52007DC0412

Mitteilung der Kommission an den Rat - Europa für das 21. Jahrhundert reformieren /* KOM/2007/0412 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 10.7.2007

KOM(2007) 412 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT

Europa für das 21. Jahrhundert reformieren

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT

Europa für das 21. Jahrhundert reformieren

Stellungnahme der Europäischen Kommission nach Artikel 48 des Vertrags über die Europäische Union zu der zur Änderung der Verträge einberufenen Konferenz der Vertreter der Regierungen der Mitgliedstaaten

I EUROPA GEMEINSAM REFORMIEREN

Europa hat sich gewandelt, die Welt hat sich gewandelt. Das 21. Jahrhundert bringt neue Herausforderungen und Chancen mit sich. Die Interaktion von Volkswirtschaften und Menschen weltweit – ob durch Kommunikation, Handel, Zuwanderung, gemeinsame sicherheitspolitische Anliegen oder kulturellen Austausch – unterliegt einer kontinuierlichen Entwicklung. In dieser globalisierten Welt muss Europa wettbewerbsfähig sein, um Wirtschaftswachstum und mehr und bessere Arbeitsplätze und damit insgesamt ein nachhaltiges Wachstum sicherzustellen. Auf den Klimawandel muss auf globaler wie auch lokaler Ebene reagiert werden. Durch die demografische Entwicklung sind alte Gewissheiten um die Funktionsmuster der Gesellschaft ins Wanken geraten. Neue Sicherheitsbedrohungen erfordern neue Strategien und Politikmaßnahmen. In all diesen Bereichen muss Europa für den Wandel gerüstet sein. Der Wohlstand von Morgen erfordert neue Fertigkeiten, neue Formen der Arbeit sowie politische, wirtschaftliche und soziale Reformen. Die europäische Gesellschaft verfügt über die Kreativität und Fähigkeit, diese Herausforderungen zu bewältigen. Sie steht auf einem Fundament von Grundwerten – Freiheit, Menschenwürde, Solidarität, Toleranz, soziale Gerechtigkeit, Rechtstaatlichkeit – die sich bewährt haben. Um diese Werte zu erhalten und zu konsolidieren, muss sich Europa jedoch anpassen. Außerdem benötigt es die Instrumente, um Absichten Realität werden zu lassen. Die Mitgliedstaaten können die heutigen und künftigen Herausforderungen nicht allein bewältigen: nur gemeinsame Anstrengungen – unter uneingeschränkter Beachtung des Subsidiaritätsprinzips – können die richtige Antwort liefern. Dies ist die Aufgabe der Europäischen Union, und dies ist der Grund, weshalb sie die richtigen Verträge, die richtigen Institutionen und die richtigen Arbeitsmethoden braucht.

Die Aufgabe Europas besteht in der Verfolgung einer Politik, die den Erwartungen und Sehnsüchten der Bürger Rechnung trägt: eine Vision eines Europa, das zur Zusammenarbeit bereit ist, um eine gemeinsame Zukunft zu verwirklichen.

Die Europäische Union verfügt über einzigartige Voraussetzungen, um die Antworten auf die dringendsten Fragen unserer Zeit zu finden. Ein Europa mit 27 oder mehr Mitgliedstaaten eröffnet die Möglichkeit, europaweit tätig zu werden und sich Problemen zu stellen, die über nationale Grenzen hinausgehen. Nach fünfzig Jahren der Integration und Erweiterung hat die Vision der Gründungsväter Europas nichts an Aktualität verloren. Gemeinsame Lösungen sind oft der einzig gangbare Weg, um in der globalisierten Welt für Europa die richtigen Antworten zu finden: Modernisierung der europäischen Wirtschaft, um in einem härteren Wettbewerb bestehen zu können, Festhalten an der führenden Rolle Europas bei der Bewältigung des weltweiten Klimawandels, Sicherstellung einer nachhaltigen Energieversorgung, wirksame Steuerung der Zuwanderung, Terrorismusbekämpfung, Unterstützung der Entwicklungsländer im Kampf gegen die Armut, wirksame Förderung der europäischen Werte in der Weltgemeinschaft. Die Europäische Union hat das Potenzial, ihre Politiken in all diesen Bereichen zu stärken, doch darf dieses Potenzial nicht durch überholte Verfahrensweisen unterdrückt werden.

