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Document 52005PC0087

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen {SEK(2005) 351} {SEK(2005) 352}

/* KOM/2005/0087 endg. - COD 2005/0020 */

52005PC0087

Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen {SEK(2005) 351} {SEK(2005) 352} /* KOM/2005/0087 endg. - COD 2005/0020 */


Brüssel, den 15.3.2005

KOM(2005) 87 endgültig

2005/0020 (COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

(von der Kommission vorgelegt) {SEK(2005) 351}{SEK(2005) 352}

BEGRÜNDUNG

1. EINFÜHRUNG UND HINTERGRUND

1.1. Einführung

Nach dem Ersten Programm für eine Politik zum Schutz und zur Unterrichtung der Verbraucher aus dem Jahr 1975[1] und dem Grünbuch über den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt von 1993[2] nahm die Kommission 1996 eine Mitteilung zu einem Aktionsplan für den Zugang der Verbraucher zum Recht und die Beilegung von Rechtsstreitigkeiten der Verbraucher im Binnenmarkt an[3]. Schwerpunkt des Aktionsplans waren die Förderung und Beschleunigung von Verfahren zur Beilegung individueller Verbraucherrechtsstreitigkeiten und ein einfacherer Zugang zu den Gerichten. Mit dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam im Jahr 1999 hat sich die Europäische Union selbst das Ziel gesetzt, einen Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts zu schaffen. Dazu gehört auch die Annahme von Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen.

Im gleichen Jahr ersuchte auch der Europäische Rat von Tampere den Rat, besondere gemeinsame Verfahrensregeln für vereinfachte und beschleunigte grenzüberschreitende Gerichtsverfahren bei Ansprüchen mit geringem Streitwert einzuführen und die Zwischenmaßnahmen, die nach wie vor zur Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen oder Urteilen im ersuchten Staat notwendig sind, bei sämtlichen Titeln aufgrund von Ansprüchen mit geringem Streitwert (d. h. nicht nur verbraucherrechtlicher Art) abzuschaffen.

Im gemeinsamen Maßnahmenprogramm der Kommission und des Rates zur Umsetzung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung gerichtlicher Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen vom 30. November 2000[4] wird u. a. gefordert, dass die Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert vereinfacht und beschleunigt werden muss. Auf diese Weise würde auch die Anerkennung und Vollstreckung gerichtlicher Entscheidungen erleichtert.

Die Notwendigkeit einfacherer und schnellerer Gerichtsverfahren bei geringem Streitwert wurde auch vom Europäischen Parlament erkannt[5].

1.2. Das Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert

Der Annahme dieses Vorschlags gingen umfassende Konsultationen der Mitgliedstaaten und sämtlicher Interessengruppen der Zivilgesellschaft voraus. Das von der Kommission am 20. Dezember 2002 vorgelegte Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert[6] gibt einen Überblick über die entsprechenden in den Mitgliedstaaten existierenden Verfahren (Bagatellverfahren). Ausgehend von einer vergleichenden Untersuchung der gegenwärtig in den Mitgliedstaaten praktizierten Lösungen für die relevanten Verfahrensfragen wurden in dem Grünbuch eine Reihe von Fragen über Anwendungsbereich und Merkmale eines europäischen Rechtsinstruments formuliert.

Die Reaktionen auf das Grünbuch, die in einer von der Kommission veranstalteten öffentlichen Anhörung am 12. Dezember 2003 weiter erörtert wurden, zeigten, dass die Einführung einer Regelung zur Vereinfachung und Beschleunigung von Verfahren mit geringem Streitwert nahezu ausnahmslos als weiterer Schritt hin zu einem Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts betrachtet wird.

In seiner Stellungnahme[7] zum Grünbuch vom 18. Juni 2003 begrüßte der Europäische Wirtschafts- und Sozialausschuss die Initiative der Kommission, zu dieser Frage eine Konsultation durchzuführen, und äußerte sich generell positiv zu den Bemühungen der Kommission, Zivilverfahren schneller, kostengünstiger und effizienter zu machen. Er sprach sich dafür aus, ein europäisches Verfahren zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert zu schaffen. Dabei müsse allerdings gleichzeitig darauf geachtet werden, dass den Parteien rechtsstaatliche Verfahrensgarantien nicht vorenthalten werden.

Das Europäische Parlament begrüßte in seiner Stellungnahme[8] zum Grünbuch vom 12. Februar 2004 die Initiative der Kommission und führte weiter aus, dass das Bagatellverfahren nicht nur für Rechtssachen gelten sollte, die sich auf die Zahlung eines Geldbetrags nach Festlegung einer mit dem Streitwert zusammenhängenden Grenze beziehen, sondern auch auf alle anderen wirtschaftliche Beziehungen betreffenden Streitigkeiten im Bereich der Schuldverhältnisse ausgeweitet werden müsse. Auch sollten im Bagatellverfahren alternative Formen der Streitbeilegung (ADR) verwendet, die Beweisaufnahme vereinfacht und die Möglichkeit der Einlegung von Rechtsmitteln eingeschränkt werden.

Am 16. März 2004 wurde der Verordnungsentwurf zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen von den Sachverständigen der Mitgliedstaaten erörtert. Das Konzept wurde von den Delegationen allgemein befürwortet, d. h. Erlass einer Verordnung mit dem Ziel, als Alternative zu den weiterhin bestehenden innerstaatlichen Verfahren ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen einzuführen, um auf diese Weise Streitigkeiten mit geringem Streitwert einfacher und schneller beilegen zu können, und die Zwischenmaßnahmen als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten in solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen abzuschaffen.

