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Document 52005DC0172

Mitteilung der Kommission - Berücksichtigung der Charta der Grundrechte in den Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission - Methodisches Vorgehen im Interesse einer systematischen und gründlichen Kontrolle

/* KOM/2005/0172 endg. */

52005DC0172

Mitteilung der Kommission - Berücksichtigung der Charta der Grundrechte in den Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission - Methodisches Vorgehen im Interesse einer systematischen und gründlichen Kontrolle /* KOM/2005/0172 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 27.4.2005

KOM(2005) 172 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Berücksichtigung der Charta der Grundrechte in d en Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission Methodisches Vorgehen im Interesse einer systematischen und gründlichen Kontrolle

MITTEILUNG DER KOMMISSION

Berücksichtigung der Charta der Grundrechte in den Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission Methodisches Vorgehen im Interesse einer systematischen und gründlichen Kontrolle

I. Einleitung

1. Am 13. März 2001[1] beschloss die Kommission, dass alle vom Kollegium anzunehmenden Vorschläge für Rechtsetzungsakte und alle von diesem zu erlassenden Rechtsvorschriften während ihrer Ausarbeitung im Rahmen der üblichen Verfahren vorab einer Prüfung im Hinblick darauf zu unterziehen sind, ob sie mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union[2] vereinbar sind. Ferner legte sie fest, dass in Vorschläge für Rechtsetzungsakte und Rechtsvorschriften, die einen besonderen Bezug zu den Grundrechten aufweisen, eine förmliche Erklärung über ihre Vereinbarkeit mit der Charta der Grundrechte in Form eines Erwägungsgrundes aufzunehmen ist[3]. Ein solcher Erwägungsgrund wird nunmehr systematisch von der Legislative eingefügt.

2. Seither ist es zur gängigen Praxis geworden, bei den diensteübergreifenden Konsultationen auf die Grundrechte Bezug zu nehmen. Bei einigen Rechtsetzungsvorschlägen – insbesondere betreffend den Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts – hat die Kommission in der Begründung angegeben, dass sie mit der Charta der Grundrechte vereinbar sind. In vielen Fällen ist dagegen lediglich einem Erwägungsgrund zu entnehmen, dass die Einhaltung der Grundrechte geprüft wurde.

3. Inzwischen verfügt die Kommission im Rahmen der Planung ihrer horizontalen Politik über neue Instrumente, insbesondere über die Folgenabschätzung (impact assessment). Alle wichtigen Initiativen der Kommission, insbesondere Rechtsetzungsvorschläge, müssen zusammen mit einer Bewertung ihrer möglichen Auswirkungen vorgelegt werden. Nach einem Beschluss der Kommission müssen ab 2005 sämtliche Rechtsetzungsvorschläge und wichtige Vorschläge zur Bestimmung der politischen Richtung, die im jährlichen Legislativ- und Arbeitsprogramm enthalten sind, einer Folgenabschätzung unterzogen werden[4].

4. Die Charta der Grundrechte ist Bestandteil des am 29. Oktober 2004 unterzeichneten Vertrags über eine Verfassung für Europa.

5. In der vorliegenden Mitteilung wird nunmehr eine Methode entwickelt, wie die Charta wirkungsvoll in die Rechtsetzungsvorschläge der Kommission einbezogen werden kann. Dabei stehen drei Ziele im Vordergrund:

6. Die Dienststellen der Kommission sollen in die Lage versetzt werden, systematisch und gründlich zu prüfen, ob bei der Ausarbeitung des Rechtsetzungsvorschlags alle einschlägigen Grundrechte gewahrt wurden;

7. die Mitglieder der Kommission, insbesondere die Gruppe „Grundrechte, Bekämpfung der Diskriminierung und Chancengleichheit“, sollen die Ergebnisse dieser Prüfung nachvollziehen und eine „Kultur der Grundrechte“ vorantreiben können;

8. für die anderen Organe und für die Öffentlichkeit sollen die Ergebnisse der von der Kommission vorgenommenen Grundrechtskontrolle besser erkennbar sein. Die Kommission muss mit gutem Beispiel vorangehen, so dass sie ihre Glaubwürdigkeit und Autorität geltend machen kann, wenn sie für die Einhaltung der Grundrechte bei der Rechtsetzung Sorge trägt.

