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Document 52006DC0398

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Integrierte Vermeidung und Verminderung der chemischen Verschmutzung von Oberflächengewässern in der Europäischen Union {SEK(2006) 947} {KOM(2006) 397 endgültig}

/* KOM/2006/0398 endg. */

52006DC0398

Mitteilung der Kommission an den Rat und das Europäische Parlament - Integrierte Vermeidung und Verminderung der chemischen Verschmutzung von Oberflächengewässern in der Europäischen Union {SEK(2006) 947} {KOM(2006) 397 endgültig} /* KOM/2006/0398 endg. */


[pic] | KOMMISSION DER EUROPÄISCHEN GEMEINSCHAFTEN |

Brüssel, den 17.7.2006

KOM(2006) 398 endgültig

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Integrierte Vermeidung und Verminderung der chemischen Verschmutzung von Oberflächengewässern in der Europäischen Union {SEK(2006) 947}{KOM(2006) 397 endgültig}

MITTEILUNG DER KOMMISSION AN DEN RAT UND DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT

Integrierte Vermeidung und Verminderung der chemischen Verschmutzung von Oberflächengewässern in der Europäischen Union (Text von Bedeutung für den EWR}

1. ZWECK DER MITTEILUNG

1.1. Einleitung

Mit der im Jahr 2000 verabschiedeten Wasserrahmenrichtlinie (WRRL)[1] wurde eine neue Regelung für die Vermeidung und Verminderung der chemischen Verschmutzung von Oberflächengewässern und Grundwasser eingeführt. Die WRRL sieht auch vor, dass die Kommission spezifische Vorschläge für prioritäre Stoffe in Oberflächengewässern vorlegt.

Es gibt zahlreiche potenzielle Schadstoffe, die die Wasserqualität unserer Flüsse, Seen sowie Küsten- und Meeresgewässer beeinträchtigen können. Wasserverschmutzung kann durch organische Materie, Nährstoffe und eine Vielzahl von chemischen Stoffen verursacht werden, die entweder bewusst für den Zweck einer bestimmten Verwendung (z. B. Pestizide) hergestellt werden oder die sich bei einem Verfahren unbeabsichtigt bilden (z. B. die beim Verbrennungsprozess entstehenden polycyclischen aromatischen Kohlenwasserstoffe). Es gibt tausende einzeln nachweisbarer Stoffe in unseren Süßwasserkörpern und viele von ihnen werden letztendlich die Meeresgewässer erreichen.

Eine begrenzte Zahl chemischer Schadstoffe wurde wegen ihrer weit verbreiteten Anwendung und ihrer hohen Konzentrationen in Flüssen, Seen und Küstengewässern für die gesamte EU als besonders bedenklich eingestuft. Sie werden als „prioritäre Stoffe“ bezeichnet[2]. Außerdem gibt es eine Untergruppe von „prioritären gefährlichen Stoffen", für die wegen ihrer hohen Persistenz, Bioakkumulation und Toxizität strengere Umweltziele gelten. Zusätzlich zu den prioritären Stoffen müssen die Mitgliedstaaten angeben, welche anderen chemischen Schadstoffe den Zielen der WRRL entgegenstehen.

Dieser Ansatz zur Begrenzung der chemischen Verschmutzung von Oberflächengewässern ist Teil der in den 70er Jahren eingeschlagenen breiteren Strategie. Die WRRL übernimmt und aktualisiert diese langfristige Politik und gibt eine flexible und moderne Antwort auf die anhaltende Gefährdung, die mit übermäßigen Konzentrationen chemischer Stoffe in den Gewässern der EU verbunden ist.

Mit der vorliegenden Mitteilung und dem beigefügten Vorschlag für eine Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik[3] werden ein weiterer konzeptueller Rahmen und die Argumentation hinter der politischen Strategie der Kommission dargelegt.

1.2. Der allgemeine konzeptuelle Rahmen

Wenn chemische Stoffe abgebaut, hergestellt oder verarbeitet werden, kann es zu Emissionen, Einleitungen und Verlusten in Luft, Wasser und Boden kommen. Auch bei der Entsorgung der Abfälle, die bei diesen Tätigkeiten entstehen, kann es zu Umweltbelastungen kommen. Direkte Einleitungen von Bergwerken oder Fabriken sind offensichtliche Quellen für Umweltverschmutzung. Weniger offensichtlich sind Stoffe, die aus der Atmosphäre abgeschieden werden. Sobald ein Stoff auf dem Markt ist, kann er zur Herstellung von Verbrauchsgütern verwendet werden, und es kann zu Emissionen, Einleitungen und Verlusten in die Umwelt kommen. Auch wenn Produkte verwendet werden (z. B. Waschmittel, Pestizide, Baustoffe) kann es zu Verlusten kommen. Wenn die Stoffe schließlich als fester oder flüssiger Abfall entsorgt werden, kann es zu weiteren Verlusten kommen.

