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Document 52009DC0325

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

/* KOM/2009/0325 endg. */

52009DC0325

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament und den Rat über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem /* KOM/2009/0325 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 2.7.2009

KOM(2009) 325 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DEN RAT

über die Option der MwSt-Gruppe gemäß Artikel 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem

1. EINLEITUNG

Nach Artikel 11 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem[1] (nachstehend „die Mehrwertsteuerrichtlinie”) haben die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, in ihre innerstaatliche Gesetzgebung Regelungen für MwSt-Gruppen einzuführen. Ein Mitgliedstaat kann zwei oder mehrere in seinem Gebiet ansässige Personen, die zwar rechtlich unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, für Mehrwertsteuerzwecke zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln. Ein Mitgliedstaat, der diese Möglichkeit nach Konsultation des Beratenden Ausschusses für die Mehrwertsteuer (nachstehend „Mehrwertsteuerausschuss“ genannt) in Anspruch nimmt, kann die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen infolge der Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.

Nimmt ein Mitgliedstaat diese in Artikel 11 vorgesehene Möglichkeit einer mehrwertsteuerlichen Gruppe in Anspruch, so ist dies als besondere innerstaatliche Abweichung von den normalen gemeinschaftlichen Mehrwertsteuerregelungen anzusehen.

Die Option der mehrwertsteuerlichen Gruppen steht den Mitgliedstaaten zwar bereits seit den 70er Jahren zur Verfügung, die Kommission stellt aber fest, dass das Interesse der Mitgliedstaaten daran zunimmt. Nach Kenntnis der Kommission haben mittlerweile 15 Mitgliedstaaten[2] MwSt-Gruppen in ihre innerstaatlichen Rechtssysteme eingeführt.

Der Wortlaut von Artikel 11 ist kurz, was es den Mitgliedstaaten überlässt, detaillierte Vorschriften für die Umsetzung der Option zur Bildung von MwSt-Gruppen festzulegen. Zudem enthält die Mehrwertsteuerrichtlinie keine weiteren Vorschriften zu den Gruppen. Aus den Konsultationen der Mitgliedstaaten Im Rahmen des Mehrwertsteuerausschusses ging eindeutig hervor, dass es zwischen den Regelungen für MwSt-Gruppen in den einzelnen Mitgliedstaaten große Unterschiede gibt.

In Anbetracht der Vorteile, die sich aus einer Regelung für MwSt-Gruppen für bestimmte Steuerpflichtige ergeben können, kann eine solche Regelung aufgrund bestimmter Merkmale dem Prinzip der Steuerneutralität entgegenstehen und zu steuerlichem Wettbewerb zwischen den Mitgliedstaaten führen. Aus diesem Grund könnten sich die derzeitigen Unterschiede zwischen den nationalen Regelungen für MwSt-Gruppen auf den Binnenmarkt und auf die Grundlagen des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems auswirken. Das wird dadurch bestätigt, dass zahlreiche Gruppenregelungen aufgrund ihrer Ausgestaltung nicht die Gewähr dafür bieten, dass sich die Auswirkungen auf nationales Gebiet beschränken.

Daher muss dafür gesorgt werden, dass diese Bestimmung einheitlicher angewendet wird.

Vor diesem Hintergrund soll in dieser Mitteilung dargelegt werden, wie nach Auffassung der Kommission die Vorschriften des Artikels 11 in praktische Vorkehrungen umgesetzt werden sollten, während gleichzeitig die Grundprinzipien des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems eingehalten werden.

Je nachdem, wie die Reaktionen auf diese Mitteilung ausfallen, entscheidet die Kommission, ob und zu welchem Zeitpunkt weitere Maßnahmen zweckmäßig sind. Solche Maßnahmen könnten in Vorschlägen für konkrete Änderungen von Artikel 11, aber auch darin bestehen, auf andere Weise dazu beizutragen, die derzeitigen Vorschriften einheitlicher und unter Wahrung der Steuerneutralität anzuwenden.

2. URSPRÜNGLICHES ZIEL DER BESTIMMUNG ÜBER MWST-GRUPPEN

Das Konzept einer MwSt-Gruppe wurde erst mit Artikel 4 Absatz 4 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie[3] in das Gemeinschaftsrecht eingeführt. Laut Begründung[4] soll mit der Bestimmung über die MwSt-Gruppen den Mitgliedstaaten erlaubt werden, für die Zwecke der Verwaltungsvereinfachung bzw. der Bekämpfung unlauterer Praktiken (beispielsweise, wenn ein Unternehmen in mehrere steuerpflichtige Personen aufgeteilt wird, so dass jede von einer Sonderregelung profitieren kann), solche Steuerpflichtigen, deren „Unabhängigkeit” eine reine Rechtsformalität ist, nicht als getrennte Steuerpflichtige zu betrachten.

Artikel 4 Absatz 4 wurde mit der Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006[5] durch die Hinzufügung eines zweiten Unterabsatzes geändert. Wie in der Begründung zu dem Vorschlag[6] ausgeführt, sollte die Änderung den Mitgliedstaaten gestatten, Maßnahmen zu ergreifen, damit die Anwendung dieser Bestimmungen für die Betroffenen keine ungerechtfertigten Vor- oder Nachteile bewirkt. Gemäß Unterabsatz 2 können die Mitgliedstaaten daher die erforderlichen Maßnahmen treffen, um Steuerhinterziehung oder -umgehung infolge der Anwendung dieser Bestimmung vorzubeugen.

