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Document 52006DC0823

Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Europäische Parlament und an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - Koordinierung der Regelungen der Mitgliedstaaten zu den direkten Steuern im Binnenmarkt

/* KOM/2006/0823 endg. */

52006DC0823

Mitteilung der Kommission an den Rat, an das Europäische Parlament und an den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss - Koordinierung der Regelungen der Mitgliedstaaten zu den direkten Steuern im Binnenmarkt /* KOM/2006/0823 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, 19.12.2006

KOM(2006) 823 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT , AN DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND AN DEN EUROPÄISCHEN WIRTSCHAFTS- UND SOZIALAUSSCHUSS

Koordinierung der Regelungen der Mitgliedstaaten zu den direkten Steuern im Binnenmarkt

INHALT

1. Einleitung 3

2. Grundsätze für die Koordinierung von Steuerregelungen 5

2.1. Die wichtigsten Grundsätze 5

2.2. Beseitigung von Diskriminierung und Doppelbesteuerung 5

2.3. Verhinderung von Nichtbesteuerung und Missbrauch 6

2.4. Senkung der Befolgungskosten und Vereinfachung der Verfahren 7

3. Koordinierte Lösungen 7

4. Fazit 9

EINLEITUNG

Die Mitgliedsstaaten werden mit neuen Herausforderungen konfrontiert. Wichtigstes Ziel einzelstaatlicher Steuerregelungen ist die Bereitstellung ausreichender Einnahmen zur Finanzierung öffentlicher Ausgaben. Die Wettbewerbsfähigkeit der Steuersysteme wird durch die fortschreitende Globalisierung von gewerblichen und privaten Aktivitäten unter Druck gesetzt. Beim derzeitigen Stand des Gemeinschaftsrechts steht es den Mitgliedstaaten weitgehend frei, wie sie ihre Steuersysteme gestalten wollen, um ihre Ziele zu erreichen und den entsprechenden Finanzbedarf zu decken. Die Wechselwirkung verschiedener Steuersysteme stellt jedoch eine Herausforderung für den Binnenmarkt dar. Steuersysteme stellen ebenfalls das demokratisch ausgübte Grundrecht dar, wie dieses Aufkommen gerecht erhoben wird und wie Einnahmen verteilt werden. Nationale Steuervorschriften, die jedoch ausschließlich oder vorrangig auf die innerstaatliche Lage abstellen, können zu uneinheitlicher steuerlicher Behandlung führen, wenn sie in einem grenzüberschreitenden Kontext angewandt werden.

Ein Steuerpflichtiger in einer grenzüberschreitenden Situation, gleich, ob es sich um eine Einzelperson oder ein Unternehmen handelt, läuft Gefahr, diskriminierend behandelt oder doppelt besteuert zu werden oder zusätzliche Kosten für die Befolgung von Vorschriften aufwenden zu müssen[1]. Dies schafft ein Hemmnis für Personen, die in anderen Mitgliedstaaten arbeiten oder investieren wollen. Außerdem ist es ein Hindernis für eine Begründung einer Niederlassung im Ausland, sowie für Tätigkeiten oder Investitionen von Unternehmen in anderen Ländern, das die Unternehmen davon abhält, die Vorteile des Binnenmarkts[2] in vollem Umfang zu nutzen. Diese Probleme lassen sich durch einseitige Maßnahmen der Mitgliedstaaten oder durch bestehende bilaterale Steuerabkommen nur teilweise überwinden. Steuerliche Hindernisse für grenzüberschreitende Tätigkeiten und Investitionen sind in den letzten Jahren Gegenstand umfangreicher Rechtsstreitigkeiten gewesen, bei denen Steuerzahler versucht haben, die Vorschriften der Mitgliedstaaten auf der Grundlage der durch die Verträge geschaffenen Freiheiten[3] infrage zu stellen.

Eine systematische Möglichkeit, die Steuerhemmnisse für in mehr als in einem Mitgliedstaat tätige Körperschaftssteuerpflichtige abzubauen, ist die Einführung einer Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) für EU-weite Tätigkeiten multinationaler Konzerne. Deshalb hat die Kommission ihre Absicht bekannt gegeben, im Jahre 2008 einen umfassenden Legislativvorschlag für eine solche GKKB vorzulegen. Allerdings sind auch weiterhin gezieltere Maßnahmen notwendig, um kurz- und mittelfristig die dringendsten Probleme zu beheben. Bestimmte Probleme werden außerdem auch, sofern die GKKB eingeführt wird, bestehen bleiben, etwa beispielsweise weil damit einzelne Steuerpflichtige nicht erfasst würden und nicht unbedingt alle Körperschaftsteuerpflichtigen und/oder Mitgliedstaaten einbezogen würden oder weil die Wechselwirkung zwischen der GKKB und anderen Gesichtspunkten bei Regelungen im Bereich der direkten Steuern berücksichtigt werden muss.