Um ihr Potenzial auszuschöpfen, bedarf die Europäische Union der Modernisierung und der Reform. Der Regelungsrahmen muss aktualisiert werden, um den Anforderungen unserer Zeit zu entsprechen. Das empfindliche Gleichgewicht des Zusammenspiels der EU-Institutionen bietet immer noch die bestmögliche Kombination, um die Stärken Europas miteinander zu verbinden. Die „Gemeinschaftsmethode“ – und insbesondere die besondere Rolle der Europäischen Kommission und ihr Initiativrecht – ist der Schlüssel zum Erfolg des europäischen Systems. Doch müssen die verwendeten Instrumente mit den Erfordernissen der erweiterten Union Schritt halten. Sie müssen wirksam und kohärent sein und die unvermeidbaren Schwierigkeiten überwinden, die entstehen, wenn ein facettenreiches Europa mit 27 Mitgliedstaaten die gemeinsame Vision der EU Wirklichkeit werden lassen soll: In den Institutionen und bei den Arbeitsmethoden muss ein gestraffter Entscheidungsprozess zum Tragen kommen, der den sich schnell verändernden Herausforderungen unserer Zeit entspricht. Darüber hinaus müssen diese Instrumente demokratisch sein – die moderne europäische Gesellschaft verlangt mit Recht ein hohes Maß an Verantwortung, Transparenz und Mitwirkung. Die Legitimität des Projekts Europa muss sich aus seinen Taten und Handlungen herleiten.

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Im vergangenen Jahrzehnt hat die Europäische Union nach dem richtigen Weg gesucht, um sich zu erneuern und stärker auf die Belange und Bestrebungen der Bürger einzugehen. Die Kommission hat sich stets aktiv an diesem Prozess beteiligt. Die Erklärung von Laeken machte deutlich, wo in der EU Reformbedarf bestand. Mit der Erweiterung von 2004 und 2007 wuchs die Notwendigkeit, die Arbeitsweise der EU zu modernisieren. Der Konvent und die Regierungskonferenz von 2004 versuchten, mit dem Vertrag über eine Verfassung für Europa eine Antwort zu liefern. Die Kommission hat den Verfassungsvertrag als angemessene Antwort auf die Herausforderungen, vor denen Europa steht, stets nachdrücklich unterstützt. Doch fand dieser Vertrag, der von der Mehrheit der Mitgliedstaaten ratifiziert wurde, keine einhellige Unterstützung. Die Reflexionsphase war für die EU eine geeignete Voraussetzung, um eine Lösung zu formulieren, nachdem die Kommission durch die Initiative „Plan D”[1] den Weg gewiesen hatte, die darauf abzielte, Ideen zu entwickeln, um die EU demokratischer, transparenter und wirksamer zu machen.

Mit dem Stillstand im Prozess der Ratifizierung des Verfassungsvertrags stellte sich die Notwendigkeit einer Reform der Arbeitsweise der EU so dringlich dar wie eh und je. Die Europäische Kommission erarbeitete einen neuen Zeitplan, der auf dem informellen Treffen des Europäischen Rates im Oktober 2005 in Hampton Court auf Zustimmung stieß und der auch in dem in der „bürgernahen Agenda“[2] dargelegten doppelgleisigen Ansatz weiterverfolgt wurde. Darin wurde deutlich gemacht, dass wir die richtigen Instrumente und Arbeitsmethoden brauchen, um gegen die politischen Zwänge, denen Europa unterliegt, anzugehen. Es wurden verschiedene Schritte zur Herbeiführung einer institutionellen Neuordnung – so die Verabschiedung eines Rahmens auf der Tagung des Europäischen Rates vom Juni 2006, die Berliner Erklärung vom März 2007 und eine umfassende Vereinbarung über die zu reformierenden Elemente im Juni 2007 - unternommen. Gleichzeitig hat die Europäische Union gegenüber den europäischen Bürgern ihren Reformwillen bekräftigt – vom Wirtschaftswachstum bis zur Arbeitsplatzschaffung, von der Energie bis zur Zuwanderung, vom Klimawandel bis zur Innovation. In all diesen Bereichen hat die EU Ergebnisse erzielt.

