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Document 52004DC0338

Mitteilung der Kommission - Auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für Nanotechnologie

/* KOM/2004/0338 endg. */

52004DC0338

Mitteilung der Kommission - Auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für Nanotechnologie /* KOM/2004/0338 endg. */


MITTEILUNG DER KOMMISSION - Auf dem Weg zu einer europäischen Strategie für Nanotechnologie

Zusammenfassung

Nanowissenschaften und -technologien sind neue Konzepte der Forschung und Entwicklung (FuE), die auf die Steuerung der grundlegenden Struktur und des Verhaltens der Materie auf atomarer und molekularer Ebene abzielen. Damit eröffnet sich die Möglichkeit, neue Phänomene zu begreifen und neue Eigenschaften für die Mikro- und Makroebene zu entwickeln. Anwendungen der Nanotechnologie zeichnen sich ab und werden sich auf das Leben jedes einzelnen Bürgers auswirken.

Im vergangenen Jahrzehnt hat die Europäische Union (EU) in den Nanowissen schaften eine solide Wissensgrundlage geschaffen. Unsere Fähigkeit, diese Position beizubehalten, ist in Frage gestellt, da die EU proportional weniger als ihre Hauptkonkurrenten investiert und es ihr an einer Infrastruktur von Weltrang (High-Tech-Zentren) mangelt, um die erforderliche kritische Menge zu erreichen, und dies, obwohl die Investitionen in nationale EU-Programme rasch, aber unabhängig voneinander steigen.

Die europäische Spitzenforschung im Bereich der Nanowissenschaften muss letztlich in wirtschaftlich tragfähige Produkte und Verfahren umgesetzt werden. Die Nanotechnologie zeichnet sich als einer der aussichtsreichsten und sehr rasch expandierenden FuE-Bereiche ab, der neue Impulse im Hinblick auf die dynamischen wissensorientierten Ziele von Lissabon verleihen kann. Entscheidend ist jedoch die Schaffung günstiger Voraussetzungen für Innovation, insbesondere in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU).

Die Nanotechnologie ist sicher und verantwortungsbewusst zu entwickeln. Es gilt, ethische Grundsätze einzuhalten und potenzielle Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltrisiken wissenschaftlich zu untersuchen, auch um eine etwaige Regulierung vorzubereiten. Gesellschaftliche Auswirkungen sind zu prüfen und zu berück sichtigen. Dem Dialog mit der Öffentlichkeit kommt maßgebende Bedeutung zu, da die Aufmerksamkeit auf Fragen von echtem Belang und nicht auf ,Science-Fiction-Szenarios" zu lenken ist.

In dieser Mitteilung werden Maßnahmen als Teil eines integrierten Konzepts vorgeschlagen, die die europäische FuE im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien erhalten und intensivieren sollen. Geprüft werden Fragen, die für den Erwerb und die Nutzung des durch FuE erworbenen Wissens zugunsten der Gesellschaft entscheidend sind. Der Zeitpunkt ist gekommen, eine Diskussion auf institutioneller Ebene einzuleiten im Hinblick auf kohärente Maßnahmen zur

- Erhöhung der Investitionen und Koordinierung der FuE, um die industrielle Nutzung von Nanotechnologien auszubauen und gleichzeitig ein hohes Wissenschafts- und Wettbewerbsniveau beizubehalten;

- Entwicklung einer wettbewerbsfähigen FuE-Infrastruktur (,High-Tech-Zentren"), die dem Bedarf von Industrie und Forschungseinrichtungen Rechnung trägt;

- Förderung der interdisziplinären Aus- und Weiterbildung von Forschungspersonal mit verstärkter unternehmerischer Denkweise;

- Gewährleistung vorteilhafter Bedingungen für Technologietransfer und Innovation, damit die europäische spitzentechnologische FuE Produkte und Verfahren kreiert, die zur Schaffung von Wohlstand beitragen;

- frühzeitigen Einbeziehung gesellschaftlicher Überlegungen in den FuE-Prozess;

- Behandlung potenzieller Risiken für die öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt und Verbraucher im Vorfeld durch Erfassung der notwendigen Daten zur Risikobewertung, deren Integration in jeden Schritt des Lebenszyklus' nanotechnologischer Produkte, Anpassung vorhandener und ggf. Entwicklung neuer Methoden;

- Abrundung der obigen Maßnahmen durch entsprechende Zusammenarbeit und Initiativen auf internationaler Ebene.

Die hier erläuterten Maßnahmen entsprechen den Schlussfolgerungen der Europäischen Ratstagung von Lissabon 2000, auf der die Bereitschaft zur Entwicklung einer dynamischen, wissensgestützten Wirtschaft und Gesellschaft erklärt wurde, denen der Ratstagung von Göteborg 2001, mit der eine nachhaltige Entwicklung angestrebt wurde und denen des Gipfels von Barcelona 2002, der 3 % des BIP für die Finanzierung der Forschung vorsah [1]. Sie tragen ferner zur Entwicklung des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR) [2] bei und nutzen diesen gewinnbringend.

[1] Die Schlussfolgerungen der Präsidentschaft sind abrufbar unter

[2] ,Der Europäische Forschungsraum: ein neuer Schwung - Ausbau, Neuausrichtung, neue Perspektiven", KOM(2002) 565 endgültig.

1. Einleitung

1.1. Was ist Nanotechnologie?

Das Präfix ,nano" stammt aus dem Griechischen und bedeutet ,Zwerg", in Wissenschaft und Technik jedoch 10-9 = 0,000000001. Ein Nanometer (nm) ist ein Milliardstel Meter, d.h. einige zehn Tausendstel des Durchmessers eines menschlichen Haares. Der Begriff ,Nanotechnologie" wird hier als Sammelbegriff verwendet, der die verschiedenen Zweige der Nanowissenschaften und -technologien umfasst.

Ursprünglich bezeichnet Nanotechnologie Wissenschaft und Technologie auf atomarer und molekularer Nanoebene und verweist auf die wissenschaftlichen Grundsätze und neuen Eigenschaften, die sich begreifen und beherrschen lassen, wenn man in diesem Bereich arbeitet. Diese Eigenschaften können dann auf der Mikro- und Makroebene beobachtet und genutzt werden, z.B. zur Entwicklung von Werkstoffen und Geräten mit innovativen Funktionen und Leistungen.

1.2. Welche Bedeutung kommt der Nanotechnologie zu?

Die Nanowissenschaft wird häufig als ,horizontale", ,zentrale" oder ,grundlegende" Wissenschaft bezeichnet, da sie praktisch alle Technologiebereiche durchdringen kann. Häufig führt sie verschiedene wissenschaftliche Bereiche zusammen und legt ein interdisziplinäres oder ,konvergierendes" Konzept zugrunde. Sie verspricht Innovationen, die zur Lösung zahlreicher Probleme der heutigen Gesellschaft beitragen können:

- Medizinische Anwendungen umfassen z.B. miniaturisierte Diagnosemethoden, die zur Früherkennung herangezogen werden könnten. Nanotechnologische Beschich tungen können die Bioaktivität und Biokompatibilität von Implantaten verbessern. Selbstorganisierende Gerüste ebnen den Weg für neue Generationen von Gewebetechnik und biomimetischen Werkstoffen und bieten langfristig Aussicht auf synthetische Organtransplantationen. Es werden neuartige Systeme zur gezielten Verabreichung von Medikamenten entwickelt. Kürzlich ist es gelungen, Nanopartikeln in Tumorzellen einzuschleusen, um diese zu behandeln, z.B. durch Erwärmung.

- Informationstechnologien umfassen Datenträger mit sehr hohen Aufzeichnungsdichten (z.B. 1 Terabit/Zoll2) und neue, flexible Technologien für Bildschirmanzeigen. Langfristig könnte die molekulare oder biomolekulare Nanoelektronik, Spintronik und Quantenrechnung neue Wege weisen, die über die derzeitige Computertechnik hinausführen.

- Der Energieerzeugung und -speicherung kommen beispielsweise neue Brennstoffzellen oder leichte Festkörper mit Nanostruktur zugute, die sich zur effizienten Wasserstoffspeicherung eignen. Ferner werden effiziente kostengünstige fotovoltaische Solarzellen (z.B. ,Solarfarbe") entwickelt. Nanotechnologische Entwicklungen, die eine bessere Isolation, Leitung und effiziente Beleuchtung ermöglichen, versprechen Energieeinsparungen.

- Nanotechnologische Entwicklungen der Materialwissenschaft dürften weitreichende Auswirkungen auf praktisch alle Gebiete haben. Nanopartikel werden bereits zur Verstärkung von Werkstoffen oder funktionellen Entwicklung von Kosmetika verwendet. Oberflächen lassen sich mit Hilfe von Nanostrukturen verändern, so dass sie z.B. kratzfest, wasserfest, sauber oder steril werden. Die gezielte Übertragung organischer Moleküle durch Nanostrukturierung von Oberflächen dürfte sich auf die Herstellung von Biosensoren und molekularen Elektronikgeräten auswirken. Die Leistungs merkmale von Werkstoffen unter extremen Bedingungen lassen sich erheblich verbessern, was z.B. Fortschritte in der Luft- und Raumfahrtindustrie ermöglicht.

- Die Fertigung auf Nanoebene erfordert ein neues interdisziplinäres Konzept, sowohl für Forschungs- als auch für Herstellungsverfahren. Von der Konzeption her gibt es zwei Möglichkeiten: Ausgehend von Mikrosystemen werden diese miniaturisiert (,Top-down-Konzept"), oder die Natur wird durch Nachbildung von Strukturen auf Atom- und Molekularebene imitiert (,Bottom-up-Konzept"). Der erste Weg kommt der Montage, der zweite der Synthese gleich. Das Bottom-up-Konzept befindet sich noch in einer frühen Entwicklungsstufe, hat jedoch weitreichende Auswirkungen und kann zu einer völligen Umstellung der derzeitigen Produktionsketten führen.

- Instrumente zur Untersuchung der Eigenschaften von Stoffen auf Nanoebene haben bereits bedeutende mittelbare und unmittelbare Auswirkungen, die Fortschritte in zahlreichen Bereichen ermöglichen. Die Erfindung des Tunnel-Mikroskops war bei der Entstehung der Nanotechnologie richtungweisend. Instrumente spielen ferner eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von ,Top-down"- oder ,Bottom-up"-Fertigungsprozessen.

