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Document 31998Y0302(02)

Mitteilung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

OJ C 66, 2.3.1998, p. 5–13 (ES, DA, DE, EL, EN, FR, IT, NL, PT, FI, SV)
Special edition in Czech: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Estonian: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Latvian: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Lithuanian: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Hungarian Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Maltese: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Polish: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Slovak: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Slovene: Chapter 08 Volume 001 P. 195 - 203
Special edition in Bulgarian: Chapter 08 Volume 003 P. 93 - 101
Special edition in Romanian: Chapter 08 Volume 003 P. 93 - 101
Special edition in Croatian: Chapter 08 Volume 005 P. 9 - 17

31998Y0302(02)

Mitteilung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen

Amtsblatt Nr. C 066 vom 02/03/1998 S. 0005 - 0013


MITTEILUNG DER KOMMISSION über den Begriff des Zusammenschlusses der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates über die Kontrolle von Unternehmenszusammenschlüssen (98/C 66/02) (Text von Bedeutung für den EWR)

I. EINLEITUNG

II. FUSION VON ZUVOR UNABHÄNGIGEN UNTERNEHMEN

III. ERLANGUNG DER KONTROLLE

1. Alleinige Kontrolle

2. Gemeinsame Kontrolle

2.1. Gleiche Stimmrechte oder Besetzung der Entscheidungsgremien

2.2. Vetorechte

2.3. Gemeinsame Ausübung der Stimmrechte

2.4. Sonstige Überlegungen zur gemeinsamen Kontrolle

2.5. Gemeinsame Kontrolle auf Zeit

3. Kontrolle eines einzelnen Aktionärs auf der Grundlage von Vetorechten

4. Veränderungen in der Zusammensetzung der Kontrolle

IV. AUSNAHMEN

V. SCHLUSSBEMERKUNG

I. EINLEITUNG

1. Mit dieser Mitteilung soll erläutert werden, wie die Kommission den Begriff des Zusammenschlusses nach Artikel 3 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 des Rates (1), zuletzt geändert durch die Verordnung (EG) Nr. 1310/97 (2) (nachstehend "die Fusionskontrollverordnung"), auslegt. Anhand dieses offiziellen Leitfadens zur Auslegung zu Artikel 3 werden sich die Unternehmen mit Fusionsabsichten schneller ein Bild davon machen können, ob ihre Vorhaben unter die Fusionskontrolle der Gemeinschaft fallen, noch bevor sie mit der zuständigen Stelle der Kommission Verbindung aufnehmen.

Diese Mitteilung ersetzt die Bekanntmachung der Kommission über den Begriff des Zusammenschlusses (3).

In dieser Mitteilung werden Artikel 3 Absätze 1, 3, 4 und 5 behandelt. Wie die Kommission Artikel 3 Absatz 2 auslegt, der sich mit Gemeinschaftsunternehmen befaßt, ist in der Mitteilung der Kommission über Vollfunktionsgemeinschaftsunternehmen dargelegt.

2. Die Kommission stützt sich in den nachfolgenden Ausführungen auf ihre Erfahrungen mit der Fusionskontrollverordnung, die seit dem 21. Dezember 1990 in Kraft ist. Die Kommission handelt im Einzelfall nach den hier aufgestellten Grundsätzen und bemüht sich, diese weiter zu entwickeln.

3. Nach Erwägungsgrund 23 der Verordnung (EWG) Nr. 4064/89 ist der Begriff des Zusammenschlusses so zu definieren, daß er nur Handlungen erfaßt, die zu einer dauerhaften Veränderung der Struktur der beteiligten Unternehmen führen. Strukturveränderungen werden nach Artikel 3 Absatz 1 dadurch bewirkt, daß zwei bisher unabhängige Unternehmen fusionieren oder ein Unternehmen die Kontrolle über ein anderes Unternehmen oder einen Teil desselben erwirbt.

4. Ob ein Zusammenschluß im Sinne der Fusionskontrollverordnung vorliegt oder nicht, richtet sich eher nach qualitativen als nach quantitativen Kriterien, wobei der Begriff der Kontrolle von zentraler Bedeutung ist. In diese Kriterien fließen sowohl rechtliche wie sachliche Überlegungen ein. Ein Zusammenschluß kann daher auf rechtlicher oder faktischer Grundlage erfolgen.

5. Artikel 3 Absatz 1 der Fusionskontrollverordnung definiert zwei Arten von Zusammenschlüssen:

- Fusion zweier bisher voneinander unabhängiger Unternehmen (Buchstabe a)),

- Erlangung der Kontrolle über ein anderes Unternehmen (Buchstabe b)).

Hierauf wird in den Abschnitten II und III näher eingegangen.

II. FUSION VON ZUVOR UNABHÄNGIGEN UNTERNEHMEN

6. Eine Fusion im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a) der Fusionskontrollverordnung liegt dann vor, wenn zwei oder mehr bisher voneinander unabhängige Unternehmen zu einem neuen Unternehmen verschmelzen und keine eigene Rechtspersönlichkeiten mehr bilden. Zu einer Fusion kommt es auch, wenn ein Unternehmen in einem anderen Unternehmen aufgeht, wobei das letztere seine Rechtspersönlichkeit behält, während das erstere als juristische Person untergeht.