2. ZIELSETZUNG UND ANWENDUNGSBEREICH

2.1. Übergeordnetes Ziel

2.1.1. Die Bedeutung effizienter Bagatellverfahren

Kosten, Zeitaufwand und Ärger nehmen nicht unbedingt proportional zur Höhe der Forderung ab. Im Gegenteil - je geringfügiger der Anspruch, desto schwerer wiegen diese Faktoren. Aus diesem Grund haben viele Mitgliedstaaten vereinfachte Zivilverfahren für Bagatellsachen eingeführt. Gleichzeitig steigt mit zunehmender Inanspruchnahme des durch den EG-Vertrag garantierten freien Personen-, Waren- und Dienstleistungsverkehrs die Zahl der Streitigkeiten mit grenzüberschreitendem Bezug. Die Schwierigkeiten, in einer grenzüberschreitenden Streitsache rasch und preiswert eine Entscheidung zu erwirken, sind deutlich größer als bei einer reinen Inlandssache. Häufig werden zwei Rechtsanwälte benötigt, und es entstehen Kosten durch die Inanspruchnahme von Übersetzern und Dolmetschern und durch die Anreise der Streitparteien, Zeugen, Rechtsanwälte usw.

Diese potenziellen Schwierigkeiten sind natürlich nicht auf Streitigkeiten zwischen Privatpersonen beschränkt. Auch Kleinunternehmer kann die Durchsetzung ihrer Ansprüche in einem anderen Mitgliedstaat vor Probleme stellen. Wenn es an Verfahren fehlt, deren Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum Streitwert stehen, ist es für den Gläubiger fraglich, ob der Rechtsweg in seinem Fall wirtschaftlich sinnvoll ist. Die Kosten, die damit verbunden sind, ein Urteil gegen einen Schuldner in einem anderen Mitgliedstaat zu erwirken, stehen häufig in keinem Verhältnis zu der Summe, um die es geht. Viele Gläubiger geben angesichts der Verfahrenskosten und entmutigt durch die zu erwartenden praktischen Schwierigkeiten jede Hoffnung auf, Ansprüche, die ihnen ihrer Ansicht nach rechtmäßig zustehen, tatsächlich durchsetzen zu können.

2.1.2. Charakteristische Merkmale der Bagatellverfahren - Verfahrensvereinfachung

Viele Mitgliedstaaten haben im Rahmen ihres Verfahrensrechts und ihrer Rechtstradition besondere Vorschriften für Streitigkeiten mit geringem Streitwert eingeführt, die eine Verfahrensvereinfachung gegenüber dem ordentlichen Verfahren vorsehen. Dabei ist es nicht weiter überraschend, dass unterschiedliche Lösungswege beschritten wurden. Während einige Mitgliedstaaten spezielle Verfahren für geringfügige Forderungen eingeführt haben, bieten andere bei Bagatellsachen lediglich gewisse Verfahrensvereinfachungen. Unterschiede bestehen auch hinsichtlich des Grads der Verfahrensvereinfachung.

In Spanien, Irland, Schweden und im Vereinigten Königreich (England/Wales, Schottland und Nordirland) gibt es spezielle Verfahren, die gegenüber den ordentlichen Verfahren in mehreren Punkten einfacher gestaltet sind. In Deutschland können die Gerichte das Verfahren bei geringfügigen Forderungen nach eigenem Ermessen gestalten. In Frankreich ist die Einleitung des Verfahrens für geringfügige Forderungen durch einfache Erklärung bei der Geschäftsstelle des Gerichts (“déclaration au greffe”) vereinfacht worden. Die Zivilprozessordnung Österreichs, Finnlands, der Niederlande und anderer Mitgliedstaaten enthält eine Reihe von Verfahrensvereinfachungen gegenüber dem ordentlichen Verfahren, die bei Streitsachen unterhalb einer bestimmten Streitwertgrenze Anwendung finden. Obwohl diese Verfahrensvereinfachungen streng genommen nicht als eigenständiges Verfahren für geringfügige Forderungen angesehen werden können, führen sie in der Praxis zu einem ganz ähnlichen Ergebnis.

Die wichtigsten Merkmale der einzelstaatlichen Bagatellverfahren und Verfahrensvereinfachungen lassen sich wie folgt zusammenfassen[9]:

- In allen Mitgliedstaaten, die Bagatellverfahren kennen, gelten für derartige Verfahren bestimmte Streitwertgrenzen, die jedoch sehr unterschiedlich sind[10]. Manche Mitgliedstaaten wenden das Bagatellverfahren überdies unabhängig von einer Streitwertgrenze auf bestimmte Arten von Streitigkeiten an. In den meisten Mitgliedstaaten, die über Bagatellverfahren verfügen, gelten derartige Verfahren nicht nur für Geldforderungen. Die Anwendung des vereinfachten Verfahrens ist in den meisten Fällen obligatorisch (für Streitigkeiten unterhalb der Streitwertgrenze). Gleichwohl kann eine Streitsache vom Richter oder auf Antrag einer Partei in das ordentliche bzw. ein förmlicheres Verfahren übergeleitet werden.

- Für die Geltendmachung einer geringfügigen Forderung gibt es vielfach bereits entsprechende Vordrucke. Kein Mitgliedstaat schreibt vor, dass der Vordruck Angaben zur Rechtsgrundlage enthalten muss; nur die Tatsachen müssen vorgetragen werden. In den meisten Mitgliedstaaten ist ein Gerichtsbediensteter oder ein Helpdesk bei der Einleitung des Verfahrens behilflich. Darüber hinaus steht der Richter einer nicht anwaltlich vertretenen Partei während der Verhandlung insbesondere in Verfahrensfragen unter Wahrung der Unparteilichkeit bei. Gegenwärtig besteht in keinem Mitgliedstaat in Verfahren mit geringem Streitwert Anwaltszwang.

- Ein entscheidender Aspekt von Bagatellverfahren ist in den meisten Mitgliedstaaten eine vereinfachte Beweisregelung. In vielen Fällen wird dem Richter in dieser Hinsicht ein gewisses Ermessen eingeräumt. Vielfach gibt es auch die Möglichkeit eines rein schriftlichen Verfahrens (anstelle einer mündlichen Verhandlung). An den Inhalt des Urteils werden in einigen Fällen zudem geringere Anforderungen gestellt. In vielen Mitgliedstaaten ist die Urteilsverkündung fristgebunden. Große Unterschiede gibt es bei der Kostenregelung. In den meisten Mitgliedstaaten hat der Antragsgegner, wenn er unterliegt, sämtliche Kosten zu tragen. Die Möglichkeit, gegen Entscheidungen in Verfahren mit geringem Streitwert Rechtsmittel einzulegen, ist in den Mitgliedstaaten ebenfalls sehr unterschiedlich geregelt.