Maßnahmen zur Vermeidung und Verminderung der chemischen Verschmutzung von Wasser müssen diesen verschiedenen Eintragswegen Rechnung tragen. Durch Emissionsbegrenzungen und Prozesssteuerungen können Verluste während der Produktion chemischer Stoffe und während ihrer anschließenden Verwendung zur Herstellung anderer Produkte verringert werden. Die Beschränkung des Inverkehrbringens und der Verwendung chemischer Stoffe durch Genehmigungs- und Zulassungsverfahren kann ebenfalls dazu beitragen, die potenzielle Verschmutzung der Umwelt zu begrenzen. Schließlich können auch Maßnahmen der Abfallbehandlung und –entsorgung die Verschmutzung wirksam reduzieren.

Ziel der im vorstehenden Absatz genannten Maßnahmen ist die Reduzierung oder Begrenzung von Einleitungen, Emissionen und Verlusten, doch sie sind nur ein Teil des Gesamtkonzepts. In Artikel 10 der WRRL wird ein „kombinierter Ansatz“ mit der Anwendung von Umweltqualitätsnormen (UQN) festgelegt. Auf der Grundlage von Angaben über Toxizität, Persistenz und Bioakkumulationspotenzial eines Stoffs sowie über sein Verbleiben in der Umwelt können Grenzwerte zum Schutz von Menschen, Flora und Fauna festgelegt werden. Die UQN für Wasser, Sedimente oder pflanzliche/tierische Gewebe dienen als Maßstab für die Gewährleistung der ökologischen Integrität aquatischer Ökosysteme oder den Schutz der menschlichen Gesundheit bei der Benutzung von Wasser (z. B. zum Baden oder als Trinkwasser).

Die Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung oder die UQN können jedoch nur dann greifen, wenn sie mit einem wirksamen Überwachungssystem kombiniert werden, mit dem sichergestellt werden soll, dass die Maßnahmen durchgeführt und die UQN-Werte eingehalten werden.

Dieser konzeptuelle Rahmen gilt für alle Arten von Wasserverschmutzung. Die folgenden Überlegungen beziehen sich jedoch ausschließlich auf den Regelungsrahmen für prioritäre Stoffe, der für die Verschmutzung durch alle chemischen Stoffe gilt, die die Qualität von Oberflächengewässern beeinträchtigen[4]. Andere Schadstoffe (wie Nährstoffe und organische Stoffe) sind in spezifischen Rechtsvorschriften der Gemeinschaft geregelt (z. B. die Richtlinie über die Behandlung von kommunalem Abwasser[5] und die Nitratrichtlinie[6]).

1.3. Bisherige Vorschriften für die chemische Verschmutzung von Oberflächengewässern

Anfang der 70er Jahre gab es alarmierende Berichte über die hohe Belastung des Rheins und anderer europäischer Flüsse mit chemischen Schadstoffen, die regelmäßig zu Fischsterben führte. Um Abhilfe zu schaffen, erließ der Rat die Richtlinie 76/464/EWG betreffend die Verschmutzung infolge der Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft[7], mit der ein ehrgeiziges Programm zur Vermeidung und Verminderung der Verschmutzung durch gefährliche Stoffe festgelegt wurde. Die chemischen Schadstoffe wurden in die als besonders toxisch, persistent und bioakkumulierbar geltenden Liste-I-Stoffe, die auf Gemeinschaftsebene geregelt werden sollten, und die weniger problematischen Liste-II-Stoffe eingeteilt, deren Regelung den Mitgliedstaaten überlassen wurde. 1982 legte die Kommission eine Liste mit 132 Stoffen vor, die Kandidaten für die Aufnahme in Liste I waren. Bis 1990 wurden mit fünf „Tochterrichtlinien“ Emissionsgrenzwerte und Qualitätsnormen für 18 dieser 132 Stoffe festgelegt[8]. Dann stoppte der Rat die Regelungen für die anderen von der Kommission vorgeschlagenen Stoffe[9] mit dem Argument, der Rechtssetzungsprozess sei zu langsam und ineffektiv. Er forderte die Kommission auf, ihre Strategie unter Berücksichtigung der neuen Politik zur integrierten Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung zu überprüfen.