7. Eine Fusion im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe a) liegt aber auch dann vor, wenn zuvor unabhängige Unternehmen ihre Aktivitäten so zusammenlegen, daß eine wirtschaftliche Einheit entsteht, ohne daß rechtlich von einer Fusion gesprochen werden kann (4). Dies geschieht dann, wenn zwei oder mehr Unternehmen vertraglich vereinbaren, sich einer gemeinsamen wirtschaftlichen Leitung zu unterstellen, ohne ihre Rechtspersönlichkeit aufzugeben (5). Wenn dies faktisch zu einer Verschmelzung der Unternehmen führt und zur Entstehung einer echten wirtschaftlichen Einheit, ist der Vorgang als Fusion anzusehen. Eine wirtschaftliche Einheit setzt eine auf Dauer angelegte, einheitliche Leitung voraus. Weitere Kriterien können interner Gewinn- und Verlustausgleich zwischen Konzernunternehmen und ihre gesamtschuldnerische Haftung nach außen sein. Die faktische Verschmelzung kann durch eine Kapitalverflechtung der beteiligten Unternehmen untermauert werden.

III. ERLANGUNG DER KONTROLLE

8. Nach Artikel 3 Absatz 1 Buchstabe b) liegt ein Zusammenschluß vor, wenn Kontrolle über ein anderes Unternehmen erlangt wird. Dies kann in der Weise geschehen, daß ein Unternehmen allein oder zwei oder mehr Unternehmen gemeinsam die Kontrolle erwerben.

Die Kontrolle kann auch eine Person erlangen, wenn sie bereits allein oder gemeinsam mit anderen mindestens ein anderes Unternehmen kontrolliert, oder auch eine Mehrheit von Personen (die ein anderes Unternehmen kontrollieren). Hierfür kommen nicht nur juristische Personen des privaten und öffentlichen Rechts in Betracht (6), sondern auch natürliche Personen.

Ein Zusammenschluß im Sinne der Fusionskontrollverordnung liegt nur dann vor, wenn die Kontrolle in andere Hände übergeht. Eine interne Reorganisation in einer Unternehmensgruppe ist daher kein Zusammenschluß.

Ein Sonderfall liegt vor, wenn beide Unternehmen, das übernehmende wie das übernommene, dem selben Staat gehören (oder derselben öffentlich-rechtlichen Körperschaft). Ob dann lediglich eine interne Reorganisation vorliegt oder nicht, hängt davon ab, ob die beiden Unternehmen vorher eine wirtschaftliche Einheit im Sinne von Erwägungsgrund 12 der Verordnung (EWG) Nr. 4060/89 bildeten. Wenn die Unternehmen zuvor verschiedenen wirtschaftlichen Einheiten angehörten, die eine autonome Entscheidungsbefugnis besaßen, dann liegt ein Zusammenschluß vor und keine interne Reorganisation (7). Eine autonome Entscheidungsbefugnis ist jedoch in der Regel nicht gegeben, wenn die Unternehmen unter der gleichen Holdinggesellschaft angesiedelt sind (8).

9. Ob ein Vorgang zur Erlangung von Kontrolle führt, hängt von einer Reihe rechtlicher und/oder tatsächlicher Faktoren ab. Die Erlangung von Eigentumsrechten und Aktionärsabsprachen sind wichtige, aber nicht die einzigen Kriterien: auch rein wirtschaftliche Beziehungen können entscheidend sein. Ausnahmsweise kann auch eine wirtschaftliche Abhängigkeit faktisch zur Erlangung der Kontrolle führen, wenn beispielsweise langfristige Lieferverträge oder Lieferantenkredite in Verbindung mit strukturellen Verflechtungen einen bestimmenden Einfluß gewähren (9).

Es kann auch zur Erlangung von Kontrolle kommen, wenn dies nicht die erklärte Absicht der Parteien ist (10). Kontrolle ist in der Fusionskontrollverordnung auch definiert als "die Möglichkeit ... einen bestimmenden Einfluß ... auszuüben", das beherrschende Unternehmen braucht also seinen Einfluß nicht tatsächlich auszuüben.

10. In der Regel übernehmen jedoch Personen oder Unternehmen die Kontrolle, wenn sie Rechte innehaben oder ausüben können, die ihnen Kontrolle ermöglichen (Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe a)). Ausnahmsweise braucht der Inhaber der Beteiligung, die ihm Kontrolle über ein anderes Unternehmen sichert, nicht identisch zu sein mit dem, der die Rechte tatsächlich ausübt. Dies ist dann der Fall, wenn ein Unternehmen eine Person oder ein Unternehmen vorschiebt, um eine Beteiligung zu erwerben, die ihm die Kontrolle über das andere Unternehmen sichert, und die Kontrolle über diese vorgeschobene Person ausübt, auch wenn formal diese Person der Rechtsinhaber ist. Hier liegt die Kontrolle in Wirklichkeit bei dem Unternehmen, das im Hintergrund bleibt, aber faktisch das Zielunternehmen kontrolliert (Artikel 3 Absatz 4 Buchstabe b)). Das Vorliegen indirekter Kontrolle kann unter anderem durch Finanzquellen oder Verwandschaftsbeziehungen nachweisbar sein.

11. Die Kontrolle kann sich auf ein oder mehrere Unternehmen erstrecken, die eine eigene Rechtspersönlichkeit besitzen, oder aber auf das Unternehmensvermögen oder einen Teil desselben (11). In dem letztgenannten Fall kann es sich um Marken oder Lizenzen handeln. Die Vermögenswerte müssen dann aber ein Geschäft bilden, dem sich eindeutig ein Marktumsatz zuweisen läßt.