2.2. Anwendungsbereich

2.2.1. Handlungsbedarf auf Gemeinschaftsebene

Artikel 65 EG-Vertrag überträgt der Gemeinschaft Legislativbefugnisse im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen mit grenzüberschreitenden Bezügen, soweit dies für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist.

Die Gemeinschaftsorgane verfügen in Bezug auf das Binnenmarkt-Kriterium über ein gewisses Ermessen, um zu entscheiden, ob eine Maßnahme für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlich ist. Im vorliegenden Fall wird das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen dazu beitragen, Hindernisse für den freien Waren-, Personen-, Dienstleistungs- oder Kapitalverkehr auszuräumen, und so das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erleichtern. Wie oben ausgeführt (2.1.2), weisen die Bagatellverfahren der Mitgliedstaaten große Unterschiede auf. Einzelstaatliche gerichtliche Verfahren, die den Wirtschaftsteilnehmern in der EU keinen vergleichbar leistungsfähigen Rechtsschutz bieten, führen unabhängig davon, ob die Beteiligten in demselben Mitgliedstaat wohnhaft sind oder nicht, zu einer Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt, da die Wettbewerbsbedingungen in diesem Fall nicht für alle gleich sind. Die Unterschiede im Recht der Mitgliedstaaten behindern das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts. Besteht demnach ein ausgeprägtes Leistungsgefälle zwischen den prozessualen Mitteln, die die verschiedenen nationalen Rechtsordnungen den Gläubigern zur Verfügung stellen, so läuft dies auf eine Wettbewerbsverzerrung im Binnenmarkt hinaus. Ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen würde mithin zum reibungslosen Funktionieren des Binnenmarkts beitragen.

Was den erforderlichen grenzüberschreitenden Bezug anbelangt, so sei darauf hingewiesen, dass in den meisten Sprachfassungen des EG-Vertrags nicht von “measure” (“Maßnahme”) die Rede ist, sondern von “matter” („Sache“). Es ist mithin notwendig und ausreichend, wenn die „Sache“ einen grenzüberschreitenden Bezug aufweist. Diese Auslegung wird durch Artikel 65 Buchstabe c) bestätigt, wonach zu den Maßnahmen im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen auch die Beseitigung der Hindernisse für eine reibungslose Abwicklung der Zivilverfahren zählt, sowie durch Artikel III-269 des Vertrags über die Verfassung der Europäischen Union.

Das Verfahrensrecht kann seinem Wesen nach grenzüberschreitende Bezüge haben. Das Gericht wendet stets die lex fori an, unabhängig davon, ob der Rechtsstreit einen Auslandsbezug aufweist oder nicht. Streitigkeiten mit geringem Streitwert weisen insofern einen grenzüberschreitenden Bezug auf, als die meisten Unternehmer und Verbraucher angesichts der Entwicklung des Binnenmarkts früher oder später in solche Streitigkeiten im Ausland verwickelt werden dürften.

Eine auch auf reine Inlandssachen anwendbare Maßnahme, die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts notwendig ist, weil auf diese Weise Wettbewerbsverzerrungen zwischen Wirtschaftsbeteiligten aus verschiedenen Mitgliedstaaten beseitigt werden, weist notwendigerweise einen Auslandsbezug auf, weil die Einführung eines effizienten Verfahrens für geringfügige Forderungen in allen Mitgliedstaaten zu gleichen Bedingungen in Bezug auf den Zugang zur Justiz beiträgt.

Das Binnenmarkt-Erfordernis in Artikel 65 ist deshalb enger als das Kriterium des Auslandsbezugs. Eine Maßnahme, die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts notwendig ist, hat zwangsläufig Auswirkungen über die Landesgrenzen hinaus, während eine Maßnahme mit Auslandsbezug nicht ohne weiteres für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts notwendig sein muss. Diese Auslegung wird auch durch die Vorgeschichte von Artikel 65 bestätigt, da das Binnenmarkt-Kriterium erst im späteren Verlauf der Verhandlungen eingefügt wurde, um den Anwendungsbereich der Bestimmung zu beschränken. Die Verfasser des Artikels 65 können eine engere Auslegung nicht intendiert haben, da dies neue Hindernisse für den Zugang zur Justiz im Europäischen Rechtsraum schaffen würde. Jedes Rechtsinstrument müsste andernfalls seine eigene Definition des Auslandsbezugs haben, da diese Definition fast zwangsläufig je nach Regelungsgegenstand unterschiedlich wäre, was die Anwendung dieser Rechtsinstrumente erheblich erschweren würde.

Es wäre nicht nur unangebracht, sondern geradezu kontraproduktiv, den Anwendungsbereich des europäischen Bagatellverfahrens auf Fälle mit Auslandsbezug zu beschränken.

Man sollte vermeiden, für Inlandssachverhalte und Sachverhalte mit Auslandsbezug verschiedene Regelungen einzuführen. Eine solche Doppelregelung stünde im Widerspruch zu dem angestrebten einheitlichen, kohärenten Rechtsraum für alle.

Zudem gibt es, wie oben ausgeführt, nicht in allen Mitgliedstaaten rasche und kostengünstige Verfahren für geringfügige Forderungen. Fehlt es an Verfahren, deren Kosten in einem angemessenen Verhältnis zum Streitwert stehen, stellt sich den Gläubigern in vielen Fällen die Frage, ob der Rechtsweg wirtschaftlich sinnvoll ist, so dass sie häufig auf weitere gerichtliche Schritte verzichten. Diese Beschränkung des Zugangs zur Justiz in der Praxis verursacht wirtschaftliche Kosten, die beträchtliche negative makroökonomische Auswirkungen auf das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts haben.