- Die Ernährungs-, Wasser- und Umweltforschung kann mit Hilfe nanotechnologischer Entwicklungen wie Werkzeugen zur Erkennung und Neutralisierung der Präsenz von Mikroorganismen oder Pestiziden voranschreiten. Der Ursprung eingeführter Nahrungsmittel könnte durch eine neuartige miniaturisierte Nanokennzeichnung zurückverfolgt werden. Durch Entwicklung nanotechnologischer (z.B. fotokatalytischer) Abhilfetechniken können Umweltschäden und -verschmutzung (z.B. Ölverschmutzung von Gewässern oder Böden) behoben und beseitiget werden.

- Die Sicherheit dürfte erhöht werden. z.B. durch innovative Erkennungs systeme von hoher Präzision, die Frühwarnmeldungen gegen biologische oder chemische Stoffe ausgeben, bis hin zu einzelnen Molekülen. Ein höherer Schutz von Eigentum wie Banknoten ließe sich durch Nanoetiketten erreichen. Ferner werden derzeit neue Verschlüsselungs techniken für die Daten kommunikation entwickelt.

Verschiedene nanotechnologische Produkte wurden bereits auf den Markt gebracht, darunter medizinische Produkte (z.B. Bandagen, Herzklappen u.a.), Elektronikbauteile, kratzfreie Farben, Sportgeräte, knitter- und fleckbeständige Textilien und Sonnencremes. Analysten zufolge beträgt der Markt für derartige Produkte derzeit 2,5 Mrd. EUR, könnte jedoch bis 2010 einige Hundert Milliarden und danach ein Billion erreichen [3].

[3] Vgl. Zahlenangaben in ,New Dimensions for Manufacturing: A UK Strategy for Nanotechnology", DTI (2002), S. 24.

Mit Hilfe von Nanotechnologien lässt sich mehr Leistung mit weniger Rohstoffen erreichen, insbesondere durch ,Bottom-up"-Fertigung, und so der Abfall im gesamten Produktlebenszyklus verringern. Nanotechnologien können zur nachhaltigen Entwicklung [4] und zur Verwirklichung der Ziele der ,Agenda 21" [5] und des Aktionsplans Umwelttechnologie [6] beitragen.

[4] ,Nachhaltige Entwicklung in Europa für eine bessere Welt: Strategie der Europäischen Union für die nachhaltige Entwicklung", KOM (2001) 264. Vgl. Erklärung der Vereinten Nationen zur Jahrtausendwende (http://www.un.org/millennium/ ).

[5] S. http://www.un.org/esa/sustdev/documents/ agenda21/index.htm

[6] S. http://europa.eu.int/comm/research/ environment/etap_en.html

1.3. Welches Konzept gewährleistet sichere Nanotechnologie?

Aufgrund des EG-Vertrages müssen Nanotechnologien den Anforderungen eines hohen Maßes an öffentlicher Gesundheit, Sicherheit, Verbraucher- [7] und der Umweltschutz [8] gerecht werden. Bei dieser rasch fortschreitenden Technologie müssen (echte oder vermeintliche) Sicherheitsprobleme zum frühestmöglichen Zeitpunkt erkannt und gelöst werden. Der erfolgreiche Einsatz der Nanotechnologie erfordert eine solide wissenschaftliche Basis, um das Vertrauen sowohl der Verbraucher als auch der Unternehmen zu gewinnen. Ferner muss alles daran gesetzt werden, die Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu erhalten.

[7] In Artikel 152 bzw. 153 des EG-Vertrages werden "bei der Festlegung und Durchführung aller Gemeinschaftspolitiken [...] ein hohes Gesundheitsschutzniveau" und ,ein hohes Verbraucherschutzniveau" [...] bei der Festlegung und Durchführung der anderen Gemeinschaftspolitiken und -maßnahmen" gefordert.

[8] In Artikel 174 EGV sind als Ziele u.a. ,Erhaltung und Schutz der Umwelt sowie Verbesserung ihrer Qulität", ,umsichtige und rationelle Verwendung der natürlichen Ressourcen" und ,Förderung von Maßnahmen auf internationaler Ebene zur Bewältigung regionaler oder globaler Umweltprobleme" vorgesehen.

Die Risikoaspekte müssen als integrierter Bestandteil dieser Technologien behandelt werden, von der Konzeption und FuE bis hin zur kommerziellen Nutzung, um die sichere Entwicklung, Produktion, Nutzung und Entsorgung nanotechnologischer Produkte zu gewährleisten. Nanotechnologien stellen uns auch bei Risikobewertung und -management vor neue Aufgaben. Daher ist parallel zur technologischen Entwicklung entsprechende FuE durchzuführen, um quantitative Daten über Toxikologie und Ökotoxikologie zu erhalten (darunter Dosis-Wirkungs- und Expositionsdaten über Mensch und Umwelt), um Risikobewertungen vorzunehmen und bei Bedarf die Risikobewertungsverfahren anzupassen. Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit, der Umwelt, der Sicherheit und des Verbraucher schutzes werden an anderer Stelle behandelt.

2. Finanzierung und FuE im Bereich der Nanotechnologie weltweit

Angesichts des Potenzials der Nanotechnologie führen zahlreiche Länder FuE-Programme mit umfangreichen und rasch zunehmenden öffentlichen Investitionen durch. Im vergangenen Jahrzehnt stiegen die öffentlichen Investionen explosionsartig von rund 400 Millionen EUR im Jahr 1997 auf derzeit über 3 Milliarden EUR an. Dieser Abschnitt vermittelt einen Überblick über öffentlich finanzierte Initiativen auf dem Gebiet der Nanotechnologie.

Der Beitrag der Privatwirtschaft zur Finanzierung der FuE im Bereich der Nanotechnologie lässt sich nicht präzise ermitteln, wurde jedoch auf annähernd 2 Milliarden EUR geschätzt; damit betragen die Gesamtinvestitionen rund 5 Milliar den EUR. In diesem Zusammenhang ist zu beachten, dass die EU mit 56 % der FuE-Gesamtinvestitionen aus Privatmitteln hinter den USA und Japan mit 66 % bzw. 73 % zurückliegt [9].

[9] Europäische Kommission, ,Key Figures 2003-2004" (2003).

2.1. FuE auf dem Gebiet der Nanotechnologie in Drittländern

Mit der Einleitung der Nationalen Nanotechnologie-Initiative (NNI) nahmen die USA ein ehrgeiziges FuE-Programm im Bereich der Nanotechnologie in Angriff. Die bundesstaatlichen Ausgaben stiegen von 220 Millionen im Jahr 2000 auf 750 Millionen $ 2003 an; für 2005 wurden Haushaltsmittel in Höhe von 982 Millionen $ beantragt. Weitere Unterstützung leisten die Staaten mit Förderungen von ca. 300 Millionen $.

Das langfristige bundesstaatliche Engagement der USA wurde kürzlich durch das "21st Century Nanotechnology Development Act" für den Zeitraum 2005-2008 gesichert, mit dem nahezu 3,7 Milliarden für fünf Agenturen bereitgestellt werden (NSF, DoE, NASA, NIST und EPA). Die derzeitigen Förderungen wird sich bis 2008 mehr als verdoppeln. In diesem Betrag sind Ausgaben für Verteidigung und weitere Bereiche nicht enthalten, die gegenwärtig rund ein Drittel des Bundeshaushalts für Nanotechnologie ausmachen.

Japan nannte die Nanotechnologie als eine seiner Hauptprioritäten der Forschung im Jahr 2001. Die angekündigten Beträge stiegen abrupt von 400 Millionen $ im Jahr 2001 auf annähernd 800 Millionen $ 2003 und übertrafen damit die bundesstaatliche Finanzierung der USA. Sie dürften bis 2004 um weitere 20 % steigen. Mit ca. 2 Milliarden $ öffentlicher Mittel stieg Südkorea in ein ehrgeiziges Zehnjahres programm ein, während Taiwan rund 600 Millionen $ aus öffentlichen Mitteln für einen Zeitraum von sechs Jahren bereitstellte.

China investiert mehr und mehr in die Nanotechnologie, die angesichts seiner Kaufkraft besonders ausschlaggebend ist. Sein Anteil an den weltweiten Veröffentlichungen steigt rasch. Die Wachstumsrate betrug Ende der 90er Jahre 200 %, womit China sich der EU und den USA annähert. Die Russische Föderation sowie mehrere andere Neue Unabhängige Staaten haben sich auf dem Gebiet der Nanotechnologie gut etabliert.

Viele andere Regionen und Länder, darunter Australien, Indien, Israel, Kanada, Lateinamerika, Malaysia, Neuseeland, die Philippinen, Singapur, Südafrika und Thailand, widmen der Nanotechnolgie zunehmend Aufmerksamkeit.

2.2. FuE auf dem Gebiet der Nanotechnologie in Europa

Europa hat das Potenzial der Nanotechnologie frühzeitig erkannt und mit einigen der brillantesten Wissenschaftler eine solide Wissensbasis auf dem Gebiet der Nanotechnologie aufgebaut. Mehrere Länder hatten eigene Forschungsprogramme, die Mitte bis Ende der 90-er Jahre eingeführt wurden. Wenngleich einige Länder nicht über spezielle Nanotechnologie-Initiativen verfügen, ist die diesbezügliche FuE häufig in andere Programme (z.B. Biotechnologie, Mikrotechnologie u.a.) eingebettet.

Betrachtet man Europa, Japan und die USA im Vergleich, so gibt es keine eindeutigen ,Gewinner" oder Verlierer" in der Nanotechnologie, doch lassen sich gewisse Tendenzen erkennen. Europas Stärke im Bereich der Nanowissenschaften wird dadurch belegt, dass im Zeitraum 1997-1999 der europäische Anteil an den weltweiten Veröffentlichungen 32 % betrug, gegenüber 24 % in den USA und 12 % in Japan [10]. Allerdings scheint sich die Industrie dieses Wissen nicht immer zunutze zu machen. Der Anteil der EU an den weltweiten Patenten beträgt 36 %, gegenüber 42 % für die USA, was auf eine Schwäche bei der Umsetzung der FuE in Anwendungen hindeutet.

