51997AR0316

Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union" CdR 316/97 fin -

Amtsblatt Nr. C 251 vom 10/08/1998 S. 0011


Stellungnahme des Ausschusses der Regionen zum Thema "Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union" (98/C 251/04)

DER AUSSCHUSS DER REGIONEN,

gestützt auf die Mitteilung der Europäischen Kommission "Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union" (),

aufgrund des Beschlusses der Europäischen Kommission vom 8. März 1998, ihn gemäß Artikel 198 c Absatz 1 des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft um Stellungnahme zu diesem Thema zu ersuchen,

aufgrund der Beschlüsse seines Präsidiums vom 30. Mai 1997 und vom 18. Februar 1998, die Fachkommission 4 "Raumordnung, Städtefragen, Energie, Umwelt" mit der Erarbeitung dieser Stellungnahme zu beauftragen,

unter Berücksichtigung des zusammenfassenden Berichts "Das Europa der Städte. Aktionsprogramme der Gemeinschaft in der städtischen Umgebung",

unter Berücksichtigung der Mitteilung "Agenda 2000: eine stärkere und erweiterte Union",

unter Berücksichtigung des ersten offiziellen Entwurfs der "Europäischen Raumordnungs- und Entwicklungskonzeption" für das informelle Ratstreffen der für Raumordnung zuständigen Minister im Juni 1997,

gestützt auf verschiedene Stellungnahmen des Ausschusses der Regionen:

- Mitteilung der Kommission "Europa 2000+ - Zusammenarbeit für eine europäische Raumentwicklung" (CdR 233/95) ()

- "Die Bewertung der finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen von EU-Rechtsakten auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften" (CdR 368/95) ()

- Grünbuch zum Bürgernetz (CdR 42/96 fin) ()

- "Regionale und lokale Gebietskörperschaften in der Europäischen Union" (47/96 fin) ()

- Fünftes Umweltaktionsprogramm (CdR 142/96 fin) ()

- "Die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften im öffentlichen Dienstleistungsbereich" (CdR 148/96 fin) ()

- "Stadtentwicklung und die Europäische Union" (CdR 235/95) ()

- "Die Raumordnung in Europa" (CdR 340/96 fin) ()

- "Die Rolle der lokalen und regionalen Gebietskörperschaften als Bindeglied zwischen Bildungs- und Berufsbildungseinrichtungen und Unternehmen" (CdR 346/96 fin) ()

- Grünbuch: "Künftige Lärmschutzpolitik" (CdR 436/96 fin) ()

- Arbeitsdokument "Die Auswirkungen der Strukturfonds auf die städtischen Gebiete" (CdR 8/97 fin)

- "Fünftes Rahmenprogramm im Bereich der FTED" (CdR 158/97 fin) ()

- "Interkulturelle Erziehung" (CdR 194/97) (),

gestützt auf die Vorbereitungen des Arbeitskreises (bestehend aus Herrn Berger, Herrn Frau, Frau Freehill, Herrn Pentillä, Herrn Peper (Berichterstatter), Frau Powell und Frau Tilberg) zur Erarbeitung dieser Stellungnahme,

gestützt auf den am 14. Januar 1998 von der Fachkommission 4 angenommenen Entwurf einer Stellungnahme (CdR 316/97 rev. 2) (Berichterstatter: Herr Peper);

verabschiedete auf seiner 23. Plenartagung am 13. und 14. Mai 1998 (Sitzung vom 14. Mai) einstimmig folgende Stellungnahme.

1. Einleitung

1.1. Der Ausschuß der Regionen begrüßt die Veröffentlichung der Mitteilung der Europäischen Kommission "Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union". Nach dem Grünbuch über die Stadtentwicklung (1990), dem Anlaufen des Projekts "Zukunftsfähige Städte" und der Durchführung der Gemeinschaftsinitiative URBAN markiert dieses Dokument einen weiteren wichtigen Schritt hin zur vollen Anerkennung der Tatsache, daß die Städte für die Wettbewerbsfähigkeit der Regionen und ein wettbewerbsfähiges Europa von wesentlicher Bedeutung sind. Damit bestätigt die Kommission die Argumente des Ausschusses der Regionen, der in seiner Stellungnahme "Stadtentwicklung und die Europäische Union" betont hatte, daß die Gemeinschaft einen integrierten städtepolitischen Ansatz entwickeln müsse, um mit den schwerwiegenden Problemen der Städte fertig zu werden und ihr Potential zur Förderung von Wirtschaftswachstum und Wohlstandsförderung zu nutzen. Gleichzeitig würde ein solcher integrierter Ansatz die Durchschlagskraft der die städtischen Gebiete betreffenden gemeinschaftspolitischen Strategien erhöhen.

1.2. Die Kommissionsmitteilung ist zu einer entscheidenden Zeit, in der den europäischen Städten wachsende Aufmerksamkeit zuteil wird, erschienen. Hinter dieser Entwicklung steht eine jahrelange Aufklärungsarbeit, die vor allem von den lokalen Gebietskörperschaften und ihren Verbänden geleistet wurde. Der Ausschuß der Regionen hat seit Beginn seiner Arbeit immer wieder auf die Notwendigkeit einer städtischen Perspektive in den politischen Strategien und Programmen der Gemeinschaft hingewiesen. Der Bewußtwerdungsprozeß verlief anfangs nur langsam, gewann aber im Laufe des letzten Jahres deutlich an Tempo. Indem die nationalen Regierungen explizit städtepolitische Strategien entwickelten oder die Koordinierung der die Städte betreffenden sektorenbezogenen Politiken förderten, haben sie gezeigt, daß sie es mit den Problemen der Städte ernst meinen.

1.3. Dieses neuerwachte Interesse an der Rolle der Städte hat nun die europäische Ebene erreicht. Das Kohäsionsforum, das im April 1997 die Revision der Strukturfonds erörterte, nannte den Strukturwandel in den städtischen Gebieten als wesentliches Ziel. Bei dem Gipfeltreffen der Regionen und Städte, das der Ausschuß der Regionen im Mai in Amsterdam veranstaltete, war der Ruf nach einer europäischen Städtepolitik deutlich vernehmbar. Er stieß beim informellen Rat der für die Regionalpolitik und Raumordnung verantwortlichen Minister im Juni 1997 nicht auf taube Ohren. Bei der Vorlage des Ersten offiziellen Entwurfs für ein "Europäisches Raumentwicklungskonzept" (EUREK) reagierten die Minister zum einen mit der Feststellung, daß unbedingt ein ausgewogenes städtisches Gefüge mit vielen Zentren zu schaffen sei, und setzten die Städtepolitik zum ersten Mal als eigenen Punkt auf die Tagesordnung. Dieses neue Interesse an den Städten schlug sich auch in der Agenda 2000, wo der Strukturwandel in den Städten als Schwerpunktthema unter den künftigen Strukturmaßnahmen auftaucht, nieder.

2. Allgemeine Bemerkungen

2.1. Der Ausschuß der Regionen stimmt dem Befund, zu dem die Kommission im ersten Kapitel ihrer Mitteilung ("Herausforderungen für Europas Städte") gelangt, vorbehaltlos zu. Dort wird deutlich, wie vielfältig das städtische Gefüge in Europa ist und was für eine wichtige Rolle die Städte und die städtischen Gebiete als Zentren des Wirtschaftslebens, der Innovation und der Prosperität in der Europäischen Union spielen. Zur Sprache kommen andererseits aber auch die enormen Schwierigkeiten, mit denen die Städte zu kämpfen haben, sei es als industrielle Zentren, die eine rapide sinkende Zahl der Arbeitsplätze in diesem Sektor verzeichnen, sei es als Glieder einer weitgehend von der Landwirtschaft abhängigen regionalen Wirtschaft. Als beiden Gruppen gemeinsame Übel nennt die Kommission u.a. unerträglich hohe Arbeitslosenquoten, das wachsende Heer sozial Ausgegrenzter, eine sinkende Lebensqualität und zunehmende Verkehrsstauungen. Sie kommt daher zu dem Schluß: "In vielen Teilen Europas sind die Städte nicht mehr dazu geeignet, daß man dort Kinder großzieht, seine Freizeit verbringt oder wohnt. Die Aushöhlung der Rolle der Stadt ist vielleicht die größte Bedrohung für das europäische Modell der Entwicklung und der Gesellschaft und muß so umfassend wie möglich erörtert werden" ().

2.2. Zur Zeit laufen verschiedene Maßnahmen, die für die Stadtentwicklung relevant sind. In ihrer Mitteilung unterscheidet die Kommission vier Kategorien:

- die Politik zur Förderung der wirtschaftlichen Wettbewerbsfähigkeit und der Beschäftigung (wie die Binnenmarktstrategien, die FTE-politischen Maßnahmen sowie die lokalen und regionalen Beschäftigungspakte);

- die Politik zur Förderung des wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalts (d.h. die Strukturfonds);

- die Politik zur Förderung des Anschlusses der Städte an transeuropäische Netze (einschließlich der öffentlichen Verkehrsmittel und der Verkehrspreispolitik);

- die Politik zur Förderung einer nachhaltigen, umweltgerechten Entwicklung zur Verbesserung der Lebensqualität in den Städten (das Projekt "Zukunftsfähige Städte", eine ökologische Ausrichtung der Strukturfonds und mehrerer FTE-Programme).

In ihrer kürzlich veröffentlichten Broschüre "Das Europa der Städte. Aktionsprogramme der Gemeinschaft in der städtischen Umgebung" (1997) legt die Kommission noch besonderen Nachdruck auf die Überwindung der sozialen Ausgrenzung in den Städten durch die Förderung der lokalen Wirtschaft und kultureller Maßnahmen.

2.3. Nach Auffassung des Ausschusses der Regionen beeinflussen diese Gemeinschaftsmaßnahmen zweifellos die Stadtentwicklung. Allerdings ist zu bemerken, daß nicht alle diese politischen Strategien auf die städtischen Gebiete abzielen und die lokalen Behörden infolgedessen bei der Durchführung dieser Maßnahmen ein Wörtchen mitzureden haben, auch wenn ihr Einfluß sehr häufig gleich Null ist. Daher erklärt der Ausschuß mit Nachdruck, daß die Summe aller die städtischen Gebiete betreffenden Maßnahmen noch keine Städtepolitik ergibt.

2.4. Aus diesem Grunde begrüßt der Ausschuß der Regionen ausdrücklich die Bitte der Kommission um Vorschläge "zur verbesserten Integration der für die Stadtentwicklung relevanten Gemeinschaftspolitiken, um sicherzustellen, daß diese Politik mit den Maßnahmen auf anderen Ebenen im Einklang steht und den Bedürfnissen der Städte gerecht wird" (). Mit Befriedigung registriert der Ausschuß, daß nach Ansicht der Kommission die folgenden Leitlinien besondere Beachtung verdienen:

- eine städtische Perspektive in der EU-Politik;

- Leistungen der Daseinsvorsorge und Stadtentwicklung;

- Beitrag der Strukturfonds;

- Erwerb von Kenntnissen und Förderung des Erfahrungstausches zwischen den Städten.