12. Kontrolle kann von einem oder von mehreren gemeinsam ausgeübt werden. In beiden Fällen wird Kontrolle definiert als die Möglichkeit, einen bestimmenden Einfluß auf das Unternehmen auszuüben, auf der Grundlage von Rechten, Verträgen oder in anderer Weise (Artikel 3 Absatz 3).

1. Alleinige Kontrolle

13. Eine alleinige Kontrolle entsteht in der Regel de jure dann, wenn ein Unternehmen die Stimmrechtsmehrheit eines anderen Unternehmens erwirbt. Es ist unerheblich, ob die erworbene Beteiligung 50 % plus eine Aktie (12) oder 100 % des Aktienkapitals beträgt (13). Wenn nicht andere Faktoren hinzukommen, ist der Erwerb einer Beteiligung ohne Stimmrechtsmehrheit in der Regel nicht mit der Erlangung von Kontrolle gleichzusetzen, selbst wenn die Aktienmehrheit erworben wird.

14. Alleinige Kontrolle kann auch mit einer "qualifizierten Minderheit" erworben werden. Dies kann dann entweder rechtlich oder faktisch geschehen.

Auf rechtlicher Grundlage ist dies möglich, wenn die Minderheitsbeteiligung mit besonderen Rechten ausgestattet ist. Es können dies Vorzugsaktien sein, die zu einer Stimmrechtsmehrheit führen, oder aber auch andere Rechte, die es einem Minderheitsgesellschafter möglich machen, die Wirtschaftsstrategie des Zielunternehmens zu bestimmen, zum Beispiel das Recht, über die Hälfte der Mitglieder des Aufsichtsrats oder des Vorstands zu bestimmen.

Ein Minderheitsgesellschafter kann auch faktisch allein ein Unternehmen kontrollieren. Dies ist beispielsweise dann der Fall, wenn er damit rechnen kann, in der Hauptversammlung eine Mehrheit zu bekommen, weil sich die restlichen Anteile in Streubesitz befinden (14). Es ist dann unwahrscheinlich, daß alle Kleinaktionäre an der Hauptversammlung teilnehmen oder sich vertreten lassen. Ob im Einzelfall alleinige Kontrolle besteht, richtet sich danach, wieviele Aktionäre früher an Hauptversammlungen teilgenommen haben. Wenn ein Minderheitsgesellschafter auf der Grundlage der Hauptversammlungspräsenz eine gesicherte Stimmenmehrheit hat, dann ist anzunehmen, daß er allein das Unternehmen kontrolliert (15).

Ein Minderheitsgesellschafter kann auch ein Unternehmen allein kontrollieren, wenn er das Recht hat, das Unternehmen zu leiten und die Geschäftspolitik zu bestimmen.

15. Eine Option, die zum Kauf oder zur Umwandlung von Aktien berechtigt, verleiht an sich noch keine Kontrolle, solange die Option nicht in naher Zukunft aufgrund einer rechtlich verbindlichen Absprache ausgeübt wird (16). Wenn es jedoch wahrscheinlich ist, daß die Option ausgeübt wird, kann dies ein weiteres Indiz sein, das - zusammen mit anderen - den Schluß nahe legt, daß eine alleinige Kontrolle vorliegt.

16. Bei einem Wechsel von gemeinsamer Kontrolle zu alleiniger Kontrolle, liegt ein Zusammenschluß im Sinne der Fusionskontrollverordnung vor, da ein wesentlicher Unterschied darin besteht, ob ein bestimmender Einfluß allein oder gemeinsam ausgeübt wird (17). Entsprechend sind der Erwerb gemeinsamer Kontrolle über einen Teil eines Unternehmens und alleiniger Kontrolle über den anderen Teil im Prinzip als zwei verschiedene Zusammenschlüsse nach der Fusionskontrollverordnung anzusehen (18).

17. Der Kontroll-Begriff der Fusionskontrollverordnung ist überdies nicht unbedingt mit dem Kontroll-Begriff in anderen Rechtsbereichen - z. B. Aufsichtsregeln, Steuerrecht, Luftverkehr, Medien usw. - identisch. Zudem kann der nationale Gesetzgeber in einem Mitgliedstaat im einzelnen bestimmen, wie die Entscheidungsgremien eines Unternehmens auszusehen haben, insbesondere welche Rechte die Vertreter der Belegschaft erhalten. Der Gesetzgeber kann also auch Personen, die keine Anteilseigner sind, mit Kontrollbefugnissen ausstatten. Der Kontroll-Begriff der Fusionskontrollverordnung jedoch bezieht sich nur auf den Einfluß der Unternehmenseigner. Schließlich liegt auch keine Kontrolle im Sinne der Fusionskontrollverordnung vor, wenn der Staat seine auf den Schutz des Gemeininteresses gerichteten hoheitsrechtlichen Prärogativen wahrnimmt, d. h. nicht als Aktionär auftritt, soweit mit diesen Prärogativen weder bezweckt noch bewirkt wird, daß der Staat einen bestimmenden Einfluß auf die Tätigkeit des Unternehmens ausübt (19).

2. Gemeinsame Kontrolle

18. Wie in dem Fall, in dem die Kontrolle in einer Hand liegt, so läßt sich die Erlangung der gemeinsamen Kontrolle (einschließlich des Übergangs von alleiniger auf gemeinsame Kontrolle) rechtlich oder faktisch begründen. Eine gemeinsame Kontrolle liegt dann vor, wenn die Anteilseigner (die Muttergesellschaften) bei allen wichtigen Entscheidungen, die das beherrschte Unternehmen (Gemeinschaftsunternehmen) betreffen, Übereinstimmung erzielen müssen.