Die Berliner Erklärung anlässlich des 50. Jahrestages der Unterzeichnung der Römischen Verträge enthält auch die Verpflichtung, die Union bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament 2009 auf eine neue gemeinsame Grundlage zu stellen. In Anschluss an politische Konsultationen wurde auf der Tagung des Europäischen Rates vom Juni 2007 die Einberufung einer Regierungskonferenz (RK) im Juli 2007 vereinbart. Es wurde ein präzises Mandat erteilt, in dem die Elemente der Reform genau beschrieben wurden. Aufgabe der RK ist es, einen Reformvertrag „zur Änderung der bestehenden Verträge auszuarbeiten, damit die Effizienz und die demokratische Legitimität der erweiterten Union sowie die Kohärenz ihres auswärtigen Handelns erhöht werden können“.

Die Vereinbarung über das Mandat bestätigt, dass die doppelgleisige Strategie der richtige Ansatz für die Union ist. Europa kann die institutionellen Veränderungen am besten angehen, wenn sich die Institutionen entschlossen zeigen, die Erwartungen in Bezug auf die politischen, wirtschaftlichen und sozialen Erfordernisse zu erfüllen. Die EU möchte sich in den Dienst der Bürger stellen, Ergebnisse erzielen, um deren Leben glücklicher und sicherer zu machen, und ein Europa auf der Grundlage der Werte zu errichten, auf denen 50 Jahre europäischer Integration gebaut sind.

II DER REFORMVERTRAG

Der Europäische Rat vom Juni 2007 vereinbarte ein konkretes Mandat für die Regierungskonferenz. Dieses Mandat war die Frucht eines sorgfältig konzipierten Kompromisses. In Verbindung mit vielen positiven Elementen, die zu begrüßen sind, lief dieser Kompromiss darauf hinaus, dass einige der in der RK von 2004 vereinbarten Änderungen nicht übernommen und einzelnen Mitgliedstaaten Ausnahmen zugestanden wurden. Der Wegfall einiger Bestandteile – manche davon symbolischer Natur – sowie einige Änderungen, die die Lesbarkeit des Textes mindern, waren notwendige Komponenten eines Einigungspakets, dem alle Mitgliedstaaten zustimmen konnten. Die Kommission hat aktiv an diesem Kompromiss mitgewirkt, indem sie Lösungen gefunden hat, die politischen Realismus und Ambitionen miteinander in Einklang brachten. Gegenüber den bestehenden Verträgen wird die EU durch die vorgeschlagenen Änderungen über eine solide institutionelle und politische Grundlage verfügen, um den Erwartungen ihrer Bürger gerecht zu werden.

Mit dem vorgeschlagenen Reformvertrag sollen die beiden Kernverträge der EU geändert werden. Ergebnis wird ein rechtlicher Rahmen sein, der so gestaltet ist, dass er der EU die Instrumente an die Hand gibt, deren sie bedarf, um die Herausforderungen der Zukunft durch Förderung der Reformen zu bewältigen, ohne dabei die starken Fundamente des bestehenden institutionellen Gleichgewichts, die Europa in den letzten fünfzig Jahren so gute Dienste erwiesen haben, aus den Augen zu verlieren.

In dem Mandat ist sehr detailliert dargelegt, wie die Regierungskonferenz (RK) den Reformvertrag erstellen wird. Es steckt die Grundlage und den ausschließlichen Rahmen für die Arbeit der RK ab, legt fest, wo die auf die RK 2004 zurückgehenden Neuerungen einbezogen und wo spezifische neue Elemente eingearbeitet werden. Somit vermittelt es ein deutliches Bild von den beiden gleichrangigen Verträgen, die aus dem Prozess hervorgehen und zur Ratifizierung vorgelegt werden.

Das Mandat liefert die geeignete Grundlage für eine lebendige RK, die wirkungsvoll arbeitet und der es gelingt, sich mit Blick auf eine rasche Ratifizierung auf eine Vertrag zu verständigen. Das vom Europäischen Rat festgelegte Ziel, den Vertrag bis zu den Wahlen zum Europäischen Parlament im Juni 2009 zu ratifizieren, ist wünschenswert und auch realistisch. Dieses Ziel sollte eingehalten werden.

Der Europäische Rat hob hervor, dass die EU während der RK und während des Ratifizierungsprozesses die Kommunikation mit ihren Bürgern verstärken sollte, indem sie uneingeschränkt und umfassend über die Europäische Union informiert und in einen ständigen Dialog einbezogen werden. Der gewählte Ansatz – Änderung der bestehenden Verträge – macht die Kommunikation mit den Bürgern über die geplanten Reformen und ihre Gründe sowie eine möglichst rasche Veröffentlichung leicht zugänglicher und lesbarer Vertragstexte besonders wichtig.