2.5. Laut Artikel 198 c Absatz 1 des EG-Vertrags muß der Ausschuß der Regionen zu Initiativen in den Bereichen transeuropäische Netze, Volksgesundheit, Bildung, Jugend, Kultur sowie wirtschaftlicher und sozialer Zusammenhalt gehört werden. Außerdem hat der Ausschuß beschlossen, sich zu weiteren für die Städte und Regionen relevanten Themen zu äußern. Dies gab ihm bereits Gelegenheit zu zahlreichen Stellungnahmen zu der Frage, wie die lokale und regionale Dimension besser in die Gemeinschaftspolitiken und -programme, auf die im Anhang eingegangen wird, zu integrieren sei. Im Augenblick entstehen gerade mehrere Stellungnahmen zu spezifisch städtepolitischen Themen. Schließlich wird ihm der Vertrag von Amsterdam noch eine Anzahl neuer Kompetenzen in den Bereichen Beschäftigung, Sozialpolitik, Durchführung staatlicher Gesundheitsmaßnahmen, Umwelt, Berufsausbildung und Verkehrswesen zuweisen.

2.6. Der Ausschuß freut sich, daß seine Stellungnahme und seine Vorstellungen auf dem Städteforum im Herbst 1998 diskutiert werden können. Er hofft, daß diese Stellungnahme die Grundlage für eine breitere Debatte in seinen Fachkommissionen liefern wird. Zusammen mit anderen Stellungnahmen, die spezieller auf bestimmte (sektorenbezogene) Politikbereiche eingehen, wird sie sich als wichtiger Beitrag zu einem Europäischen Weißbuch zur Stadtentwicklung erweisen.

3. Städte und Regionen: eine Analyse

3.1. Die Städte und die europäische Kultur

3.1.1. Die europäische Zivilisation wurzelt in den Städten und ihrer Kultur. Wie in verschiedenen Dokumenten zur städtischen Perspektive in der EU-Politik festgestellt wurde, kann Europa auf eine lange Tradition städtischer Kultur zurückblicken. Nach der Römerzeit und insbesondere im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit nahmen die Städte eine rasche Entwicklung. Neue Techniken und Erzeugnisse wurden von städtischen Gewerbezweigen entwickelt. Heute sind sich die meisten Wissenschaftler, meinungsbildenden Kräfte und Politiker darüber einig, daß die europäische Zivilisation, die europäische Gesellschaft und Wirtschaft als überwiegend städtisch zu charakterisieren sind. 80 % der europäischen Bevölkerung leben in Städten. "Etwa 20 % der Europäer leben in größeren Ballungsgebieten mit mehr als 250 000 Einwohnern, weitere 20 % in mittelgroßen Städten (50 000-250 000) und 40 % in Städten mit 10 000-50 000 Einwohnern." ().

3.1.2. Die Städte sind nach wie vor Quellen des Fortschritts, der Freiheit und der Kultur. In den letzten zwanzig Jahren ließ sich allerdings beobachten, wie die europäischen Städte in zunehmendem Maße mit schwerwiegenden sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Gefahren zu kämpfen hatten. Die Mißstände in manchen Vierteln mit hoher Arbeitslosigkeit können sich so zuspitzen, daß sie die gesamte Stadt in Mitleidenschaft ziehen. Fehlentwicklungen in den Städten wiederum werden unvermeidliche negative Folgen für die europäische Gesellschaft und Wirtschaft nach sich ziehen. Für viele Städte stellt die Arbeitslosigkeit das größte Übel dar. Die meisten Städte haben mit über dem nationalen Durchschnitt liegenden Arbeitslosenquoten zu tun. Sie sind die Ursache vieler sozialer Probleme.

3.1.3. Auch künftig werden die Städte, zumal die Vernetzung zwischen Städten und Großstädten, eine wesentliche Rolle in Europa spielen. Infolge des Binnenmarktes verlieren die nationalen Volkswirtschaften an Bedeutung, und zwar nicht nur zugunsten der Regionen, sondern auch der großstädtischen Gebiete und städtischen Ballungszentren, die zu grenzübergreifenden und zuweilen europaweiten Netzen zusammenwachsen. Wichtige Beispiele für die sich ändernde Position von Städten in grenzübergreifenden Netzen sind Barcelona, Lille, Berlin, London und Paris. Kleinere Städte verbinden sich ebenfalls nach und nach zu größeren städtischen Netzen auf regionaler, nationaler oder internationaler Ebene. Daher sind die Städte und großstädtischen Regionen auch in Zukunft ein entscheidender Faktor für die europäische Wirtschaft.

3.1.4. Es gibt Städte in allen Größen und Formen, und die verschiedenen Städte in der Gemeinschaft haben mit verschiedenen Problemen und Herausforderungen zu kämpfen. Hinsichtlich der Größe, der Wirtschaftsstruktur und des Rangs im europäischen Wirtschaftsgefüge bestehen erhebliche Unterschiede zwischen den Städten. Nicht jede Stadt ist Teil des europäischen Netzes; nicht jede Stadt hat die gleiche sozioökonomische Struktur und nicht jede Stadt befindet sich im Niedergang. Daher sollten sie eher nach ihrer Position in funktionalen Netzen sowie unter Berücksichtigung der Herausforderungen und Schwierigkeiten, vor denen sie stehen, als allein nach ihrer Größe in verschiedene Kategorien eingeteilt werden. Nach dem Ersten Entwurf des "Europäischen Raumentwicklungskonzepts" (EUREK) gibt es acht Typen von Städten auf drei Ebenen:

- auf internationaler Ebene:

1. Weltstädte;

2. großstädtische Regionen;

3. Hauptstädte;

- auf nationaler Ebene:

4. die älteren Industriestädte;

5. die Städte in Randlage;

- auf regionaler Ebene:

6. die Städte innerhalb des Kerngebiets;

7. die Städte außerhalb des Kerngebiets;

8. die Mittelstädte in vorwiegend ländlichen Regionen.

3.1.5. Jedem dieser acht Stadttypen entspricht eine bestimmte Art der Einbindung in ein Städtenetz, spezifische Kennzeichen seiner wirtschaftlichen Basis und spezifische Beziehungen zur umgebenden Region und/oder den benachbarten Städten. Es gibt keine zwei europäischen Städte, die einander völlig gleich wären, und schon die obige Klassifizierung läßt die Bandbreite der europäischen Städte und ihrer Merkmale erkennen. Das Spektrum reicht von relativ kleinen Städten bis zu Agglomerationen mit Millionen von Einwohnern, von traditionellen, auf Dienstleistungen beruhenden Wirtschaftsstrukturen bis hin zu Industriezentren, von Städten in fast menschenleeren Gegenden bis zu solchen, die Teil eines großen, dichtbesiedelten Ballungsgebietes sind. Das aber bedeutet, daß es keine Standardlösungen für alle europäischen Städte gibt.

3.2. Die europäische Stadt in ihrer Region: ein bedrohtes Gleichgewicht

3.2.1. Seit Städte bestehen, sind sie von ihrem Umland abhängig. Sie beziehen von dort nicht nur ihr Wasser, ihre Lebensmittel und die Rohstoffe für ihr Gewerbe, sondern auch Arbeitskräfte. Keine Stadt konnte je oder kann ohne ihr Umland auskommen. So war es im Mittelalter; so ist es noch immer, auch wenn die Städte heute außerdem noch von weitreichenden nationalen oder sogar internationalen Handelsbeziehungen abhängen. Andererseits sind auch die Regionen schon seit langem von ihren Hauptorten abhängig. Die Städte bieten ihnen verschiedene (Handels-, Freizeit-, Bildungs-, Kunst-, Gesundheits- usw.) Einrichtungen und versorgen auch viele Bewohner des Umlands mit Arbeit und Einkommen. Laut EUREK nimmt die wechselseitige Abhängigkeit von ländlichen und städtischen Gebieten infolge der Verstädterung der Stadtränder, der Infrastrukturen der stark verflochtenen Wirtschaft, der gemeinsamen Umweltprobleme und der wachsenden Bedeutung der Natur für Erholung und Freizeit heute noch zu.

3.2.2. Daher spricht sich der Ausschuß der Regionen dafür aus, zur Beschreibung der städtischen Probleme und der Formulierung der Städtepolitik den Ansatz des sogenannten funktionalen Stadtgebiets zu verwenden. Dabei handelt es sich um Raumeinheiten von Städten und deren umliegenden Gebieten, die in wirtschaftlicher Hinsicht sowie durch den täglichen Pendelverkehr eng miteinander verflochten sind. Zu diesen funktionalen Raumeinheiten gehören oft noch Gebiete jenseits der Verwaltungsgrenzen der jeweiligen zentralen Stadt. Sie schließen Vorstadtsiedlungen ein, die mit den zentralen Städten verbunden sind. Zwischen den funktionalen städtischen Regionen können jedoch, je nach Art und Größe der jeweiligen Stadt, der Gesamtgröße und der Einwohnerzahl große Unterschiede bestehen - die Skala reicht von funktionalen Regionen rund um kleine und mittlere Städte in überwiegend ländlichen Gebieten bis zu großstädtischen Regionen. Dieser Ansatz ermöglicht die Untersuchung städtischer Phänomene jenseits der Grenzen der Kernstadt und kann auch in angemessener Größenordnung Lösungen für die entsprechenden städtischen Probleme liefern. Man sollte dieses Konzept künftig weiterentwickeln, um zu einem Rahmen angemessener Begriffsbestimmungen für die Untersuchung der städtischen Verhältnisse und die Städtepolitik, oder anders ausgedrückt, zum Verständnis der städtischen Dimension zu gelangen.

3.2.3. Obwohl diese Abhängigkeit zwischen den Städten und ihrem Umland also zunimmt, wird ihr Verhältnis problematischer und anfälliger. So bringt erstens die Verstädterung der Randgebiete in vielen europäischen Stadtgebieten eine Fülle ökologischer, verkehrstechnischer und die Sicherheit betreffender Probleme mit sich. Laut Eurek wachsen die Dörfer, die Mittel- und Großstädte wegen des wachsenden Platzbedarfs der Bevölkerung oft ziemlich unkontrolliert weiter. Die Empfänger mittlerer und höherer Einkommen tendieren zur Flucht in die Vorstädte, aber gehen ihrer Arbeit weiterhin in den Städten, dem bevorzugten Standort von Qualitätsdienstleistungen und Bildungseinrichtungen, nach. Die Folge sind sinkende Steuereinnahmen für die zentralen Städte und verminderte Ressourcen für die städtische Wirtschaft. Die Abwanderung in die Vorstädte nahm ihren Anfang in den sechziger Jahren in Nordwesteuropa, wo die so entstehenden Wohnformen das heute übliche Muster darstellen. In anderen europäischen Ländern haben sich die Stadtrandgebiete aufgrund eines wachsenden Lebensstandards, einer zunehmenden Motorisierung und besserer Straßen ausgebreitet. Weite Teile der Grüngürtel rund um die Städte verwandeln sich in ausgedehnte Stadtrandgebiete, wo der tägliche Pendlerstrom Verkehrsstauungen und Umweltschäden verursacht. Diese Zersiedlung ist eine Folge des gestiegenen Wohlstands, der Dezentralisierung und des Wachstums und treibt die Kosten der städtischen Infrastruktur, den Transportbedarf und Energieverbrauch in die Höhe; die Verschandelung der Landschaft ist eine häufige Begleiterscheinung.