19. Eine gemeinsame Kontrolle ist dann gegeben, wenn zwei oder mehr Unternehmen oder Personen die Möglichkeit haben, einen bestimmenden Einfluß in einem anderen Unternehmen auszuüben. Bestimmender Einfluß bedeutet hier in der Regel die Möglichkeit, Aktionen blockieren zu können, die das strategische Wirtschaftsverhalten eines Unternehmens bestimmen. Im Unterschied zur alleinigen Kontrolle, die einem einzelnen Aktionär das Recht gibt, die strategischen Entscheidungen des Unternehmens zu bestimmen, können bei einer gemeinsamen Kontrolle Pattsituationen entstehen, weil zwei oder mehr der beherrschenden Unternehmen die Möglichkeit haben, strategische Entscheidungen zu blockieren. Diese Anteilsinhaber müssen folglich die Geschäftspolitik des Gemeinschaftsunternehmens einvernehmlich festlegen.

2.1. Gleiche Stimmrechte oder Besetzung der Entscheidungsgremien

20. Am deutlichsten ist eine gemeinsame Kontrolle, wenn es nur zwei beherrschende Unternehmen mit gleichen Stimmrechten in dem Gemeinschaftsunternehmen gibt. Hier brauchen die beiden Unternehmen keine formelle Vereinbarung. Gibt es jedoch eine solche Vereinbarung, dann darf sie dem Prinzip der Gleichheit der beherrschenden Unternehmen nicht entgegenstehen, die zum Beispiel darin zum Ausdruck kommt, daß jedes Unternehmen die gleiche Zahl von Vertretern in die Unternehmensleitung entsendet und daß keines der Mitglieder mit seiner Stimme den Ausschlag geben kann (20). Eine Gleichheit läßt sich auch in der Weise erreichen, daß beide beherrschende Unternehmen das Recht erhalten, die gleiche Zahl von Mitgliedern in die Entscheidungsgremien des Gemeinschaftsunternehmens zu entsenden.

2.2. Vetorechte

21. Gemeinsame Kontrolle kann auch vorliegen, wenn die beiden beherrschenden Unternehmen nicht die gleichen Stimmrechte haben oder gleich stark in den Entscheidungsgremien vertreten sind, oder wo es mehr als zwei beherrschende Unternehmen gibt. Dies ist dann der Fall, wenn Minderheitsgesellschafter zusätzliche Rechte haben, die es ihnen ermöglichen, ein Veto einzulegen gegen Entscheidungen, die wesentlich sind für das strategische Wirtschaftsverhalten des Gemeinschaftsunternehmens (21). Diese Vetorechte können in der Satzung des Gemeinschaftsunternehmens verankert sein, sie können aber auch auf einer Vereinbarung der Muttergesellschaften beruhen. Die Vetorechte selbst können darin bestehen, daß für Entscheidungen der Hauptversammlung oder der Unternehmensleitung, soweit die Muttergesellschaften darin vertreten sind, eine bestimmte Stimmenzahl erforderlich ist. Möglicherweise müssen strategische Entscheidungen aber auch von einem Gremium (Aufsichtsrat z. B.) genehmigt werden, in dem ohne die Stimmen der darin vertretenen Minderheitsaktionäre keine Entscheidung getroffen werden kann.

22. Diese Vetorechte müssen sich auf strategische geschäftspolitische Entscheidungen in dem Gemeinschaftsunternehmen beziehen. Sie müssen über das hinausgehen, was in der Regel Minderheitsgesellschaftern an Vetorechten eingeräumt wird, um deren finanzielle Interessen als Kapitalgeber des Gemeinschaftsunternehmens zu schützen. Dieser übliche Rechtsschutz für Minderheitsgesellschafter gilt für Entscheidungen, die das Wesen des Gemeinschaftsunternehmens berühren, wie Satzungsänderungen, Kapitalerhöhungen, Kapitalherabsetzungen oder Liquidation. Ein Vetorecht beispielsweise, mit dem ein Verkauf oder eine Abwicklung des Gemeinschaftsunternehmens verhindert werden kann, gibt dem Minderheitsaktionär noch keine gemeinsame Kontrolle (22).

23. Vetorechte hingegen, die eine gemeinsame Kontrolle begründen, betreffen in der Regel Entscheidungen über Budget, Geschäftsplan, größere Investitionen und die Besetzung der Unternehmensleitung. Zur Erlangung gemeinsamer Kontrolle ist es jedoch nicht erforderlich, daß der Erwerber die Möglichkeit hat, einen bestimmenden Einfluß auf die Alltagsgeschäfte des Unternehmens auszuüben. Entscheidend ist, daß die Vetorechte ausreichen, um den Muttergesellschaften die Möglichkeit zu geben, das strategische Wirtschaftsverhalten zu beeinflussen. Es ist auch nicht der Nachweis erforderlich, daß der Erwerber der gemeinsamen Kontrolle von seinem bestimmenden Einfluß auch tatsächlich Gebrauch macht. Die Möglichkeit, seinen Einfluß auszuüben, somit die bloße Existenz der Vetorechte, reicht aus.

24. Um eine gemeinsame Kontrolle zu erlangen, braucht ein Minderheitsgesellschafter nicht alle obengenannten Vetorechte zu haben. Es genügt möglicherweise, daß er nur einige oder nur ein einziges Recht besitzt. Ob dies der Fall ist oder nicht, hängt von dem Inhalt des Vetorechts ab und auch von dessen Bedeutung für die geschäftlichen Aktivitäten gerade dieses Gemeinschaftsunternehmens.