II. Systematische Grundrechtskontrolle bei der Ausarbeitung von Initiativen und bei der diensteübergreifenden Konsultation

9. Ein methodisches Vorgehen soll die Dienststellen der Kommission in erster Linie dazu befähigen, eine systematische und gründliche Prüfung der Frage vorzunehmen, ob bei der Ausarbeitung der Rechtsetzungsvorschläge der Kommission alle Grundrechte gewahrt wurden.

10. Eine solche Überprüfung findet bereits bei der Ausarbeitung des Entwurfs durch die federführende Dienststelle und vor allem während der diensteübergreifenden Konsultation statt, in deren Verlauf der Juristische Dienst im Zuge der Kontrolle der Rechtmäßigkeit prüft, ob die Grundrechte gewahrt wurden. Dies entspricht dem Beschluss der Kommission vom 13. März 2001, dem zufolge die Kontrolle der Vereinbarkeit mit der Charta während der Ausarbeitung der Rechtsetzungsvorschläge der Kommission entsprechend den üblichen Verfahren erfolgt.

11. Diese Vorgehensweise wird grundsätzlich beibehalten. Die Vereinbarkeit der Maßnahmen der Kommission mit den Grundrechten ist einer der wesentlichen Aspekte der verfassungsmäßigen Rechtmäßigkeit dieser Maßnahmen. Die Prüfung dieses Aspekts muss Bestandteil der allgemeinen Kontrolle der Rechtmäßigkeit bleiben. Es erscheint weder notwendig noch angebracht, für diesen Aspekt der Kontrolle neue Strukturen oder besondere administrative Verfahren einzuführen.

12. Um die während der diensteübergreifenden Konsultation durchgeführte Kontrolle in der Praxis zu intensivieren und zu systematisieren, werden die Grundrechte allerdings in zwei Dokumenten, die gemeinsam mit dem Rechtsetzungsvorschlag vorgelegt werden, stärker hervorgehoben:

13. in der Folgenabschätzung (impact assessment), die eine möglichst vollständige und genaue Darstellung der verschiedenen Auswirkungen des Vorschlags auf die Rechte des Einzelnen enthält (vgl. nachstehend III);

14. in der Begründung, die bei bestimmten Rechtsetzungsvorschlägen einen Abschnitt enthalten muss, in dem juristisch begründet wird, dass die Grundrechte gewahrt wurden (vgl. nachstehend IV).

15. Die Folgenabschätzung und die Begründung ergänzen sich im Rahmen der hier entwickelten Methode.

16. Die Folgenabschätzung gibt den Kommissionsdienststellen vom Beginn der Ausarbeitung einer Initiative an einen Gesamtüberblick über die verschiedenen Auswirkungen des Rechtsakts und gegebenenfalls der darin vorgesehenen Optionen auf die Rechte der möglicherweise betroffenen Gruppen und Einzelpersonen.

17. Die Folgenabschätzung beinhaltet dagegen keine rechtliche Prüfung, d.h. keine rechtliche Bewertung der einzelnen festgestellten Auswirkungen anhand der Normen der Charta der Grundrechte, der Europäischen Menschenrechtskonvention und der Rechtsprechung. Diese rechtliche Prüfung erfordert besonderes Fachwissen und muss in einem fortgeschrittenen Stadium der Ausarbeitung des Rechtstextes vorgenommen werden. Sie muss, soweit dies möglich ist, zunächst im federführenden Dienst selbst begonnen und zum Zeitpunkt der diensteübergreifenden Konsultation durch den Juristischen Dienst abgeschlossen werden. Eine Zusammenfassung dieser Prüfung muss gegebenenfalls entsprechend den nachstehend aufgeführten Modalitäten (Teil IV) in die Begründung aufgenommen und auf diese Weise allgemein sichtbar gemacht werden.

18. Die Folgenabschätzung wird auf diese Weise zu einem wichtigen Instrument für die Vorbereitung der eigentlichen Grundrechtsprüfung; sie liefert hierfür die grund-legenden Informationen, ohne sie jedoch zu ersetzen[5]. Die Schlussfolgerungen dieser rechtlichen Prüfung sollten in der Begründung erscheinen, sofern schwerwiegende Fragen aufgeworfen werden.

