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Document 62006CJ0037

Urteil des Gerichtshofes (Dritte Kammer) vom 17. Januar 2008.
Viamex Agrar Handels GmbH (C-37/06) und Zuchtvieh-Kontor GmbH (ZVK) (C-58/06) gegen Hauptzollamt Hamburg-Jonas.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Finanzgericht Hamburg - Deutschland.
Verordnung (EG) Nr. 615/98 - Richtlinie 91/628/EWG - Ausfuhrerstattungen - Schutz von Rindern beim Transport - Verknüpfung der Zahlung der Ausfuhrerstattung für Rinder mit der Einhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 91/628/EWG - Grundsatz der Verhältnismäßigkeit - Verlust des Erstattungsanspruchs.
Verbundene Rechtssachen C-37/06 und C-58/06.

European Court Reports 2008 I-00069

ECLI identifier: ECLI:EU:C:2008:18

Parteien
Entscheidungsgründe
Tenor

Parteien

In den verbundenen Rechtssachen C‑37/06 und C‑58/06

betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 234 EG, eingereicht vom Finanzgericht Hamburg (Deutschland) mit Entscheidungen vom 10. und 12. Januar 2006, beim Gerichtshof eingegangen am 23. Januar und 3. Februar 2006, in den Verfahren

Viamex Agrar Handels GmbH (C‑37/06),

Zuchtvieh-Kontor GmbH (ZVK) (C‑58/06)

gegen

Hauptzollamt Hamburg-Jonas

erlässt

DER GERICHTSHOF (Dritte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten A. Rosas, der Richter J. N. Cunha Rodrigues, J. Klučka (Berichterstatter) und A. Ó Caoimh sowie der Richterin P. Lindh,

Generalanwalt: P. Mengozzi,

Kanzler: B. Fülöp, Verwaltungsrat,

aufgrund des schriftlichen Verfahrens und auf die mündliche Verhandlung vom 1. März 2007,

unter Berücksichtigung der Erklärungen

– der Viamex Agrar Handels GmbH, vertreten durch Rechtsanwalt W. Schedl,

– der Zuchtvieh-Kontor GmbH (ZVK), vertreten durch Rechtsanwalt K. Landry,

– des Hauptzollamts Hamburg-Jonas, vertreten durch G. Seber als Bevollmächtigte,

– der schwedischen Regierung, vertreten durch A. Falk als Bevollmächtigte,

– der Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch F. Erlbacher als Bevollmächtigten,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 13. September 2007

folgendes

Urteil

Entscheidungsgründe

1. Die Vorabentscheidungsersuchen betreffen die Gültigkeit von Art. 1 und Art. 5 Abs. 3 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18. März 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport (ABl. L 82, S. 19).

2. Diese Ersuchen ergehen im Rahmen von Rechtsstreitigkeiten zwischen der Viamex Agrar Handels GmbH (im Folgenden: Viamex) bzw. der Zuchtvieh‑Kontor GmbH (ZVK) (im Folgenden: ZVK) und dem Hauptzollamt Hamburg‑Jonas (im Folgenden: Hauptzollamt) über Erstattungen für die Ausfuhr lebender Rinder in den Libanon bzw. nach Ägypten.

Rechtlicher Rahmen

3. Nach Art. 13 Abs. 9 Unterabs. 2 der Verordnung (EWG) Nr. 805/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über die gemeinsame Marktorganisation für Rindfleisch (ABl. L 148, S. 24) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 2634/97 des Rates vom 18. Dezember 1997 (ABl. L 356, S. 13) geänderten Fassung (im Folgenden: Verordnung Nr. 805/68) setzt die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von lebenden Tieren die Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere während des Transports, voraus.

4. Die Durchführungsbestimmungen zur Verordnung Nr. 805/68 wurden in der Verordnung Nr. 615/98 festgelegt.

5. Nach Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 setzt die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder voraus, dass während des Transports der Tiere bis zu ihrer ersten Entladung im Bestimmungsdrittland die Richtlinie 91/628/EWG des Rates vom 19. November 1991 über den Schutz von Tieren beim Transport sowie zur Änderung der Richtlinien 90/425/EWG und 91/496/EWG (ABl. L 340, S. 17) in der durch die Richtlinie 95/29/EG des Rates vom 29. Juni 1995 (ABl. L 148, S. 52) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 91/628) und die Verordnung Nr. 615/98 eingehalten werden.

