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Document 52009DC0008

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018

/* KOM/2009/0008 endg. */

52009DC0008

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018 /* KOM/2009/0008 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 21.1.2009

KOM(2009) 8 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Strategische Ziele und Empfehlungen für die Seeverkehrspolitik der EU bis 2018

1. Einleitung

Die Schifffahrt war in der gesamten Geschichte Europas eine der Grundlagen von Wirtschaftswachstum und Wohlstand. Seeverkehrsdienste sind für die europäische Wirtschaft und die europäischen Unternehmen im globalen Wettbewerb von entscheidender Bedeutung[1]. Daneben sind der Seeverkehr und alle damit verbundenen maritimen Industrien in Europa eine wichtige Einkommensquelle und ein bedeutender Beschäftigungsfaktor.

80 % des Welthandels werden über See abgewickelt, und 40 % des innereuropäischen Frachtvolumens werden im Kurzstreckenseeverkehr befördert. Mit jährlich mehr als 400 Millionen über europäische Häfen beförderten Seeverkehrspassagieren hat der Seeverkehr auch eine direkte Auswirkung auf die Lebensqualität der Bürger, sei es als Touristen oder als Bewohner von Inseln und Gebieten in Randlage.

In den letzten Jahren stieg die Nachfrage nach Seeverkehrsdiensten infolge des Wachstums der Weltwirtschaft und des internationalen Warenhandels an. Allerdings sind Ende 2008 die Auswirkungen der Finanzkrise auf die Realwirtschaft auch im Seeverkehrssektor spürbar. Europa braucht ein geeignetes politisches Konzept, um die dauerhafte Leistungsfähigkeit des Seeverkehrssystems der EU und dessen Beitrag zur Erholung der Weltwirtschaft sicherzustellen. Dieses politische Konzept sollte über die derzeitige konjunkturelle Lage hinaus die Wahrung des grundlegenden personellen und technologischen Know-hows, auf dem die Nachhaltigkeit und Wettbewerbsfähigkeit des heutigen und künftigen Schiffsbetriebs beruhen, in Europa gewährleisten.

In dieser Mitteilung sollen die wesentlichen strategischen Ziele für das europäische Seeverkehrssystem bis 2018 dargelegt und die wichtigsten Bereiche ermittelt werden, in denen Maßnahmen der EU die Wettbewerbsfähigkeit der Branche unter gleichzeitiger Steigerung der Umweltverträglichkeit verbessern werden. Der wirtschaftlichen Rahmensituation und den charakteristischen Eigenheiten der Marktzyklen im Seeverkehr wurde Rechnung getragen.

Diese Mitteilung fügt sich in den Rahmen der Verkehrspolitik (Für ein mobiles Europa – Nachhaltige Mobilität für unseren Kontinent)[2] und der integrierten Meerespolitik („Blaubuch“)[3] der EU. Daneben ist sie auf die Unterstützung der EU-Politik in benachbarten Feldern, insbesondere der Energie- und Umweltpolitik, ausgerichtet. Sie ist das Ergebnis eines kontinuierlichen Dialogs mit Sachverständigen der Mitgliedstaaten, unabhängiger Beratung durch eine Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten aus der Seeverkehrsbranche sowie einer analytischen Studie zur Untersuchung von Entwicklungstrends und Indikatoren des Wandels im Seeverkehr[4].

2. Der europäische Seeverkehr im Kontext globalisierter Märkte

Europa spielt im heutigen Seeverkehr angesichts des Anteils europäischer Unternehmen an der Weltflotte – 41 % in Tonnen Tragfähigkeit – eine bedeutende Rolle. Die Anpassung des europäischen Seeverkehrs an die Anforderungen der globalen Wirtschaft hat erhebliche strukturelle Veränderungen auf diesem Sektor bewirkt. Der Wettbewerbsdruck seitens Schifffahrtsnationen aus aller Welt hat sich in Folge der Globalisierung ebenfalls deutlich erhöht.

Eine Reihe von Maßnahmen, die von den Mitgliedstaaten gemäß den Leitlinien der Gemeinschaft für staatliche Beihilfen im Seeverkehr getroffen wurden, haben dazu beigetragen, einen Teil der Flotte in europäischen Registern zu halten und Beschäftigungsmöglichkeiten für europäische Seeleute zu schaffen. Allerdings sind die europäischen Flaggen nach wie vor heftigem Wettbewerb von Seiten der Drittstaatenregister ausgesetzt. Dabei genießen die ausländischen Konkurrenten oftmals erhebliche Vorteile , z. B. staatliche Unterstützung, günstigen Kapitalzugang, ein großes Angebot an billigen Arbeitskräften oder eine flexible Durchsetzung international vereinbarter Normen.

Vor dem Hintergrund der derzeitigen wirtschaftlichen Krise könnten andere Faktoren, wie die Gefahr von Überkapazitäten in bestimmten Marktsegmenten, protektionistische Maßnahmen von Drittstaaten, die Volatilität auf den Energiemärkten oder Know-how-Verlust infolge des Mangels an Fachkräften in Europa, Schifffahrtsunternehmen und andere maritime Industrien zur Abwanderung in andere Regionen veranlassen, was die Anstrengungen der EU, weltweit hohe Qualitätsstandards im Seeverkehr zu gewährleisten, untergraben würde .

Die strategische Überprüfung der Kommission führt zu folgenden Schlussfolgerungen:

- Für die EU ist es von vitalem Interesse, weltweit stabile und berechenbare Wettbewerbsbedingungen für die Seefahrt und andere maritime Industrien zu erreichen und zu wahren. Ein attraktiver Rahmen für ein hohes Qualitätsniveau der Schifffahrt und der Seeverkehrsbetreiber in Europa wird einen Beitrag zum Erfolg der Lissabonner Strategie für Wachstum und Beschäftigung leisten und die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen maritimen Cluster stärken. Dadurch wird auch die Widerstandsfähigkeit des europäischen Seeverkehrssektors im derzeitigen Wirtschaftsabschwung gewährleistet.