19. Diese Vorgehensweise erscheint gerechtfertigt, da nicht für alle Rechtsetzungsvorschläge eine Folgenabschätzung vorgeschrieben ist[6] und die Probleme im Zusammenhang mit den Grundrechten mitunter erst bei den einzelnen Durchführungsbestimmungen bzw. bei sehr spezifischen Details eines Rechtsaktes sichtbar werden, was durch die Folgenabschätzung allein nicht erkennbar ist.

20. Im Übrigen ist es Sache des federführenden Dienstes sicherzustellen, dass die Generaldirektion Justiz, Freiheit und Sicherheit zur diensteübergreifenden Konsul-tation hinzugezogen wird, wenn ein Vorschlag – insbesondere unter Berücksichti-gung der Folgenabschätzung – voraussichtlich Probleme im Hinblick auf die Grundrechte aufwerfen wird. Ebenso hat er darauf zu achten, dass die für die Außenbeziehungen zuständige Generaldirektion hinzugezogen wird, wenn ein Vorschlag möglicherweise die Grundrechte von außerhalb der Union befindlichen Staatsangehörigen von Drittländern berührt.

21. Auch die von der Kommission selbst aufgrund des Vertrags oder im Rahmen ihrer Durchführungsbefugnisse im Wege der Komitologieverfahren erlassenen Rechtsakte können im Hinblick auf die Grundrechte problematisch sein. Auch diese Rechtsakte sind Gegenstand der diensteübergreifenden Konsultation, bei der die Vereinbarkeit mit der Charta der Grundrechte anhand der oben genannten Grundsätze geprüft werden kann. Im Gegensatz zu den Rechtsetzungsvorschlägen wird den Rechtsakten der Kommission weder eine Begründung beigefügt, noch ist für sie eine Folgenabschätzung vorgeschrieben. Allerdings kann eine Folgenabschätzung ausnahmsweise vorgenommen werden, wenn dies nach Ansicht des federführenden Dienstes durch die Auswirkungen eines geplanten Rechtsaktes gerechtfertigt ist und die rechtlichen Rahmenbedingungen es zulassen.

III. Berücksichtigung der Grundrechte bei der Folgenabschätzung

22. Die Folgenabschätzung ist ein Instrument, das von der Kommission seit 2002[7] mit dem Ziel verwendet wird, die bis dahin üblichen auf jeweils nur einen Bereich ausgerichteten Folgenabschätzungen abzulösen und sie in einem umfassenden Instrument zusammenzufassen, das sämtliche Sektoren und wirtschaftliche, soziale sowie Umweltfolgen einbezieht. Im Oktober 2004 nahm die Kommission einen Bericht[8] an, in dem die ersten Erfahrungen sowie die nächsten Schritte zur Verbesserung dieses Instruments dargestellt werden. Auf der Grundlage dieses Berichts werden Überarbeitete Leitlinien für die Folgenabschätzung erarbeitet, die in Kürze zur Anwendung kommen sollen. Darin enthalten ist unter anderem eine revidierte detaillierte Checkliste von Auswirkungen, die bei der Folgenabschätzung zu berücksichtigen sind[9].

23. Damit die Dimension der Grundrechte noch eingehender gewürdigt wird, wurde in die Checkliste der Überarbeiteten Leitlinien für die Folgenabschätzung eine Reihe zusätzlicher Fragen aufgenommen, um zu gewährleisten, dass die Auswirkungen auf die Grundrechte umfassend gewürdigt werden und eine Verhältnismäßigkeitsanalyse unter Berücksichtigung ihrer Bedeutung durchgeführt wird.