6. Nach Art. 2 der Verordnung Nr. 615/98 werden die Tiere bei der Ausfuhr aus dem Zollgebiet der Europäischen Gemeinschaft kontrolliert. Von einem Amtstierarzt wird überprüft und bescheinigt, ob die Tiere im Sinne der Richtlinie 91/628 transportfähig sind, ob das Transportmittel, mit dem die Tiere aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft verbracht werden, den Erfordernissen dieser Richtlinie gerecht wird und ob Vorkehrungen zur Betreuung der Tiere während des Transports gemäß dieser Richtlinie getroffen sind.

7. Gemäß Art. 5 Abs. 2 der Verordnung Nr. 615/98 ist der Antrag auf Zahlung der Ausfuhrerstattung durch den Nachweis der Einhaltung von Art. 1 dieser Verordnung zu vervollständigen, der durch die Vorlage des Kontrollexemplars T5 und des Kontrollberichts einer Kontrollgesellschaft unter Hinzufügung der tierärztlichen Bescheinigung erbracht wird.

8. Nach Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 wird die Ausfuhrerstattung jedoch nicht für Tiere gezahlt, die während des Transports verendet sind oder bei denen die zuständige Behörde aufgrund der Unterlagen nach Art. 5 Abs. 2, der Berichte über die Kontrolle nach Art. 4 dieser Verordnung und/oder sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 dieser Verordnung zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist.

9. Art. 3 Abs. 1 der Richtlinie 91/628 bestimmt, dass die Mitgliedstaaten dafür Sorge tragen, dass die Fahrt- und Ruhezeiten sowie die Zeitabstände für das Füttern und Tränken den Anforderungen gemäß Kapitel VII des Anhangs dieser Richtlinie genügen.

10. Beim Transport von lebenden Rindern auf der Straße ist nach Kapitel VII Nr. 48.4 Buchst. d des Anhangs zur Richtlinie 91/628 nach einer Transportdauer von 14 Stunden eine ausreichende, mindestens einstündige Ruhepause einzuhalten. Nach dieser Ruhepause kann der Transport für weitere 14 Stunden fortgesetzt werden. Somit ist die maximale Transportdauer auf 29 Stunden festgesetzt. Nr. 48.8 sieht jedoch vor, dass die Transportzeit insbesondere unter Berücksichtigung der Nähe des Bestimmungsorts im Interesse der Tiere um zwei Stunden verlängert werden darf.

11. Nach Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs zur Richtlinie 91/628 müssen die Tiere nach der festgesetzten Transportdauer eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten.

Ausgangsverfahren und Vorlagefragen

12. Im ersten Ausgangsverfahren meldete Viamex beim Hauptzollamt Kiel 35 lebende Rinder zur Ausfuhr in den Libanon an. Mit Bescheid vom 1. Februar 2001 lehnte das Hauptzollamt, insbesondere gestützt auf Art. 1 und Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98, den Antrag von Viamex auf Gewährung von Ausfuhrerstattung unter Hinweis darauf ab, dass nach Auswertung des von diesem Unternehmen vorgelegten Transportplans festgestellt worden sei, dass die nach Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs zur Richtlinie 91/628 vorgeschriebene Ruhepause von 24 Stunden nicht eingehalten worden sei. Viamex machte jedoch geltend, dass die Nichteinhaltung dieser Bestimmung darauf zurückzuführen gewesen sei, dass der diensthabende Tierarzt die Weiterfahrt angeordnet habe, bevor die Ruhepause von 24 Stunden beendet gewesen sei. Das Hauptzollamt vertrat die Ansicht, dass Viamex ungeachtet dieses Umstands sich über die in der Richtlinie 91/628 vorgeschriebenen Ruhepausen hätte kundig machen müssen. Darüber hinaus habe Viamex wegen einer Unfallaufnahme sowie einer Schwerlastverkehrskontrolle die in Kapitel VII Nr. 48.4 Buchst. d des Anhangs zur Richtlinie 91/628 vorgesehene Höchstdauer der zweiten Transportphase nicht beachtet.

