52006DC0163

Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Bericht über die Ergebnisse der Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 2002/22/EG {SEK(2006) 445} /* KOM/2006/0163 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 7.4.2006

KOM(2006) 163 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Bericht über die Ergebnisse der Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 2002/22/EG {SEK(2006) 445}

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT, DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Bericht über die Ergebnisse der Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Richtlinie 2002/22/EG (Text von Bedeutung für den EWR)

1. HINTERGRUND UND ZWECK DER MITTEILUNG

Am 25. Mai 2005 legte die Kommission eine Mitteilung über die Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes zusammen mit einem Arbeitspapier der Kommissionsdienststellen vor[1]. Im Rahmen dieser ersten regelmäßigen Überprüfung gemäß Artikel 15 der Universaldienstrichtlinie[2] wurde untersucht, ob der Umfang des Universaldienstes beibehalten oder speziell zur Einbeziehung von Mobilfunk- und Breitbandkommunikationsdiensten geändert werden sollte. Die Kommission ersuchte die Öffentlichkeit um Stellungnahmen zu ihrer Analyse und ihren vorläufigen Schlussfolgerungen sowie zu einer Reihe längerfristiger Fragen, um eine zukunftsorientierte Erörterung der politischen Aspekte anzuregen, deren Ergebnisse in die allgemeine Überprüfung der rechtlichen Rahmenbedingungen für elektronische Kommunikationsdienste 2006 einfließen können.

Mit dieser Mitteilung legt die Kommission dem Europäischen Parlament und dem Rat gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Universaldienstrichtlinie einen Bericht zu dieser Überprüfung vor, der den Ergebnissen der öffentlichen Anhörung Rechnung trägt.

2. ZUSAMMENFASSUNG DER ANALYSE UND DES ERSTEN STANDPUNKTS DER KOMMISSION

In der Mitteilung vom Mai 2005 wurden der derzeitige Umfang des Universaldienstes[3] und die Kriterien für dessen Überprüfung gemäß der Universaldienstrichtlinie[4] in Erinnerung gerufen. Dabei wurde insbesondere darauf hingewiesen dass der Universaldienst in der elektronischen Kommunikation ein Sicherheitsnetz für diejenigen ist, die wegen mangelnder finanzieller Ressourcen oder geografischer Abgeschiedenheit keinen Zugang zu den grundlegenden Diensten haben, die der großen Mehrheit der Bürger bereits zur Verfügung stehen.

Die Mitteilung enthielt folgende Schlussfolgerungen:

- Der Wettbewerb im Bereich des Mobilfunks hat dazu geführt, dass die Verbraucher bereits über einen breiten und erschwinglichen Zugang zur Mobilkommunikation verfügen, so dass die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Mobilfunks in den Umfang des Universaldienstes nicht gegeben sind.

- Beim Breitband-Internetzugang ist angesichts der derzeitigen Verbreitung das Kriterium der Nutzung durch die „Mehrheit der Verbraucher“ nicht erfüllt. Daher waren die Voraussetzungen für eine Einbeziehung von Breitbanddiensten in den Umfang des Universaldienstes nicht gegeben.

Daneben hat die Kommission eine Reihe langfristiger Fragen aufgeworfen:

- Sollte der Universaldienst Infrastrukturzugang und Diensterbringung voneinander trennen und nur den Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur, nicht aber zum Telefondienst betreffen?

- Sollte der Universaldienst den Zugang an jedem Standort betreffen?

- Ist es noch zeitgemäß, Vorschriften über öffentliche Münz- und Kartentelefone in den Universaldienst einzubeziehen?

- Wie lange wird es noch notwendig sein, Verzeichnis- und Auskunftsdienste in den Umfang des Universaldienstes einzubeziehen?

- Sollten im Zusammenhang mit dem Universaldienst besondere Maßnahmen für behinderte Nutzer auf EU-Ebene weiter vereinheitlicht werden?

- Sollte die Finanzierung des Universaldienstes aus Steuermitteln angestrebt werden?

3. ANHÖRUNG VON INTERESSIERTEN KREISEN

3.1. Überblick über die eingegangenen Stellungnahmen

Die Anhörung der Öffentlichkeit begann mit der Veröffentlichung der Mitteilung und des zugehörigen Arbeitspapiers der Kommissionsdienststellen auf der Webseite der Kommission. Beiträge sollten bis 15. Juli 2005 per E-Mail eingesandt werden.