Besetzung der Unternehmensleitung und Finanzplanung

25. Am wichtigsten sind in der Regel die Vetorechte, die die Besetzung der Unternehmensleitung und die Finanzplanung betreffen. Das Recht, die Zusammensetzung der Unternehmensleitung mitzubestimmen, sichert dessen Inhaber einen bestimmenden Einfluß auf die Geschäftspolitik des Unternehmens. Das gleiche gilt für Entscheidungen über die Finanzplanung, denn die Finanzplanung bestimmt, in welchem Rahmen das Gemeinschaftsunternehmen betrieben wird, und vor allem die Höhe der Investitionen.

Geschäftsplan

26. Der Geschäftsplan zeigt normalerweise in allen Einzelheiten auf, welche Ziele das Unternehmen verfolgt, und mit welchen Mitteln sie verwirklicht werden sollen. Ein Vetorecht für diese Art von Geschäftsplan reicht unter Umständen aus, um eine gemeinsame Kontrolle zu begründen, selbst wenn es sonst keine anderen Vetorechte gibt. Wenn hingegen der Geschäftsplan nur Grundsatzerklärungen zu den Geschäftszielen des Gemeinschaftsunternehmens enthält, ist das Vetorecht nur ein Punkt unter anderen bei der generellen Beurteilung der Frage, ob eine gemeinsame Kontrolle vorliegt, reicht aber für sich allein nicht aus, um eine gemeinsame Kontrolle zu begründen.

Investitionen

27. Welche Bedeutung ein Vetorecht im Fall von Investitionen hat, hängt davon ab, ab welcher Höhe Investitionen der Genehmigung durch die Muttergesellschaften bedürfen, und dann davon, inwieweit Investitionen auf dem Markt, auf dem das Gemeinschaftsunternehmen tätig ist, von Bedeutung sind. Wenn nur ganz große Investitionen genehmigungspflichtig sind, läuft das Vetorecht auf einen üblichen Schutz der Interessen des Minderheitsgesellschafters hinaus, und hat nur wenig mit einem Mitbestimmungsrecht an der Geschäftspolitik des Gemeinschaftsunternehmens zu tun. Die Investitionspolitik ist in der Regel ein wichtiges Kriterium für die Beurteilung, ob eine gemeinsame Kontrolle vorliegt. Es gibt allerdings auch Märkte, auf denen das Marktverhalten eines Unternehmens nicht wesentlich von den Investitionen bestimmt wird.

Marktspezifische Rechte

28. Abgesehen von den typischen Vetorechten, die vorstehend behandelt wurden, gibt es eine Reihe anderer Vetorechte, die mit bestimmten Entscheidungen zu tun haben, die für den Markt, auf dem das Gemeinschaftsunternehmen tätig ist, wichtig sind. Ein Beispiel hierfür ist die Entscheidung darüber, mit welcher Technologie das Gemeinschaftsunternehmen arbeiten soll, wenn die Technologie eine Schlüsselrolle im Geschäft des Gemeinschaftsunternehmens spielt. Ein anderes Beispiel liefern Märkte, die durch Produktdifferenzierung und ein hohes Maß an Innovation gekennzeichnet sind. Auf solchen Märkten kann ein Vetorecht bei Entscheidungen über die Entwicklung neuer Produkte durch das Gemeinschaftsunternehmen ein wichtiges Indiz für das Vorliegen einer gemeinsamen Kontrolle sein.

Gesamtschau

29. Sofern es mehrere Vetorechte gibt, sollten sie bei der Bewertung ihrer relativen Bedeutung nicht isoliert betrachtet werden. Ob eine gemeinsame Kontrolle vorliegt oder nicht, ist nur daran zu messen, wie diese Rechte als Ganzes wirken. Ein Vetorecht, das weder gegenüber der Geschäftspolitik noch der Strategie oder der Finanzplanung oder dem Geschäftsplan zum Tragen kommt, verleiht auch dem Inhaber keine gemeinsame Kontrolle (23).

2.3. Gemeinsame Ausübung der Stimmrechte

30. Selbst ohne besondere Vetorechte können zwei oder mehr Unternehmen, die eine Minderheitsbeteiligung an einem anderen Unternehmen erwerben, eine gemeinsame Kontrolle erlangen. Dies ist dann der Fall, wenn die Minderheitsbeteiligungen zusammen die Grundlage für eine Kontrolle über das Zielunternehmen bilden. Dies bedeutet, daß die Minderheitsgesellschafter zusammen eine Stimmenmehrheit haben und bei der Ausübung der Stimmrechte gemeinsam handeln. Dies kann das Ergebnis einer rechtsverbindlichen Vereinbarung sein oder sich faktisch aus den Verhältnissen ergeben.

31. Die gemeinsame Ausübung der Stimmrechte läßt sich rechtlich über eine Holdinggesellschaft absichern, der die Minderheitsgesellschafter ihre Rechte übertragen, oder durch eine Vereinbarung, in der sie sich verpflichten, in der gleichen Weise zu handeln (Pool-Vereinbarung).

32. Ganz selten ist die Möglichkeit eines gemeinsamen Handelns de facto dort gegeben, wo starke gemeinsame Interessen der Minderheitsgesellschafter bewirken, daß sie bei der Ausübung ihrer Stimmrechte in dem Gemeinschaftsunternehmen nicht gegeneinander handeln.