3.2.4. Zweitens müssen viele ländliche Gebiete den Bedeutungsverlust ihrer überkommenen landwirtschaftlichen Basis verkraften. Infolge von Marktöffnung und gleichzeitiger Subventionskürzungen werden manche Zweige der Landwirtschaft umgestaltet oder von anderen Gebieten im selben Land oder anderen europäischen Ländern übernommen. Traditionell landwirtschaftliche Gebiete machen einen Strukturwandel durch. In manchen Gebieten, beispielsweise in Südeuropa, wird die Produktion teilweise aufgegeben oder auf eine größere Fläche ausgebreitet. Andere steigern ihre Produktion mit Hilfe neuer Techniken. Alle diese Wandlungsprozesse führen zum Verlust von Arbeitsplätzen und zur Abwanderung. Daher muß man neue Strategien entwickeln, um die Wirtschaftstätigkeit in diesen Regionen am Leben zu erhalten. Diese Strategien sollten der grundlegend neuen Verteilung der Funktionen zwischen Stadt und Region infolge des Wandels in der Landwirtschaft gerecht werden. Besonders in den dichter besiedelten Teilen Europas wächst die Bedeutung des ländlichen Raumes als Erholungs- und Freizeitgebiet für die Städter. Wenn das überkommene Fundament brüchig wird, nimmt auch die finanzielle Abhängigkeit des Landes von der Stadt zu. Die Landschaft zu erhalten und das Überleben der ländlichen Gemeinden zu sichern wird immer schwieriger.

3.2.5. Viele europäische Städte sind auf dem Wege zu einer Dienstleistungswirtschaft. Insbesondere die älteren Industriestädte müssen ihre wirtschaftlichen Strukturen radikal erneuern, um zu einem auf Dienstleistungen, Know-how, Freizeit und Fremdenverkehr beruhenden Gefüge zu gelangen. Neue Stellen in der City können nicht immer die im traditionellen Gewerbe freigewordenen Arbeitskräfte aufnehmen. Im Dienstleistungs- und Know-how-Gewerbe werden hochqualifizierte Spezialisten gesucht; viele Arbeitslose sind jedoch nicht so gut ausgebildet und bringen nicht die nötigen Fachkenntnisse mit. Dieser Prozeß wird durch den raschen Wandel in der Informationstechnologie und Telekommunikation noch beschleunigt; weitere umwälzende gesellschaftliche Veränderungen in naher Zukunft lassen sich voraussehen. Die Informationstechnologie wird die Art und Weise, in der Menschen und Organisationen kommunizieren, lernen und ihre Geschäfte abwickeln, revolutionieren.

3.2.6. Die wirtschaftlichen, demographischen und die Flächennutzung betreffenden Veränderungen können sehr einschneidend sein. Viele Städte können mit dem Wandel der Verhältnisse nicht mehr Schritt halten. Angesichts der angespannten Haushaltslage übersteigen die hohen Investitionen, die zur Begleichung der unvermeidlichen Kosten nötig wären, die finanziellen Möglichkeiten der Städte. Wenn diese aber bei ihren Bemühungen scheitern, droht der Verlust von Schwungkraft und der Abstieg in die Krise. Die Mittel für Investitionen in die Zukunft werden zur Behebung akuter sozialer Mißstände ausgegeben, so daß die Stadt immer weiter zurückfällt. Viele Städte müssen daher einen Strukturwandel durchmachen. Dieser Prozeß dauert viele Jahre und muß mit langfristigen strukturellen Maßnahmen markiert werden.

3.2.7. Bei näherer Untersuchung erweisen sich die sogenannten städtischen Probleme wie Arbeitslosigkeit, soziale Zersplitterung, Beeinträchtigungen der Lebensqualität und Verkehrsstörungen als das Ergebnis komplexer Vorgänge auf der Ebene der funktionalen städtischen Region. So bewirkt beispielsweise die Abwanderung bestimmter Gruppen aus den Städten in das Umland einerseits den täglichen Verkehrskollaps und führt andererseits dazu, daß unter den Bewohnern der Stadtkerne die Schlechterverdienenden überwiegen. Teure städtische Einrichtungen wie Krankenhäuser, Universitäten, Theater und Museen werden oft von den Kommunen hoch subventioniert, aber von Leuten, die im weiten Umkreis, jenseits der Verwaltungsgrenzen der Stadt, wohnen, benutzt. Das bringt weitere finanzielle Probleme für die Stadt mit sich.

3.2.8. Das Geschehen auf der Ebene der funktionalen städtischen Region verursacht oft Probleme auf der untersten lokalen Ebene: Manche Viertel in den Innenstädten oder anderen Teilen städtischer Gebiete tragen die Last hoher Arbeitslosenquoten, andere ersticken im Straßenverkehr, leiden an Flugplatzlärm oder den unerfreulichen Begleiterscheinungen der Industrie. Die gegenwärtige Misere und der fortschreitende Niedergang mancher Viertel ist besonders besorgniserregend. In diesen Problemvierteln häufen sich die wirtschaftlichen, sozialen und die Flächennutzung betreffenden Schwierigkeiten, was zu einem Schwund an sozialem Zusammenhalt und wachsender Ausgrenzung führt. Richtet man das Hauptaugenmerk auf die Wiederankurbelung der Wirtschaft, ändert sich auch der Blickwinkel, unter dem man diese Viertel betrachtet, und neben den Problemen kommen auch die Möglichkeiten zum Vorschein. Ein solcher Ansatz kann niemals halbherzig sein, da er auf einen grundlegenden strukturellen Wandel abzielt. Positive regionale Entwicklungsprozesse machen also oft Maßnahmen auf Stadtbezirks- oder -viertelsebene erforderlich.

3.2.9. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit, deren Zunahme sich in den 90er Jahren stark beschleunigte, fallen immer mehr Arbeitslose aus der Arbeitslosenversicherung heraus. Eine große Zahl Arbeitsloser ist zudem nie auf den Arbeitsmarkt gelangt und wird von der Arbeitslosenversicherung folglich nicht erfaßt. Diese Menschen sind für ihren Unterhalt in vielen Mitgliedstaaten immer stärker auf die Sozialhilfe der Kommunen angewiesen. Ein solches passives Hinnehmen von Sozialhilfe beeinträchtigt das Selbstgefühl des einzelnen und untergräbt die Finanzen der Städte. Diese Entwicklung bringt es gleichzeitig mit sich, daß Steuergelder, die von den Städten für die Erbringung von Dienstleistungen wie Bildung, Pflege, Betreuung usw. verwendet werden sollten, als Sozialhilfe ausgegeben werden. Außerdem hat dies Spannungen und Konflikte zwischen verschiedenen Gruppen in unseren Städten zur Folge. Die Kostenentwicklung der Sozialhilfe in bestimmten Staaten geht auf einen Mangel an staatlicher Unterstützung zurück, der noch durch die Flüchtlingswellen der letzten Jahre, die zum großen Teil die Städte treffen, verschärft wurde.

3.3. Wege zu einem sektorenübergreifenden Konzept zur Lösung sektorenspezifischer Probleme der Städte

3.3.1. Städte zeichnen sich durch ihre Vielfalt auf einem begrenzten Raum aus. Sie sind von jeher Schmelztiegel vieler Kulturen, ein Hort von Toleranz und geistiger Freiheit. Je vielfältiger eine Stadt ist, desto urbaner erscheint sie. In den Städten konzentrieren sich Wissen, Know-how und hochspezialisierte Dienstleistungen. Die Komplexität städtischer Entwicklungen und Probleme macht in vielen Fällen einen sektorenübergreifenden Ansatz erforderlich. In vielen Städten ballen sich oft sehr verschiedene Funktionen zusammen und leben große Ansammlungen von Menschen auf engstem Raum nebeneinander, manchmal sogar auf den verschiedenen Etagen ein und desselben Gebäudes. Diese Konzentration von Funktionen birgt in manchen Fällen große wirtschaftliche und kulturelle Möglichkeiten in sich, die von den Kommunen zur Stärkung des städtischen Zusammenhalts genutzt werden können.

3.3.2. Aus den genannten Gründen heißt städtische Komplexität, daß Maßnahmen in einem Bereich erhebliche Auswirkungen in anderen Bereichen haben können. Durchschnittslösungen für Standardprobleme versagen daher oft vor der komplexen Wirklichkeit der Städte, die maßgeschneiderte, sektorenübergreifende Methoden erfordert. So sind beispielsweise Probleme wie das Wohnen in Erholungs- oder Gewerbegebieten, die intensivere Nutzung öffentlichen Geländes, schwerwiegende Verkehrsprobleme und mangelnde Parkflächen vielfach nur mit kreativen Lösungen zu bewältigen.

3.3.3. Der Umfang der Auswirkungen, die Maßnahmen zugunsten eines Sektors auf einen anderen haben können, sind in der Stadt größer als auf dem Lande. Die Zunahme des Verkehrs hat in den Städten schwerere Beeinträchtigungen der Lebensqualität zur Folge als in ländlichen Gegenden. Manchmal sind die Folgen sektorspezifischer Maßnahmen auch für andere Bereiche negativ. So können neue Verkehrswege zwischen europäischen Städten die Lebensqualität in manchen Vierteln beeinträchtigen. Auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Konzepte sind in neuen Städten und in den neuen Vierteln der Ballungszentren relevanter und gleichzeitig leichter evaluierbar als in älteren Vierteln, vor allem, wenn diese von viel befahrenen Verkehrsachsen durchquert werden.

4. Ein Rahmen für die Städtepolitik

4.1. Integration auf lokaler Ebene

4.1.1. Das wachsende Interesse an den Städten und den Problemen, vor denen sie stehen, hat sich in verschiedenen Studien zur Rolle der Städte in Europa niedergeschlagen. Mehrere Aktionsprogramme wurden eigens für die Städte entwickelt. Eine Reihe der bereits vorhandenen Instrumente wurde (teilweise) auch besser auf die Bedürfnisse der Städte zugeschnitten. In seiner Initiativstellungnahme "Die Bewertung der finanziellen und verwaltungstechnischen Auswirkungen von EU-Rechtsakten auf die regionalen und lokalen Gebietskörperschaften" betont der Ausschuß der Regionen die Notwendigkeit, die Maßnahmen der Gemeinschaft auf ihre möglichen Folgen für die Kommunen und Regionen hin abzuklopfen. Dies wurde vor kurzem bei dem Gipfeltreffen von Amsterdam bestätigt; ein entsprechender Hinweis soll in das Protokoll über die Einhaltung des Subsidiaritätsgrundsatzes aufgenommen werden.

4.1.2. Dieser Ansatz basiert jedoch eher auf sektorenspezifischen Politiken und bezieht sich nicht auf andere Maßnahmen. Daher sollte im Falle neuer Initiativen der Gemeinschaft auch geprüft werden, inwieweit sie die städtischen Belange berührende, laufende Programme beeinflussen könnten und ob sie zu einer integrierten Städtepolitik passen. Die Hauptaufgabe wird lauten, eine Städtepolitik zu formulieren, bei der die gegenwärtigen sektorenspezifischen, ad-hoc-konzipierten und stark voneinander isolierten Politiken zu einem kohärenten, integrierten und daher effizienten Ansatz zusammengefaßt sind.

4.1.3. Die laufenden Debatten über eine so geartete künftige Städtepolitik haben eines gemeinsam: Ihnen liegt ein von oben nach unten gerichteter Ansatz zugrunde. Der Schlüssel für die Städtepolitik ist jedoch in einer Kombination dieses Ansatzes mit einem "Bottom-up"-Konzept zu suchen. Per definitionem müssen die Maßnahmen der kommunalen Behörden integriert, koordiniert und kohärent sein. Ein von unten nach oben gerichteter Ansatz dürfte deshalb wertvolle Anregungen für eine künftige europäische Städtepolitik liefern.