Ein demokratischeres und transparenteres Europa

Mit dem Reformvertrag wird die demokratische Infrastruktur Europas erneuert und verstärkt. Er wird transparentere Institutionen und den Europäern mehr Möglichkeiten bieten, ihrer Stimme in der EU Gewicht zu verleihen. Ein neuer Abschnitt des Vertrags behandelt die Grundsätze, auf denen die demokratische Legitimität der EU beruht.

- Durch die Zunahme der Beschlussfassung im Mitentscheidungsverfahren in rund 50 Bereichen besteht zwischen dem Europäischen Parlament und dem Rat bei einem erheblichen Teil der EU-Rechtsvorschriften Gleichberechtigung. Dieses Verfahren gilt auch für Schlüsselbereiche der Politik, wie Freiheit, Sicherheit und Recht. Ferner werden dem Parlament wesentliche neue Befugnisse im Bereich des Haushalts und internationaler Vereinbarungen übertragen.

- Die nationalen Parlamente haben bei gleichzeitigem Respekt für die etablierte Rolle der EU-Institutionen größere Möglichkeiten, sich an der Arbeit der EU zu beteiligen. Unter anderem werden die nationalen Parlamente durch ein zweistufiges Verfahren zur Überwachung der Einhaltung des Subsidiaritätsprinzips in die Lage versetzt, die Kommission über etwaige Bedenken in Kenntnis zu setzen: Auch wenn von einer Mehrheit dieselben Bedenken gegen einen bestimmten Vorschlag vorgebracht werden, steht es der Kommission neben der Möglichkeit der Zurücknahme oder Änderung ihres Vorschlags frei, an ihrem Entwurf festzuhalten und ihre Gründe hierfür zu erläutern; die endgültige Entscheidung wird dann vom Europäischen Parlament und vom Rat getroffen.

- Durch die Öffnung der gesetzgeberischen Beratungen des Rates für die Bürger erhalten Bürger und nationale Parlamente einen unmittelbaren Einblick in die von ihren Regierungen gefassten Beschlüsse.

- Mit dem Initiativrecht für EU-Bürger wird die Möglichkeit geschaffen, dass die Bürger nach Sammlung von einer Million Unterschriften – bei einer EU-Bevölkerung von fast 500 Millionen – in verschiedenen Mitgliedstaaten die Kommission zur Vorlage eines neuen Vorschlags auffordern können.

- Mit der klaren Zuordnung der Zuständigkeiten werden sich die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten und der Europäischen Union klären.

- Aus dem Reformvertrag wird deutlich hervorgehen, dass die Mitgliedstaaten auf eigenen Wunsch hin in der EU verbleiben; zudem wird er eine Bestimmung enthalten, mit der präzisiert wird, dass ein Austritt aus der EU möglich ist.

Ein leistungsfähigeres Europa

Die EU muss mit Handlungsbefugnissen ausgestattet werden, wenn politische Vorstellungen so umgesetzt werden sollen, dass sie für den Bürger konkrete Veränderungen bewirken. Sie braucht effizient arbeitende, übersichtlich strukturierte Institutionen und rationellere Arbeitsmethoden. Die Gemeinschaftsmethode, diese einzigartige Mischung aus supranationalen und zwischenstaatlichen Politiken und EU-Institutionen, ist die Grundlage, auf der die Interessen der europäischen Staaten und Völker mit den Interessen der Europäischen Union insgesamt abgestimmt werden können. Die Kommission misst dem Vorrang des EU-Rechts, das sich eindeutig aus der ständigen Rechtsprechung ergibt und in dem Mandat anerkannt wird, besondere Bedeutung bei. Sie wird weiterhin ihre Befugnisse in Bereichen wie der Wettbewerbspolitik nutzen, um den Bürgern die Vorteile des Binnenmarktes zu sichern.

Der Reformvertrag soll das institutionelle Gefüge der EU modernisieren und die erweiterte Union damit in die Lage versetzen, ihre Politik den sich rasch verändernden äußeren Bedingungen anzupassen.