In der Neufassung der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie enthält jetzt Artikel 11 die Bestimmungen zu MwSt-Gruppen. Bei dieser Neufassung wurden weder der Geltungsbereich der Regelungen für MwSt-Gruppen noch die formalen Voraussetzungen dafür geändert.

Diese Mitteilung bezieht sich nicht auf die Kostenteilungsvereinbarungen, wonach gemäß Artikel 132 Absatz 1 Buchstabe f der Mehrwertsteuerrichtlinie derzeit bestimmte, dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten zwingend von der Steuer befreit sind; dafür enthält der vor kurzem vorgelegte Vorschlag der Kommission für die Besteuerung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen[7] eine Neugestaltung. Diese Kostenteilungsvereinbarungen sind grundsätzlich völlig anders geartet als das Prinzip der Mehrwertsteuergruppe, da beispielsweise damit kein neuer einziger Steuerpflichtiger gebildet wird.

3. ANALYSE DER BESTIMMUNG ÜBER MWST-GRUPPEN

Artikel 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie ist im Licht der vorgenannten ursprünglichen Ziele zu interpretieren.

3.1. Notwendigkeit der vorherigen Konsultierung des Mehrwertsteuerausschusses

Der Mehrwertsteuerausschuss muss konsultiert werden, bevor eine nationale Regelung für MwSt-Gruppen eingeführt wird. Wie sich aus dem Wortlaut der Bestimmung selbst ergibt, kann von dieser Möglichkeit nur nach Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses[8] Gebrauch gemacht werden. Das bedeutet nach Auffassung der Kommission, dass die Verpflichtung zur Konsultation des Mehrwertsteuerausschusses vor der Veröffentlichung der nationalen Rechtsvorschriften für MwSt-Gruppen erfüllt sein muss. Gleiches gilt für wesentliche Änderungen bestehender Regelungen für MwSt-Gruppen.

Um dieser Bestimmung ihre volle Geltung zu verschaffen und insbesondere um eine echte Diskussion im Mehrwertsteuerausschuss zu ermöglichen, sollte rechtzeitig eine Konsultation stattfinden.

Da der zweite Absatz von Artikel 11 Bestandteil der Bestimmung über MwSt-Gruppen ist, gilt die Verpflichtung, den Mehrwertsteuerausschuss zu konsultieren, auch dafür, selbst wenn diese Option in einem gesonderten Absatz aufgeführt wird.

3.2. Hauptzweck der Option der MwSt-Gruppe

Ziel der Umsetzung der in Artikel 11 vorgesehenen Option der MwSt-Gruppe ist vor allem, dass Steuerpflichtige, zwischen denen finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen bestehen, nicht mehr als getrennte Mehrwertsteuerpflichtige, sondern als ein einziger Steuerpflichtiger behandelt werden. Das bedeutet mit anderen Worten, dass mehrere eng miteinander verbundene Mehrwertsteuerpflichtige zu einem neuen einzigen Steuerpflichtigen verschmolzen werden. Diese Auswirkung wurde vom Europäischen Gerichtshof in der Rechtssache C-162/07, Ampliscientifica[9], bestätigt.

In diesem Zusammenhang könnte eine MwSt-Gruppe als eine für Mehrwertsteuerzwecke geschaffene „fiktive Einrichtung” betrachtet werden, wobei dem ökonomischen Wesensgehalt Vorrang vor der Rechtsform gegeben wird. Eine MwSt-Gruppe stellt eine besondere Form eines Steuerpflichtigen dar, die nur im Hinblick auf die Mehrwertsteuer besteht. Sie basiert auf den tatsächlichen finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen Beziehungen zwischen Unternehmen. Während jedes Mitglied der Gruppe seine eigene Rechtsform behält, hat die MwSt-Gruppe - nur im Hinblick auf die Mehrwertsteuer - Vorrang vor Rechtsformen, die z.B. auf dem Zivilrecht oder dem Gesellschaftsrecht basieren. Mit seinem Beitritt zu einer MwSt-Gruppe gibt ein Unternehmen seine Zugehörigkeit zu jeder möglichen gleichzeitig bestehenden Rechtsform auf und wird stattdessen Bestandteil eines neuen gesonderten Mehrwertsteuerpflichtigen – d.h. der MwSt-Gruppe.

Aus der Behandlung einer MwSt-Gruppe als einziger Steuerpflichtiger ergibt sich logischerweise, dass der Gruppe für MwSt-Zwecke nur eine einzige MwSt-Identifikationsnummer gemäß Artikel 214 Mehrwertsteuerrichtlinie zugeteilt wird und dass alle individuellen Identifikationsnummern ausgeschlossen werden. Die Verwendung einer einzigen Nummer ergibt sich aus der Notwendigkeit sowohl für die Wirtschaftsteilnehmer als auch für die Steuerbehörden der Mitgliedstaaten, diejenigen, die die steuerpflichtigen Umsätze getätigt haben, eindeutig zu bestimmen[10]. Die individuelle Identifikationsnummer der einzelnen Mitglieder kann von den Steuerbehörden weiter geführt werden, darf aber nur zur Überprüfung der internen Tätigkeiten der MwSt-Gruppe verwendet werden.

3.3. Wer kann eine Gruppe bilden?

Gemäß Artikel 11 können die Mitgliedstaaten in ihrem Gebiet ansässige Personen als einen einzigen Steuerpflichtigen behandeln.