1996 wurde die IVU-Richtlinie[10] über die integrierte Vermeidung und Verminderung der Umweltverschmutzung verabschiedet. Sie übernahm einen Teil des Regelungsrahmens der Richtlinie 76/464/EWG, indem die Emissionsgrenzwerte als Mindestanforderungen beibehalten wurden. Da die IVU-Richtlinie aber nur bestimmte Anlagen abdeckte, integrierte die Kommission die sonstigen einschlägigen Bestimmungen der Richtlinie 76/464/EWG in ihren geänderten Vorschlag für die Wasserrahmenrichtlinie[11].

In den 25 Jahren seit der Verabschiedung der Richtlinie 76/464/EWG hat die Generaldirektion Umwelt der Kommission mehrere Berichte über ihre Umsetzung veröffentlicht[12]. Der Erfolg dieser Maßnahmen wird unterschiedlich eingeschätzt. Die Verschmutzung aus industriellen Punktquellen konnte zwar deutlich und nachweisbar reduziert werden, doch es gab doch erhebliche Umsetzungsprobleme[13].

Mit der WRRL, die auf dem Konzept des integrierten Wasserschutzes basiert, wurden diese Hindernisse überwunden; die chemische Verschmutzung wird nun ganzheitlicher, effektiver und differenzierter in Angriff genommen. Im vorliegenden Richtlinienvorschlag schlägt die Kommission vor, die fünf „Tochterrichtlinien“ nun ebenfalls aufzuheben. Dieses Maßnahmenpaket wird dazu beitragen, das Umweltrecht zu straffen und zu vereinfachen.

2. KONZEPT DER KOMMISSION

Das Gesamtkonzept der WRRL muss in spezifische Maßnahmen umgesetzt werden, die Antworten auf folgende (aus Artikel 16 abgeleitete) Fragen geben:

1. Welche Stoffe sollten auf Gemeinschaftsebene geregelt werden?

2. Anhand welcher Kriterien oder Indikatoren (UQN) wird überprüft, ob die Ziele der WRRL erfüllt wurden?

3. Welche zusätzlichen Maßnahmen müssen auf Gemeinschaftsebene getroffen werden, um diese Ziele zu erreichen?

Als Antwort auf die erste Frage wurde 2001 eine Liste von 33 prioritären Stoffen (bzw. Stoffgruppen) erstellt, die auf Gemeinschaftsebene zu regeln sind[14]. Mehrere dieser Stoffe sind höchst bedenklich und wurden als „prioritäre gefährliche Stoffe“ eingestuft. Das Ziel der WRRL für diese Stoffe ist es, Emissionen, Einleitungen und Verluste innerhalb von 20 Jahren zu beenden oder schrittweise einzustellen.

Hauptzweck des vorliegenden Richtlinienvorschlags ist die Beantwortung der anderen beiden Fragen, d. h. die Festsetzung harmonisierter Umweltqualitätsnormen und Vorschläge für zusätzliche Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung.

Die Kommission hat 2001 begonnen, diesen Vorschlag auszuarbeiten, und hierzu intensive und extensive Konsultationen geführt. Die Konsultationen fanden hauptsächlich in Form eines regelmäßigen Austauschs mit dem Beratenden Expertenforum (Expert Advisory Forum) statt, das sich aus Vertretern der Mitgliedstaaten und anderer Länder (Norwegen, Bulgarien und Rumänien) sowie Vertretern der Industrie und von Nichtregierungsorganisationen zusammensetzt. Außerdem wurde der Vorschlag für UQN einem Peer Review durch den Wissenschaftlichen Ausschuss „Toxizität, Ökotoxizität und Umwelt“ (SCTEE) unterzogen. Schließlich fand von Juni bis September 2004 eine schriftliche Konsultation zu dem Richtlinienentwurf statt.

In der Vorbereitungsphase wurden zwei Studien durchgeführt, die als Grundlage für die Folgenabschätzung dienen[15]. In der Folgenabschätzung wurden drei Hauptoptionen und zahlreiche Unteroptionen untersucht.

Option 1: Überhaupt keinen Vorschlag vorlegen und die Regulierung voll und ganz den Mitgliedstaaten überlassen.

Option 2: Einen Vorschlag lediglich mit harmonisierten UQN vorlegen und die Festlegung zusätzlicher Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung den Mitgliedstaaten überlassen.

Option 3: Sowohl UQN als auch zusätzliche Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung auf Gemeinschaftsebene vorschlagen.