- Der Reformvertrag wird die Beschlussfassung in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Justiz beschleunigen und einheitlicher gestalten. Für Europas Fähigkeiten zur Bekämpfung von Terrorismus, Kriminalität und Menschenhandel sowie zur Steuerung der Migrationsströme bedeutet dies einen Sprung nach vorn. Die Mitgliedstaaten, die beschlossen haben, sich nicht an allen Arbeiten in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Justiz beteiligen, könnten dafür optieren, sich künftig voll in diese Tätigkeitsbereiche einzubringen.

- Neue und solidere Rechtsgrundlagen in für die Europäische Union vorrangigen Bereichen wie Energie, Gesundheitswesen und Katastrophenschutz, Klimapolitik, Daseinsvorsorge, Forschung und technologische Entwicklung, territorialer Zusammenhalt, Handelspolitik, Raumfahrt, humanitäre Hilfe, Sport, Fremdenverkehr und administrative Zusammenarbeit werden die Handlungsfähigkeit der EU verbessern.

- Die Bündelung der Verfahren für die wirtschaftliche Steuerung werden die Koordinierung verbessern und die Beschlussfassung im Euro-Währungsraum erleichtern.

- Die Abstimmung im Ministerrat mit qualifizierter Mehrheit wird gewährleisten, dass gemeinsame Probleme gemeinsam im Wege eines Beschlussfassungsverfahrens gelöst werden können, das der unterschiedlichen Größe der EU-Mitgliedstaaten in fairer Weise Rechnung trägt. Die Ausweitung der qualifizierten Mehrheit auf über 40 neue Bereiche wird die EU in die Lage versetzen, auch in diesen Bereichen konkrete Maßnahmen zu ergreifen.

- Eine einfachere Berechnungsweise der qualifizierten Mehrheit ab November 2014 wird eine effizientere Beschlussfassung im Rat und einen klaren Ausgleich zwischen der Anzahl der Mitgliedstaaten und der Zahl ihrer Bürger ermöglichen.

- Sind mindestens neun Mitgliedstaaten zu einem gemeinsamen Vorgehen innerhalb des EU-Rahmens bereit, können sie auf Verfahren für eine verstärkte Zusammenarbeit zurückgreifen. Vor allem bei der justiziellen Zusammenarbeit in Strafsachen und bei der polizeilichen Zusammenarbeit soll eine verstärkte Zusammenarbeit erleichtert werden. Obwohl die verstärkte Zusammenarbeit ein Weg sein kann, um der Vielfalt der Europäischen Union Rechnung zu tragen, vollzieht sie sich in dem für alle Mitgliedstaaten erforderlichen gemeinsamen Rahmen.

- Der ständige Präsident des Europäischen Rats wird in Zusammenarbeit mit dem Präsidenten der Kommission für eine bessere Vorbereitung und für die Kontinuität der Arbeiten des Europäischen Rats sorgen.

- Eine schlankere Kommission mit stärkeren Vollmachten für ihren Präsidenten wird weiterhin eine zentrale Rolle im EU-Beschlussfassungsverfahren spielen. Die EU-Mitgliedstaaten werden mit einem System der gleichberechtigten Rotation in der Kommission vertreten sein.

- Eine Begrenzung der Zahl der Abgeordneten im Europäischen Parlament nach oben und nach unten für jeden Mitgliedstaat wird eine stabile Bürgervertretung im Europäischen Parlament ermöglichen.

- Die Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und im Wege der Mitentscheidung bei künftigen Reformen des Rechtssystems der EU wird dessen Anpassung im Hinblick auf künftige Herausforderungen erleichtern.

- Die Vertretung der außenpolitischen Belange der EU wird so gestaltet, dass sie dem Gleichgewicht zwischen den Mitgliedstaaten und den EU-Organen Rechnung trägt, gleichzeitig aber auch die EU insgesamt in die Lage versetzt, die europäischen Interessen und Werte in der Welt besser zu fördern und zu schützen.

- Politische Kursänderungen innerhalb bestehender Zuständigkeiten, die Ausweitung der Beschlussfassung mit qualifizierter Mehrheit und der Rückgriff auf das Mitentscheidungsverfahren können ohne Einberufung einer neuen Regierungskonferenz einstimmig vereinbart werden.

- Die verwirrende Unterscheidung zwischen der „Europäischen Gemeinschaft“ und der „Europäischen Union“ entfällt.

