25.7.2016   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 270/27


Vorabentscheidungsersuchen des Østre Landsret (Dänemark), eingereicht am 25. Februar 2016 — C Danmark I/Skatteministeriet

(Rechtssache C-119/16)

(2016/C 270/32)

Verfahrenssprache: Dänisch

Vorlegendes Gericht

Østre Landsret

Parteien des Ausgangsverfahrens

Klägerin: C Danmark I

Beklagter: Skatteministeriet

Vorlagefragen

1.

Ist Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49/EG (1) dahin auszulegen, dass eine in einem Mitgliedstaat ansässige und unter Art. 3 der Richtlinie fallende Gesellschaft, die — unter Umständen wie den hier vorliegenden — Zinsen von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft erhält, als „Nutzungsberechtigte“ dieser Zinsen im Sinne der Richtlinie anzusehen ist?

1.1.

Ist der Begriff „Nutzungsberechtigter“ in Art. 1 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 1 Abs. 4 der Richtlinie 2003/49/EG im Einklang mit dem entsprechenden Begriff in Art. 11 des Musterabkommens von 1977 auszulegen?

1.2.

Falls die Frage 1.1. zu bejahen ist: Ist der Begriff dann allein unter Heranziehung der Erläuterungen (Musterkommentar) zu Art. 11 des Musterabkommens von 1977 (Ziff. 8) auszulegen oder können auch spätere Erläuterungen wie die Ergänzungen, die 2003 zu den Durchleitungsstellen (Ziff. 8.1, jetzt Ziff. 10.1) oder 2014 zu den vertraglichen oder rechtlichen Verpflichtungen (Ziff. 10.2) vorgenommen wurden, herangezogen werden?

1.3.

Falls die Erläuterungen von 2003 herangezogen werden können: Kann einer Gesellschaft die Eigenschaft als „Nutzungsberechtigte“ im Sinne der Richtlinie 2003/49/EG nur dann abgesprochen werden, wenn tatsächlich Mittel zu den Personen, die von dem Staat, in dem der Zinszahler ansässig ist, als Nutzungsberechtigte der betreffenden Zinsen angesehen werden, durchgeleitet wurden, und besteht gegebenenfalls eine weitere Voraussetzung dahin, dass die tatsächliche Durchleitung in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit der Zinszahlung und/oder in Form von Zinszahlungen erfolgen muss?

1.3.1.

Inwieweit ist in diesem Zusammenhang von Bedeutung, ob für das Darlehen Eigenkapital aufgewendet wird, ob die betreffenden Zinsen der Hauptschuld zugeschlagen werden („roll-up“), ob der Zinsempfänger danach einen Konzernbeitrag an seine in demselben Staat ansässige Muttergesellschaft geleistet hat, um nach den in diesem Mitgliedstaat geltenden Regeln einen steuerlichen Ergebnisausgleich zu erlangen, ob die Zinsen in der Folge beim Darlehensnehmer in Eigenkapital umgewandelt werden, ob der Zinsempfänger eine vertragliche oder rechtliche Verpflichtung hatte, die Zinsen an eine andere Person weiterzuleiten, und ob die Mehrzahl der Personen, die in dem Staat des Zinszahlers als Nutzungsberechtigte der Zinsen angesehen werden, in anderen Mitgliedstaaten oder Drittstaaten ansässig sind, mit denen Dänemark ein Doppelbesteuerungsabkommen abgeschlossen hat, so dass nach dänischem Steuerrecht keine Grundlage für die Erhebung der Quellensteuer bestanden hätte, wenn diese Personen Darlehensgeber gewesen wären und damit die Zinsen unmittelbar vereinnahmt hätten?

1.4.

Welche Bedeutung hat es für die Beurteilung der Frage, ob der Zinsempfänger als „Nutzungsberechtigter“ im Sinne der Richtlinie anzusehen ist, dass das vorlegende Gericht nach einer Würdigung des Sachverhalts befindet, dass der Zinsempfänger — ohne dass er durch eine vertragliche oder rechtliche Verpflichtung gebunden gewesen wäre, die vereinnahmten Zinsen an eine andere Person weiterzuleiten — im Wesentlichen nicht berechtigt war, über die Zinsen zu verfügen („use and enjoy“), wie es in den Erläuterungen von 2014 zum Musterabkommen von 1977 heißt?

2.