Diese Optionen werden im Folgenden ausführlicher erörtert.

2.1. Umweltqualitätsnormen

Umweltqualitätsnormen (UQN) sind Schadstoffkonzentrationen, die zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt nicht überschritten werden sollten. Im Kontext der Wasserrahmenrichtlinie definieren die UQN das Umweltziel des „guten chemischen Zustands eines Oberflächengewässers“. Sie dienen somit als Kriterien, anhand deren bewertet werden kann, ob die Mitgliedstaaten die Vorschriften einhalten (siehe Artikel 2 Absatz 24).

Es wurden bereits mehrere UQN für Wasser auf Gemeinschaftsebene festgesetzt (siehe Abschnitt 1.3). Außerdem haben die meisten Mitgliedstaaten umfassende UQN auf nationaler oder regionaler Ebene oder für einzelne Einzugsgebiete festgelegt. Zurzeit sind die nationalen Qualitätsnormen für prioritäre Stoffe in der EU sehr unterschiedlich, was zu einem unterschiedlich hohen Schutzniveau und unterschiedlichen Bedingungen für Wasserverbraucher (z. B. Industrie) in den Mitgliedstaaten führt.

Der Kommission will mit der Festlegung von UQN für die prioritären Stoffe, die definitionsgemäß für die gesamte EU ein Problem darstellen, erreichen, dass die Richtlinie im Einklang mit den Verpflichtungen des geltenden Rechtstexts und in allen Mitgliedstaaten auf vergleichbare Weise umgesetzt wird. Außerdem muss es eine harmonisierte Bewertungsgrundlage geben, insbesondere für internationale Einzugsgebiete. Bei der Festsetzung von UQN muss auch den anderen relevanten Politikbereichen (chemische Stoffe oder Pestizide) Rechnung getragen werden, damit die Kohärenz der Risikobewertungen sichergestellt ist.

Die beste Möglichkeit, diese Ziele zu erreichen, ist die Harmonisierung von UQN für prioritäre Stoffe auf Gemeinschaftsebene. Daher wurde Option 1 – kein Vorschlag – verworfen.

2.2. Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung

Gemäß der WRRL hat die Kommission neben der Festlegung der UQN auch gemeinschaftsweite Maßnahmen zur Verringerung der Verschmutzung durch prioritäre Stoffe vorzulegen oder die Emissionen, Einleitungen und Verluste von prioritären gefährlichen Stoffen schrittweise einzustellen. Hierzu gibt es eine breite Palette von Instrumenten, die von produktbezogenen Maßnahmen (z. B. Beschränkung des Inverkehrbringens und der Verwendung) und Prozesssteuerung (z. B. beste verfügbare Techniken, Emissionsgrenzwerte) bis zu wirtschaftlichen Instrumenten reichen (z. B. Steuern auf Pestizide).

Schon vor der WRRL gab es Gemeinschaftsvorschriften, die zur Erreichung der WRRL-Ziele beitragen. Insbesondere die Vorschriften über chemische Stoffe (darunter Pestizide und Biozide) sowie über Umweltverschmutzung durch Industrieanlagen stellen einen bedeutenden Beitrag dar. Darüber hinaus hat die Kommission seit dem Jahr 2000 zahlreiche Vorschläge und Entscheidungen vorgelegt, die Maßnahmen zur Verminderung der Verschmutzung durch einzelne prioritäre Stoffe im Sinne von Artikel 16 Absatz 6 der WRRL darstellen[16]. Die zurzeit laufende Überarbeitung der Rechtsvorschriften über chemische Stoffe[17] wird einen wichtigen Beitrag zur Erreichung der WRRL-Ziele leisten. Alle diese EU-Rechtsvorschriften und Politiken werden in der Folgenabschätzung ausführlicher erläutert.

Die meisten dieser Rechtsvorschriften sind noch nicht vollständig umgesetzt. Daher kann noch nicht beurteilt werden, ob die Ziele der WRRL mit der Umsetzung dieser Politiken erreicht werden oder ob noch weiterer Handlungsbedarf für die Gemeinschaft besteht.

