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Document 61995CC0409

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 15. Mai 1997.
Hellmut Marschall gegen Land Nordrhein-Westfalen.
Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - Deutschland.
Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Gleiche Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts - Vorrang der weiblichen Bewerber - Öffnungsklausel.
Rechtssache C-409/95.

European Court Reports 1997 I-06363

ECLI identifier: ECLI:EU:C:1997:243

61995C0409

Schlussanträge des Generalanwalts Jacobs vom 15. Mai 1997. - Hellmut Marschall gegen Land Nordrhein-Westfalen. - Ersuchen um Vorabentscheidung: Verwaltungsgericht Gelsenkirchen - Deutschland. - Gleichbehandlung von Männern und Frauen - Gleiche Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts - Vorrang der weiblichen Bewerber - Öffnungsklausel. - Rechtssache C-409/95.

Sammlung der Rechtsprechung 1997 Seite I-06363


Schlußanträge des Generalanwalts


1 Steht Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (im folgenden: Gleichbehandlungsrichtlinie)(1) einer nationalen Regelung entgegen, nach der in behördlichen Geschäftsbereichen, in denen im jeweiligen Beförderungsamt einer Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind, bei gleicher Qualifikation (Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung) männlicher und weiblicher Bewerber Frauen bevorzugt befördert werden müssen, sofern nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen? Diese Frage ist dem Gerichtshof vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vorgelegt worden.

Die Gleichbehandlungsrichtlinie

2 In Artikel 1 Absatz 1 der Gleichbehandlungsrichtlinie heisst es:

"Diese Richtlinie hat zum Ziel, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, und des Zugangs zur Berufsbildung sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen ... verwirklicht wird. Dieser Grundsatz wird im folgenden als $Grundsatz der Gleichbehandlung` bezeichnet."

3 Artikel 2 sieht, soweit er hier von Bedeutung ist, folgendes vor:

"(1) Der Grundsatz der Gleichbehandlung im Sinne der nachstehenden Bestimmungen beinhaltet, daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen darf.

...

(4) Diese Richtlinie steht nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen, entgegen."

4 Artikel 3 Absatz 1 lautet:

"Die Anwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung beinhaltet, daß bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen - unabhängig vom Tätigkeitsbereich oder Wirtschaftszweig - und zu allen Stufen der beruflichen Rangordnung keine Diskriminierung auf Grund des Geschlechts erfolgt."

5 Artikel 6 bestimmt:

"Die Mitgliedstaaten erlassen die innerstaatlichen Vorschriften, die notwendig sind, damit jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert hält, nach etwaiger Befassung anderer zuständiger Stellen seine Rechte gerichtlich geltend machen kann."

Der Sachverhalt und die nationalen Rechtsvorschriften

6 Im Beamtengesetz für das Land Nordrhein-Westfalen heisst es:

"Soweit im Bereich der für die Beförderung zuständigen Behörde im jeweiligen Beförderungsamt der Laufbahn weniger Frauen als Männer sind, sind Frauen bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bevorzugt zu befördern, sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen ..."(2)

7 Nach den Erklärungen des Landes Nordrhein-Westfalen soll die nationale Regelung der strukturellen Diskriminierung entgegenwirken, die Frauen sonst aufgrund traditioneller Hilfskriterien treffen würde: Ein Mann würde einer ebenso qualifizierten Frau vermutlich vorgezogen, a) weil er wahrscheinlich infolge geringerer Unterbrechungen der beruflichen Laufbahn ein höheres Lebens- und Dienstalter hätte und b) aus "sozialen Gründen" - einer Tendenz, einem verdienenden Mann mit Angehörigen eher eine Stelle zukommen zu lassen als der Ehefrau eines verdienenden Mannes. Die nationale Regelung führt der Sache nach ein zusätzliches Kriterium ein - und zwar die Eigenschaft als Frau -, das im allgemeinen Vorrang vor den traditionellen Hilfskriterien haben muß.

8 Die Regelung enthält jedoch den Vorbehalt "sofern nicht in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen". Der genaue Anwendungsbereich des Vorbehalts ist nicht ohne weiteres erkennbar. Dies mag kein Zufall sein; nach den schriftlichen Erklärungen des Landes Nordrhein-Westfalen hat der Gesetzgeber mit der Bezugnahme auf "in der Person eines Mitbewerbers liegende Gründe" bewusst einen unbestimmten Rechtsbegriff gewählt, um eine hinreichende Flexibilität zu gewährleisten und der Verwaltung insbesondere Spielraum für die Berücksichtigung von allen möglichen in der Person des Mitbewerbers liegenden Gründen zu geben. Aus den schriftlichen und mündlichen Erklärungen des Landes Nordrhein-Westfalen geht jedoch hervor, daß zu diesen Gründen zumindest die oben genannten traditionellen Hilfskriterien des Dienstalters und der "sozialen Gründe" gehören. Dies weckt seinerseits Zweifel - auf die ich später zurückkommen werde - daran, ob der Vorbehalt womöglich selbst diskriminierend und damit rechtswidrig sein könnte.

9 Herr Marschall, ein Lehrer, bewarb sich um eine Beförderungsstelle. Ihm wurde mitgeteilt, daß beabsichtigt sei, die Stelle mit einer Konkurrentin zu besetzen: Beide Bewerber seien gleich geeignet, und da in der betreffenden Besoldungsgruppe und Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt seien, müsse nach der vorerwähnten Rechtsvorschrift die Konkurrentin befördert werden. Herr Marschall erhob Klage und beantragte, die beklagte Behörde zu verpflichten, ihm die streitige Stelle zu übertragen. Das Verwaltungsgericht Gelsenkirchen, das Zweifel an der Vereinbarkeit der Rechtsvorschrift mit Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie hat, hat das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof die oben wiedergegebene Frage zur Vorabentscheidung vorgelegt.

10 Schriftliche Erklärungen wurden vom Land Nordrhein-Westfalen, von der österreichischen, der finnischen, der französischen, der norwegischen(3), der spanischen und der schwedischen Regierung, der Regierung des Vereinigten Königreichs sowie der Kommission abgegeben. Das Land Nordrhein-Westfalen, die finnische, die niederländische und die schwedische Regierung, die Regierung des Vereinigten Königreichs sowie die Kommission waren in der mündlichen Verhandlung vertreten.

Die Rechtsprechung des Gerichtshofes

11 Vorab bedarf es des wichtigen Hinweises, daß der Gerichtshof, wie sich aus dem Wortlaut der Vorlagefrage ergibt, nicht ersucht wird - wobei ein solches Ersuchen auch nicht statthaft wäre -, darüber zu entscheiden, ob eine positive Diskriminierung oder "affirmative action"(4) generell wünschenswert ist; die Frage des vorlegenden Gerichts betrifft die Vereinbarkeit der streitigen nationalen Regelung mit zwei konkreten Bestimmungen der Gleichbehandlungsrichtlinie. Ebenso konzentrierte sich der Gerichtshof in seinem kürzlich ergangenen Urteil Kalanke(5), das eine ähnliche nationale Regelung betraf, - entgegen dem Tenor einiger wissenschaftlicher Reaktionen auf die Rechtssache(6) - auf die Vereinbarkeit dieser Regelung mit den fraglichen Bestimmungen. Ich werde auf die darüber hinausgehende Frage der angemessenen Rolle des Gerichtshofes in rechtspolitischen Fragen zurückkommen.

12 Bevor ich mich der Rechtssache Kalanke zuwende, werde ich kurz auf zwei vorangegangene Rechtssachen eingehen, die sich mit dem Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 4, der im vorliegenden Fall maßgeblichen Bestimmung, befassten.

