Rechtssache C‑489/06

Kommission der Europäischen Gemeinschaften

gegen

Hellenische Republik

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinien 93/36/EWG und 93/42/EWG – Öffentliche Aufträge – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge – Lieferungen für Krankenhäuser“

Leitsätze des Urteils

1.        Rechtsangleichung – Medizinprodukte – Richtlinie 93/42

(Richtlinie 93/36 des Rates in der durch die Richtlinie 2001/78 geänderten Fassung, Art. 8 Abs. 2, und Richtlinie 93/42 in der durch Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung, Art. 8, 17 und 18)

2.        Vertragsverletzungsklage – Nachweis der Vertragsverletzung – Obliegenheit der Kommission – Vermutungen – Unzulässigkeit – Vertragsverletzung, die sich aus einer gegen das Gemeinschaftsrecht verstoßenden Verwaltungspraxis ergibt

(Art. 226 EG)

1.        Öffentliche Auftraggeber, die ein Vergabeverfahren für die Lieferung von mit der CE‑Kennzeichnung versehenen Medizinprodukten eingeleitet haben, dürfen das Angebot solcher Produkte aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit nicht direkt und außerhalb des Schutzverfahrens nach den Art. 8 und 18 der Richtlinie 93/42 über Medizinprodukte in der durch die Verordnung Nr. 1882/2003 geänderten Fassung ablehnen. Ist ein öffentlicher Auftraggeber der Ansicht, dass angebotene mit der CE‑Kennzeichnung versehene Medizinprodukte die öffentliche Gesundheit gefährden können, so ist er verpflichtet, zum Zweck der Durchführung des genannten Schutzverfahrens die zuständige Stelle zu unterrichten.

In diesem Zusammenhang begründet die in bestimmtem Grad verfestigte und allgemeine Praxis der öffentlichen Auftraggeber, Angebote von mit der CE-Konformitätskennzeichnung versehenen Medizinprodukten abzulehnen, ohne dass das in der Richtlinie 93/42 vorgesehene Verfahren eingehalten wird, einen Verstoß gegen die Verpflichtungen eines Mitgliedstaats aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge in der durch die Richtlinie 2001/78 geänderten Fassung und aus den Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42.

(vgl. Randnrn. 43, 53, 56)

2.        Im Rahmen eines Vertragsverletzungsverfahrens kann die Vertragsverletzung, soll sie auf der Grundlage einer in einem Mitgliedstaat bestehenden Verwaltungspraxis festgestellt werden, nur durch einen hinreichend dokumentierten und detaillierten Nachweis der gerügten Praxis dargetan werden, wobei es sich um eine in bestimmtem Grad verfestigte und allgemeine Praxis handeln muss und die Kommission sich für ihren Schluss auf eine allgemeine und verfestigte Praxis nicht auf irgendeine Vermutung stützen kann.

Hat die Kommission genügend Anhaltspunkte dafür beigebracht, dass sich bei den Behörden eines Mitgliedstaats eine wiederholt angewandte, fortbestehende Praxis herausgebildet hat, die gegen die Bestimmungen einer Richtlinie verstößt, obliegt es diesem Mitgliedstaat, diese Angaben und deren Folgen in der Sache und im Einzelnen zu bestreiten.

(vgl. Randnrn. 48, 54)







URTEIL DES GERICHTSHOFS (Vierte Kammer)

19. März 2009(*)

„Vertragsverletzung eines Mitgliedstaats – Richtlinien 93/36/EWG und 93/42/EWG – Öffentliche Aufträge – Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge – Lieferungen für Krankenhäuser“

In der Rechtssache C‑489/06

betreffend eine Vertragsverletzungsklage nach Art. 226 EG, eingereicht am 27. November 2006,

Kommission der Europäischen Gemeinschaften, vertreten durch M. Patakia und X. Lewis als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Klägerin,

gegen

Hellenische Republik, vertreten durch D. Tsagkaraki und S. Chala als Bevollmächtigte, Zustellungsanschrift in Luxemburg,

Beklagte,

erlässt

DER GERICHTSHOF (Vierte Kammer)

unter Mitwirkung des Kammerpräsidenten K. Lenaerts, des Richters T. von Danwitz, der Richterin R. Silva de Lapuerta sowie der Richter E. Juhász (Berichterstatter) und G. Arestis,

Generalanwalt: J. Mazák,

Kanzler: R. Grass,

nach Anhörung der Schlussanträge des Generalanwalts in der Sitzung vom 20. November 2008

folgendes

Urteil

1        Mit ihrer Klage beantragt die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Feststellung, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge (ABl. L 199, S. 1) in der durch die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 (ABl. L 285, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/36) sowie aus den Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte (ABl. L 169, S. 1) in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 (ABl. L 284, S. 1) geänderten Fassung (im Folgenden: Richtlinie 93/43) verstoßen hat, dass sie Angebote von Medizinprodukten, die die CE‑Konformitätskennzeichnung tragen, ablehnt, ohne dass die zuständigen Vergabestellen der griechischen Krankenhäuser in jedem Fall das in der Richtlinie 93/42 beschriebene Verfahren eingehalten haben.

 Rechtlicher Rahmen

 Gemeinschaftsrecht

2        Art. 8 Abs. 1 bis 4 der Richtlinie 93/36 sieht vor:

„(1)      Die technischen Spezifikationen im Sinne von Anhang III sind in den allgemeinen Unterlagen oder in den Vertragsunterlagen für jeden einzelnen Lieferauftrag enthalten.

(2)      Die technischen Spezifikationen nach Absatz 1 werden unbeschadet zwingender einzelstaatlicher Vorschriften, sofern diese Vorschriften mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, von den öffentlichen Auftraggebern unter Bezugnahme auf innerstaatliche Normen, die europäische Normen umsetzen, oder auf europäische technische Zulassungen oder auf gemeinsame technische Spezifikationen festgelegt.