Es muss also weiterhin dafür gesorgt werden, dass die nicht harmonisierten nationalen Steuersysteme reibungslos zusammenwirken, sowohl um die oben genannten Hindernisse zu überwinden, als auch um zu verhindern, dass die steuerliche Bemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten ausgehöhlt wird. Außerdem wird zunehmend deutlich, dass die fehlende Koordinierung im Bereich der direkten Steuern auch zu unbeabsichtigter Nichtbesteuerung, zu Missbrauch und damit zur Schmälerung der Steuereinnahmen führen kann, weil sie die Möglichkeit der Mitgliedstaaten zur Anwendung effizienter und ausgewogener Steuersysteme beeinträchtigt. Dies kann die nachhaltige Finanzierung der Sozialmodelle der Mitgliedstaaten beeinträchtigen[4].

Ziel dieser Mitteilung ist es also, die nicht harmonisierten Regelungen im Bereich der direkten Steuern zu koordinieren und ihre Leistungsfähigkeit zu verbessern. Während eine Harmonisierung zu einem gemeinsamen EU-Rechtsrahmen führt, der einzelstaatliches Recht ablöst, baut eine Koordinierung auf den einzelstaatlichen Systemen auf, um sie mit dem EG-Vertrag und untereinander vereinbar zu machen. Das Ziel der Koordinierung besteht nicht darin, die bestehenden einzelstaatlichen Steuersysteme durch ein einheitliches System der Gemeinschaft zu ersetzen, sondern es soll dafür gesorgt werden, dass diese einzelstaatlichen Systeme reibungslos zusammenwirken können.

Wie die Kommission in ihrem Beitrag zum Gipfel von Hampton Court erklärte, muss eingehend geprüft werden, wie die derzeitigen Steuersysteme EU-weit leistungsfähiger werden können. Durch eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den Mitgliedstaaten und eine bessere Koordination ihrer Vorschriften wird sich die Leistungsfähigkeit ihrer Steuersysteme erheblich verbessern. Danach werden die Mitgliedstaaten besser in der Lage sein, ihre steuerpolitischen Ziele zu erreichen und ihre Bemessungsgrundlage zu schützen und gleichzeitig für den Abbau von Diskriminierung und Doppelbesteuerung zu sorgen, was sowohl Einzelpersonen als auch Unternehmen zugute kommen wird. Auf diese Weise können die Steuersysteme – im Einklang mit der erneuerten Strategie von Lissabon - effektiver zum Erfolg des Binnenmarkts, zu mehr Wachstum und Beschäftigung und zu mehr Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen auf dem Weltmarkt beitragen[5].

Grundsätze für die Koordinierung von Steuer REGELUNGEN

Die wichtigsten Grundsätze

Eine kohärente und koordinierte steuerliche Behandlung setzt Folgendes voraus:

- Abbau von Diskriminierung und Doppelbesteuerung,

- Verhinderung von unbeabsichtigter Nichtbesteuerung und von Missbrauch

- Senkung der Befolgungskosten bei Steuerpflicht in mehr als in einem Steuersystem.

Initiativen zur Koordinierung können in unterschiedlicher Weise erfolgen und von abgestimmten einseitigen Maßnahmen der Mitgliedstaaten einerseits bis zu gemeinsamen Maßnahmen in Form eines Gemeinschaftsinstruments andererseits reichen. In einigen Fällen kann es für einen Mitgliedstaat ausreichen, etwa durch Änderung innerstaatlicher Vorschriften, einseitig gemeinsam vereinbarte Lösungen umzusetzen, um eine Diskriminierung zu beseitigen. In anderen Fällen kann es vorkommen, dass solche einseitigen Maßnahmen nicht ausreichen, und es sind bilaterale Maßnahmen wie Steuerabkommen oder gemeinsame Maßnahmen in Form eines Gemeinschaftsinstruments erforderlich. Dies gilt insbesondere dann, wenn aufgrund einer fehlenden Abstimmung von Vorschriften einzelner Mitgliedstaaten Fälle von Doppelbesteuerung oder von unbeabsichtigter Nichtbesteuerung entstehen. In bestimmten Bereichen ist es außerdem notwendig, Regelungen zwischen Mitgliedstaaten und Drittländern besser zu koordinieren, insbesondere wenn es darum geht, Steuervermeidung zu verhindern, um die Steuerbemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten zu sichern.