Es gingen 76 Stellungnahmen von unterschiedlichen Betroffenen ein, darunter Regierungsstellen, Regulierungsbehörden, nichtstaatliche Organisationen (insbesondere Verbraucherschutzorganisationen und Nutzerverbände sowie Interessenvertretungen von Personen mit besonderen Bedürfnissen), Bürger, Betreiber, Diensteanbieter, Hersteller sowie andere Unternehmen und Organisationen. Stellungnahmen gingen aus 16 der 25 Mitgliedstaaten ein, wobei mehr als 40 % der Beiträge aus drei großen Staaten kamen[5]. Mehrere Stellungnahmen konzentrierten sich ausschließlich auf die langfristigen Fragen.

Die Einschätzung und die Schlussfolgerungen der Kommission stießen auf breite Zustimmung, über die langfristigen Aspekte gingen die Ansichten jedoch auseinander. Überwiegend wurde betont, dass die stetig zunehmende Nutzung von Mobil- und Breitbandkommunikationsdiensten sowohl der EU-Wettbewerbspolitik als auch den Geschäftsmodellen und Technologiestrategien der Industrie geschuldet ist. Die Festlegung auf bestimmte Technologien in einem sich ständig weiterentwickelnden technologischen Umfeld wurde häufig als problematisch betrachtet. Vielfach wurde die Besorgnis geäußert, dass jegliche Erweiterung des Umfangs des Universaldienstes und seiner Finanzierung den Wettbewerb verzerren, Investitionen behindern und die Innovation lähmen würde.

Andererseits waren mehrere Verbraucherschutzverbände und andere Organisationen der Auffassung, dass die Kriterien für die Überprüfung bzw. die Beurteilung der Kommission zu restriktiv oder zu anspruchslos seien; sie sprachen sich für eine Ausdehnung des Universaldienstumfangs auf Mobil- und/oder Breitbanddienste aus. Die auf elektronische Kommunikationsdienste spezialisierten Verbraucherorganisationen unterstützten allerdings die in der Mitteilung präsentierten Schlussfolgerungen.

Mitunter wurden Aspekte angesprochen, die nicht Gegenstand der Überprüfung waren, z. B. Besorgnis im Hinblick auf die Dienstqualität, unterschiedliche Umsetzung innerhalb der EU und Auslandsroaming. Einige Stellungnahmen befassten sich auch mit anderen Nutzerrechten und -interessen wie Zugang zu Notrufdiensten (wozu die Richtlinie eine spezifische Bestimmung enthält). Diese Fragen liegen außerhalb des Rahmens dieser Überprüfung, die Beiträge werden jedoch in die politische Debatte im Zusammenhang mit der allgemeinen Überprüfung der Rechtsvorschriften im Jahr 2006 einfließen.

3.2. Mobilkommunikation

In Bezug auf den Mobilfunk war die Kommission zu der Schlussfolgerung gelangt, dass die Voraussetzungen für eine Einbeziehung des Mobilfunks in den Umfang des Universaldienstes nicht erfüllt sind .

Über die Einschätzung und die Schlussfolgerungen in der Mitteilung bestand allgemeine Einigkeit: In mehr als 70 % der Beiträge, darunter alle Stellungnahmen von Regierungsstellen, Behörden und Industrie, wurde Zustimmung geäußert. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, dass die Einbeziehung von Mobilfunkdiensten in den Umfang des Universaldienstes verfrüht sei, die Entwicklung aber im Rahmen der anstehenden allgemeinen Überprüfung erneut untersucht werden sollte.

In einigen Beiträgen wurde darauf hingewiesen, dass die Mobilfunknetze der zweiten Generation in den meisten Mitgliedstaaten zwar 98 bis 100 % der Bevölkerung erfassen, die geografische Abdeckung in einigen entlegenen Gebieten aber immer noch problematisch sein kann. Entsprechend waren die Regulierungsbehörden der Auffassung, dass es unverhältnismäßig teuer wäre, von den Betreibern eine Erfassung zu 100 % zu verlangen, und wiesen darauf hin, dass eine vollständige Versorgung durch eine Reihe von Initiativen angestrebt wird, z. B. finanzielle Unterstützung (außerhalb der Universaldienstregelung) für die Bereitstellung der Infrastruktur oder die Förderung gemeinsamer Infrastrukturnutzung.