13 Die Rechtssache Hofmann(7) betraf die Vereinbarkeit einer nationalen Regelung mit der Gleichbehandlungsrichtlinie, nach der nur Mütter Anspruch auf bezahlten Urlaub nach der Geburt eines Kindes hatten. Der Gerichtshof stützte seine Entscheidung nicht auf Artikel 2 Absatz 4, sondern auf Artikel 2 Absatz 3, der vorsieht, daß die Richtlinie den Vorschriften zum Schutz der Frau, insbesondere bei Schwangerschaft und Mutterschaft, nicht entgegensteht. Generalanwalt Darmon ging dagegen auf Artikel 2 Absatz 4 ein und kam zu folgendem Ergebnis:

"Aus diesem Aufbau folgt, daß die in Artikel 2 Absätze 2 bis 4 enthaltenen Ausnahmen den genauen Rahmen des Anwendungsbereichs des in Artikel 2 Absatz 1 aufgestellten Grundsatzes festlegen. Schon allein der Aufbau der Richtlinie zeigt die Bedeutung, die der Gemeinschaftsgesetzgeber diesen Einschränkungen beimisst und die durch deren Untersuchung bestätigt werden wird.

Die Einschränkung in Artikel 2 Absatz 4 nimmt eine Sonderstellung ein. Diese Bestimmung ermöglicht den Erlaß nationaler Maßnahmen $zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten`; sie enthält nur scheinbar eine Ausnahme von dem Grundsatz. Da sie bezweckt, bestehende faktische Diskriminierungen auszugleichen, will sie die Gleichheit wiederherstellen, nicht aber einschränken. Anders ausgedrückt, sobald die zu beseitigende tatsächliche Ungleichheit festgestellt ist, muß diese Ausnahmebestimmung weit ausgelegt werden."(8)

14 Die zweite Rechtssache, Kommission/Frankreich(9), betraf die Vereinbarkeit einer Ausnahme von einem nationalen Gesetz über die Gleichbehandlung mit der Gleichbehandlungsrichtlinie. Mit dieser Ausnahme sollten Klauseln in Arbeits- oder Tarifverträgen, die besondere Rechte für Frauen begründeten, vom Diskriminierungsverbot befreit werden. Zu diesen besonderen Rechten gehörten die Verkürzung der Arbeitszeit für Frauen über 59 Jahre oder bei bestimmten Beschäftigungen wie Schreib- oder Datenverarbeitungstätigkeiten, die Vorverlegung des Ruhestandsalters, Urlaub für die Adoption eines Kindes, Urlaub bei Krankheit eines Kindes, ein Urlaubstag am ersten Tag des Schuljahres, Freistunden am Muttertag, Zahlungen an Mütter zur Deckung der Kosten für Kinderkrippe oder Kinderbetreuung, die Verlängerung des Mutterschaftsurlaubs, die Gewährung zusätzlicher Jahresurlaubstage je Kind und Gutschriften bei der Berechnung der Rente vom zweiten Kind an(10).

15 Der Gerichtshof war der Auffassung, daß die Maßnahmen nicht gemäß Artikel 2 Absatz 4 gerechtfertigt sein könnten, und entschied wie folgt:

"Die in Artikel 2 Absatz 4 vorgesehene Ausnahme dient einem bestimmten und begrenzten Zweck, nämlich der Zulassung von Maßnahmen, die zwar nach ihrer äusseren Erscheinung diskriminierend sind, tatsächlich aber in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verringern sollen."(11)

16 Die jüngste und für den Fall, der dem Gerichtshof jetzt vorliegt, bedeutsamste Rechtssache, in der er sich mit Artikel 2 Absatz 4 beschäftigte, ist die Rechtssache Kalanke(12). Die dort streitige Regelung sah vor, daß Frauen bei gleicher Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber in den Bereichen vorrangig zu berücksichtigen sind, in denen sie unterrepräsentiert sind, und daß eine Unterrepräsentation vorliegt, wenn in der betreffenden Lohngruppe der jeweiligen Personalgruppe einer Dienststelle nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind(13). Eine Ausnahme war in der Vorschrift nicht vorgesehen; das vorlegende Gericht in dieser Rechtssache führte jedoch aus, daß sie grundgesetzkonform dahin auszulegen sei, daß Frauen bei der Beförderung grundsätzlich zu bevorzugen seien, daß aber in bestimmten Härtefällen eine Ausnahme von dieser Bevorzugung zu machen sei(14).

17 Herr Kalanke und Frau Glißmann kamen für eine Beförderung in die engere Wahl. Es wurde bindend festgestellt, daß beide für die Stelle die gleiche Qualifikation besassen und daß Frauen in dem betreffenden Bereich unterrepräsentiert waren; nach der nationalen Regelung musste die Stelle daher Frau Glißmann angeboten werden. Herr Kalanke erhob Klage, mit der er u. a. geltend machte, daß die nationale Regelung gegen deutsche Rechtsvorschriften verstosse. Das Bundesarbeitsgericht war zwar der Ansicht, daß die Regelung mit den von Herrn Kalanke herangezogenen innerstaatlichen Rechtsvorschriften vereinbar sei, hatte aber Zweifel an ihrer Vereinbarkeit mit der Gleichbehandlungsrichtlinie und legte dem Gerichtshof Fragen nach dem Anwendungsbereich von Artikel 2 Absätze 1 und 4 vor.

18 Der Gerichtshof stellte zunächst fest, daß eine nationale Regelung, wonach Frauen, die die gleiche Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber besässen, in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert seien, bei einer Beförderung automatisch der Vorrang eingeräumt werde, eine Diskriminierung der Männer aufgrund des Geschlechts bewirke(15). Da die Gleichbehandlungsrichtlinie zum Ziel habe, daß in den Mitgliedstaaten der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen u. a. hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs verwirklicht werde, und da der Grundsatz der Gleichbehandlung nach Artikel 2 Absatz 1 der Richtlinie beinhalte, "daß keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts ... erfolgen darf", sei auf den ersten Blick eindeutig gegen diesen Grundsatz verstossen worden.

19 Sodann prüfte der Gerichtshof, ob eine solche Regelung nach Artikel 2 Absatz 4 zulässig sei. Unter Bezugnahme auf das Urteil Kommission/Frankreich(16) führte er aus, diese Vorschrift diene dem bestimmten und begrenzten Zweck der Zulassung von Maßnahmen, die zwar dem Anschein nach diskriminierend seien, tatsächlich aber in der sozialen Wirklichkeit bestehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verringern sollten. So seien danach nationale Maßnahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs zulässig, die Frauen spezifisch begünstigten und darauf ausgerichtet seien, deren Fähigkeit zu verbessern, auf dem Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie Männer eine berufliche Laufbahn zu verwirklichen(17).

20 Im Anschluß daran pflichtete der Gerichtshof der Feststellung in einer Empfehlung des Rates zur Förderung positiver Maßnahmen für Frauen(18) bei, daß die "geltenden Rechtsvorschriften über die Gleichbehandlung, die zur Stärkung der Rechte des einzelnen erlassen wurden, ... nicht aus[reichen], um alle faktischen Ungleichheiten zu beseitigen, wenn nicht die Regierungen, die Sozialpartner und sonstige beteiligte Stellen gleichzeitig tätig werden, um gegen die Benachteiligung der Frauen in der Arbeitswelt vorzugehen, die durch Einstellungen, Verhaltensmuster und Strukturen in der Gesellschaft verursacht wird"(19). Der Gerichtshof fügte jedoch hinzu, daß Artikel 2 Absatz 4 als Ausnahme von einem in der Richtlinie verankerten individuellen Recht eng auszulegen sei(20).

21 Der Gerichtshof kam zu dem Schluß, daß eine nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräume, über eine Förderung der Chancengleichheit hinausgehe und damit die Grenzen der in Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme überschreite(21). Ausserdem setze eine solche Regelung insofern, als sie darauf abziele, daß in allen Vergütungsgruppen und auf allen Funktionsebenen einer Dienststelle mindestens ebensoviel Frauen wie Männer vertreten seien, an die Stelle der in Artikel 2 Absatz 4 vorgesehenen Förderung der Chancengleichheit das Ergebnis, zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit führen könnte(22). Die Antwort auf die Fragen des vorlegenden Gerichts lautete daher, daß die Richtlinie einer nationalen Regelung entgegenstehe, nach der, wie im Streitfall, bei gleicher Qualifikation von Bewerbern unterschiedlichen Geschlechts um eine Beförderung in Bereichen, in denen die Frauen im Sinne dieser Regelung unterrepräsentiert seien, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt werde(23).