Ein wichtiges Anliegen der Mitgliedstaaten, insbesondere angesichts der in den letzten Jahren stark gestiegenen Zahl der von Steuerzahlern angestrengten Rechtsstreitigkeiten, ist es, dafür zu sorgen, dass ihre Steuervorschriften den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprechen. Durch Unterstützung der Mitgliedstaaten beim Abbau von Diskriminierung dürften solche Initiativen dazu beitragen, die Einhaltung der Pflichten aus dem EG-Vertrag sicherzustellen und die Störungen aufgrund von Rechtsstreitigkeiten auf ein Mindestmaß zu beschränken.

Beseitigung von Diskriminierung und Doppelbesteuerung

Die Beseitigung steuerlicher Diskriminierung ist eine grundlegende Anforderung des Gemeinschaftsrechts. Ein Mitgliedstaat darf grenzübergreifende und einheimische Sachverhalte nur dann unterschiedlich behandeln, wenn dies aufgrund einer unterschiedlichen Situation der betreffenden Steuerzahler gerechtfertigt ist. Im Laufe der Jahre ist deutlich geworden, dass zahlreiche Gesichtspunkte der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten in Widerspruch zum EG-Vertrag stehen, so u. a. die Vorschriften zur Besteuerung von Vermögenszuwächsen (z. B. Wegzugsbesteuerung), von Dividenden (z. B. Quellensteuern), von Konzernen (z. B. fehlender grenzübergreifender Verlustausgleich), von Betriebsstätten sowie Vorschriften zur Bekämpfung der Steuervermeidung. Dennoch lässt sich - trotz der umfangreichen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zu diesen Fragen - nicht immer ohne Weiteres feststellen, wie die in den Verträgen allgemein formulierten Freiheiten im komplexen Bereich des Steuerrechts umzusetzen sind. Viele dieser Urteile sind erst kürzlich ergangen, die Rechtsprechung entwickelt sich weiter und betrifft in der Regel bestimmte Steuerbestimmungen einzelner Mitgliedstaaten. Es ist nicht immer einfach für Steuerzahler, Steuerbehörden und einzelstaatliche Gerichte, die Auswirkungen von Urteilen voll abzuschätzen oder sie in einen allgemeineren Rahmen einzuordnen.

Nach Auffassung der Kommission sind Leitlinien notwendig, die festlegen, welche Grundsätze sich aus der Rechtsprechung ergeben und wie diese Grundsätze bei den wichtigsten Fragen im Bereich der direkten Steuern anzuwenden sind. Diese Leitlinien werden mehr Rechtssicherheit schaffen, und dies wird den Steuerzahlern ebenso wie den Steuerbehörden und einzelstaatlichen Gerichten zugute kommen.

Aber dies ist nur der Anfang. Es müssen Lösungen gefunden werden, damit grenzübergreifende steuerliche Sachverhalte einheitlich behandelt werden. Erfahrungsgemäß ist es nicht immer möglich, durch einseitige Maßnahmen die Verpflichtung zur Nichtdiskriminierung in einheitlicher Weise oder optimal umzusetzen. In einigen Fällen haben die Mitgliedstaaten von sich aus inländische Steuervorteile beseitigt oder die Anforderungen für grenzübergreifende steuerliche Sachverhalte auf inländische Sachverhalte ausgedehnt, wo dies aus steuerpolitischer Sicht nicht wünschenswert war. Dies ist gegenläufig zu den Interessen des Binnenmarktes und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit der Mitgliedstaaten.[6] Die Kommission möchte einige Initiativen vorschlagen, die den Mitgliedstaaten helfen, koordinierte Lösungen zu finden, mit denen sie ihre steuerpolitischen Ziele erreichen und gleichzeitig die Anforderungen des Gemeinschaftsrechts erfüllen können.