13. Im zweiten Ausgangsverfahren meldete die ZVK beim Hauptzollamt Bamberg 32 lebende Rinder zur Ausfuhr nach Ägypten an und beantragte hierfür Ausfuhrerstattung im Wege der Vorauszahlung, die ihr vom Hauptzollamt gewährt wurde. Mit Änderungsbescheid vom 1. September 2003 forderte das Hauptzollamt jedoch diese Ausfuhrerstattung zuzüglich eines Zuschlags in Höhe von 10 % unter Hinweis insbesondere darauf zurück, dass der Transport der Tiere unter Verletzung der Vorschriften der Richtlinie 91/628 länger als 14 Stunden gedauert habe. Die zweite Transportphase habe tatsächlich 15 Stunden und 45 Minuten gedauert. Das Überschreiten der Höchstdauer der zweiten Transportphase habe darüber hinaus dazu geführt, dass die ZVK auch gegen die in Kapitel VII Nr. 48.5 des Anhangs der Richtlinie 91/628 vorgesehene Regel verstoßen habe, wonach die Tiere nach einer maximalen Transportdauer von 29 Stunden entladen, gefüttert und getränkt werden und eine Ruhezeit von mindestens 24 Stunden erhalten müssten.

14. Da ihren gegen die Bescheide des Hauptzollamts vom 1. Februar 2001 und 1. September 2003 eingelegten Einsprüchen nicht stattgegeben wurde, reichten Viamex und die ZVK Klage beim Finanzgericht Hamburg ein, das der Auffassung ist, dass die Entscheidung der beiden bei ihm anhängigen Rechtssachen von der Auslegung gemeinschaftsrechtlicher Vorschriften abhänge. Es hat daher beschlossen, die Verfahren auszusetzen und dem Gerichtshof die folgenden Fragen, die in beiden Rechtssachen wortgleich sind, zur Vorabentscheidung vorzulegen:

1. Ist Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 insoweit gültig, als er die Gewährung der Ausfuhrerstattung an die Einhaltung der Richtlinie 91/628 knüpft?

2. Für den Fall, dass die vorstehende Frage bejaht wird: Ist die Vorschrift des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98, wonach Ausfuhrerstattung nicht gezahlt wird für Tiere, bei denen die zuständige Behörde aufgrund sonstiger Informationen über die Einhaltung von Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist, mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar?

15. Durch Beschluss des Präsidenten des Gerichtshofs vom 17. Februar 2006 sind die Rechtssachen C‑37/06 und C‑58/06 zu gemeinsamem schriftlichen und mündlichen Verfahren und zu gemeinsamer Entscheidung verbunden worden.

Zu den Vorlagefragen

Zur ersten Frage

16. Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 insoweit gültig ist, als er die Zahlung der Ausfuhrerstattung für lebende Tiere an die Einhaltung der Richtlinie 91/628 knüpft. Es fragt insbesondere danach, ob zwischen der zur gemeinsamen Landwirtschaftspolitik zählenden Ausfuhrerstattungsregelung und den Vorschriften des Gemeinschaftsrechts über den Tierschutz ein Zusammenhang besteht.

17. Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport sieht für die Anwendung von Art. 13 Abs. 9 Unterabs. 2 der Verordnung Nr. 805/68 vor, dass die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder der Position 0102 der Kombinierten Nomenklatur voraussetzt, dass u. a. die Vorschriften der Richtlinie 91/628 eingehalten werden.

18. Erstens ist, wie der Generalanwalt in den Nrn. 28 bis 33 seiner Schlussanträge ausgeführt hat, daran zu erinnern, dass die Verweisung in Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 auf die Richtlinie 91/628, durch die die Ausfuhrerstattungsregelung mit dem Schutz der Tiere beim Transport verknüpft wird, auf einer Entscheidung beruht, die der Rat der Europäischen Union in der Verordnung Nr. 805/68 getroffen hat, zu der die Kommission der Europäischen Gemeinschaften in der Verordnung Nr. 615/98 lediglich die Durchführungsbestimmungen festgelegt hat.

19. Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 dient der Durchführung von Art. 13 Abs. 9 der Verordnung Nr. 805/68, wonach die Gewährung von Erstattungen bei der Ausfuhr von lebenden Tieren die Einhaltung der Vorschriften des Gemeinschaftsrechts zum Wohlbefinden der Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere während des Transports voraussetzt. Art. 13 Abs. 9 wurde eingeführt, um der Praxis entgegenzuwirken, nach der dem Wohlbefinden der Tiere beim Transport nicht immer Rechnung getragen wurde.