33. Beim Erwerb einer Minderheitsbeteiligung kann der Umstand, daß es schon vorher Verbindungen unter den Minderheitsaktionären gab oder die Beteiligungen in einem aufeinander abgestimmten Vorgehen erworben wurden, ein Indiz für das Vorliegen eines solchen gemeinsamen Interesses sein.

34. Bei einem neu gegründeten Gemeinschaftsunternehmen ist im Gegensatz zum Erwerb einer Minderheitsbeteiligung an einem bereits bestehenden Unternehmen die Wahrscheinlichkeit größer, daß die Gründer bewußt eine gemeinsame Politik verfolgen. Dies ist vor allem dann der Fall, wenn jeder einzelne Gründer einen lebenswichtigen Beitrag zu dem Gemeinschaftsunternehmen leistet (zum Beispiel Technologie, Kenntnis der örtlichen Marktverhältnisse oder Lieferverträge). Die Muttergesellschaften können unter diesen Umständen möglicherweise das Gemeinschaftsunternehmen nur betreiben, wenn sie uneingeschränkt zusammenarbeiten und die wichtigen strategischen Entscheidungen gemeinsam treffen, selbst wenn nicht ausdrücklich Vetorechte vereinbart wurden. Je größer die Zahl der Muttergesellschaften, um so geringer ist jedoch die Wahrscheinlichkeit, daß es hierzu kommt.

35. In Ermangelung einer starken Interessengemeinschaft wird in der Regel die Möglichkeit wechselnder Koalitionen unter den Minderheitsgesellschaften die Entstehung einer gemeinsamen Kontrolle verhindern. Wenn es in den Entscheidungsverfahren keine feste Mehrheit gibt und die Mehrheit von Fall zu Fall unter den Minderheitsgesellschaften verschieden ausfallen kann, ist nicht zu vermuten, daß die Minderheitsgesellschafter gemeinsam das Unternehmen kontrollieren. In diesem Zusammenhang reicht es nicht aus, wenn es Absprachen gibt unter zwei oder mehr Parteien mit einer gleich hohen Kapitalbeteiligung an dem Unternehmen, die identische Rechte und Machtbefugnisse unter den Parteien begründen. Wenn beispielsweise in einem Unternehmen drei Gesellschafter jeweils ein Drittel des Kapitals besitzen und jeder ein Drittel der Posten in der Unternehmensleitung besetzt, haben die Gesellschafter keine gemeinsame Kontrolle, da die Entscheidungen mit einfacher Mehrheit getroffen werden müssen. Die gleiche Überlegung gilt auch für kompliziertere Konstruktionen, wenn sich beispielsweise das Kapital eines Unternehmens gleichmäßig auf drei Aktionäre verteilt und die Unternehmensleitung aus zwölf Direktoren besteht, von denen die Aktionäre A, B und C einzeln jeweils zwei bestimmen, gemeinsam auch zwei, und die restlichen vier von den acht Direktoren gewählt werden. In diesem Fall liegt keine gemeinsame Kontrolle vor, und damit auch keine Kontrolle im Sinne der Fusionskontrollverordnung.

2.4. Sonstige Überlegungen zur gemeinsamen Kontrolle

36. Eine gemeinsame Kontrolle ist nicht unvereinbar mit einer Situation, in der eine der Muttergesellschaften eine besondere Erfahrung in dem Geschäftszweig des Gemeinschaftsunternehmens besitzt. In einem solchen Fall kann sich die andere Muttergesellschaft in den Alltagsgeschäften des Gemeinschaftsunternehmens mit einer bescheidenen Rolle begnügen oder überhaupt nicht in Aktion treten, wenn der Grund für ihre Präsenz in diesem Unternehmen in einer Finanzstrategie auf lange Sicht, Marken-Image oder Überlegungen grundsätzlicher Art liegt. Es muß sich jedoch immer die realistische Möglichkeit vorbehalten, gegen Entscheidungen der anderen Muttergesellschaft Einspruch zu erheben, denn sonst würde nur einer das Gemeinschaftsunternehmen kontrollieren.

37. Eine gemeinsame Kontrolle setzt normalerweise voraus, daß kein Unternehmen mit seiner Stimme den Ausschlag geben kann. Eine gemeinsame Kontrolle ist jedoch möglich, wenn vor der Abgabe dieser entscheidenden Stimme ein Schlichtungsverfahren und Einigungsversuche stattfinden müssen, oder die entscheidende Stimme nur auf einem sehr begrenzten Gebiet besteht (24).

2.5. Gemeinsame Kontrolle auf Zeit

38. Wenn ein Vorhaben dazu führt, daß zwar für eine Anlaufzeit (25) eine gemeinsame Kontrolle entsteht, die aber aufgrund einer rechtsverbindlichen Vereinbarung so umgewandelt werden wird, daß nur ein Aktionär die Kontrolle übernimmt, gilt das ganze Vorhaben in der Regel als Erwerb der alleinigen Kontrolle durch ein Unternehmen.