Diese Herausforderung wurde auch bei der Analyse der sozioökonomischen Auswirkungen der verschiedenen Optionen anerkannt. Für die Option 3 wurde eine Reihe von Hypothesen aufgestellt, um spezifische EU-weite Maßnahmen (einschließlich Emissionsgrenzwerte) für die am stärksten betroffenen Wirtschaftszweige festzulegen, namentlich für Chemikalien (vor allem Chlor und Pestizide), Eisen und Stahl, Nichteisen-Metalle, PVC und Raffinerien. Der Studie zufolge ist diese Option mit hohen Kosten verbunden (nähere Angaben in der Folgenabschätzung). Außerdem muss mit Auswirkungen auf die Beschäftigung gerechnet werden. Auf der Grundlage der verfügbaren Daten wäre es aus Sicht der Kostenwirksamkeit, der Flexibilität und der Verhältnismäßigkeit besser, die Einführung zusätzlicher Maßnahmen (einschließlich Emissionsgrenzwerte) den Mitgliedstaaten zu überlassen. Option 3 wurde folglich wegen unverhältnismäßig hoher Kosten ausgeschlossen.

Abschließend gelangt die Kommission zu der Auffassung, dass das derzeitige Gemeinschaftsrecht in den meisten Fällen ausreichen dürfte, um die Erreichung der WRRL-Ziele zu ermöglichen. Die Folgenabschätzung zeigt, dass die Festlegung klarer und harmonisierter Normen, bei deren Durchsetzung den Mitgliedstaaten größtmögliche Flexibilität eingeräumt werden sollte, vom Standpunkt der Kostenwirksamkeit und der Verhältnismäßigkeit der beste Ansatz für den Umgang mit den prioritären Stoffen ist. Wenn die Mitgliedstaaten nachweisen können, dass zusätzliche Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene erforderlich sind, gibt es im Rahmen der vorhandenen Instrumente verschiedene Mechanismen, mit denen sie dies bei der Kommission zur Diskussion stellen können.

2.3. Auswirkungen des Vorschlags

In der Folgenabschätzung wurden die sozioökonomischen Kosten der gewählten Option 2 untersucht. Die Kosten wurden auf etwa 700 Millionen EUR jährlich veranschlagt, was deutlich unter denen von Option 3 liegt. Option 2, also die Festsetzung harmonisierter UQN auf EU-Ebene, ging eindeutig als beste politische Option aus der Folgenabschätzung hervor.

Nach diesen Folgenabschätzungen wurden weitere Untersuchungen vorgenommen. So zeigten Schätzungen der derzeitigen Einhaltung der vorgeschlagenen UQN, dass der Konformitätsgrad bereits höher ist als in der Kostenuntersuchung erwartet. Bei organischen Stoffen dürfte der Konformitätsgrad meist über 75 % liegen, bei Metallen zwischen 50 und 80 %. Es gibt jedoch eine große Datenlücke, da aus den neuen Mitgliedstaaten und für bestimmte prioritäre Stoffe keine Überwachungsergebnisse vorliegen. Bei Nickel, Blei und einigen organischen Stoffen liegt der Konformitätsgrad unter den oben genannten Werten.

Für eine Feinabstimmung der Wahlmöglichkeiten und Strategien bei der Festlegung harmonisierter UQN wurde eine Reihe von Unteroptionen geprüft. Am wichtigsten war die Entscheidung, eine Verbindung zu den im Rahmen anderer EU-Rechtsvorschriften vorgenommenen Risikobewertungen herzustellen und so für Kohärenz zwischen den verschiedenen Politikbereichen zu sorgen. Einige dieser Risikobewertungen sind noch im Gang, und vor allem für Nickel und Blei ist nur schwer vorherzusehen, wann sie abgeschlossen sein werden. Die Kommission wird daher auf jeden Fall ihren UQN-Vorschlag ändern, sollte sich herausstellen, dass große Unterschiede zwischen den endgültigen Risikobewertungen und dem vorliegenden Vorschlag bestehen.

Weitere Unteroptionen betreffen die verschiedenen Ansätze zur Festlegung von UQN für Sedimente, Biota, Metalle und Trinkwasserschutzgebiete. Erörtert wurden auch Fragen der Analyse und Überwachung. Es wurden generelle die Unteroptionen ausgewählt, die minimale Auswirkungen bei einem hohen Umweltschutzniveau bieten.

Dank des Peer-Reviews der UQN durch den SCTEE und einer breiteren schriftlichen Konsultation der Vorschlagsentwürfe konnte der Vorschlag schließlich gestrafft werden, z. B. indem einige verbindliche Ziele für Emissionsbegrenzungen herausgenommen wurden. Außerdem wurden die vorgeschlagenen UQN mehrerer prioritärer Stoffe auf der Grundlage neuer Daten und der Bemerkungen des SCTEE aktualisiert. In den meisten Fällen (z. B. bei Nickel, Blei, Quecksilber, Nonylphenol und PAK) führten wissenschaftliche Überprüfungen zu weniger strengen UQN.