20. Den beiden Erwägungsgründen der Verordnung Nr. 2634/97, durch die der letzte Unterabsatz des Art. 13 Abs. 9 der Verordnung Nr. 805/68 eingefügt wurde, ist nämlich zu entnehmen, dass die bei der Anwendung der Richtlinie 91/628 gewonnene Erfahrung gezeigt habe, dass bei der Ausfuhr lebender Tiere das Wohlbefinden dieser Tiere nicht immer gewährleistet gewesen sei und der Kommission daher aus praktischen Erwägungen die Aufgabe übertragen werden sollte, die Durchführungsbestimmungen zu den einschlägigen Vorschriften zu erlassen. Im fünften Erwägungsgrund der Verordnung Nr. 615/98 heißt es hierzu, dass weitere Maßnahmen zu treffen seien, die abschreckend wirken und einheitlich angewandt werden müssten, wenn aufgrund des Zustands und/oder der Gesundheit einer bestimmten Zahl von Tieren einer Lieferung festgestellt werde, dass die Bestimmungen über den Schutz von Tieren beim Transport nicht eingehalten worden seien.

21. Im Übrigen haben entsprechende Erwägungen die Gemeinschaftsorgane veranlasst, die Richtlinie 91/628 durch die Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates vom 22. Dezember 2004 über den Schutz von Tieren beim Transport und damit zusammenhängenden Vorgängen sowie zur Änderung der Richtlinien 64/432/EWG und 93/119/EG und der Verordnung (EG) Nr. 1255/97 (ABl. L 3, S. 1) zu ersetzen.

22. Zweitens ist daran zu erinnern, dass der Schutz des Wohlbefindens der Tiere ein im Allgemeininteresse liegendes legitimes Ziel darstellt, dessen Bedeutung u. a. die Annahme des Protokolls über den Tierschutz und das Wohlergehen der Tiere, das dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügt ist (ABl. 1997, C 340, S. 110) durch die Mitgliedstaaten oder auch die Unterzeichnung des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport (revidiert) (Beschluss 2004/544/EG des Rates vom 21. Juni 2004 über die Unterzeichnung des Europäischen Übereinkommens über den Schutz von Tieren beim internationalen Transport [revidiert], ABl. L 241, S. 21) durch die Gemeinschaft sichtbar gemacht haben. Die Erklärung Nr. 24 zum Tierschutz im Anhang zur Schlussakte des Vertrags über die Europäische Union spiegelt ebenfalls die Bedeutung dieses Ziels wider.

23. Der Gerichtshof hat im Übrigen wiederholt auf das Interesse der Gemeinschaft an der Gesundheit und dem Schutz der Tiere hingewiesen (Urteile vom 1. April 1982, Holdijk u. a., 141/81 bis 143/81, Slg. 1982, 1299, Randnr. 13, und vom 23. Februar 1988, Vereinigtes Königreich/Rat, 131/86, Slg. 1988, 905, Randnr. 17). Er hat insbesondere festgestellt, dass bei der Verfolgung der Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik von Erfordernissen des Allgemeininteresses, wie etwa des Schutzes der Gesundheit und des Lebens von Tieren, denen die Gemeinschaftsorgane bei der Ausübung ihrer Befugnisse speziell im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisationen Rechnung zu tragen haben, nicht abgesehen werden darf.

24. Indem der Gemeinschaftsgesetzgeber auf diese Weise die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder an die Einhaltung der Gemeinschaftsvorschriften über den Schutz der Tiere knüpft, will er Erfordernissen des Allgemeininteresses nachkommen. Die Verfolgung dieses Ziels kann an sich nicht zur Feststellung der Ungültigkeit von Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 führen. Die dort vorgenommene Verweisung hat außerdem den Vorteil, zu gewährleisten, dass aus dem Haushalt der Gemeinschaft keine Zahlungen für Ausfuhren geleistet werden, die unter Verstoß gegen die Gemeinschaftsvorschriften betreffend den Tierschutz durchgeführt wurden.