24. Die Checkliste der Überarbeiteten Leitlinien ist nach wie vor in die drei Kategorien wirtschaftliche, soziale und Umweltauswirkungen unterteilt. Statt für die Grund-rechte eine eigene vierte Kategorie oder einen Unterabschnitt der Kategorie der sozialen Auswirkungen einzuführen, wurden die zusätzlichen auf die Grundrechte bezogenen Fragen entsprechend ihrer inhaltlichen Zuordnung in die drei bestehenden Titel eingefügt. Grund dafür ist, dass die in der Charta aufgeführten Grundrechte unterschiedlicher Natur sind und sämtliche Sektoren betreffen. Beispielsweise werden die Auswirkungen auf die Eigentumsrechte, die unternehmerische Freiheit oder die Freiheit der Berufswahl am besten im Titel der wirtschaftlichen Auswirkungen behandelt und beurteilt. Die die sozialen Rechte betreffenden Fragen sollten vorzugsweise im Abschnitt über die sozialen Auswirkungen untersucht werden. Die Einführung eines vierten Titels „Grundrechte“ könnte möglicherweise dazu führen, dass sich die prüfenden Dienststellen unnötig wiederholen, anstatt ihre Aufmerksamkeit auf die praktischen Auswirkungen zu konzentrieren, die für die Grundrechte entstehen können. Die Einführung eines Unterabschnitts unter dem Titel „Soziale Auswirkungen“ würde der Vielfalt und dem Gleichgewicht zwischen den in der Charta aufgeführten sozialen, wirtschaftlichen und politischen Rechten nicht gerecht.

IV. Berücksichtigung der Grundrechte in der Begründung

25. Bei einigen neueren Rechtsetzungsvorschlägen der Kommission enthält die Begrün-dung bereits eine mehr oder weniger detaillierte Grundrechtsprüfung. Allerdings ist dies nicht systematisch bei sämtlichen Vorschlägen geschehen, die Fragen bezüglich der Grundrechte aufgeworfen haben und bei denen die Kommission den üblichen im Beschluss vom 13. März 2001 vorgesehenen Erwägungsgrund "Einhaltung der Charta" eingefügt hat. Somit erscheint es notwendig, in Leitlinien festzulegen, welche Rechtsetzungsvorschläge den Erwägungsgrund bezüglich der Charta enthalten sollten.

26. Im Beschluss der Kommission vom 13. März 2001 ist vorgesehen, dass ein Erwägungsgrund eingefügt wird für alle Rechtsetzungsvorschläge oder Rechtsakte, die einen spezifischen Bezug zu den Grundrechten aufweisen . Anders als für den Erwägungsgrund zum Subsidiaritätsprinzip hat sie sich in diesem Fall somit – aus gutem Grund – nicht für eine systematische Anwendung entschieden. Es erscheint weder möglich noch wünschenswert, diesbezüglich genaue Anweisungen zu geben. Die Dienststellen müssen einen Ausgleich finden zwischen der Gefahr der Banalisierung, die im Falle der allgemeinen Anwendung des Erwägungsgrundes gegeben wäre und der notwendigen Wachsamkeit, die sicherstellt, dass ernste Fragen im Zusammenhang mit der Wahrung der Grundrechte eingehend behandelt werden.

27. Allerdings können zwei Kriterien herausgestellt werden, die sich nicht gegenseitig ausschließen und in der Praxis als Orientierung dienen sollen. Die Einfügung des „Charta“-Erwägungsgrundes ist in zwei Fällen gerechtfertigt:

28. wenn – insbesondere durch die Folgenabschätzung - erkennbar wird, dass durch den Rechtsetzungsvorschlag ein Grundrecht eingeschränkt wird, wofür gemäß Artikel 52 der Charta triftige Gründe vorliegen müssen[10]; Gleiches gilt für den Fall einer direkten oder indirekten Ungleichbehandlung, die im Hinblick auf die Gleichheit vor dem Gesetz und das Diskriminierungsverbot begründet sein muss;

29. wenn der Rechtsetzungsvorschlag dazu dient, ein bestimmtes Grundrecht umzusetzen oder seine Wahrnehmung zu fördern.

30. Außerdem ist die Regel einzuführen, dass nunmehr jeder Rechtsetzungsvorschlag, in den der standardisierte Charta-Erwägungsgrund aufgenommen wird, in der Begründung einen Abschnitt enthalten muss, in dem kurz dargelegt wird, auf welche Weise die Grundrechte gewahrt wurden.

31. Diese Regel bezweckt zweierlei:

32. Zum einen gibt die Kommission auf diese Weise öffentlich zu erkennen, dass sie bei allen Rechtsetzungsinitiativen, die bezüglich der Grundrechte Zweifel aufwerfen, eine rechtliche Prüfung im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte durchführt. Somit kann ihr nicht mehr – wie in der Vergangenheit mitunter geschehen – vorgeworfen werden, sie habe einfach die Vereinbarkeit mit der Charta durch die Aufnahme des standardisierten Erwägungsgrundes behauptet, ohne die Gründe hierfür anzugeben.