(3)      Ein öffentlicher Auftraggeber kann von Absatz 2 abweichen, wenn

a)      die Normen, die europäischen technischen Zulassungen oder die gemeinsamen technischen Spezifikationen keine Bestimmungen zur Feststellung der Übereinstimmung enthalten oder es keine technischen Möglichkeiten gibt, die Übereinstimmung eines Erzeugnisses mit diesen Normen oder diesen europäischen technischen Zulassungen oder diesen gemeinsamen technischen Spezifikationen in zufriedenstellender Weise festzustellen;

b)      die Anwendung von Absatz 2 die Durchführung der Richtlinie 86/361/EWG des Rates vom 24. Juli 1986 über die erste Phase der gegenseitigen Anerkennung der Allgemeinzulassungen von Telekommunikations-Endgeräten [ABl. L 217, S. 21] oder des Beschlusses 87/95/EWG des Rates vom 22. Dezember 1986 über die Aufstellung von Normen auf dem Gebiet der Informationstechnologie und der Telekommunikation [ABl. 1987, L 36, S. 31] oder anderer Gemeinschaftsinstrumente in bestimmten Dienstleistungs‑ oder Produktbereichen beeinträchtigen würde;

c)      die Anwendung dieser Normen, dieser europäischen technischen Zulassungen oder dieser gemeinsamen technischen Spezifikationen den öffentlichen Auftraggeber zum Erwerb von Anlagen zwingen würde, die mit bereits benutzten Anlagen inkompatibel sind, oder wenn sie unverhältnismäßig hohe Kosten oder unverhältnismäßige technische Schwierigkeiten verursachen würde, doch nur im Rahmen einer klar definierten und schriftlich festgelegten Strategie mit der Verpflichtung zur Übernahme europäischer Normen, europäischer technischer Zulassungen oder gemeinsamer technischer Spezifikationen innerhalb einer bestimmten Frist;

d)      das betreffende Vorhaben von wirklich innovativer Art ist und die Anwendung bestehender Normen, europäischer technischer Zulassungen oder gemeinsamer technischer Spezifikationen nicht angemessen wäre.

(4)      Die öffentlichen Auftraggeber, die Absatz 3 anwenden, geben – wenn dies möglich ist – in der Ausschreibung im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften oder in den Verdingungsunterlagen die Gründe dafür an und halten in allen Fällen die Gründe dafür in ihren internen Unterlagen fest, wobei sie diese Information auf Anfrage an die Mitgliedstaaten und die Kommission weitergeben.“

3        Anhang III der Richtlinie 93/36 mit der Überschrift „Begriffsbestimmungen für einige technische Spezifikationen“ bestimmt:

„Für diese Richtlinie gelten folgende Begriffsbestimmungen:

1.      Technische Spezifikationen: sämtliche, insbesondere in den Verdingungsunterlagen enthaltenen technischen Anforderungen an ein Material, ein Erzeugnis oder eine Lieferung, mit deren Hilfe das Material, das Erzeugnis oder die Lieferung so bezeichnet werden können, dass sie ihren durch den Auftraggeber festgelegten Verwendungszweck erfüllen. Zu diesen technischen Anforderungen gehören Qualitätsstufen, Gebrauchstauglichkeit, Leistungsfähigkeit, Sicherheit oder Abmessungen, ebenso die Vorschriften für Materialien, Erzeugnisse oder Lieferungen hinsichtlich Qualitätssicherung, Terminologie, Bildzeichen, Prüfungen und Prüfverfahren, Verpackung, Kennzeichnung und Beschriftung.

2.      Norm: technische Spezifikationen, die von einer anerkannten Normenorganisation zur wiederholten oder ständigen Anwendung angenommen wurden, deren Einhaltung grundsätzlich nicht zwingend vorgeschrieben ist.

3.      Europäische Norm: die von dem Europäischen Komitee für Normung (CEN) oder dem Europäischen Komitee für Elektrotechnische Normung (Cenelec) gemäß deren gemeinsamen Regeln als Europäische Normen (EN) oder Harmonisierungsdokumente (HD) angenommenen Normen.

4.      Europäische technische Zulassung: eine positive technische Beurteilung der Brauchbarkeit eines Produkts hinsichtlich der Erfüllung der wesentlichen Anforderungen an bauliche Anlagen; sie erfolgt aufgrund der spezifischen Merkmale des Produkts und der festgelegten Anwendungs‑ und Verwendungsbedingungen. Die europäische technische Zulassung wird von einer zu diesem Zweck vom Mitgliedstaat zugelassenen Organisation ausgestellt.

5.      Gemeinsame technische Spezifikation: technische Spezifikation, die nach einem von den Mitgliedstaaten anerkannten Verfahren erarbeitet und die im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurde.“

4        Die Erwägungsgründe 3, 5, 8, 13, 17 und 21 der Richtlinie 93/42 lauten:

„Die einzelstaatlichen Bestimmungen, die der Sicherheit und dem Gesundheitsschutz der Patienten, der Anwender und gegebenenfalls Dritter im Hinblick auf die Anwendung der Medizinprodukte dienen, bedürfen der Harmonisierung, um den freien Verkehr dieser Erzeugnisse auf dem Binnenmarkt zu gewährleisten.

Medizinprodukte müssen für Patienten, Anwender und Dritte einen hochgradigen Schutz bieten und die vom Hersteller angegebenen Leistungen erreichen. Die Aufrechterhaltung bzw. Verbesserung des in den Mitgliedstaaten erreichten Schutzniveaus ist eines der wesentlichen Ziele dieser Richtlinie.