22 Da der Gerichtshof einen Verstoß der nationalen Regelung gegen die Richtlinie bejaht hatte, brauchte er auf die Frage der Verhältnismässigkeit nicht einzugehen; die von einigen Kommentatoren in dieser Hinsicht am Gerichtshof geuebte Kritik(24) kann deshalb nicht als zutreffend angesehen werden. Andere Kommentatoren gehen fälschlich davon aus, daß der Gerichtshof die Regelung als unverhältnismässig und aus diesem Grund als rechtswidrig angesehen habe(25).

Die Übertragung des Urteils Kalanke auf die vorliegende Rechtssache

23 Wie erwähnt, stellte der Gerichtshof im Urteil Kalanke zunächst fest, daß eine nationale Regelung, wonach Frauen, die die gleiche Qualifikation wie ihre männlichen Mitbewerber besässen, in Bereichen, in denen die Frauen unterrepräsentiert seien, bei einer Beförderung automatisch der Vorrang eingeräumt werde, eine Diskriminierung der Männer aufgrund des Geschlechts bewirke und daher grundsätzlich gegen die Richtlinie verstosse. Mir erscheint klar, daß die nationale Regelung, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, gleichermassen diskriminierend ist und daher gegen die Richtlinie verstösst, wenn sie nicht kraft Artikel 2 Absatz 4 als zulässig angesehen werden kann. Es ist zwar richtig, daß die hier fragliche nationale Regelung nicht so formuliert ist, daß eine Frau in den von ihr erfassten Fällen automatisch befördert wird, aber der entscheidende Punkt dieser Regelung besteht trotzdem darin, daß eine Frau - von Ausnahmefällen abgesehen - deshalb zu befördern ist, weil sie eine Frau ist, und dies steht auf den ersten Blick in klarem Widerspruch zu dem in der Richtlinie verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung. Ich möchte insbesondere auf Artikel 3 Absatz 1 verweisen(26), wonach die Anwendung dieses Grundsatzes beinhaltet, daß bei den Bedingungen - einschließlich der Auswahlkriterien - u. a. für die Beförderung keine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts erfolgt.

24 Die grundlegende Frage geht dahin, ob die nationale Regelung, um die es in der vorliegenden Rechtssache geht, unter Artikel 2 Absatz 4 fällt und daher mit der Richtlinie vereinbar ist. Das nationale Gericht sah sich in dieser Rechtssache durch den Unterschied zwischen der im Ausgangsverfahren streitigen nationalen Regelung und der Regelung, die Gegenstand des Urteils Kalanke war, zur Vorlage an den Gerichtshof veranlasst. Es weist insbesondere auf die Feststellung des Gerichtshofes im Urteil Kalanke hin, daß eine "nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt den Vorrang einräumt," über den Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 4 hinausgehe(27), und wirft die Frage auf, ob der Vorbehalt in der ihm vorliegenden nationalen Regelung zu deren Vereinbarkeit mit der Richtlinie führt.

25 Die französische Regierung und die Regierung des Vereinigten Königreichs machen geltend, daß die nationale Regelung trotz des Vorbehalts gegen die Richtlinie verstosse. Das Hauptargument dieser Regierungen lautet, daß die Erwägungen des Gerichtshofes im Urteil Kalanke zur Anwendung kämen, da mit der Regelung eine zahlenmässige Gleichheit durchgesetzt und nicht die Chancengleichheit gefördert werden solle.

26 Das Land Nordrhein-Westfalen, die österreichische, die finnische, die norwegische, die spanische und die schwedische Regierung sowie die Kommission(28) vertreten die Gegenmeinung. Sie tragen vor, daß die Flexibilität der in Rede stehenden nationalen Regelung - d. h. die Existenz des Vorbehalts - ein ausreichender Grund für eine vom Urteil Kalanke abweichende Entscheidung sei; im vorliegenden Fall werde kein absoluter und unbedingter Vorrang eingeräumt(29).

27 Meines Erachtens weist diese Argumentation eine Reihe von Fehlern auf.

28 Erstens war die nationale Regelung, um die es im Urteil Kalanke ging, der Sache nach nicht absolut und unbedingt; der Gerichtshof wies darauf hin, daß die Regelung nach Ansicht des vorlegenden Gerichts "dahin auszulegen [sei], daß Frauen bei der Beförderung grundsätzlich zu bevorzugen seien, daß aber in bestimmten Härtefällen eine Ausnahme von dieser Bevorzugung zu machen sei"(30). Diese Auslegung wurde durch die Besorgnis ausgelöst, daß die Regelung sonst mit Artikel 3 Absätze 2 und 3 des deutschen Grundgesetzes unvereinbar wäre, die zur maßgeblichen Zeit vorsahen, daß Männer und Frauen gleichberechtigt sind und daß eine Diskriminierung wegen des Geschlechts verboten ist(31). Da der Gerichtshof im Urteil Kalanke anerkannt hat, daß es von der dort in Rede stehenden Regelung Ausnahmen gab, sollte die Bezugnahme auf einen "automatischen" Vorrang in diesem Licht gesehen werden.

29 Im übrigen deuten die Erwägungen im Urteil Kalanke darauf hin, daß die vorliegende Regelung rechtswidrig ist. In Randnummer 23 dieses Urteils führte der Gerichtshof aus, daß die nationale Regelung "insofern, als sie darauf abzielt, daß ... mindestens ebensoviel Frauen wie Männer vertreten sind, an die Stelle der in Artikel 2 Absatz 4 vorgesehenen Förderung der Chancengleichheit das Ergebnis [setzt], zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit führen könnte". Dieser Satz ist von einigen Kommentatoren als unklar kritisiert worden(32). Meines Erachtens ist seine Bedeutung aber klar. Artikel 2 Absatz 4 betrifft nach seinem Wortlaut Maßnahmen zur "Förderung der Chancengleichheit". Generalanwalt Tesauro hat sich dazu in seinen Schlussanträgen in der Rechtssache Kalanke wie folgt geäussert:

"Chancengleichheit herbeizuführen kann meines Erachtens nur bedeuten, [die Menschen] in die Lage zu versetzen, gleiche Ergebnisse zu erreichen, also für die Angehörigen der beiden Geschlechter gleiche Voraussetzungen hinsichtlich der Ausgangssituation zu schaffen. ... Daß die hier in Rede stehende nationale Regelung nun wirklich nicht die Sicherstellung der Gleichheit der Ausgangssituation bezweckt, halte ich für nur zu offensichtlich. Der Umstand, daß zwei Bewerber unterschiedlichen Geschlechts die gleiche Qualifikation haben, bringt nämlich definitionsgemäß mit sich, daß die beiden Bewerber die gleichen Chancen hatten und haben: Sie befinden sich also im Ausgangspunkt in der gleichen Situation. Durch diese nationale Regelung wird also, indem den Frauen der Vorrang eingeräumt wird, eine Gleichheit hinsichtlich des Ergebnisses oder vielmehr eine gerechte Verteilung der Arbeitsplätze auf Männer und Frauen in rein numerischer Hinsicht angestrebt. Dies ist weder Sinn noch Zweck des Artikels 2 Absatz 4 der Richtlinie."(33)

30 Die Tatsache, daß zwei Bewerber die gleiche Qualifikation haben, bedeutet zwar zugegebenermassen nicht unbedingt, daß sie zuvor gleiche Chancen hatten, da einer von ihnen die gleiche Qualifikation schlicht unter schwierigeren Umständen als der andere oder aufgrund eines Ausbildungsprogramms erworben haben könnte, das bei der Überwindung solcher Umstände helfen soll. (Das Land Nordrhein-Westfalen nimmt wohl in der Tat an, daß in Fällen, in denen ein Mann und eine Frau für eine Beförderung gleichermassen qualifiziert sind, die Frau häufig jünger sein oder eine geringere Dienstzeit haben wird. Man könnte denken, daß sich unter solchen Umständen die Frau damit als fähiger erwiesen hätte als ihr Mitbewerber, so daß es natürlich wäre, sie auszuwählen.) Dies scheint mir jedoch für die vom Gerichtshof zu behandelnde Frage nicht relevant zu sein: Da die nationale Regelung nur Anwendung findet, wenn die Bewerber gleich qualifiziert sind, bleibt die Tatsache bestehen, daß immer dann, wenn sie angewandt wird, gleich qualifizierte Bewerber vorhanden sind, die - wenn das Auswahlverfahren nicht diskriminierend ist - definitionsgemäß eine gleiche Beförderungschance haben.

