein Problem der Würdigung der im Verfahren vorgelegten Beweise und folglich um eine Frage, die von den nationalen Gerichten zu beantworten ist. In diesem Sinne ist im vorliegenden Fall die Rechtsprechung des Gerichtshofs zum Beweiswert der in einem Verfahren vorgelegten statistischen Nachweise für das Bestehen einer mittelbaren Diskriminierung heranzuziehen. Der Gerichtshof hat im Urteil Enderby(11), festgestellt, dass es „Sache des nationalen Gerichts [ist], zu beurteilen, ob es diese statistischen Angaben berücksichtigen kann, d. h. ob sie sich auf eine ausreichende Zahl von Personen beziehen, ob sie nicht rein zufällige oder konjunkturelle Erscheinungen widerspiegeln und ob sie generell gesehen als aussagekräftig erscheinen“.

54. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem es um eine mittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts geht, müssen die Klägerinnen ausreichende Anhaltspunkte dafür beibringen, dass ein Unterschied besteht, der vermutlich tatsächlich zulasten der Frauen geht. Sie müssen folglich nachweisen, dass eine „relativ große“ bzw. „ausreichende“ Zahl von männlichen Arbeitnehmern eine vergleichbare Tätigkeit verrichtet, aber ein höheres Entgelt bezieht als sie selbst und – allgemein – eine Personengruppe, die mehrheitlich aus Arbeitnehmerinnen besteht. Dies muss auf eine Art und Weise erfolgen, die die Feststellung ermöglicht, dass es sich nicht um eine „zufällige“ oder „konjunkturelle“ Erscheinung handelt, sondern eher um eine strukturelle oder um eine solche, die für eine ihrem Wesen nach diskriminierende Entgeltregelung charakteristisch ist.

55. Ob die Feststellung, dass der beanstandete Unterschied vorliegt, anhand des Vergleichs zwischen der Situation der Klägerinnen und der der von ihnen konkret bezeichneten Arbeitnehmer oder aber zwischen ihrer Situation und der derjenigen Personen, die die Gesamtheit der sogenannten „bezeichneten“ oder „reservierten“ Stellen besetzen, zu treffen ist, ist natürlich Sache der nationalen Gerichte. Entscheidend ist meiner Ansicht nach, dass das nationale Gericht aufgrund der Angaben der Klägerinnen in der Lage ist (gemäß den Vorschriften über die Beweiserhebung und -würdigung des innerstaatlichen Prozessrechts), festzustellen, ob der geltend gemachte Unterschied tatsächlich besteht, da eine zweifellos repräsentative Zahl von Arbeitnehmern ein höheres Entgelt bezieht, obwohl sie dieselbe Tätigkeit verrichten wie die Klägerinnen.

56. Folglich schlage ich dem Gerichtshof zweitens vor, die zweite und die dritte Frage dahin zu beantworten, dass der Arbeitgeber, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts besteht, eine Rechtfertigung beibringen muss, die sich auf eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern bezieht, die dieselbe Arbeit verrichten wie die Klägerinnen.

D – Einige Erwägungen zur Rechtfertigung der Unterschiede, die im Rahmen der Umstrukturierung der Arbeitsbedingungen entstanden sind

57. Mit der vierten und fünften Frage möchte der High Court wissen, ob das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen den untersuchten Unterschied hinsichtlich des Entgelts sachlich rechtfertigen kann. Wie ich bereits ausgeführt habe, bittet das vorlegende Gericht nicht um eine Stellungnahme zur konkreten Bedeutung des geltend gemachten Interesses als Rechtfertigungsgrund. Es fragt nur, ob und in welchem Umfang das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen unter die Kriterien fallen kann, die für die Feststellung der sachlichen Rechtfertigung des Unterschieds hinsichtlich des Entgelts von Bedeutung sind.