3.3.1. Begriff der „Person”

Nach Auffassung der Kommission bezieht sich der Begriff „Personen” in Artikel 11 nur auf solche Personen, die die Kriterien eines Mehrwertsteuerpflichtigen erfüllen. Daher kann eine Einrichtung, die kein Steuerpflichtiger ist, entweder weil sie nicht der Definition in Artikel 9 Absatz 1 gerecht wird oder weil sie eine Einrichtung des öffentlichen Rechts ist, die nach den Bestimmungen des ersten Unterabsatzes von Artikel 13 Absatz 1 Tätigkeiten ausübt, nicht zu einer MwSt-Gruppe gehören.

Dabei ist zu beachten, dass Artikel 11 unter Titel III „Steuerpflichtiger” der Mehrwertsteuerrichtlinie fällt. Außerdem sieht Artikel 11 keine Möglichkeit einer Abweichung von der Definition eines Steuerpflichtigen nach Artikel 9 Absatz 1 der Richtlinie vor.

Daraus ergibt sich logischerweise, dass als „ein” Steuerpflichtiger geltende Personen gleichzeitig auch einzeln steuerpflichtig sein müssen, da nach dem Verständnis des Konzepts der Gruppe Personen, die alle solche Tätigkeiten ausüben, die in den Geltungsbereich der Mehrwertsteuerrichtlinie fallen, „zusammen behandelt” werden. In diesem Zusammenhang ist aus dem Attribut „ein” abzuleiten, dass es ohne Bestehen einer Gruppe mehrere Steuerpflichtige gäbe: damit wird die Eigenschaft als Steuerpflichtiger für alle Mitglieder der Gruppe implizit vorausgesetzt.

Der Begriff „Personen” wurde vom Gesetzgeber verwendet, um die Wiederholung des Begriffs ”Steuerpflichtiger” zu vermeiden, nicht aber, um nicht steuerpflichtige Personen zu berücksichtigen. Dabei wurde in den einzelnen Sprachversionen[11] einheitlich vorgegangen. Diese Art der Formulierung wurde vom Gesetzgeber auch an anderen Stellen der Richtlinie verwendet, u.a. im ersten Satz von Artikel 9 Absatz 2, wo sich der Begriff „Personen” eindeutig auf steuerpflichtige Personen bezieht.

Aus der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofes ergibt sich außerdem eindeutig, dass die grundlegenden Begriffe in der Mehrwertsteuerrichtlinie, wie „Steuerpflichtiger” und „wirtschaftliche Tätigkeit”, grundsätzlich objektiv sind, ohne dass der Zweck oder die Ergebnisse der jeweiligen Umsätze berücksichtigt werden[12]. Zudem muss gemäß dem Zweck der Richtlinie, die unter anderem darauf abzielt, das gemeinsame Mehrwertsteuersystem auf eine einheitliche Definition des Begriffs "Steuerpflichtiger" zu stützen, diese Eigenschaft ausschließlich aufgrund der in der Richtlinie enthaltenen Kriterien beurteilt werden[13].

Die Formulierung des Gerichtshofs in der Rechtssache Ampliscientifica[14] bestätigt diese Interpretation. Nach Auffassung des Gerichtshofs folgt daraus,

„…, dass die Verschmelzung zu einem einzigen Steuerpflichtigen es ausschließt, dass die untergeordneten Personen weiterhin getrennt Mehrwertsteuererklärungen abgeben und innerhalb und außerhalb ihres Konzerns weiter als Steuerpflichtige angesehen werden, […].

In Anbetracht der obigen Ausführungen ist es nach Auffassung der Kommission unbedingt erforderlich, dass die Anwendung der Regelungen für MwSt-Gruppen sich nicht auf den Begriff des Steuerpflichtigen auswirkt. Würde es Nichtsteuerpflichtigen erlaubt, Mitglied einer Gruppe zu werden, hätte das sicherlich Einfluss auf diese Definition. Schließt sich eine nichtsteuerpflichtige Person einer MwSt-Gruppe an, so wird sie Teil dieses „einen” Steuerpflichtigen”[15]. Eine nichtsteuerpflichtige Person, der aus der Mehrwertsteuerrichtlinie weder Rechte noch Pflichten erwachsen, sollte nicht allein aus dem Grund als Steuerpflichtiger betrachtet werden können, dass sie einer MwSt-Gruppe beitritt. Damit würden die Kriterien, anhand deren festgelegt wird, was einen Steuerpflichtigen ausmacht, umgangen.

3.3.2. Begriff der in dem Gebiet des Mitgliedstaats ansässigen Person

3.3.2.1. Interpretation dieses Begriffs:

Der Wortlaut von Artikel 11 beschränkt den räumlichen Geltungsbereich der Regelung für MwSt-Gruppen eines Mitgliedstaats auf Personen, die in seinem Gebiet ansässig sind. Daher muss eindeutig klar sein, wer als „ansässig” im Sinne dieser Bestimmung gilt.

Bisher gibt es keine Anleitung zur Auslegung dieses Begriffs. Die Begründung zum Vorschlag für die Sechste Mehrwertsteuerrichtlinie enthält keinerlei Erläuterung dazu, wie die Beschränkung der räumlichen Anwendung auf den jeweiligen Mitgliedstaat auszulegen ist.