33. Zum anderen wird durch diese Regel – ebenso wie durch die Berücksichtigung der Grundrechte in der Folgenabschätzung – die Wirksamkeit der internen Kontrolle erhöht. Indem die federführenden Dienste verpflichtet werden, in ihren Begründungsentwurf eine Zusammenfassung bezüglich der Wahrung der Grundrechte aufzunehmen, findet eine Sensibilisierung für solche Fragen statt, die eine bessere Voraussetzung für die förmliche rechtliche Prüfung während der diensteübergreifenden Konsultation bildet. Der Juristische Dienst muss diesem Teil der Begründung besondere Aufmerksamkeit schenken und bei seiner endgültigen Formulierung gegebenenfalls Hilfe leisten.

V. Weiterverfolgung der internen Grundrechtskontrolle durch die Gruppe der Kommissionsmitglieder

34. Die interne Grundrechtskontrolle muss im Wesentlichen durch die Dienststellen erfolgen; dennoch ist es unerlässlich, dass die Kommissionsmitglieder, insbesondere diejenigen der Gruppe "Grundrechte, Bekämpfung der Diskriminierung und Chancengleichheit" genau über ihre Funktionsweise und Hauptergebnisse informiert sind. Der Juristische Dienst wird die Gruppe der Kommissionsmitglieder regelmäßig über besondere Fälle bei der Durchführung der internen Grundrechtskontrolle in Kenntnis setzen. Im besonderen Fall von Rechtsetzungsvorschlägen, bei denen mehrere Grundrechte gegeneinander abgewogen werden müssen, könnte die Gruppe gegebenenfalls innerhalb der von der Charta eingeräumten Beurteilungsspielräume politische Leitlinien formulieren.

35. 2007 wird der Gruppe eine allgemeine Bilanz dieser internen Kontrolle vorgelegt, die vom Juristischen Dienst in Abstimmung mit der Generaldirektion „Justiz, Freiheit und Sicherheit“ und dem Generalsekretariat zu erarbeiten ist und gegebenenfalls aufgrund der ersten Erfahrungen Vorschläge für eine Änderung oder Ergänzung der Methode enthalten wird. Sobald – voraussichtlich im Januar 2007 – die künftige Agentur für Grundrechte ihre Arbeit aufnimmt, ist zu prüfen, wie ihre Tätigkeit als Nachfolgerin der Europäischen Stelle zur Beobachtung von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit im Rahmen der vorgeschlagenen Methode genutzt werden kann.

VI. Weiterverfolgung der Grundrechtskontrolle bei den Arbeiten der Legislative

36. Die Verantwortung der Kommission als Hüterin der Verträge und somit auch der Grundrechte endet nicht in dem Augenblick, wo sie der Legislative einen Vorschlag unterbreitet.

37. Die Kommission und insbesondere die Gruppe der Kommissionsmitglieder wird, insbesondere wenn es um mit Blick auf die Grundrechte sensible Dossiers geht und wenn während des Rechtsetzungsverfahrens auf die Grundrechte Bezug genommen wird, die Arbeit der beiden Rechtsetzungsorgane sorgfältig im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte beobachten. Sie wird das in ihren Rechtsetzungsvorschlägen enthaltene Niveau des Grundrechteschutzes verteidigen und vor jeglicher ungerechtfertigten Gefährdung durch die Legislative warnen.

38. Als letztes Mittel wird sich die Kommission das Recht vorbehalten, nach einer politischen Prüfung des Einzelfalles eine Nichtigkeitsklage wegen Verletzung der Grundrechte zu erheben, wenn sie die Verletzung für gegeben hält und keine Möglichkeit besteht, den erlassenen Rechtsakt so auszulegen, dass er mit den Grundrechten vereinbar ist.

VII. Öffentlichkeit der internen Grundrechtskontrolle

39. Dass die Kommission die Rechtsetzungsvorschläge einer internen Grundrechtskontrolle unterzieht, muss den europäischen Bürgern in geeigneter Form mitgeteilt werden.