Diese Anpassungen dürften zu besseren Konformitätsgraden führen und die wirtschaftlichen Auswirkungen des Vorschlags abmildern.

2.4. Vorteile des Vorschlags

Bei der Folgenabschätzung wurden die vorgeschlagenen Maßnahmen auch in Bezug auf ihre direkten wirtschaftlichen Vorteile und auf die Vorteile eines Nutzungsverzichts untersucht. Wie auch bei anderen Folgenabschätzungen ist es in dieser Phase nicht möglich, die Vorteile zu quantifizieren und als Gesamtzahl auszudrücken. Ein direkter wirtschaftlicher Vorteil ist beispielsweise, dass geringere Kosten für die Trinkwasseraufbereitung anfallen und weniger kontaminierte Sedimente abgelagert werden, wobei sich die Einsparungen auf bis zu 100-400 Millionen EUR jährlich belaufen können. Es ist jedoch nicht zu erwarten, dass dieses Einsparpotenzial voll ausgeschöpft werden kann, da auch nach der Umsetzung des Vorschlags noch eine gewisse Aufbereitung von Trinkwasser nötig sein dürfte, um prioritäre Stoffe zu entfernen.

Darüber hinaus wird mit Vorteilen für die Fischerei und den Schalentiersektor sowie mit besseren Absatzmöglichkeiten für Anbieter sauberer Technologien gerechnet. Es dürfte auch eine Reihe weiterer ökologischer und sozialer Vorteile geben wie den Schutz und die Erhaltung der biologischen Vielfalt, eine geringere Exposition von Badenden und Surfern gegenüber Schadstoffen, sauberere Sedimente und weniger Akkumulierung in der Nahrungsmittelkette z. B. über Nutztiere und Wild, die Flüsse und Seen als Tränken nutzen.

Schließlich dürfte der Vorschlag auch den Verwaltungsaufwand erheblich verringern. Dank der harmonisierten UQN ist es nicht mehr erforderlich, dass alle Mitgliedstaaten vergleichbare Vorarbeiten durchführen, um fundierte wissenschaftliche Normen festzulegen. Der Vorschlag rationalisiert und vereinfacht auch die Überwachungs- und Berichterstattungspflichten, namentlich durch die Aufhebung der fünf Richtlinien.

3. GEZIELTE MASSNAHMEN GEGEN PRIORITÄRE STOFFE IM RAHMEN DERZEITIGER POLITIKBEREICHE

Der Richtlinienvorschlag enthält, wie bereits erwähnt, keine zusätzlichen Emissionsbegrenzungsmaßnahmen. Die Kommission ist der Auffassung, dass es bereits ausreichend Rechtsinstrumente gibt, die die Mitgliedstaaten anwenden können, um die WRRL-Ziele für prioritäre Stoffe zu erfüllen. Sie schlägt jedoch einige konkrete Maßnahmen vor, um die Zielgerichtetheit und Wirksamkeit der einschlägigen EU-Rechtsvorschriften für die Zwecke der WRRL noch weiter zu verbessern.

Maßnahme 1: Änderung von Richtlinien

Mehrere Richtlinien müssen im Zeitraum 2006-2007 überprüft und geändert werden, namentlich die Richtlinien 96/61/EG und 91/414/EWG. Die Kommission will mit den Überprüfungen herausfinden, ob diese Instrumente so geändert werden können, dass sie die durch prioritäre Stoffe verursachte Verschmutzung noch wirksamer verhindern oder begrenzen können. Bei der IVU-Richtlinie würde dazu unter anderem eine ausdrückliche Bezugnahme auf prioritäre Stoffe in den Genehmigungsverfahren gehören. Bei der Pestizidrichtlinie sind unter anderem die Risiken für die Meeresumwelt stärker zu berücksichtigen. Außerdem werden zurzeit Modelle für die Exposition auf Ebene des Einzugsgebiets erarbeitet, bei denen anderen Risiken Rechnung getragen wird, wie z. B. denen für die Trinkwassergewinnung. Diese Modelle sollen dann in Zukunft im Risikobewertungsverfahren verwendet werden.