2.2.2. Subsidiarität und Verhältnismäßigkeit

Das Ziel dieses Vorschlags, Streitigkeiten mit geringem Streitwert im Wege eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen einfacher und schneller beizulegen, kann von den Mitgliedstaaten selbst nicht ausreichend verwirklicht werden, da sie die Gleichwertigkeit der anwendbaren Vorschriften innerhalb der Gemeinschaft nicht garantieren können. Dieses Ziel lässt sich deshalb nur auf Gemeinschaftsebene erreichen.

Der vorliegende Vorschlag ist mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar, da er sich auf das für die Erreichung des Ziels unbedingt erforderliche Minimum beschränkt. In diesem Zusammenhang sei insbesondere auf die Art des gewählten Rechtsinstruments (Verordnung) und den fakultativen Charakter des europäischen Bagatellverfahrens gegenüber vergleichbaren einzelstaatlichen Verfahren verwiesen. Die hier vorgeschlagene Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten lediglich dazu, das europäische Verfahren als zusätzliches Instrument zur Verfügung zu stellen, und sorgt dabei gleichzeitig für dessen Einheitlichkeit und unmittelbare Anwendbarkeit. Die Mitgliedstaaten sind weder gezwungen, ihre einschlägigen Regelungen aufzuheben oder zu ändern, noch sie mit dem Gemeinschaftsrecht in Einklang zu bringen. Der Verordnungsvorschlag, der den Mitgliedstaaten die Anwendung ihrer innerstaatlichen Vorschriften parallel zum europäischen Verfahren gestattet, greift somit weitaus weniger in das einzelstaatliche Verfahrensrecht ein als eine Richtlinie, bei der die nationalen Rechtsvorschriften den Richtlinienvorgaben angepasst werden müssten. Diese Rechtsetzungstechnik gewährleistet de facto ein gemeinsames Mindestmaß an Effizienz bei der Beitreibung unbestrittener Forderungen und gibt den Mitgliedstaaten, die ein noch besseres System entwickelt haben, gleichzeitig das Recht, dieses System beizubehalten. Letztlich bleibt es dem Gläubiger überlassen zu beurteilen, welches Verfahren er für leistungsfähiger oder praktischer hält, wobei der letzte Aspekt vor allem für diejenigen von Belang ist, die in mehreren Mitgliedstaaten tätig sind und somit dank des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen der Mühe enthoben werden, sich mit dem Verfahrensrecht jedes einzelnen Staats vertraut machen zu müssen. Laut Artikel 17 schließlich gilt „für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen … das Verfahrensrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt“. Die Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen erfordert somit keine weitere Angleichung des einzelstaatlichen Verfahrensrechts und beschränkt damit die Kollision mit dem einzelstaatlichen Recht auf ein absolutes Minimum.

2005/0020 (COD)

Vorschlag für eine

VERORDNUNG DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES

zur Einführung eines europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen

DAS EUROPÄISCHE PARLAMENT UND DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION -

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf Artikel 61 Buchstabe c),

auf Vorschlag der Kommission[11],

nach Stellungnahme des Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschusses[12],

gemäß dem Verfahren des Artikels 251 EG-Vertrag[13],

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1) Die Europäische Union hat sich zum Ziel gesetzt, die Union als Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts, in dem der freie Personenverkehr gewährleistet ist, zu erhalten und weiterzuentwickeln. Zum schrittweisen Aufbau dieses Raums erlässt die Gemeinschaft unter anderem im Bereich der justiziellen Zusammenarbeit in Zivilsachen die für das reibungslose Funktionieren des Binnenmarkts erforderlichen Maßnahmen.

(2) Die Gemeinschaft hat hierzu unter anderem bereits folgende Maßnahmen erlassen: Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 des Rates vom 29. Mai 2000 über die Zustellung gerichtlicher und außergerichtlicher Schriftstücke in Zivil- oder Handelssachen in den Mitgliedstaaten[14], Entscheidung 2001/470/EG des Rates vom 28. Mai 2001 über die Einrichtung eines Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen[15], Verordnung (EG) Nr. 44/2001 des Rates vom 22. Dezember 2000 über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen[16] und Verordnung (EG) Nr. 805/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. April 2004 zur Einführung eines europäischen Vollstreckungstitels für unbestrittene Forderungen[17].

(3) Am 20. Dezember 2002 nahm die Kommission ein Grünbuch über ein Europäisches Mahnverfahren und über Maßnahmen zur einfacheren und schnelleren Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert[18] an, das Gegenstand einer umfassenden Konsultation war.

(4) Da der mit einem Rechtsstreit verbundene Kosten-/Zeitaufwand und Ärger nicht unbedingt proportional zur Höhe der Forderung abnimmt, haben viele Mitgliedstaaten für geringfügige Forderungen ein vereinfachtes Zivilverfahren eingeführt. Die Schwierigkeiten, in einer Streitsache mit Auslandsbezug rasch und preiswert eine Entscheidung zu erwirken, sind größer als bei einer reinen Inlandssache. Es ist daher erforderlich, ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen einzuführen. Mit einem solchen kosten- und zeitsparenden europäischen Verfahren soll der Zugang zur Justiz erleichtert werden.

(5) Das funktionale Missverhältnis zwischen den den Gläubigern in den einzelnen Mitgliedstaaten gebotenen prozessualen Mitteln hat eine Verfälschung des Wettbewerbs im Binnenmarkt zur Folge, die durch eine Gemeinschaftsregelung berichtigt werden muss, die für Gläubiger und Schuldner in der gesamten Europäischen Union gleiche Ausgangsbedingungen schafft.

(6) Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen sollte auch auf reine Inlandssachverhalte anwendbar sein, um Wettbewerbsverzerrungen zwischen Wirtschaftsbeteiligten aus verschiedenen Mitgliedstaaten zu beseitigen und einen Zugang zur Justiz in allen Mitgliedstaaten zu gleichen Bedingungen zu ermöglichen.

(7) Mit dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen als Alternative zu den weiterhin bestehenden innerstaatlichen Verfahren, die davon nicht berührt werden, sollten Streitigkeiten mit geringem Streitwert einfacher und schneller beigelegt werden, mit einer entsprechenden Senkung der Kosten. Diese Verordnung sollte ebenfalls die Anerkennung und Vollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten in solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen, einschließlich der Entscheidungen in ursprünglich reinen Inlandssachen, erleichtern.