40. Dabei stehen drei Ziele im Vordergrund:

41. Die Kommission macht auf diese Weise ihre eigenen Anstrengungen im Hinblick auf die Wahrung der Grundrechte sichtbar, was zur Glaubwürdigkeit ihrer Initiativen beiträgt;

42. dadurch gewinnt die Charta als Trägerin der auf gemeinsamen Werten beruhenden europäischen Identität an Publizität;

43. diese Sensibilisierung der Öffentlichkeit wird die Bürger und die Zivilgesellschaft dazu anregen, bei den von der Kommission durchgeführten Anhörungen ihre Grundrechte geltend zu machen, was wiederum zu einer umfassenderen Berücksichtigung und einer entschiedeneren Förderung der Grundrechte in der Politik der Union führt.

44. Die Öffentlichkeitsarbeit muss sich auf drei Ebenen beziehen:

45. Durch diese Mitteilung werden die anderen Organe und die Öffentlichkeit darauf aufmerksam gemacht, welches die Grundsätze der internen Grund-rechtskontrolle für die Rechtsetzungsvorschläge der Kommission sind;

46. durch die öffentliche Zugänglichkeit der Folgenabschätzung und des Abschnitts über die Grundrechte in der Begründung können die anderen Organe und die Öffentlichkeit diese Kontrolle konkret bei den einzelnen Rechtsetzungsvorschlägen verfolgen;

47. wenn die Kommission bei der Ausarbeitung ihrer Initiativen und insbesondere im Rahmen der Folgenabschätzung Anhörungen von beteiligten Dritten, der Zivilgesellschaft oder der breiten Öffentlichkeit durchführt, wird sie die Grundrechte und ihre eigene interne Kontrolle ansprechen und die Beteiligten auffordern, ihre Grundrechte geltend zu machen. Diese Vorgehensweise ist unentbehrlich um zu gewährleisten, dass die Folgenabschätzungen vollständig und ausgewogen durchgeführt werden und um in der Europäischen Union eine echte „Grundrechte-Kultur“ ins Leben zu rufen.

[1] SEK(2001) 380/3.

[2] Die Charta wurde am 7. Dezember 2000 feierlich von den Präsidenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission proklamiert (ABl. C 364 vom 18.12.2000, S. 1). Leicht geändert bildet sie nun den zweiten Teil des Vertrags über eine Verfassung für Europa, der am 29. Oktober 2004 unterzeichnet wurde (ABl. C 310 vom 16.12.2004, S. 1). Sie ist somit rechtlich nicht verbindlich. Allerdings greift sie die grundlegenden Prinzipien auf, die von der Rechtsprechung als allgemeine Grundsätze des Gemeinschaftsrechts für verbindlich erklärt wurden.

[3] Der Erwägungsgrund lautet entsprechend dem Dokument SEK(2001) 380/3: „Dieser Rechtsakt steht im Einklang mit den Grundrechten und befolgt die insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union anerkannten Prinzipien“. Gegebenenfalls kann ein zweiter Satz hinzugefügt werden: „Dieser Rechtsakt zielt insbesondere darauf ab, die vollständige Einhaltung des Rechts XX sicherzustellen und/oder die Anwendung des Prinzips YY zu fördern(Artikel XX und/oder Artikel YY der Charta der Grundrechte der Europäischen Union)“.

[4] Vgl. Arbeitsprogramm der Kommission für 2005, KOM(2005) 15 endgültig.

[5] Die Kommission hat bereits betont, dass die Folgenabschätzung nur eine Entscheidungshilfe ist, die die politische Bewertung nicht ersetzen kann (vgl. Mitteilung vom 5.6.2002, KOM(2002) 276 endgültig, S. 3). Ebenso ist sie als wichtige Grundlage für die rechtliche Prüfung zu betrachten, die von den Kommissionsdienststellen im Zuge der dienstübergreifenden Konsultation vorgenommen werden muss.

[6] Allerdings können selbst Rechtsetzungsinitiativen, die nicht im Legislativ- und Arbeitsprogramm der Kommission aufgeführt sind, zu den Initiativen zählen, für die eine Folgenabschätzung erforderlich ist.

[7] Mitteilung der Kommission über Folgenabschätzung vom 5.6.2002, KOM(2002) 276 endgültig.

[8] SEK(2004) 1377.

[9] Diese Checkliste ersetzt die Liste in Anhang II zum Dokument SEK(2004) 1377.

[10] Entspricht Artikel II-112 der Verfassung.

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