52008DC0321

Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen - Steigende Lebensmittelpreise – Ansätze der EU zur Bewältigung des Problems /* KOM/2008/0321 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 20.5.2008

KOM(2008) 321 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT, DEN RAT, DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS UND DEN AUSSCHUSS DER REGIONEN

Steigende Lebensmittelpreise – Ansätze der EU zur Bewältigung des Problems

INHALTSVERZEICHNIS

1. Hintergrund 3

2. Ein plötzlicher und steiler Preisanstieg bei zahlreichen Agrarrohstoffen 3

3. Temporäre und strukturelle Ursachen der hohen Lebensmittelpreise 4

4. Mittelfristige Perspektiven 6

5. Die Auswirkungen innerhalb der EU 7

6. Weltweite Folgen 8

7. Elemente einer Antwort der EU 10

8. Schlussfolgerungen 14

HINTERGRUND

Dreißig Jahre lang sind die Lebensmittelpreise sowohl in Europa als auch weltweit real gesunken. Mit dem plötzlichen und steilen Anstieg der Weltmarktpreise für Agrarrohstoffe in den vergangenen Monaten hat sich diese Entwicklung umgekehrt.

Von dem Preisanstieg waren mehrere Rohstoffe gleichzeitig betroffen: Getreide, Fleisch und Milchprodukte verzeichneten zwei- oder sogar dreistellige Preiszuwachsraten in weniger als einem Jahr. Der umfassende und jähe Preisanstieg hat weltweit zu makroökonomischen Ungleichgewichten geführt. Die Entwicklungsländer und die ärmsten Bevölkerungsschichten sind unverhältnismäßig stark betroffen. Millionen Menschen, die am Rande der Armut leben, sind von Hunger und Unterernährung bedroht.

Innerhalb der Union erreichte die Lebensmittelpreisinflation im März 2008 7 %. Für die Europäer fällt der Anstieg der Lebensmittelpreise mit dem der Energiepreise zusammen und ist daher schwer zu verkraften. Die Kaufkraft der Haushalte schwindet dahin; am stärksten betroffen sind die 16 % der Europäer, die unterhalb der Armutsgrenze leben.

Ein plötzlicher und steiler Preisanstieg bei zahlreichen Agrarrohstoffen

Nach 30 Jahren real sinkender Agrarpreise setzte 2006 mit dem kontinuierlichen Preisanstieg bei mehreren Rohstoffen eine Gegenentwicklung ein, die im zweiten Halbjahr 2007 dramatische Ausmaße annahm und in den ersten Monaten 2008 ihren Höhepunkt erreichte.

Von dem steilen Preisanstieg waren zahlreiche Rohstoffe gleichzeitig betroffen. Zwischen September 2006 und Februar 2008 stiegen die Preise für Agrarrohstoffe am Weltmarkt um 70 % in USD. Besonders hoch war der Preisanstieg bei Weizen, Mais, Reis und Milchprodukten[1]. Bei den Weltmarkt-Referenzpreisen Anfang Februar 2008 verglichen mit denen vom Februar 2007 sah die Entwicklung folgendermaßen aus: + 113 % bei US-Weizen gegenüber + 93 % bei EU-Weizen; + 83 % bei US-Sojabohnen; + 52 % bei Thai-Reis, + 24 % bei US-Mais. Ende April lag der Referenzpreis für Reis (der von Thailand festgelegte Exportpreis) bei über 1000 USD pro Tonne; damit hat er sich seit Februar verdoppelt. Auch die Preise für Fleisch (z.B. Geflügel) und pflanzliches Öl sind stark angestiegen. Zwischen September 2006 und Februar 2008 verzeichneten in Europa die Preise für Weizen einen Anstieg um 96 % und die für Milchprodukte eine Zunahme um 30 %.

Unlängst wurde eine rückläufige Entwicklung festgestellt , die durch fallende Preise für Getreide und Milchprodukte ausgelöst worden war. Verglichen mit den jüngsten Preisspitzen ist der Weizenpreis in der EU um 25 % und der Butterpreis um 35 % zurückgegangen. Der Reispreis steigt weiter an, was unter anderem darauf zurückzuführen ist, dass große Reisanbauländer wie Vietnam, Thailand, Indien und China Exportbeschränkungen auferlegt haben, um den heimischen Bedarf zu decken. Angesichts der volatilen und widersprüchlichen Entwicklung an den Märkten sind die Preisbewegungen in den kommenden Monaten aufmerksam zu beobachten.

Temporäre und strukturelle Ursachen der hohen Lebensmittelpreise

Die beobachteten Preisbewegungen sind auf eine komplexe Kombination struktureller und eher temporärer Faktoren zurückzuführen. Während Einigkeit darüber herrscht, welche Faktoren für die Preisanstiege ursächlich sind, gehen die Meinungen in Bezug auf ihre jeweilige Gewichtung auseinander. Hinzu kommt, dass das Ausmaß, in dem diese Faktoren zum Preisanstieg beitragen, von Rohstoff zu Rohstoff und von Region zu Region variiert. Der Preisanstieg für Weizen und Reis hat grundlegend andere Ursachen als der für Mais und Soja. Während bei ersteren die Verknappung der Rohstoffe eine entscheidende Rolle gespielt hat, war bei letzteren der Nachfrageanstieg maßgeblich. Die Verknappung des Angebots scheint größere Preisbewegungen ausgelöst zu haben als der Nachfrageanstieg.