(8) Der Einfachheit halber sollte der Antragsteller das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen mit Hilfe eines Antragsformulars einleiten, das ausgefüllt beim zuständigen Gericht einzureichen ist.

(9) Um Kosten und Zeit zu sparen, sollten Schriftstücke per Einschreiben mit Rückschein oder auf einfacherem Weg unter anderem mit einfachem Schreiben, Fax oder E-Mail zugestellt werden. Das Verfahren sollte schriftlich durchgeführt werden, es sei denn, das Gericht hält eine mündliche Verhandlung für notwendig. Auf Anwaltszwang sollte verzichtet werden.

(10) Das Gericht sollte über die Möglichkeit verfügen, eine mündliche Verhandlung im Wege einer Audio-, Video- oder E-Mail-Konferenz abhalten. Es sollte ihm ebenfalls ermöglicht werden, die Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme nach eigenem Ermessen zu bestimmen und die Beweisaufnahme mittels Telefon, schriftlicher Zeugenaussagen sowie über Audio-, Video- oder E-Mail-Konferenz zuzulassen.

(11) Das Gericht sollte den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens beachten.

(12) Um Streitigkeiten schneller beilegen zu können, , sollte die Entscheidung innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung des Antragsformulars ergehen.

(13) Um die Beitreibung geringfügiger Forderungen zu beschleunigen, sollte die Entscheidung, unbeschadet eines möglichen Rechtsmittels und ohne dass eine Sicherheitsleistung erbracht werden muss, sofort vollstreckbar sein.

(14) Um die Kosten zu senken, sollte die unterlegene Partei, wenn es sich um eine natürliche Person handelt, die nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Rechtsbeistand vertreten ist, nicht verpflichtet werden, die Gebühren des Rechtsanwalts oder sonstigen Rechtsbeistands der anderen Partei zu erstatten.

(15) Um die Anerkennung und Vollstreckung zu erleichtern, sollte eine in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt werden, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann.

(16) Diese Verordnung steht im Einklang mit den Grundrechten und Grundsätzen, insbesondere mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union. Sie zielt vor allem darauf ab, die uneingeschränkte Wahrung des Rechts auf ein faires Verfahren, wie es in Artikel 47 der Grundrechtscharta verankert ist, zu gewährleisten.

(17) Die zur Durchführung dieser Verordnung erforderlichen Maßnahmen sollten gemäß dem Beschluss 1999/468/EG des Rates vom 28. Juni 1999 zur Festlegung der Modalitäten für die Ausübung der der Kommission übertragenen Durchführungsbefugnisse[19] erlassen werden.

(18) Da die Ziele der beabsichtigten Maßnahme , nämlich die Beilegung von Streitigkeiten mit geringem Streitwert zu vereinfachen und zu beschleunigen sowie die Kosten zu verringern, auf Ebene der Mitgliedstaaten nicht ausreichend erreicht werden können und daher besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind, kann die Gemeinschaft im Einklang mit dem in Artikel 5 EG-Vertrag niedergelegten Subsidiaritätsprinzip tätig werden. Entsprechend dem in demselben Artikel genannten Verhältnismäßigkeitsprinzip geht diese Verordnung nicht über das für die Erreichung dieser Ziele erforderliche Maß hinaus.

(19) [Gemäß Artikel 3 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands haben diese Mitgliedstaaten mitgeteilt, dass sie sich an der Annahme und Anwendung dieser Verordnung beteiligen möchten.]

(20) Dänemark wirkt gemäß den Artikeln 1 und 2 des dem Vertrag über die Europäische Union und dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft beigefügten Protokolls über die Position Dänemarks an der Annahme dieser Verordnung nicht mit. Diese Verordnung ist daher für diesen Mitgliedstaat nicht verbindlich und ihm gegenüber nicht anwendbar -

HABEN FOLGENDE VERORDNUNG ERLASSEN:

KAPITEL I

GEGENSTAND UND ANWENDUNGSBEREICH

Artikel 1

Gegenstand

Diese Verordnung führt ein europäisches Verfahren für geringfügige Forderungen ein, um auf diese Weise Streitigkeiten mit geringem Streitwert einfacher und schneller, beilegen zu können, unter Reduzierung der Kosten. Das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen steht den Rechtssuchenden als eine Alternative zu den in den Mitgliedstaaten bestehenden innerstaatlichen Verfahren aur Verfügung.

Ziel dieser Verordnung ist es außerdem, die Zwischenmaßnahmen als Voraussetzung für die Anerkennung und Vollstreckung der in anderen Mitgliedstaaten in solchen Verfahren ergangenen Entscheidungen, zu beseitigen Entscheidungen über unbestrittene Forderungen sind hiervon ausgenommen.

Artikel 2

Anwendungsbereich

(1) Diese Verordnung gilt für Zivil- und Handelssachen, ohne das es auf die Art der Gerichtsbarkeit ankommt, wenn der Gesamtwert einer auf Zahlung oder einer nicht auf Zahlung gerichteten Forderung ohne Zinsen, Ausgaben und Auslagen zum Zeitpunkt der Einleitung des Verfahrens 2 000 EUR nicht überschreitet. Sie erfasst insbesondere nicht Steuer- und Zollsachen sowie verwaltungsrechtliche Angelegenheiten.

(2) Diese Verordnung ist nicht anzuwenden auf:

a) den Personenstand, die Rechts- und Handlungsfähigkeit sowie die gesetzliche Vertretung von natürlichern Personen,

b) die ehelichen Güterstände, das Gebiet des Erbrechts einschließlich des Testamentsrechts,

c) Konkurse, Vergleiche und ähnliche Verfahren,

d) die soziale Sicherheit,

e) die Schiedsgerichtsbarkeit,

f) das Arbeitsrecht.