Entsprechend den in der Entschließung des Rates vom 7. Mai 1985 über eine neue Konzeption auf dem Gebiet der technischen Harmonisierung und der Normung [ABl. C 136, S. 1] festgelegten Grundsätzen müssen sich die Regelungen bezüglich der Auslegung und Herstellung von Medizinprodukten auf die Bestimmungen beschränken, die erforderlich sind, um den grundlegenden Anforderungen zu genügen. Da es sich hier um Anforderungen grundlegender Art handelt, müssen diese an die Stelle der entsprechenden einzelstaatlichen Bestimmungen treten. Die grundlegenden Anforderungen müssen mit der nötigen Sorgfalt angewandt werden, um dem Stand der Technik zum Zeitpunkt der Konzeption sowie den technischen und wirtschaftlichen Erwägungen Rechnung zu tragen, die mit einem hohen Maß des Schutzes von Gesundheit und Sicherheit zu vereinbaren sind.

Eine harmonisierte Norm im Sinne dieser Richtlinie ist eine technische Spezifikation (europäische Norm oder Harmonisierungsdokument), die im Auftrag der Kommission von einer dieser beiden Einrichtungen [CEN und CENELEC] bzw. von beiden im Einklang mit der Richtlinie 83/189/EWG des Rates vom 28. März 1983 zur Festlegung eines Informationsverfahrens auf dem Gebiet der Normen und technischen Vorschriften [ABl. L 109, S. 8] sowie gemäß den oben genannten [am 13. November 1984 unterzeichneten] allgemeinen Leitlinien [für die Zusammenarbeit zwischen der Kommission und diesen beiden Einrichtungen] ausgearbeitet worden ist. … Für spezifische Bereiche empfiehlt es sich, den bereits erreichten Harmonisierungsstand in Form von Monografien des Europäischen Arzneibuchs im Rahmen dieser Richtlinie zu übernehmen. Daher können mehrere Monografien des Europäischen Arzneibuchs den oben genannten harmonisierten Normen gleichgestellt werden.

Die Medizinprodukte müssen im Regelfall mit der CE-Kennzeichnung versehen sein, aus dem ihre Übereinstimmung mit den Vorschriften dieser Richtlinie hervorgeht und das Voraussetzung für den freien Verkehr der Medizinprodukte in der Gemeinschaft und ihre bestimmungsgemäße Inbetriebnahme ist.

Der Gesundheitsschutz und die diesbezüglichen Kontrollen können durch ein System der technischen Sicherheitsüberwachung wirksamer gestaltet werden, das auf Gemeinschaftsebene eingerichtet wird.“

5        Nach ihrem Art. 1 Abs. 1 gilt die Richtlinie 93/42 für Medizinprodukte und ihr Zubehör. Im Sinne dieser Richtlinie wird Zubehör als eigenständiges Medizinprodukt behandelt.

6        Nach Art. 2 der Richtlinie 93/42 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, damit Medizinprodukte nur in den Verkehr gebracht und/oder in Betrieb genommen werden dürfen, wenn sie bei sachgemäßer Lieferung, Installation, Instandhaltung und ihrer Zweckbestimmung entsprechender Verwendung die Anforderungen dieser Richtlinie erfüllen.

7        Nach Art. 3 dieser Richtlinie müssen Medizinprodukte die grundlegenden Anforderungen gemäß Anhang I erfüllen, die auf sie unter Berücksichtigung ihrer Zweckbestimmung anwendbar sind.

8        Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 untersagt den Mitgliedstaaten, in ihrem Hoheitsgebiet das Inverkehrbringen und die Inbetriebnahme von Medizinprodukten zu behindern, die die CE-Kennzeichnung nach Art. 17 der Richtlinie tragen, aus der hervorgeht, dass sie einer Konformitätsbewertung nach Art. 11 der Richtlinie unterzogen worden sind.

9        Nach Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 gehen die Mitgliedstaaten von der Einhaltung der grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 der Richtlinie bei Medizinprodukten aus, die den einschlägigen nationalen Normen zur Durchführung der harmonisierten Normen, deren Fundstellen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht wurden, entsprechen.

10      Nach Art. 5 Abs. 2 schließt der Verweis auf harmonisierte Normen im Sinne der Richtlinie 93/42 auch die Monografie des Europäischen Arzneibuchs insbesondere über chirurgisches Nahtmaterial ein; die Fundstellen dieser Monografie müssen im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften veröffentlicht sein.

11      Art. 5 Abs. 3 der Richtlinie 93/42 verweist bezüglich der Maßnahmen, die die Mitgliedstaaten zu treffen haben, wenn ein Mitgliedstaat oder die Kommission der Auffassung ist, dass die harmonisierten Normen den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 der Richtlinie nicht voll entsprechen, auf deren Art. 6 Abs. 2.

12      Art. 8 dieser Richtlinie mit der Überschrift „Schutzklausel“ hat folgenden Wortlaut:

„(1)      Stellt ein Mitglied fest, dass in Artikel 4 Absatz 1 bzw. Artikel 4 Absatz 2 zweiter Gedankenstrich genannte Produkte die Gesundheit und/oder die Sicherheit der Patienten, der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährden können, auch wenn sie sachgemäß installiert, instand gehalten und ihrer Zweckbestimmung entsprechend verwendet werden, so trifft er alle geeigneten vorläufigen Maßnahmen, um diese Produkte vom Markt zurückzuziehen oder ihr Inverkehrbringen oder ihre Inbetriebnahme zu verbieten oder einzuschränken. Der Mitgliedstaat teilt der Kommission unverzüglich diese Maßnahmen mit, nennt die Gründe für seine Entscheidung und gibt insbesondere an, ob die Nichtübereinstimmung mit dieser Richtlinie zurückzuführen ist auf

a)      die Nichteinhaltung der in Artikel 3 genannten grundlegenden Anforderungen,

b)      eine unzulängliche Anwendung der Normen gemäß Artikel 5, sofern die Anwendung dieser Normen behauptet wird,

c)      einen Mangel in diesen Normen selbst.