3. Kontrolle eines einzelnen Gesellschafters auf der Grundlage von Vetorechten

39. In einem Sonderfall kann zwar ein Gesellschafter allein strategische Entscheidungen in einem Unternehmen durch ein Veto verhindern, nicht aber derartige Entscheidungen allein durchsetzen. Dies ist dann der Fall, wenn ein Aktionär 50 % des Kapitals besitzt und sich der Rest auf zwei oder mehr Minderheitsgesellschafter verteilt, oder wenn für strategische Entscheidungen eine bestimmte Zahl von Stimmen erforderlich ist, die faktisch einem Minderheitsgesellschafter allein ein Vetorecht verleiht (26). Unter diesen Umständen besitzt ein einzelner Gesellschafter denselben Einfluß, den in der Regel mehrere, gemeinsam kontrollierende Gesellschafter haben, d. h. er kann die Annahme einer strategischen Entscheidung blockieren. Dieser Gesellschafter hat allerdings nicht die gleiche Machtposition, die normalerweise ein Unternehmen hat, das allein ein anderes Unternehmen kontrolliert, d. h. die Möglichkeit, strategische Beschlüsse durchzusetzen. Da dieser Gesellschafter eine Pattsituation herbeiführen kann, vergleichbar mit Fällen einer gemeinsamen Kontrolle, erwirbt er einen bestimmenden Einfluß und damit Kontrolle im Sinne der Fusionskontrollverordnung (27).

4. Veränderungen in der Struktur der Kontrolle

40. Ein Zusammenschluß liegt auch dann vor, wenn sich die Struktur der Kontrolle ändert. Hierzu gehört, wenn aus einer gemeinsamen Kontrolle eine Kontrolle durch nur ein Unternehmen wird, oder sich die Zahl der die gemeinsame Kontrolle ausübenden Gesellschafter erhöht. Die Grundsätze für die Beantwortung der Frage, ob in diesen Fällen ein Zusammenschluß vorliegt, sind eingehend in der Mitteilung zum Begriff der beteiligten Unternehmen erläutert worden (28).

IV. AUSNAHMEN

41. Artikel 3 Absatz 5 nennt drei Ausnahmen, in denen der Erwerb einer Beteiligung, die eine Kontrolle ermöglicht, keinen Zusammenschluß im Sinne der Fusionskontrollverordnung darstellt.

42. Erstens ist der Erwerb von Wertpapieren durch Unternehmen, deren normale Tätigkeit Geschäfte und den Handel mit Wertpapieren für eigene oder fremde Rechnung einschließt, kein Zusammenschluß, wenn der Erwerb im Rahmen dieser Geschäfte erfolgt und die Wertpapiere nur vorübergehend erworben werden (Artikel 3 Absatz 5 Buchstabe a)). Diese Ausnahme gilt unter folgenden Voraussetzungen:

- Der Erwerb muß von einem Kreditinstitut, einem sonstigen Finanzinstitut oder einer Versicherungsgesellschaft im Rahmen der oben beschriebenen Tätigkeit vorgenommen werden.

- Die Wertpapiere müssen zum Zwecke der Veräußerung erworben werden.

- Das erwerbende Unternehmen darf seine Stimmrechte nicht ausüben, um das strategische Marktverhalten des Zielunternehmens zu bestimmen, oder nur, um die Veräußerung der Gesamtheit oder von Teilen des Unternehmens oder seiner Vermögenswerte oder die Veräußerung der Anteile vorzubereiten.

- Das erwerbende Unternehmen muß seine beherrschende Beteiligung innerhalb von einem Jahr nach dem Erwerb veräußern, d. h. es muß seine Beteiligung innerhalb Jahresfrist mindestens so weit verringern, daß keine Kontrolle mehr gegeben ist. Die Kommission kann die Frist jedoch verlängern, wenn das erwerbende Unternehmen nachweisen kann, daß die Veräußerung innerhalb der vorgeschriebenen Frist unzumutbar war.

43. Zweitens ist keine Veränderung der Kontrolle und mithin auch kein Zusammenschluß im Sinne der Fusionskontrollverordnung gegeben, wenn ein Träger eines öffentlichen Mandats aufgrund der Gesetzgebung eines Mitgliedstaats über die Auflösung von Unternehmen, den Konkurs, die Insolvenz, die Zahlungseinstellung, den Vergleich oder ähnliche Verfahren die Kontrolle erwirbt (Artikel 3 Absatz 5 Buchstabe b)).

44. Drittens wird kein Zusammenschluß bewirkt, wenn eine Beteiligungsgesellschaft im Sinne der Vierten Richtlinie 78/660/EWG des Rates (29) die Kontrolle erwirbt, solange sie ihre Stimmrechte nur zur Erhaltung des vollen Werts der Investitionen ausübt und sie nicht dazu benutzt, um direkt oder indirekt das strategische Marktverhalten des kontrollierten Unternehmens zu bestimmen.

45. Im Zusammenhang mit den Ausnahmen nach Artikel 3 Absatz 5 kann sich die Frage stellen, ob eine Rettungsaktion einen Zusammenschluß im Sinne der Fusionskontrollverordnung darstellt. Eine Rettungsaktion besteht gewöhnlich darin, daß die Altschulden in ein neues Unternehmen umgewandelt werden, über das ein Bankenkonsortium eine gemeinsame Kontrolle erlangt. Wenn der Vorgang nach den obengenannten Kriterien zu gemeinsamer Kontrolle führt, wird in der Regel ein Zusammenschluß anzunehmen sein (30). Obgleich die Banken in erster Linie auf eine Umstrukturierung der Unternehmensfinanzen bedacht sind, um das Unternehmen anschließend verkaufen zu können, kommt die Ausnahme nach Artikel 3 Absatz 5 Buchstabe a) in einem solchen Fall normalerweise nicht zum Zuge. Der Grund hierfür ist, daß die Banken, die die Kontrolle haben, im Rahmen des Umstrukturierungsprogramms normalerweise das strategische Marktverhalten des geretteten Unternehmens bestimmen müssen. Außerdem ist es in der Regel unrealistisch zu erwarten, daß sich ein Unternehmen innerhalb der zulässigen Jahresfrist wieder wirtschaftlich auf festen Boden stellen und verkaufen läßt. Wieviel Zeit hierfür gebraucht wird, ist oft so schwer zu überblicken, daß es schwer fallen würde, eine Verlängerung der Veräußerungsfrist zu bewilligen.