Die Beseitigung der Doppelbesteuerung im Binnenmarkt ist in Artikel 293 EG-Vertrag ausdrücklich angesprochen. Internationale Doppelbesteuerung ist ein wesentliches Hindernis für grenzübergreifende Tätigkeiten und Investitionen in der EU. Deshalb ist ihre Beseitigung ein grundlegendes Ziel und Prinzip jeder abgestimmten Lösung. Eine internationale Doppelbesteuerung entsteht definitionsgemäß dadurch, dass ein Steuerzahler mehr als einer Steuergerichtsbarkeit unterliegt. Sie stellt ein klassisches Beispiel eines Hemmnisses für den Binnenmarkt dar, das auf fehlende Koordinierung einzelstaatlicher Steuersysteme zurückzuführen ist und sich nur durch die Zusammenarbeit der Mitgliedstaaten beseitigen lässt.

Verhinderung von Nichtbesteuerung und Missbr auch

Ein weiterer Grund für die unbeabsichtigte Nichtbesteuerung und eine Möglichkeit des Missbrauchs sind die durch die fehlende Koordinierung bedingten Regelungslücken zwischen den Steuersystemen. Nichtbesteuerung und Missbrauch sind gleichermaßen schädlich für den Binnenmarkt, weil sie die Gerechtigkeit und die Ausgewogenheit der Steuersysteme der Mitgliedstaaten aushöhlen. Diesem Problem lässt sich ebenfalls durch eine bessere Koordinierung der Vorschriften der Mitgliedstaaten und eine verbesserte Zusammenarbeit bei ihrer Durchsetzung beikommen. Dies wird einen wesentlichen Bestandteil der Initiativen der Kommission ausmachen und die Kommission schlägt vor, diesen Bereich zusammen mit den Mitgliedsstaaten im Rahmen einer Arbeitsgruppe in näherer Zukunft unter Berücksichtigung der Fortschritte bei der einschlägigen EuGH-Rechtsprechung zu prüfen.

Senkung der Befolgungskosten und Vereinfachung der Verfahren

Aufgrund der unterschiedlichen Steuersysteme gelten unterschiedliche Anforderungen für die Einhaltung der Vorschriften. Ein entscheidender Grund, weshalb die Kommission beschlossen hat, eine gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für Unternehmen zu erarbeiten, liegt in der Notwendigkeit, multinationale Unternehmen von der Pflicht zu befreien, bis zu 25 unterschiedliche Steuersysteme zu beachten sowie in den Verrechnungspreisregeln zur Aufteilung der Bemessungsgrundlage. Gleichzeitig hat die Kommission versucht, durch die Arbeit des Gemeinsamen Forums für Verrechnungspreise zu untersuchen, inwieweit sich die Befolgungskosten bei den Verrechnungspreisen senken lassen. Es wäre wünschenswert, umfassender zu prüfen, wie sich die grenzüberschreitenden Befolgungskosten senken und die Verfahren für die Steuerzahler, einschließlich KMU und Einzelpersonen, auch im Wege einer verbesserten Zusammenarbeit der Verwaltungen der Mitgliedstaaten, vereinfachen lassen.

Koordinierte Lösungen

Nach Auffassung der Kommission lassen sich die oben beschriebenen Ziele am besten – und teilweise ausschließlich – durch eine Koordinierung zwischen den Mitgliedstaaten erreichen. Die Kommission hat heute zwei Mitteilungen zu bestimmten Fragestellungen veröffentlicht, bei denen sie ein abgestimmtes Vorgehen für notwendig hält.