(2)      Die Kommission konsultiert so bald wie möglich die Betroffenen. Stellt die Kommission nach dieser Anhörung fest,

–        dass die Maßnahme gerechtfertigt ist, so unterrichtet sie hiervon unverzüglich den Mitgliedstaat, der die Maßnahme getroffen hat, sowie die anderen Mitgliedstaaten. Ist die in Absatz 1 genannte Entscheidung in einem Mangel der Normen begründet, so befasst die Kommission nach Anhörung der Betroffenen den in Artikel 6 genannten Ausschuss innerhalb von zwei Monaten, sofern der Mitgliedstaat, der die Entscheidung getroffen hat, diese aufrechterhalten will, und leitet das in Artikel 6 genannte Verfahren ein;

–        dass die Maßnahme nicht gerechtfertigt ist, so unterrichtet sie davon unverzüglich den Mitgliedstaat, der die Maßnahme getroffen hat, sowie den Hersteller oder seinen in der Gemeinschaft niedergelassenen Bevollmächtigten.

(3)      Ist ein mit dieser Richtlinie nicht übereinstimmendes Produkt mit der CE-Kennzeichnung versehen, so ergreift der zuständige Mitgliedstaat gegenüber demjenigen, der diese Kennzeichnung angebracht hat, die geeigneten Maßnahmen und unterrichtet davon die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten.

(4)      Die Kommission sorgt dafür, dass die Mitgliedstaaten über den Verlauf und die Ergebnisse dieses Verfahrens unterrichtet werden.“

13      Art. 10 dieser Richtlinie sieht vor:

„(1)      Die Mitgliedstaaten treffen die erforderlichen Maßnahmen, damit die Angaben, die ihnen gemäß dieser Richtlinie zu den nachstehend beschriebenen Vorkommnissen im Zusammenhang mit einem Produkt der Klassen I, IIa, IIb oder III zur Kenntnis gebracht werden, zentral erfasst und bewertet werden:

a)      jede Funktionsstörung oder jede Änderung der Merkmale und/oder der Leistung sowie jede Unsachgemäßheit der Kennzeichnung oder der Gebrauchsanweisung eines Produkts, die zum Tode oder zu einer schwerwiegenden Verschlechterung des Gesundheitszustands eines Patienten oder eines Anwenders führen kann oder geführt hat;

b)      jeder Grund technischer oder medizinischer Art, der aufgrund der unter Buchstabe a) genannten Ursachen durch die Merkmale und Leistungen des Produkts bedingt ist und zum systematischen Rückruf von Produkten desselben Typs durch den Hersteller geführt hat.

(2)      Wenn ein Mitgliedstaat die Ärzteschaft oder medizinische Einrichtungen auffordert, den zuständigen Behörden die Vorkommnisse gemäß Absatz 1 mitzuteilen, trifft er die erforderlichen Maßnahmen, damit der Hersteller des betreffenden Produkts oder sein in der Gemeinschaft niedergelassener Bevollmächtigter ebenfalls von dem Vorkommnis unterrichtet wird.

(3)      Nachdem die Mitgliedstaaten ein Vorkommnis – nach Möglichkeit gemeinsam mit dem Hersteller – bewertet haben, unterrichten sie unbeschadet des Artikels 8 die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten unverzüglich über die Vorkommnisse gemäß Absatz 1, für die Maßnahmen getroffen bzw. ins Auge gefasst wurden.“

14      Art. 11 der Richtlinie 93/42 regelt das Verfahren für die Bewertung der Übereinstimmung der Medizinprodukte mit den Anforderungen der Richtlinie. Zu diesem Zweck werden die Medizinprodukte nach dem 15. Erwägungsgrund der Richtlinie in vier Klassen unterteilt, die nach Maßgabe der Verletzbarkeit des menschlichen Körpers und der potenziellen Risiken im Zusammenhang mit der technischen Auslegung der Produkte und mit ihrer Herstellung unterschiedlich strengen Kontrollen unterliegen.

15      Art. 14b dieser Richtlinie bestimmt:

„Ist ein Mitgliedstaat der Auffassung, dass ein bestimmtes Produkt oder eine Gruppe von Produkten aus Gründen des Gesundheitsschutzes und der Sicherheit und/oder im Interesse der öffentlichen Gesundheit gemäß Artikel [30 EG] verboten oder dessen beziehungsweise deren Bereitstellung beschränkt werden oder besonderen Bedingungen unterliegen sollte, so kann er die erforderlichen und begründeten vorläufigen Maßnahmen treffen. Er unterrichtet hiervon die Kommission und die übrigen Mitgliedstaaten unter Angabe der Gründe für seine Entscheidung. Die Kommission konsultiert, soweit dies möglich ist, die betreffenden Parteien und die Mitgliedstaaten und erlässt, wenn die einzelstaatlichen Maßnahmen gerechtfertigt sind, die erforderlichen Gemeinschaftsmaßnahmen nach dem Verfahren des Artikels 7 Absatz 2.“

16      Nach Art. 17 Abs. 1 der Richtlinie 93/42 müssen mit Ausnahme von Sonderanfertigungen und Produkten, die für klinische Prüfungen bestimmt sind, alle Medizinprodukte, von deren Übereinstimmung mit den grundlegenden Anforderungen gemäß Art. 3 der Richtlinie auszugehen ist, bei ihrem Inverkehrbringen mit einer CE‑Konformitätskennzeichnung versehen sein.