[10] Dritter Europäischer Bericht über Wissenschafts- und Technologieindikatoren, Europäische Kommission (2003), s. http://www.cordis.lu/indicators/ third_report.htm

Die öffentlichen Investitionen der Mitgliedstaaten weichen sowohl in absoluten als auch in relativen Zahlen erheblich voneinander ab. Die für FuE im Bereich der Nanotechnologien in Europa aufgewandten öffentlichen Mittel sind schätzungsweise von ca. 200 Millionen EUR im Jahr 1997 auf derzeit 1 Milliarde EUR gestiegen, wovon zwei Drittel auf nationale und regionale Programme entfallen.

In absoluten Zahlen investiert die EU beträchtliche Finanzmittel und steht dabei mit den USA und Japan etwa auf gleicher Stufe. Pro Kopf betragen die öffentlichen Investitionen der EU-25 jedoch durchschnittlich 2,4 EUR je Bürger (2,9 EUR in der EU-15), gegenüber 3,7 EUR in den USA und 6,2 EUR in Japan. Desgleichen investiert die EU-25 0.01% des BIP, die USA hingegen 0.01% und Japan 0.02%.

In allen Ländern der EU-25 mit Ausnahme Irlands liegen die Pro-Kopf-Investitionen derzeit niedriger als in den USA und Japan. Zu berücksichtigen ist ferner der geplante Anstieg in den USA und Japan, die eine Erhöhung auf 5 EUR pro Kopf bis 2006 bzw. auf 8 EUR pro Kopf im Jahr 2004 vorsehen. Daher scheint es, dass sich die Kluft zwischen der EU und ihren Hauptkonkurrenten weiter verbreitern wird.

Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen der EU und ihren Hauptkonkurrenten besteht darin, dass sich die europäische FuE-Landschaft im Bereich der Nanotechnologie mit unterschiedlichen, rasch voranschreitenden Programmen und Finanzquellen relativ aufzusplittern droht. 2003 wurden 350 Millionen EUR aus dem 6. Rahmenprogramm bereitgestellt, d.h. ein Drittel der europäischen Gesamtinvestitionen in Nanotechnologie.

Charakteristisch für unsere Hauptkonkurrenten sind koordinierte bzw. zentralisierte FuE-Programme für Nanotechnologie. In den USA werden beispielsweise über zwei Drittel der Finanzmittel im Rahmen der nationalen Nanotechnologie-Initiative unter der Schirmherrschaft des Bundesprogramms zugewiesen. Es ist unwahrscheinlich, dass die EU ohne gezieltere Ausrichtung und Koordinierung auf Gemeinschaftsebene weltweit wettbewerbsfähig bleiben kann.

Forschung auf dem Gebiet der Nanotechnologie wird in den Beitrittsländern betrieben, die sich an Projekten der EU-Rahmenprogramme (RP) für Forschung und technologische Entwicklung beteiligen. Die Schweiz betreibt seit langem Forschung im Bereich der Nanotechnologie und hat einen der höchsten Anteile an Patenten und Veröffentlichungen pro Kopf. Auch in anderen Ländern, die dem 6. RP assoziiert sind, z.B. Norwegen, wurden Forschungsprogramme für Nanotechnologie eingeführt.

Zahlreiche Kooperationsforschungsprojekte und weitere Initiativen wurden bereits aus den EU-Forschungsrahmenprogrammen unterstützt. Durch Anbahnung einer grenzüber schreitenden Zusammenarbeit ergab sich eine wesentliche europäische Dimension; die öffentlichen und privaten Mittel wurden erheblich aufgestockt. Eine beträchtliche Anzahl von Nanotechnologie-Projekten [11] wurde bereits aus dem vierten und fünften Rahmenprogramm finanziert, aber erst im 6. RP [12] wurde Nanotechnologie zu einem vorrangigen Bereich erklärt.

[11] Nähere Einzelheiten sind der Projektdatenbank unter http://www.cordis.lu/fp6/ projects.htm zu entnehmen.

[12] S. http://fp6.cordis.lu/fp6/ home.cfm

3. Der Weg zur unendlich kleinen Einheit: Fünf dynamische Bereiche zur Förderung des Fortschritts

Auf dem heutigen Weltmarkt ist Wirtschaftswachstum nicht ohne Innovation denkbar, die wiederum Forschung voraussetzt. FuE von Weltrang ist wesentlicher Bestandteil dieses Vorgangs, doch sind auch andere Faktoren zu berücksichtigen. In diesem Zusammenhang wurden fünf dynamische Bereiche festgelegt: FuE, Infrastrukturen, Aus- und Weiterbildung, Innovation und die gesellschaftliche Dimension. Bei diesen interdependenten dynamischen Bereichen bedarf es mehrerer kombinierter Maßnahmen auf Gemeinschaftsebene, um das Potenzial des europäischen Forschungsraums auszuschöpfen.

Ein integriertes Konzept der FuE im Bereich der Nanowissenschaft und -technologie war eines der wichtigsten Ergebnisse des "EuroNanoForums 2003" [13], das im Dezember 2003 von der GD Forschung veranstaltet und von mehr als 1000 Teilnehmern aus aller Welt besucht wurde. Zu den kürzlichen Initiativen der Kommission gehört ein von der GD Gesundheit und Verbraucherschutz (SANCO) veranstalteter Workshop über potenzielle Risiken von Nanotechnologien, der im März 2004 stattfand [14]. Weitere Initiativen, z.B. zur Planung und Zukunftsforschung, laufen bei der GD Forschung und der Gemeinsamen Forschungsstelle (GFS).

[13] Vgl. http://www.euronanoforum2003.org/

[14] S. http://europa.eu.int/comm/health/ph_risk/ events_risk_en.htm

3.1. Forschung und Entwicklung: Aufbau der Dynamik

Angesichts der geistigen, wissenschaftlichen und technischen Herausforderungen, die in der Nanowissenschaft und -technologie vor uns liegen, werden Spitzenkapazitäten in FuE benötigt, um zu gewährleisten, dass Europa langfristig wettbewerbsfähig bleibt. Entscheidend sind dabei die Förderung der FuE aus öffentlichen Mitteln sowie die Verfügbarkeit von Forschern von Weltrang und der Wettbewerb zwischen Forschungsteams auf europäischer Ebene.

Gleichzeitig ist das durch FuE erworbene Wissen mit Hilfe von Nanotechnologien in innovative Produkte und Verfahren umzusetzen, die die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie verbessern können. Dabei müssen nicht nur weiterhin Spitzenleistungen in FuE erbracht, sondern auch die für die Industrie relevanten FuE-Investitionen erhöht werden. Gleichzeitig sind die FuE auf Gemeinschaftsebene und die Koordinierung nationaler politischer Maßnahmen zu verstärken, um eine kritische Masse zu erreichen.

3.1.1. Erhöhung der Investitionen in Wissen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit Europas

Die Schaffung von Wohlstand und Arbeitsplätzen in einem globalen Markt und in einer wissensgestützten Wirtschaft setzt die wettbewerbsorientierte Generierung neuer Kenntnisse voraus. Die europäische FuE muss Spitzenleistungen erbringen, aber auch zeitgerecht und zu wettbewerbsfähigen Gesamtkosten durchgeführt werden; anderenfalls besteht das Risiko einer Auslagerung industrieller Tätigkeiten in Bereiche, wo die Generierung von Kenntnissen kosteneffizienter ist. Wenn wir bei der Wissensgenerierung in Führung gehen können, lässt sich die derzeitige Tendenz umkehren und eine wissensgestützte Industrie in Europa ansiedeln.

Die europäischen öffentlichen Investitionen in FuE auf dem Gebiet der Nanotechnologie dürften in den kommenden fünf Jahren erheblich niedriger ausfallen als die unser Hauptkonkurrenten. Wir sehen uns mit der Gefahr konfrontiert, an Dynamik zu verlieren, wenn die Investitionen auf europäischer Ebene nicht unter Berücksichtigung der Lissabonner Ziele wesentlich angehoben werden, mindestens um das Dreifache bis zum Jahr 2010. Diese Investitionen sollten sich nicht nachteilig auf andere FuE-Programme auswirken, sondern dem ,3-%-Ziel" [15] entsprechen und sich auf die anspruchsvollsten Aspekte konzentrieren, insbesondere wissensgestützte industrielle Innovation (,Nanofertigung"), Integration der Makro-, Mikro- und Nanoebene und interdisziplinäre (konvergierende) FuE. Auch eine Synergie mit der europäischen Strategie für Biowissenschaften und Biotechnologie [16] kann von Vorteil sein.

[15] ,Mehr Forschung für Europa: Hin zu 3 % des BIP", KOM (2002) 499 endgültig.

[16] ,Biowissenschaften und Biotechnologie: Eine Strategie für Europa", KOM(2002) 27.

FuE-Investitionen sollten sowohl auf Gemeinschafts- als auch auf einzelstaatlicher Ebene komplementär und einheitlich erhöht werden. Kooperationsforschungs projekte auf europäischer Ebene sind eine wesentliche Voraussetzung für den Erwerb von Kompetenzen und die Erreichung einer kritischen Masse, um weitere Spitzenleistungen zu erzielen. Dies ist besonders wichtig, um durch interdisziplinäre FuE rasch Fortschritte in der Nanotechnologie zu erzielen. Dabei muss der Schwerpunkt auf der Synergie von Forschung, Infrastruktur und Bildung liegen, die untrennbar miteinander verbunden sind. Ein solches systematisches Konzept fördert die Wissensgenerierung und gewinnt gleichzeitig die besten Wissenschaftler der FuE im Bereich der Nanotechnologie dauerhaft für Europa.

3.1.2. Forschung auf Gemeinschaftsebene

Die wettbewerbsorientierte, transparente Forschung auf Gemeinschaftsebene ist wesentliche Voraussetzung für die Förderung und Unterstützung einer FuE von Weltrang im Europäischen Forschungsraum (EFR). Sie bündelt Kenntnisse, führt die besten Forscherteams unterschiedlicher Disziplinen zusammen und bildet eine Schnittstelle zwischen Industrie und Hochschulen. So erbringt sie eine dynamische Vorleistung für die interdisziplinäre FuE, die für den Fortschritt der Nanotechnologie von Vorteil ist.