Die erste Mitteilung betrifft die Wegzugsbesteuerung. Die Frage der Wegzugsbesteuerung, zu der auch die Besteuerung der Übertragung von Vermögenswerten in ein anderes Steuergebiet gehört, macht deutlich, dass die Steuervorschriften der Mitgliedstaaten ausreichend koordiniert und durch wirksame Zusammenarbeit bei der Durchsetzung unterstützt werden müssen. Aus dem Nichtdiskriminierungsgrundsatz in seiner Auslegung durch die EuGH-Rechtsprechung ergibt sich, dass grenzüberschreitende gegenüber vergleichbaren einheimischen Sachverhalten steuerlich nicht benachteiligt werden dürfen. Im Falle der Wegzugsbesteuerung hat der EuGH die umgehende Besteuerung nicht realisierter Wertsteigerungen in grenzübergreifenden Sachverhalten ausgeschlossen, wenn keine entsprechende Besteuerung bei vergleichbaren einheimischen Sachverhalten vorgesehen ist[7]. Außerdem hat der EuGH entschieden, dass ein Steueraufschub nicht von bestimmten Bedingungen wie der Stellung einer Bankbürgschaft oder der Bezeichnung eines Steuerbevollmächtigten abhängig sein darf. Ohne ausreichende Koordinierung oder wirksame Durchsetzung besteht jedoch die Gefahr, dass alle nicht realisierten Gewinne auf die Veräußerung von Vermögenswerten wegen der mangelnden Abstimmung der Besteuerungsrechte im einheimischen Steuerrecht und in bilateralen Steuerabkommen oder wegen fehlender Informationen oder Erhebungsmöglichkeiten zur ordnungsgemäßen Durchsetzung der Steuerschuld nicht bzw. doppelt besteuert werden. In ihrer Mitteilung zur Wegzugsbesteuerung hat die Kommission einige spezielle Vorschläge zu der Frage erarbeitet, wie die Mitgliedstaaten ihre einschlägigen Vorschriften besser koordinieren können, um rechtswidrige Diskriminierung zu beseitigen und gleichzeitig doppelte Besteuerung bzw. doppelte Nichtbesteuerung zu vermeiden. Außerdem wurden einige Bereiche umrissen, die genauer geprüft werden müssen. Die Mitteilung ist sowohl für steuerpflichtige Unternehmen als auch für natürliche Personen von Bedeutung.

Die zweite Mitteilung betrifft den grenzübergreifenden Verlustausgleich für Unternehmen und Konzerne. Ohne die Möglichkeit eines solchen Verlustausgleichs besteht die Gefahr, dass Gewinne und Verluste von Konzernunternehmen oder einzelnen Betriebsstätten sich in unterschiedlichen Steuergebieten verlieren mit der Konsequenz, dass ein Konzern oder ein Unternehmen Steuern für einen Betrag bezahlt, der über seinem in der gesamten EU erwirtschafteten Erträgen liegt. Dies schafft eindeutig einen Nachteil für grenzüberschreitende Wirtschaftstätigkeit und beeinträchtigt die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen und Konzernen in der EU. Mit einer GKKB würden, für den Fall ihrer Verabschiedung, die Ergebnisse der unter die Regelung fallenden Konzerne EU-weit konsolidiert werden können. Die Mitteilung betrifft die unmittelbarere Koordinierung der einzelstaatlichen Vorschriften. Sie stützt sich auf die jüngste Rechtsprechung des EuGH insbesondere in der Sache Marks & Spencer und befürwortet einen Mindeststandard für den grenzüberschreitenden Verlustausgleich unter Einbeziehung eines Ausgleichs für die Verluste von Tochtergesellschaften auf der Ebene der Muttergesellschaft.

In den vorgenannten Bereichen ist die Zusammenarbeit zwischen Mitgliedstaaten unerlässlich, weil die fehlende Abstimmung der jeweiligen Steuersysteme zu Doppelbesteuerung oder doppelter Nichtbesteuerung führt. Aber auch dann, wenn Mitgliedstaaten Lösungen durch einseitige Maßnahmen finden, kann es gegebenenfalls sinnvoller sein, nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Einen solchen Bereich bilden nach Auffassung der Kommission Regelungen zur Bekämpfung der Steuervermeidung wie z. B. die Regeln für beherrschte ausländische Unternehmen (Controlled Foreign Companies, CFC)[8]. Wie die neuere Rechtsprechung zeigt, handelt es sich hier um einen schwierigen Bereich, in dem ein angemessenes Gleichgewicht zwischen wirkungsvoller Missbrauchsbekämpfung in der EU und der Vermeidung einer unangemessenen und gemeinschaftsrechtswidrigen Beschränkung grenzübergreifender Tätigkeiten gewahrt werden muss. Außerdem ist es dringend notwendig, die Anwendung solcher Vorschriften in Bezug auf Drittländer besser zu koordinieren, um die Steuerbemessungsgrundlage der Mitgliedstaaten zu schützen.

Die Kommission möchte im nächsten Jahr eine weitere Mitteilung zu Regeln für die Missbrauchsbekämpfung veröffentlichen. In diesem Bereich sind ausgewogene Lösungen, die den Erfordernissen der Mitgliedstaaten genügen und gleichzeitig den Anforderungen des Gemeinschaftsrechts entsprechen, dringend erforderlich.