31 Generalanwalt Tesauro gab in seinen Schlussanträgen noch nähere Erläuterungen zur Unterscheidung zwischen Maßnahmen, die nach Artikel 2 Absatz 4 zulässig sind, da sie "auf die Beseitigung der Hindernisse ausgerichtet sind, die es den Frauen unmöglich machen, unter gleichen Voraussetzungen dieselben Ergebnisse anzustreben", und Maßnahmen, die nicht zulässig sind, da sie darauf ausgerichtet sind, "diesen unmittelbar die Ergebnisse selbst zu verschaffen oder ihnen zumindest bei der Erreichung dieser Ergebnisse die Priorität einzuräumen, allein weil sie Frauen sind"(34). Für mich ist klar, daß dies die Unterscheidung ist, die den Ausführungen des Gerichtshofes in Randnummer 23 des Urteils Kalanke zugrunde liegt. Die Unterscheidung ist begrifflich klar, gleichgültig, ob sie so formuliert ist, daß von der Beseitigung von Hindernissen statt der Erzielung von Ergebnissen, der Sicherstellung der Gleichheit an den Ausgangspunkten statt an den Endpunkten oder der Gewährleistung der Chancengleichheit statt des gleichen Ergebnisses die Rede ist, und es wird meines Erachtens normalerweise erkennbar sein, welcher Seite eine bestimmte Maßnahme zuzuordnen ist.

32 Aus dem Urteil Kalanke lässt sich daher meiner Meinung nach ableiten, daß jede Regelung, die über die Förderung der Chancengleichheit hinausgeht und statt dessen die Durchsetzung des gewünschten Ergebnisses zahlenmässiger Gleichheit anstrebt, gleichermassen über den Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie hinausgeht, damit gegen den in Artikel 2 Absatz 1 verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung verstösst und beim gegenwärtigen Stand des Gemeinschaftsrechts rechtswidrig ist. Diese Auffassung steht meines Erachtens mit dem Aufbau der Richtlinie voll und ganz im Einklang. Es gibt unbestreitbar in einem konkreten Fall, in dem unter im übrigen gleichen Bedingungen eine Person einer anderen bei der Einstellung oder Beförderung allein wegen ihres Geschlechts vorgezogen wird, keine Chancengleichheit für Männer und Frauen. Daß die Richtlinie dem Schutz individueller Rechte dient, wird durch Artikel 6(35) klargestellt, der die Mitgliedstaaten dazu verpflichtet, dafür zu sorgen, daß "jeder, der sich wegen Nichtanwendung des Grundsatzes der Gleichbehandlung im Sinne der Artikel 3, 4 und 5 auf seine Person für beschwert hält," dagegen in angemessener Weise vorgehen kann. Wäre die nationale Regelung, die Gegenstand der Rechtssache Kalanke war, für rechtmässig erklärt worden, so wäre Männern in den Bereichen, für die sie gilt, die Gleichbehandlung und die Chancengleichheit unter solchen Umständen stets versagt worden. Ein solches Ergebnis kann - wie man den Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 4 auch einschätzen mag - schwerlich als mit dem in Artikel 2 Absatz 1 verankerten Grundsatz der Gleichbehandlung oder der bei Maßnahmen im Sinne von Artikel 2 Absatz 4 erforderlichen Förderung der Chancengleichheit im Einklang stehend angesehen werden.

33 Meines Erachtens hat der Vorbehalt, mit dem die hier in Rede stehende nationale Regelung versehen ist, keinen Einfluß auf das Ergebnis, daß diese Regelung aus folgenden Gründen rechtswidrig ist.

34 Erstens wird, wie das vorlegende Gericht und die Regierung des Vereinigten Königreichs ausführen, bei Anwendung des Vorbehalts die Regelung über die Bevorzugung von Frauen nur in einem bestimmten Fall verdrängt; der Vorbehalt ändert nichts am diskriminierenden Charakter der Regelung im allgemeinen.

35 Ferner ist, wie die französische Regierung ausführt, der Anwendungsbereich des in Rede stehenden Vorbehalts unklar (und sollte es offenbar(36) auch sein). Nach ständiger Rechtsprechung erfordern die Grundsätze der Rechtssicherheit und des Rechtsschutzes auf den vom Gemeinschaftsrecht erfassten Gebieten eine eindeutige Formulierung der Rechtsnormen der Mitgliedstaaten, die den betroffenen Personen die klare und genaue Kenntnis ihrer Rechte und Pflichten ermöglicht und die innerstaatlichen Gerichte in die Lage versetzt, deren Einhaltung sicherzustellen(37).

36 Selbst wenn die Existenz eines Vorbehalts grundsätzlich zur Vereinbarkeit einer solchen Regelung mit der Richtlinie führen könnte, wäre dies jedenfalls nur dann möglich, wenn gegen den Vorbehalt als solchen keine Einwände erhoben werden könnten. Dies scheint hier nicht der Fall zu sein. Neben den in den vorangegangenen Abschnitten angesprochenen Punkten gibt es einen weiteren mit der Anwendung des Vorbehalts zusammenhängenden Aspekt. Das Land Nordrhein-Westfalen hat darauf hingewiesen, daß die in Rede stehende nationale Regelung die von ihm - zweifellos zu Recht(38) - als diskriminierend angesehene Anwendung "traditioneller Hilfskriterien" in Auswahlverfahren verdrängen solle. Der Vorbehalt läuft jedoch offenbar darauf hinaus, daß genau diese Kriterien trotzdem herangezogen werden können, wenn er geltend gemacht wird, so daß die Stelle im Ergebnis dem männlichen Bewerber auf der Grundlage von Kriterien angeboten wird, die als diskriminierend anerkannt sind(39). Wenn eine unbedingte Regelung, die Frauen aufgrund ihres Geschlechts bevorzugt, rechtswidrig ist, dann muß eine bedingte Regelung, die entweder Frauen aufgrund ihres Geschlechts oder Männern aufgrund anerkanntermassen diskriminierender Kriterien bevorzugt, erst recht rechtswidrig sein.

37 Ich komme deshalb zu dem Ergebnis, daß die den Gegenstand der vorliegenden Rechtssache bildende nationale Regelung trotz des Vorbehalts in Anbetracht des Urteils Kalanke des Gerichtshofes rechtswidrig ist. Als generelle Bemerkung möchte ich hinzufügen, daß meines Erachtens jeder Versuchung, vom Urteil Kalanke aus engen technischen Gründen abzuweichen, widerstanden werden sollte. Wie oben ausgeführt, sind die Gründe, die den Gerichtshof zu seiner Entscheidung in dieser Rechtssache veranlasst haben, klar und gelten gleichermassen für den vorliegenden Fall. Anstrengungen, zwischen ähnlichen Fällen aufgrund feiner Unterschiede in den angefochtenen Rechtsvorschriften zu differenzieren, würden wahrscheinlich zu Rechtsunsicherheit und zu einer Vielzahl von Rechtsstreitigkeiten mit willkürlichen Ergebnissen führen.