Nach Ansicht der Kommission fallen unter den Begriff der in dem Gebiet des Mitgliedstaats ansässigen Personen auch Unternehmen mit Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats, der die Gruppenregelung anwendet, nicht aber feste Niederlassungen, die im Ausland gelegen sind. Feste Niederlassungen ausländischer Unternehmen, die im Gebiet des Mitgliedstaatsgelegen sind, der die Regelung für MwSt-Gruppen anwendet, sind dagegen mit einzubeziehen. Folglich können nur Unternehmen, bei denen sich der Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit im Gebiet des Mitgliedstaats befindet, der die Regelung für MwSt-Gruppen eingeführt hat, oder aber feste Niederlassungen solcher Unternehmen oder von ausländischen Unternehmen, die im Gebiet dieses Mitgliedstaats physisch präsent sind, einer MwSt-Gruppe beitreten.

Für eine derartige Auslegung sprechen mehrere Argumente:

- Sie entspricht erstens dem aktuellen Wortlaut des Gebietskriteriums in Artikel 11.

- Zweitens stimmt der räumliche Geltungsbereich mit dem MwSt-Gebiet des Mitgliedstaats, der die Regelung für MwSt-Gruppen anwendet, überein und gilt folglich auch für die dort anzuwendenden Vorschriften für die Identifizierung zu MwSt-Zwecken. Auf diese Weise kann die Regelung für MwSt-Gruppen leicht verwaltet und kontrolliert werden, da alle Mitglieder einer Gruppe den Vorschriften des gleichen Mitgliedstaats unterliegen.

- Drittens wird der Begriff „ansässig” im Sinne des Artikels 11 auch an anderen Stellen in der Mehrwertsteuerrichtlinie gebraucht und ist hier ebenso auszulegen.

Die Hauptrechtfertigung für den Ausschluss fester, im Ausland gelegener Niederlassungen von Unternehmen mit Sitz ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit in dem Mitgliedstaat, der die Regelung für MwSt-Gruppen anwendet, ist die Tatsache, dass diese Niederlassungen physisch nicht in dem Gebiet dieses Mitgliedstaats präsent sind. Da die Einführung einer Regelung für MwSt-Gruppen für die Mitgliedstaaten fakultativ ist, sollte damit keine Erweiterung des physischen Gebiets des Mitgliedstaates, der sich dafür entschieden hat, bewirkt werden. Andernfalls wird möglicherweise die Steuerhoheit eines anderen Mitgliedstaates verletzt. Sollten sich zudem zwei Mitgliedstaaten dafür entscheiden, eine Regelung für MwSt-Gruppen einzuführen, könnte es dazu kommen, dass die im Ausland gelegene feste Niederlassung Mitglied von MwSt-Gruppen in beiden Mitgliedstaaten werden könnte. Ein derartiges Ergebnis ist weder mit den Grundsätzen des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems vereinbar, noch auf nationaler Verwaltungsebene kontrollierbar. Vom Aspekt der Kontrolle her gesehen ist dies nicht annehmbar.

Während einerseits klar ist, dass Artikel 11 den räumlichen Geltungsbereich einer Regelung für MwSt-Gruppen einschränkt, steht andererseits aber auch zweifelsfrei fest, dass die Auslegung den wirtschaftlichen Anforderungen und dem Prinzip der Niederlassungsfreiheit gemäß Artikel 43 entsprechen muss, der in Verbindung mit Artikel 48 EG-Vertrag zu sehen ist, wonach feste Niederlassungen eines ausländischen Unternehmens die gleichen Steuerbedingungen genießen wie Unternehmen, die in dem jeweiligen Mitgliedstaat dem nationalem Recht unterstehen. Nach der vorstehenden Auslegung können feste Niederlassungen ausländischer Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat gelegen sind, der die Regelung für MwSt-Gruppen anwendet, einbezogen werden und die gleichen steuerlichen Vorteile genießen wie die Unternehmen in dem betreffenden Mitgliedstaat, was mit dem EG-Vertrag übereinstimmt.

3.3.2.2. Verbindung mit der Rechtssache FCE-Bank

In der Rechtssache FCE-Bank[16] urteilte der Gerichtshof, dass eine feste Niederlassung in einem anderen Mitgliedstaat, die kein von dem Unternehmen, zu dem sie gehört, verschiedenes Rechtssubjekt ist und der das Unternehmen Dienstleistungen erbringt, nicht aufgrund der Kosten, mit denen sie wegen der genannten Dienstleistungen belastet wird, als Steuerpflichtiger anzusehen ist. Folglich wird für eine Lieferung von Dienstleistungen innerhalb der gleichen Rechtseinheit keine Mehrwertsteuer fällig.

Der Ausschluss fester, im Ausland gelegener Niederlassungen eines Steuerpflichtigen des Mitgliedstaats, der die Regelung für MwSt-Gruppen eingeführt hat, mag auf den ersten Blick nicht als mit dem Urteil in der Rechtssache FCE-Bank vereinbar angesehen werden. Allerdings enthält das Urteil keinerlei Hinweis auf die Situation einer MwSt-Gruppe. Außerdem ist zu beachten, dass ein Steuerpflichtiger, der einer MwSt-Gruppe beitritt, Teil eines neuen Steuerpflichtigen, nämlich der MwSt-Gruppe, wird und sich damit hinsichtlich der Mehrwertsteuer von seiner festen Niederlassung im Ausland loslöst. Folglich würden, falls ein Steuerpflichtiger einer MwSt-Gruppe beitritt, alle anschließend an seine feste Niederlassung im Ausland erbrachten Dienstleistungen als Leistungen zwischen zwei getrennten Steuerpflichtigen betrachtet. Es steht daher nicht im Widerspruch zu dem FCE-Bank-Urteil, wenn die feste, im Ausland gelegene Niederlassung in dem betreffenden Mitgliedstaat nicht einer MwSt-Gruppe beitreten kann.