Zu den strukturellen Auslösern der Marktveränderungen der vergangenen Jahre zählt eine ständig ansteigende Nachfrage nach Grundnahrungsmitteln und höherwertiger Nahrung in den Schwellenländern (z.B. China, Brasilien, Indien) , die auf Rekordwachstumsraten, Verstädterung und veränderte Ernährungsgewohnheiten in diesen Ländern zurückzuführen ist (insbesondere in Bezug auf Fleisch: in China beispielsweise ist der jährliche Fleischkonsum pro Kopf von 20 kg im Jahr 1985 auf derzeit 50 kg angestiegen). Ganz allgemein hat auch das Wachstum der Weltbevölkerung, insbesondere in den Entwicklungsländern, zum Anstieg der Nahrungsmittelnachfrage beigetragen.

Die hohen Energiepreise wirken sich ebenfalls auf die Agrarpreise aus . Einigen Analysten zufolge beeinflussen steigende Energiepreise die Lebensmittelpreise starker als der Preis landwirtschaftlicher Rohstoffe. Er hat direkte Auswirkungen auf die Nahrungsmittelpreise, da er die Kosten der landwirtschaftlichen Betriebsmittel (z.B. Düngemittel, Pflanzenschutzmittel und Diesel) sowie die Verarbeitungs- und Transportkosten in die Höhe treibt. Der Preis für stickstoffhaltige Düngemittel ist seit 1999 um 350 % gestiegen. Hauptursache dieses Preisauftriebs sind die gestiegenen Kraftstoffpreise. Auch die Frachtkosten sind deutlich angestiegen. Mittelbar erhöht der rasche Anstieg der Rohölpreise auch die Nachfrage nach Biokraftstoffen, da sie zu einem wirtschaftlichen Ersatz für fossile Brennstoffe werden.

Des Weiteren hat die Erschließung alternativer Absatzmärkte, insbesondere des Biokraftstoffmarkts , die Nachfrage nach Agrarrohstoffen wachsen lassen. Allerdings zeigen die Analysen der Kommission, dass die derzeitige Biokraftstofferzeugung der EU nur geringfügige Auswirkungen auf die derzeitigen Weltmarktpreise für Lebensmittel hat, da für die Erzeugung von Biokraftstoff weniger als 1 % der EU-Getreideernte verwendet wird. Der Europäische Rat hat sich darauf geeinigt, dass Agrartreibstoffe bis 2020 10 % der Kraftstoffe im Transportsektor ausmachen sollen. Bei einer derart langen Vorlaufzeit sind Auswirkungen auf die derzeitigen Preise unwahrscheinlich, und die Nachhaltigkeitskriterien der Kommission werden etwaige künftige Folgen abschwächen. Demgegenüber sind die Auswirkungen der aktiven Politik der USA auf den Maismarkt nicht von der Hand zu weisen, wenn sie auch bislang nur relativ moderat zum Anstieg der Lebensmittelpreise im Allgemeinen beigetragen haben. Schätzungen zufolge verwenden die USA etwa 25 % ihrer heimischen Maisproduktion für die Herstellung von Bioethanol.

Einige strukturelle Faktoren wirken sich auch auf das Angebotspotenzial negativ aus. Dazu zählen die rückläufigen Erträge beim Nahrungsmittel Getreide , von denen insbesondere die europäischen Produzenten betroffen sind, die zum Teil aber auch das Ergebnis jahrelang unzureichender Investitionen in die Landwirtschaft der Entwicklungsländer sind.

Untersuchungen zu den Folgen des Klimawandels zeigen, dass bislang ungewöhnliche Witterungsverhältnisse zunehmen und möglicherweise Schwankungen in der Agrarproduktion aufgrund wetterbedingter Versorgungsausfälle auslösen werden.

Während strukturelle Faktoren für eine langfristige, aber allmähliche Verschiebung des Marktgleichgewichts ursächlich sind, werden die Richtung und das Tempo der Veränderungen, die die plötzlichen Preisanstiege ausgelöst haben, durch temporäre Faktoren verstärkt.

Widrige Witterungsverhältnisse haben in mehreren wichtigen Erzeuger- und Exportländern zu ungewöhnlich schlechten Ernten geführt. Australien beispielsweise hat in den vergangenen sechs Erntesaisons drei Dürreperioden erlebt, die im Jahr 2006 Produktionsrückgänge um 50 % zur Folge hatten. Die wetterbedingten Einbußen bei der Getreideernte in Nordamerika, Europa und Australien im Jahr 2006 betrugen mehr als 60 Millionen Tonnen. Das ist viermal mehr als der mengenmäßige Anstieg des Getreides, das in diesen Ländern für die Erzeugung von Ethanol verwendet wird. Aufgrund der historisch niedrigen internationalen Lagervorräte ist der Preisanstieg der Agrarrohstoffe nicht durch die Freigabe von Reserven abgefedert worden. Den Vorhersagen der FAO zufolge werden die weltweiten Getreidevorräte 2007/2008 auf den seit 25 Jahren niedrigsten Wert von 405 Millionen Tonnen fallen, d.h. 21 Millionen Tonnen oder 5% unter dem bereits niedrigeren Vorjahreswert. Die EU-Interventionsbestände sind aufgebraucht.

Die Entwicklung der internationalen Finanzmärkte hat ebenfalls zum Preisanstieg beigetragen . Seit der Krise der Finanzmärkte sind spekulative Investoren zunehmend an Finanzmärkten für Rohstoffe aktiv, um sich gegen Preisschwankungen abzusichern oder Liquiditätsüberschüsse zu verwenden. Diese Aktivitäten haben zu stärkeren Preisbewegungen und größerer Volatilität an den Futures- und Spot-Märkten für Rohstoffe geführt. Welchen Einfluss sie auf die langfristige Preisbildung haben werden, bleibt ungewiss.