58. Vor der Prüfung dieser Frage ist darauf hinzuweisen, dass meiner Ansicht nach der Vergleich des Wortlauts beider Fragen verblüfft. Bei der ersten Frage geht es darum, ob der Labour Court „gemeinschaftsrechtlich fehlerhaft angenommen [hat], dass das ‚Interesse an guten Arbeitsbeziehungen‘ bei der Prüfung der Frage, ob der Arbeitgeber den Entgeltunterschied sachlich rechtfertigen kann, zu berücksichtigen sei“, während die zweite Frage dahin geht, ob im vorliegenden Fall, „die sachliche Rechtfertigung unter Berufung auf das Anliegen des Beklagten hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden [kann]“, ergänzt um die Frage, ob dieses Anliegen „von irgendeiner Bedeutung bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung“ ist.

59. Ich räume ein, dass ich gewisse Schwierigkeiten habe, den graduellen Unterschied des Sinns beider Fragen zu erfassen. Ich meine, dass in Wirklichkeit eine einzige Frage zur Bedeutung des Interesses an guten Arbeitsbeziehungen als Rechtfertigungsgrund gestellt wird, und sich die beiden Fragen jeweils auf den möglichen Grad oder die Qualität der Rechtfertigungskraft dieses Interesses beziehen. Wird also gefragt, ob dieses Interesse bei der Prüfung, ob der Unterschied hinsichtlich des Entgelts sachlich gerechtfertigt ist, „zu berücksichtigen sei“, möchte der High Court wissen, ob dieses Kriterium schlicht und einfach berücksichtigt werden kann. Wird dagegen gefragt, ob die sachliche Rechtfertigung „unter Berufung auf das Anliegen des Beklagten hinsichtlich der Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden“ kann, möchte das vorlegende Gericht wissen, ob dieses Interesse nicht nur u. a. als ein Rechtfertigungsgrund berücksichtigt, sondern darüber hinaus die Grundlage („unter Berufung auf“) der Rechtfertigung selbst sein kann.

60. Ich schicke bereits vorweg, dass ich die zweite Möglichkeit ausschließe.

61. Bei der Darstellung der Gründe für meine Entscheidung ist zunächst auf den Kontext einzugehen, in dem die Aufrechterhaltung guter Arbeitsbeziehungen zu einem relevanten Interesse wurde.

62. Zu dem von den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens gerügten Unterschied hinsichtlich des Entgelts ist es offensichtlich durch eine Umstrukturierung der Garda gekommen, in deren Rahmen bestimmte Verwaltungsstellen, die traditionell mit Polizisten besetzt wurden, mit Zivilbeamten besetzt wurden. Der Unterschied hinsichtlich des Entgelts geht auf die Tatsache zurück, dass Letztere nach Maßgabe ihres Status als Zivilbeamte entlohnt werden, während Erstere weiterhin als Polizisten bezahlt werden, so dass der Unterschied nicht an die Stelle anknüpft, sondern an den Status des Beamten, mit dem sie besetzt ist.

63. Die Polizeibehörde führt zur sachlichen Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung an, die Entgeltregelung für die Polizisten habe aufrechterhalten werden müssen, damit diejenigen, die Verwaltungstätigkeiten verrichteten, nicht gegenüber den übrigen Polizisten benachteiligt würden. Tatsächlich war die insoweit mit den Vertretungsgremien der Polizisten getroffene Vereinbarung für den Erfolg der Umstrukturierung der Garda offenbar entscheidend.

64. In meinen Schlussanträgen in der Rechtssache Prigge(12) habe ich ausgeführt, dass „die Tarifautonomie angemessenen unionsrechtlichen Schutz“ verdient. Die Angemessenheit dieses Schutzes muss ganz offenkundig die Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes umfassen. Dieser Grundsatz ist nicht nur in Titel III der Charta der Grundrechte der Union in seiner Ausgestaltung als Recht, nicht aufgrund des Geschlechts beim Entgelt benachteiligt zu werden, verankert, sondern auch in Art. 157 AEUV als einer der Grundsätze niedergelegt, der „zu den Grundlagen der Gemeinschaft gehört“(13) .

65. In der Rechtssache Prigge habe ich daran erinnert, dass „es eine reichhaltige Rechtsprechung [gibt,] nach der Tarifverträge nicht vom Anwendungsbereich der Bestimmungen des Vertrags über die Grundfreiheiten ausgenommen sind“, und insbesondere, dass „das Verbot der Diskriminierung zwischen männlichen und weiblichen Arbeitnehmern hinsichtlich des Arbeitsentgelts nach den Verträgen (Art. 119 EG danach Art. 141 EG, jetzt Art. 157 AEUV) und dem Sekundärrecht als zwingende Regel auch für Tarifverträge gilt“(14) .