4.1.4. Jede Stadt hat die ihr eigenen Probleme und Möglichkeiten, während die zugrundeliegenden Entwicklungen weitgehend identisch sind. Viele Städte versuchen zu ergründen, wo ihre Chancen liegen und welche Gefahren ihnen drohen, und richten ihre Lösungsstrategien danach aus. Die städtepolitischen Maßnahmen der Kommunen lassen sich nach verschiedenen Zielvorgaben gruppieren. Die folgende Einteilung geht von der Lage, in der sich die Städtepolitik laut der Kommissionsmitteilung befindet ("... der doppelten Herausforderung, die Vorreiterrolle der Städte in einer zunehmend globalisierten und wettbewerbsorientierten Wirtschaft zu bewahren und gleichzeitig das kumulierte Vermächtnis der Krise in den Städten anzutreten ...") (), und der Notwendigkeit aus, die Bedürfnisse der Bürger besser zu berücksichtigen:

- Revitalisierung der Stadt;

- Schaffung von Vierteln mit hoher Lebensqualität;

- eine bessere Beteiligung der Bürger.

Hierbei sollte es sich allerdings nur um ein Modell handeln; in Wirklichkeit beeinflussen die zu einer Kategorie zusammengefaßten Maßnahmen nicht nur einander, sondern auch die unter den anderen beiden Zielvorgaben subsumierten. Außerdem ist zu bemerken, daß die aufgeführten lokalen politischen Strategien nicht von allen Städten in gleichem Umfang und in der gleichen Zusammensetzung angewendet werden.

4.2. Revitalisierung der Stadt

4.2.1. Die oben ausgeführte Untersuchung weist klar auf die Gefahr hin, daß durch eine Verstädterung der Randgebiete die Städte ausbluten. Sie verlieren Einwohner und Betriebe, erleben eine fortgesetzte Abwanderung bestimmter Gruppen und sind damit konfrontiert, daß die Zahl der von ihnen zu erfuellenden Funktionen abnimmt. Die Kommunen versuchen, diese Tendenz durch eine Förderung der Wettbewerbsfähigkeit und die Schaffung einer starken und lebenskräftigen Stadt umzukehren.

4.2.2. Das Zauberwort heißt (Re)Urbanisierung. Ziele der Maßnahmen sind eine größere Vielfalt und stützende Strukturen sowie die Schaffung eines attraktiven Wohn- und Gewerbeumfelds. Einerseits soll so ein kompaktes Stadtgebiet, das intensiver genutzt wird, entstehen. Andererseits wird die Lebensqualität durch ansprechendere öffentliche Anlagen und Gebäude erhöht. Städte, die eine ausgewogene Urbanisierung anstreben, fördern eher den Bau von Häusern in bereits bestehenden Vierteln als die Erschließung neuer Baugelände. Natürlich ist beides erforderlich; die Entwicklung sollte jedoch zu einer Stärkung der Stadt als Ganzes führen.

4.2.3. Eine starke Stadt kann ohne eine starke Wirtschaftsstruktur, die Voraussetzung für einen funktionierenden Arbeitsmarkt ist, nicht auskommen. Vor allem der private Sektor muß neue Arbeitsplätze schaffen. Da die Unternehmen immer mobiler werden, müssen sich die Kommunen um günstige Standortfaktoren bemühen. Sie müssen sich darum kümmern, daß Ladengeschäftszeilen und veraltete Bürogebäude renoviert und genügend neue Gebäude erschlossen werden, damit neue Betriebe kommen und die bereits bestehenden expandieren können. In diesem Zusammenhang ist auch das Problem der sogenannten Fabriksverkaufszentren an den Stadträndern anzusprechen. Hinsichtlich der Bewertung ihrer Auswirkungen auf die Städte in ihrer Umgebung herrscht sowohl auf kommunaler als auch auf regionaler Ebene Uneinigkeit. Mit einer Studie über die positiven und negativen Folgen kann hier für die erforderliche Klarheit gesorgt werden. Ausgangspunkt sollte dabei die Überlegung sein, daß diese Zentren dann als positiv zu beurteilen sind, wenn sie das städtische Wirtschaftsgefüge insgesamt stärken, so daß die in der Stadt ansässigen Geschäfte und Gewerbebetriebe gehalten bzw. zurückgewonnen werden können.

4.2.4. Die Städte scheinen vor allem um einige wenige große internationale Unternehmen zu werben, obwohl kleine und mittlere Betriebe, die den lokalen und regionalen Markt beliefern, oft wichtiger sind. Sie gelten als wesentliche Voraussetzung für das Wirtschaftswachstum. Die kommunalen Behörden können als Katalysatoren dienen, wenn es darum geht, unternehmerisches Handeln und Innovation zu fördern, die Gründung neuer Betriebe zu unterstützen und sicherzustellen, daß keine Unternehmen abwandern. Mehr Beachtung verdienen vor allem unternehmerische Initiativen und die Ansiedlung neuer Betriebe in den ärmsten Vierteln. Die Anstöße für lokale und regionale Entwicklungen müssen also in erster Linie aus den entsprechenden Kommunen und Regionen selbst kommen.

4.2.5. Immer mehr Städte in Europa verfolgen eine langfristige Strategie zur Entwicklung ihrer Wirtschaft. Zunächst bemühen sie sich darum, das allgemeine wirtschaftliche Klima zu verbessern, d.h. vor allem die Wettbewerbsnachteile der Stadt und der Region zu beseitigen. Die unerwünschten Folgen zentralstaatlichen Handelns müssen zuallererst bekämpft werden. Ausgangspunkt der entsprechenden Maßnahmen sind die in der Stadt oder ihrem weiteren Umfeld anzutreffenden Möglichkeiten. Gefördert wird in wachsendem Umfang eine zielgerichtete Entwicklung. Dank eines hohen Spezialisierungsgrads lassen sich dann die verfügbaren Ressourcen intensiver nutzen. Außerdem bauen solche Ansätze auf der bestehenden Infrastruktur und den traditionellen Vorstellungen, die man mit der Stadt verbindet, auf. Nicht jede Stadt kann ein Silicon Valley werden oder einen Flughafen bauen. Diese Strategien zielen mithin darauf ab, günstigere Bedingungen für die bestehenden Unternehmen zu schaffen und für neue Betriebe attraktiver zu werden.

4.2.6. Die Infrastrukturen bilden einen entscheidenden Standortfaktor, den die Kommunen nicht allein beeinflussen können. Die wichtigsten Infrastrukturen fallen unter nationale Kompetenz, und der Bau transeuropäischer Verkehrs- und Telekommunikationsnetze wird sogar in internationaler Regie geführt. Die Städte und Regionen gleichgültig welcher Größe haben aber ein vitales Interesse an einem direkten oder indirekten (über die nationalen Netze) Anschluß an diese Netze.

4.2.7. Genauso wichtig ist der innerstädtische Verkehr. Die wachsende Mobilität brachte eine unerträgliche Überlastung der Verkehrswege mit sich. Die kommunale und regionale Verkehrspolitik muß den Wechsel vom privaten Kraftfahrzeug zu anderen Verkehrsmitteln und den Bau von Umgehungsstraßen fördern. Deswegen zielen die Bemühungen der Kommunen darauf, den öffentlichen Nahverkehr attraktiver zu gestalten, den Durchgangsverkehr umzuleiten, die Bürger von der Nutzung ihres Wagens abzubringen und Radwege zu bauen. Zumal in stark verstädterten Regionen sind diese Strategien in wachsendem Maße regional ausgerichtet. Infrastrukturen, die durch dichtbesiedelte Gebiete führen müssen, sollten organisch in das Stadtgefüge eingepaßt werden, um die Belästigung der betroffenen Viertel möglichst gering zu halten.

4.2.8. Die für eine Wiederbelebung der Stadt notwendigen Urbanisierungsmaßnahmen innerhalb der Stadtgrenzen und die Förderung des Wirtschaftswachstums können eine stärkere Umweltbelastung mit sich bringen, was sich wiederum ungünstig auf die Lebensqualität auswirkt. Eine saubere Umwelt gilt zudem mehr und mehr als wichtiger Standortfaktor. Die Kunst der Stadtentwicklung ist daher, den Mittelweg zu finden. Die Kommunen versuchen, dieses Ziel durch umweltgerechte Stadtentwicklungskonzepte zu erreichen und die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Probleme mit integrierten Ansätzen zu bewältigen.

4.2.9. Wenn es darum geht, neue Bürger, Besucher und Unternehmen anzulocken, spielt das Image der Stadt eine immer größere Rolle. Das gilt für die historische Stadt ebenso wie für die Stadt mit modernem architektonischen Gesicht, für den Fremdenverkehrsort wie für die Geschäftsstadt. Eine Forderung an einen gezielteren Stadentwicklungsansatz lautet daher, bei den Werbemaßnahmen von dem spezifischen Charakter und Image der Stadt auszugehen. Mit Hilfe eines entsprechenden Marketings können die Kommunen ihr Image verbreiten; sie sollten, wenn sie auf ihre Art Hervorragendes leisten, ihr Licht nicht unter den Scheffel stellen.

4.3. Schaffung von Vierteln mit hoher Lebensqualität

4.3.1. Wer ein kompaktes Stadtgefüge will, muß eine Stadt schaffen, in der die Leute gerne wohnen, arbeiten und ihre Freizeit verbringen. Außerdem wird die Informationsgesellschaft dazu führen, daß Wohnung und Arbeitsstätte in Zukunft vermehrt zusammenfallen. Manchen Städten gelingt es besser als anderen, ihre Bewohner zu halten, und manche Städte verbuchen einen deutlich größeren Zuzug als andere. Eine entscheidende Bedingung für die Vitalität einer Stadt ist daher die soziokulturelle Vielfalt ihrer Bevölkerung. Die Bürger, die ihrer Stadt den Rücken gekehrt haben, weil sie sie als zu unsicher, unsauber und ungesund empfanden, müssen zurückgewonnen werden. Bei ihrem Bestreben, die Lebensqualität wieder anzuheben, gehen die Kommunen daher von den drei Grundvoraussetzungen "sauber, gesund und sicher" aus, aber investieren auch in das intellektuelle, soziale und kulturelle Kapital ihrer Bevölkerung.

4.3.2. Um für Haushalte mit einer gesicherten sozioökonomischen Basis attraktiv zu sein, müssen viele Städte für eine bessere Wohnqualität sorgen. Das sollte nicht nur durch die Anlage von Neubauvierteln geschehen; vielmehr müssen unbedingt Wohnungen verschiedenen Standards und individuelleren Zuschnitts in den bestehenden Vierteln, zumal in den ärmeren, gebaut werden. Eine solche Politik kann natürlich nur dann Früchte tragen, wenn sich die allgemeinen Lebensbedingungen in diesen Vierteln verbessern.

4.3.3. Um die städtische Lebensqualität zu verbessern, müssen die Kommunen oft auch für ansprechendere öffentliche Anlagen, für mehr und bessere Grünflächen und Erholungseinrichtungen sorgen. Daher stecken die Kommunen große Summen in diese Einrichtungen und bemühen sich um eine bessere Nutzung der vorhandenen Grünflächen. Wo immer dies möglich ist, werden neue Grünflächen wie Stadtparks und begrünte Rad- und Fußwege angelegt. Außerdem investieren die Städte in wachsendem Umfang in die regionalen Naherholungsgebiete und deren Erreichbarkeit mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

4.3.4. Städte sind oft schmutzig: Müll, Hundeexkremente, Wandschmierereien und Akte des Vandalismus sind öffentliche Plagen, die Besucher und potentielle Zuzügler abschrecken. Die Stadt sauber zu halten, ist eine wichtige Bürgerpflicht. Die Kommunen müssen vor allem erst einmal genügend Abfalleimer und -körbe aufstellen. Genauso wichtig ist aber auch die Aufklärung der Bürger und die Bestrafung der Ordnungssünder. Umweltgerechtes Handeln heißt schließlich auch, daß die Kommunen die Wiederverwertung fördern, indem sie die erforderlichen Einrichtungen für die Mülltrennung bereitstellen.