- Auch die Abwertung des US-Dollars hat die Preise in die Höhe getrieben. Zu den unterschiedlich starken Auswirkungen der Preisanstiege sind Wechselkursschwankungen hinzugekommen. Während die negativen Auswirkungen für die Länder, deren Währungen an den Euro gebunden sind (die west- und zentralafrikanischen Länder der CFA-Franc-Zone), etwas weniger stark ausgeprägt sind, leiden die Länder, deren Währungen an Wert verlieren, außerordentlich unter dem derzeitigen Preisanstieg der Nahrungsmittel.

- Einige Exportländer haben mit einer restriktiven Ausfuhrpolitik auf den Preisanstieg reagiert . Indien hat ein Exportverbot verhängt, Vietnam und Thailand haben den Reisexport beschränkt, Indonesien hat eine Ausfuhrsteuer auf Palmöl eingeführt, Kasachstan hat ein Verbot für Weizenexporte verhängt. Mit den Exportverboten und Ausfuhrsteuern sollen die heimischen Märkte gegen Preisschocks und kurzfristige Nahrungsmittelengpässe geschützt werden. Allerdings verschärfen sie die Lage auf den internationalen Agrarmärkten insbesondere auf Kosten der Nahrungsmittel importierenden Entwicklungsländer. Mittelfristig gesehen sind derartige Restriktionen das falsche Marktsignal, da sie die Anreize für die Bauern verringern, in die Landwirtschaft zu investieren und die Produktion zu erhöhen; darüber hinaus tragen sie zu Ungleichgewichten auf den regionalen Märkten bei.

Die Auswirkungen der genannten Entwicklungen auf die Agrarpreise werden mittelfristig durch die mangelnde Elastizität von Angebot und Nachfrage nach Agrarerzeugnissen verstärkt. Die Agrarproduktion ist saisonal ausgerichtet, d.h., dass zwischen den Signalen des Marktes und der Reaktion der Produzenten ein gewisser Zeitraum liegt. In den vergangenen Jahren wurde unzureichend in die Landwirtschaft in den Entwicklungsländern investiert. Ein relativ geringer Anteil der weltweiten Produktion kommt auf die Weltagrarmärkte (heute werden 16 % der weltweiten Weizenproduktion, 8 % der Milchprodukte und 7 % des Reisanbaus gehandelt), wobei dieser zunehmend von einigen wenigen Exportländern stammt.

Mittelfristige Perspektiven

Die Agrarpreise unterliegen zyklischen Schwankungen. Im vergangenen Jahrhundert hat es zahlreiche Zeiten gegeben, in denen Preisspitzen erreicht wurden. Die wichtigste Frage ist, ob diesmal die nächste Anpassung nach unten ausreichen wird, um die Preiserhöhungen der Vergangenheit zunichte zu machen, oder ob wir uns auf ein langfristig höheres Preisniveau bei Agrarrohstoffen einstellen müssen

Allen Analysen zufolge sind die hohen Nahrungsmittelpreise kein vorübergehendes Phänomen. Wir werden uns mittelfristig auf diese Preise einstellen müssen , wenn sehr wahrscheinlich auch nicht auf die in jüngster Zeit erreichten Rekordhöhen. Für den jüngsten Preisanstieg bei den Rohstoffen wurden temporäre Faktoren, insbesondere wetterbedingte Ernteeinbußen, verantwortlich gemacht. Das würde bedeuten, dass die Rückkehr zu durchschnittlichen Ernteerträgen dazu beitragen wird, die angespannte Lage auf den Agrarmärkten zu entspannen und die Lebensmittelpreise abzusenken. In dem Maße jedoch, in dem einige dieser Ursachen strukturbedingt und damit dauerhaft sind, würde es ein beständiges Ungleichgewicht zwischen einem dynamischen Nachfrageanstieg und einem größeren Angebot geben.

Es ist folglich unwahrscheinlich, dass die Lebensmittelpreise kurz- bis mittelfristig wieder auf das Preisniveau von vor der Nahrungsmittelkrise zurückfallen werden . FAPRI und OECD prognostizieren, dass die durchschnittlichen Rohstoffpreise – selbst bei normalen Wetterbedingungen und normalen Ernten – mittelfristig nominal über denen der vergangenen zehn Jahre liegen werden. Sollte es kurzfristig zu einem Preisrückgang kommen, wird dieser nicht von Dauer sein.

Dank technischer Verbesserungen, höherer Erträge und größerer Anbaugebiete kann die steigende Nachfrage vielleicht befriedigt und die Preisinflation eingedämmt werden. Allerdings werden selbst bei beständig günstigen klimatischen Verhältnissen mehrere Faktoren das Tempo beeinflussen, in dem Produktion und Nachfrage ins Gleichgewicht gebracht werden können. Faktoren wie die Land- und Wasserverfügbarkeit, die Kosten der landwirtschaftlichen Betriebsmittel, technische Innovationen und Investitionen werden den Spielraum für Produktivitätszuwächse beschränken.

DIE AUSWIRKUNGEN INNERHALB DER EU

Die steigenden Rohstoffpreise haben zu einem Anstieg der Nahrungsmittelinflation und der Headline-Inflation in der EU beigetragen. Die Headline-Inflation in der EU ist von 1,9 % im August 2007 auf 3,8 % im März 2008 angestiegen. Im gleichen Zeitraum ist die Nahrungsmittelinflation (Alkohol und Tabakwaren ausgenommen) von 2,7 % auf 6,9 % und die Energieinflation von -0,6 % auf 10,9 % angestiegen

Allerdings wurden die Preisanstiege aus drei Gründen nicht voll auf die Verbraucherpreise übergewälzt : (i) aufgrund der Euro-Aufwertung; (ii) aufgrund des rückläufigen Anteils landwirtschaftlicher Rohstoffe an den Produktionskosten für Nahrungsmittel im Vergleich zu den Energie- und Arbeitskosten (hauptsächlich aufgrund verstärkter Verarbeitung) und (iii) aufgrund des geringen Anteils der Lebensmittelausgaben an den Haushaltsausgaben insgesamt (derzeit gibt ein Durchschnittshaushalt der EU-27 etwa 14 % seines Einkommens für Lebensmittel aus). Die Wettbewerbsstruktur der Lebensmittelkette, beispielsweise der Konzentrationsgrad im Lebensmitteleinzel- und -großhandel, hat unter Umständen auch dazu beigetragen, in welchem Ausmaß und Tempo der Preisanstieg der Rohstoffe an die Verbraucher in den einzelnen Mitgliedstaaten weitergegeben wurde.