66. Demnach ist es meiner Ansicht nach ausgeschlossen, dass die im Rahmen der Verhandlungen mit den Vertretern der Polizisten getroffenen Vereinbarungen ein ausreichender Grund für die sachliche Rechtfertigung eines Unterschieds wie des im Ausgangsverfahren untersuchten sein können.

67. Gewiss wird nicht konkret gefragt, ob die mit den Vertretern der Polizisten getroffene Vereinbarung diese Wirkung haben kann. Es ist aber klar, dass im Rahmen der Frage die Beachtung der Vereinbarung eine notwendige Voraussetzung für die Aufrechterhaltung guter Beziehungen ist, die Gegenstand des Interesses ist, das den untersuchten Unterschied möglicherweise rechtfertigen kann.

68. Meiner Ansicht nach kann dieses Interesse, das grundsätzlich völlig legitim ist, für sich allein keine ausreichende Grundlage für die Rechtfertigung eines geschlechtsbezogenen Unterschieds hinsichtlich des Entgelts darstellen(15) .

69. Damit ist nicht ausgeschlossen, dass dieses Interesse gemeinsam mit anderen Kriterien einen zulässigen Rechtfertigungsgrund bilden kann. Die Feststellung, ob im vorliegenden Fall in dieser Weise Rechtfertigungsgründe zusammentreffen, wird vom nationalen Gericht zu treffen sein. Ihm obliegt auch die Abwägung des relativen Gewichts, das insoweit dem konkreten Interesse, mit dem wir hier befasst sind, zukommen kann.

70. Der Gerichtshof sollte aber nicht versäumen, darauf hinzuweisen, dass sich im vorliegenden Fall dieses relative Gewicht nach der Länge der Zeit richtet, die für die administrative Umstrukturierung aufgewendet wurde, in deren Verlauf der streitige Unterschied hinsichtlich des Entgelts entstanden ist und aufrechterhalten wurde.

71. Ich möchte damit sagen, dass das Interesse an der Aufrechterhaltung guter Arbeitsbeziehungen nicht gleich bewertet werden kann, wenn die Umstrukturierung, durch die die Beziehungen Schaden nehmen können, wegen ihrer unmittelbaren Ausführung und Durchschlagskraft die Rechte oder Erwartungen der Betroffenen stärker beeinträchtigt als bei einer zeitlichen Streckung des Umstrukturierungsprozesses, wodurch dessen Folgen aufgrund einer vorhersehbaren, schrittweisen und planmäßigen Ausführung gemildert werden können.

72. Es ist Sache der irischen Gerichte, die Bedeutung dieses Interesses im Zusammenhang mit einem Umstrukturierungsprozess abzuwägen, der im letzten Jahrzehnt des vergangenen Jahrhunderts eingeleitet wurde und heute die Ergebnisse zeigt, die die Parteien im Verfahren beschrieben haben.

73. Daher schlage ich dem Gerichtshof an dritter und letzter Stelle vor, die vierte und die fünfte Frage dahin zu beantworten, dass, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, die sachliche Rechtfertigung nicht allein unter Berufung auf das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden kann. Dieses Interesse kann jedoch bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung im Zusammenhang mit dem Kontext, in dem es geltend gemacht wird, von gewisser Bedeutung sein.

VII – Ergebnis

74. Es wird daher vorgeschlagen, die vom High Court vorgelegten Fragen wie folgt zu beantworten:

1. Der Arbeitgeber muss, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts unter Verstoß gegen Art. 141 EG (jetzt Art. 157 AEUV) und gegen die Richtlinie 75/177/EWG des Rates vorliegt, zum Nachweis der sachlichen Rechtfertigung den Unterschied hinsichtlich des Entgelts rechtfertigen.

2. Der Arbeitgeber muss, wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, eine Rechtfertigung beibringen, die sich auf eine bedeutende Zahl von Arbeitnehmern bezieht, die dieselbe Tätigkeit verrichten wie die Klägerinnen.