17      Art. 18 dieser Richtlinie lautet:

„Unbeschadet des Artikels 8 gilt Folgendes:

a)      Stellt ein Mitgliedstaat fest, dass die CE‑Kennzeichnung unberechtigterweise angebracht wurde, ist der Hersteller oder sein in der Gemeinschaft ansässiger Bevollmächtigter verpflichtet, den weiteren Verstoß unter den vom Mitgliedstaat festgelegten Bedingungen zu verhindern.

b)      Falls die Nichtübereinstimmung weiter besteht, muss der Mitgliedstaat nach dem Verfahren des Artikels 8 alle geeigneten Maßnahmen ergreifen, um das Inverkehrbringen des betreffenden Produkts einzuschränken oder zu untersagen oder um zu gewährleisten, dass es vom Markt genommen wird.“

18      Anhang I („Grundlegende Anforderungen“) der Richtlinie 93/42 bestimmt in Teil I („Allgemeine Anforderungen“):

„1.      Die Produkte müssen so ausgelegt und hergestellt sein, dass ihre Anwendung weder den klinischen Zustand und die Sicherheit der Patienten noch die Sicherheit und die Gesundheit der Anwender oder gegebenenfalls Dritter gefährdet, wenn sie unter den vorgesehenen Bedingungen und zu den vorgesehenen Zwecken eingesetzt werden, wobei etwaige Risiken verglichen mit der nützlichen Wirkung für den Patienten vertretbar und mit einem hohen Maß des Schutzes von Gesundheit und Sicherheit vereinbar sein müssen.

2.      Die vom Hersteller bei der Auslegung und der Konstruktion der Produkte gewählten Lösungen müssen sich nach den Grundsätzen der integrierten Sicherheit richten, und zwar unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der Technik.

Bei der Wahl der angemessensten Lösungen muss der Hersteller folgende Grundsätze anwenden, und zwar in der angegebenen Reihenfolge:

–        Beseitigung oder Minimierung der Risiken (Integration des Sicherheitskonzepts in die Entwicklung und den Bau des Produkts);

–        gegebenenfalls Ergreifen angemessener Schutzmaßnahmen, einschließlich Alarmvorrichtungen, gegen nicht zu beseitigende Risiken;

–        Unterrichtung der Benutzer über die Restrisiken, für die keine angemessenen Schutzmaßnahmen getroffen werden können.

3.      Die Produkte müssen die vom Hersteller vorgegebenen Leistungen erbringen, d. h., sie müssen so ausgelegt, hergestellt und verpackt sein, dass sie geeignet sind, eine oder mehrere der in Artikel 1 Absatz 2 Buchstabe a) genannten Funktionen entsprechend den Angaben des Herstellers zu erfüllen.

…“

 Nationales Recht

19      Die Richtlinie 93/36 wurde in erster Linie durch die Präsidialverordnung Nr. 370 vom 14. Juni 1995 (FEK A’ 199/1995) in griechisches Recht umgesetzt. Art. 16 dieser Verordnung ist im Wesentlichen gleichlautend mit Art. 8 der Richtlinie 93/36.

20      Die Richtlinie 93/42 wurde durch den interministeriellen Erlass DY7/oik.2480 vom 19. August 1994 zur Angleichung der griechischen Rechtsvorschriften an die Richtlinie 93/42 (FEK B’ 679) in griechisches Recht umgesetzt. Darüber hinaus wurde der Ethnikos Organismos Farmakon (nationale Arzneimittelbehörde) durch Art. 19 Abs. 3 des Gesetzes Nr. 2889/2001 zur für Medizinprodukte zuständigen Behörde bestimmt.

 Vorprozessuales Verfahren

21      Die Kommission wurde mit einer Beschwerde befasst, wonach bestimmte Krankenhäuser in Griechenland, die öffentliche Ausschreibungen für die Beschaffung von Medizinprodukten organisierten, gegen die Verpflichtungen aus der Richtlinie 93/36 in Verbindung mit der Richtlinie 93/42 verstoßen haben sollten.

22      In der Beschwerde hieß es, bestimmte griechische Krankenhäuser hätten Angebote für Medizinprodukte aus Gründen der öffentlichen Gesundheit abgelehnt, obwohl diese Produkte mit der CE‑Konformitätskennzeichnung zertifiziert gewesen seien und jedenfalls ohne dass das von der Richtlinie 93/42 vorgesehene Schutzverfahren eingehalten worden sei.

23      Im Rahmen der Ermittlungen im Zusammenhang mit der fraglichen Beschwerde übermittelte die Hellenische Republik der Kommission am 20. April 2004 den Runderlass Nr. 19384 des Ethnikos Organismos Farmakon vom 2. April 2004 (im Folgenden: Runderlass Nr. 19384), in dem zum einen eingeräumt wurde, dass bestimmte für die Beschaffung in Krankenhäusern zuständige Ausschüsse Angebote von Unternehmen für zahlreiche mit der CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte mangels Konformität abgelehnt hatten, ohne dass die erforderliche vorherige Prüfung durch diese Behörde erfolgt war, und zum anderen festgestellt wurde, dass sich in bestimmten Fällen die mangelnde Konformität auf von den Krankenhäusern willkürlich festgelegte Spezifikationen bezog. Dieser Runderlass stellte eine Erinnerung an das von den Ausschüssen einzuhaltende gesetzliche Verfahren dar und erläuterte dieses im Einzelnen.

24      Mit Schreiben vom 8. November 2004 machte der Beschwerdeführer weitere Angaben, wonach die zuständigen Ausschüsse einiger Krankenhäuser wie der allgemeinen Krankenhäuser in Komotini, in Messolonghi, in Agios Nikolaos auf Kreta und in Heraklion trotz des Runderlasses Nr. 19384 weiterhin die gleichen Verstöße begingen.

25      Angesichts dieser Informationen leitete die Kommission gegen die Hellenische Republik das in Art. 226 EG vorgesehene Vertragsverletzungsverfahren ein, indem sie am 21. März 2005 ein Mahnschreiben an diesen Mitgliedstaat richtete. In seinem Antwortschreiben vom 24. Mai 2005 bestritt dieser Mitgliedstaat nicht, dass bestimmte griechische Krankenhäuser den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften nicht nachkämen, wies aber auf den Ausnahmecharakter der von der Kommission angeführten Fälle hin, die nicht auf das Vorliegen einer horizontalen Verletzung des einschlägigen Gemeinschaftsrechts in großem Maßstab hindeuteten.