Beim Grundnahrungsmittel Brot macht der Preis für den Rohstoff Weizen lediglich 5 % der gesamten Herstellungskosten aus; die größten Kostenfaktoren sind Arbeit, Energie und Kapital.

Die Inflation ist bei verarbeiteten Nahrungsmitteln (bei denen die Rohstoffpreise einen geringeren Anteil haben) höher als bei nicht verarbeiteten Nahrungsmitteln (z.B. Obst und Gemüse, aber auch Fleisch). In der EU ist die Inflation bei verarbeiteten Nahrungsmitteln (einschließlich diverser Kategorien wie "Brot und Getreide" und "Milch, Käse und Eier", aber ausgenommen Alkohol und Tabakwaren) von 2,3 % im Juli 2007 auf 9,4 % im März 2008 angestiegen. Die Inflation bei nicht verarbeiteten Nahrungsmitteln ist in diesem Zeitraum ebenfalls gestiegen: von 2,6 % im September 2007 auf 4,2 % im März 2008. Allerdings erfolgte dieser Anstieg phasenweise und in geringerem Ausmaß als bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln. Der Preisanstieg war bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln stärker als bei den unverarbeiteten Nahrungsmitteln, weil die bei den verarbeiteten Nahrungsmitteln verwendeten Rohstoffe anfällig für Preissteigerungen sind (der Nahrungsmittelkosten aber auch anderer Betriebsmittelkosten wie beispielsweise der Energiekosten), wohingegen die Preise nicht verarbeiteter Nahrungsmittel wie Gemüse, Obst und Fisch nicht gestiegen sind. Beim Fleisch ist dieser Umstand auf die Zeitspanne zwischen dem Anstieg der Futtermittelpreise aufgrund gestiegener Getreidepreise und den höheren Erzeugerpreisen zurückzuführen.

Einschlägigen Analysen zufolge sind die Lebensmittelausgaben in den EU-27-Staaten aufgrund des Preisanstiegs der Agrarerzeugnisse zwischen Februar 2007 und Februar 2008 durchschnittlich um 5 % gestiegen; das entspricht einem Kaufkraftverlust von 0,7 % für den EU-Durchschnittshaushalt .

Die Auswirkungen des Anstiegs der Lebensmittelpreise wurden in den Mitgliedstaaten und in den gesellschaftlichen Gruppen innerhalb der einzelnen Mitgliedstaaten unterschiedlich wahrgenommen. Dies ist auf die Unterschiede bei Marktstrukturen, Konsumgewohnheiten, Einkommensniveau und Haushaltsausgaben für Lebensmittel zurückzuführen. Während die Lebensmittelpreise in den EU-15-Staaten um 5 % - 7 % gestiegen sind, war der Preisanstieg in den neuen Mitgliedstaaten viel höher (21,8 % in Bulgarien und 17 % in Estland). Parallel dazu ist der Anteil der Ausgaben für Lebensmittel an den Haushaltsausgaben gestiegen. Dieser reicht von 9,06 % im Vereinigten Königreich bis zu 41,87 % in Rumänien. Zusätzlich geben die Haushalte, die zu den ärmsten 20 % zählen, einen viel höheren Anteil ihres Haushalts für Lebensmittel aus. Dieser Anteil beträgt beispielsweise in Rumänien 56,8 %, in Litauen 43,4 %, in Bulgarien 42 %, in Lettland 38,2 %, in der Slowakei 30,7 %, in Ungarn 27,2 %. In einigen Ländern mit einem höheren Einkommensniveau ist auch der Anteil, den die ärmsten Haushalte für Lebensmittel ausgeben, deutlich höher als der Anteil der Lebensmittelausgaben eines Durchschnittshaushalts (27 % in Italien, 23,8 % in Spanien, 19,9% in Slowenien, 20,2 % in Griechenland, 22,6 % in Zypern, 16,2% in Irland, 14 % in Deutschland).

Die steigenden Preise kommen den EU-Landwirten bestimmter Sektoren zugute – wenn auch in unterschiedlichem Ausmaß. Während die Getreidebauern sich über steigende Preise freuen, leiden die Tierhalter unter dem Anstieg der Futtermittelpreise. Auch die Milcherzeuger und Milchverarbeiter können aufgrund des derzeitigen Quotensystems nicht in vollem Umfang vom Anstieg des Weltmarktpreises für Molkereiprodukte profitieren.

Weltweite Folgen

Bei der Beurteilung der Folgen der höheren Lebensmittelpreise für die Entwicklungsländer ergibt sich kurz- wie langfristig ein gemischtes Bild. Von Gewalt begleitete Proteste in Lateinamerika, Afrika und Asien legen Zeugnis ab von den unmittelbaren und dramatischen Auswirkungen auf die ärmsten Bevölkerungsteile, die jahrelange Fortschritte in Richtung auf die Milleniums-Entwicklungsziele gefährden. Langfristig könnte der Preisanstieg dem ländlichen Raum in einigen Entwicklungsländern aus der Armut heraushelfen. Ein genauerer Blick auf die Folgen lässt jedoch große Schwankungen nicht nur von Land zu Land, sondern auch innerhalb einzelner Länder deutlich werden.