38 Es könnte eingewandt werden(40), daß die Ungültigerklärung der nationalen Regelung zu einer Rückkehr zu den Kriterien führen würde, die sie ersetzen sollte und deren diskriminierender Charakter vom Land Nordrhein-Westfalen anerkannt worden ist, und daß damit wohl kaum "der Grundsatz der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung ... verwirklicht wird"(41).

39 Aus dem Umstand, daß die hier und in der Rechtssache Kalanke streitigen nationalen Regelungen gegen das Gemeinschaftsrecht verstossen, folgt jedoch nicht, daß eine Behörde die sogenannten traditionellen Hilfskriterien anwenden darf, die ohne solche Regelungen angeblich angewandt werden(42). Tatsächlich erscheint klar, daß solche Kriterien sowohl angewandt als auch von manchen als akzeptabel angesehen werden; Herr Kalanke berief sich z. B. vor den nationalen Gerichten dem Vernehmen nach darauf, daß er selbst dann, wenn Frau Glißmann ebenso qualifiziert wäre, aus sozialen Gründen hätte befördert werden müssen (da er verheiratet sei, seine Frau nicht arbeite und er zwei Kinder habe)(43). Ebenso klar erscheint, daß die Anwendung solcher Kriterien in einem Auswahlverfahren ihrerseits gegen die Gleichbehandlungsrichtlinie verstösst: Wie erwähnt, darf nach Artikel 2 Absatz 1 "keine unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung auf Grund des Geschlechts - insbesondere unter Bezugnahme auf den Ehe- oder Familienstand - erfolgen", und Artikel 3 Absatz 1 verbietet ausdrücklich eine solche Diskriminierung "bei den Bedingungen des Zugangs - einschließlich der Auswahlkriterien - zu den Beschäftigungen oder Arbeitsplätzen". Ein Mitgliedstaat, der die Anwendung derartiger diskriminierender Kriterien zulässt, verstösst gegen seine Verpflichtungen aus der Gleichbehandlungsrichtlinie und den Artikeln 5 und 189 des Vertrages; gleiches gilt für einen Mitgliedstaat, der nicht dafür gesorgt hat, daß jeder, der sich wegen einer Diskriminierung für beschwert hält, im Einklang mit Artikel 6 der Richtlinie "seine Rechte gerichtlich geltend machen kann"(44).

Der Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 4

40 Ich bin aus den oben genannten Gründen zu dem Ergebnis gekommen, daß Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie einer nationalen Regelung entgegensteht, nach der in behördlichen Geschäftsbereichen, in denen im jeweiligen Beförderungsamt einer Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind, bei gleicher Qualifikation (Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung) männlicher und weiblicher Bewerber Frauen bevorzugt befördert werden müssen, sofern nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.

41 Es mag zweckmässig sein, ergänzend darauf einzugehen, welche Arten von Maßnahmen meiner Meinung nach unter Artikel 2 Absatz 4 fallen und welche nicht; diese Bestimmung sieht - wie erwähnt - vor, daß die Richtlinie "nicht den Maßnahmen zur Förderung der Chancengleichheit für Männer und Frauen, insbesondere durch Beseitigung der tatsächlich bestehenden Ungleichheiten, die die Chancen der Frauen in den in Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen, entgegen[steht]", d. h. in den Bereichen des Zugangs zur Beschäftigung, einschließlich des Aufstiegs, der Berufsbildung und der Arbeitsbedingungen.

42 Aus dem Wortlaut von Artikel 2 Absatz 4 und seiner Auslegung durch den Gerichtshof geht klar hervor, daß er die Förderung der Chancengleichheit betrifft und keine zahlenmässige Gleichheit durchsetzen soll und daß die Mitgliedstaaten die Befugnis behalten, dem Anschein nach diskriminierende Maßnahmen zu erlassen, die dazu dienen, spezielle Hindernisse oder Nachteile zu beseitigen, denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, um die Chancengleichheit für Männer und Frauen zu fördern und damit zu erreichen, daß Frauen im Arbeitsleben besser repräsentiert sind. Der Grundsatz der Verhältnismässigkeit verlangt jedoch, daß jede derartige Maßnahme zur Erreichung ihres Zieles sowohl angemessen als auch erforderlich ist.

43 Eine geschlechtsspezifische Maßnahme steht meines Erachtens nicht in angemessenem Verhältnis zu den Zielen der Beseitigung spezieller Ungleichheiten, denen Frauen in der Praxis ausgesetzt sind, und der Förderung der Chancengleichheit, wenn dasselbe Ergebnis durch eine geschlechtsneutrale Bestimmung erreicht werden könnte(45). So sehen z. B. die Gemeinschaftsorgane im Rahmen von Einstellungen in der Regel vor, daß die sonst geltende Altersgrenze bei Bewerbern heraufgesetzt werden kann, "die mindestens ein Jahr lang keine Berufstätigkeit ausgeuebt haben, um ein in ihrem Haushalt lebendes Kleinkind zu betreuen"(46).

44 Obwohl eine solche Bestimmung geschlechtsneutral formuliert ist, wird sie sich in der Praxis wahrscheinlich zugunsten einer erheblich grösseren Zahl von Frauen als von Männern auswirken. Trotz dieser mittelbar diskriminierenden Wirkung ist eine solche Bestimmung meines Erachtens kraft Artikel 2 Absatz 4 rechtmässig.

45 Es mag jedoch Maßnahmen zur Beseitigung spezieller Nachteile, denen Frauen auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt sind, geben, deren Ziele besser erreicht werden, wenn sie ausdrücklich so gestaltet sind, daß sie nur Frauen zugute kommen. Auch solche Maßnahmen würden meiner Ansicht nach in den Anwendungsbereich von Artikel 2 Absatz 4 fallen. Diese Auffassung spiegelt die Äusserung des Gerichtshofes im Urteil Kalanke wider, daß nach Artikel 2 Absatz 4 "nationale Maßnahmen im Bereich des Zugangs zur Beschäftigung einschließlich des Aufstiegs zulässig [sind], die die Frauen spezifisch begünstigen und darauf ausgerichtet sind, deren Fähigkeit zu verbessern, auf dem Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren und unter den gleichen Bedingungen wie die Männer eine berufliche Laufbahn zu verwirklichen"(47). Nach Artikel 2 Absatz 4 zulässige unmittelbar diskriminierende Maßnahmen müssen daher "auf die Beseitigung der Hindernisse ausgerichtet sein, die sich der Chancengleichheit der Frau in den Weg stellen, und z. B. bei der Schulwahl und der Berufsbildung ansetzen"(48).

Die rechtspolitische Frage

46 Mit der Befürwortung einer Auslegung von Artikel 2 Absatz 4, die Maßnahmen zur unmittelbaren Bevorzugung von Frauen bei der Einstellung oder Beförderung in Bereichen, in denen sie unterrepräsentiert sind, ausschließt, nehme ich nicht dazu Stellung, ob solche Maßnahmen grundsätzlich wünschenswert sind. Es steht ausser Frage, daß - wie das Vereinigte Königreich in der Rechtssache Kalanke vorgetragen hat(49) - die Unterrepräsentation von Frauen das Ergebnis eines Bündels von Faktoren ist, und es mag sein, daß eine solche bevorzugte Behandlung von Frauen eine Methode zur Verbesserung eines dieser Faktoren darstellt (obwohl darauf hinzuweisen ist, daß die in der Rechtssache Kalanke und in der vorliegenden Rechtssache streitigen Regelungen offenbar bemerkenswert geringe Wirkung hatten(50), was vielleicht nicht sehr überraschend ist, da die Ausnahmegründe im wesentlichen die gleichen zu sein scheinen wie die Gründe, die ohne die Regelung angewandt würden, von der angeblich abgewichen wird). Ob eine solche Politik wünschenswert oder angemessen ist, hat jedoch der Gesetzgeber und nicht der Gerichtshof zu entscheiden(51), dessen Rolle in der vorliegenden Rechtssache - wie schon in der Rechtssache Kalanke - darin besteht, die vorhandenen Rechtsvorschriften auszulegen. Jeder Versuchung, das Ergebnis an rechtspolitischen Erwägungen auszurichten, sollte der Gerichtshof widerstehen, so attraktiv sie auch sein mag. Ein Industrial Tribunal im Vereinigten Königreich hat zu der vergleichbaren Frage, ob nur mit Frauen besetzte Auswahllisten für Kandidaten der Labour Party in bestimmten Wahlbezirken rechtmässig sind, folgendes ausgeführt:

"Es mag durchaus sein, daß viele [die Beseitigung des Ungleichgewichts zwischen den Geschlechtern im House of Commons] als lobenswertes Motiv ansehen würden, aber dies ist unerheblich für die Frage, ob die Vereinbarung bei ihrer Anwendung auf den uns vorliegenden Sachverhalt zu einer unmittelbaren rechtswidrigen Diskriminierung der beiden männlichen Bewerber aufgrund des Geschlechts führt."(52)

47 Für mich steht ausser Frage, daß das Urteil Kalanke - trotz viel auf falschem Verständnis beruhender Kritik(53) - mit dem Wortlaut der Richtlinie im Einklang steht. Die Rechtsvorschriften wurden zugegebenermassen vor zwei Jahrzehnten ausgearbeitet, und aus zwischenzeitlichen sozialen Entwicklungen mag zu schließen sein, daß eine Bestimmung, deren Intention und Anwendungsbereich bei ihrem Erlaß angemessen waren, nun einer Überprüfung bedarf. Die Neuregelung des Gemeinschaftsrechts ist jedoch ebenfalls Sache des Gesetzgebers und nicht des Gerichtshofes. Interessanterweise gibt es derzeit zwei parallele Initiativen, mit denen auf verschiedenen Wegen versucht wird, bestimmte Formen der "affirmative action" einzuführen.

48 1996 schlug die Kommission, veranlasst durch das Urteil Kalanke, eine Änderung von Artikel 2 Absatz 4 vor(54). Nach dem Änderungsvorschlag soll diese Bestimmung folgende Fassung erhalten:

"Diese Richtlinie steht nicht Maßnahmen entgegen, die die Chancengleichheit von Männern und Frauen fördern, indem sie insbesondere bestehende Ungleichheiten beseitigen, die die Chancen des unterrepräsentierten Geschlechts in den unter Artikel 1 Absatz 1 genannten Bereichen beeinträchtigen. Derartige Maßnahmen können auch Vorzugsregelungen bezueglich des Zugangs zur Beschäftigung oder zum beruflichen Aufstieg zugunsten eines Mitglieds des unterrepräsentierten Geschlechts beinhalten, soweit sie die Bewertung der besonderen Umstände eines Einzelfalls nicht ausschließen."(55)

49 Die Kommission ist der Ansicht, daß die von ihr vorgeschlagene Änderung den Anwendungsbereich der Gleichbehandlungsrichtlinie nicht berühre, sondern nur "erklärender" und "erläuternder" Art sei, wobei sie davon ausgeht, daß sich das Urteil Kalanke auf Maßnahmen der "affirmative action" von genau der dort streitigen Art beschränke(56). Aus den von mir genannten Gründen stimme ich dieser Ansicht nicht zu; die vorgeschlagene Änderung enthält deshalb meines Erachtens grössere Neuerungen, als die Kommission meint. Ausserdem fehlt es ihr an Klarheit(57). Wenn es als wünschenswert angesehen wird, den Grundsatz aufzustellen, daß bestimmte Arten der "affirmative action" rechtmässig sein sollen, dann ist es von entscheidender Bedeutung, daß der genaue Anwendungsbereich dieses Grundsatzes eindeutig definiert wird (obwohl es in Anbetracht der unterschiedlichen politischen Anschauungen und wechselnder wirtschaftlicher und sozialer Umstände angebracht sein mag, den Mitgliedstaaten ein gewisses Ermessen bei der Entscheidung darüber einzuräumen, ob und in welchem Umfang sie von einer solchen Ausnahme Gebrauch machen).

50 Die zweite Initiative ist ein im Zusammenhang mit der Regierungskonferenz ins Auge gefasster Vorschlag zur Änderung des Vertrages. Die vorgeschlagene Änderung würde anscheinend klarstellen, daß es nicht gegen den Grundsatz der Gleichbehandlung und der Chancengleichheit verstossen würde, wenn ein Mitgliedstaat bestimmte Formen der "affirmative action" einführt. Der genaue Wortlaut und das politische Schicksal dieses Vorschlags bleiben abzuwarten. Wahrscheinlich soll die vorgeschlagene Änderung Artikel 6 Absatz 3 des die Sozialpolitik betreffenden Protokolls Nr. 14 zum Vertrag (die "Sozialcharta") ergänzen. Darin heisst es, daß Artikel 6 (in dem mit nahezu den gleichen Worten wie in Artikel 119 des Vertrages der Grundsatz des gleichen Entgelts verankert ist) "einen Mitgliedstaat nicht daran [hindert], zur Erleichterung der Berufstätigkeit der Frauen oder zur Verhinderung bzw. zum Ausgleich von Benachteiligungen in ihrer beruflichen Laufbahn spezifische Vergünstigungen beizubehalten oder zu beschließen". Da sich Artikel 6 Absatz 3 auf die Gleichheit des Entgelts beschränkt, ist er, auch wenn die Kommission ihn kurz erwähnt hat, im vorliegenden Fall nicht hilfreich.

Die Bedeutung internationaler Vertragswerke

51 In mehreren der beim Gerichtshof eingereichten schriftlichen Erklärungen(58) wird auf internationale Übereinkünfte Bezug genommen, die die Ansicht stützen sollen, daß Artikel 2 Absatz 4 der Gleichbehandlungsrichtlinie hinreichend weit ausgelegt werden sollte, damit unter die von ihm zugelassenen Handlungen auch Bevorzugungsmaßnahmen wie die in Rede stehende nationale Regelung fielen.

52 Das Land Nordrhein-Westfalen und die Kommission verweisen auf das Übereinkommen der Internationalen Arbeitsorganisation über die Diskriminierung(59), das alle Mitgliedstaaten mit Ausnahme Irlands, Luxemburgs und des Vereinigten Königreichs ratifiziert haben. Artikel 5 lautet:

"1. Die besonderen Schutz- oder Hilfsmaßnahmen, die in anderen Übereinkommen oder Empfehlungen der Internationalen Arbeitskonferenz vorgesehen werden, gelten nicht als Diskriminierung.

2. Jedes Mitglied kann nach Anhörung der maßgebenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmerverbände, soweit solche bestehen, erklären, daß auch andere Sondermaßnahmen nicht als Diskriminierung gelten sollen, sofern diese auf die Berücksichtigung der besonderen Bedürfnisse von Personen abzielen, die aus Gründen des Geschlechts, des Alters, der Behinderung, der Familienpflichten oder der sozialen oder kulturellen Stellung anerkanntermassen besonders schutz- oder hilfsbedürftig sind."

53 Das Land Nordrhein-Westfalen, die österreichische, die finnische und die norwegische Regierung sowie die Kommission verweisen auf das Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, das alle Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaft ratifiziert haben(60), und insbesondere auf Artikel 4 Absatz 1, der lautet:

"Zeitweilige Sondermaßnahmen der Vertragsstaaten zur beschleunigten Herbeiführung der De-facto-Gleichberechtigung von Mann und Frau gelten nicht als Diskriminierung im Sinne dieses Übereinkommens, dürfen aber keinesfalls die Beibehaltung ungleicher oder gesonderter Maßstäbe zur Folge haben; diese Maßnahmen sind aufzuheben, sobald die Ziele der Chancengleichheit und Gleichbehandlung erreicht sind."