26      Die Kommission erließ am 19. Dezember 2005 eine mit Gründen versehene Stellungnahme, in der sie unterstrich, dass die Hellenische Republik ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 sowie aus den Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42 über öffentliche Lieferaufträge für Medizinprodukte verletze, und diesen Mitgliedstaat aufforderte, der Stellungnahme binnen einer Frist von zwei Monaten nach ihrer Bekanntgabe nachzukommen.

27      In ihrer Antwort vom 9. Februar 2006 machte die Hellenische Republik geltend, dass sie die erforderlichen Maßnahmen getroffen habe, um die ordnungsgemäße Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen, und dass es sich bei den in der mit Gründen versehenen Stellungnahme angeführten Fällen um Ausnahmen von der üblichen Praxis handele. Neben dem Hinweis auf den Runderlass Nr. 19384 führte sie auch an, dass eine systematische Kontrolle der Qualität der Lieferungen für die Krankenhäuser auf deren Antrag durch den Ethnikos Organismos Farmakon durchgeführt worden sei. Hervorzuheben sei, dass die nationalen Krankenhäuser die Weisungen dieser Behörde zunehmend befolgten.

28      Die Kommission erhielt jedoch Kenntnis von neuen Informationen, wonach die in Rede stehende Verletzung weiter anhielt. Außerdem ergab sich aus den gesammelten Informationen, dass der Ethnikos Organismos Farmakon nicht befugt war, eine administrative Kontrolle über die Krankenhäuser auszuüben und Sanktionen gegen sie zu verhängen, und dass bisher keine andere Stelle in der griechischen Rechtsordnung irgendwelche Befugnisse in diesem Bereich ausgeübt hat.

29      Da die Kommission der Auffassung war, dass die Hellenische Republik ihren Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 in Verbindung mit den Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42 nicht nachgekommen sei, hat sie die vorliegende Klage erhoben.

 Zur Klage

 Vorbringen der Parteien

30      Die Kommission trägt vor, die Richtlinie 93/36 setze einen präzisen Rahmen für die technischen Anforderungen, die jeder öffentliche Auftraggeber für die von einem Angebot umfassten Produkte vorgeben dürfe. Nach Art. 8 Abs. 2 dieser Richtlinie sei die Bezugnahme auf innerstaatliche Normen, die europäische Normen umsetzten, oder auf europäische technische Zulassungen oder gemeinsame technische Spezifikationen sowohl in der Ausschreibung als auch bei der Bewertung, ob die den Gegenstand des Angebots bildenden Produkte den Anforderungen entsprächen, zwingend vorgeschrieben. Abweichungen von dem in Art. 8 Abs. 2 verankerten Grundsatz seien in Art. 8 Abs. 3 abschließend normiert.

31      In den von den griechischen Krankenhäusern veranstalteten Ausschreibungen werde gemäß Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 auf das Erfordernis einer europäischen technischen Zulassung speziell für Medizinprodukte, d. h. die CE‑Konformitätskennzeichnung, verwiesen, die auch in der Richtlinie 93/42 geregelt sei. Gleichwohl seien die öffentlichen Auftraggeber so vorgegangen, dass Angebote bestimmter Medizinprodukte, die mit der CE-Kennzeichnung versehen gewesen seien, ausgeschlossen worden seien, ohne dass ein solcher Ausschluss unter einen der Ausnahmetatbestände des Art. 8 Abs. 3 der Richtlinie 93/36 falle.

32      In Bezug auf die Richtlinie 93/42 führt die Kommission aus, dass diese die Verfahren für die Zulassung, für die Zertifizierung, für das Inverkehrbringen solcher Produkte, aber auch für die Kontrolle von Medizinprodukten so detailliert regele, dass es keinen Zweifel hinsichtlich der bescheinigten Qualitätsmerkmale und keinerlei Ermessen der nationalen Behörden über den durch ihre Bestimmungen abgesteckten Rahmen hinaus geben könne.

33      Die Kommission stellt klar, dass die für Medizinprodukte geltenden grundlegenden Konformitäts- und Sicherheitsanforderungen in Anhang I der Richtlinie 93/42 detailliert aufgeführt seien und dass Produkte mit CE‑Kennzeichnung allen diesen Anforderungen entsprächen. Art. 3 in Verbindung mit Art. 17 der Richtlinie 93/42 sei die Legitimationsgrundlage für die Konformitätskennzeichnung dieser Produkte und mithin für ihren freien Verkehr im Binnenmarkt.

34      Zwar sei nicht auszuschließen, dass die Ärzte bei bestimmten Medizinprodukten der Ansicht seien, sie gefährdeten trotz ihrer CE‑Kennzeichnung die Gesundheit und die Sicherheit der Patienten. In diesem Fall dürften die öffentlichen Auftraggeber die Produkte ablehnen, jedoch nur im Rahmen des in der Richtlinie 93/42 vorgesehenen und im Runderlass Nr. 19384 beschriebenen Schutzverfahrens.

35      Anstatt das Schutzverfahren anzuwenden, hätten die öffentlichen Auftraggeber die Angebote von Produkten mit CE‑Kennzeichnung unmittelbar abgelehnt. In einem das allgemeine Krankenhaus von Heraklion betreffenden Fall sei der Ethnikos Organismos Farmakon unterrichtet worden, doch sei seine Entscheidung, dass die fraglichen Medizinprodukte zuzulassen seien, nicht befolgt worden.

36      Aus der ständigen Rechtsprechung folge, dass die Existenz einer Richtlinie, mit der wie mit den Richtlinien 93/36 und 93/42 die Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten angeglichen würden und die bestimme, dass mit der CE‑Konformitätskennzeichnung die Übereinstimmung der den Gegenstand eines Angebots bildenden Produkte mit den technischen Vorschriften der Richtlinie verbindlich bescheinigt werde, die Verpflichtung der Mitgliedstaaten begründet, die in der Richtlinie vorgesehenen besonderen Verfahren für das Bestreiten der Gültigkeit der Zertifizierung einzuhalten.