4.3.5. Viele Menschen fühlen sich in Städten bedroht, zumal in den Großstädten. Einbrüche, Diebstähle, Raub und Gewalt, Rowdytum und Drogenfolgekriminalität machen die Städte unsicher. Das negative Image der Stadt als Nährboden des Verbrechens verstärkt das subjektive Unsicherheitsgefühl noch. Vor allem der Mangel an Einrichtungen für die Jugendlichen in verwahrlosten Vierteln mit hoher Arbeitslosigkeit kann asoziales Verhalten wie Drogenhandel und sonstige Kriminalität heraufbeschwören. Die Verbrechensbekämpfung und -prävention unter besonderer Berücksichtigung der Drogenfolgekriminalität ist ein vorrangiges Erfordernis. Genauso wichtig sind verbesserte Einrichtungen in verwahrlosten Vierteln. Die Eindämmung der Kriminalität führt jedoch nicht zwangsläufig dazu, daß sich die Bürger sicherer fühlen. Dies läßt sich eher durch eine verstärkte Präsenz der Polizei auf den Straßen und Sicherheitsbeamte in den öffentlichen Verkehrsmitteln sowie durch eine bessere Beleuchtung und die Pflege der öffentlichen Anlagen und Gebäude erreichen. Daher zielt die Politik der Kommunen vor allem auf eine Wiederherstellung dieses Raumes ab. Erforderlich sind langfristige Strategien und eine genaue Überwachung des Geschehens, damit sich Mißstände nicht einfach in andere Viertel verlagern.

4.3.6. Die Strategien der Städte für ihre Wiederbelebung sind sehr verschieden. Die Palette reicht von der Flächensanierung (dem Abriß ganzer Viertel) über die Bekämpfung des Niedergangs bis zu verschiedenen Formen sozialer Erneuerung (der Förderung von Eigeninitiative und Verantwortungsgefühl) und der Ankurbelung der lokalen Wirtschaft. In letzter Zeit haben manche Kommunen Versuche unternommen, diese verschiedenen Strategien zu integrierten stadtviertelbezogenen Ansätzen zu bündeln, und verlegen sich mehr auf die Wiederbelebung der Wirtschaft und den Ausbau der Entwicklungschancen als allein auf die Bekämpfung von Mißständen.

4.4. Eine bessere Beteiligung der Bürger

4.4.1. Viele Städte erlebten eine Rundumerneuerung ihrer Substanz und machten gleichzeitig eine Phase des sozialen Niedergangs durch. Die Herausforderung lautet also, die soziale Erneuerung weiter voranzutreiben. Beträchtliche Anstrengungen in dieser Richtung wurden bereits in Feldern wie dem Bildungswesen, der Integration von Zuzüglern, der integrierten Sicherheitspolitik und der Jugendpolitik unternommen. Trotzdem gelang es den Kommunen noch nicht, das Steuer herumzuwerfen. Kurzfristige Maßnahmen in Einzelfällen sind allerdings nicht wünschenswert. Ein solcher Weg würde nur zu einer Politik der Halbherzigkeit und Unbeständigkeit führen. Die Kommunen ziehen es daher vor, das soziale Leben wieder in Gang zu bringen, indem sie die Einbeziehung der Bürger und deren aktive Mitwirkung fördern.

4.4.2. Die Arbeitslosigkeit gehört wahrscheinlich zu den gewichtigsten Problemen der Städte. Denn das Mißverhältnis zwischen Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt ist besonders schwer zu überwinden. Neue Arbeitsplätze könnte in erster Linie der private Sektor schaffen. Dieser bietet jedoch nicht genug offene Stellen für alle örtlichen Arbeitssuchenden. Die Kommunen versuchen deshalb, die Arbeitslosen mit besonderen Maßnahmen in die Gesellschaft zu integrieren. Der öffentliche Sektor könnte zwar viele Stellen schaffen; allerdings sind dies häufig zusätzliche Tätigkeiten, die auf eine Verbesserung der Lebensqualität in den Städten abzielen, jedoch nicht im kaufmännischen Sinne rentabel sind. Beispiele sind die Straßenkehrer, die Sicherheitsbeamten in den öffentlichen Verkehrsmitteln und die Polizeihilfskräfte. Der Erfolg solcher Beschäftigungsmaßnahmen hängt weitgehend von den verfügbaren Mitteln ab. Eine große Zahl von Stellen läßt sich vor allem dann schaffen, wenn Sozialversicherungsgelder genutzt werden können, aber auch dieser Ansatz führt nicht zur Vollbeschäftigung. Wer weiterhin keine Arbeit hat, wird ermutigt, ehrenamtlichen Tätigkeiten nachzugehen, um nicht aus der Gesellschaft herauszufallen.

4.4.3. Grundvoraussetzung für einen Arbeitsplatz sind Ausbildung und Mobilität. Die Kommunen unternehmen daher große Anstrengungen, um das Bildungsniveau ihrer Bewohner zu heben, und schaffen leicht zugängliche Bildungseinrichtungen auf kommunaler Ebene. Wer keine angemessene Ausbildung genossen hat, soll die Chance bekommen, dies nachzuholen. Ebenso wichtig sind Strategien, die auf eine Verminderung der Schul- und Ausbildungsabbrüche abzielen. Zumal Jugendliche bedürfen dahingehend einer intensiven Betreuung. Besondere Beachtung wird auch der Integration von Einwanderern geschenkt, vor denen sich sowohl sprachliche als auch kulturelle Barrieren auftürmen können. Außerdem bemühen sich die Kommunen noch darum, Brücken zwischen den Schulen und den Betrieben aufzubauen, um das Bildungswesen besser auf die Bedürfnisse der Wirtschaft abzustimmen. Schließlich verdienen auch die besonderen Probleme der Langzeitarbeitslosen, die das 50. Lebensjahr überschritten haben, Beachtung. Ihnen sollte die Wahl zwischen einer Berufsausbildung und Kursen für eine nicht gewerbliche Tätigkeit in sozialen und anderen lokalen Organisationen ermöglicht werden. Ein solcher sozialer Einsatz wird ihnen das Gefühl nehmen, überfluessig zu sein, und gleichzeitig zu einer besseren sozialen Infrastruktur beitragen.

4.4.4. Städte sind mehr als nur Wirtschaftsgefüge. Sieht man einmal von allen ideologischen Positionen ab, so lassen sie sich als gesellschaftliche Untereinheiten, in denen große Gruppen von einander oft fremden Menschen sehr unterschiedlicher Herkunft zusammenleben. Da sich in den Städten so viele Menschen zusammendrängen, können sie nur funktionieren, wenn ihre Entwicklung bis zu einem gewissen Grade voraussagbar und kontrollierbar bleibt. Die Kommunen und Bürger müssen sich daher viele geschriebene oder ungeschriebene soziale, rechtliche, wirtschaftliche und die Raumordnung betreffende Regeln setzen und diese befolgen, damit das städtische Leben reibungslos abläuft.

4.4.5. Die sich wandelnde Zusammensetzung der Bevölkerung, die Flächensanierung, die Individualisierungstendenzen in der Gesellschaft und das grassierende Gefühl der Unsicherheit beeinflussen in erheblichem Umfang die Art und Weise, in der die Bürger miteinander umgehen. Soziale Werthaltungen verstehen sich nicht mehr für alle Glieder der Gesellschaft von selbst. Die Kommunen versuchen infolgedessen, das soziale Leben in den Stadtvierteln wieder in Gang zu bringen. Sie stecken viel Zeit, Kraft und Geld in das soziale Leben der Stadt, um den Bürgern wieder mehr Selbständigkeit, Gemeinsinn und Initiativgeist zu vermitteln. Ein Ansatz auf Stadtviertelebene ermutigt die Bürger zur Zusammenarbeit und entwickelt das Verantwortungsgefühl.

4.4.6. Die Bedürfnisse sozial schwächerer Gruppen wie der Jugendlichen, der älteren Menschen und der Einwanderer verdienen besondere Beachtung. In den Städten ist die Schulabbruchs- und Straffälligkeitsrate Jugendlicher erheblich höher als im nationalen Durchschnitt. Die betroffenen Jugendlichen müssen gründlich unterwiesen und betreut werden, auch nach der Schule, und sollten zu sportlicher Betätigung und anderen sozialen Aktivitäten angespornt werden. Nach Abschluß ihrer Ausbildung sollte man ihnen eher einen (subventionierten) Arbeitsplatz garantieren, als sie in die Arbeitslosigkeit zu entlassen. Der Anteil der Einwanderer an der Gesamtbevölkerung wächst, und diese Gruppen konzentrieren sich oft in den ärmsten Vierteln. Sie müssen unbedingt in die Gesellschaft integriert werden, und dafür brauchen sie Ausbildungsmöglichkeiten (Sprach- und Berufsausbildung), Arbeitsplätze und Wohnungen. Um die Integration muß sich sowohl der Neuankömmling als auch die ansässige städtische Bevölkerung kümmern. Auch der Anteil der älteren Menschen an der europäischen Stadtbevölkerung nimmt rapide zu. Obwohl es sich hierbei um kein ausschließliches Problem der Städte handelt, zwingt ihre große Zahl die Kommunen zur Schaffung von speziellen Einrichtungen, von Vorkehrungen für einen besseren Zugang und für sichere Bezirke.

4.4.7. Die Bewohner ärmerer Viertel leiden oft unter gesundheitlichen Problemen. Zwischen dem Gesundheitszustand der Bevölkerung auf der einen Seite und Bildungsstandard, Einkommen, Lebensqualität, Beschäftigung usw. auf der anderen besteht ein unmittelbarer Zusammenhang. Die Kommunen können daher ersteren erheblich beeinflussen, wenn sie die letztgenannten Faktoren verbessern. Denkbar sind auch Untersuchungen darüber, wie sich die kommunalen Maßnahmen auf das Gesundheitsniveau auswirken, sowie die Registrierung ungesunder örtlicher Verhältnisse, die ein gemeinsames Handeln erforderlich machen. Außerdem gibt es Maßnahmen zur Förderung der Gesundheitserziehung und -prävention auf lokaler Ebene. Die Gesundheitsaufklärung für und durch ältere Menschen und Einwanderer verdient besondere Berücksichtigung.

5. Ein neuer Ansatz in der Städtepolitik

5.1. Die Notwendigkeit eines neuen Ansatzes

5.1.1. In seiner Initiativstellungnahme "Die Stadtentwicklung und die Europäische Union" bemängelte der Ausschuß, daß der durch den neuen Vertrag korrigierte Vertrag von Maastricht keinen spezifischen Hinweis auf die städtischen Gebiete enthält. Bis jetzt fehle eine strategische Sicht der Stadtentwicklung, was zu unkoordinierten Maßnahmen geführt habe. Außerdem enthält der Vertrag keine expliziten Bestimmungen für eine wirksame Koordinierung der verkehrs-, umwelt-, gesundheitspolitischen sowie der Wirtschaftsförderungsstrategien der Gemeinschaft in den städtischen Gebieten. Implizit gibt es für eine europäische Städtepolitik allerdings schon in Artikel 2 des Vertrags eine Grundlage. Dort heißt es nämlich, Aufgabe der Gemeinschaft sei es, "... eine harmonische und ausgewogene Entwicklung des Wirtschaftslebens innerhalb der Gemeinschaft ..." und "... die Hebung der Lebenshaltung und der Lebensqualität, den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt und die Solidarität zwischen den Mitgliedstaaten zu fördern".