Die länderspezifischen Daten und die sozioökonomischen Analysen der nationalen Regulierungsbehörden stützten die Auffassung, dass die Verbraucher erschwinglichen Zugang zu Mobilfunkdiensten der zweiten Generation haben. Die Mobilfunkbetreiber betonten, dass sie durch ein breites Spektrum von Dienstangeboten mit vorausbezahlten Guthaben oder nachträglicher Abrechnung alle Nutzersegmente bedienen. Letzteres wurde als Beleg dafür gewertet, dass es gelungen sei, die Bereitstellung von Telefoniediensten in Europa insbesondere auf die unteren Einkommensgruppen auszudehnen. Der sehr wettbewerbsintensive Endnutzermarkt wurde als Gewähr dafür gesehen, dass die Verbreitung des Mobilfunks bei sinkenden Preisen zunimmt.

Viele Verbraucherverbände und andere Organisationen kritisierten die Kriterien für die Überprüfung und den Ansatz der Kommission als zu restriktiv und sprachen sich für eine Ausdehnung des Universaldienstumfangs auf Mobildienste aus. Einige forderten eine tiefergehende Analyse der sozialen Elemente sowie der Erschwinglichkeit. Dabei wurde das Argument vorgebracht, vorausbezahlte („Prepaid“-)Karten seien tendenziell teurer als Verträge mit nachträglicher Abrechnung, und die Mobilkommunikation sei generell für Nutzer mit geringeren Einkommen nicht erschwinglich[6]. Den Interessenverbänden behinderter Nutzer zufolge wäre die Ausdehnung des Universaldienstumfangs notwendig, weil viele Behinderte erhebliche Schwierigkeiten beim Zugang zu Mobilfunkdiensten und bei deren Nutzung hätten.

3.3. Breitband-Internetzugang

Nach der vorläufigen Schlussfolgerung der Kommission zum Breitband-Internetzugang nutzt derzeit nur eine kleine, wenngleich rasch wachsende Minderheit europäischer Verbraucher diese Dienste. Die tatsächliche Pro-Kopf-Nutzung zeigt, dass das Kriterium der Nutzung durch die „Mehrheit der Verbraucher“ nicht erfüllt ist[7]. Daher waren die Voraussetzungen für eine Einbeziehung von Breitbanddiensten in den Umfang des Universaldienstes nicht erfüllt. Die Kommission wird die diesbezügliche Entwicklung zur Vorbereitung der nächsten regelmäßigen Überprüfung des Umfangs des Universaldienstes weiterhin sorgfältig im Auge behalten. Dies hindert die Mitgliedstaaten nicht daran, die Einrichtung von Breitbandinfrastrukturen in Übereinstimmung mit den geltenden Regeln für staatliche Beihilfen zu fördern.

Bei der Anhörung der Öffentlichkeit zeigte sich breite Unterstützung für die Einschätzung der Kommission und ihre Schlussfolgerungen im Breitbandbereich. In 80 % der Beiträge, darunter alle Stellungnahmen von Regierungsstellen, Behörden und Industrie, wurde Zustimmung geäußert. Einige Regulierungsbehörden berichteten von jüngst durchgeführten einzelstaatlichen Überprüfungen der Rechtsvorschriften, die die Analyse stützen.

Es wurde festgestellt, dass satellitengestützte Breitbanddienste verfügbar sind und dass eine Reihe lokaler, regionaler und nationaler Initiativen besteht, wodurch die Breitbandabdeckung teilweise mit Hilfe drahtloser Festnetztechnologie ausgedehnt wird. In einigen Beiträgen wurde die Forderung erhoben, die Bereitstellung von Breitbanddiensten in den Bereichen zu fördern, in denen vorläufig keine Gewähr für deren kommerzielle Bereitstellung besteht.