Ein Europa der Rechte und Werte, der Solidarität und Sicherheit

Der Reformvertrag wird das Gebot der Solidarität und Sicherheit in der Europäischen Union stärken. Diese sind das Band, das die Union, die Mitgliedstaaten und die europäischen Bürger zusammenhält. Sie verkörpern eine Union der gegenseitigen Unterstützung und des gegenseitigen Schutzes. Gleichzeitig erhält die Union mit den praktischen Vorkehrungen, die der neue Vertrag für EU-Maßnahmen in Bereichen wie Klimawandel und Gesundheit vorsieht, neue Möglichkeiten, sich für ein Europa größerer Solidarität und des Zusammenhalts einzusetzen. Die größeren Handlungsmöglichkeiten, die der Reformvertrag in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Justiz eröffnet, wirken sich direkt auf die Fähigkeit der Union zur Bekämpfung von Kriminalität und Terrorismus aus. Außerdem wird der Reformvertrag einen neuen Akzent bei den Rechten des Einzelnen in der EU setzen.

- Die Werte und Ziele der Union werden im Reformvertrag so deutlich wie nie formuliert. Sie werden den europäischen Bürgern als Maßstab dienen und Europas Partnern in der Welt zeigen, was Europa ihnen zu bieten hat. Sie zeigen, wie die Europäische Union verschiedene Zielsetzungen miteinander in Einklang bringt, d. h. eine nachhaltige Entwicklung verfolgt und dabei politische, wirtschaftliche und soziale Ziele fördert.

- Die Charta der Grundrechte der Europäischen Union bietet den Bürgern Garantien im selben Rang wie die Verträge selbst. Sie enthält bürgerliche, politische, wirtschaftliche und soziale Rechte, an denen die Union ihr Handeln ausrichten muss. Die Charta gilt auch für Rechtsakte zur Durchführung des EU-Rechts, wenn auch nicht in allen Mitgliedstaaten. Die EU wird sich dem einzigartigen Menschenrechtsschutzsystem der Europäischen Menschenrechtskonvention anschließen können.

- Lücken im europäischen Rechtsschutzsystem werden geschlossen, um die gerichtliche Zuständigkeit des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften in den Bereichen Freiheit, Sicherheit und Justiz zu sichern und das Recht des Einzelnen auf Anrufung des Gerichtshofs zu stärken.

- Die neue Solidaritätsklausel konkretisiert die Verpflichtung der Mitgliedstaaten, einander im Falle eines terroristischen Angriffs, einer Naturkatastrophe oder einer von Menschen verursachten Katastrophe zu unterstützen.

- Die Notwendigkeit eines solidarischen Verhaltens im Energiebereich tritt bei den Befugnissen der EU, im Falle von Versorgungsengpässen Hilfe zu leisten, besonders deutlich zutage. Solidarität ist auch ein wichtiger Aspekt bei neuen Vorschriften im Energiebereich.

- Neue Bestimmungen für den Katastrophenschutz, die humanitäre Hilfe und das Gesundheitswesen zielen sämtlich darauf ab, die Fähigkeit der Europäischen Union zur Abwehr von Gefahren für die Sicherheit der europäischen Bürger zu verbessern.

- Die neue horizontale Sozialklausel wird der Verpflichtung der Union zum Schutz von Beschäftigung und sozialer Sicherheit eine herausgehobene Stellung verschaffen. Die Rolle der Regionen und der Sozialpartner wird als Teil des politischen, wirtschaftlichen und sozialen Gefüges der Europäischen Union bestätigt.

Europas Stellung in der Welt

Eine besondere Herausforderung für die Europäische Union besteht darin, ihre Fähigkeit unter Beweis zu stellen, ihre wirtschaftlichen, politischen und diplomatischen Stärken zur Förderung europäischer Interessen und Werte weltweit einzusetzen. Die Globalisierung hat die Notwendigkeit stärker ins Bewusstsein gerückt, die dringlichsten Probleme wie nachhaltige Entwicklung, Wettbewerbsfähigkeit, Klimawandel, Energie, Terrorismus, Migration, Armut anzugehen, die sowohl innen- als auch außenpolitisch relevant sind. Wohlstand, Freiheit und Sicherheit hängen davon ab, wie sich Europa auf der Weltbühne präsentiert. Das Augenmerk richtet sich daher auf die Möglichkeiten, wie sich die einzelnen Stärken aller Mitgliedstaaten unter Beachtung des institutionellen Gleichgewichts mit dem Gewicht der Europäischen Union insgesamt verbinden lassen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Außenpolitik ist es, die außenpolitischen Instrumente der EU so auszurichten, dass sie im Zusammenspiel miteinander die beste Wirkung erzielen. Das Mandat verstärkt dieses Zusammenspiel, indem sichergestellt wird, dass alle außenpolitischen Tätigkeiten – GASP, Handelspolitik, Erweiterung, Entwicklungspolitik und humanitäre Hilfe – politisch und rechtlich gleichgestellt sind.