5.1.2. Eine geschichtliche Betrachtung zeigt, daß die Städte in der Vergangenheit eine wesentliche Rolle gespielt haben, wenn es darum ging, diese Leitziele von Artikel 2 zu verwirklichen. Daher stellen die oftmals schwerwiegenden Probleme, mit denen sich die Städte heute immer wieder konfrontiert sehen, das Wohl Europas ernstlich in Frage. Wenn sich diese Tendenz nicht umkehrt, wird Europa ein wesentliches Ziel, den Zusammenhalt, nicht erreichen. Aus verschiedenen Gründen wurden die Städte nicht mit den Mißständen fertig. Gemäß dem Subsidiaritätsprinzip ist die Städtepolitik Sache der Mitgliedstaaten. Eine Reihe von Ländern haben mehr oder weniger weitreichende städtepolitische Strategien entwickelt. Das Subsidiaritätsprinzip enthebt allerdings die anderen Verwaltungsebenen nicht ihrer diesbezüglichen Verantwortung. Dies gilt auch für andere Politikbereiche, in denen sich die EU betätigt. Die Europäische Union sollte dazu gebracht werden, ihre für die Städte relevanten Maßnahmen zu koordinieren und zu integrieren, um deren Wirksamkeit und Durchschlagskraft zu erhöhen. Deshalb fordert der Ausschuß der Regionen die Europäische Kommission auf, eine Städtepolitik zu formulieren, die die entsprechenden Maßnahmen der Mitgliedstaaten ergänzt und den sozialen Zusammenhalt in den städtischen Gebieten stärkt. Dies liegt auch im europäischen Interesse. Gleichzeitig sollte diese europäische Städtepolitik als Stimulus für eine bessere strukturelle Zusammenarbeit zwischen den kommunalen Behörden innerhalb der funktionalen städtischen Regionen dienen.

5.1.3. Da die städtepolitischen Probleme für Europa aufgrund der Kommissionsmitteilung "Wege zur Stadtentwicklung in der Europäischen Union" und der Vorschläge von Agenda 2000 heute so eindeutig auf der Tagesordnung stehen, geht es nicht mehr um die Frage, ob es eine Städtepolitik geben wird oder nicht. Es wird sie in naher Zukunft geben, und sie muß das gesamte Spektrum der einschlägigen Themen abdecken, wobei ihre Inhalte aufmerksam zu prüfen sind. Wenn eine solche Politik innerhalb der EU größere Aufmerksamkeit erhält und auf europäischer Ebene auch operationell sichtbar(er) wird, findet ein entsprechender Passus automatisch Aufnahme in den Vertrag.

5.1.4. Beihilfen für Problemgebiete in größeren Städten sind ein völlig neues Element der europäischen Strukturpolitik. Die Anwendung der Leitlinien für staatliche Beihilfen () ist daher in Staaten mit geringer Bevölkerungszahl und -dichte nicht das geeignete Instrument, da diese Bestimmungen auf Regionen zugeschnitten sind und nicht auf Teile von Städten. Der Ausschuß der Regionen fordert die Kommission daher auf, bei der Vergabe von Beihilfen in städtischen Gebieten auf die regionalen Verhältnisse Rücksicht zu nehmen. Im Falle bestimmter dünnbesiedelter Gebiete sollte die Kommission nach Ansicht des Ausschusses über Ausnahmeregelungen von der willkürlich festgelegten Schwelle von 100 000 Einwohnern nachdenken.

5.2. Ein integrierter Ansatz

5.2.1. Der heute übliche Ansatz für die Behandlung städtischer Belange ist in erster Linie sektorenbezogen. Mehrere EU-Maßnahmen wirken sich auf die Städte aus. Nur wenige haben die Städte jedoch unmittelbar im Visier; und selbst wenn dem so ist, haben die Kommunen bei ihrer Durchführung nicht immer ein Mitspracherecht. Denn in mehreren Mitgliedstaaten haben die kommunalen Körperschaften keine Befugnis, sich mit diesen Angelegenheiten zu befassen, da viele ihrer traditionellen Aufgaben mehr und mehr nicht gewählten Behörden übertragen werden. Neben den Gemeinschaftsmaßnahmen sehen sich die Städte noch mit regionalen und nationalen Politiken und Programmen konfrontiert, und die Kommunen müssen eine Unmenge nicht aufeinander abgestimmter, oft widerstreitender Maßnahmen in ihre eigene Politik integrieren. Die Hauptaufgabe lautet deshalb, diese Maßnahmen auf allen Verwaltungsebenen zu einem integrierten Ansatz zusammenzufassen. Das heißt, wir brauchen eine wirksame europäische Städtepolitik als Ergänzung zu den integrierten nationalen Städtepolitiken.

5.2.2. Von wesentlicher Bedeutung für die europäische und nationale Städtepolitik ist ein von unten nach oben gerichteter, also von den Kommunen ausgehender Ansatz. Die lokalen und regionalen Körperschaften sind am ehesten in der Lage, mit einer Fülle von Themen, Problemen, Organisationen und Maßnahmen, die einen sektorenübergreifenden und kohärenten Ansatz verlangen, fertig zu werden. Außerdem machen sich die Probleme und die Chancen, die für die Zukunft Europas entscheidend sein werden, zuallererst in den Städten, zumal den Metropolen, bemerkbar. Auch sollten politische Maßnahmen zugunsten der Städte den lokalen Bedürfnissen so umfassend wie möglich gerecht werden. Daher sollten nach Auffassung des Ausschusses bei der Formulierung einer integrierten europäischen Städtepolitik die Erfahrungen der Kommunen als Richtschnur dienen.

5.2.3. Um wirklich eine integrierte Städtepolitik zu entwickeln, ist ein klarer Rahmen im Sinne einer europäischen Sicht der Problematik und einer Strategie, die auf den sozialen und wirtschaftlichen Mechanismen des europäischen Städtegefüges beruht, erforderlich. Dabei sollte auch berücksichtigt werden, daß die städtischen Gebiete zunehmend als Teile eines Systems wechselseitiger Abhängigkeiten fungieren. Der Rahmen sollte das ganze Spektrum verschiedener Stadttypen in Europa widerspiegeln, von den Großstädten im Herzen Europas bis zu den am Rande gelegenen Städten, zumal denen, die ausgedehnte regionale Wirtschaften in Schwung halten. Dieses System wird durch die europäische Integration, eine europäische Infrastruktur und die Notwendigkeit räumlicher Spezialisierung noch weiterentwickelt; in die Überlegungen sollte aber auch die Notwendigkeit eines ausgewogeneren Verhältnisses und engerer Beziehungen zwischen den Städten und ihrem weiteren Umland eingehen. Wer keine klaren Vorstellungen darüber hat, welche Entwicklungstendenzen in den europäischen Städten wünschenswert sind, läuft Gefahr, nur die zweitbesten Entscheidungen zu treffen und aus europäischem Blickwinkel unerwünschten Entwicklungen Vorschub zu leisten. Das Europäische Raumentwicklungskonzept ist ein erster Schritt hin zur Anerkennung der genannten Erfordernisse.

5.2.4. Zu einem europäischen Rahmen für die Stadtentwicklung gehört auch die Berücksichtigung des Umstands, daß die Städte, insbesondere die Metropolen und Hauptstädte, als Lokomotiven für das regionale, nationale und europäische Wirtschaftswachstum und als internationale Drehscheiben, die Europa mit dem Weltmarkt verbinden, fungieren. Überdies sollte ein solcher Rahmen auch Lösungsansätze zu Fragen wie Arbeitslosigkeit, soziale Ausgrenzung, Stadterneuerung, Umwelt und Mobilität, Erziehung, Jugend, alte Menschen, Einwanderer, Sicherheit, Volksgesundheit und dergleichen enthalten. Einfließen muß auch noch, auf welche Weise alle diese Fragen auf lokaler Ebene miteinander zusammenhängen und einander beeinflussen. Besondere Berücksichtigung sollten praktische Vorschläge von der lokalen Ebene, etwa der lokalen Bürgergemeinschaft, finden.

5.2.5. Auf diese Weise sollten also die notwendigen Voraussetzungen für die volle Entwicklung des städtischen Potentials in Europa geschaffen werden. Man sollte den Rahmen jedoch flexibel genug gestalten, um auch die nationalen Maßnahmen einbeziehen und unter Berücksichtigung der Komplementarität und der regionalen Unterschiede eine auf den Einzelfall abgestimmte Durchführung sicherstellen zu können.

5.2.6. Sobald ein solcher europäischer Rahmen für die Stadtentwicklung besteht, fällt es verhältnismäßig leicht, eine städtepolitische Sichtweise in die eher sektorenbezogenen EU-Politiken einfließen zu lassen. Wie die Kommission festgestellt hat, sollten diese Politikbereiche eine komplementäre Rolle spielen und voll und ganz auf die Maßnahmen auf anderen Verwaltungsebenen abgestimmt werden. Daher sollten die für die Städte relevanten laufenden Maßnahmen in eine Gesamtschau und -strategie eingebettet und die Zweckmäßigkeit neuer Politiken und Programme an dieser gemessen werden. Das Ergebnis wird eine zielgerechtere Durchführung der sektorenbezogenen Maßnahmen und damit ein effektiverer Einsatz von Gemeinschaftsmitteln sein.

5.3. Ein fachlich fundierter Ansatz

5.3.1. Der Ausschuß der Regionen stimmt dem Befund der Kommission zu, daß "insbesondere seitens der kommunalen und sonstigen Behörden, die für die Städtebaupolitik zuständig sind, ein zunehmender Bedarf an aussagekräftigen und vergleichbaren Informationen über Städte" () besteht. Umfassende Informationen über die Städte und Regionen sind tatsächlich eine Vorbedingung für ein angemessenes Stadtmanagement. Einige Kommunen haben daher auch schon solche oft auf die lokalen Verhältnisse zugeschnittenen "Meßstationen" zur Feststellung der allgemeinen Lebensqualität in den Städten eingerichtet. Diese ermitteln die lokalen Bedürfnisse und Entwicklungstendenzen und ermöglichen eine zuverlässige Prüfung der Frage, wie sich die politischen Maßnahmen an Ort und Stelle auswirken. In der Erklärung von Barcelona über die Notwendigkeit, ein europäisches System lokaler Indikatoren zu schaffen (), heißt es allerdings auch, daß "die derzeit verfügbaren statistischen Daten und vergleichbaren Indikatoren ... nach Art und Umfang ganz offensichtlich unzureichend" sind. Daher müsse "ein europäisches System lokaler und regionaler Lebensqualitätsindikatoren eingeführt werden".

5.3.2. Der Ausschuß der Regionen hat auf die Notwendigkeit vergleichbarer Standards hingewiesen: "Im Hinblick darauf ist der Audit für städtische Gebiete, der einem Vorschlag der Kommission zufolge demnächst eingeleitet werden soll, ein erster konkreter Beitrag". Dieser Audit umfaßt 58 Städte, 8 Agglomerationen und 21 weitere Großstadtregionen. Dabei wird in erster Linie die Lebensqualität in den Städten anhand einer Reihe von Städteindikatoren gemessen. Nach Ansicht des Ausschusses sollte das vorgeschlagene System jedoch detaillierter sein, damit die gewünschten Ergebnisse erzielt werden; die spezifischen lokalen und regionalen Gegebenheiten sind zu berücksichtigen. Außerdem sollten die Daten die Verhältnisse in der funktionalen städtischen Region, wie sie in Kapitel 3 dieser Stellungnahme beschrieben wurde, widerspiegeln und nicht auf den administrativen Einheiten beruhen. Die genannten Grundsätze dienen dem Ausschuß der Regionen bei seiner Studie zum gegenwärtigen Stand der Indikatoren für die wichtigsten europäischen Städte und deren Entsprechungen auf regionaler Ebene als Richtschnur.