54 Beide Übereinkommen lassen als Ausnahme von dem in ihnen enthaltenen grundsätzlichen Diskriminierungsverbot "Sondermaßnahmen" zu, auch wenn diese auf den ersten Blick diskriminierend sind. Die Beteiligten, die sich auf die Übereinkommen berufen, tragen entweder ausdrücklich oder implizit vor, daß die streitige nationale Regelung nicht gegen diese Übereinkommen verstosse und daß Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie dahin ausgelegt werden sollte, daß er mit den Übereinkommen im Einklang stehe.

55 Die herangezogenen Bestimmungen der Übereinkommen sind unbestreitbar vage; es ist keineswegs klar, daß sie sich auf Bevorzugungsmaßnahmen wie die in Rede stehende nationale Regelung erstrecken. Insoweit sind die Übereinkommen daher als Hilfe bei der Auslegung der spezielleren Bestimmungen von Artikel 2 Absatz 4 nicht von Nutzen.

56 Der Wortlaut der fraglichen Übereinkommen ist ausserdem eindeutig fakultativ und nicht zwingend. Die von mir befürwortete Auslegung von Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie führt daher nicht zu einem unmittelbaren Konflikt mit den Übereinkommen, wie es der Fall wäre, wenn sie die Staaten z. B. ausdrücklich zu "affirmative action" der in Rede stehenden Art verpflichten würden. Folglich braucht nicht geprüft zu werden, wie bei einem Konflikt zu verfahren wäre. Dies würde eine Reihe schwieriger Fragen nach der unmittelbaren Wirkung der Übereinkommen und dem Anwendungsbereich von Artikel 234 EG-Vertrag aufwerfen(61).

57 Was jedoch die allgemeinere Frage des Anwendungsbereichs von Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie anbelangt, so handelt es sich bei den meines Erachtens gemäß Artikel 2 Absatz 4 zulässigen Arten von Maßnahmen jedenfalls um solche, deren Erlaß die Übereinkommen offenbar erleichtern sollen.

Ergebnis

58 Die vom Verwaltungsgericht Gelsenkirchen vorgelegte Frage sollte deshalb meiner Meinung nach wie folgt beantwortet werden:

Artikel 2 Absätze 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen steht einer nationalen Regelung entgegen, nach der in behördlichen Geschäftsbereichen, in denen im jeweiligen Beförderungsamt einer Laufbahn weniger Frauen als Männer beschäftigt sind, bei gleicher Qualifikation (Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung) männlicher und weiblicher Bewerber Frauen bevorzugt befördert werden müssen, sofern nicht in der Person eines männlichen Mitbewerbers liegende Gründe überwiegen.

(1) - ABl. L 39, S. 40.

(2) - § 25 Absatz 5 Satz 2 Halbsatz 1 des Beamtengesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. Mai 1981 (Gesetz- und Verordnungsblatt Nordrhein-Westfalen [GV.NW], S. 234), zuletzt geändert durch Artikel 1 des Siebten Gesetzes zur Änderung dienstrechtlicher Vorschriften vom 7. Februar 1995 (GV.NW, S. 102).

(3) - Gemäß Artikel 20 der EG-Satzung des Gerichtshofes in der aufgrund der Erklärung der Europäischen Gemeinschaft zu den Rechten der EFTA-Staaten vor dem EG-Gerichtshof, die der Schlussakte zur Annahme des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (ABl. 1994, L 1, S. 523) beigefügt ist, geänderten Fassung.

(4) - Eine Anmerkung zu dieser Terminologie findet sich in den Schlussanträgen von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache C-450/93 (Kalanke, Slg. 1995, I-3051, insbesondere Nr. 8). Vgl. auch die Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Auslegung des Urteils des Gerichtshofes vom 17. Oktober 1995 in der Rechtssache C-450/93, Eckhard Kalanke gegen Freie Hansestadt Bremen, KOM(96) 88 endg., S. 3.

(5) - Siehe oben, Fußnote 4. Das Urteil war Gegenstand zahlreicher Artikel und Kommentare. Ausführliche Angaben zum deutschen Schrifttum sind in den Erklärungen des Landes Nordrhein-Westfalen enthalten.

(6) - Vgl. z. B. die Ausführungen von Eva Brems in ihrer Besprechung des Falles in Columbia Journal of European Law 2, 1995/96, S. 172, 177: "Statt zu folgern, daß alle drei Formen positiver Maßnahmen kombiniert werden müssen, wendet sich Tesauro dann jedoch dem Wortlaut der Richtlinie zu", und die Äusserung von Anne Peters in "The Many Meanings of Equality and Positive Action in Favour of Women under European Community Law - A Conceptual Analysis", European Law Journal 2, 1996, S. 177, 190, daß die Entscheidung "die mangelnde Bereitschaft des Gerichtshofes verdeutlicht, das Spannungsverhältnis anzuerkennen, das durch die Vielzahl von Paradigmen entsteht".

(7) - Urteil vom 12. Juli 1984 in der Rechtssache 184/83 (Slg. 1984, 3047).

(8) - Nr. 9 der Schlussanträge.

(9) - Urteil vom 25. Oktober 1988 in der Rechtssache 312/86 (Slg. 1988, 6315).

(10) - Vgl. Randnr. 8 des Urteils und die Schlussanträge von Generalanwalt Sir Gordon Slynn (Slg. 1988, 6315, 6327).

(11) - Randnr. 15 des Urteils. Die Worte "actual instances of inequality" im englischen Text des Urteils sind dem englischen Text von Artikel 2 Absatz 4 der Richtlinie, in dem von "existing inequalities" gesprochen wird, vielleicht vorzuziehen. Sie nähern sich auch mehr den anderen Sprachfassungen von Artikel 2 Absatz 4 an. Generalanwalt Slynn vertrat die Ansicht, daß die streitigen Maßnahmen nicht gemäß Artikel 2 Absatz 4 gerechtfertigt sein könnten, da die betreffenden Rechte Männern niemals zugestanden hätten und es deshalb keine tatsächlich bestehenden Ungleichheiten zugunsten von Männern gebe, die die Chancen der Frauen beeinträchtigten. Diese Ansicht scheint jedoch auf einer recht wörtlichen Auslegung des englischen Textes von Artikel 2 Absatz 4 zu beruhen.

(12) - Siehe oben, Fußnote 4.

(13) - Vgl. Randnr. 3 des Urteils.

(14) - Randnr. 9 des Urteils des Gerichtshofes.

(15) - Randnr. 16 des Urteils.

(16) - Siehe oben, Fußnote 9.

(17) - Randnrn. 18 und 19.

(18) - Empfehlung 84/635/EWG des Rates vom 13. Dezember 1984 (ABl. L 331, S. 34).

(19) - Dritte Begründungserwägung.

(20) - Randnrn. 20 und 21.

(21) - Randnr. 22.

(22) - Randnr. 23.

(23) - Randnr. 24 und Tenor. Zur maßgeblichen Definition der "Unterrepräsentation" siehe oben, Nr. 16.

(24) - Vgl. z. B. Louis Charpentier, "L'arrêt Kalanke, expression du discours dualiste de l'égalité", Revü trimestrielle de droit européen 32, 1996, S. 281, 288, und Anne Peters, "The Many Meanings of Equality" (siehe oben, Fußnote 6), S. 192 f.

(25) - Vgl. z. B. die Besprechung des Falles durch Jean-Louis Clergerie in Recüil Dalloz Sirey (Jurisprudence) 1996, S. 221, 223, die Besprechung des Falles durch Eva Brems (siehe oben, Fußnote 6), S. 174 f., und Linda Senden, "Positive Action in the EU Put to the Test. A Negative Score?", Maastricht Journal of European and Comparative Law 3, 1996, S. 146, 151 f.

(26) - Wiedergegeben unter Nr. 4.

(27) - Randnr. 22 des Urteils; Hervorhebung durch mich.

(28) - Vgl. auch die in Fußnote 4 erwähnte Mitteilung, S. 9.