Eine beträchtliche Anzahl von Forschungsprojekten der EU-Rahmenprogramme wurden bereits in Nanotechnologie unterstützt. Die spitzentechnologische FuE ist zwar wesentlich vorangeschritten, doch wird die Schlüsselrolle der Nanotechnologie nur im 6. RP anerkannt, wo die FuE-Tätigkeiten unter einem Themenbereich zusammengefasst sind, damit die Kommission dem Problem der Verzettelung, Doppelarbeit und Aufsplitterung entgegenwirken kann. Es wurden zwei neue Instrumente eingeführt: Integrierte Projekte (IP) und Exzellenznetze (EN). Hinzu kommt eine Reihe weiterer Instrumente und Maßnahmen [17], darunter spezielle IP für KMU.

[17] Sämtliche Instrumente des 6. RP sind unter http://fp6.cordis.lu/fp6/ home.cfm aufgeführt.

Seit der Veröffentlichung der ersten Aufforderung zur Einreichung von Vorschlägen wurden über 20 IP und EN für die FuE im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien ausgewählt und ausgehandelt. IP bilden eine kritische Masse von Akteuren und Finanzierungsquellen im Hinblick auf ein spezifisches Ziel. Sie beziehen alle - technischen und anderweitigen - Aspekte der FuE ein und könnten den Übergang von Nanowissenschaften zu Nanotechnologien gewährleisten, indem sie Forscher- und Unternehmensgemeinschaften zusammenführen.

Europäische Technologieplattformen sind ein neu eingeführtes Konzept, das alle interessierten Akteure vereinigen soll, damit sie eine langfristige gemeinsame Vision entwickeln, Ablaufpläne erstellen, die langfristige Finanzierung gewährleisten und ein kohärentes Führungskonzept durchsetzen. Dieses Konzept kann angesichts des Bedarfs an mehr Synergie und Koordinierung verschiedener Akteure in einem spezifischen technologischen Bereich angemessen sein.

3.1.3. Koordinierung einzelstaatlicher Tätigkeiten

Die nationalen und regionalen Politiken und Programme haben einen bedeutenden Stellenwert bei der Finanzierung der FuE im Bereich der Nanotechnologie. Fest steht jedoch, dass die nationalen Kapazitäten häufig nicht ausreichen, um High-Tech-Zentren von Weltrang zu schaffen. Daher sind diese Programme dringend zu koordinieren, so dass die Maßnahmen konsolidiert und gebündelt werden, um eine kritische Menge zu erreichen und auf den drei Synergieaxen - Forschung, Infrastrukturen und Bildung - eine stärkere Wirkung im EFR zu erzielen.

Um die Übernahme der Nanotechnologie in Anwendungen zu fördern und den interdisziplinären Charakter der FuE im Bereich der Nanotechnologie zu verstärken und zu nutzen, müssen nationale Programme mit (häufig) unterschiedlichen Disziplinen und Schwerpunkten so koordiniert werden, dass sich die Maßnahmen auf die Erreichung einer kritischen Masse in der angewandten FuE und die Verschmelzung unterschiedlicher wissenschaftlicher Kompetenzen konzentrieren. So lässt sich die rasche Umsetzung von Kenntnissen in innovative Anwendungen in ganz Europa gewährleisten.

Initiativen wie OMC (Open Method of Co-ordination) [18] und ERA-NET [19] können die Koordinierung von Programmen und gemeinsamen Tätigkeiten auf nationaler oder regionaler Ebene sowie unter europäischen Einrichtungen fördern und unterstützen. Diese Initiativen können mit entsprechenden Leistungsvergleichen (Benchmarking) zur Messung der Fortschritte einhergehen.

[18] Gemäß den Schlussfolgerungen der Präsidentschaft des Europäischen Rates von Lissabon, s. http://ue.eu.int/

[19] S. http:// www.cordis.lu/coordination/home.html

3.1.4. Planung und Zukunftsforschung

Technologieablaufpläne gestatten die Definition und Bewertung der Fortschritte in der Nanotechnologie und die Verfolgung ihres Voranschreitens in ausgereiftere Phasen der industriellen Entwicklung. Die Erstellung von Ablaufplänen an sich ist sinnvoll, da hierzu alle Beteiligten interagieren und Überlegungen zu etwaigen Entwicklungen, Aufgabenstellungen, Auswirkungen und künftigen Bedürfnissen anstellen müssen. Ein genereller Ablaufplan für Nanotechnologie wäre jedoch unrealistisch, da das Gebiet zu umfangreich ist. Stattdessen sollten Pläne für hinreichend ausgereifte Branchen entwickelt werden. Verschiedene Ablaufpläne werden derzeit erstellt, zu denen das Institut für technologische Zukunftsforschung der GFS einen wertvollen Beitrag leistet.

Wenn es darum geht, die Entwicklung von Ablaufplänen als strategisches Werkzeug zu untermauern, spielt die Zukunftsforschung eine wichtige Rolle, da sie künftige Entwicklungen vorwegnimmt und eine entsprechende Planung ermöglicht. Dies ist vor allem angesichts des brisanten Charakters der Nanotechnologie von Bedeutung, der eine Prüfung der möglichen gesellschaftlichen Auswirkungen erfordert. Hierzu bedarf es einer spezifischen Methodik und wurde eine unabhängige hochrangige Expertengruppe auf EU-Ebene gebildet: ,Ausblick auf die neue Technologiewelle: Konvergierende Nano-, Bio- und Informationstechnologien und deren Auswirkungen auf Gesellschaft und Wettbewerb in Europa".

Maßnahmen: Ein Europäischer Forschungsraum für Nanotechnologie

1. Um bei Nanowissenschaften und -technologien führend zu bleiben, sollte die EU ihr Engagement für FuE verstärken. Die Kommission sorgt für die Synergie mit Programmen auf nationaler Ebene und fordert die Mitgliedstaaten auf,

(a) die öffentlichen Investitionen in Nanowissenschaften und -technologien bis 2010 in kohärenter, koordinierter Weise um das Dreifache zu erhöhen, wobei das Lissabonner Ziel und das ,3-%-Ziel" zu beachten sind;

(b) Spitzenforschung der Nanowissenschaft durch Wettbewerb auf europäischer Ebene zu fördern;

(c) FuE im Bereich der Nanotechnologie im Hinblick auf Wohlstand schaffende Anwendungen zu fördern, unter Betonung der Einbeziehung von KMU;

(d) FuE-Tätigkeiten im nächsten Rahmenprogramm weiterhin zu bündeln, um eine kritische Masse und Synergie bei der Entwicklung von Nanowissenschaften, -technologien, zugehörender Technik und Sicherheitsaspekten zu gewährleisten;

(e) für die Koordinierung der nationalen Programme zu sorgen;

(f) Planung und Zukunftsforschung unter Hinzuziehung von Fachzentren und -instituten wie des Instituts für technologische Zukunftsforschung auf europäischer Ebene auszubauen.

3.2. Infrastruktur: ,High-Tech-Zentren" (,Poles of Excellence")

Infrastrukturen bestehen aus Einrichtungen und Ressourcen, die der Forschergemeinschaft wesentliche Dienste leisten. Es kann sich dabei um eine Infrastruktur an einem einzelnen Standort, ,verteilte" (ein Netz von verteilten Ressourcen) oder ,virtuelle" Infrastrukturen (elektronische Bereitstellung des Dienstes) handeln. Anlagen und Instrumente auf dem neuesten Stand der Technik sind für die Entwicklung der Nanotechnologie mehr und mehr maßgebend und können demonstrieren, ob sich die FuE in möglicherweise Wohlstand schaffende Produkte und Verfahren umsetzen lässt.

Um die Entwicklung der Nanowissenschaften und -technologien zu beschleunigen, sind Investitionen in eine Vielzahl moderner Einrichtungen, Instrumente und Anlagen unerlässlich. Aufgrund des interdisziplinären und komplexen Charakters dieser Infrastrukturen müssen Investitionen häufig auf lokaler, regionaler, nationaler Ebene und vom Privatsektor vorgenommen werden. Infrastrukturen lassen sich nach drei Investitionsstufen gliedern:

- Investition in Höhe von einigen Zehntausend EUR, in der Regel auf lokaler oder regionaler Ebene, z.B. für die interdisziplinären Nanotechnologie-Forschungszentren im VK und die Nanotechnologie-Kompetenzzentren in Deutschland;

- Investition bis zu 200 Millionen EUR, in der Regel auf nationaler Ebene. MINATEC in Frankreich, IMEC in Belgien und MC2 in Schweden sind hierfür gute Beispiele und zu Zentren von europäischem und internationalem Ruf geworden;

- Investitionen von mehr als 200 Millionen EUR. Spezielle Nanotechnologie-Einrichtungen dieser Größenordnung gibt es in der EU noch nicht, werden aber in Drittländern entwickelt [20].

[20] Ein Beispiel hierfür ist das "California Nanosystems Institute", in das rund 300 Millionen $ aus Bundes-, Staats- und Privatmitteln investiert wurden (s. http://www.cnsi.ucla.edu/ mainpage.html).

Die derzeitigen Infrastrukturen werden dem Bedarf der Industrie nicht immer gerecht. Diese Schwierigkeiten können verwaltungstechnischer oder geografischer Art sein; es kann sich auch um Zugangsprobleme oder Uneinigkeit hinsichtlich der Bedingungen für Urheberrechte handeln. Lösungen wie ,offene Laboratorien", zu denen die Industrie problemlos Zugang erhält, sind äußerst selten, werden jedoch dringend benötigt. Insbesondere KMU verfügen häufig nicht über die notwendigen Mittel und würden von einem derartigen Zugang wesentlich profitieren, um ihre FuE zu beschleunigen und die Marktvorlaufzeit zu verkürzen.