3.3.3. Berücksichtigung aller Tätigkeiten und Zugehörigkeit zu nur einer einzigen MwSt-Gruppe

Da eine MwSt-Gruppe als ein einziger Steuerpflichtiger betrachtet wird, für den eine einzige MwSt-Identifikationsnummer gilt, müssen alle Tätigkeiten der Gruppenmitglieder berücksichtigt werden. Daher sollte ein Gruppenmitglied mit mehreren Tätigkeitsbereichen in dem Mitgliedstaat, der die Regelung für die MwSt-Gruppen eingeführt hat, keine seiner Tätigkeiten aus der MwSt-Gruppe, zu der er gehört, ausschließen können, ausgenommen Tätigkeiten, die von seinen Niederlassungen außerhalb dieses Mitgliedstaates ausgeführt werden.

Aus dem gleichen Grund sollten nationale Regelungen für MwSt-Gruppen Steuerpflichtige davon abhalten, gleichzeitig mehr als einer MwSt-Gruppe beizutreten. Das ist auch aus der Sicht der Steueraufsicht von wesentlicher Bedeutung.

3.3.4. Auflage der „finanziellen, wirtschaftlichen und organisatorischen” Beziehungen

Nach Auffassung der Kommission ist diese Auflage dahingehend zu interpretieren, dass alle drei Arten von Beziehungen während der gesamten Dauer des Bestehens einer MwSt-Gruppe vorliegen müssen und dass ein Mitglied, bei dem die drei verlangten Beziehungen nicht länger gegeben sind, aufgefordert werden sollte, aus der MwSt-Gruppe auszuscheiden. Dafür gibt es folgende Gründe:

- Erstens folgt aus der Verwendung der gleichordnenden Konjunktion „und”, dass die Bedingungen kumulativ sind.

- Zweitens muss die MwSt-Gruppe, bei der es sich um ein spezielle Form von Steuerpflichtigem handelt, für die Ausnahmebedingungen gelten, an sehr strenge Auflagen geknüpft sein, was sich aus der Kumulierung der vorgenannten Bedingungen ergibt.

- Drittens gewährt eine solche Kumulierung weitere Garantien gegen einen Missbrauch seitens der MwSt-Gruppen, da sie dazu beiträgt, rein künstliche Strukturen ohne wirtschaftliche Relevanz auszuschließen.

In Anbetracht der allgemeinen Grundsätze dieser Bestimmung schlägt die Kommission die folgenden Definitionen der drei Beziehungen als Leitlinien vor.

Finanzielle Beziehung : Dabei wird der Prozentanteil der Kapitalbeteiligung oder der Stimmrechte (mehr als 50 %) oder aber das Bestehen eines Franchisevertrags berücksichtigt. Damit wird gewährleistet, dass ein Unternehmen ein anderes tatsächlich kontrolliert.

Wirtschaftliche Beziehung : Sie beruht auf zumindest einer der folgenden Situationen einer wirtschaftlichen Zusammenarbeit: Die Gruppenmitglieder üben die gleiche Haupttätigkeit aus, oder die Tätigkeiten der Gruppenmitglieder ergänzen einander oder hängen voneinander ab, oder ein Mitglied der Gruppe übt Tätigkeiten aus, die den übrigen Mitgliedern in vollem oder in wesentlichem Umfang zugute kommen.

Organisatorische Beziehung : Sie liegt bei einer gemeinsamen oder zumindest teilweise gemeinsamen Managementstruktur vor.

3.3.5. In welchen Wirtschaftszweigen sollte eine Regelung für MwSt-Gruppen angewendet werden?

Eine Regelung für MwSt-Gruppen sollte in dem Mitgliedstaat, der sie eingeführt hat, von allen Wirtschaftsbereichen angewendet werden können. Das ergibt sich aus dem Wortlaut von Artikel 11, der keine Beschränkung auf bestimmte Branchen vorsieht. Außerdem folgt dies auch aus dem Grundsatz der Steuerneutralität. Eine nationale Regelung für MwSt-Gruppen kann nicht nur für bestimmte Branchen eingeführt werden, da damit einige Unternehmen gegenüber anderen bevorzugt würden und dies auch unter dem Aspekt der staatlichen Beihilfen (Selektivität) Anlass zu Kritik geben könnte.

Ein beschränkter Zugang zur Regelung für MwSt-Gruppen wäre nur dann gerechtfertigt, wenn Maßnahmen gegen den potenziellen Missbrauch bei klar umrissenen Umsätzen ergriffen werden müssten. Ohne eine derartige Rechtfertigung wäre es nicht zu vertreten, eine Regelung für MwSt-Gruppen im nationalen Recht auf einen besonderen Wirtschaftszweig, wie beispielsweise die Finanz- oder Versicherungsbranche, zu beschränken.

3.4. Rechte und Pflichten einer Mehrwertsteuergruppe

3.4.1. Wer übernimmt die Pflichten?

Da eine MwSt-Gruppe als ein einziger Steuerpflichtiger betrachtet wird, hat die Gruppe die gleichen Rechte und Pflichten wie jeder andere Steuerpflichtige, und es sind auf sie alle Bestimmungen der Mehrwertsteuerrichtlinie sowie die Urteile des Europäischen Gerichtshofs anzuwenden. Das bedeutet, dass die Pflichten von der MwSt-Gruppe als solcher und nicht von ihren Mitgliedern zu erfüllen sind. Daher muss eine nationale Regelung für MwSt-Gruppen in den Gemeinschaftsrechtsrahmen für normale Steuerpflichtige eingefügt werden.