Eine fehlende Abstimmung kann z. B. auch in Bezug auf die Einstufung von Fremd- und Eigenkapital in den einzelnen Mitgliedstaaten bestehen. So kann in einem Mitgliedstaat ein Vorgang als Erhöhung des Eigenkapitals angesehen werden, so dass der daraus entstehende Kapitalertrag als nicht steuerpflichtig betrachtet wird, während er in einem anderen Mitgliedstaat als Darlehen behandelt wird und die Zinsen von dem betreffenden Unternehmen steuermindernd geltend gemacht werden können. Dies kann dazu führen, dass in einem Mitgliedstaat ein Abzug erfolgt, ohne dass es in einem anderen Mitgliedstaat zu einer entsprechenden Besteuerung kommt. Ein anderer Bereich betrifft die Verwendung "hybrider" Rechtsformen, also von Rechtsformen, die in einem Mitgliedstaat als (nicht transparente) Kapitalgesellschaft und in einem anderen als (transparente) Personengesellschaft angesehen werden; diese unterschiedliche Einstufung durch die einzelnen Mitgliedstaaten kann zu doppelten Steuerbefreiungen bzw. zum doppelten Steuerabzug führen. Außerdem prüft die Kommission eingehend die Notwendigkeit von Initiativen in anderen Bereichen wie z. B. Quellensteuern, Besteuerung von Betriebsstätten und Erbschaftssteuern. Sie möchte mit den Mitgliedstaaten, den Marktteilnehmern und gegebenenfalls anderen Beteiligten auch weitere Bereiche dahingehend prüfen, ob in diesen entsprechende Initiativen erforderlich sind.

Nach Auffassung der Kommission schließt eine bessere Koordinierung der Steuersysteme der Mitgliedstaaten neben solchen gezielten Initiativen auch die Notwendigkeit ein, eine allgemeine Lösung für Steuerpflichtige zu schaffen, die wegen kollidierender Steuervorschriften doppelt besteuert werden. Das Schiedsübereinkommen, dessen Anwendung die Kommission verbessern will, ist auf Streitfragen bei Verrechnungspreisen beschränkt. Die Kommission schlägt vor, gemeinsam mit den Mitgliedstaaten die Möglichkeiten für ein effizientes und allgemein verbindliches Streitbeilegungsverfahren zu prüfen, um auch allgemeinere Fragen der internationalen Doppelbesteuerung innerhalb der EU zu lösen. Ein solches Verfahren würde den Steuerzahlern, insbesondere Einzelpersonen und KMU, bei grenzübergreifenden Sachverhalten echte Vorteile bringen.

FAZIT

Durch angemessene Koordinierung und Zusammenarbeit erhalten die Mitgliedstaaten die Möglichkeit, ihre steuerpolitischen Ziele zu erreichen und ihre Steuerbemessungsgrundlage zu schützen und dabei gleichzeitig Diskriminierung und Doppelbesteuerung zu beseitigen und die Befolgungskosten zu senken. Auf diese Weise können die Steuersysteme besser zum Erfolg des Binnenmarkts beitragen und entsprechend der erneuerten Strategie von Lissabon die Wettbewerbsfähigkeit der Unternehmen in der EU auf dem Weltmarkt verbessern.

Die Kommission ist bereit, die Mitgliedstaaten bei der Erarbeitung der Grundsätze für die in dieser Mitteilung dargelegten koordinierten Lösungen und bei der Verbesserung der praktischen Regelungen für die Verwaltungszusammenarbeit zu unterstützen. So schlägt sie vor, einige der oben beschriebenen Initiativen für entscheidende Fragen im Bereich der direkten Steuern sowie eine Initiative mit allgemeinerer Zielsetzung zur effektiven Beseitigung der internationalen Doppelbesteuerung innerhalb der EU in Gang zu bringen.

Der Erfolg dieser Initiativen wird davon abhängen, inwieweit die Mitgliedstaaten bereit sind, zusammenzuarbeiten und zu koordinierten Lösungen beizutragen. Wenn nicht gehandelt wird, könnte die Möglichkeit der Mitgliedstaaten, ihr Steuereinkommen zu schützen, weiter beeinträchtigt werden, was weitere Rechtsstreitigkeiten wegen einzelner Steuervorschriften zur Folge hätte. Deshalb fordert die Kommission die Mitgliedstaaten auf, die Vorschläge in dieser Mitteilung sowie in den Mitteilungen zu grenzüberschreitenden Verlusten bzw. zur Wegzugsbesteuerung, die heute vorgelegt wurden, zu prüfen und auf dieser Grundlage zusammenzuarbeiten, um die in der Mitteilung angesprochenen Fragen rasch und effektiv zu lösen.