5.3.3. Auch wenn angemessene statistische Daten und Indikatoren für den Entscheidungsprozeß wichtig sind, wollen die Kommunen vor allem etwas über die Politik und die Projekte der anderen erfahren. Der Ausschuß schlägt deshalb vor, von nachahmenswerten Beispielen in den Kommunen auszugehen und den Erfahrungsaustausch der lokalen Entscheidungsträger und Stadtdirektoren untereinander tatkräftig zu unterstützen. Die Kommunen müssen bei diesen Verfahren eine führende Rolle spielen. Der AdR betont daher, daß der transnationale Erfahrungsaustausch im Bereich der Stadtentwicklung nicht ohne die tatkräftige Mitbestimmung und Mitwirkung der an diesem Austausch beteiligten Städte und, sofern gewünscht, ihrer Verbände erfolgen sollte.

5.3.4. Vor allem um eines solchen Erfahrungsaustausches willen wurden ja so viele Städtenetze, von der einfachen Partnerschaft von zwei Städten bis zu hochkomplexen Formen der Zusammenarbeit auf spezifischen Gebieten, ins Leben gerufen. Der Ausschuß begrüßt die Absicht der Kommission, diese internationalen Städtepartnerschaften zu unterstützen und zu fördern. Er vertritt jedoch die Auffassung, daß dafür eine stärkere Konzentration und Koordinierung dieser Beziehungspflege vonnöten ist. Man sollte unbedingt auf den bereits gemachten Erfahrungen, Untersuchungen und Strukturen aufbauen. Der Ausschuß der Regionen bietet, zumal nach Erweiterung seiner Kompetenzen, ein ideales Forum dafür.

5.3.5. Der Ausschuß stimmt der Forderung der Kommission nach einer verbesserten Kooperation zwischen Kommunen in verschiedenen Teilen der Welt vorbehaltlos zu. Aus entwicklungspolitischen Überlegungen heraus, zur Stärkung der lokalen Demokratie, aber auch im Hinblick auf den Austausch von Erfahrungen mit anderen hochentwickelten Kommunen sollten diese Arten von Partnerschaften energisch gefördert werden.

5.3.6. Die Kommission versichert, daß die Städteindikatoren nicht als Auswahlkriterien für die Unterstützung mit Strukturfondsmitteln verwendet würden. Gleichzeitig vertritt sie die Auffassung, die Städteindikatoren könnten "auch in einer zweiten Phase eine bessere Beurteilung der Wirkung der einzelnen nationalen sowie der europäischen Politiken auf dem Gebiet der Stadtentwicklung ermöglichen". Nach Ansicht des Ausschusses der Regionen könnte ein künftiges europäische System lokaler und regionaler Indikatoren durchaus "ein unabdingbares Bindeglied zwischen der Bedarfsermittlung, der Festlegung der notwendigen städte- und regionalspezifischen politischen Zielsetzungen sowie der Entwicklung, der Umsetzung und dem Follow-up der zur Verwirklichung dieser Ziele zu ergreifenden Maßnahmen bilden". Es muß allerdings sichergestellt werden, daß sich die Indikatoren, die zur Feststellung der Förderungsfähigkeit aus den Strukturfonds dienen, von denjenigen, die für die Durchführung und Überwachung der Programme verwendet werden, unterscheiden.

5.3.7. Der Ausschuß der Regionen hält Forschungen zu den künftigen Verhältnissen in den Städten, wie sie von der Informationstechnologie, den sich wandelnden Arbeitsformen, den Fortschritten im Verkehrswesen und einem wachsenden Umweltbewußtsein geformt werden, für unerläßlich. In diesem Sinne begrüßt er die Einfügung des Zieles "die Stadt der Zukunft" in das Fünfte Rahmenprogramm und fordert mehr Forschungen zu diesen Fragen im europäischen Kontext.

5.4. Die Rolle der Strukturfonds

5.4.1. Die Untersuchungen zu den "Regionalen und lokalen Gebietskörperschaften in der Europäischen Union" haben gezeigt, daß die lokalen und regionalen Steuern sowie allgemeine Einkünfte, die ihren Ursprung in nationalen Programmen haben, die wichtigste Einnahmequelle der Kommunen sind. Die Programme dienen der Behebung allgemeiner sozialer Mißstände. Die Häufung derselben in größeren Städten und Ballungsgebieten macht jedoch ein gezielteres Vorgehen erforderlich. Eingriffe mit dem Ziel einer Wiederbelebung der Wohngebiete, Geschäftsviertel und Infrastrukturen, einschließlich der allgemeinen Raumordnungs- und Infrastrukturmaßnahmen, hängen von den nationalen Prioritäten und Mitteln ab und bezwecken, die Position von Wirtschaftszentren in einem international wettbewerbsfähigen Umfeld zu stärken. Diese allgemeinen politischen Strukturen sollten mehr auf die Bedürfnisse der Städte ausgerichtet werden. Denn nur so kann man den städtischen Problemen und Möglichkeiten durch strukturelle Verbesserungen sowohl auf Makro- als auch auf Mikroebene gerecht werden. Die europäischen Maßnahmen sollten komplementär zu diesen nationalen Bemühungen sein. Durch Konzentration auf die Mikroebene, d.h. auf die ärmsten Stadtviertel, kann die EU mit derartigen Ergänzungsmaßnahmen für die erforderliche Unterstützung sorgen und Anstöße zu einer Neuausrichtung auf städtische und regionale Entwicklungsmaßnahmen in Europa geben.

5.4.2. Im Rahmen der EU-Aktionen gehen - zumindest in finanzieller Hinsicht - die stärksten Auswirkungen auf die Stadtentwicklung von den Strukturfonds aus. Den spezifischen Bedürfnissen städtischer Gebiete wird jedoch nicht ausreichend Rechnung getragen. Der Ausschuß der Regionen unterstützt deshalb den Vorschlag der Kommission, daß "eine stärkere Ausrichtung auf Stadtentwicklungsfragen bei der Entwicklung zukünftiger Strategien und Programme [...] zu einer integrierten Strategie zwischen Aktionen in städtischen Gebieten und im Umland einerseits und hinsichtlich der wirtschaftlichen Entwicklung und derjenigen der Humanressourcen andererseits führen [könnte]" ().

5.4.3. Aber auch dieser Ansatz zielt lediglich auf den Zusammenhalt zwischen den Regionen ab. Im ersten Bericht über den wirtschaftlichen und sozialen Zusammenhalt (1996) wird auf die Notwendigkeit eines stärkeren Zusammenhalts zwischen und in den Städten hingewiesen: "Es besteht die reale Gefahr einer weiteren Fragmentierung innerhalb der europäischen Städte. Steigende Arbeitslosigkeit und soziale Ausgrenzung werden von einer Vertiefung der sozialen Gräben zwischen den Begünstigten und den Benachteiligten begleitet. In einigen Mitgliedstaaten werden die Probleme in den Städten bereits als die größte Herausforderung für den nationalen Zusammenhalt betrachtet ... Ein stärker konzentrierter Ansatz könnte hier auf Unionsebene notwendig sein" ().

5.4.4. Der Ausschuß der Regionen begrüßt deshalb den in der "Agenda 2000" vertretenen Standpunkt, daß "städtische Problemgebiete" als einer der vier Schlüsselbereiche der neuen Förderprogramme für die Ziel-2-Gebiete zu betrachten sind, die "auf die wirtschaftliche Diversifizierung abzielen, und dies auch in Regionen, die von einem einzigen Wirtschaftssektor mit rückläufiger Entwicklung stark abhängig sind. Zu diesem Zweck müssen die KMU und die Innovation verstärkt unterstützt werden, und der Berufsbildung, dem lokalen Entwicklungspotential, dem Umweltschutz und der Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung, insbesondere in den städtischen Problemgebieten, ist Vorrang einzuräumen". Außerdem zählt die "Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung" zu den vier Bereichen für Maßnahmen, die durch das horizontale Ziel 3 gefördert werden sollen. Da nun die Ausgrenzung vor allem die städtischen Gebiete betrifft, muß das neue Ziel 3 somit auch eine städtische Dimension enthalten (). Andererseits wurde in Agenda 2000 kein besonderer Nachdruck auf die Notwendigkeit einer stärkeren städtespezifischen Ausrichtung im Rahmen der regionalen Ziel-1-Programme gelegt. Nach Ansicht des Ausschusses der Regionen muß eine ausgewogene europäische Städtepolitik Städte und städtische Regionen, die unter Ziel-1 und Ziel-2 fallen, einschließen und das Fundament für die EU-Hilfsmaßnahmen in verschiedenen Regionen abgeben, die als solche nicht durch die Strukturfonds gefördert werden können.

5.4.5. In Agenda 2000 wird vorgeschlagen, die ungemein erfolgreiche Gemeinschaftsinitiative URBAN nicht weiterzuführen, sondern sie stattdessen in die Hauptprogramme zu integrieren. Dies wird es ermöglichen, an die mit URBAN erzielten Fortschritte anzuknüpfen und gleichzeitig stärkere Anstrengungen bei der Schaffung von Arbeitsplätzen und der Bekämpfung sozialer Ausgrenzung zu unternehmen. Der Ausschuß der Regionen weist außerdem auf die Bedeutung von Programmen hin, die auf die neuen Bedürfnisse der Städte abgestimmt sind. Die städtischen Pilotvorhaben im Rahmen von Artikel 10 und in größerem Ausmaß die Gemeinschaftsinitiative URBAN haben sich in dieser Hinsicht bereits als äußerst erfolgreich erwiesen. Während die bisherigen Zielprogramme auf die Regionen ausgerichtet sind, zielt URBAN auf die Nester, in denen sich die Mißstände konzentrieren, und auf die Verbesserung des städtischen Zusammenhalts ab. Der Ausschuß der Regionen spricht sich dafür aus, die Auswirkungen dieser Maßnahmen, die vielen Städten Nutzen gebracht haben, zu untersuchen und dabei besonders der Frage nachzugehen, unter welchen Umständen sie als Katalysatoren für die städtische Entwicklung fungieren können. Nach Ansicht des Ausschusses der Regionen ist es deshalb unbedingt notwendig, an diesem Ansatz unabhängig von den Vorschlägen für ein neues Ziel-2 festzuhalten.

5.4.6. Der Ausschuß der Regionen befürwortet uneingeschränkt die Vorschläge der Kommission für eine stärkere Konzentration. Mit den Ziel-1-, 2-, 5b- und 6-Gebieten werden derzeit 51 % der Unionsbevölkerung erfaßt. Im Rahmen der Strukturfonds sollten künftig die Ärmsten der Armen, darunter die Menschen in den am stärksten benachteiligten Stadtgebieten Europas gefördert werden. Diese Form der geographischen Ausrichtung wird derzeit auch im Rahmen von URBAN vorgenommen und hat zu einer effizienten Verwendung der europäischen Mittel geführt.

5.4.7. Der Vorschlag, das Finanzierungsverfahren durch ein einziges Programm je Region zu vereinfachen, ist sehr begrüßenswert. Die Kommunalbehörden hatten häufig mit widersprüchlichen Bestimmungen im Rahmen der verschiedenen europäischen Fonds zu kämpfen; manchmal kam es vor, daß ein bestimmtes Vorhaben im Rahmen eines Fonds förderfähig war, im Rahmen eines anderen hingegen nicht, was letzten Endes häufig dazu führte, daß möglicherweise erfolgreiche Vorhaben zurückgezogen wurden. Diese Unstimmigkeiten in den Strukturfondsvorschriften verhindern einen integrierten Ansatz und müssen deshalb ausgeräumt werden.