3. Wenn der Anschein einer mittelbaren geschlechtsbezogenen Diskriminierung hinsichtlich des Entgelts vorliegt, kann die sachliche Rechtfertigung nicht allein unter Berufung auf das Interesse an guten Arbeitsbeziehungen nachgewiesen werden. Dieses Interesse kann jedoch bei der Prüfung der sachlichen Rechtfertigung im Zusammenhang mit dem Kontext, in dem es geltend gemacht wird, von gewisser Bedeutung sein.

(1) .

(2)  – Eine noch aktuelle Aufzählung insoweit relevanter Entscheidungen enthält das Urteil vom 3. Oktober 2006, Cadman (C-17/05, Slg. 2006, I-9583).

(3) – Richtlinie 75/117/EWG des Rates vom 10. Februar 1975 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Anwendung des Grundsatzes des gleichen Entgelts für Männer und Frauen (ABl. L 45, S. 19).

(4) – ABl. L 204, S. 23.

(5)  – Diese Definition liegt auf der Linie der Rechtsprechung des Gerichtshofs und stimmt auch mit der in Art. 2 Abs. 2 der Richtlinie 97/80/EG des Rates vom 15. Dezember 1997 über die Beweislast bei Diskriminierung aufgrund des Geschlechts (ABl. L 14, S. 6), und in Art. 1 Abs. 2 der Richtlinie 2002/73/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. September 2002 zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in Bezug auf die Arbeitsbeziehungen (ABl. L 269, S. 15), überein.

(6)  – Mit dem Employment Equality Act 1998 wurden ältere gesetzliche Vorschriften aufgehoben und ersetzt, mit denen u. a. die Richtlinie 75/117 in das irische Recht umgesetzt worden war. Mit dem Employment Equality Act 2004 wurde das Gesetz von 1998 geändert, um bestimmte Gleichbehandlungsrichtlinien in das irische Recht umzusetzen.

(7)  – Rechtssache 170/84, Slg. 1982, 1607.

(8)  – Zur typischen Struktur einer Beurteilung der Gleichheit vgl. statt vieler, Alexy, R., „Das allgemeine Gleichheitsrecht“, in Theorie der Grundrechte , Frankfurt am Main, 5. Aufl., 2006, S. 357 bis 393, und Sachs, M., „Zur dogmatischen Struktur der Gleichheitsrechte als Abwehrrechte“, in DÖV , 1984, S. 411 bis 419.

(9) – Rechtssache C-381/99 (Slg. 1999, I-4961, Randnr. 52).

(10)  – Urteil Brunnhofer, Randnr. 54.

(11)  – Oben in Nr. 47 angeführt, Randnr. 17.

(12)  – Vom 19. Mai 2011 (C-447/09, Urteil vom 13. September 2011, Slg. 2011, I-8003, Nr. 46).

(13)  – Urteil Cadman, Randnr. 28. Art. 157 AEUV wurde definiert als „zentrale Bestimmung über die Gleichbehandlung im Arbeitsrecht“ (Krebber, S., „Art. 157, Rn. 1“, in Callies/Ruffert, EUV/AEUV, Kommentar , München, 4. Aufl., 2011.

(14)  – Nr. 45. Unter Anführung der Urteile vom 8. April 1976, Defrenne (43/75, Slg. 1976, 455, Randnr. 39), vom 8. November 1983, Kommission/Vereinigtes Königreich (165/82, Slg. 1983, 3431, Randnr. 11), vom 27. Juni 1990, Kowalska (C-33/89, Slg. 1990, I-2591, Randnr. 12), vom 7. Februar 1991, Nimz (C-184/89, Slg. 1991, I-297, Randnr. 11), vom 21. Oktober 1999, Lewen (C-333/97, Slg. 1999, I-7243, Randnr. 26), vom 18. November 2004, Sass (C-284/02, Slg. 2004, I-11143, Randnr. 25), und vom 9. Dezember 2004, Hlozek (C-19/02, Slg. 2004, I-11491, Randnr. 43).

(15)  – Zur Rechtfertigung dieser Ungleichbehandlung allgemein Hervey, T. K., „EC law on justifications for sex discrimination in working life“, in Collective bargaining, discrimination, social security and European integration , Bulletin of comparative labour relations , 48, 2003, S. 103 bis 152.

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