So ist die einzige Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer der MwSt-Gruppe beispielsweise bei der Ausstellung von Rechnungen für Lieferungen von Gegenständen oder für Dienstleistungen, die als von der MwSt-Gruppe getätigt betrachtet werden, zu verwenden.

Wie jeder andere Steuerpflichtige muss auch die MwSt-Gruppe Mehrwertsteuererklärungen und gegebenenfalls zusammenfassende Meldungen vorlegen. Die MwSt-Erklärung umfasst den Nettomehrwertsteuerbetrag der Gruppe, der ausgehend von jedem Mitglied berechnet wird, wobei zu berücksichtigen ist, dass zwischen Mitgliedern getätigte Umsätze nicht zur Erhebung oder Zahlung von Mehrwertsteuer führen. Das bedeutet, dass die MwSt-Forderungen bestimmter Gruppenmitglieder mit den MwSt-Schulden anderer Mitglieder verrechnet werden: Im Hinblick auf die Mehrwertsteuer werden sowohl Forderungen als auch Schulden der MwSt-Gruppe und nicht den einzelnen Mitgliedern zugerechnet. In der Rechtssache Ampliscientifica[17] hat der Gerichtshof argumentiert, dass die Behandlung als einziger Steuerpflichtiger es ausschließt, dass zu einer MwSt-Gruppe gehörige Personen weiterhin als individuelle Steuerpflichtige getrennte Mehrwertsteuererklärungen abgeben, da nur der einzige Steuerpflichtige, d.h. die MwSt-Gruppe, befugt ist, diese Erklärungen abzugeben.

Das bedeutet, dass die Option der MwSt-Gruppe im Wesentlichen eine Vereinfachung von Verwaltungsmaßnahmen darstellt.

3.4.2. Behandlung von Lieferungen und Dienstleistungen an Dritte oder von Dritten

Gegenüber Dritten agiert die MwSt-Gruppe wie ein einziger Steuerpflichtiger. Folglich gelten alle Lieferungen von Gegenständen und alle Dienstleistungen von einem Gruppenmitglied an einen nicht der Gruppe angehörigen Empfänger als von der Gruppe und nicht von dem einzelnen Mitglied bewirkt bzw. erbracht. Gleichermaßen gelten Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen von Dritten an ein Mitglied oder mehrere Mitglieder der Gruppe als an die Gruppe bewirkt bzw. erbracht. Dementsprechend gelten Einfuhren und innergemeinschaftliche Erwerbe durch Mitglieder der Gruppe als von der Gruppe selbst vorgenommen bzw. bewirkt. Die Situation einer solchen Gruppe in Bezug auf die Mehrwertsteuer und die Behandlung ihrer Eingangs- und Ausgangsumsätze ist somit in allen Punkten mit der eines Steuerpflichtigen vergleichbar, der mehrere Geschäftszweige hat.

3.4.3. Gruppeninterne Lieferungen und Dienstleistungen

Aus der Tatsache, dass die MwSt-Gruppe als ein einziger Steuerpflichtiger behandelt wird, folgt auch hinsichtlich der Innenumsätze der Gruppe, d.h. der Umsätze gegen Entgelt zwischen den einzelnen Mitgliedern der Gruppe, dass diese Umsätze als von der Gruppe selbst bewirkt gelten sollten. Das wiederum ist eine der wichtigsten Auswirkungen der Bildung einer Mehrwertsteuergruppe, da - mit Ausnahme der gleichgestellten Umsätze (Artikel 16, 18, 26 und 27) - die entgeltlichen Innenumsätze der Gruppe im Hinblick auf die Mehrwertsteuer nicht existent sind; sie liegen „außerhalb des Geltungsbereichs”. Daraus folgt, dass die Option der MwSt-Gruppe sich positiv auf den Cash-Flow der Unternehmen auswirken kann.

3.4.4. Rechte und Pflichten bei der Bildung oder Auflösung einer Mehrwertsteuergruppe

Mit der Errichtung einer MwSt-Gruppe als ein einziger Steuerpflichtiger gehen die mehrwertsteuerrelevanten Rechte und Pflichten der einzelnen Mitglieder automatisch auf die Gruppe über. Das gilt auch, wenn sich ein Steuerpflichtiger einer bereits bestehenden MwSt-Gruppe anschließt.

Artikel 11 enthält keinerlei Bestimmung darüber, wie lange die Mitgliedschaft eines einzelnen Mitglieds zur MwSt-Gruppe andauern muss. Allerdings können die Mitgliedstaaten aufgrund von Artikel 11 Absatz 2 die erforderlichen Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass aus der Regelung für MwSt-Gruppen keine ungerechtfertigten Vorteile erwachsen. Nach Auffassung der Kommission bedeutet dies, dass Maßnahmen, wie die Festlegung einer Mindestdauer der Mitgliedschaft, getroffen werden können.

Da die MwSt-Gruppe als ein einziger Steuerpflichtiger angesehen wird und als solcher die mehrwertsteuerrelevanten Rechte und Pflichten der Mitglieder übernimmt, fallen bei Auflösung einer MwSt-Gruppe die von der Gruppe übernommenen Rechte und Pflichten auf die einzelnen Mitglieder zurück, und zwar ab dem Zeitpunkt, zu dem die MwSt-Gruppe nicht mehr besteht. Gleichzeitig erhalten die früheren Mitglieder der Gruppe wieder den Status individueller Steuerpflichtiger. Das gilt auch, wenn ein Mitglied ausscheidet.