Am stärksten getroffen werden die Netto-Lebensmittelimporteure unter den Entwicklungsländern, d.h. fast sämtliche afrikanischen Länder, aber auch die Philippinen, Indonesien und China. Am verwundbarsten gegenüber Preiserhöhungen sind Länder, die auf Nahrungsmittelhilfe angewiesen sind und auch Energie einführen müssen. Laut FAO[2] werden die Aufwendungen der ärmsten Länder der Welt für Getreideeinfuhren 2007/2008 um 56 % zunehmen, nachdem sie schon 2006/07 um 37 % angestiegen waren. Für arme, von Nahrungsmitteleinfuhren abhängige Länder in Afrika wird mit einem Anstieg der Getreidekosten um 74 % gerechnet. Da die Nahrungsmittel im Warenkorb der Verbraucher in diesen Ländern den größten Posten ausmachen, würde die uneingeschränkte Weitergabe höherer Lebensmittelpreise zu mehr Inflation führen, was sich auf der makroökonomischen Ebene wegen der Straffung der Geldpolitik nachteilig auf Stabilität und/oder Wachstum auswirken könnte.

Die weltweiten Gewinner sind unter dem Strich die Nettoexporteure von Nahrungsmitteln. Grundsätzlich dürften die Nettoexporteure von den günstigeren Handelsbedingungen profitieren. Hohe Weltmarktpreise für Nahrungsmittelpflanzen kommen beispielsweise den USA (Weizen, Mais, Reis, Soja), Argentinien (Weizen, Mais, Reis, Soja), Brasilien (Mais, Reis, Soja), Kanada (Weizen, Raps), Paraguay (Mais, Soja), Uruguay (Mais, Reis, Soja), Russland (Weizen), Thailand (Reis, Maniok) und Vietnam (Reis) sowie Australien zugute. Einige dieser Länder haben jedoch Ausführbeschränkungen eingeführt, um die Nahrungsmittelpreise im Inland niedrig zu halten. Zu diesen Ländern zählen beispielsweise Argentinien, Ägypten, Indien, Pakistan, Kambodscha und die Ukraine. 20 weitere Länder haben ähnliche Ausfuhrbeschränkungen erlassen.

Es wird kaum bestritten, dass die weltweit Ärmsten im Saldo insbesondere kurzfristig unter Nachteilen leiden werden. Haushalte, die Nahrungsmittel netto verkaufen, können profitieren, während Haushalte, die Nahrungsmittel hinzukaufen müssen, leiden. Die Last der Preisinflation bei den Nahrungsmitteln tragen die Armen - in den Städten, aber auch auf dem Lande. In den ländlichen Gebieten der Entwicklungsländer müssen viele Haushalte Lebensmittel hinzukaufen (Kleinstbauern, Landarbeiter, Haushalte ohne eigene Landwirtschaft, alimentierte Haushalte ohne eigenen Landbesitz). Für diese Schichten überwiegen die nachteiligen Folgen. In Entwicklungsländern geben arme Haushalte im Durchschnitt 50-60 % ihres Einkommens für Lebensmittel und 10 % für Energie aus. Bei einem Haushalt in einem afrikanischen Land südlich der Sahara, der mit 5 USD am Tag seinen Lebensunterhalt bestreiten muss, entfallen 3 USD auf Lebensmittel, 0,5 USD auf Energie und 1,5 USD auf sonstige Ausgaben. Ein Anstieg der Lebensmittelpreise um 50 % hätte für eine solche Familie zur Folge, dass die täglichen Aufwendungen für sonstige Ausgaben um 1,5 USD verringert werden müssten. Kurzfristig haben die höheren Preise zwar noch nicht zu einer Verknappung des Nahrungsmittelangebots geführt, wohl aber zu mehr Armut, Unterernährung und erhöhter Anfälligkeit für weitere externe Schocks. Nach vorläufigen Schätzungen der Weltbank könnte der Anstieg der Lebensmittelpreise rund 100 Millionen Menschen tiefer in die Armut treiben.

Mittel- bis langfristig bieten die steigenden Preise Bauern neue Erwerbschancen und könnten den Beitrag der Landwirtschaft zum Wirtschaftswachstum stärken. Hohe Preise für landwirtschaftliche Erzeugnisse bieten Anreize für öffentliche und private Investitionen und Programme zur Verbesserung der Produktivität und der Infrastruktur, zur Ausweitung der Anbauflächen und zur Stärkung der Effizienz der Agrarmärkte. Das könnte sich auf die gesamte Wirtschaft positiv auswirken, die Nachfrage nach Arbeitskräften und das Lohnniveau in ländlichen Gebieten erhöhen, der Abwanderung in die Städte Einhalt gebieten, die Armut verringern und zur Ernährungssicherheit beitragen. Allerdings kann diese Anpassung durch eine Reihe Faktoren verlangsamt werden. In mehreren Ländern verringern staatliche Interventionen in unterschiedlicher Gestalt die Anreize für die Erzeuger, zu investieren und ihre Produktion zu erhöhen. Hinzu kommen der geographische Standort von Märkten, ihre Organisation, der Mangel an Information, die Macht einiger Zwischenhändler in der Agrolebensmittelkette, Schwierigkeiten beim Zugang zu Saatgut, Düngemitteln und Darlehen sowie das bisherige niedrige Investitionsniveau in der ländlichen Infrastruktur. Alle diese Faktoren schaden kleinen ländlichen Produzenten. Anpassungen in der ländlichen Wirtschaft, die neue Möglichkeiten eröffnen können, werden einige Zeit brauchen, bis sie bei den Armen ankommen und die landwirtschaftliche Erzeugung beleben.