- Auf der Grundlage der mit den Leitlinien für staatliche Beihilfen im Seeverkehr gewonnenen Erfahrungen sollte ein klarer und wettbewerbsorientierter EU-Rahmen für die Besteuerung von Tonnage und Einkommen sowie staatliche Beihilfen gewahrt und erforderlichenfalls verbessert werden. Der Rahmen sollte zielgerichtete Maßnahmen zur Unterstützung von Initiativen zur Ökologisierung der Schifffahrt sowie zur Förderung technologischer Innovationen, beruflicher Kompetenzen und Berufslaufbahnen in den maritimen Industrien erlauben. Die praktische Möglichkeit einer stärkeren Verknüpfung zwischen der Beschäftigung in den maritimen Clustern und Beihilfen sollte untersucht werden.

- Entschiedene Maßnahmen zur Unterstützung fairer Handels- und Marktzugangsbedingungen auf internationaler Ebene im maritimen Sektor sind von wesentlicher Bedeutung. Die Liberalisierung des Handels mit Seeverkehrsdienstleistungen sollte auf allen Ebenen fortgesetzt werden. Die EU sollte einerseits Verhandlungen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO) führen und andererseits den Dialog und bilaterale Abkommen mit den wichtigsten Handels- und Seeverkehrspartnern intensivieren.

- Dazu sollte auch ein entschlossener Einsatz für ein hohes Qualitätsniveau im Seeverkehr gehören, mit dem allgemeinen Ziel, durch internationale Kooperation einheitliche Wettbewerbsbedingungen für Seeverkehrsdienste zu schaffen, indem international vereinbarte Regeln weltweit beachtet werden.

- Auf dem Gebiet des Kartellrechts hat die Kommission vor kurzem die für Seeverkehrsdienstleistungen mit Ausgangs- oder Zielort in Europa geltenden Wettbewerbsvorschriften überarbeitet. Die Kommission wird weiterhin die Marktbedingungen beobachten, die wirtschaftlichen Auswirkungen des neuen kartellrechtlichen Konzepts prüfen und erforderlichenfalls geeignete Maßnahmen treffen. Ferner wird die Kommission eine führende Rolle bei der Förderung der Angleichung der wichtigsten Wettbewerbsregeln auf globaler Ebene übernehmen.

- Die zunehmende Globalisierung hat auch das empfindliche Gleichgewicht des internationalen Rahmens der Rechte und Pflichten von Staaten als Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten belastet. Der im UN-Seerechtsübereinkommen festgelegte Grundsatz der „echten Verbindung“ sollte ein zentrales Instrument der internationalen Anstrengungen zur Förderung nachhaltiger Entwicklung sein.

3. Humanressourcen, seemännische Praxis und maritimes Fachwissen

Die Seeverkehrsindustrien haben in den letzten Jahren direkt und indirekt zahlreiche Arbeitsplätze geschaffen. Etwa 70 % der mit der Schifffahrt zusammenhängenden Arbeitsplätze sind wissensintensive, hochwertige Arbeitsplätze an Land. Der zunehmende Mangel an Fachleuten , Offizieren und Mannschaften birgt das Risiko, dass die kritische Masse an Humanressourcen, auf der die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen maritimen Industrien insgesamt beruht, nicht mehr gewährleistet ist.

Es liegt im ureigenen Interesse der EU, gegenüber den europäischen Bürgern die Attraktivität von Seeverkehrsberufen durch entsprechende Maßnahmen hervorzuheben, soweit angebracht mit Beteiligung der Kommission, der Mitgliedstaaten und der Seeverkehrsbranche selbst.

Gemeinschaftsmaßnahmen sollten insbesondere auf folgende Ziele ausgerichtet sein:

- Annahme zielgerichteter Maßnahmen zur Förderung lebenslanger Berufsaussichten in den maritimen Clustern, wobei der Entwicklung von Fachkompetenzen und Qualifikationen von EU-Offizieren zur Verbesserung ihrer Beschäftigungsaussichten sowie guten Perspektiven für die Mannschaften zum Erreichen des Offiziersgrads besondere Bedeutung zukommt.

- Imageverbesserung der Seefahrt und der Seeverkehrsberufe, Sensibilisierung der Öffentlichkeit für Beschäftigungsmöglichkeiten, Förderung der europaweiten Mobilität von Arbeitskräften in den maritimen Industrien und Verbreitung bewährter Verfahren in Informations- und Anwerbungskampagnen.

- Unterstützung der Arbeit der Internationalen Seeschifffahrtsorganisation (IMO) und der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) zur fairen Behandlung von Seeleuten , um unter anderem sicherzustellen, dass die Leitlinien für die Behandlung von Seeleuten bei Unfällen auf hoher See, Zurücklassung, Verletzung oder Tod von Seeleuten sowie Landurlaub in der EU und weltweit ordnungsgemäß umgesetzt werden.

- Folgemaßnahmen zur Mitteilung der Kommission „Mehr und bessere Arbeitsplätze in der Seefahrt der EU durch Überprüfung des sozialrechtlichen Rahmens“[5].

- Förderung einer besseren Nutzung der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) zur Verbesserung der Lebensqualität auf See . Unterstützung der Verfügbarkeit von Satelliten-Breitbandkommunikationsdiensten auf Gebieten wie Gesundheitsfürsorge an Bord, Fernunterricht und private Kommunikation.

- Durchführung von Vereinfachungsmaßnahmen zur Verringerung des für Kapitäne und hochrangige Offiziere an Bord von Schiffen anfallenden Verwaltungsaufwands.

Hier muss ein ausgewogenes Verhältnis zwischen den Beschäftigungsbedingungen von EU-Seeleuten und der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Flotte gefunden werden. Es wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, die Möglichkeiten zur Verwirklichung dieses Ziels ermitteln soll.

Um einen sicheren und ökologisch nachhaltigen Schifffahrtsbetrieb zu gewährleisten, müssen bei der Ausbildung und der beruflichen Befähigung der Besatzungen hohe Standards gewahrt werden. Daher müssen die EU und ihre Mitgliedstaaten den geeigneten Rahmen für die Aus- und Fortbildung der Besatzungen in Form von Maßnahmen anbieten, die insbesondere auf folgende Ziele ausgerichtet sind:

- Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Durchsetzung völkerrechtlicher und gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften im Rahmen des Internationalen Übereinkommens über Normen für die Ausbildung, die Erteilung von Befähigungszeugnissen und den Wachdienst von Seeleuten (STCW) durch alle Staaten, die Befähigungszeugnisse für Seeleute ausstellen.

- Leistung eines umfassenden Beitrags zur Überarbeitung des STCW-Übereinkommens unter Nutzung von Gemeinschaftsinstrumenten, um sowohl das rasche Inkrafttreten der geänderten Übereinkunft als auch deren wirksame Umsetzung und Durchsetzung zu gewährleisten.