25. Das vorlegende Gericht weist jedoch darauf hin, dass die Verordnung Nr. 615/98 und die Richtlinie 91/628 unterschiedlich geartete Ziele verfolgten und dass eine Verordnung nicht in dieser Weise pauschal auf eine Richtlinie verweisen dürfe, die im Übrigen „bedenklich unbestimmt“ sei.

26. Hierzu ist festzustellen, dass der bloße Umstand, dass die Verordnung Nr. 615/98 die Zahlung der Ausfuhrerstattungen für lebende Rinder an die Einhaltung einer Reihe von Bedingungen knüpft, die in Rechtsvorschriften festgelegt sind, mit denen eigene Ziele verfolgt werden, nicht an sich als ein Grund für die Ungültigkeit dieser Verordnung angesehen werden kann, da diese Ziele, wie der Gerichtshof in den Randnrn. 22 bis 24 des vorliegenden Urteils festgestellt hat, nicht nur völlig legitim sind, sondern allen Mitgliedstaaten und Organen nach dem Gemeinschaftsrecht auch als dauerhafte und unveränderliche Verpflichtungen bei der Entwicklung und der Durchführung der gemeinsamen Agrarpolitik auferlegt sind.

27. Zwar kann nach ständiger Rechtsprechung eine Richtlinie nicht selbst Verpflichtungen für einen Einzelnen begründen (vgl. u. a. Urteile vom 26. Februar 1986, Marshall, 152/84, Slg. 1986, 723, Randnr. 48; vom 5. Oktober 2004, Pfeiffer u. a., C‑397/01 bis C‑403/01, Slg. 2004, I‑8835, Randnr. 108; vom 3. Mai 2005, Berlusconi u. a., C‑387/02, C‑391/02 und C‑403/02, Slg. 2005, I‑3565, Randnr. 73, sowie vom 7. Juni 2007, Carp, C‑80/06, Slg . 2007, I‑0000, Randnr. 20).

28. Jedoch lässt sich nicht grundsätzlich ausschließen, dass die Bestimmungen einer Richtlinie durch ausdrückliche Verweisung einer Verordnung auf diese Bestimmungen – vorbehaltlich der Einhaltung der allgemeinen Rechtsgrundsätze, insbesondere des Grundsatzes der Rechtssicherheit – Anwendung finden können.

29. Außerdem ist festzustellen, dass die die Anwendung des Art. 13 Abs. 9 der Verordnung Nr. 805/68 betreffende allgemeine Verweisung in der Verordnung Nr. 615/98 auf die Richtlinie 91/628 die Einhaltung der einschlägigen Bestimmungen dieser Richtlinie zum Wohlbefinden lebender Tiere, insbesondere zum Schutz der Tiere beim Transport, gewährleisten soll. Diese Verweisung, mit der die Voraussetzungen für die Gewährung von Erstattungen festgelegt werden, kann daher nicht so verstanden werden, als erfasse sie alle Bestimmungen der Richtlinie 91/628, insbesondere diejenigen, die mit dem Hauptziel der Richtlinie nicht im Zusammenhang stehen.

30. Entgegen dem Vorbringen der Klägerin im Ausgangsrechtsstreit in der Rechtssache C‑58/06 lässt sich daher nicht mit Erfolg geltend machen, dass diese Verweisung dadurch gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit verstoße, dass sie sämtliche Bestimmungen der Richtlinie 91/628 erfasse.

31. Nach alledem hat die Prüfung der ersten Frage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 1 der Verordnung Nr. 615/98 beeinträchtigen könnte.

Zur zweiten Frage

32. Mit seiner zweiten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar ist, soweit nach dem Wortlaut dieser Bestimmung jeder Verstoß gegen eine der Bestimmungen der Richtlinie 91/628 ohne Weiteres und unabhängig von der Feststellung einer Beeinträchtigung des Wohlbefindens der Tiere mit dem vollständigen Verlust der Ausfuhrerstattung geahndet wird.