V. SCHLUSSBEMERKUNG

46. Die Auslegung des Artikels 3 durch die Kommission in dieser Mitteilung greift einer Auslegung durch den Gerichtshof oder das Gericht erster Instanz der Europäischen Gemeinschaften nicht vor.

(1) ABl. L 395 vom 30.12.1989, S. 1; berichtigte Fassung: ABl. L 257 vom 21.9.1990, S. 13.

(2) ABl. L 180 vom 9.7.1997, S. 1.

(3) ABl. C 385 vom 31.12.1994, S. 5.

(4) Für die Beantwortung der Frage, ob ein Unternehmen vorher unabhängig war, kommt es u. a. auf die Kontrollverhältnisse an. Allgemeine Ausführungen hierzu folgen unter Randnummern 12 ff. So gilt ein Minderheitsaktionär im Besitz der Kontrolle, wenn er in den letzten drei Jahren auf Aktionärsversammlungen für wichtige Entscheidungen eine Stimmenmehrheit bekommen hat.

(5) Nach deutschem Recht wäre dies z. B. bei einem Gleichordnungskonzern der Fall sowie bei bestimmten "partnerships" und französischen "Groupements d'Intérêts Economiques".

(6) Dazu kann der Staat selbst gehören, wie im Fall IV/M.157, Air France/Sabena im Hinblick auf den belgischen Staat (5. Oktober 1992), oder andere öffentlich-rechtliche Körperschaften wie die Treuhand im Fall IV/M.308, Kali und Salz/MDK/Treuhand (14. Dezember 1993).

(7) Sache IV/M.097, Péchiney/Usinor (24. Juni 1991), und Sache IV/M.216, CEA Industrie/France Télécom/SGS-Thomson (22. Februar 1993).

(8) Vgl. Nr. 55 der Mitteilung unter dem Begriff der beteiligten Unternehmen.

(9) Vgl. die Entscheidung der Kommission nach dem EGKS-Vertrag in der Sache Usinor/Bamesa. Siehe auch Sache IV/M.258, CCIE/GTE (25. September 1992), und Sache IV/M.697, Lockhead Martin Corporation/Loral Corporation (27. März 1996).

(10) Sache IV/M.157, Air France/Sabena (5. Oktober 1992).

(11) Sache IV/M.286, Zürich/MMI (2. April 1993).

(12) Sache IV/M.296, Crédit Lyonnais/BFG (11. Januar 1993).

(13) Sache IV/M.299, Sarah Lee/BP Food Division (8. Februar 1993).

(14) Sache IV/M.025, Arjomari/Wiggins Teape (10. Februar 1990).

(15) Sache IV/M.343, Société Générale de Belgique/Générale de Banque (3. August 1993).

(16) Rechtssache T-2/93, Air France/Kommission, Urteil vom 19. Mai 1994, EuGH Slg. 1994, S. II-323.

(17) Hierauf wird im einzelnen unter Randnummern 30 bis 32 im Zusammenhang mit der Mitteilung über den Begriff der beteiligten Unternehmen eingegangen.

(18) Sache IV/M.409, ABB/Renault Automation (9. März 1994).

(19) Sache IV/M.493, Tractebel/Distrigaz II (1. September 1994).

(20) Sache IV/M.272, Matra/CAP Gemini Sogeti (17. März 1993).

(21) Rechtssache T-2/93, Air France/Kommission (ibid.); Sache IV/M.010, Conagra/Idea (3. Mai 1991).

(22) Sache IV/M.062, Eridania/ISI (30. Juli 1991).

(23) Sache IV/M.295, SITA-RPC/SCORI (19. März 1993).

(24) Sache IV/M.425, British Telecom/Banco Santander (28. März 1994).

(25) Die Anlaufzeit darf nicht länger als drei Jahre dauern; Sache IV/M.425, British Telecom/Banco Santander.

(26) Sache IV/M.258, CCIE/GTE (25. September 1992); die Vetorechte eines einzigen Aktionärs wurden in diesem Fall über ein von diesem Aktionär bestelltes Aufsichtsratsmitglied ausgeübt.

(27) Da dieser Aktionär als einziger einen beherrschenden Einfluß erwirbt, ist nur er zur Anmeldung des Zusammenschlusses nach der Fusionskontrollverordnung verpflichtet.

(28) Randnummern 30 bis 48.

(29) ABl. L 222 vom 14.8.1978, S. 11, Richtlinie zuletzt geändert durch die Akte über den Beitritt Österreichs, Finnlands und Schwedens. Artikel 5 Absatz 3 definiert Beteiligungsgesellschaften als "Gesellschaften, deren einziger Zweck darin besteht, Beteiligungen an anderen Unternehmen zu erwerben sowie die Verwaltung und Verwertung dieser Beteiligungen wahrzunehmen, ohne daß diese Gesellschaften unmittelbar oder mittelbar in die Verwaltung dieser Unternehmen eingreifen unbeschadet der Rechte, die den Beteiligungsgesellschaften in ihrer Eigenschaft als Aktionärin oder Gesellschafterin zustehen".

(30) Sache IV/M.116, Kelt/American Express (28. August 1991).

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