- Förderung der Zusammenarbeit zwischen europäischen Einrichtungen für die Ausbildung in Schifffahrtsberufen , um die Fachkenntnisse der Seeleute zu verbessern und die Anforderungen an die aktuellen Erfordernisse der Seeverkehrsindustrie (technisch komplexe Schiffe, IKT, Sicherheit) anzupassen.

- Partnerschaftliche Zusammenarbeit mit Ausbildungseinrichtungen und der Industrie mit dem Ziel der Entwicklung von „ Exzellenz-Befähigungszeugnissen für Seeleute“ (europäische Postgraduiertenstudiengänge für maritime Berufe), die durchaus über die STCW-Anforderungen hinausgehen können. In diesem Zusammenhang könnte die Errichtung eines Netzes von Exzellenzzentren für maritime Ausbildung in Europa (europäische Marineakademie) in Betracht gezogen werden.

- Einführung eines Austauschprogramms für Offiziersanwärter zwischen den einzelstaatlichen Ausbildungseinrichtungen für maritime Berufe nach dem Vorbild von ERASMUS .

- Förderung der Bereitstellung von Praktikumsplätzen auf Schiffen für Kadetten im Rahmen ihres Studiums an den EU-Ausbildungsstätten, in Partnerschaft mit der Industrie und gegebenenfalls gestützt durch Anreize.

In Bezug auf die Arbeitsbedingungen besteht die oberste Priorität der Europäischen Union darin, die Umsetzung des IAO-Seearbeitsübereinkommens von 2006 zu gewährleisten, um die Arbeits- und Lebensbedingungen an Bord von Schiffen zu verbessern. Die in der EU zwischen den Sozialpartnern getroffene Übereinkunft zur Umsetzung zentraler Elemente dieses Übereinkommens belegt die breite Unterstützung dieses Anliegens in der Branche. Die Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten sollten auf folgende Ziele ausgerichtet sein:

- Fortschritte in Richtung einer raschen Ratifizierung des Seearbeitsübereinkommens von 2006 durch die Mitgliedstaaten und einer raschen Annahme des Kommissionsvorschlags auf der Grundlage der Branchenübereinkunft zur Umsetzung der zentralen Elemente dieses Übereinkommens in Gemeinschaftsrecht.

- Gewährleistung einer wirksamen Durchsetzung der neuen Regeln durch angemessene Maßnahmen, darunter Vorschriften zu Flaggen- und Hafenstaatkontrolle.

- Förderung der Entwicklung eines zielgerichteten Rahmens für die sichere Besetzung von Schiffen mit Mannschaft , Behandlung der Frage der Ermüdung und angemessener Wachebedingungen auf internationaler und gemeinschaftlicher Ebene.

- Förderung und Unterstützung von Forschungsarbeiten zum Faktor „Mensch“ , einer komplexen, multidisziplinären Thematik, die das Wohlbefinden von Menschen auf See berührt und oftmals direkte Auswirkungen auf die Sicherheit auf See und den Umweltschutz hat.

- Erwägung von Maßnahmen zur Verbesserung der Gesundheitsfürsorge an Bord.

4. Ein hohes Qualitätsniveau im Seeverkehr als entscheidender Wettbewerbsvorteil

Bis 2018 könnte die Weltschiffsflotte von gegenwärtig (2008) 77 500 auf ca. 100 000 Schiffe (mindestens 500 Tonnen Tragfähigkeit) ansteigen. Volumenmäßig könnte der Anstieg sogar noch bedeutender sein: Die Gesamtkapazität wird voraussichtlich von 1 156 Mio. t Tragfähigkeit im Jahr 2008 bis 2018 auf 2 100 Mio. t Tragfähigkeit ansteigen[6].

4.1. Verbesserung der Umweltverträglichkeit

In den letzten Jahren haben die europäischen Seeverkehrsbehörden und die europäische Seeverkehrsindustrie erhebliche Anstrengungen unternommen, um die Umweltverträglichkeit des Seeverkehrs zu verbessern. Der Rechtsrahmen der EU wurde gestärkt und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedstaaten ausgebaut, um Fragen wie die Verhütung von Unfällen und Störungen, Schadstoffemissionen in die Luft, die Behandlung von Ballastwasser und das Schiffsrecycling anzugehen.

Diese Bemühungen müssen fortgesetzt werden. Die Kommission, die Mitgliedstaaten und die europäische Seeverkehrsindustrie sollten zusammen am langfristigen Ziel eines abfall- und emissionsfreien Seeverkehrs arbeiten. Zu diesem Zweck sollten folgende Prioritäten verfolgt werden:

- Gewährleistung stetiger Fortschritte in Richtung eines kohärenten und umfassenden Konzepts zur Verringerung der Treibhausgasemissionen des internationalen Seeverkehrs durch Kombination technischer, betrieblicher und marktgestützter Maßnahmen.

- Diesbezüglich sollte die EU in der IMO aktiv auf die Begrenzung oder Verringerung der Treibhausgasemissionen von Schiffen hinwirken [7]. Bei der Konferenz zum Rahmenübereinkommen der Vereinten Nationen über Klimaänderungen im Dezember in Kopenhagen sollte eine rechtsverbindliche Regelung angenommen werden. In Ermangelung von Fortschritten bei diesen Bemühungen sollte die EU Vorschläge auf europäischer Ebene vorlegen.

- Es sollte sichergestellt werden, dass die Mitgliedstaaten in der Lage sind, gemäß den Bestimmungen der Meeresstrategie-Rahmenrichtlinie[8] in den ihrer Hoheitsgewalt oder ihrer Gerichtsbarkeit unterliegenden Seegewässern bis 2020 einen guten Umweltzustand zu erreichen.

- Stärkung der gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften in Bezug auf Hafenauffangeinrichtungen für Schiffsabfälle und Ladungsrückstände durch Verbesserung der Vorkehrungen zu deren Umsetzung. Dazu sollte gewährleistet werden, dass dem erwarteten Anstieg des Verkehrsvolumens entsprechende Anlagen und Verwaltungsverfahren verfügbar sind.

- Folgemaßnahmen zu den Vorschlägen in der Mitteilung der Kommission über eine EU-Strategie zur Verbesserung des Abwrackens von Schiffen [9]. Gewährleistung der Annahme des IMO-Übereinkommens über das Schiffsrecycling und stetige Fortschritte in Richtung dessen künftiger Umsetzung.