Sowohl die Industrie als auch die Nutzer betonten, dass die Breitbandtechnik sich in einer relativ frühen Markteinführungsphase befinde, in der der Wettbewerb die Verbreitung vorantreibe und für sinkende Verbraucherpreise sorge. Gegenwärtig sei es schwierig einzuschätzen, ob die Gefahr dauerhaften Marktversagens besteht. Die Verpflichtung zur Bereitstellung von Breitbandzugängen würde unverhältnismäßig hohe Kosten oder Quersubventionen zwischen verschiedenen Nutzergruppen oder Diensten nach sich ziehen. Sie könnte sich auch leicht durch den technologischen Fortschritt (nicht zuletzt bei den Übertragungsraten) als überholt erweisen. Außerdem sind die Zugangsgebühren zunehmend mit Inhalten verknüpft, wodurch Markteingriffe problematischer werden. Teilweise wurde die Auffassung vertreten, dass die Kosten eines Breitband-Universaldienstes für mehrere neue Mitgliedstaaten mit weniger fortgeschrittenen festen Breitbandinfrastrukturen eine erhebliche Bürde darstellen würde.

Einige Verbraucherverbände vertraten die Auffassung, dass die Breitbandtechnik inzwischen notwendige Voraussetzung einer normalen Beteiligung am gesellschaftlichen Leben sei und in den Universaldienst einbezogen werden sollte. Geringe Verbreitungsraten sind manchen Stellungnahmen zufolge kein Grund, von einem Regulierungseingriff abzusehen, wenn der potenzielle Nutzen die potenziellen Kosten für die Verbraucher übersteigt. In einigen Beiträgen wurde folgendermaßen argumentiert: Da es mehrere Jahre dauere, bis Änderungen der Rechtslage auf nationaler Ebene umgesetzt sind, sollte der Umfang des Universaldienstes im Rahmen dieser Überprüfungen proaktiv ausgedehnt werden, da so eine umfassendere Einführung der Breitbandtechnik gefördert werden könne. Eine regionale Behörde war der Ansicht, dass die Einbeziehung von Breitbanddiensten in den Universaldienst notwendig sei, um gleichen Zugang für alle zu gewährleisten und die Verwirklichung regionaler Ziele nach der Lissabon-Strategie zu unterstützen.

3.4. Längerfristige Aspekte

3.4.1. Übersicht

Die Beteiligten waren sich im Wesentlichen einig, dass angesichts der aufgeworfenen Fragen zu erörtern sei, wie die Erbringung des Universaldienstes im konvergierenden und wettbewerbsgeprägten Umfeld der Telekommunikation sich weiterentwickeln soll. Die geäußerten Auffassungen zur künftigen Orientierung reichten dabei von „der Universaldienst sollte abgeschafft werden“ bis zu „die Erbringung des Universaldienstes muss in stärkerem Maße gewährleistet werden“. In Abhängigkeit von Rechtstraditionen und Marktrealitäten variierten auch die Aspekte, auf die in den einzelnen Mitgliedstaaten besonderes Gewicht gelegt wurde. Teilweise wurde größere Flexibilität bei der Regulierung eingefordert, um nationalen oder lokalen/regionalen Gegebenheiten in der erweiterten Union besser Rechnung zu tragen. Vielfach wurde betont, dass die Diskussion derzeit Beschränkungen unterliege, da die Implikationen technologischer Entwicklungen, und insbesondere der IP-gestützten Kommunikation, nicht absehbar seien. Einige Kommentatoren vertraten die Auffassung, dass die Überprüfung angesichts der begrenzten Erfahrungen mit der Umsetzung der bestehenden Regeln verfrüht sei.

3.4.2. Sollte der Universaldienst nur den Zugang zur Kommunikationsinfrastruktur, nicht aber den Zugang zum Telefondienst betreffen?

Nach Ansicht einer Reihe von Betroffenen, z. B. Regulierungsbehörden und Vertreter der Industrie, gibt es gute Gründe für die Trennung von Infrastrukturzugang und Diensterbringung, insbesondere wegen des Übergangs zu Netzen der nächsten Generation und des Umfelds, in dem der Nutzer sowohl für Zugang als auch für Dienste zwischen verschiedenen Anbietern auswählen kann (was bei der Sprachtelefonie über das Internet [„VoIP“] bereits der Fall ist). Verfügbarkeit und Erschwinglichkeit sollten durch wirksamen Wettbewerb gewährleistet werden, während die technologieneutrale und wettbewerbsfördernde Regulierung eine behördliche Aufgabe sei.

