28.9.2015   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

C 320/32


Klage, eingereicht am 29. Mai 2015 — Esso Raffinage/ECHA

(Rechtssache T-283/15)

(2015/C 320/49)

Verfahrenssprache: Englisch

Parteien

Klägerin: Esso Raffinage (Courbevoie, Frankreich) (Prozessbevollmächtigter: M. Navin-Jones, Solicitor)

Beklagte: Europäische Chemikalienagentur (ECHA)

Anträge

Die Klägerin beantragt,

die Klage für zulässig und begründet zu erklären;

die Entscheidung vom 1. April 2015 für nichtig zu erklären, die die Europäische Chemikalienagentur (ECHA) nach der Verordnung (EG) Nr. 1907/2006 zur Registrierung, Bewertung, Zulassung und Beschränkung chemischer Stoffe (REACH), zur Schaffung einer Europäischen Agentur für chemische Stoffe, zur Änderung der Richtlinie 1999/45/EG und zur Aufhebung der Verordnung (EWG) Nr. 793/93 des Rates, der Verordnung (EG) Nr. 1488/94 der Kommission, der Richtlinie 76/769/EWG des Rates sowie der Richtlinien 91/155/EWG, 93/67/EWG, 93/105/EG und 2000/21/EG der Kommission (ABl. L 396, S. 1) in Form eines Schreibens mit der Bezeichnung „Statement of Non-Compliance following a Dossier Evaluation Decision under Regulation (EC) No 1907/2006“ (Feststellung eines Verstoßes infolge einer die Dossierbewertung abschließenden Entscheidung nach der Verordnung [EG] Nr. 1907/2006) und dessen Anhangs (Aktenzeichen CCH-C 0000005770-74-01/F) erlassen hat;

die Zurückverweisung der Sache an den ECHA-Exekutivdirektor mit der Maßgabe anzuordnen, dass jede neue ECHA-Entscheidung die im Urteil des Gerichts genannten Gründe für die Nichtigerklärung und jegliche relevante, aktuelle Information zu berücksichtigen hat;

die ihr im vorliegenden Verfahren entstandenen Kosten der ECHA aufzuerlegen;

alle weiteren rechtlich gebotenen Maßnahmen zu erlassen.

Klagegründe und wesentliche Argumente

Zur Stützung der Klage macht die Klägerin eine Reihe von Klagegründen geltend, u. a. die folgenden:

1.

Erster Klagegrund: Überschreitung von Befugnissen, Verstoß gegen den Grundsatz des institutionellen Gleichgewichts etc.

Die ECHA habe keine rechtliche Befugnis oder Rechtsgrundlage für die Erstellung, die Ausarbeitung, den Erlass und/oder die Übermittlung sogenannter „Statements of Non-Compliance“ (Feststellungen eines Verstoßes), und dadurch, dass sie im vorliegenden Fall ein solches Statement ausgearbeitet, erlassen und übermittelt habe, habe sie (1) die Grenzen ihres Ermessens und/oder ihrer Durchführungsbefugnisse überschritten (Überschreitung von Befugnissen), (2) gegen den Rechtsgrundsatz und das Erfordernis des institutionellen Kräftegleichgewichts verstoßen, (3) gegen den Rechtsgrundsatz und das Erfordernis der ordnungsgemäßen Verwaltung verstoßen, (4) gegen den Rechtsgrundsatz der guten Regierungsführung (good public governance) verstoßen, und/oder (5) gegen Art. 41 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union verstoßen.

2.

Zweiter Klagegrund: hilfsweise, Verstoß gegen Art. 42 REACH

Zu Art. 42 Abs. 1 REACH, den die ECHA als rechtliche Befugnis und/oder Rechtsgrundlage für die angefochtene Entscheidung heranziehe, macht die Klägerin geltend, dass diese Bestimmung der ECHA keinerlei rechtliche Befugnis oder Grundlage für den Erlass der angefochtenen Entscheidung biete und dass die ECHA durch den Erlass der angefochtenen Entscheidung gegen Art. 42 Abs. 1 REACH verstoßen habe. Die ECHA habe im vorliegenden Fall nicht die nach Art. 42 Abs. 1 REACH passende Entscheidung erlassen. Die ECHA habe Art. 42 Abs. 1 REACH konsequent dahin ausgelegt, dass er es nicht gestatte, eine Feststellung eines Verstoßes zu erlassen.

3.

Dritter Klagegrund: Verstoß gegen das Recht auf Anhörung

Beim Erlass der angefochtenen Entscheidung sei gegen die unionsrechtlichen Grundsätze des rechtlichen Gehörs, des Rechts auf Beantwortung und Erwiderung, der Verteidigungsrechte, der Informationsrechte und des Rechts auf ordnungsgemäße Verwaltung verstoßen worden. Aus dem Verstoß gegen diese Verfahrensrechte folge unmittelbar, dass die angefochtene Entscheidung für nichtig erklärt werden könne bzw. nichtig sei. Das bedeute, dass das Verfahren im Wesentlichen anders ausgegangen wäre, wenn die ECHA die Verfahrensrechte der Klägerin nicht verletzt hätte.

4.

Vierter Klagegrund: Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit

Die angefochtene Entscheidung sei unvereinbar mit dem unionsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die angefochtene Entscheidung sei weder angemessen noch erforderlich und sei nicht die am wenigsten belastende Maßnahme. Die verursachten Nachteile seien, gemessen an den verfolgten Zielen, unverhältnismäßig.

5.

Fünfter Klagegrund: fehlerhafte Auslegung der Datenanforderungen nach REACH

Die ECHA habe bei der Auslegung der Datenanforderungen nach Anhang X Abschnitt 8.7.2 insofern einen Fehler begangen, als in Wahrheit kein tatsächliches Erfordernis bestehe, an einer zweiten Tierart eine Prüfung auf pränatale Entwicklungstoxizität vorzunehmen. Daher habe die ECHA beim Erlass der angefochtenen Entscheidung ohne Rechtsgrundlage gehandelt und die Grenzen ihres Ermessens überschritten.