Der Reformvertrag wird die Handlungsfähigkeit der Europäischen Union sowohl im Bereich der politischen Konzeption als auch im Bereich des politischen Handelns durch die Zusammenfassung ihrer außenpolitischen Instrumente erweitern. Dies wird Europa dazu verhelfen, gegenüber unseren Partnern in der Welt eine klare Haltung einzunehmen und unseren Standpunkt sichtbarer und mit größerem Nachdruck zu vertreten. Auch im Verhältnis der außenpolitischen Bereiche untereinander – Diplomatie, Sicherheit, Handel, Entwicklung, humanitäre Hilfe und internationale Verhandlungen zu globalen Themen – wird so eine größere Einheitlichkeit erreicht. Die EU wird damit in die Lage versetzt, auf internationaler Ebene flexibler und effizienter zu handeln.

- Wenn im europäischen Gefüge allein die Europäische Union Rechtspersönlichkeit genießt, vergrößert sich dadurch ihre Verhandlungsmacht, so dass sie auf internationaler Ebene effizienter auftreten kann und für Drittländer und internationale Organisationen als Partner besser sichtbar ist.

- Mit dem neuen Hohen Vertreter der Union für die Außen- und Sicherheitspolitik/ Vizepräsident der Kommission wird sich die Wirkung, Kohärenz und Sichtbarkeit der EU-Außenpolitik erhöhen.

- Der Europäische Auswärtige Dienst bildet eine Struktur, auf der eine effizientere und kohärentere europäische Außenpolitik – sowie die externe Dimension der Innenpolitik - in allen relevanten Bereichen aufbauen kann.

- Diese neue außenpolitische Architektur gründet auf besonderen Beschlussfassungsverfahren im Bereich der Gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik und trägt damit den Interessen der Mitgliedstaaten Rechnung.

- Die Europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik kommt auf EU-Ebene deutlicher zum Tragen. Zwar bleiben besondere Beschlussfassungsregeln erhalten, doch wird gleichzeitig der Weg geebnet für eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen einer kleineren Gruppe von Mitgliedstaaten.

III STELLUNGNAHME GEMÄß ARTIKEL 48 DES VERTRAGS ÜBER DIE EUROPÄISCHE UNION

Der Reformvertrag kommt den verborgensten Wünschen der europäischen Bürger entgegen. Er verstärkt grundlegende Werte, klärt zentrale Fragen und entkräftet immer wieder geäußerte Bedenken. Vor allem aber wird der Reformvertrag die Union in die Lage versetzen, einen Wandel herbeizuführen, den europäischen Bürgern zu mehr Sicherheit und Wohlstand zu verhelfen und ihnen die Möglichkeit zu bieten, die Globalisierung mitzugestalten.

Nach Dafürhalten der Europäischen Kommission wird durch die Beschlüsse des Europäischen Rates ein Reformvertrag zustande kommen, mit dem die Europäische Union für das 21. Jahrhundert gerüstet ist. Die Kommission begrüßt die Einberufung der Regierungskonferenz, unterstützt vorbehaltlos das vom Europäischen Rat beschlossene Mandat und wird sich entschlossen für den Erfolg dieser Konferenz einsetzen.

Europa braucht einen Reformvertrag, der noch vor den Europawahlen im Juni 2009 unterzeichnet und ratifiziert wird. Es liegt in der Verantwortung aller Teilnehmer der Regierungskonferenz, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass dieses Ziel erreicht wird.

[1] Der Beitrag der Kommission in der Zeit der Reflexion und danach: Plan D für Demokratie, Dialog und Diskussion - KOM(2005) 494 vom 13.10.2005.

[2] Eine bürgernahe Agenda: Konkrete Ergebnisse für Europa - KOM(2006) 211 vom 10.5.2006.