- Beaufsichtigung der reibungslosen Umsetzung der von der IMO im Oktober 2008 angenommenen Änderungen am Anhang VI des MARPOL-Übereinkommens zur Verringerung der Schwefeloxid- und Stickoxidemissionen von Schiffen . In diesem Rahmen ist zu prüfen, welche europäischen Seegebiete sich als Emissions-Überwachungsgebiete eignen, ob entsprechende Kraftstoffe verfügbar sind und welche Auswirkungen auf den Kurzstreckenseeverkehr zu erwarten sind. Die Kommissionsvorschläge sollten gewährleisten, dass eine Rückverlagerung von Beförderungen vom Kurzstreckenseeverkehr auf die Straße vermieden wird.

- Förderung alternativer Möglichkeiten der Energieversorgung in Häfen, zum Beispiel die Nutzung von an Land erzeugter Elektrizität. Die Kommission wird in der anstehenden Überarbeitung der Energiebesteuerungsrichtlinie als ersten Schritt eine zeitlich begrenzte Steuerbefreiung für an Land erzeugte Elektrizität vorschlagen und einen umfassenden Rahmen mit Anreizen und Regelungen ausarbeiten.

- Wiederanstoß der Kampagne der Kommission für Qualität in der Schifffahrt durch Partnerschaften mit den Seebehörden der EU, den maritimen Industrien allgemein und den Nutzern von Seeverkehrsdiensten.

- In diesem Zusammenhang sollte ein europäisches Umweltmanagementsystem für den Seeverkehr gefördert werden, das auf eine kontinuierliche Verbesserung der Umweltverträglichkeit des Seeverkehrs ausgerichtet ist; daneben sollte zur Belohnung von Anstrengungen für eine umweltverträglichere Seefahrt eine Abstufung der Registrierungs- und Hafengebühren sowie sonstiger Abgaben in Betracht gezogen werden.

4.2. Seeverkehrssicherheit

Mit der Annahme und nachfolgenden Umsetzung des 3. Maßnahmenpakets für die Seeverkehrssicherheit verfügt die EU nun über einen Rechtsrahmen für die Schifffahrt, der weltweit zu den umfassendsten und fortschrittlichsten gehört. Außerdem haben sowohl die EU-Seebehörden als auch die europäische Seeverkehrsbranche in großem Umfang in die Erfüllung von Sicherheitsanforderungen investiert.

Allerdings werden der Flottenzuwachs, die Inbetriebnahme sehr großer Fracht- und Passagierschiffe sowie der exponentielle Anstieg der Seeverkehrsbewegungen erheblichen Druck auf die Sicherheit des Seeverkehrs ausüben. Durch eine Ausweitung der offenen und schiffbaren Gewässer wird unweigerlich Verkehr über die mit besonderen Erfordernissen behaftete sogenannte nördliche Seeroute angezogen. Ein Ausbau des Suez-Kanals würde mehr Verkehr mit größeren Schiffen durch das Mittelmeer mit entsprechend höheren Risiken bedeuten.

In den kommenden Jahren sollten die EU und ihre Mitgliedstaaten

- der Durchsetzung bestehender gemeinschafts- und völkerrechtlicher Regeln sowie der zügigen Umsetzung der mit dem 3. Maßnahmenpaket für die Seeverkehrssicherheit eingeführten Maßnahmen Vorrang einräumen ;

- das Mandat und die Arbeitsweise der Europäischen Agentur für die Sicherheit des Seeverkehrs so überarbeiten, dass diese den Mitgliedstaaten und der Kommission umfassendere technische und wissenschaftliche Unterstützung leisten kann;

- die Wirksamkeit des Engagements der EU in der IMO steigern und im Interesse einer gemeinsamen Seeverkehrs-Sicherheitskultur und gemeinsamer Bemühungen, zum Beispiel im Hinblick auf Hafenstaatkontrollen, die internationale Zusammenarbeit mit den wichtigsten Handels- und Seeverkehrspartnern und insbesondere mit Nachbarstaaten verstärken;

- in diesem Rahmen besondere Aufmerksamkeit auf die Herausforderungen richten, die mit extremen Verkehrsbedingungen , z. B. Eis, sowie der stetig zunehmenden Schiffsgröße verbunden sind. Für alle Schiffe, die in stärker exponierten Seegebieten eingesetzt werden, sollten Normen für das Fahren im Eis und die bauliche Auslegung sowie den Unterstützungsbedarf (Eisbrecher) gelten;

- für die systematische Anwendung der IMO-Leitlinien zur Behandlung aus Seenot geretteter Personen Sorge tragen. Europa sollte eine führende Rolle bei den Bemühungen um Hilfeleistung und Klärung der Verpflichtungen in Bezug auf die Rettung von Personen in Not übernehmen. Diese Bemühungen sollten insbesondere die Koordinierung und Zusammenarbeit der Küstenstaaten mit allen Beteiligten gewährleisten und für Kapitäne einen Anreiz zur Erfüllung ihrer Verpflichtungen darstellen;

- sicherstellen, dass alle europäischen Seebehörden die wirtschaftlichen und personellen Ressourcen aufbringen, die notwendig sind, um ihren Verantwortlichkeiten als Flaggen-, Hafen- und Küstenstaaten nachzukommen. Alle EU-Mitgliedstaaten sollten bis spätestens 2012 auf der „weißen Liste“ der Pariser Vereinbarung über die Hafenstaatkontrolle stehen;

- in der IMO darauf hinzuwirken, dass so rasch wie möglich eine Einigung über einen wirksamen internationalen Rahmen zur Regelung der Haftung und Entschädigung für Schäden bei der Beförderung gefährlicher und schädlicher Stoffe auf See erreicht wird;

- gewährleisten, dass bis 2012 alle Mitgliedstaaten entsprechend ihren Zusagen an alle einschlägigen internationalen Übereinkünfte gebunden sind und die Vorschriften des Kodex für die Umsetzung der vorgeschriebenen IMO-Instrumente sowie des Auditsystems der IMO-Mitgliedstaaten einhalten.