Elemente einer Antwort der EU

Auf EU-Ebene können sich politische Maßnahmen auf 3 Ebenen gegenseitig ergänzen:

1. Maßnahmen zur kurzfristigen Milderung der Folgen des Preisschocks,

2. Maßnahmen zur längerfristigen Verbesserung des Angebots an landwirtschaftlichen Erzeugnissen und zur Sicherung der Lebensmittelversorgung,

3. Mitwirkung an den globalen Bemühungen zur Abfederung der Folgen des Preisanstiegs für arme Bevölkerungsgruppen.

a) Maßnahmen zur kurz- und mittelfristigen Milderung der Folgen des Preisanstiegs

(1) Überwachung der Preisentwicklung. Angesichts der Volatilität und Komplexität der derzeitigen Preistrends wird die Kommission die Entwicklung der Preise für Lebensmittel in der EU und international genau beobachten und zu Jahresende über die Entwicklung der Lage berichten.

(2) Anpassung der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP). Jüngst wurden eine Reihe von Anpassungen in der Steuerung der GAP beschlossen, um die Folgen der Preiserhöhungen zu mildern. Interventionsbestände wurden verkauft. Darüber hinaus wurden drei Maßnahmen ergriffen, mit denen direkt auf das außergewöhnlich hohe Preisniveau auf den Getreidemärkten reagiert werden soll: Zum ersten hat der Rat im September 2007 beschlossen, den Satz für die obligatorische Stilllegung landwirtschaftlicher Nutzfläche für die Aussaat 2008 von 10 % auf 0 % herabzusetzen. Am 20. Dezember 2007 hat der Rat überdies einstimmig entschieden, die Einfuhrzölle auf bestimmte Getreidesorten für das laufende Vermarktungsjahr zeitweilig auszusetzen (obwohl diese Maßnahme aufgrund der niedrigen tatsächlichen Zölle nur geringe Auswirkungen haben dürfte), und beschlossen, die Milchquoten ab 2008 um 2 % zu erhöhen.

Generell haben die nichtproduktionsbezogene Einkommensstützung und die Reform einzelner Marktorganisationen bereits dafür gesorgt, dass die Bauern eher auf Marktsignale reagieren. Mehrere Maßnahmen des parallel zu dieser Mitteilung angenommenen Pakets zum GAP-Gesundheitscheck wie die Abschaffung der obligatorischen Flächenstilllegung sowie das schrittweise Anheben der Milchquoten mit dem Ziel ihrer Abschaffung im Jahr 2015 weisen in diese Richtung und sollten dazu beitragen, die Lage auf einigen besonders kritischen Märkten zu entspannen.

(3) Maßnahmen zugunsten besonders Bedürftiger. Die Kommission wird ein überarbeitetes Programm zur Gewährleistung der Ernährungssicherheit für Bedürftige vorlegen. In Ausführung des derzeitigen, 1987 begonnenen Programms wurde jährlich Nahrungsmittelhilfe im Wert von 300 Mio. EUR an 13 Millionen Empfänger in 19 Mitgliedstaaten verteilt.

(4) Untersuchung der Lebensmittel-Versorgungskette. Die Kommission wird eine Arbeitsgruppe einrichten, die die Funktionsweise der Lebensmittel-Versorgungskette und u.a. die Konzentration und Segmentierung im Einzelhandel und im Vertriebssektor in der EU untersuchen und bis Ende 2008 einen ersten Bericht erstellen soll. Die Ergebnisse werden u.a. in die Überwachung des Einzelhandelssektors im Zuge der Binnenmarkt-Überprüfung einfließen. Darüber hinaus wird die Kommission auch mit den nationalen Wettbewerbsbehörden diese Problematik aufgreifen und ermuntert die Mitgliedstaaten, die eine restriktive Regulierung des Einzelhandels reformieren oder reformieren wollen, zu einer Fortsetzung ihrer Bemühungen.

(5) Vermeidung von Maßnahmen, die verzerrend wirken. Angesichts der erheblichen Folgen des Preisanstiegs bei den Lebensmitteln für Haushalte mit geringem Einkommen wird in vielen Mitgliedstaaten diskutiert, wie diese Folgen – zeitweise – abgefedert werden können. Gezielte Maßnahmen zur Entlastung ärmerer Schichten von den Folgen höherer Lebensmittelpreise sollten nicht verzerrend wirken. Die Kommission wird auch diese Entwicklungen aufmerksam verfolgen.

(6) Analyse spekulativer Investitionen. Die Kommission wird die spekulative Anlagetätigkeit auf Rohstoff-Finanzmärkten und ihre Konsequenzen für die Preisentwicklung aufmerksam beobachten.

b) Maßnahmen zur längerfristigen Verbesserung der landwirtschaftlichen Versorgung

(1) Größere Nachhaltigkeit der EU-Politik in Bezug auf Biokraftstoffe. Es muss weiter analysiert werden, wie das vereinbarte EU-Ziel (10 % Biokraftstoffe im Verkehrssektor bis 2020) die Marktpreise in der Landwirtschaft und die Landnutzung beeinflusst. Simulationen zeigen jedoch, dass die Anhebung des Biokraftstoffanteils von 1 % im Jahr 2005 auf 10 % im Jahr 2020 zusätzliche 30 Millionen Tonnen an Einsatzmaterial erfordert. Berücksichtigt man auch Abfallprodukte, bedeutet dies einen Anstieg von 4 Millionen Tonnen jährlich über einen Zeitraum von 15 Jahren. Das könnte bis 2020 zu einem Anstieg der Preise für Getreide von rund 3-6 %, für Raps um rund 8-10 % und Sonnenblumenkerne um 15 % gegenüber 2006 führen, unter der Voraussetzung, dass 30 % des Angebots auf Biokraftstoffe der zweiten Generation entfallen. Diese Folgen werden jedoch durch die von der EU geförderte zunehmende Verwendung von Biokraftstoffen der zweiten Generation abgefedert. Diese Kraftstoffe werden aus anderen Ausgangsmaterialien als Lebensmittel-Saatgut gewonnen, beispielsweise aus spezifischem Energiesaatgut, aber auch aus wiederverwertetem Pflanzenöl, Tierfett, Abfallprodukten der Wald- und Forstwirtschaft, Abfall und Gräsern.