3.5. Vorsteuerabzugsrecht einer Mehrwertsteuergruppe

3.5.1. Bestimmungen für das Vorsteuerabzugsrecht einer Mehrwertsteuergruppe

Aufgrund der Behandlung der MwSt-Gruppe als ein einziger Mehrwertsteuerpflichtiger wird das Recht auf Vorsteuerabzug ausgehend von den Umsätzen, die die Gruppe als solche mit Dritten bewirkt, festgelegt.

In diesem Zusammenhang müssen die Vorschriften im Zusammenhang mit dem Vorsteuerabzug ordnungsgemäß angewendet werden, z.B. wenn ein Steuerpflichtiger sich der Gruppe anschließt oder ausscheidet oder wenn die Tätigkeiten eines Mitglieds sich derart ändern, dass das Vorsteuerabzugsrecht der Gruppe geändert werden muss.

Dabei ist daran zu erinnern, dass die Mitgliedstaaten gemäß Artikel 173 verschiedene Maßnahmen zur Bestimmung des Vorsteuerabzugs ergreifen können. Während generell nach der Regel des abzugsfähigen Anteils (Pro-rata-Satz) gemäß den Artikeln 174 und 175 vorgegangen wird, kann der Vorsteuerabzug auch nach der direkten Zuordnung der Gegenstände oder Dienstleistungen vorgenommen werden, um die tatsächliche Verwendung besser zu berücksichtigen.

Aufgrund dieser Optionen kann es zwischen den Mitgliedstaaten bei den Methoden, die zur Bestimmung des Vorsteuerabzugs verwendet werden, zu erheblichen Unterschieden und damit zu Differenzen bei den abzugsfähigen Mehrwertsteuerbeträgen in den Mitgliedstaaten kommen. Außerdem gibt es keine gemeinsamen Vorschriften für die Einschränkung des Rechts auf Vorsteuerabzug gemäß Artikel 176 bei den Ausgaben, die keinen streng geschäftlichen Charakter haben.

3.5.2. Auswirkung einer MwSt-Gruppe auf das Vorsteuerabzugsrecht

Eine der wichtigsten Auswirkungen der Bildung einer MwSt-Gruppe ist das „Verschwinden” der Umsätze zwischen den Gruppenmitgliedern im Hinblick auf die Mehrwertsteuer. Eine Mehrwertsteuergruppe, die nur aus Steuerpflichtigen mit vollem Abzugsrecht besteht, wirkt sich auf das Steueraufkommen des Mitgliedstaats, in dessen Gebiet die MwSt-Gruppe tätig ist, neutral aus.

Besteht eine MwSt-Gruppe aber auch aus Steuerpflichtigen, die kein Recht auf Vorsteuerabzug oder nur ein Recht auf teilweisen Vorsteuerabzug haben, ist die Auswirkung auf das Steueraufkommen möglicherweise nicht länger neutral. Die nichtabzugsfähige Mehrwertsteuer auf mehrwertsteuerbare Umsätze, die ein Gruppenmitglied zugunsten eines anderen Mitglieds bewirkt, das kein Vorsteuerabzugsrecht oder nur ein Recht auf teilweisen Vorsteuerabzug hat, geht dem Fiskus letztendlich verloren, da interne Umsätze für Zwecke der Mehrwertsteuer nicht vorhanden sind. In dieser Hinsicht neutralisiert die MwSt-Gruppe Mehrwertsteuerkosten für gruppeninterne Umsätze.

Das wiederum bedeutet, dass eine Regelung für MwSt-Gruppen finanzielle Vorteile für MwSt-Gruppen mit sich bringen kann, denen Mitglieder angehören, die kein Vorsteuerabzugsrecht oder nur ein Recht auf teilweisen Vorsteuerabzug haben. Diese Vorteile können je nach den von den Mitgliedstaaten beschlossenen Durchführungsmodalitäten, insbesondere was die Vorschriften für das Abzugsrecht betrifft, variieren.

Nach Ansicht der Kommission müssen die Mitgliedstaaten unbedingt die korrekte und uneingeschränkte Anwendung der Gemeinschaftsvorschriften für die Wahrnehmung des Rechts auf Vorsteuerabzug der MwSt-Gruppen sicherstellen.

3.5.3. Notwendigkeit von Maßnahmen gegen Steuerumgehung

Artikel 11 Absatz 2 erlaubt es den Mitgliedstaaten, alle erforderlichen Maßnahmen zu treffen, um Steuerhinterziehungen oder -umgehungen vorzubeugen.

In seinem Urteil in der Rechtssache Halifax[18] hat der Gerichtshof außerdem klargestellt, dass die Mitgliedstaten befugt sind, missbräuchliche Praktiken zu bekämpfen.

Die Kommission vertritt auf jeden Fall die Ansicht, dass aus der Umsetzung der Option der MwSt-Gruppe keine ungerechtfertigten Vorteile und keine ungerechtfertigter Schaden erwachsen dürfen.

In Anbetracht der ursprünglichen Ziele der Option der MwSt-Gruppe, die in erster Linie als Vereinfachung zu sehen ist, sollte keine auf dieser Option basierende Regelung den Wettbewerb verzerren oder den Grundsatz der Steuerneutralität verletzen. Es muss vermieden werden, dass die Option benutzt wird, um Unternehmen in bestimmte Mitgliedstaaten zu locken und damit einen Steuerwettbewerb auszulösen.