3.2.1. Neue ,High-Tech-Zentren" (,Poles of Excellence") für Europa

Eine Infrastruktur von Weltrang für Nanowissenschaften und -technologien mit europäischer Dimension und Zugkraft (,High-Tech-Zentren") ist dringend vonnöten. Diese Infrastruktur würde nicht nur Zugang zu neuesten Anlagen bieten, die lokal nicht zur Verfügung stehen, sondern auch sämtliche Aspekte der interdisziplinären FuE, Ausbildung und Prototypentwicklung abdecken. Sie könnte auch öffentlich-private Partnerschaffen umfassen und als Wiege für Start-up- und Spin-off-Unternehmen dienen.

Um die notwendige kritische Masse zu erreichen, müssen wir unsere Ressourcen in einer begrenzten Anzahl europäischer Infrastrukturen zusammenfassen. Zu den Bereichen, denen eine gegenseitige Synergie zugute käme, gehören Nanoelektronik, Nanobiotechnologie und Nanowerkstoffe. Einerseits sind Aufsplitterung und Doppelarbeit zu vermeiden, andererseits jedoch Wettbewerb und damit FuE-Spitzenleistungen sicherzustellen.

Infrastrukturen auf europäischer, nationaler und regionaler Ebene müssen in ausgewogenem Verhältnis stehen. Langfristig kann die Entwicklung mehrerer und/oder verteilter Zentren ein wichtiges Instrument zur Aufrechterhaltung eines angemessenen Wettbewerbs sein. Die europäischen Technologieplattformen und Gremien wie das ESFRI (European Strategy Forum on Research Infrastructure) können beachtliche Vorleistungen erbringen, um ein optimales Konzept zu gewährleisten.

3.2.2. Die ,Wachstumsinitiative"

Mit der Mitteilung ,Eine Europäische Wachstumsinitiative: Investitionen in Netze und Wissen für Wachstum und Beschäftigung" [21] wurde in Verbindung mit der Europäischen Investitionsbank (EIB) eine weitreichende Initiative eingeführt. Um nicht länger untätig zu bleiben, wurde ein ,Blitzstartprogramm" vorgeschlagen, das in erster Linie über Bankdarlehen (die EIB-Initiative ,Innovation 2010") in Verbindung mit Mitteln des Privatsektors (Industrie) finanziert wird.

[21] ,Eine Europäische Wachstumsinitiative: Investitionen in Netze und Wissen für Wachstum und Beschäftigung", KOM(2003) 690.

Nanoelektronik-Infrastrukturen stehen bei den vorgeschlagenen ,Blitzstartprojekten" an erster Stelle. Zu den übrigen Projekten gehören Laser der nächsten Generation (,Freieelektronenlaser"), die beispielsweise ,Schnappschüsse" der Atomstruktur einzelner Moleküle ermöglichen. Derartige Geräte sind für die Entwicklung der Nanowissenschaften und -technologien von unschätzbarem Wert, daher ist eine Synergie mit anderen Maßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene anzustreben.

Maßnahmen: Infrastruktur

2. Eine Infrastruktur von Weltrang ,High-Tech-Zentren" (,Poles of Excellence" mit europäischer Dimension und Zugkraft ist eine wesentliche Voraussetzung dafür, dass die EU ihre Wettbewerbsfähigkeit bei der FuE im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien steigert. Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

(a) ein kohärentes System von FuE-Infrastruktur zu entwickeln, wobei dem Bedarf der Beteiligten Rechnung zu tragen ist und vor allem Synergien mit dem Bildungswesen zu entwickeln sind;

(b) Maßnahmen zu treffen, um den mit der derzeitigen Infrastruktur erzielten Gewinn zu steigern, wobei die Bedürfnisse der Industrie, insbesondere von KMU, zu berücksichtigen sind.

Die Kommission weist auf die Notwendigkeit hin,

(c) die derzeitige Infrastruktur zu prüfen und zu kartieren, um den dringendsten Bedarf zu ermitteln und die Fortschritte in der Nanotechnologie zu beschleunigen, insbesondere in der interdisziplinären FuE;

(d) bei Bedarf neue spezifische Nanotechnologie-Infrastrukturen auf europäischer Ebene aufzubauen, mit denen eine kritische Masse erreicht und den Anforderungen der Industrie Rechnung getragen wird;

(e) die Möglichkeit zu prüfen, finanzielle Synergien mit der Europäischen Investitionsbank, dem Europäischen Investitionsfonds und den Strukturfonds herzustellen.

3.3. Investitionen in Humanressourcen

Um das Potenzial der Nanotechnologie auszuschöpfen, benötigt die EU interdisziplinäre Forscher und Ingenieure, die Wissen generieren und dafür sorgen, dass es an die Industrie weitergegeben wird. Ferner braucht sie fachlich geschulte Toxikologen und Risikobewerter, um die Risiken einzuschätzen und zu bewerten, die die Nanotechnologie für die menschliche Gesundheit bietet. Die Nanotechnologie als neuer, dynamischer Bereich bietet eine einzigartige Gelegenheit, eine Vielzahl von Nachwuchsforschern und anderen qualifizierten Mitarbeitern für Forscherkarrieren zu interessieren.

Einem kürzlichen Bericht [22] zufolge entfallen auf 1 000 berufstätige Personen in Europa 5,68 aktive Forscher, gegenüber 8,08 in den USA und 9,14 in Japan. Berücksichtigt man die zur Erreichung des 3-%-Ziels erforderlichen Humanressourcen, so werden schätzungsweise 1,2 Millionen zusätzliche europäische Forschungskräfte (darunter 700 000 Forscher) benötigt [23]. Es sind Maßnahmen einzuführen, um Forscher auf Dauer für Europa zu gewinnen; dies gilt auch für das nicht ausgeschöptte Frauenpotenzial.

[22] Europäische Kommission, ,Key Figures 2003-2004" (2003), S. 44. Die Zahlenangabe für die EU bezieht sich auf das Jahr 2001, diejenige für die USA auf 1997 und die für Japan 2002.

[23] ,In die Forschung investieren: Aktionsplan für Europa", KOM(2003) 226.

3.3.1. Jugend für ,Nano" gewinnen

Ein wesentlicher Teil des hier vorgelegten Konzepts besteht darin, die Jugend von Kindesbeinen an für die Wissenschaft zu interessieren. Allem Anschein nach richtet sich die Wahrscheinlichkeit, eine wissenschaftliche Laufbahn einzuschlagen, weitgehend nach der Fähigkeit von Lehrern, Eltern und Medien, Begeisterung für das ,den Dingen auf den Grund geben" zu wecken, wie es der Nobelträger Richard Feynman ausdrückte. Einfache Nanotechnologie-Konzepte können durch praktische wissenschaftliche Experimente und Demonstrationen vermittelt werden.

Nanotechnologie eignet sich gut für ein Grundstudium, da sie häufig ganzheitlich und nicht nach einzelnen Disziplinen gelehrt wird. Entscheidend ist jedoch, dass die junge Generation nicht nur einen Eindruck von der Forschung gewinnt, sondern auch von dem, was Forscher ,tun". Schüler können eine kritische Wahl treffen, wenn ihnen die Forschung als eine aufregende und verantwortungsvolle Laufbahn vorgestellt wird, die zahlreiche Möglichkeiten bietet. Initiativen wie das ,Europäische Jahr der Forscher" sind wertvolle Ansätze [24].

[24] ,Forscher im europäischen Forschungsraum: ein Beruf, vielfältige Karrieremöglichkeiten", KOM (2003) 436.

3.3.2. Abbau der Grenzen zwischen den Disziplinen

Hochschulen spielen beim Aufbau des wissensgestützten Europas eine zentrale Rolle [25]. Die Nanotechnologie legt großen Wert auf interdisziplinäres Vorgehen. Denkbar wären Grundkurse, die den Studierenden unabhängig von dem belegten Fachgebiet eine Grundausbildung in verschiedenen Fächern vermitteln. So soll gewährleistet werden, dass Nanotechnologen künftiger Generationen ,aufgeschlos sene Fachleute" sind, die mit ihren Kollegen anderer Disziplinen interagieren können. Die praktische ,Ausbildung durch Forschung" könnte ein wesentlicher Baustein der Nanotechnologie werden.

[25] ,Die Rolle der Universitäten im Europa des Wissens", KOM(2003) 58.

Für die Nanotechnologie kommen neue Formen der Ausbildung in Betracht, bei denen sich die herkömmlichen starren Grenzen verwischen und die auf gezieltes interdiziplinäres Lehren bis zum Studien- und Promotionsabschluss abzielen. Ferner sollten neue Konzepte, die die Freisetzung öffentlicher und privater Finanzmittel ermöglichen, sowie weitere Formen der Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Industrie erwogen werden (z.B. akademische ,Unternehmens gründungen" und ,Risikokapitaluniversitäten"). Dies könnte in Verbindung mit den europäischen ,High-Tech-Zentren" geschehen (s. Maßnahme 2), um den Studierenden eine ideale Gelegenheit zu bieten, praktische Erfahrungen mit der Spitzenforschung zu sammeln.

3.3.3. Forscher und Ingenieure mit Unternehmergeist

Den Forscherlaufbahnen wurde unlängst auf europäischer Ebene Aufmerksamkeit gewidmet. Dabei wurde auf einige Schwachstellen verwiesen, darunter die Einstellungsverfahren, Arbeitsbedingungen und die unterschiedlichen Berufsaus sichten für Frauen und Männer [26]. Vor allem geben Hindernisse für den Austausch von Forschern und Ingenieuren zwischen Forschung und Industrie (d.h. Karierebewertung über Veröffentlichungen oder Patente) Anlass zu Bedenken und können dem Technologietransfer und der Innovation in der Nanotechnologie abträglich sein.

[26] ,Forscher im europäischen Forschungsraum: ein Beruf, vielfältige Karrieremöglichkeiten", KOM(2003) 436.

Strebt man eine dynamische, wissensgestützte Gesellschaft an, so ist die Ansicht, Ausbildung ende, wo Beschäftigung beginnt, kontraproduktiv. Hiermit befasst sich der Aktionsplan für Qualifikationen und Mobilität [27]. Die Nanotechnologie ist ein dynamisches Gebiet, das laufend Weiterbildung erfordert, um über die neuesten Entwicklungen unterrichtet zu sein. Je näher sich die Nanotechnologie am Markt orientiert, desto mehr gewinnen Ausbildung im Hinblick auf Start-up / Spin-off-Entwicklungen, die Verwaltung von Urheberrechts-Portefeuilles, Sicherheit und Arbeitsbedingungen (einschließlich Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz) und zusätzliche Qualifikationen an Bedeutung, um sicherzustellen, dass Innovationsträger bessere Aussichten auf eine gesicherte Finanzierung haben und ihre Initiativen durchziehen können.