Maßnahme 2: Bessere Umsetzung und Durchsetzung der Vorschriften

Das geltende Gemeinschaftsrecht sieht bereits vor, dass die Mitgliedstaaten die Emissionen, Einleitungen und Verluste von prioritären Stoffen begrenzen können oder müssen , doch leider werden diese Vorschriften nicht auf konsequente und vergleichbare Weise angewandt. So hätten z. B. im Rahmen der Richtlinie 76/464/EWG Umweltqualitätsnormen für Schadstoffe festgelegt werden können und sollen. Wenn diese Qualitätsnormen regelmäßig überschritten werden, können die Mitgliedstaaten je nach den Gründen für die Überschreitung eine von zahlreichen Maßnahmen aus unterschiedlichen Politikbereichen treffen, darunter die Richtlinie 91/414/EWG (z. B. Überprüfung der Zulassung) oder die Richtlinie 96/61/EG (z. B. Überprüfung der Genehmigungen). Während Beschränkungen der Herstellung, des Inverkehrbringens und der Verwendung bestimmter gefährlicher Stoffe im Prinzip auf europäischer Ebene geregelt sind und dies auch in Zukunft so bleiben sollte, können die Mitgliedstaaten bei einer Gefährdung der aquatischen Umwelt unter bestimmten strengen Bedingungen, die im Vertrag festgelegt sind, Inverkehrbringen und Verwendung dieser Stoffe auch durch einzelstaatliche Vorschriften beschränken[18].

Um die Durchführung und Umsetzung des geltenden Gemeinschaftsrechts zu verbessern, wird die Kommission im Rahmen der Gemeinsamen Umsetzungsstrategie einen Informationsaustausch zwischen Kommission und Mitgliedstaaten einrichten, damit Informationen und Meinungen über die bestehenden Möglichkeiten und über erfolgreiche Lösungen und beste Verfahrensweisen ausgetauscht werden können.

Maßnahme 3: Einführung von Verfahren, mit denen die Mitgliedstaaten die Notwendigkeit von Gemeinschaftsmaßnahmen nachweisen können

Die Kommission will ein gestrafftes und zielgerichtetes Regelwerk mit klaren und transparenten Verfahren einführen, nach denen die Mitgliedstaaten die relevanten Informationen über prioritäre Stoffe, für die eine Entscheidung auf Gemeinschaftsebene zu treffen ist, übermitteln können. Diese Verfahren könnten sich auf Artikel 12 der WRRL stützen und sollten den Zeitplan, den Prozess und das Format für die Übermittlung von Informationen an die für das betreffende Instrument zuständigen Ausschüsse und Entscheidungsträger vorsehen.

Maßnahme 4: Bessere Verfügbarkeit von Informationen

Die bereits erwähnte Informationslücke muss in den kommenden Jahren geschlossen werden. Die Umsetzung des Europäischen Schadstofffreisetzungs- und –verbringungsregisters[19] wird hierzu beitragen. Zusätzlich zu den Informationen über Einleitungen, Emissionen und Verluste wird die Kommission Angaben zu den prioritären Stoffen einholen, insbesondere zu Umweltqualität, Trends, Freisetzungen und Wirkungspfaden in der aquatischen Umwelt. Hierzu entwickelt sie zusammen mit der EUA, der GFS und ESTAT bereits ein gemeinsames „Wasserinformationssystem für Europa“ (WISE)[20].

4. SCHLUSSFOLGERUNG

Die Wasserrahmenrichtlinie und der vorliegende Kommissionsvorschlag für eine Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik enthalten klare, ehrgeizige und nachhaltige Ziele für prioritäre Stoffe in Oberflächengewässern. Mit diesen Zielen soll in Bezug auf die Exposition gegenüber diesen Chemikalien im Wasser ein hohes Schutzniveau für die aquatische Umwelt und die menschliche Gesundheit erreicht werden. Darüber hinaus sollen für die Wirtschaft im Binnenmarkt vergleichbare Bedingungen hergestellt werden.

Die Kommission ist der Auffassung, dass den Mitgliedstaaten im Einklang mit dem Subsidiaritätsprinzip größtmögliche Flexibilität eingeräumt werden sollte, damit diese Ziele mit den vom Standpunkt der Kostenwirksamkeit und Verhältnismäßigkeit besten Maßnahmen erreicht werden können. Daher schlägt sie in der Richtlinie keine spezifischen und zusätzlichen Maßnahmen vor, sondern will die breite Palette der bereits vorhandenen Gemeinschaftsinstrumente nutzen und ihre Wirksamkeit wie in dieser Mitteilung erläutert verbessern.

Das EU-Regelwerk stellt - wenn es in seiner Gesamtheit angewandt wird – ein solides Netz von miteinander in Wechselwirkung stehenden Politikbereichen für den Umgang mit diesem multidimensionalen und komplexen Problem dar. Mit zunehmendem Wissen über Umweltbelastungen, den Zustand der Umwelt und die Auswirkungen auf sie werden wir aber in diesem umfassenden Netz unweigerlich auf Bereiche stoßen, die verbessert werden können, und auf Lücken, die zu schließen sind.