37      Die Kommission macht geltend, dass das rechtswidrige Verhalten der öffentlichen Auftraggeber sowie das Unterlassen der griechischen Behörden, dieses Verhalten zu kontrollieren oder mit Sanktionen zu belegen, trotz des Runderlasses Nr. 19384 und der Versendung eines Erinnerungsschreibens am 19. Januar 2006, also zwei Jahre später, nach der mit Gründen versehenen Stellungnahme der Kommission weiter andauerten. Die ihr zur Kenntnis gebrachten Fälle stellten charakteristische Beispiele für eine Praxis dar, die in den griechischen Krankenhäusern offenbar gängig sei. Mit dem Argument der Hellenischen Republik, dass nationale Rechtsbehelfe zur Verfügung stünden, um jeden einzelnen angezeigten Verstoß gegen die Vorschriften über öffentliche Aufträge zu ahnden, lasse sich die Vertragsverletzung in keiner Weise rechtfertigen.

38      Die Hellenische Republik trägt vor, dass die Krankenhäuser in ihrer Eigenschaft als öffentliche Auftraggeber die einschlägigen Vorschriften des gemeinschaftlichen und des nationalen Vergaberechts durchaus einhielten. Soweit bestimmte Krankenhäuser sich nicht an die relevanten Gemeinschaftsbestimmungen hielten, handele es sich lediglich um bloße Ausnahmefälle, aus denen nicht auf das Vorliegen einer horizontalen Verletzung des Gemeinschaftsrechts in großem Maßstab in dem fraglichen Bereich geschlossen werden könne.

39      Im Übrigen habe der Ethnikos Organismos Farmakon gleichwohl den Runderlass Nr. 19384 über das Verfahren zur Beurteilung der Zweckgeeignetheit von Produkten und am 19. Januar 2006 eine Erinnerung an diesen Erlass versandt. Folglich habe die Hellenische Republik die Maßnahmen getroffen, die erforderlich seien, um eine richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts sicherzustellen. Gegen die gemeinschaftsrechtswidrig handelnden Krankenhäuser seien im Übrigen deshalb noch keine Sanktionen verhängt worden, weil die Behörde der Inspektoren des Gesundheits- und Vorsorgedienstes (Soma Epitheoriton Ypiresion kai Pronoias) diese Frage derzeit noch untersuche.

 Würdigung durch den Gerichtshof

40      Beruft sich die Kommission auf substantiierte Beschwerden, die wiederholte Verstöße gegen eine Richtlinie erkennen lassen, so ist es nach ständiger Rechtsprechung Sache des betroffenen Mitgliedstaats, die in diesen Beschwerden behaupteten Tatsachen konkret zu widerlegen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 22. September 1988, Kommission/Griechenland, 272/86, Slg. 1988, 4875, Randnr. 19, und vom 26. April 2005, Kommission/Irland, C‑494/01, Slg. 2005, I‑3331, Randnr. 46).

41      Im vorliegenden Fall hat die Hellenische Republik aber weder konkrete Beweise vorgelegt, um den von der Kommission behaupteten Tatsachen zu widersprechen, noch deren Ausführungen in der Sache und im Einzelnen bestritten. Dieser Mitgliedstaat hat in seiner Klagebeantwortung und in dem Runderlass Nr. 19384 lediglich anerkannt, dass bestimmte Krankenhäuser den einschlägigen Gemeinschaftsvorschriften zuwidergehandelt hätten.

42      Folglich sind die von der Kommission vorgebrachten Tatsachen als erwiesen anzusehen.

43      Nach der Rechtsprechung des Gerichtshofs dürfen öffentliche Auftraggeber, die ein Vergabeverfahren für die Lieferung von mit der CE-Kennzeichnung versehenen Medizinprodukten eingeleitet haben, das Angebot solcher Produkte aus Gründen des Schutzes der öffentlichen Gesundheit nicht direkt und außerhalb des Schutzverfahrens nach den Art. 8 und 18 der Richtlinie 93/42 ablehnen. Ist ein öffentlicher Auftraggeber der Ansicht, dass angebotene mit der CE-Kennzeichnung versehene Medizinprodukte die öffentliche Gesundheit gefährden können, so ist er verpflichtet, zum Zweck der Durchführung des genannten Schutzverfahrens die zuständige Stelle zu unterrichten (Urteil vom 14. Juni 2007, Medipac Kazantzidis, C‑6/05, Slg. 2007, I‑4557, Randnr. 55).

44      Es ist festzustellen, dass die Hellenische Republik auch nicht bestreitet, dass die öffentlichen Auftraggeber der von der Kommission angeführten griechischen Krankenhäuser Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 und die Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42 über das Verfahren zur Vergabe öffentlicher Aufträge über Medizinprodukte mit der CE-Kennzeichnung nicht eingehalten haben.

45      Die Hellenische Republik wendet jedoch ein, dass die von der Kommission erfassten Fälle Ausnahmen seien und somit keine Vertragsverletzung begründen könnten.

46      Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs kann sich eine Vertragsverletzung aus dem Bestehen einer Verwaltungspraxis ergeben, die gegen das Gemeinschaftsrecht verstößt, auch wenn die anwendbare nationale Regelung als solche mit diesem Recht vereinbar ist (vgl. u. a. Urteile vom 12. Mai 2005, Kommission/Italien, C‑278/03, Slg. 2005, I‑3747, Randnr. 13, und vom 27. April 2006, Kommission/Deutschland, C‑441/02, Slg. 2006, I‑3449, Randnr. 47).

47      Wie sich aus den Erklärungen der Parteien ergibt, wird im vorliegenden Fall mit der Vertragsverletzungsklage nicht die ordnungsgemäße Umsetzung der Richtlinien 93/36 und 93/42 durch die Hellenische Republik in Frage gestellt, sondern diese Klage ist auf die Frage der Anwendung dieses Rechts durch die zuständigen griechischen Behörden beschränkt.