Die meisten Vertreter von Verbrauchern und Nutzern meinten nicht, dass Infrastrukturzugang allein ausreiche, um wesentliche Dienste für sozial schwächere Nutzer sicherzustellen. Verbraucherverbände brachten aber auch vor, dass der Universaldienst allen Bürgern eine technologieneutrale „echte Gleichheit des Zugangs“ zu Kommunikationsnetzen garantieren sollte, da die Breitbanddienste potenziell flexibel seien (Sprach-, Text-, Video- und Relaisdienste) und so auch den besonderen Erfordernissen bestimmter Nutzer gerecht würden.

Daneben wurde darauf hingewiesen, dass die Trennung von Zugang und Diensten kurzfristig eventuell nicht praktikabel sei, solange die Regelung des Zugangs in der EU noch im Fluss ist und die etablierten Betreiber auf Endnutzerebene häufig noch über große Marktmacht verfügen. Unter den Universaldiensterbringern bestanden auch gewisse Vorbehalte im Hinblick auf die Schaffung komplexer Regulierungs- und Vertragskonstellationen im Fall der Trennung von Zugang und Dienstangebot.

3.4.3. Sollte der Universaldienst den Zugang an jedem Standort betreffen?

Den Antworten ist zu entnehmen, dass diese Frage unterschiedlich interpretiert wurde. Einige meinten, diese Anforderung sei auf Grund der derzeitigen Flexibilität der Richtlinie bereits teilweise erfüllt; der Universaldienst könne nämlich („an einem festen Standort“) von Mobil-/Drahtlosdienstanbietern erbracht werden. Einige Betroffene waren der Ansicht, dass nur die Mobiltechnologie „Zugang an jedem Standort“ bieten könne und sahen einen Widerspruch mit dem zur Mobilkommunikation eingenommenen Standpunkt. Allerdings wurde allgemein darauf hingewiesen, dass bereits viele Zugangstechnologien bestehen (und für die Zukunft weitere erwartet werden), die zu unterschiedlichen Preisen „Zugang an jedem Standort“ bieten können. Deshalb wäre es nach Ansicht vieler Betroffener lohnend, Möglichkeiten zu untersuchen, die das flexible Erbringen des Universaldienstes mit beliebigen Mitteln (welche kostengünstiger sein könnten als ein festes Endgerät an einem festen Standort) erlauben. In diesem Zusammenhang sei jedoch eine Reihe von Aspekten zu berücksichtigen, z. B. die Dienstqualität und der Zugang zu Notdiensten.

Vertreter der Industrie wiesen allgemein darauf hin, dass der Markt bereits „Mobilität“ bzw. „Internetmobilität“ / „Mobildienste“ biete und daher Universaldienstverpflichtungen in diesem Bereich nicht nötig sein dürften. Die Gewährleistung von Dienstqualität „an jedem Standort“ würde erhebliche Investitionen erfordern.

3.4.4. Ist es noch zeitgemäß, Vorschriften über öffentliche Münz- und Kartentelefone in den Universaldienst einzubeziehen?

Angesichts der großen Verbreitung von Mobiltelefonen waren mehrere Kommentatoren der Ansicht, dass eine Verringerung der Anzahl öffentlicher Münz- und Kartentelefone angemessen sei und dass diese vom Universaldienst ausgenommen werden könnten. Allerdings meinten viele, dass in manchen Gebieten oder unter bestimmten Umständen weiterhin Bedarf an öffentlichen Telefonen bestehen könne, und dass diese gerade von den sozial Schwächsten geschätzt würden.

Teilweise wurde angeregt, öffentliche Telefone so zu verbessern, dass sie beispielsweise als Internetzugangspunkt oder behindertengerechte multifunktionale Einrichtung fungieren können. Daneben wurde vorgeschlagen, beim Abbau von öffentlichen Telefonen an Alternativen zu denken, z. B. Notrufstellen unter der Zuständigkeit von Behörden.

3.4.5. Wie lange wird es noch notwendig sein, Verzeichnis- und Auskunftsdienste in den Umfang des Universaldienstes einzubeziehen?