(3) Im Sinne dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Mitgliedstaat“ die Mitgliedstaaten mit Ausnahme Dänemarks. [des Vereinigten Königreichs, Irlands]

KAPITEL II

DAS EUROPÄISCHE VERFAHREN FÜR GERINGFÜGIGE FORDERUNGEN

Artikel 3

Einleitung des Verfahrens

(1) Der Antragsteller leitet das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen mit Hilfe des in Anhang I dargestellten Antragsformulars ein, das er ausgefüllt zusammen mit etwaigen weiteren relevanten Schriftstücken beim zuständigen Gericht abgibt. Das Antragsformular kann direkt abgegeben werden oder auf anderem in dem Mitgliedstaat, in dem das Verfahren eingeleitet wird, zulässigem Wege, beispielsweise per Fax oder E-Mail übermittelt werden.

(2) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, welche Kommunikationsmittel sie zulassen. Diese Mitteilung wird von der Kommission bekannt gemacht.

(3) Das ausgefüllte Antragsformular wird sofort nach Eingang beim Gericht eingetragen; vermerkt wird auch das Eingangsdatum aller weiteren Schriftstücke, die im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen eingehen.

(4) Zum Zwecke der Unterbrechung beziehungsweise Hemmung der Verjährungsfrist gilt das Gericht als befasst, wenn das Antragsformular gemäß Absatz 3 eingetragen ist.

(5) Wird die im Antragsformular geltend gemachte Forderung nicht vom Anwendungsbereich dieser Verordnung gemäß Artikel 2 erfasst, wird die Forderung vom Gericht nicht im Rahmen des europäischen Verfahrens für geringfügige Forderungen, sondern nach Maßgabe des in dem Mitgliedstaat, in dem das Verfahren durchgeführt wird, geltenden Verfahrensrechts behandelt. In diesem Fall unterrichtet das Gericht den Antragsteller entsprechend.

(6) Ist das Gericht der Auffassung, dass die vom Antragsteller vorgelegten Angaben nicht klar genug oder unzureichend sind, oder ist das Antragsformular nicht ordnungsgemäß ausgefüllt, kann das Gericht dem Antragsteller Gelegenheit geben, das Formular zu vervollständigen oder zu berichtigen oder ergänzende Angaben oder Schriftstücke beizubringen.

(7) Die Mitgliedstaaten sorgen dafür, dass das Antragsformular bei allen Gerichten, bei denen das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen eingeleitet werden kann, erhältlich ist und dass Antragsteller dort beim Ausfüllen des Formulars praktische Hilfestellung erhalten.

Artikel 4

Ablauf des Verfahrens

(1) Bei dem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen handelt es sich um ein schriftliches Verfahren, es sei denn, das Gericht hält unter Berücksichtigung der diesbezüglichen Ausführungen oder Anträge der Parteien eine mündliche Verhandlung für notwendig.

(2) Nach Eintragung des Antragsformulars füllt das Gericht Teil I des Antwortformulars in Anhang II aus.

Innerhalb von acht Tagen nach Eintragung des Antragsformulars stellt das Gericht dem Antragsgegner nach Maßgabe von Artikel 11 eine Kopie des Antragsformulars sowie das dementsprechend ausgefüllte Antwortformular zu.

(3) Der Antragsgegner antwortet innerhalb eines Monats nach Zustellung des Antragsformulars und des Antwortformulars, indem er Teil II des Antwortformulars ausfüllt und es gegebenenfalls mit weiteren Schriftstücken an das Gericht zurückschickt oder indem er auf andere geeignete Weise ohne Verwendung des Antwortformulars antwortet.

(4) Innerhalb von acht Tagen nach Eingang der Antwort des Antragsgegners stellt das Gericht dem Antragsteller gemäß Artikel 11 eine Kopie der Antwort und der etwaigen weiteren Schriftstücke zu.

(5) Macht der Antragsgegner in seiner Antwort eine Gegenforderung gegen den Antragsteller geltend, unterrichtet das Gericht den Antragsteller entsprechend. Der Antragsteller erwidert auf die Gegenforderung innerhalb eines Monats nach Zustellung der Antwort des Antragsgegners.

(6) Überschreitet der Gesamtwert der Gegenforderung den in Artikel 2 Absatz 1 festgesetzten Betrag, berücksichtigt das Gericht die Gegenforderung nur, wenn sie aus demselben Rechtsverhältnis wie die Forderung stammt und wenn das Gericht es für angemessen hält, das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen anzuwenden.

(7) Werden dem Gericht ergänzende Schriftstücke in einer anderen Sprache als der Verfahrenssprache vorgelegt, fordert das Gericht eine Übersetzung der betreffenden Schriftstücke nur dann an, wenn die Übersetzung für die Entscheidung erforderlich ist. Hat eine Partei die Annahme eines Schriftstücks verweigert, weil es nicht in einer der Sprachen gemäß Artikel 8 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 abgefasst ist, setzt das Gericht die andere Partei davon in Kenntnis und rät ihr, eine Übersetzung beizubringen.

Artikel 5

Abschluss des Verfahrens

(1) Innerhalb eines Monats, nachdem die Antworten des Antragsgegners oder des Antragstellers fristgemäß nach Artikel 4 Absätze 3 und 5 eingegangen sind, verfährt das Gericht wie folgt:

a) Es erlässt eine Entscheidung oder

b) fordert innerhalb einer bestimmten Frist weitere die Forderung betreffende Auskünfte von den Parteien an, oder

c) lädt die Parteien zur Verhandlung vor.

(2) Ist bei Gericht innerhalb der in Artikel 4 Absatz 3 gesetzten Frist keine Antwort des Antragsgegners eingegangen, erlässt das Gericht ein Versäumnisurteil.

Artikel 6

Verhandlung

(1) Das Gericht kann eine Verhandlung im Wege einer Audio-, Video- oder E-Mail-Konferenz abhalten, wenn die entsprechenden technischen Mittel verfügbar sind und beide Parteien dem zustimmen.