[27] ,Einen Europäischen Raum des lebenslangen Lernens schaffen", KOM (2001) 678 und ,Aktionsplan der Kommission für Qualifikation und Mobilität", KOM(2002) 72.

Maßnahmen: Investitionen in Humanressourcen

3. Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten, einen Beitrag zu leisten

(a) zur Ermittlung des Ausbildungsbedarfs in Nanotechnologie und Vorlage von Beispielen empfehlenswerter Verfahren und/oder Ergebnissen von Pilotstudien;

(b) zur Förderung der Entwicklung und Einführung neuer Lehrgänge und Lehrpläne, der Ausbildung für Lehrer und von Lernmaterial zur Unterstützung interdisziplinärer Konzepte der Nanotechnologie sowohl an Schulen als auch an Hochschulen.

(c) zur Einbeziehung zusätzlicher Qualifikationen in die Doktoranden- und lebensbegleitende Ausbildung, z.B. Unternehmergeist, Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz, Patentschutz, ,Spin-off"-Mechanismen, Kommunikation u.a.

Die Kommission sieht Möglichkeiten

(d) zur Prüfung der Realisierbarkeit einer gemeinsamen Marie-Curie-Aufforderung [28] zur Einreichung von Vorschlagen im Bereich der Nanowissenschaft und -technologie;

[28] S. http://europa.eu.int/ mariecurie-actions

(e) zur Einführung eines ,europäischen Nanotechnologie-Preises", der die interdisziplinäre und unternehmerische Denkweise von Forschern fördern würde.

3.4. Industrielle Innovation: Vom Wissen zur Technologie

Auf dem heutigen globalisierten Markt richtet sich der langfristige wirtschaftliche Erfolg zunehmend nach der Generierung, Pflege und Nutzung von Kenntnissen. Die Generierung von Kenntnissen setzt FuE-Investitionen voraus; industrielle Innovation ihrerseits ist auf Kenntnisse angewiesen, um Wohlstand zu schaffen. So schließt sich der Kreis, und neues Privatkapital kann der FuE zufließen.

Wie kann die europäische Industrie unsere Stärken in der Nanowissenschaft nutzen, um Wohlstand schaffende Produkte und Dienste zu entwickeln? Die Fähigkeit, das Potenzial dieses Wissens durch Nanotechnologie zu erschließen, ist eine entscheidende Voraussetzung dafür, dass Industriezweigen, die angesichts einer starken internationalen Konkurrenz nicht mehr wettbewerbsfähig sind, neue Impulse verliehen werden und sich neue, wissensgestützte europäische Branchen herausbilden.

Es bedarf eines integrierten Konzepts der Innovationspolitik [29], das mit dem künftigen Aktionsplan für Innovation [30] entwickelt wird. Neben gemeinsamen, für die FuE ausschlaggebenden Faktoren [31], darunter funktionstüchtige und wettbewerbs bestimmte Märkte, eine innovationsfreundliche Steuerpolitik, Finanzinstrumente [32], qualifiziertes Personal, öffentlich-private Partnerschaften und Infrastrukturen, sind bei der Nanotechnologie drei weitere Faktoren zu berücksichtigen: Patentschutz grundlegender Kenntnisse, Regulierung und Metrologie.

[29] ,Innovationspolitik: Anpassung des Ansatzes der Union im Rahmen der Lissabon-Strategie", KOM(2003) 112.

[30] S. http://europa.eu.int/comm/enterprise/ innovation/index.htm

[31] Vgl. ,In die Forschung investieren: Aktionsplan für Europa", KOM(2003) 226.

[32] Vgl. ,Der Zugang kleiner und mittlerer Unternehmen zu Finanzmitteln", KOM(2003) 713.

3.4.1. Möglichkeiten und Aufgabenstellungen für die derzeitige Industrie

Die Nanotechnologie bietet weitreichende Möglichkeiten sowohl für schrittweise als auch für beträchtliche Innovationen in Unternehmen. Gleichzeitig setzt sie viele Unternehmen der Gefahr aus, dass sie das Potenzial der Nanotechnologie nicht rechtzeitig erkennen und ihre Wettbewerbsfähigkeit einbüßen. Der Mangel an einer soliden europäischen Kultur, die unternehmerische Risikobereitschaft in Bereichen wie Nanotechnologie fördert, kann neben ungünstigen Rahmenbedingungen für Innovation ein entscheidender Faktor sein.

Die europäische Industrie arbeitet in einem stark wettbewerbsorientierten Umfeld. Aus verschiedenen Gründen kann es ihr an Kapital mangeln, so dass sie nur begrenzte Mittel für FuE und Innovation aufwenden kann. Neueren Daten zufolge betragen die privaten FuE-Investitionen in der EU 1,09 % des BIP, gegenüber 1,85 % in den USA und 2,2 % in Japan [33]. Für die Nanotechnologie liegen keine vergleichbaren Zahlen vor, doch ist davon auszugehen, dass der Anteil der Investitionen der Industrie in Europa verhältnismäßig niedriger ist als in den USA oder Japan.

[33] Europäische Kommission, ,Key Figures 2003-2004" (2003).

3.4.2. Unternehmensgründung und Risikokapital in der Nanotechnologie

Die meisten Bereiche der Nanotechnologie stehen in einem frühen Entwicklungs stadium, und erfolgreiche Forscher werden häufig durch Firmengründungen zu Unternehmern. Von Hunderten dieser Unternehmen, die in den vergangenen Jahren gegründet wurden, befindet sich die Hälfte in den USA und ein Viertel in der EU [34]. Berücksichtigt man, dass zwei Drittel der Arbeitsplätze in Europa auf KMU entfallen, so wird deutlich, dass es weiterer Maßnahmen bedarf, um die Gründung neuer und innovativer Unternehmen zu fördern [35].

[34] "Little science, big bucks" Nature Biotechnology, Band 21, Nr. 10, Oktober 2003, S. 1127.

[35] ,Aktionsplan: Europäische Agenda für unternehmerische Initiative", KOM(2004) 70.

Banken und Risikokapitalgeber gehen äußerst selektiv vor, wenn sie Risikokapital anbieten, insbesondere für Bereiche, die in ihren Augen ein hohes technisches Risiko bergen, mit einer ungewissen Marktvorlaufzeit verbunden sind oder negative ethische, gesundheitliche oder ökologische Auswirkungen haben können. In der Regel werden Patente benötigt, um das Eigentum an Wissen zu schützen; junge Unternehmer müssen nicht nur in der Nanotechnologie führend sein, sondern auch über Managementqualitäten und Geschäftsinn verfügen.

Neue Unternehmer klagen häufig darüber, dass ihnen Kredit (anstelle von Risikokapital) bewilligt wird und sie keine Unterstützung in der Unternehmensführung erhalten; damit steigt ihre Risikoanfälligkeit. Trotz technologischer Erfolge können neu gegründete Unternehmen fehlschlagen, weil sie die Gewinnschwelle nicht erreichen. Dieses Problem kann sich bei der Nanotechnologie verschärfen, wo der FuE-Prozess ein langfristiges Engagement erfordert. Hier kann die Europäische Investitionsbank (EIB) eine wichtige Rolle spielen, indem sie Darlehen gewährt und die Kapitalbasis für Nanotechnologie-Unternehmen verstärkt.

3.4.3. Patentschutz

Das Eigentum an Wissen durch Urheberrechte ist für die Wettbewerbsfähigkeit der Industrie entscheidend, was sowohl die Beschaffung von Erstinvestitionen als auch die Gewährleistung künftiger Einnahmen betrifft. Seit den 80-er Jahren wurden ständig mehr Nanotechnologie-Patente erteilt. Das Management von Urheberrechten kann auf einem Gebiet wie dem der Nanotechnologie eine anspruchsvolle Aufgabe sein, wo der interdisziplinäre Ansatz Forscher und Unternehmen mit unterschiedlichen Kulturen und Einstellungen zusammenführt.

Da sie hohe Ansprüche an Kenntnisse stellt, wirft die Nanotechnologie die grundlegende Frage auf, was patentiert werden sollte und was nicht (z.B. bei einzelnen Molekülen). Übereinstimmung hinsichtlich der Konzepte und Definitionen auf europäischer und im Idealfall internationaler Ebene spielt eine wichtige Rolle bei der Erhaltung des Vertrauens von Investoren und der Vermeidung von Verzerrungen, die sich aus einer unterschiedlichen Behandlung oder Auslegung von Urheberrechten auf lokaler Ebene ergeben können.

3.4.4. Regulierung

Eine angemessene und rechtzeitige Regulierung im Bereich der öffentlichen Gesundheit, des Verbraucherschutzes und der Umwelt ist maßgebend, nicht zuletzt um das Vertrauen der Verbraucher, Beschäftigten und Investoren zu gewinnen. Bestehende Vorschriften sollten so weit wie möglich herangezogen werden. Angesichts der spezifischen Merkmale der Nanotechnologien sind sie jedoch zu überprüfen und gegebenenfalls zu revidieren. Hier empfiehlt sich ein vorausschauendes Konzept. Die Erweiterung der Kenntnisse der Nanowissenschaften durch FuE sowohl auf europäischer als auch auf nationaler Ebene sollte die Grundlage für weitere Maßnahmen bilden.

Eine einheitliche Regulierung gewährleistet nicht nur Kohärenz und hilft Wettbewerbsverzerrungen vermeiden, sondern ist auch eine wesentliche Voraussetzung für die Risikoverringerung und die Gewährleistung des Gesundheits- und Umweltschutzes. Die bestehende Regulierung stützt sich häufig auf Parameter, die sich für bestimmte Anwendungen der Nanotechnologie, z.B. freie Nanopartikel, als unangemessen erweisen können. Beispielsweise werden häufig Produktions volumen oder Masse als Grenzwerte definiert, unterhalb derer ein Stoff möglicherweise keiner Regulierung bedarf. Diese Grenzwerte sollten auf ihre Relevanz überprüft und bei Bedarf geändert werden.