In vielen Reaktionen wurde darauf hingewiesen, dass in der Richtlinie zwischen der Verpflichtung zur Erfassung und Bereitstellung von Teilnehmerdaten (auf Großkundenebene) und der Verpflichtung zur Bereitstellung von Auskunftsdiensten (auf Endnutzerebene) unterschieden wird. Nach den Beiträgen aus Mitgliedstaaten, in denen die Liberalisierung auf diesem Sektor fortgeschritten ist, könnten Auskunftsdienste vom Umfang des Universaldienstes ausgeschlossen werden. Die Stellungnahmen aus anderen Staaten waren diesbezüglich reservierter; die Aufrechterhaltung der bestehenden Verpflichtungen wurde oftmals als notwendig erachtet. Die Betreiber von Auskunftsdiensten betrachteten die Universaldienstverpflichtung im Endnutzermarkt als unnötig und wettbewerbsschädigend und forderten eine wirksame Durchsetzung der Verpflichtungen im Hinblick auf Zugangsrechte auf Großkundenebene.

3.4.6. Sollten im Zusammenhang mit dem Universaldienst besondere Maßnahmen für behinderte Nutzer auf EU-Ebene weiter vereinheitlicht werden?

Die meisten Behörden betrachteten eine weitere Harmonisierung über die bestehenden Bestimmungen der Richtlinie (Artikel 7) hinaus angesichts der Art und Weise sowie der Geschwindigkeit des Übergangs zu Netzen der nächsten Generation (NGN) als verfrüht und unvereinbar mit den Grundsätzen der Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit. Die Reaktionen aus der Industrie waren unterschiedlich, Harmonisierung wurde jedoch im Allgemeinen als unnötig und kostspielig empfunden, insbesondere wegen der Vielfalt der Produkte und Dienste, die spezifischen Nutzererfordernissen Rechnung tragen. Es wurde aber auch festgestellt, dass Schwierigkeiten auftreten könnten, die - soweit sie nicht im Rahmen der e Accessibility-Initiative[8] behandelt werden - eingehender zu untersuchen wären; als Beispiel wurden Kompatibilitätsprobleme mit (technisch überholten) Anlagen im IP-Umfeld angeführt.

Mehrere Interessenverbände behinderter Nutzer regten eine weitere Harmonisierung des Maßnahmenbündels an, das beispielsweise Zugang zu Notrufdiensten bei der Nutzung von IP-Netzen beinhalten könne. Einige dieser Organisationen und Nutzer waren hingegen der Auffassung, dass eine weitere Harmonisierung zu einer übermäßigen Einengung durch Vorschriften führen könnte, und sprachen sich für andere Initiativen aus, z. B. die behindertengerechte Gestaltung wichtiger Dienste.

3.4.7. Sollte die Finanzierung des Universaldienstes aus Steuermitteln angestrebt werden?

Zu diesem Punkt gingen die Meinungen von Behörden und Industrie erheblich auseinander. Behörden sahen in der Regel keinen Grund für eine Abkehr vom derzeitigen Finanzierungssystem (das die Wahl zwischen der Verwendung öffentlicher Mittel und der Einrichtung eines sektorspezifischen Fonds bietet). Einige Regierungen schlossen jedoch nicht aus, die weitere Finanzierung aus Steuermitteln längerfristig zu prüfen, während andere sich für die Durchführung weiterer Studien zu alternativen Finanzierungsmethoden aussprachen.

In einigen Stellungnahmen wurde die Ansicht vertreten, dass die Diskussion über den Universaldienst mit der weiter gefassten Frage des für alle erschwinglichen Zuganges zur „Informationsgesellschaft“ verwechselt werde, die ein gesellschaftliches Problem allgemeinerer Art sei, das nicht auf den Kommunikationssektor reduziert werden sollte. Den Beiträgen aus den Reihen der Industrie zufolge führt die sektorspezifische Finanzierung zu Verwerfungen am Markt und zur Quersubventionierung zwischen Nutzersegmenten, wodurch die Kommunikationskosten insgesamt anstiegen.

Auf Seiten der Verbraucher galt die Besorgnis im Wesentlichen der Gefahr mangelnder Transparenz der Abrechnungen und der Quersubventionierung, die überhöhte Kosten für die Nutzer zur Folge haben könnten. Nutzerverbände warnten auch davor, den Betreibern und ihren Kunden mit dem Universaldienst eine übermäßig schwere Last aufzubürden, wie dies in manchen Ländern zu beobachten sei.