(2) Wird eine in der Verhandlung abwesende Partei von einer anderen Person vertreten, kann das Gericht diese Person zur Vorlage einer schriftlichen Vollmacht oder sonstigen schriftlichen Ermächtigung der betreffenden Partei auffordern, wenn dies nach dem Verfahrensrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird, vorgeschrieben ist.

Artikel 7

Beweisaufnahme

(1) Das Gericht kann nach eigenem Ermessen die Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme bestimmen. Es kann insbesondere die Beweisaufnahme mittels Telefon, schriftlicher Zeugenaussagen sowie über Audio-, Video- oder E-Mail-Konferenz zulassen.

(2) In Ausnahmefällen kann das Gericht Sachverständigenbeweise zulassen, wenn dies für seine Entscheidung unerlässlich ist.

Artikel 8

Vertretung der Parteien

Die Parteien sind nicht verpflichtet, sich durch einen Rechtsanwalt oder sonstigen Rechtsbeistand vertreten zu lassen.

Artikel 9

Aufgaben des Gerichts

(1) Das Gericht beachtet das Recht auf ein faires Verfahren sowie den Grundsatz des kontradiktorischen Verfahrens, insbesondere wenn es über das Erfordernis einer mündlichen Verhandlung und über die Beweismittel und den Umfang der Beweisaufnahme entscheidet.

(2) Das Gericht verpflichtet die Parteien nicht zu einer rechtlichen Würdigung der Forderung.

(3) Das Gericht leistet den Parteien erforderlichenfalls Hilfestellung in Verfahrensfragen; es kann sie zur Vorlage von Sachinformationen auffordern, die für die Feststellung des Sachverhalts dienlich sind.

(4) Soweit angemessen, bemüht sich das Gericht um eine gütliche Einigung der Parteien.

Artikel 10

Entscheidung

(1) Die Entscheidung ergeht innerhalb von sechs Monaten nach Eintragung des Antragsformulars.

(2) Das Gericht stellt den Parteien die Entscheidung nach Maßgabe von Artikel 11 zu. Von dieser Zustellung ausgenommen sind Entscheidungen, die mündlich am Ende der Verhandlung in Anwesenheit der beiden Parteien verkündet werden.

Artikel 11

Zustellung von Schriftstücken

(1) Ist das Schriftstück in einem anderen Mitgliedstaat als dem Mitgliedstaat des Verfahrens zuzustellen, wird es den Parteien per Einschreiben mit Rückschein unter Beachtung etwaiger zusätzlicher Voraussetzungen des Artikels 14 der Verordnung (EG) Nr. 1348/2000 und unter Berücksichtigung ihres Artikels 8 zugestellt.

(2) Ist das Schriftstück im Mitgliedstaat des Verfahrens zuzustellen und steht die Anschrift des Empfängers zweifelsfrei fest, wird das Schriftstück den Parteien per Einschreiben mit Rückschein oder auf einfacherem Weg unter anderem mit einfachem Schreiben, Fax oder E-Mail zugestellt, sofern das Verfahrensrecht des Mitgliedstaats des Verfahrens diese einfacheren Zustellungsarten zulässt.

(3) Ist eine Zustellung gemäß den Absätzen 1 und 2 ausnahmsweise nicht möglich, kann die Zustellung auf anderem Wege, der eine persönliche Zustellung gewährleistet, bewirkt werden.

Artikel 12

Fristen

(1) Das Gericht kann die Fristen nach Artikel 4 Absätze 3 und 5 im Ausnahmefall verlängern, wenn dies notwendig ist, um die effektive Verteidigung der Parteien zu gewährleisten.

(2) Wenn das Gericht die Fristen nach Artikel 4 Absätze 2 und 4, Artikel 5 Absatz 1 und Artikel 10 Absatz 1, um den ordnungsgemäßen Ablauf des Verfahrens nicht zu gefährden, ausnahmsweise nicht einhalten kann, trifft es so bald wie möglich die nötigen Vorkehrungen.

(3) Die Berechnung der in dieser Verordnung vorgesehenen Fristen erfolgt nach Maßgabe der Verordnung (EWG, Euratom) Nr. 1182/71 des Rates vom 3. Juni 1971 zur Festlegung der Regeln für die Fristen, Daten und Termine[20].

Artikel 13

Vollstreckbarkeit der Entscheidung

Die Entscheidung ist, unbeschadet eines möglichen Rechtsmittels sofort vollstreckbar. Eine Sicherheitsleistung ist nicht erforderlich.

Artikel 14

Kosten

(1) Die unterlegene Partei trägt die Kosten des Verfahrens, es sei denn, dies wäre unbillig oder unverhältnismäßig. In diesem Fall erlässt das Gericht einen Kostenfestsetzungsbeschluss nach Billigkeitserwägungen.

(2) Handelt es sich bei der unterlegenen Partei um eine natürliche Person, die nicht durch einen Rechtsanwalt oder einen sonstigen Rechtsbeistand vertreten ist, ist sie nicht verpflichtet, die Gebühren des Rechtsanwalts oder sonstigen Rechtsbeistands der anderen Partei zu erstatten.

Artikel 15

Rechtsmittel

(1) Die Mitgliedstaaten teilen der Kommission mit, ob ihr Verfahrensrecht ein Rechtsmittel gegen eine in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Entscheidung zulässt. Diese Mitteilung wird von der Kommission bekannt gemacht.

(2) Die Parteien sind nicht verpflichtet, sich in einem Rechtsmittelverfahren gegen eine in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Entscheidung von einem Rechtsanwalt oder einem sonstigen Rechtsbeistand vertreten zu lassen.

(3) Gegen eine Rechtsmittelentscheidung ist kein weiteres ordentliches Rechtsmittel gegeben.

Artikel 16

Überprüfung der Entscheidung

Der Antragsgegner ist, sofern er unverzüglich tätig wird, berechtigt, in folgenden Fällen eine Überprüfung der in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangenen Entscheidung unter den nach dem Recht des Entscheidungs-Mitgliedstaats geltenden Voraussetzungen zu beantragen, die der Kommission gemäß den Artikeln 19 und 30 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 mitgeteilt worden sind:

a) i) Das Antragsformular oder die Ladung zur Verhandlung wurde ihm ohne persönliche Empfangsbestätigung zugestellt, und

ii) die Zustellung erfolgte ohne eigenes Verschulden nicht so rechtzeitig oder nicht dergestalt, dass er Vorkehrungen für seine Verteidigung hätte treffen können, oder

b) der Antragsgegner konnte aufgrund höherer Gewalt oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände ohne eigenes Verschulden der Forderung nicht widersprechen.