33. Vorab ist klarzustellen, dass der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, ein durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs u. a. im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik mehrfach bestätigter allgemeiner Grundsatz des Gemeinschaftsrechts (vgl. u. a. Urteile vom 12. Juli 2001, Jippes u. a., C‑189/01, Slg. 2001, I‑5689, Randnr. 81, und vom 7. September 2006, Spanien/Rat, C‑310/04, Slg. 2006, I‑7285, Randnr. 97), als solcher von den nationalen Gerichten, die das Gemeinschaftsrecht anwenden, ebenso zu beachten ist wie vom Gemeinschaftsgesetzgeber. Bei der Anwendung der Vorschriften der Verordnung Nr. 615/98 haben auch die zuständigen nationalen Behörden diesen Grundsatz zu beachten.

34. Sodann ist daran zu erinnern, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik, auch wenn er an den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gebunden ist, über ein weites Ermessen verfügt, das seiner politischen Verantwortung, die ihm die Art. 34 EG bis 37 EG übertragen, entspricht. Folglich hat sich die richterliche Kontrolle auf die Prüfung der Frage zu beschränken, ob die betreffende Maßnahme nicht mit einem offensichtlichen Irrtum oder einem Ermessensmissbrauch behaftet ist oder ob die betreffende Behörde die Grenzen ihres Ermessens nicht offensichtlich überschritten hat (vgl. in diesem Sinne Urteil Jippes u. a., Randnr. 80).

35. Was den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit angeht, so dürfen die Handlungen der Gemeinschaftsorgane nicht die Grenzen dessen überschreiten, was zur Erreichung der mit der fraglichen Regelung zulässigerweise verfolgten Ziele geeignet und erforderlich ist. Dabei ist, wenn mehrere geeignete Maßnahmen zur Auswahl stehen, die am wenigsten belastende zu wählen; ferner müssen die dadurch bedingten Nachteile in angemessenem Verhältnis zu den angestrebten Zielen stehen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 13. November 1990, Fedesa u. a., C‑331/88, Slg. 1990, I‑4023, Randnr. 13, und Jippes u. a., Randnr. 81).

36. Was schließlich die gerichtliche Kontrolle der Beachtung dieses Grundsatzes betrifft, so kann aufgrund des weiten Ermessens, über das der Gemeinschaftsgesetzgeber im Bereich der gemeinsamen Agrarpolitik verfügt, die Rechtmäßigkeit einer in diesem Bereich erlassenen Maßnahme nur dann beeinträchtigt sein, wenn diese Maßnahme zur Erreichung des Ziels, das das zuständige Organ verfolgt, offensichtlich ungeeignet ist (vgl. Urteile Fedesa u. a., Randnr. 14, und Jippes u. a., Randnr. 82). Es geht somit nicht darum, ob die vom Gesetzgeber erlassene Maßnahme die einzig mögliche oder die bestmögliche Maßnahme war, sondern darum, ob sie offensichtlich ungeeignet war (Urteil Jippes u. a., Randnr. 83).

37. Im vorliegenden Fall ist daran zu erinnern, dass in Anbetracht des Wortlauts von Art. 1 und Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 und der Zweckbestimmung dieser Verordnung die Einhaltung der Vorschriften der Richtlinie 91/628 eine Vorbedingung für die Zahlung der Ausfuhrerstattungen ist. Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 sieht nämlich den Verlust des Erstattungsanspruchs durch Nichtzahlung der Erstattung als Folge der Nichteinhaltung der Bestimmungen der Richtlinie vor. Daher ist zu prüfen, ob die Voraussetzungen für die Gewährung der Ausfuhrerstattung gemäß Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sind.

38. Die zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten können über die Höhe der Ausfuhrerstattung nur nach Maßgabe zweier in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 klar getrennter Fallgestaltungen entscheiden. Im ersten Fall, wenn das Verenden der Tiere auf die Nichteinhaltung der Bestimmungen der Richtlinie 91/628 zurückzuführen ist, räumt der Gemeinschaftsgesetzgeber der zuständigen Behörde keinerlei Ermessen ein, da er ausdrücklich vorschreibt, dass die Erstattung nicht gezahlt wird. Im zweiten Fall hingegen, wenn die Behörde zu dem Schluss gelangt, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist, ohne dass dieser Verstoß jedoch zum Verenden der Tiere geführt hat, räumt der Gemeinschaftsgesetzgeber der zuständigen Behörde bei der Entscheidung, ob der Verstoß gegen eine Bestimmung dieser Richtlinie zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führt, ein gewisses Ermessen ein.