(2) Förderung nachhaltiger Produktion von Biokraftstoffen auf internationaler Ebene. Die EU-Politik in diesem Bereich wird zunehmend als Teil des weltweiten Trends zur Biokraftstoffproduktion aufgefasst. Eine vorausgreifende Biokraftstoff-Politik betreiben insbesondere die USA, aber auch Brasilien, Indien, China und andere Länder. Legt man die aktuelle Entwicklung zugrunde, dürfte der Bioethanol-Anteil an der 2004 für den Getreideanbau verwendeten Fläche 2016 43 % betragen. In einigen Untersuchungen wird die Gefahr betont, dass die Nachfrage nach Biokraftstoffen nicht durch Ausnutzung des reichen Spielraums für Produktivitätssteigerungen gedeckt würde, sondern durch Verdrängung des Nahrungsmittelanbaus. Um einer ähnlichen Entwicklung in der EU vorzubeugen, nimmt ein Nachhaltigkeitsprogramm für Biokraftstoffe im Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über erneuerbare Energien einen zentralen Rang ein. Dort werden die Treibhausgas-Auswirkungen, die Artenvielfalt und die Konsequenzen für die Landnutzung berücksichtigt. Außerdem ist eine regelmäßige Kontrolle und Berichterstattung über zahlreiche wirtschaftliche, soziale und umweltpolitische Auswirkungen einschließlich positiver und negativer Folgen für die Ernährungssicherheit vorgesehen. Das vorgeschlagene Programm soll sowohl für in der EU produzierte wie für eingeführte Biokraftstoffe gelten und steht in vollem Einklang mit den internationalen Handelsregeln. Indem sie die Akzeptanz ähnlicher Nachhaltigkeitskriterien durch Verbraucher und Produzenten außerhalb der EU unterstützt und die Entwicklung von Biokraftstoffen der zweiten und dritten Generation weltweit fördert, kann die EU einen bedeutsamen Beitrag zur künftigen Entwicklung der Biokraftstoffe leisten.

(3) Stärkung der Agrarforschung und Wissensbildung zur Förderung eines nachhaltigen Produktivitätswachstums in Europa und den Entwicklungsländern, beispielsweise durch neue Getreidesorten und verbesserte Anbausysteme mit höheren und stabileren Erträgen, effizientere Wassernutzung, größere Krankheits- und Umweltresistenz und geringeren Bedarf an Pestiziden. Die Kommission wird die Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten weiterhin unterstützen und mittels des 7. Rahmenprogramms Gelegenheiten zu Forschungskooperationen zwischen Europa und den Entwicklungsländern eröffnen. Sie wird ferner die Unterstützung des internationalen Agrarforschungssystems (und insbesondere der Beratungsgruppe für internationale Agrarforschung), die sich momentan auf 32,5 Mio. EUR beläuft, fortsetzen und ab 2008 auf durchschnittlich 63 Mio. EUR jährlich für die nächsten 3 Jahre nahezu verdoppeln.

(4) Beibehaltung einer offenen, aber wachsamen Politik gegenüber gentechnisch veränderten Organismen. Der GVO-Anbau breitet sich in Drittländern unverändert aus, und die Nachfrage nach Sojabohnen und –mehl wächst auch in der EU, wo die Tierhaltung in hohem Maße auf die Einfuhr von Pflanzeneiweißen (vor allem Sojabohnen und Derivate) angewiesen ist. In Europa werden GVO für die Futter- und für die Biokraftstoffproduktion nur in geringem Umfang angebaut, während der Anbau in der übrigen Welt rasch expandiert. Gemäß dem Rechtsrahmen der EU ist für GVO eine Vorabzulassung vor dem Inverkehrbringen auf der Grundlage wirksamer, wissenschaftlich fundierter Zulassungsnormen erforderlich - also ein relativ strenges Genehmigungsverfahren. Die Kommission wird diese Rechtsvorschriften weiterhin anwenden und Zulassungsanträge gemäß den in den einschlägigen Vorschriften festgelegten Verfahren bearbeiten und dabei den gegenwärtigen Umstanden entsprechend Futtermitteleinfuhren besondere Aufmerksamkeit zuteil werden lassen.

(c) Initiativen zur Bewältigung der Folgen auf internationaler Ebene

(1) Kontinuierlicher Einsatz der EU für eine offene Handelspolitik und Bemühung um einen frühen Abschluss der Doha-Entwicklungsagenda. Den Entwicklungsländern böte die Doha-Runde beträchtliche potenzielle Vorteile in Form neuer Marktchancen, die zusätzliche Exporterlöse nach sich ziehen, die landwirtschaftliche Erzeugung stimulieren, die Verfügbarkeit von Lebensmitteln verbessern und damit die Nahrungsmittelmärkte entlasten könnten. Die EU hat bereits von sich aus den am wenigsten entwickelten Ländern einen zoll- und quotenfreien Zugang zu ihren Märkten gewährt. Dieser Zugang wird jetzt im Zuge der Wirtschaftspartnerschaftsabkommen auch auf die AKP-Länder ausgeweitet. Die Frage der nachteiligen Auswirkungen von Ausfuhrbeschränkungen sollte jetzt in den einschlägigen WTO- und sonstigen internationalen Gremien aufgeworfen werden.