Artikel 17

Anwendbares Verfahrensrecht

Für das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen gilt das Verfahrensrecht des Mitgliedstaats, in dem das Verfahren durchgeführt wird, sofern diese Verordnung nichts anderes bestimmt.

KAPITEL III

ANERKENNUNG UND VOLLSTRECKUNG

Artikel 18

Anerkennung und Vollstreckung

(1) Eine in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Entscheidung wird in einem anderen Mitgliedstaat anerkannt und vollstreckt, ohne dass es einer Vollstreckbarerklärung bedarf und ohne dass die Anerkennung angefochten werden kann, wenn die Entscheidung vom Gericht des Ursprungsmitgliedstaats unter Verwendung des Formulars in Anhang III bestätigt worden ist.

(2) Die in einem europäischen Verfahren für geringfügige Forderungen ergangene Entscheidung wird bestätigt, wenn sie nicht im Widerspruch zu den Zuständigkeitsregeln in Kapitel II Abschnitte 3 und 6 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 steht.

Die Bestätigung wird in der Sprache ausgestellt, in der die Entscheidung abgefasst ist.

Gegen die Ausstellung der Bestätigung ist kein Rechtsbehelf möglich.

Für die Berichtigung der Bestätigung ist das Recht des Mitgliedstaats maßgebend, in dem das Verfahren durchgeführt wurde.

(3) Ist zum Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung damit zu rechnen, dass die Entscheidung in einem anderen Mitgliedstaat zu vollstrecken ist, wird die Bestätigung von Amts wegen zum Zeitpunkt der Verkündung der Entscheidung ausgestellt. Andernfalls wird die Bestätigung auf Antrag einer der Parteien ausgestellt.

(4) Eine Partei, die eine Entscheidung vollstrecken lassen will, muss Folgendes vorlegen:

a) eine Ausfertigung der Entscheidung, die die für ihre Beweiskraft erforderlichen Voraussetzungen erfüllt, und

b) die Bestätigung gemäß Absatz 1.

(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten nicht für Entscheidungen über unbestrittene Forderungen im Sinne von Artikel 3 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 805/2004.

KAPITEL IV

VERHÄLTNIS ZU ANDEREN RECHTSAKTEN DER GEMEINSCHAFT

Artikel 19

Verhältnis zur Verordnung (EG) Nr. 805/2004 und zur Verordnung (EG) Nr. 44/2001

Diese Verordnung lässt die Anwendung der Verordnung (EG) Nr. 805/2004 und der Verordnung (EG) Nr. 44/2001, unberührt.

KAPITEL V

SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 20

Information

Die zuständigen einzelstaatlichen Behörden arbeiten insbesondere im Rahmen des mit Entscheidung 2001/470/EG eingerichteten Europäischen Justiziellen Netzes für Zivil- und Handelssachen zusammen, um die Öffentlichkeit und die Fachwelt über das europäische Verfahren für geringfügige Forderungen zu informieren.

Artikel 21

Durchführungsmaßnahmen

Die zur Durchführung dieser Verordnung notwendigen Maßnahmen, die sich aufeine Änderung der in Artikel 2 Absatz 1 festgelegten Streitwertgrenze, oder eine Aktualisierung oder technische Änderung der Formulare in den Anhängen oder die Einführung weiterer Formularebeziehen, werden von der Kommission nach dem Verfahren des Artikels 22 Absatz 2 beschlossen.

Artikel 22

Ausschuss

(1) Die Kommission wird von dem gemäß Artikel 75 der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 eingesetzten Ausschuss unterstützt.

(2) Wird auf diesen Absatz Bezug genommen, so gelten die Artikel 3 und 7 des Beschlusses 1999/468/EG unter Beachtung von dessen Artikel 8.

(3) Der Ausschuss gibt sich eine Geschäftsordnung.

Artikel 23

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt am […] in Kraft.

Diese Verordnung ist in allen ihren Teilen verbindlich und gilt gemäß dem Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unmittelbar in jedem Mitgliedstaat.

Geschehen zu Brüssel am […]

Im Namen des Europäischen Parlaments Im Namen des Rates

Der Präsident Der Präsident

[…] […]

[1] ABl. C 92 vom 25.4.1975, S. 2.

[2] KOM(93) 576.

[3] KOM(96) 13.

[4] ABl. C 12 vom 15.1.2001, S. 1.

[5] ABl. C 146 vom 17.5.2001, S. 4.

[6] KOM(2002) 746 endg.

[7] ABl. C 220 vom 16.9.2003, S. 5.

[8] Entschließung des Europäischen Parlaments zu den Aussichten auf eine Angleichung des Zivilverfahrensrechts in der Europäischen Union (KOM(2002) 654 + KOM(2002) 746 - C5-0201/2003 - 2003/2087(INI)), A5-0041/2004.

[9] Siehe hierzu im Einzelnen die Ausführungen unter 4.3 des Grünbuchs.

[10] Zwiscngen unter 4.3 des Grünbuchs.

[11] Zwischen 600 € (Deutschland) und 8 234 € (England/Wales).

[12] ABl. C […] vom […], S. […].

[13] ABl. C […] vom […], S. […].

[14] ABl. C […] vom […], S. […].

[15] ABl. L 160 vom 30.6.2000, S. 37.

[16] ABl. L 174 vom 27.6.2001, S. 25.

[17] ABl. L 12 vom 16.1.2001, S. 1.

[18] ABl. L 143 vom 30.4.2004, S. 15.

[19] KOM(2002) 746 endg.

[20] ABl. L 184 vom 17.7.1999, S. 23.

[21] ABl. L 124 vom 8.6.1971, S. 1.

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