3.4.5. Metrologie und Normen

Um das kommerzielle Potenzial der Nanotechnologie in der EU auszuschöpfen, benötigen Industrie und Gesellschaft zuverlässige quantitative Bestimmungs möglichkeiten und Messtechniken, die die Wettbewerbsfähigkeit und Zuverlässigkeit künftiger Produkte und Dienste absichern. Es sind Messtechniken und Normen zu entwickeln, die die rasche Entwicklung der Technologie erleichtern und den Nutzern das notwendige Vertrauen in die Leistung von Verfahren und Produkten vermitteln.

Neue Messtechniken werden benötigt, um den Anforderungen der Nanotechnologie gerecht zu werden. Dies ist eine anspruchsvolle Aufgabe. Auf der Nanostufe wird es schwierig, die Störwirkung von Messinstrumenten auf die Messung selbst zu erkennen. In manchen Bereichen stehen einfach noch keine Messgeräte zur Verfügung. Es bedarf umfangreicher Normungs- und Entwicklungsarbeiten, wobei dem Bedarf der Industrie an raschen Messungen und Kontrollen Rechnung zu tragen ist. Das Europäische Komitee für Normung (CEN) [36] hat kürzlich eine Arbeits gruppe für Nanotechnologie eingesetzt.

[36] Vgl. http://www.cenorm.be/ (CEN-Entschließung BT C005/2004).

Maßnahmen: Industrielle Innovation: Vom Wissen zur Technologie

4. Die Kommission unterstreicht die Vorteile eines koordinierten Vorgehens zur Förderung von Innovation und Unternehmergeist im Bereich der Nanotechnologie in Europa und

(a) fordert die Mitgliedstaaten auf, Bedingungen festzulegen, die FuE-Investitionen der Industrie und innovativer Unternehmen im Sinne der Lissabonner Ziele fördern;

(b) betont die Notwendigkeit, die Perspektiven und Bedingungen für die erfolgreiche industrielle Nutzung von Nanotechnologie eingehender zu prüfen;

(c) legt der Europäischen Investitionsbank und dem Europäischen Investitionsfonds nahe, einen Beitrag zum Ausbau der Kapitalbasis für nanotechnologische Innovationen zu leisten und appelliert an die Mitgliedstaaten, den Einsatz der Strukturfonds für FuE-Initiativen auf regionaler Ebene zu prüfen.

(d) betrachtet solide, einheitliche und günstige Rahmenbedingungen für Urheberberechte als wesentliche Voraussetzung für Technologietransfer und Innovation;

(e) fordert die Mitgliedstaaten auf, eine engere Zusammenarbeit zwischen den Patentämtern anzubahnen, die ein effizienteres globales Patentsystem ermöglicht [37];

[37] Vgl. Schlusskommuniqué der Sitzung des OECD-Ausschusses für Wissenschafts- und Technologiepolitik auf Ministerebene vom 29.-30. Januar 2004 (s. http://www.oecd.org/ ).

(f) ersucht die Mitgliedstaaten, die derzeitige Regulierung zu überprüfen, um den spezifischen Merkmalen der Nanotechnologie Rechnung zu tragen und ein gemeinsames europäisches Konzept festzulegen;

(g) ersucht die Mitgliedstaaten, die Tätigkeiten im Bereich der Metrologie, Standardisierung und Normung zu intensivieren und zu koordinieren, um die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Industrie zu steigern.

3.5. Einbeziehung der gesellschaftlichen Dimension.

Der Wissenschaftsgemeinschaft wird zuweilen vorgehalten, sich zu stark von den demokratischen Verfahren abzuwenden. Der Öffentlichkeit mangele es an Verständnis, Kenntnis der Risiken und Vorteile sowie an Beteiligungs- und Kontrollmöglichkeiten. Die potenziellen Anwendungen der Nanotechnologie mögen unsere Lebensqualität verbessern, doch können damit wie mit jeder neuen Technologie auch Risiken einhergehen. Dies sollte offen anerkannt und näher geprüft werden. Gleichzeitig ist auf die Wahrnehmung der Nanotechnologie und ihrer Risiken durch die Öffentlichkeit einzugehen.

Es liegt im Interesse aller, eine offensive Grundeinstellung anzunehmen, gesellschaftliche Erwägungen uneingeschränkt in die FuE einzubeziehen und deren Vorteile, Risiken und gesellschaftlichen Auswirkungen abzuwägen. Es wurde bereits darauf hingewiesen [38], dass dies so früh wie möglich geschehen muss, statt mit nachträglicher Zustimmung zu rechnen. In dieser Hinsicht stellt die komplexe und unsichtbare Natur der Nanotechnologie die Verantwortlichen für Wissenschafts- und Risikoinformation vor eine anspruchsvolle Aufgabe.

[38] z.B. "Nanotechnology: Revolutionary opportunities & societal implications", 3. gemeinsamer EC-NSF-Workshop zur Nanotechnologie, Lecce, Italien (2002) und "The social and economic challenges of nanotechnology", ESRC, VK (2003).

3.5.1. Verantwortungsbewusste Entwicklung der Nanotechnologie

Ethische Grundsätze sind einzuhalten und gegebenenfalls durch Regulierungsmaßnahmen zu untermauern. Diese Grundsätze sind in der Europäischen Charta der Grundrechte [39] und weiteren europäischen und inter nationalen Dokumenten [40] niedergelegt. Ferner ist der Standpunkt der Europäischen Ethikgruppe [41] zu berücksichtigen, die die ethischen Aspekte medizinischer Anwendungen (auch) von Nanotechnologien prüft.

[39] S. http://www.europarl.eu.int/charter/ default_en.htm.

[40] S. http://europa.eu.int/comm/research/ science-society/ethics/legislation_en.html

[41] S. http://europa.eu.int/comm/ european_group_ethics/index_en.htm

Zu den grundlegenden ethischen Werten gehören die Achtung der Menschenwürde, die Unabhängigkeit des Einzelnen, Gerechtigkeit und Wohlbefinden, die Freiheit der Forschung und das Prinzip der Verhältnismäßigkeit. Die Relevanz dieser Grundsätze für menschliche und anderweitige Anwendungen der Nanotechnologie muss bekannt sein. Ferner können bestimmte Anwendungen, z.B. Miniatursensoren, spezifische Auswirkungen auf den Schutz der Privatsphäre und personenbezogener Daten haben.

Fest steht, dass die Entwicklung der Nanotechnologie nicht im Verborgenen erfolgen darf, sondern erkennbar und überprüfbar sein und demokratischen Grundsätzen gerecht werden muss. Obwohl Forderungen nach einem Moratorium über Nanotechnologieforschung gestellt wurden, ist die Kommission davon überzeugt, dass dies stark kontraproduktiv wäre. Damit würden nicht nur der Gesellschaft mögliche Vorteile vorenthalten, es könnten auch ,Technologieparadise" entstehen, in denen Forschung in Freiräumen ohne Regulierung betrieben wird und die Gefahr des Missbrauchs besteht. Unter diesen Umständen wären wir nicht in der Lage, die Entwicklungen zu verfolgen und einzuschreiten, was noch schwerere Folgen haben könnte. Das Vorsorgeprinzip [42] könnte wie bisher gelten, falls realistische und ernsthafte Risiken auftreten.

[42] ,Mitteilung der Kommission über die Anwendbarkeit des Vorsorgeprinzips", KOM (2000) 1.

3.5.2. Information, Kommunikation im Dialog: Verständnis des Unsichtbaren

,Was ist Nanotechnologie?" Einer Umfrage von 2001 [43] unter 16 000 Personen zufolge ist Nanotechnologie kaum ein Begriff. Nanotechnologie ist komplex und spielt sich in einem unsichtbaren Bereich ab, daher ist dieses Konzept für die Allgemeinheit möglicherweise schwer zu begreifen. Schlagzeilen, z.B. über selbstreplikative Nanoroboter, die unsere derzeitige Kapazität bei weitem überschreiten, häufig aber als unmittelbare Gefahr genannt werden, zeigen, dass dringend Informationen über die derzeitige Nanotechnologieforschung und deren mögliche Anwendungen zu vermitteln sind. Der ,Nanotruck" [44] ist ein ausgezeichnetes Beispiel für Möglichkeiten, die Allgemeinheit für Nanotechnologie zu sensibilisieren.

[43] Europäische Kommission, "Europeans, Science and Technology" Eurobarometer 55.2, Dezember 2001.

[44] S. http:// www.nanotruck.net

Ohne ernsthafte Bemühungen um Kommunikation könnten nanotechnologische Innovationen zu Unrecht negativ von der Öffentlichkeit aufgenommen werden. Ein effektiver Dialog erweist sich als unerlässlich, bei dem die Ansichten der Öffentlichkeit berücksichtigt werden und die Entscheidungen hinsichtlich der FuE-Politik beeinflussen können [45]. Vertrauen in die Nanotechnologie und deren Akzeptanz durch die Allgemeinheit sind für ihre langfristige Entwicklung und die Nutzung ihrer potenziellen Vorteile entscheidend. Fest steht, dass die Wissenschaftsgemeinschaft ihre Kommunikationsfähigkeit verbessern muss.

[45] ,Aktionsplan - Wissenschaft und Gesellschaft", KOM(2001) 714.

Maßnahmen: Einbeziehung der gesellschaftlichen Dimension

5. Die Kommission weist darauf hin, dass den gesellschaftlichen Aspekten der Nanotechnologie gebührende Aufmerksamkeit zu widmen ist und

(a) appelliert an die Mitgliedstaaten, im Umgang mit der FuE im Bereich der Nanotechnologie eine offene und vorausschauende Haltung einzunehmen, um das Bewusstsein und Vertrauen der Öffentlichkeit zu gewährleisten;

(b) ruft zum Dialog mit den EU-Bürgern und -Verbrauchern auf, um eine kritische Beurteilung der FuE im Bereich der Nanotechnologie zu ermöglichen, die sich auf objektive Informationen und Meinungsaustausch stützt;

(c) bekräftigt, dass sie ethischen Grundsätzen verpflichtet ist, um zu gewährleisten, dass die FuE im Bereich der Nanotechnologie verantwortungsbewusst und transparent durchgeführt wird.

4. Öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz

FuE und technologischer Fortschritt müssen mit wissenschaftlichen Untersuchungen und Einschätzungen möglicher Gesundheits- oder Umweltrisiken der Nanotechnologie einhergehen. Derzeit laufen einige spezifische Studien zur Bewertung der Risiken, die auch im 6. RP im Zusammenhang mit IP und EN im Bereich der Nanotechnologie geprüft werden. Insbesondere könnten sich Nanopartikeln aufgrund ihrer geringen Größe unerwartet verhalten [46]. Es können sich z.B. Probleme bei der Herstellung, Entsorgung, Behandlung, Lagerung und beim Transport ergeben. FuE ist erforderlich, um die einschlägigen Parameter zu ermitteln und ggf. die Regulierung vorzubereiten, wobei die gesamte Kette der Betroffenen, von den Forschern über die Mitarbeiter bis hin zu den Verbrauchern, zu berücksichtigen ist. Zu beobachten sind ferner die Auswirkungen der Nanotechnologie während ihres gesamten Lebenszyklus', z.B. mit Hilfe von Lebenszyklus-Bewertungswerkzeugen. Da diese Fragen weltweit von Belang sind, wäre es sinnvoll, Kenntnisse systematisch auf internationaler Ebene zu bündeln.

[46] Vgl. EG-finanzierte Projekte: Nanopathology "The role of nano-particles in biomaterial-induced pathologies" (QLK4-CT-2001-00147); Nanoderm "Quality of skin as a barrier to ultra-fine particles" (QLK4-CT-2002-02678); Nanosafe "Risk assessment in production and use of nano-particles with development of preventive measures and practice codes" (G1MA-CT-2002-00020).

Grundsätzlich setzen öffentliche Gesundheit, Umwelt- und Verbraucherschutz voraus, dass die an der Entwicklung von Nanotechnologie Beteiligten - darunter Forscher, Entwickler, Hersteller und Verkäufer - potenzielle Risiken so früh wie möglich schon im Vorfeld angehen und hierzu zuverlässige wissenschaftliche Daten und Analysen heranziehen und sich auf angemessene Methoden stützen. Dies stellt eine Herausforderung dar, da die Vorhersage der Eigenschaften von Nanotechnologieprodukten schwierig ist und die Berücksichtigung sowohl der klassischen Physik als auch quantenmechanischer Effekte erfordert. Vielfach kommt die nanotechnologische Bearbeitung eines Stoffes der Herstellung eines neuen chemischen Stoffes gleich. Infolgedessen ist die Weiterverwendung vorhandener Daten und die Erfassung neuer, nanotechnologiespezifischer Daten über Toxikologie und Ökotoxikologie (u.a. Dosis-Wirkungs- und Expositionsdaten) zu erwägen, wenn man sich mit den potenziellen Risiken der Nanotechnologie für die öffentliche Gesundheit, die Umwelt und die Verbraucher befasst. Hierzu sind ferner Risikobewertungsmethoden zu prüfen und bei Bedarf anzupassen. In der Praxis erfordert die Auseinandersetzung mit den potenziellen Risiken von Nanotechno logien die Einbeziehung der Risikobewertung in jede Etappe des Lebenszyklus' von Nanotechnologieprodukten.

Maßnahmen: Öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz

6. Im Interesse eines hohen Grades an öffentlicher Gesundheit, Sicherheit, Umwelt- und Verbraucherschutz weist die Kommission auf die Notwendigkeit hin,

(a) (reale oder vermeintliche) Sicherheitsbedenken zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu ermitteln und zu behandeln;

(b) die Integration von Gesundheits-, Umwelt,- Risiko- und anderweitigen Aspekten in die FuE-Tätigkeiten und spezifische Studien verstärkt zu unterstützen.

(c) die Erfassung toxikologischer und ökotoxikologischer Daten (einschließlich Dosis-Wirkungs-Daten) zu unterstützen und eine potenzielle Exposition des Menschen und der Umwelt zu bewerten

Die Kommission appelliert an die Mitgliedstaaten,

(d) bei Bedarf die Anpassung von Risikobewertungsverfahren zu fördern, wobei spezifische Aspekte nanotechnologischer Anwendungen zu berücksichtigen sind;

(e) die Einbeziehung der Risikobewertung in den Schutz der menschlichen Gesundheit, der Umwelt, der Verbraucher und Beschäftigten in alle Etappen des Lebenszyklus' der Technologie zu fördern (vom Entwurf über FuE, Fertigung, Vertrieb, Nutzung bis hin zur Entsorgung).

5. Ein weiterer Schritt: Internationale Zusammenarbeit

Internationale Zusammenarbeit ist ein Schlüsselfaktor, der die FuE voranbringt, und das 6. Rahmenprogramm steht beispielsweise der Welt offen, da sich Forschungsteams aus praktisch allen Ländern an Projekten beteiligen können. Dies ist vor allem für die Nanotechnologie von Bedeutung, die viele Grundkenntnisse erfordert und nach wie vor zahlreiche wissenschaftliche und technische Aufgabenstellungen mit sich bringt; hier kann eine globale kritische Menge erforderlich sein. Internationale Zusammenarbeit kann die FuE beschleunigen, indem Wissenslücken rascher geschlossen werden, und ebnet den Weg für neue metrologische Lösungen und Normen.

Mehrere Länder haben Abkommen zur wissenschaftlich-technischen Zusammen arbeit mit der EU geschlossen, u.a. im Bereich der Nanotechnologie. Insbesondere gibt es eine Durchführungsvereinbarung zwischen der Europäischen Kommission und der National Science Foundation (NSF, USA) und eine weitere mit dem Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST, China). Diese Durchführungsvereinbarungen bilden einen Rahmen für eine verstärkte Zusammenarbeit und gestatten die Einleitung gemeinsamer Initiativen. Seit 1999 wurden koordinierte Aufforderungen der Kommission und der NSF veröffentlicht und rund 20 Projekte gestartet.

Ausgehend von den Erfahrungen mit dem 6. Rahmenprogramm, bedarf es einer verstärkten internationalen Zusammenarbeit im Bereich der Nanowissenschaften und -technologien, sowohl mit wirtschaftlich stärkeren Ländern (um Kenntnisse auszutauschen und von einer kritischen Masse zu profitieren) als auch mit wirtschaftlich schwächeren (um deren Zugang zu Kenntnissen zu sichern und eine ,Wissenskluft" zu vermeiden). Vor allem müssen dringend Kenntnisse über die Gesundheits-, Sicherheits- und Umweltaspekte der Nanotechnologie zum Nutzen aller Bürger ausgetauscht werden.

Gemeinsame Grundsätze für die FuE im Bereich der Nanotechnologie sollten in einen freiwilligen Rahmen (z.B. einen ,Verhaltenskodex") eingebettet werden, um die EU mit Ländern zusammenzuführen, die im Bereich der Nanotechnologie forschung tätig sind, und unser Engagement für deren verantwortungsbewusste Entwicklung mit ihnen zu teilen. Erste Gespräche mit Vertretern z.B. der USA, Japans, der Schweiz und Russlands sind in dieser Hinsicht äußerst vielversprechend und könnten den Weg für weitere Initiativen bereiten.

Maßnahmen: Internationale Zusammenarbeit

7. Die Kommission wird entsprechend ihren internationalen Verpflichtungen, insbesondere im Rahmen der Welthandelsorganisation,

(a) die internationale Diskussion bzw. Übereinstimmung in Fragen von weltweiter Tragweite wie öffentliche Gesundheit, Sicherheit, Umwelt, Verbraucherschutz, Risikobewertung, Regulierungskonzepte, Metrologie, Nomenklatur und Normen fördern;

(b) den Zugang zu Grundkentnissen in weniger industrialisierten Ländern unterstützen, um zur Vermeidung einer ,Wissenskluft" beizutragen;

(c) die Verfolgung und den Austausch von Informationen über die wissenschaftliche, technologische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung von Nanotechnologien fördern;

(d) die Festlegung eines internationalen ,Verhaltenskodizes" unterstützen, um eine weltweite Einigung über die Grundsätze einer verantwortungsbewussten Entwicklung der Nanotechnologie zu gewährleisten.

Anhang: Abschätzung öffentlicher Investitionen in Nanotechnologie

(Man beachte, dass die nachstehenden Daten aus verschiedenen Quellen stammen [47].)

[47] Asien (APNF, ATIP, nABACUS), Europa (Bundesministerium für Bildung und Forschung (Deutschland), Enterprise Ireland, Generalsekretariat für Forschung (Griechenland), Inspection générale de l'administration de l'éducation nationale et de la recherche (Frankreich), Nanoforum, nationale Kontaktstellen, CORDIS-Nanotechnologie-Datenbank (unterschiedliche Quellen), USA (NSF), sonstige (unterschiedliche Quellen).

Abb. 1: Öffentliche Gesamtinvestitionen in Nanotechnologie im Jahr 2003 in Europa (mit Israel, Schweiz und Norwegen als dem 6. Rahmenprogramm assoziierte Länder), Japan, den USA und anderen Ländern (1 EUR = 1 $)

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Abb. 2: Investitionshöhe in der EU-15 sowie in einigen Beitrittsländern (CZ, LV, LT, SI) und den wichtigsten assoziierten Staaten (CH IL, und NO) und der Kommission in absoluten Zahlen (EUR) 2003.

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Abb. 3: Investionshöhe in den wichtigsten Drittländern (ausgenommen USA und Japan) mit Nanotechnologie-Programmen in absoluten Zahlen ($), 2003. Dabei sind die möglicherweise großen Unterschiede in der Kaufkraft zu berücksichtigen.

>VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

Abb. 4: Investitionshöhe pro Kopf im Vergleich 2003: EU-15, EU-25, einige Beitrittsländer (CZ, LV, LT, SI), die wichtigsten dem 6. Rahmenprogramm assoziierten Staaten (CH, IL und NO) und Japan (1 EUR = 1 $)

>VERWEIS AUF EIN SCHAUBILD>

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