(29) - Es ist anzumerken, daß das Bundesarbeitsgericht, das in der Rechtssache Kalanke um Vorabentscheidung ersucht hatte, bei der Entscheidung über die Rechtssache im Licht des Urteils des Gerichtshofes ebenfalls der Ansicht war, daß das entscheidende Merkmal der ihm vorliegenden nationalen Regelung das Fehlen eines speziellen Vorbehalts sei, wie er hier besteht; vgl. die Besprechung des Urteils Kalanke durch Sacha Prechal, Common Market Law Review 33, 1996, S. 1245, 1256, und Linda Senden, "Positive Action in the EU Put to the Test" (siehe oben, Fußnote 25), S. 157.

(30) - Randnr. 9 des Urteils.

(31) - Vgl. dazu näher Linda Senden, "Positive Action in the EU Put to the Test" (siehe oben, Fußnote 25), S. 149. Inzwischen ist an Artikel 3 Absatz 2 eine neue "Staatszielbestimmung" angefügt worden, wonach der Staat "die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern [fördert] und ... auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin[wirkt]". Vgl. dazu näher Gilbert H. Gornig und Sven Reckewerth, "The Revision of the German Basic Law. Current Perspectives and Problems in German Constitutional Law", Public Law, 1997, S. 137, 147 bis 149.

(32) - Vgl. z. B. die Besprechung des Falles durch Georges Friden in Annales du droit luxembourgeois, 1995, S. 483, 488 bis 490, sowie Olivier De Schutter und Bernadette Renauld, "Egalité de traitement - L'action affirmative devant la Cour de Justice des Communautés Européennes à propos de l'arrêt Kalanke du 17 octobre 1995", Journaux des tribunaux du travail, 1996, S. 125, 126.

(33) - Nr. 13.

(34) - Nr. 22.

(35) - Wiedergegeben oben, Nr. 5.

(36) - Siehe oben, Nr. 8.

(37) - Vgl. z. B. Urteil vom 21. Juni 1988 in der Rechtssache 257/86 (Kommission/Italien, Slg. 1988, 3249, Randnr. 12).

(38) - Ich werde darauf unter Nr. 39 zurückkommen.

(39) - Das Bundesarbeitsgericht, das in der Rechtssache Kalanke um Vorabentscheidung ersucht hatte, hat dem Vernehmen nach ausgeführt, daß der bremische Gesetzgeber, der die Regelung, um die es dort ging, erlassen hatte, von einer derart weit formulierten Ausnahme, wie sie hier vorliegt, bewusst abgesehen habe, da seiner Ansicht nach eine zu grosse Gefahr bestanden habe, daß die Anwendung einer solchen Ausnahme zu mittelbarer Diskriminierung führen würde; vgl. die Besprechung des Falles durch Sacha Prechal (siehe oben, Fußnote 29), S. 1257. Darüber hinaus hat in der vorliegenden Rechtssache das Land Nordrhein-Westfalen in der mündlichen Verhandlung ausgeführt, daß die als "Damoklesschwert" bezeichnete Klausel selten herangezogen werde, da die Befürchtung bestehe, daß ihre Anwendung rechtliche Schritte nach sich ziehen würde.

(40) - Vgl. z. B. Dagmar Schiek, "Positive Action in Community Law", Industrial Law Journal 25, 1996, S. 239, 241.

(41) - Artikel 1 Absatz 1 der Richtlinie.

(42) - Siehe oben, Nr. 7.

(43) - Vgl. Dagmar Schiek, "Positive Action in Community Law" (siehe oben, Fußnote 40), S. 240, Linda Senden, "Positive Action in the EU Put to the Test" (siehe oben, Fußnote 25), S. 147 f., und die Besprechung des Falles durch Sacha Prechal (siehe oben, Fußnote 29), S. 1246.

(44) - Vgl. Urteil vom 10. April 1984 in der Rechtssache 14/83 (von Colson und Kamann, Slg. 1984, 1891, Randnr. 18). Vgl. auch Urteil vom 22. April 1997 in der Rechtssache C-180/95 (Draehmpaehl, Slg. 1997, I-0000, Randnrn. 24 bis 27).

(45) - Wenn etwa nur Frauen in den Genuß von Maßnahmen im Zusammenhang mit der Kinderbetreuung kommen, so kann dies sogar als dem Ziel der Behandlung von Männern und Frauen als gleichberechtigte Teilnehmer am Arbeitsleben zuwiderlaufend angesehen werden, da es die Annahme verstärkt, daß Frauen die Hauptverantwortung für die Kinderbetreuung tragen sollten; vgl. Ursula A. O'Hare, "Positive Action Before the European Court of Justice: Case C-450/93, Kalanke v Freie Hansestadt Bremen", Web Journal of Current Legal Ißüs, 1996, und die Besprechung des Falles durch Sacha Prechal (siehe oben, Fußnote 29), S. 1253.

(46) - Vgl. z. B. Ausschreibung des allgemeinen Auswahlverfahrens CJ/LA/18, ABl. 1996, C 268A, S. 8, III. Nr. 3 Buchstabe c (Einstellung von Juristen-Übersetzern durch den Gerichtshof); Bekanntgabe des allgemeinen Auswahlverfahrens CC/A/6/96, ABl. 1997, C 84A, S. 5, II. B. Nr. 1 Buchstabe b (Einstellung von Statistikern durch den Rechnungshof).

(47) - Randnr. 19 des Urteils.

(48) - Nr. 19 der Schlussanträge von Generalanwalt Tesauro in der Rechtssache Kalanke.

(49) - Zitiert von Ursula A. O'Hare, "Positive Action Before the European Court of Justice" (siehe oben, Fußnote 45).

(50) - Erklärungen des Landes Nordrhein-Westfalen in der vorliegenden Rechtssache; Dagmar Schiek, "Positive Action" (siehe oben, Fußnote 40), S. 244. Vgl. allgemein Josephine Shaw, "Positive Action for Women in Germany: The Use of Legally Binding Quota Systems", in: Bob Hepple und Erika Szyszczak (Hrsg.), Discrimination: The Limits of Law, Mansell Publishing Ltd, London und New York 1992, S. 386.

(51) - Auch wenn einige Kommentatoren eine andere Ansicht vertreten haben; vgl. z. B. die Besprechung des Falles durch Eva Brems (siehe oben, Fußnote 6), S. 178.

(52) - Jepson/The Labour Party, Industrial Relations Law Reports, 1996, S. 116, 117.

(53) - Vgl. z. B. Titia Lönen und Albertine Veldman, "Preferential Treatment in the Labour Market after Kalanke: Some Comparative Perspectives", International Journal of Comparative Labour Law and Industrial Relations 12, 1996, S. 43: "Der fundamentale Angriff auf die bevorzugte Behandlung, den die Kalanke-Entscheidung zu implizieren scheint ..."

(54) - Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 76/207/EWG des Rates zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (ABl. 1996, C 179, S. 8).

(55) - Artikel 1 der vorgeschlagenen Änderungsrichtlinie.

(56) - Vgl. die Begründung, KOM(96) 93 endg., S. 3, 4 und 8.

(57) - Vgl. näher die gut artikulierte Kritik des Wirtschafts- und Sozialausschusses an der vorgeschlagenen Änderung in seiner Stellungnahme vom 25. September 1996, ABl. 1997, C 30, S. 57, insbesondere Abschnitte 3.1 und 3.2.

(58) - Vgl. auch die in Fußnote 4 erwähnte Mitteilung der Kommission, S. 7 f.

(59) - Übereinkommen Nr. 111 vom 25. Juni 1958 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf, United Nations Treaty Series, Band 362, S. 31.

(60) - Resolution Nr. 34/180 der Generalversammlung, verabschiedet am 18. Dezember 1979.

(61) - Vgl. zuletzt Urteil vom 14. Januar 1997 in der Rechtssache C-124/95 (Centro-Com, Slg. 1997, I-0000, Randnrn. 55 bis 60).

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