Daher ist es von größter Bedeutung, dass die Mitgliedstaaten bei der Nutzung dieser Option alle erforderlichen Maßnahmen ergreifen, um Steuerhinterziehung und -umgehung und missbräuchliche Praktiken zu vermeiden, die aufgrund der Nutzung ihrer nationalen Regelung für MwSt-Gruppen wirksam werden. Aus der Umsetzung der Option der MwSt-Gruppe dürfen keine ungerechtfertigten Vorteile und kein ungerechtfertigter Schaden erwachsen.

4. SCHLUSS

Die Kommission ersucht den Rat und das Europäische Parlament, ihre in dieser Mitteilung dargelegte Position zu den Regelungen für MwSt-Gruppen zur Kenntnis zu nehmen, die

- zu einer einheitlicheren Anwendung von Artikel 11 der Mehrwertsteuerrichtlinie beitragen und damit negative Auswirkungen auf den Binnenmarkt und Widersprüche zu den Grundprinzipien des gemeinschaftlichen Mehrwertsteuersystems vermeiden sollen;

- als Leitlinien für die Mitgliedstaaten bei der Einführung von Regelungen für MwSt-Gruppen in ihr nationales Recht oder bei der Änderung solcher Regelungen dienen soll.

Diese Mitteilung berührt nicht die Rolle der Kommission als Hüterin der Verträge gemäß Artikel 211 EG-Vertrag.

[1] Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem (ABl. L 347 vom 11.12.2006, S. 1). Zuletzt geändert durch die Richtlinie 2008/8/EG (ABl. L 44 vom 20.2.2008, S. 11).

[2] Österreich, Belgien, die Tschechische Republik, Zypern, Dänemark, Estland, Finnland, Deutschland, Ungarn, Irland, die Niederlande, Rumänien, Spanien, Schweden und das Vereinigte Königreich. Die Slowakei wird die Möglichkeit einer umsatzsteuerlichen Gruppe im Juli 2009 einführen.

[3] Sechste Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145 vom 13.6.1977, S. 1).

[4] Vorschlag für eine Sechste Richtlinie des Rates zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern - Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (KOM (73) 950 vom 20.6.1973).

[5] Richtlinie 2006/69/EG des Rates vom 24. Juli 2006 zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Bekämpfung der Steuerhinterziehung oder -umgehung, zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer sowie zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen (ABl. L 221 vom 12.8.2006, S. 9).

[6] Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 77/388/EWG hinsichtlich bestimmter Maßnahmen zur Vereinfachung der Erhebung der Mehrwertsteuer, zur Unterstützung der Bekämpfung der Steuerhinterziehung und -umgehung und zur Aufhebung bestimmter Entscheidungen über die Genehmigung von Ausnahmeregelungen (KOM (2005) 89 endg. vom 16.3.2005).

[7] Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (KOM(2007) 747 endg./2 vom 20.2.2008) und Vorschlag für eine Verordnung des Rates zur Festlegung von Durchführungsbestimmungen zur Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem hinsichtlich der Behandlung von Versicherungs- und Finanzdienstleistungen (KOM(2007)746 endg./2 vom 20.2.2008).

[8] Siehe dazu das Urteil des Europäischen Gerichtshofes in der Rechtssache C-162/07, Ampliscientifica, Randnr. 18 (ABl. C 171 vom 5.7.2008, S. 8).

[9] Rechtssache C-162/07, Ampliscientifica, Randnummer 19.

[10] Rechtssache C-162/07, Ampliscientifica, Randnummer 20.

[11] Die englische Fassung enthält den Begriff 'persons', die französische Fassung 'les personnes', die deutsche Fassung 'ansässige Personen'.

[12] Rechtssache C-255/02, Halifax, Randnummer 55 (ABl. C 131 vom 3.6.2006, S. 1).

[13] Rechtssache C-186/89 W.M. van Tiem, Randnummer 25 (Europäischer Gerichtshof, Sammlung 1990 Seite I-04363).

[14] Rechtssache C-162/07, Ampliscientifica, Randnummer 19.

[15] Schlussantrag des Generalanwalts vom 24. April 1991, Rechtssache C-60/90, Polysar Investments Netherlands BV, Randnummern 8 und 9. In dem Schlussantrag wurden einige Gründe dafür genannt, warum nur Mehrwertsteuerpflichtige als Mitglieder einer MwSt-Gruppe zugelassen sein sollten. In dem Antrag ist insbesondere ausgeführt, dass Artikel 4 Absatz 4 Unterabsatz 2 der Sechsten Mehrwertsteuerrichtlinie nicht bezweckt, die Voraussetzungen der Steuerpflicht gemäß Artikel 4 Absatz 1 zu ändern. Die Schlussfolgerung lautete daher, dass Artikel 4 Absatz 4 es einem Mitgliedstaat nicht erlaubt, zwei eng miteinander verbundene Einheiten als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, wenn festgestellt wurde, dass eine der Einheiten keine „wirtschaftlichen Tätigkeiten” im Hinblick auf die Mehrwertsteuer ausübt.

[16] Rechtssache C-210/04, FCE-Bank (ABl. C vom 3.6.2006, S. 14).

[17] Rechtssache C-162/07, Ampliscientifica, Randnummer 19.

[18] Rechtssache C-255/02.

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