4.3. Gefahrenabwehr im Seeverkehr

Die europäische Seeverkehrsindustrie hat erhebliche Anstrengungen zur Durchführung der 2002 von der IMO angenommenen und 2004 in Gemeinschaftsrecht umgesetzten verbindlichen Gefahrenabwehrmaßnahmen unternommen. Allerdings geht die terroristische Bedrohung keineswegs zurück, und Schiffe und Häfen werden auch künftig der Gefahr von Terroranschlägen ausgesetzt sein. Daneben geben seeräuberische Handlungen und bewaffnete Raubüberfälle auf See weiterhin Anlass zu größter Besorgnis. Weitere Schwierigkeiten sind mit Schmuggel und illegalem Handel sowie der Problematik blinder Passagiere verbunden.

Die bereits begonnenen Arbeiten zur Errichtung eines umfassenden Rahmens von Sicherheitsmaßnahmen auf der Grundlage von Prävention, Reaktions- und Widerstandsfähigkeit müssen zu Ende gebracht werden. Dies sollte dazu führen, dass eine echte „ Kultur der Gefahrenabwehr “ integraler Bestandteil des hochwertigen Seeverkehrs- und Hafenbetriebs wird, ohne die Leistungsfähigkeit des Seeverkehrs und die Lebensqualität der Seeleute und Fahrgäste unnötig zu beeinträchtigen.

Die Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten sollten unter angemessener Berücksichtigung der jeweiligen Zuständigkeiten in diesem Bereich auf folgende Ziele ausgerichtet sein:

- In Bezug auf die Bedrohung durch Terrorismus sollten die Kommission und die Mitgliedstaaten entsprechend dem Ausmaß der Bedrohung und auf der Grundlage geeigneter Methoden zur Risikoanalyse weiterhin die Durchführung internationaler Maßnahmen zur Gefahrenabwehr unterstützen. Flaggenstaaten und Reeder müssen eng zusammenarbeiten, und die Seeleute müssen sowohl eine angemessene Grundausbildung als auch laufende Fortbildung in diesem Bereich erhalten.

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten den durch die Änderungen der im Zollkodex der Gemeinschaft vorgesehenen Sicherheitsvorkehrungen geschaffenen Rahmen umfassend nutzen und damit zu den internationalen Anstrengungen zur Sicherung der internationalen Versorgungskette beitragen.

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten müssen entschlossen auf Seeräuberei und bewaffnete Überfälle reagieren und einen Beitrag zum Schutz des Seeverkehrs in den betroffenen Gebieten leisten. Europa sollte eine Rolle in der Entwicklung und Stabilisierung der Staaten spielen, von denen solche Angriffe ausgehen.

- Oberste Priorität in dieser Hinsicht ist der Schutz der Seeleute, Fischer und Passagiere vor der Küste Somalias, im Golf von Aden sowie in jeder anderen Region, die künftig problematisch werden könnte .

- Daneben müssen die internationalen Schifffahrtsrouten im Interesse der Stabilität des weltweiten Seeverkehrs vor allen Handlungen geschützt werden, die den freien Verkehrsfluss stören könnten. Da mehr als 12 % des insgesamt auf See beförderten Erdöls den Golf von Aden durchlaufen, würden in großem Maßstab vorgenommene Umleitungen um das Kap der Guten Hoffnung nicht nur zu einer Verdoppelung der Wegstrecke einer durchschnittlichen Fahrt vom Golf nach Europa führen, sondern auch zu einem erheblichen Anstieg des Kraftstoffverbrauchs, der Emissionen und der Transportkosten.

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten Reaktionspläne mit Frühwarnsystemen, gemeinsamer Beobachtung von Ereignissen und Schutzplänen erstellen. Diesen Mechanismen sollte die umfassende Nutzung des Systems zur Fernidentifizierung und -verfolgung LRIT sowie anderer Überwachungssysteme wie auch eine verstärkte Koordinierung der zuständigen Behörden in den Mitgliedstaaten zugute kommen.

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten zusammenarbeiten, um angemessene Verbesserungen des Internationalen Kodex für die Gefahrenabwehr auf Schiffen und in Hafenanlagen ( ISPS ) zu gewährleisten; ein Programm zur Leistung technischer Unterstützung für Hafen- und Seebehörden sollte in Betracht gezogen werden.

4.4. Seeüberwachung

Mit Blick auf 2018 sollten die Kapazitäten des Seeverkehrssystems der EU durch Einrichtung eines integrierten Informationsmanagementsystems gestärkt werden, das es ermöglicht, sämtliche Schiffe auf See und auf Binnenwasserstraßen, die europäische Häfen anlaufen oder verlassen oder EU-Gewässer durchfahren bzw. diesen nahekommen, zu identifizieren , zu überwachen , zu verfolgen und zu melden .

Ein derartiges System wäre Teil der Initiative „e-Maritime“ und würde sich zu einem integrierten EU-System für die Bereitstellung elektronischer Dienste auf unterschiedlichen Ebenen der Transportkette entwickeln. Im Hinblick darauf sollte das System eine Kopplung mit den Systemen e-Fracht und e-Zoll sowie intelligenten Verkehrssystemen[10] unterstützen und den Nutzern die Ortung und Verfolgung der Fracht nicht nur während des Seeverkehrsabschnitts der Beförderung, sondern im Sinne echter Intermodalität verkehrsträgerübergreifend ermöglichen.

In einem umfassenderen Kontext sollte die EU gestützt auf Ressourcen, die derzeit bereits verfügbar sind – wie AIS, LRIT, SafeSeaNet und CleanSeaNet – oder entwickelt werden – wie Galileo und GMES – sowie angesichts der Notwendigkeit zur vollständigen Entwicklung von EUROSUR[11] die Schaffung einer Plattform fördern, die die Konvergenz der see-, land- und weltraumgestützten Technologien, die Integrität der Anwendungen und ein zweckmäßiges Informationsmanagement gemäß dem Grundsatz der Weitergabe von Informationen nach Notwendigkeit gewährleistet. Zur Vermeidung von Doppelarbeit sollte die Zusammenarbeit zwischen militärischen und zivilen Stellen gefördert werden.

Die Kommission wirkt ferner auf die Einrichtung eines integrierten grenz- und sektorübergreifenden EU-Überwachungssystems hin[12]. Eines ihrer zentralen Ziele ist die Schaffung von Netzen zum Informationsaustausch zwischen nationalen Behörden, um die Interoperabilität der Überwachungstätigkeiten zu verbessern, die Effizienz von Einsätzen auf See zu steigern und die Durchführung der einschlägigen Rechtsvorschriften und politischen Konzepte zu erleichtern[13].