Diese Initiative verfolgt das Ziel, allen Steuerzahlern in grenzüberschreitenden Situationen umgehend zu helfen, um parallel zu den bereits gestarteten Initiativen, insbesondere der Arbeit zur gemeinsamen konsolidierten Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB), den Binnenmarkt zu vollenden. Die Kommission fordert die Mitgliedstaaten, die Marktteilnehmer und die EU-Organe auf, die Chancen, die diese Initiative bietet, zu nutzen.

Die Kommission ersucht den Rat, das Europäische Parlament und den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss, zu dieser Mitteilung Stellung zu nehmen.

[1] Die wesentlichen steuerlichen Hindernisse für Unternehmen bei grenzüberschreitenden wirtschaftlichen Aktivitäten im Binnenmarkt werden in der Studie Unternehmensbesteuerung im Binnenmarkt (SEC(2001)1681, 23.10.2001, Teil III, Seiten 223-305 dargestellt.

[2] Einige steuerliche Hindernisse für grenzüberschreitenden Handel sowie Maßnahmen, die zu ihrer Behebung ergriffen werden könnten, wurden von der Kommission in einer detaillierten ökonomischen Studie (SEC [2001]1681 im Anhang zu der Mitteilung Ein Binnenmarkt ohne steuerliche Hindernisse) identifiziert. Im Bereich der Finanzdienstleistungen wurden andere steuerliche Hindernisse von der "FISCO" Expertengruppe identifiziert (vgl. die Mitteilung Clearing und Begleichung in der Europäischen Union – künftige Maßnahmen, KOM [2004] 312), die zu der Beseitigung von Hindernissen für die steuerlichen Befolgung bei Clearing und Abrechung von grenzüberschreitenden Wertpapiergeschäften berät.

[3] Die gegenwärtigen Beschränkungen für nationale Steuerpolitik in einem integrierten Binnenmarkt wurden in einigen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs aufgezeigt (vgl., nur für das Jahr 2006, die Entscheidungen des Gerichtshofes in den Fällen C-520/02 Turpeinen , C-196/04 Cadbury Schweppes , C-386/04 Centro di Musicologia Stauffer , C-290/04 Scorpio , C-346/04 Conijn , C-152/03 Ritter-Coulais , C-471/04 Keller Holding sowie C-365/04 Bouanich ).

[4] KOM(2005)525 endg. vom 3.11.2005, Europäische Werte in der globalisierten Welt - Beitrag der Kommission zur Tagung der Staats- und Regierungschefs im Oktober.

[5] KOM(2005)532 endg. vom 25.11.2005, Der Beitrag der Steuer- und Zollpolitik zur Lissabon-Strategie.

[6] Vgl. Randnr. 68 des Schlussantrags des Generalanwalts Geelhoed vom 29. Juni 2006, Rechtssache C-524/04, Test Claimants in the Thin Cap Group Litigation gegen Commissioners of Inland Revenue : "Diese Ausdehnung der Rechtsvorschriften auf Sachverhalte, die mit Sinn und Zweck der Vorschriften nichts zu tun haben, aus rein formalistischen Gründen mit der Folge eines beträchtlichen zusätzlichen Verwaltungsaufwands für die innerstaatlichen Gesellschaften und die Steuerverwaltung ist völlig sinnlos und für die wirtschaftliche Effizienz kontraproduktiv. Sie ist das Anathema für den Binnenmarkt."

[7] Rechtssache C-9/02 Hughes de Lasteyrie du Saillant gegen. Ministère de l'économie, des Finances et de l'Industrie, ABl. C 94 vom 17.4.2004, S.5.

[8] Hauptziel der Regeln für beherrschte ausländische Unternehmen (CFC) ist es zu verhindern, dass gebietsansässige Unternehmen die Besteuerung im Land des Unternehmenssitzes umgehen, indem sie ihre Erträge zu Tochterunternehmen in Ländern mit (deutlich) niedrigerem Steuersatz umlenken. In der Regel sehen die CFC-Vorschriften vor, dass die von einer beherrschten Tochtergesellschaft im Ausland erwirtschafteten Erträge ihrer im Inland ansässigen Muttergesellschaft zugerechnet werden können und dann in gleicher Weise besteuert werden dürfen wie die eigenen Erträge der Muttergesellschaft.

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