[1] Richtlinie 2000/60/EG vom 23. Oktober 2000 zur Schaffung eines Ordnungsrahmens für Maßnahmen der Gemeinschaft im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 327 vom 22.12.2000, S. 1), geändert durch die Entscheidung 2455/2001/EG vom 20. November 2001 zur Festlegung der Liste prioritärer Stoffe im Bereich der Wasserpolitik (ABl. L 331 vom 15.12.2001, S. 1).

[2] Artikel 16 der WRRL: In der ersten Liste prioritärer Stoffe, die mit der Entscheidung 2455/2001/EG (siehe Fußnote 1) angenommen wurde, wurden 33 prioritäre Stoffe bzw. Stoffgruppen ausgewählt. Weitere Informationen über die Methodik und die Ergebnisse der Prioritätensetzung: http://europa.eu.int/comm/environment/water/water-dangersub/pri_substances.htm

[3] KOM(2006) 397 endg.

[4] Definiert als die einzelnen Stoffe, die zu den in Anhang VIII Nummern 1 bis 9 der WRRL genannten Stoffgruppen und -familien gehören.

[5] Richtlinie 91/271/EWG des Rates (ABl. L 135 vom 30.5.1991, S. 40).

[6] Richtlinie 91/676/EWG des Rates (ABl. L 375 vom 31.12.1991, S. 1).

[7] ABl. L 129 vom 18.5.1976, S. 23.

[8] Richtlinien 82/176/EWG, 83/513/EWG, 84/156/EWG, 84/491/EWG und 86/280/EWG (geändert durch die Richtlinien 88/347/EWG und 90/415/EWG).

[9] KOM(90) 9 endg. vom 8.2.1990 (ISBN 92-77-57387-2).

[10] Richtlinie 96/61/EG (ABl. L 257 vom 10.10.1996, S. 26)

[11] Siehe KOM(98) 76 endg. (ABl. C 108 vom 7.4.1998, S. 94) zur Änderung von KOM(97) 614 endg. (ABl. C 16 vom 20.1.1998, S. 14) und KOM(97) 49 endg. (ABl. C 184 vom 17.6.1997, S. 20).

[12] europa.eu.int/comm/environment/water/water-framework/library.htm

[13] Das Hauptproblem war das auf zwei Optionen – entweder Emissionsgrenzwerte oder Umweltziel – basierende Konzept. Mit der WRRL wurde ein Ansatz eingeführt, der die Vorteile dieser beiden Konzepte kombiniert. Außerdem fehlten verbindliche Fristen für die Umsetzung und Mindestschwellen für geringfügige Verschmutzung. Die Aufteilung der Zuständigkeiten auf die Europäische Kommission und die Mitgliedstaaten war auch unklar. Einige dieser Probleme hätten mit einem Leitfaden für die Umsetzung gelöst werden können, der seinerzeit jedoch nicht vorlag.

[14] Siehe Fußnoten 1 und 2.

[15] SEK(2006) 947

[16] Zum Beispiel die Entscheidungen über die Nichtaufnahme bestimmter Pestizide in Anhang I der Richtlinie 91/414/EWG (siehe Entscheidung 2004/247/EG für Simazin, Entscheidung 2004/248/EG für Atrazin) oder der Vorschlag für eine Richtlinie über die Bewirtschaftung von Abfällen aus der mineralgewinnenden Industrie (KOM(2003) 319 endg.) oder Vorschläge zur Beschränkung des Inverkehrbringens und der Verwendung im Rahmen der Richtlinie 76/769/EWG (z. B. für Pentachlordiphenylether und Trichlorbenzole) oder die Gemeinschaftsstrategie für Quecksilber (KOM(2005) 20 endg.) oder die POP-Verordnung (EWG) Nr. 850/2004 über persistente organische Schadstoffe.

[17] REACH-Vorschlag (KOM(2003) 644 endg.)

[18] Siehe z. B. Entscheidung 2002/884/EG der Kommission vom 31. Oktober 2002 (ABl. L 308 vom 9.11.2002, S. 30).

[19] Verordnung (EG) Nr. 166/2006 (ABl. L 33 vom 4.2.2006, S. 1).

[20] Siehe Strategiepapier über WISE: http://europa.eu.int/comm/environment/water/water-framework/transposition.html.

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