4.5 Seeverkehr als Schlüsselelement der Energieversorgungssicherheit der EU

Der Seeverkehr ist für die Energieversorgungssicherheit Europas von entscheidender Bedeutung und daher ein wesentliches Instrument der europäischen Energiepolitik. Er ist als Teil der EU-Strategie zur Diversifizierung der Versorgungswege und –quellen zu sehen. 90 % des Öls werden auf dem Seeweg befördert, und es besteht eine zunehmende Tendenz zum Transport von verflüssigtem Erdgas (LNG) mit Tankern. Auch viele andere Energieprodukte werden im Seeverkehr befördert[14].

Sämtliche Betriebsbereiche der Energieprodukte transportierenden Flotte – Tanker für Rohöl und Rohölerzeugnisse, LNG und LPG sowie Offshore-Versorgungsschiffe – sind für die Gewährleistung des reibungslosen Funktionierens der Energiemärkte, der Versorgungssicherheit und mithin des Wohlstands der europäischen Bürger und einer florierenden europäischen Gesamtwirtschaft von zunehmender Bedeutung.

Die jüngsten Unterbrechungen der terrestrischen Versorgung mit Öl und Gas unterstreichen in besonderer Weise die Bedeutung der Flüssiggas-Infrastruktur. Wie namentlich in der zweiten Überprüfung der Energiestrategie[15] hervorgehoben wurde, sind Flüssiggasanlagen zur Flexibilisierung der Gasversorgung im Energiebinnenmarkt von wesentlicher Bedeutung, da sie Solidarität im Krisenfall ermöglichen. Die Flotte zur Beförderung von Energieprodukten muss höchsten technologischen Standards genügen, und deren Besatzung muss im Rahmen der Anstrengungen der EU für eine qualitätsorientierte Schifffahrt über eine gute Ausbildung verfügen.

5. Zusammenarbeit auf internationaler Ebene

Die Europäische Union engagiert sich schon seit Langem für offenen und fairen Wettbewerb sowie für ein hohes Qualitätsniveau im Seeverkehr. Dies erklärt ihre Unterstützung für die Arbeit der spezifischen internationalen Organisationen im Bereich des Seeverkehrs, darunter IMO, ILO, WTO und WZO, sowie ihr starkes und wachsendes Netz bilateraler Seeverkehrsabkommen und Dialoge mit den wichtigsten Handels- und Seeverkehrspartnern.

Das Seeverkehrsübereinkommen von 2002 zwischen der Kommission und den EU-Mitgliedstaaten einerseits und China andererseits ist in diesem Zusammenhang ein gutes Beispiel. Der gleiche Ansatz wird in den laufenden bilateralen Beziehungen und Verhandlungen auf regionaler Ebene verfolgt, etwa im Rahmen der Zusammenarbeit Europa-Mittelmeer (Euromed), in der Union für den Mittelmeerraum und mit dem Mercosur.

Die globalen Herausforderungen, denen der Seeverkehr und maritime Dienstleistungen heute gegenüberstehen, verlangen überzeugende Reaktionen seitens der internationalen Gemeinschaft. Die Kommission und die Mitgliedstaaten sind in einer günstigen Position, um auf einen Wandel im Interesse der Verwirklichung eines umfassenden internationalen Rechtsrahmens für den Seeverkehr hinzuwirken, der den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts gewachsen ist.

- Ein abgestimmtes Handeln auf europäischer Ebene ist in mehreren Foren von wesentlicher Bedeutung, beispielsweise in Bezug auf folgende Themen: Seerecht (UNCLOS), internationaler Handel (WTO und bilaterale Seeverkehrsdialoge und -abkommen, UNCITRAL), Sicherheit, Gefahrenabwehr und Umweltschutz (IMO), Arbeitsrecht (ILO) und Zoll (WZO).

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten sich darum bemühen und gemeinsam darauf hinwirken, dass alle Ziele der EU-Politik im Bereich der Sicherheit des Seeverkehrs durch im Rahmen der IMO vereinbarte internationale Instrumente erreicht werden. Die EU sollte im Falle eines Scheiterns der IMO-Verhandlungen bei der Durchführung von Maßnahmen in Bereichen, die für die EU von besonderer Bedeutung sind, als ersten Schritt bis zum Erreichen eines breiteren internationalen Konsens eine Führungsrolle übernehmen und dabei dem internationalen Wettbewerbsumfeld Rechnung tragen.

- Damit die EU-Mitgliedstaaten als effizientes Team mit starken Einzelspielern agieren können, muss die Anerkennung und Sichtbarkeit der EU innerhalb der IMO gesteigert werden, indem der EU-Koordinierungsmechanismus formalisiert und der Union innerhalb der IMO wenn nicht Vollmitgliedschaft, so doch zumindest offizieller Beobachterstatus gewährt wird. Die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten als IMO-Vertragsparteien werden davon nicht berührt.

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten auf einen besseren Mechanismus zur raschen Ratifizierung von IMO-Übereinkommen auf globaler Ebene hinwirken und dabei z. B. die Möglichkeit einer Ratifizierung auf der Grundlage des Heimatstaates der Flotte anstelle der Ratifizierung auf der Grundlage der Flaggenstaates prüfen.

- Die Kommission und die Mitgliedstaaten sollten mit ihren Handels- und Seeverkehrspartnern zusammenarbeiten, um eine Annäherung der Auffassungen in der IMO zu gewährleisten. Die Bemühungen der EU im Rahmen der internationalen Zusammenarbeit sollten zur Einrichtung eines Mechanismus führen, der weltweit die tatsächliche Durchsetzung der international vereinbarten Regeln durch sämtliche Flaggen- und Küstenstaaten sicherstellt.

- Die vor kurzem vorgelegte Mitteilung der Kommission über die Arktis[16] enthält Vorschläge zum Schutz und Erhalt dieses Meeresgebiets und insbesondere zur Gewährleistung einer nachhaltigen Handelsschifffahrt in arktischen Gewässern, an die sich nun entsprechende Maßnahmen anschließen sollten.