(2) Bereitschaft zur Einhaltung der eingegangenen humanitären Verpflichtungen und Aufstockung des Beitrags zu den weltweiten Bemühungen um die Bewältigung der Folgen der Krise für die ärmsten Bevölkerungen . Große internationale Organisationen (Welternährungsprogramm, FAO, Weltbank, IWF) warnen vor einer drohenden humanitären Krise, die nicht etwa durch einen weltweiten Lebensmittelmangel ausgelöst werden könnte, sondern durch eine Verschlechterung des Zugangs der besonders gefährdeten Bevölkerungsgruppen zu Lebensmitteln. Die Folgen des Preisanstiegs auf die Nahrungsmittelhilfen wurden nur zum Teil durch Mittelaufstockungen seitens der Geberländer aufgefangen. Das Welternährungsprogramm hat einen zusätzlichen Finanzbedarf von etwa 750 Mio. USD angemeldet, um die für 2008 vorgesehenen humanitären und Entwicklungsaufgaben aufrechterhalten zu können; dieser Bedarf wurde bisher erst zum Teil gedeckt. Andere Einrichtungen der Vereinten Nationen und des Roten Kreuzes sowie Nichtregierungsorganisationen sind in ähnlicher Weise von höheren Betriebskosten betroffen. Die Kluft zwischen den verfügbaren Ressourcen und den immer kostspieligeren Einsätzen dürfte weiter wachsen. Die Kommission hat 2008 bislang 333 Mio. EUR für kurzfristige Hilfen aufgebracht. Sie wird die Entwicklung des Bedarfs an humanitärer Hilfe aufmerksam beobachten und prüft, wie zusätzliche Mittel für die laufenden und geplanten Initiativen der internationalen Organisationen aufgebracht werden können und unvorhergesehener humanitärer Bedarf in den Jahren 2008 bis 2010 gedeckt werden kann.

(3) Unterstützung mittel- und längerfristiger struktureller Gegenmaßnahmen durch die Entwicklungspolitik der EU. Längerfristig kann eine angebotsseitige Gegenreaktion in den Entwicklungsländern nur durch eine Intensivierung der Politik und der Investitionen für ländliche Entwicklung, Ernährungssicherheit und Landwirtschaft herbeigeführt werden. Die EU-Programme zur Entwicklungszusammenarbeit werden diesen Ansatz unterstützen. Ländliche Entwicklung, Landwirtschaft und/oder Ernährungssicherheit wurden bereits von einer zunehmenden Zahl afrikanischer Länder (22) als Kernbereiche für eine Förderung aus dem 10. Europäischen Entwicklungsfonds (2008-2013) ausgewählt. Die Förderung aus Gemeinschaftsmitteln dürfte sich in den nächsten fünf Jahren auf etwa 3,5 Milliarden EUR belaufen. Mit dem thematischen Programm zur Ernährungssicherheit werden Maßnahmen auf globaler, kontinentaler und regionaler Ebene zur Verbesserung der Ernährungssicherheit der ärmsten Bevölkerungen gefördert. Dabei ist die Kohärenz, Komplementarität und Kontinuität der Gemeinschaftsmaßnahmen insbesondere beim Übergang von der Not- zur Entwicklungshilfe gewährleistet. Die Entwicklungszusammenarbeit könnte dabei zweierlei Leitlinien folgen: zum einen die Förderung von Sicherheitsnetzen einschließlich eines direkten Mitteltransfers zum sozialen Schutz der armen (Stadt- und Land-)Bevölkerung, damit diese die Preisschocks und die anhaltend hohen Preise bewältigen können, und zum anderen die Höherstufung der Landwirtschaft in der Prioritätenrangliste der Entwicklungsprogramme, mit Maßnahmen zur Förderung von Produktivitätssteigerungen insbesondere bei Kleinbauern. Die Unterstützung einer angebotsseitigen Reaktion in den Entwicklungsländern selbst erfordert Investitionen in die Rahmenbedingungen, insbesondere in die ländliche Infrastruktur, und Reformen in Landwirtschaftspolitik, staatlichen Organen und Flächennutzungsvorschriften. Auch mehr Investitionen in die Agrarforschungsprogramme tragen entscheidend zur Steigerung der Produktivität der Landwirtschaft und zur mittelfristigen Gewährleistung der Ernährungssicherheit bei.

(4) Abgestimmter Beitrag der EU zu den internationalen Maßnahmen. Die EU unterstützt die jüngsten Initiativen unter Schirmherrschaft der VN uneingeschränkt und setzt sich für weitere Bemühungen um eine wirksame multilaterale Reaktion ein, bei der Überschneidungen vermieden, maximale Effizienz gewährleistet und künftige Entwicklungen antizipiert werden. Eine Abstimmung zwischen EU und Mitgliedstaaten ist erforderlich, um Komplementarität und Arbeitsteilung zu gewährleisten.

(5) Sollte der Anstieg der Lebensmittel- und Rohstoffpreise langfristig Bestand haben, kann dies die Sicherheitslage in der Welt und in der EU beeinflussen , wobei Konflikte über knappe Ressourcen und zunehmende Migration nicht auszuschließen sind. Diese Problematik sollte daher bei der laufenden Neubewertung der Europäischen Sicherheitsstrategie von 2003 berücksichtigt werden.

SCHLUSSFOLGERUNGEN

Die Europäische Kommission wird die Entwicklung der Lage und die Ursachen für den Anstieg der Lebensmittelpreise weiter beobachten und fordert den Europäischen Rat auf, die in dieser Mitteilung unterbreiteten Vorschläge zu befürworten und zur Grundlage eines kohärenten Vorgehens innerhalb der EU und auf internationaler Ebene zu machen.

[1] Bei einigen Rohstoffen wie Zucker gingen die Preise kontinuierlich zurück.

[2] FAO, Crop prospects and food situation, Nr. 2, April 2008.