Kann sich ein Mitgliedstaat nur dann auf Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie, der die Anwendung einzelstaatlicher Bestimmungen zur Verhinderung von Betrug und Missbrauch betrifft, oder auf Art. 5 Abs. 2 der Richtlinie berufen, wenn er eine spezifische einzelstaatliche Bestimmung zur Umsetzung von Art. 5 der Richtlinie erlassen hat oder wenn das nationale Recht allgemeine Bestimmungen oder Grundsätze zu Betrug, Missbrauch und Steuerhinterziehung enthält, die im Einklang mit Art. 5 ausgelegt werden können?

2.1.

Falls die Frage 2 zu bejahen ist: Kann § 2 Abs. 2 Buchst. d des Selskabsskattelov (Körperschaftsteuergesetz), wonach sich die beschränkte Steuerpflicht für Zinserträge nicht erstreckt auf „Zinsen, die nach der Richtlinie 2003/49/EG über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten steuerfrei sind“, als eine solche spezifische einzelstaatliche Bestimmung im Sinne von Art. 5 der Richtlinie angesehen werden?

3.

Ist eine Bestimmung in einem dem OECD-Musterabkommen nachgebildeten Doppelbesteuerungsabkommen zwischen zwei Mitgliedstaaten, nach der die Besteuerung von Zinsen davon abhängt, ob der Zinsempfänger Nutzungsberechtigter der Zinsen ist, eine solche vertragliche Bestimmung zur Missbrauchsbekämpfung, die unter Art. 5 der Richtlinie fällt?

4.

Ist ein Mitgliedstaat, der nicht anerkennen will, dass eine in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft Nutzungsberechtigte von Zinsen ist, und geltend macht, dass diese Gesellschaft eine sogenannte künstliche Durchleitungsgesellschaft ist, gemäß der Richtlinie 2003/49/EG oder Art. 10 EG verpflichtet, anzugeben, wen er in diesem Fall als Nutzungsberechtigten ansieht?

5.

Wird eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft (Muttergesellschaft) konkret nicht gemäß der Richtlinie 2003/49/EG als von der Quellensteuer auf Zinsen, die sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft (Tochtergesellschaft) erhalten hat, befreit angesehen und von letzterem Mitgliedstaat als dort beschränkt steuerpflichtig für diese Zinsen angesehen, steht dann Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG Rechtsvorschriften entgegen, nach denen die Steuerabzugspflichtige (die Tochtergesellschaft) in letzterem Mitgliedstaat bei verspäteter Abführung der Quellensteuer Verzugszinsen mit einem höheren Zinssatz als dem zahlen muss, der dort für Verzugszinsen auf die Körperschaftssteuerschuld (die u. a. Zinseinkünfte umfasst) einer gebietsansässigen Gesellschaft gilt?

6.

Wird eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft (Muttergesellschaft) konkret nicht gemäß der Richtlinie 2003/49/EG als von der Quellensteuer auf Zinsen, die sie von einer in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Gesellschaft (Tochtergesellschaft) erhalten hat, befreit angesehen und von letzterem Mitgliedstaat als dort beschränkt steuerpflichtig für diese Zinsen angesehen, steht dann Art. 43 EG in Verbindung mit Art. 48 EG (oder Art. 56 EG) — einzeln oder zusammen betrachtet — Rechtsvorschriften entgegen,

a)

nach denen der Zinszahler in letzterem Mitgliedstaat die Quellensteuer auf die Zinsen einbehalten muss und dem Staat gegenüber für die nicht einbehaltene Quellensteuer haftet, eine solche Einbehaltungspflicht aber nicht gilt, wenn die Muttergesellschaft in diesem Mitgliedstaat ansässig ist?

b)

nach denen eine Muttergesellschaft in letzterem Mitgliedstaat in den ersten beiden Steuerjahren keine Vorauszahlungen auf die Körperschaftsteuer zu leisten hat, sondern Körperschaftsteuer erst zu einem erheblich späteren Zeitpunkt als dem zahlen muss, zu dem die Quellensteuer fällig wird?

Der Gerichtshof wird ersucht, bei der Antwort auf die Frage 6 die Antwort auf die Frage 5 zu berücksichtigen.


(1)  Richtlinie 2003/49/EG des Rates vom 3. Juni 2003 über eine gemeinsame Steuerregelung für Zahlungen von Zinsen und Lizenzgebühren zwischen verbundenen Unternehmen verschiedener Mitgliedstaaten (ABl. L 157, S. 49).