6. NUTZUNG DES VOLLEN POTENZIALS DES KURZSTRECKENSEEVERKEHRS UND DER SEEVERKEHRSDIENSTE FÜR UNTERNEHMEN UND BÜRGER IN EUROPA

Die weitere wirtschaftliche Integration der EWR-Mitgliedstaaten sowie benachbarter Staaten wird sich positiv auf die innereuropäischen Seeverkehrsverbindungen auswirken. Bis 2018 dürfte die europäische Wirtschaft sich von der gegenwärtigen Krise erholt haben. Entsprechend wird ein Anstieg des Frachtvolumens in der EU-27 von 3,8 Mrd. t im Jahr 2006 auf ca. 5,3 Mrd. t im Jahr 2018 prognostiziert. Das bedeutet, dass die Infrastruktur, also vor allem die Häfen und deren Anbindungen an das Hinterland, sowie die Schifffahrtsindustrie in zehn Jahren in der Lage sein müssen, mindestens 1,6 Mrd. t Fracht mehr als derzeit zu bewältigen. Der Personenverkehr, namentlich der Fährverkehr und Kreuzfahrten, wird ebenfalls zunehmen. Dabei müssen die territoriale Kontinuität, der regionale Zusammenhalt und Qualitätsstandards für Seeverkehrspassagiere gewährleistet werden.

Die Aufgabe besteht darin, Maßnahmen in der richtigen Kombination zu treffen, um zu ermöglichen, dass Häfen ihre Funktion als Schnittstellen effizient erfüllen können. Dazu müssen einerseits neue Infrastrukturen geschaffen und andererseits die Nutzung bestehender Kapazitäten durch Produktivitätssteigerungen in Häfen verbessert werden. Das bestehende System einschließlich der Hinterlandanbindungen und Frachtkorridore muss zur Bewältigung des erwarteten Wachstums angepasst werden. Zu diesem Zweck sollten vorwiegend folgende Prioritäten verfolgt werden:

- Errichtung eines echten „ europäischen Seeverkehrsraums ohne Grenzen “ durch Abbau administrativer Hürden, Abschaffung doppelter Grenzkontrollen, Einführung harmonisierter Dokumente und Beseitigung aller sonstigen Faktoren, die das potenzielle Wachstum des Kurzstreckenseeverkehrs hemmen.

- Umsetzung der in der Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik angekündigten Maßnahmen. Hafendienstleistungen sollten unter umfassender Berücksichtigung der Erfordernisse von Sicherheit, Gefahrenabwehr und nachhaltigem Wachstum stets im Einklang mit den Gründsätzen des lauteren Wettbewerbs, finanzieller Transparenz, Nichtdiskriminierung und Kosteneffizienz erbracht werden.

- Gewährleistung geeigneter Bedingungen zum Anziehen von Investitionen in den Hafensektor, indem der Modernisierung und dem Ausbau von Infrastrukturprojekten zur Hafen- und Hinterlandanbindung in den potenziell eher von Überlastung betroffenen Gebieten Vorrang eingeräumt wird.

- Für Umweltverträglichkeitsstudien zu Hafenerweiterungen sollten allgemein beschleunigte Verfahren angewandt werden, um die Vorlaufzeiten insgesamt deutlich zu verringern. Zu diesem Zweck wird die Kommission Leitlinien für die Anwendung der einschlägigen Umweltvorschriften der Gemeinschaft auf die Hafenentwicklung vorlegen [17].

- Stärkung der EU-Strategie zur vollständigen Umsetzung der Projekte zur Einrichtung von Meeresautobahnen , weitere Anschubförderung für innovative integrierte Lösungen im intermodalen Verkehr, Vereinfachung von Verwaltungsvorschriften und Unterstützung der von der Kommission vorgeschlagenen Initiativen zur Ökologisierung des Verkehrs.

- Finanzierungsprogramme der EU, wie die Projekte im Rahmen der transeuropäischen Verkehrsnetze , Marco Polo oder regionalpolitische Instrumente, sollten diese Entwicklungen unterstützen und auf Faktoren der Verkehrsverlagerung einwirken.

- Förderung von Maßnahmen zu besseren Anbindung von Inseln und zur Verbesserung des innereuropäischen Langstrecken-Personenseeverkehrs durch hochwertige Fähr- und Kreuzfahrtdienste und geeignete Terminals. Der Rahmen für die Erbringung öffentlicher Seeverkehrsdienste, die den Erfordernissen der territorialen Integrität umfassend gerecht werden, könnte unter Berücksichtigung der Erfahrungen, die seit der bereits 1992 erfolgten Verabschiedung der Kabotage-Verordnung gewonnen wurden, verbessert werden.

- In diesem Zusammenhang sollten die wirtschaftlichen Instrumente (z. B. Steuern, Abgaben oder Emissionshandel) zum Erreichen „ angemessener Preise “[18] untersucht werden, die den Nutzern Anreize zum Umstieg auf Alternativen im Kurzstreckenseeverkehr geben, die Überlastungsprobleme im Straßenverkehr angehen und generell marktwirtschaftliche Lösungen fördern, die zur Nachhaltigkeit der Verkehrskette insgesamt beitragen.

- Thematisierung der Passagierrechte in Fähr- und Kreuzfahrtdiensten in Europa durch Förderung einer Qualitätskampagne (Auszeichnung der besten Fährbetreiber).

7. Europa sollte in Meeresforschung und Innovation weltweit führend sein

Die Wettbewerbsfähigkeit der maritimen Industrien Europas und ihre Fähigkeit, den Herausforderungen zu begegnen, denen sie auf den Gebieten Umweltschutz, Energie, Sicherheit und Humanfaktoren gegenüberstehen, hängt in großem Umfang von Forschungs- und Innovationsmaßnahmen ab, die weiter angeregt werden müssen.

In den heutigen Herausforderungen liegen erhebliche Wachstumschancen und Effizienzsteigerungspotenziale für die Industrie. Da die Nutzer immer stärker auf die Umweltfreundlichkeit der in der Transportkette tätigen Unternehmen achten und die Versender zunehmend umweltverträgliche Beförderungen nachfragen, gewinnen Nachhaltigkeit und soziale Verantwortung von Unternehmen als Faktoren der Wettbewerbsfähigkeit an Bedeutung.

Im Seeverkehr beispielsweise besteht erhebliches Potenzial für die Verbesserung der Energieeffizienz von Schiffen, Verringerung der Umweltbelastung, Minimierung des Unfallrisikos und Verbesserung der Lebensqualität auf See. Es besteht zunehmend Bedarf an angemessenen Inspektions- und Monitoringinstrumenten und an der Entwicklung fortgeschrittener technologischer und ökologischer Normen.