48      Zur Feststellung einer Vertragsverletzung auf der Grundlage einer in einem Mitgliedstaat bestehenden Verwaltungspraxis hat der Gerichtshof entschieden, dass die Vertragsverletzung nur durch einen hinreichend dokumentierten und detaillierten Nachweis der gerügten Praxis dargetan werden kann, wobei es sich um eine in bestimmtem Grad verfestigte und allgemeine Praxis handeln muss und die Kommission sich für ihren Schluss auf eine allgemeine und verfestigte Praxis nicht auf irgendeine Vermutung stützen kann (Urteil vom 7. Juni 2007, Kommission/Griechenland, C‑156/04, Slg. 2007, I‑4129, Randnr. 50 und die dort angeführte Rechtsprechung).

49      Anhand der dem Gerichtshof mitgeteilten Informationen in den Akten ist festzustellen, dass die fraglichen Produkte solche sind, die den Anforderungen der technischen Norm des Europäischen Arzneibuchs entsprechen und von Krankenhäusern naturgemäß wiederholt und regelmäßig, also mit einem gesicherten Häufigkeitsgrad eingekauft werden müssen.

50      Gleichwohl haben wenigstens sechzehn öffentliche Auftraggeber von Krankenhäusern die in Rede stehenden Medizinprodukte in Vergabeverfahren abgelehnt, darunter die Krankenhäuser in Komotini, in Messolonghi, in Agios Nikolaos auf Kreta, das Venizeleio-Pananeio in Heraklion, die Krankenhäuser Attika, Agios Savvas, Elpis, das Krankenhaus in Argos, das Korgialeneio-Benakeio, das Geniko Nosokomeio in Kalmata, das Krankenhaus Nauplia, das P. & A. Kyriakoy, das Krankenhaus in Sparta, das Panakardiko in Tripolis, das Elena Venizelou und das Asklipieio Voulas.

51      In der Liste der von der Kommission genannten Krankenhäuser sind Einrichtungen unterschiedlicher Größe angeführt, nämlich einige der größten Krankenhäuser Griechenlands wie das Agios Savvas, das Kyriakoy und das Asklipieio Voulas, aber auch Krankenhäuser mittlerer Größe wie das Krankenhaus in Argos, das in Agios Nikolaos auf Kreta oder das in Sparta.

52      Darüber hinaus bezieht sich diese Liste auf Einrichtungen, die sich geografisch über das gesamte Staatsgebiet verteilen, u. a. mit Krankenhäusern in Athen, auf dem Peloponnes und auf Kreta, sie betrifft aber auch viele Fachgebiete, denn sie schließt u. a. allgemeine Krankenhäuser, Kinderkrankenhäuser, eine Krebsklinik und eine Geburtsklinik ein.

53      Daher kann daraus abgeleitet werden, dass die gegen Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 und die Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42 verstoßende Verwaltungspraxis der fraglichen öffentlichen Auftraggeber in bestimmtem Grad verfestigt und allgemein ist.

54      Hat die Kommission genügend Anhaltspunkte dafür beigebracht, dass sich bei den Behörden eines Mitgliedstaats eine wiederholt angewandte, fortbestehende Praxis herausgebildet hat, die gegen die Bestimmungen einer Richtlinie verstößt, obliegt es diesem Mitgliedstaat, diese Angaben und deren Folgen in der Sache und im Einzelnen zu bestreiten (Urteil Kommission/Irland, Randnr. 47); dies hat der Mitgliedstaat im vorliegenden Fall nicht getan.

55      Außerdem ergibt sich aus den dem Gerichtshof vorgelegten Akten, dass das pflichtwidrige Verhalten der öffentlichen Auftraggeber der griechischen Krankenhäuser von den zuständigen griechischen Behörden nicht hinreichend kontrolliert und geahndet wurde. Der beklagte Mitgliedstaat hat das Nichteingreifen seiner Behörden nur damit gerechtfertigt, dass die Behörde der Inspektoren der Gesundheits- und Vorsorgedienste zum Zeitpunkt des Verfahrens diese Frage gerade untersucht habe und die Inspektoren ihre Arbeit noch nicht abgeschlossen hätten.

56      Auf der Grundlage des Vorstehenden ist festzustellen, dass die Hellenische Republik dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36 und den Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42 verstoßen hat, dass sie Angebote von mit der CE‑Konformitätskennzeichnung versehenen Medizinprodukten ablehnt, ohne dass die zuständigen öffentlichen Auftraggeber der griechischen Krankenhäuser das in der Richtlinie 93/42 vorgesehene Verfahren eingehalten haben.

 Kosten

57      Nach Art. 69 § 2 der Verfahrensordnung ist die unterliegende Partei auf Antrag zur Tragung der Kosten zu verurteilen. Da die Kommission die Verurteilung der Hellenischen Republik beantragt hat und diese mit ihrem Vorbringen unterlegen ist, sind ihr die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Aus diesen Gründen hat der Gerichtshof (Vierte Kammer) für Recht erkannt und entschieden:

1.      Die Hellenische Republik hat dadurch gegen ihre Verpflichtungen aus Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 93/36/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über die Koordinierung der Verfahren zur Vergabe öffentlicher Lieferaufträge in der durch die Richtlinie 2001/78/EG der Kommission vom 13. September 2001 geänderten Fassung und aus den Art. 17 und 18 der Richtlinie 93/42/EWG des Rates vom 14. Juni 1993 über Medizinprodukte in der durch die Verordnung (EG) Nr. 1882/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. September 2003 geänderten Fassung verstoßen, dass sie Angebote von mit der CE‑Konformitätskennzeichnung versehenen Medizinprodukten ablehnt, ohne dass die zuständigen öffentlichen Auftraggeber der griechischen Krankenhäuser das in der Richtlinie 93/42 vorgesehene Verfahren eingehalten haben.

2.      Die Hellenische Republik trägt die Kosten.

Unterschriften


* Verfahrenssprache: Griechisch.