4. STANDPUNKT DER KOMMISSION

Aus der Anhörung der Öffentlichkeit geht nach Ansicht der Kommission eine breite Unterstützung für den in der Mitteilung vom Mai 2005 eingenommenen vorläufigen Standpunkt hervor. Es gibt keine neuen Gründe, die dafür sprechen würden, von der Schlussfolgerung abzurücken, dass weder der Mobilfunk noch die Breitbandkommunikation gegenwärtig die Voraussetzungen für eine Einbeziehung in den Universaldienst erfüllen. Die Kommission räumt ein, dass die Überprüfung, wie in einigen Stellungnahmen angemerkt wurde, in ihrem Umfang zu begrenzt war. Sie ist diesbezüglich aber an die in der Universaldienstrichtlinie festgelegten Kriterien für diese Überprüfung gebunden. Gleichwohl wird sie angesichts der Entwicklungen der Technologie und des Marktes den gesamten Rechtsrahmen für die elektronische Kommunikation demnächst überarbeiten, um gemäß der Mitteilung „i2010 – Eine europäische Informationsgesellschaft für Wachstum und Beschäftigung“[9] zu gewährleisten, dass die Gesamtziele weiterhin den Zielen der Lissabonner Strategie entsprechen.

5. SCHLUSSFOLGERUNG

Die Kommission hat gemäß Artikel 15 Absatz 1 der Universaldienstrichtlinie den Umfang des Universaldienstes überprüft. Als Ergebnis dieser Überprüfung beschließt die Kommission, zum gegenwärtigen Zeitpunkt keine Änderung des Umfangs des Universaldienstes vorzuschlagen. Die eingegangenen Beiträge zu längerfristigen Fragen bilden jedoch eine gute Grundlage für eine zukunftsorientierte politische Diskussion über die Erbringung des Universaldienstes im Rahmen der allgemeinen Überprüfung der Rechtsvorschriften zur elektronischen Kommunikation, die 2006 beginnt. Im Rahmen dieser Überprüfung wäre auch zu untersuchen, ob es notwendig ist, für eine technologieneutrale Bereitstellung des Universaldienstes zu sorgen.

Die Kommission legt gemäß Artikel 15 Absatz 2 der Universaldienstrichtlinie dem Europäischen Parlament und dem Rat diesen Überprüfungsbericht vor.

[1] KOM(2005) 203 und SEK(2005) 660. Siehe: http://europa.eu.int/information_society/policy/ecomm/info_centre/documentation/public_consult/index_en.htm

[2] Richtlinie 2002/22/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 7. März 2002 über den Universaldienst und Nutzerrechte bei elektronischen Kommunikationsnetzen und -diensten, ABl. L 108 vom 24.4.2002, S. 51-77.

[3] Derzeitiger Umfang: (1) ein Anschluss an das öffentliche Telefonnetz, der Sprachtelefonie und Internetzugang unterstützt, an einem festen Standort sowie (2) Zugang zu öffentlichen Telefondiensten.

[4] Siehe Erwägung 25 und Anhang V. Bei der Überprüfung sind soziale, wirtschaftliche und technologische Entwicklungen zu berücksichtigen, um die Dienste zu ermitteln und zu analysieren, die der Mehrheit der Verbraucher zur Verfügung stehen und von ihr genutzt werden - mit dem damit einhergehenden Risiko der sozialen Ausgrenzung derjenigen, die sich diese Dienste nicht leisten können.

[5] Vereinigtes Königreich 16, Deutschland 9, Frankreich 8, Spanien, 5, Portugal 4, Österreich 3, Belgien 3; Tschechische Republik, Griechenland, Finnland, Italien, Irland, Litauen, Niederlande, Norwegen, Rumänien, Slowakei und Slowenien jeweils 1 - 2; europäische oder internationale Organisationen 14; siehe: http://europa.eu.int/information_society/policy/ecomm/info_centre/documentation/public_consult/universal_service/index_en.htm.

[6] Siehe Abschnitt 5.2 der Folgenabschätzung.

[7] Im Oktober 2005 hatten 11,5% der EU-Bevölkerung einen festen Breitbandanschluss. Der Anstieg von 6,5 % Mitte 2004 (Angabe in der Mitteilung vom Mai 2005) rechtfertigt keine Änderung der Analyse der Kommission.

[8] Siehe Mitteilung zur „ e Accessibility“, KOM(2005) 425:http://europa.eu.int/information_society/policy/accessibility/com_ea_2005/index_en.htm

[9] KOM(2005) 229.