39. Dieses Ermessen ist jedoch nicht unbeschränkt, da es sich im Rahmen des Art. 5 der Verordnung Nr. 615/98 bewegen muss. Die zuständige Behörde kann sich nur auf die Unterlagen nach Art. 5 Abs. 2, die Berichte über die Kontrolle nach Art. 4 dieser Verordnung und/oder sonstige Informationen über die Einhaltung von Art. 1 dieser Verordnung stützen, um festzustellen, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist.

40. Die Unterlagen nach Art. 5 der Verordnung Nr. 615/98 und die Berichte nach Art. 4 dieser Verordnung betreffen jedoch alle den Zustand und/oder die Gesundheit der Tiere während des Transports. Die Feststellung, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist, kann die zuständige Behörde daher nur aus Unterlagen über die Gesundheit der Tiere herleiten, die der Ausführer vorzulegen hat. Dazu gehört z. B. das Kontrollexemplar T5, anhand dessen sich u. a. prüfen lässt, ob die Tiere transportfähig waren und ob das Transportmittel den Bestimmungen dieser Richtlinie entsprach.

41. Diese Auslegung wird auch nicht durch den Wortlaut des Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 in Frage gestellt, wonach die zuständige Behörde auch aufgrund sonstiger Informationen zu dem Schluss gelangen kann, dass die Richtlinie 91/628 nicht eingehalten worden ist. Auch diese Bestimmung ist nämlich so zu verstehen, dass damit Informationen gemeint sind, die das Wohlergehen der Tiere betreffen.

42. Somit ist Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 dahin auszulegen, dass die Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628 zur Kürzung oder zum Verlust der Ausfuhrerstattung nur bei den Bestimmungen dieser Richtlinie führen kann, die das Wohlbefinden der Tiere, d. h. ihren Zustand und/oder ihre Gesundheit betreffen, nicht aber bei denen, die grundsätzlich keinen solchen Bezug aufweisen.

43. Die in Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 festgelegten Voraussetzungen sind daher mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar.

44. Die zuständige Behörde hat zu prüfen, ob sich der Verstoß gegen eine Bestimmung der Richtlinie 91/628 auf das Wohlergehen der Tiere ausgewirkt hat, ob dieser Verstoß gegebenenfalls geheilt werden kann und ob er zum Verlust, zur Kürzung oder zur Aufrechterhaltung der Ausfuhrerstattung führen muss. Die Behörde hat auch zu entscheiden, ob die Ausfuhrerstattung anteilmäßig im Verhältnis zur Zahl der Tiere zu kürzen ist, die ihrer Meinung nach unter der Nichteinhaltung der Richtlinie 91/628 gelitten haben können, oder ob keine Erstattung zu zahlen ist, falls sich die Nichteinhaltung einer Bestimmung dieser Richtlinie auf das Wohlbefinden sämtlicher Tiere ausgewirkt hat.

45. Nach alledem ist festzustellen, dass die Prüfung der Voraussetzungen für die Gewährung der Ausfuhrerstattungen nichts ergeben hat, was die Annahme zuließe, dass Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98, gemessen am verfolgten Ziel, nämlich im Rahmen der Ausfuhrerstattungsregelung den Schutz lebender Tiere beim Transport zu gewährleisten, offensichtlich ungeeignet sei.

46. Folglich hat die Prüfung der zweiten Frage nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beeinträchtigen könnte. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit diesem Grundsatz angewandt haben.

Kosten

47. Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem bei dem vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.

Tenor

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Dritte Kammer) für Recht erkannt:

1. Die Prüfung der ersten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 1 der Verordnung (EG) Nr. 615/98 der Kommission vom 18. März 1998 mit Durchführungsbestimmungen zur Ausfuhrerstattungsregelung in Bezug auf den Schutz lebender Rinder beim Transport beeinträchtigen könnte.

2. Die Prüfung der zweiten Frage hat nichts ergeben, was die Gültigkeit von Art. 5 Abs. 3 der Verordnung Nr. 615/98 im Hinblick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beeinträchtigen könnte. Das vorlegende Gericht hat zu prüfen, ob die zuständigen Behörden die einschlägigen Bestimmungen der Verordnung Nr. 615/98 im Einklang mit diesem Grundsatz angewandt haben.

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