Die europäischen maritimen Industrien sollten die im Zuge aufeinander folgender EU-Forschungsrahmenprogramme und anderer Initiativen unternommenen erheblichen FuE-Anstrengungen in konkrete Vorteile ummünzen:

- Eine wichtige Herausforderung besteht darin, zu ermitteln, wie die Sicherheit und Umweltverträglichkeit durch neue Schiffskonzepte und - ausrüstungen verbessert werden können. Gezielte FuE-Initiativen sollten zu neuen Designformen, fortschrittlichen Strukturen und Werkstoffen sowie sauberen und energieeffizienten Antriebssystemen führen. Zur Wahrung dieses Wettbewerbsvorteils müssen geeignete Maßnahmen für einen angemessenen Schutz von Wissen und geistigem Eigentum getroffen werden.

- Daneben sind zur Verwirklichung nachhaltiger Mobilität technologische Entwicklungen und fortschrittliche Logistikkonzepte notwendig, die die Effizienz der Verkehrskette insgesamt durch Kurzstreckenseeverkehr und Binnenschifffahrt maximieren.

- Dabei sollten alle betroffenen Akteure einbezogen werden, um zu gewährleisten, dass die aus diesen Bemühungen resultierenden Ergebnisse den Markt erreichen. FuE-Plattformen wie die Technologieplattform „WATERBORNE“ sollten umfassend genutzt werden.

- In der vor kurzem vorgelegten Mitteilung der Kommission über eine europäische Strategie für die Meeresforschung und die maritime Forschung[19] wird ein Rahmen erstellt, anhand dessen die maritimen Industrien Europas diesen technologischen Herausforderungen durch eine bessere Integration mit Meereswissenschaft und –forschung begegnen können.

- Daneben sollten zweckmäßige IKT-Instrumente für Überprüfung und Monitoring , die auch der Überwachung dienen, entwickelt werden. Das technische Flottenmanagement, darunter die Fernsteuerung der Maschinenleistung, struktureller Stärken und des Gesamtbetriebszustands von Schiffen sollte durch moderne Telekommunikationssysteme erleichtert werden. Zu diesem Zweck sollte ein Bezugsrahmen geschaffen werden, damit e-Maritime-Dienste [20] europa- und weltweit erbracht werden können. Diese elektronischen Dienstleistungen sollten auch öffentliche Stellen, Hafenbehörden und Seeverkehrsunternehmen einbeziehen.

8. Fazit

Die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten haben ein starkes gemeinsames Interesse an der Förderung eines sicheren und effizienten innereuropäischen und internationalen Seeverkehrs auf sauberen Ozeanen und Meeren, der langfristigen Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Schifffahrtsindustrie und zugehöriger maritimer Industrien auf den Weltmärkten sowie der Anpassung des gesamten Seeverkehrssystems an die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts.

Die in dieser Mitteilung vorgestellten Optionen für die europäische Schifffahrt und das europäische Seeverkehrssystem mit Blick auf das Jahr 2018 vermitteln eine Vorstellung von der Verwirklichung dieser Ziele.

Die vorgestellten Optionen beruhen auf einem integrierten seeverkehrspolitischen Konzept und stützen sich auf die Grundwerte nachhaltiger Entwicklung, wirtschaftlichen Wachstums und offener Märkte in einem von fairem Wettbewerb und ökologischen und sozialen Standards geprägten Umfeld. Der aus der angestrebten Entwicklung erwachsende Nutzen dürfte über die Grenzen Europas hinausgehen und dem gesamten maritimen Sektor, auch in den Entwicklungsländern, zugute kommen.

Die Kommission beabsichtigt die Fortsetzung eines konstruktiven Dialogs mit allen betroffenen Akteuren im Hinblick auf die praktische Umsetzung der im Zuge dieser strategischen Überlegungen ermittelten Maßnahmen.

[1] Detaillierte Information enthalten die Seeverkehrsstatistiken von EUROSTAT: http://ec.europa.eu/eurostat/.

[2] KOM(2006) 314 endg. vom 22.6.2006.

[3] KOM(2007) 575 endg. vom 10.10.2007.

[4] Diese Studie sollte zusammen mit dem Bericht der Gruppe hochrangiger Persönlichkeiten aus der Seeverkehrsbranche an die Kommission (September 2008) und der Studie „OPTIMAR — Benchmarking strategic options for European shipping and for the European maritime transport system in the horizon 2008-2018“ gelesen werden, worin alle einschlägigen Statistiken und Daten aufgeführt sind.

[5] KOM(2007) 591 vom 10.10.2007.

[6] Quelle: Studie OPTIMAR von LR Fairplay Research Ltd & Partners (September 2008).

[7] Für alle Schiffe der Weltflotte sollten verbindliche Emissionsverringerungsmaßnahmen gelten. Derzeit sind mehr als 75 % der Weltflotte in Staaten registriert, die das Kyoto-Protokoll nicht unterzeichnet haben.

[8] ABl. L 164 vom 25.6.2008, S. 19.

[9] KOM(2008) 767 vom 19.11.2008.

[10] KOM(2007) 607 vom 18.10.2007.

[11] S. Schlussfolgerungen des Rates vom 5.6.2008 zur künftigen Entwicklung von FRONTEX und des EUROSUR sowie zu den künftigen Herausforderungen der Verwaltung der Außengrenzen der EU.

[12] SEK(2008) 2737 vom 3.11.2008.

[13] Einen Überblick über die 2008 unternommenen Maßnahmen gibt das Dokument SEK(2008) 3727 vom 13.10.2008; eine Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament zur Seeüberwachung soll 2009 vorgelegt werden.

[14] S. Arbeitsunterlage der Kommissionsdienststellen „Energy Policy and maritime policy: ensuring a better fit“ - SEK(2007) 1283/2 vom 10.10.2007.

[15] SEK(2008) 2794 und SEK(2008) 2791.

[16] KOM(2008) 763 vom 20.11.2008.

[17] KOM(2007) 616 endg. vom 18.10.2007, Mitteilung über eine europäische Hafenpolitik.

[18] KOM(2008) 435 vom 8.7.2008.

[19] KOM(2008) 534 vom 3.9.2008. Programme wie „Leadership 2015“ und „Life“ unterstützen ebenfalls Innovationen, die für den Seeverkehr bedeutsam sind.

[20] Siehe Ziffer 4.4.

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