5.4.8. In Agenda 2000 wird ferner vorgeschlagen, einfachere und transparentere Förderkriterien für die verschiedenen Arten von Gebieten aufzustellen, die unter das neue Ziel-2 fallen, und dabei relevante sozioökonomische Kriterien wie die Arbeitslosenquote und den Grad der sozialen Ausgrenzung zu berücksichtigen. Nach Ansicht des Ausschusses der Regionen müßten diese auf den sozialen Zusammenhalt ausgerichteten Kriterien für städtische Gebiete Kriterien bezüglich Lebensqualität und nachhaltige Entwicklung einschließen. Bei der Festlegung dieser Kriterien müßte überdies der unterschiedlichen Dynamik und den unterschiedlichen Merkmalen der Städte in den verschiedenen Teilen der Union Rechnung getragen werden.

5.5. Institutionelle Aspekte

5.5.1. Einem neuen städtepolitischen Ansatz müssen auch die Strukturen der Gemeinschaftsorgane in vollem Umfang gerecht werden. Dies betrifft in erster Linie die Europäische Kommission, die für die eigentliche Konzipierung und Umsetzung einer Städtepolitik der Gemeinschaft zuständig ist. Einstweilen gibt es jedoch lediglich eine informelle interdirektionale Gruppe für städtepolitische Fragen. Bei dieser informellen Struktur wird zu stark auf guten Willen gesetzt, während die Städtepolitik im Rahmen des neuen Systems ein entscheidendes Muß ist.

5.5.2. Die derzeitige Umstrukturierungsmaßnahme "MAP 2000" (Modernisierung der Verwaltungs- und Personalpolitik) bietet die Gelegenheit, angemessenere und formellere Strukturen zu schaffen. Der Ausschuß der Regionen schlägt vor, eine dienststellenübergreifende Arbeitsgruppe einzusetzen, und zwar vorzugsweise innerhalb der für Regionalpolitik und Zusammenhalt zuständigen Generaldirektion. Diese Arbeitsgruppe wäre für die Entwicklung der vorgeschlagenen städtepolitischen Rahmenstrategie zuständig. Darüber hinaus könnte ihr die Aufgabe übertragen werden, (neue) sektorale Maßnahmen und Programme daraufhin zu überprüfen, ob sie sich in diese Rahmenstrategie einfügen.

5.5.3. Diese formellen administrativen Strukturen sollten nach Ansicht des Ausschusses der Regionen durch die Einsetzung eines für die gesamte Städtepolitik zuständigen Kommissionsmitglieds mit einem entsprechenden Budget vervollständigt werden. Es liegt auf der Hand, daß vor allem auch die vorgeschlagenen neuen Ziele 2 - für städtische Problemgebiete - und 3 - Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung - sowie innovative Programme wie URBAN und die städtischen Pilotvorhaben gemäß Artikel 10 zu seinem Zuständigkeitsbereich gehören müssen.

5.5.4. Der Ausschuß der Regionen ist der Ansicht, daß die stärkere Berücksichtigung städtepolitischer Fragen wie auch die vorgeschlagene stärkere Formalisierung der Strukturen innerhalb der Europäischen Kommission des demokratischen Rückhalts bedarf. Städtepolitische Fragen werden derzeit überwiegend im Ausschuß für Regionalpolitik des Europäischen Parlaments behandelt, insbesondere, wenn es dabei auch um die Strukturfonds geht. Aber auch andere Parlamentsausschüsse beschäftigen sich unter eher sektoralen Gesichtspunkten mit städtepolitischen Themen. In der Vergangenheit gab es eine interfraktionelle Arbeitsgruppe der lokalen und regionalen Vertreter der Fraktionen, die maßgeblich dazu beigetragen hat, daß sich die Gemeinschaft mit städtepolitischen Themen auseinandersetzt.

5.5.5. Der Ausschuß der Regionen schlägt vor, daß sich das Europäische Parlament vor dem Inkrafttreten des Vertrags von Amsterdam Gedanken über die Schaffung einer besser strukturierten Plattform für die Behandlung städtepolitischer Fragen machen sollte. Die ideale Lösung wäre die Einsetzung eines neuen Ausschusses für Städtepolitik. Der Ausschuß der Regionen möchte hier seine Absicht bekunden, bei der Vorbereitung des Städteforums und des Weißbuchs zur Stadtentwicklung eng mit dem Europäischen Parlament zusammenzuarbeiten.

5.5.6. Beide beratenden Institutionen der Gemeinschaft verfügen bereits über die notwendigen Strukturen, um sich effizient mit städtepolitischen Fragen zu beschäftigen. Der Ausschuß der Regionen möchte den Wirtschafts- und Sozialausschuß bei der Fortsetzung seiner Arbeit im Bereich der städtischen Agenda der Gemeinschaft unterstützen und wird auch seine eigene Arbeit in diesem Bereich innerhalb seiner Fachkommission 4 "Raumordnung, Städtefragen, Energie, Umwelt" weiterführen.

5.5.7. Auch der Europäische Rat sollte dem vorgeschlagenen neuen Ansatz in der Städtepolitik Rechnung tragen. Die Initiative des niederländischen Ratsvorsitzes und die Schlußfolgerungen des Treffens der für Regionalpolitik zuständigen Minister in Noordwijk werden vom Ausschuß der Regionen mit besonderer Befriedigung zur Kenntnis genommen. Er begrüßt nachdrücklich die bekundete Absicht, die städtische Agenda weiter auszubauen, stärkere Impulse für den Erfahrungsaustausch zu geben und während des britischen Ratsvorsitzes ein zweites Treffen zu veranstalten. Der Ausschuß der Regionen schlägt vor, daß der Rat diese Treffen zu einer festen Einrichtung machen und nach Möglichkeit auch künftig jedes Jahr eine Ratstagung zur Städtepolitik durchführen sollte.

5.5.8. Der Ausschuß der Regionen schlägt vor, in regelmäßigen Abständen interinstitutionelle Treffen zu veranstalten, damit aus den innerhalb der einzelnen Institutionen geführten Diskussionen möglichst großer Nutzen gezogen werden kann. Überdies könnte einmal pro Jahr ein Treffen mit den in diesem Bereich aktiven Interessengruppen vorgesehen werden. Das vorgeschlagene Städteforum könnte die erste Veranstaltung dieser Art sein.

5.5.9. Die Absicht der Kommission, zur Unterstützung bei der Vorbereitung des Weißbuchs zur Stadtentwicklung eine Sachverständigengruppe einzusetzen, wird vom Ausschuß der Regionen positiv bewertet. Er ist der Auffassung, daß einer derartigen Gruppe nicht nur Sachverständige aus den verschiedenen Mitgliedstaaten sowie im Bereich der Städteproblematik erfahrene Wissenschaftler angehören sollten, sondern daß es ebenso wichtig ist, auf die Sachkenntnis der Kommunalbehörden zurückzugreifen.

5.5.10. Die Notwendigkeit einer integrierten Städtepolitik der Gemeinschaft bedeutet nicht, daß die anderen Ebenen sich nicht mehr um eine weitere Integration ihrer Politik in diesem Bereich bemühen müssen. Insbesondere die staatliche Politik hat einschneidende Folgen für die Städte. Die lokalen Gebietskörperschaften sind finanziell von der Regierung ihres Staates abhängig, um ihre Verpflichtungen erfuellen zu können. Infolge der Haushaltsengpässe wird eine stärkere Koordinierung der allgemeineren sektoralen Politiken immer wichtiger. Der Ausschuß der Regionen möchte dem Europäischen Rat deshalb nahelegen, eine tiefergreifende Integration der Politiken zu fördern und auf die Entwicklung einer echten staatlichen Städtepolitik in den Mitgliedstaaten hinzuwirken.

5.5.11. Die kommunalen und regionalen Gebietskörperschaften werden von einer integrierten Politik auf der nationalen und europäischen Ebene erheblich profitieren, da diese für sie eine spürbare Entlastung bei der Koordinierung der Vielzahl von regionalen, nationalen und gemeinschaftlichen Maßnahmen und Initiativen, wie sie heute bestehen, bewirken wird. Die lokalen Gebietskörperschaften müssen sich aber auch selbst verstärkt darum bemühen, die verfügbaren Ressourcen so effizient wie möglich zu nutzen.

5.5.12. Die lokalen Gebietskörperschaften müssen auf derjenigen Ebene ihre Probleme lösen und ihre Chancen wahrnehmen, die hierfür am besten geeignet ist, d.h. der Ebene mit der größten Bürgernähe. In vielen Fällen konzentrieren sich die Probleme der Städte in bestimmten Stadtvierteln, und auch die Lösung für diese Probleme muß häufig in den betreffenden Stadtvierteln gefunden werden. Gesundheitswesen, soziale Integration, Bildung und öffentliche Sicherheit erfordern maßgeschneiderte Lösungen. Politische Maßnahmen zur Ankurbelung der Wirtschaft, zur Schaffung von Arbeitsplätzen und zur Förderung öffentlicher Verkehrsmittel hingegen müssen für die gesamte Stadt bzw. den jeweiligen Großraum konzipiert werden. Hinzuzufügen wäre noch, daß den Problemen in manchen Vierteln nur in der Umgebung oder in dem weiteren Stadtgebiet abgeholfen werden kann. Gleichzeitig ist sicherzustellen, daß diese Problemgebiete in den vollen Genuß der Entwicklungen in den besser gestellten umliegenden Gebieten kommen. Die Strukturfondsmittel könnten sich als wertvoller Anstoß für die Verbesserung des städtischen Zusammenhalts erweisen.

5.5.13. Die Probleme in den Stadtvierteln sollten im Rahmen der Befugnisse der lokalen Gebietskörperschaften bekämpft werden. Davon können jedoch etliche Städte nur träumen. Außerdem decken sich die Verwaltungsgrenzen der lokalen Gebietskörperschaften in der Regel nicht mit dem Stadtgebiet, für das sie funktional zuständig sind. Wenn möglich sollte man entschlossen eine festere und verbindlichere Form der Zusammenarbeit zwischen den lokalen Gebietskörperschaften anstreben und die dafür erforderlichen Strukturen aufbauen.

5.5.14. Gleichzeitig sollten sich die lokalen Gebietskörperschaften auf ihre Hauptaufgaben konzentrieren, hochwertige Dienstleistungen zu angemessenen Preisen erbringen und ständig auf die sich wandelnden Anliegen der Bevölkerung achten. Sie müssen die in vielen Fällen ausgehöhlte Beziehung zu ihren Bürgern, deren wichtigste Grundlage Vertrauen ist, verbessern. Die Bürger müssen an der städtischen Gesellschaft teilhaben.

5.5.15. Die Städte müssen sich organisieren, um sich all diesen Fragen stellen zu können. Die lokalen Gebietskörperschaften müssen als allererstes dafür sorgen, daß die lokalen Organisationen - öffentliche wie auch private - an einem Strang ziehen, um Fachwissen, Kompetenz und Energie zu mobilisieren. Die Zusammenarbeit innerhalb der städtischen Großräume erfordert starke Partnerschaften zwischen den Kommunalbehörden. Gleichermaßen wichtig sind die Beziehungen zu den regionalen und staatlichen Behörden und der Europäischen Union. Städtepolitische Maßnahmen und Programme sollten in partnerschaftlicher Zusammenarbeit mit den lokalen Gebietskörperschaften konzipiert, durchgeführt und überwacht werden, um die auf lokaler Ebene vorhandenen Erfahrungen und Kenntnisse auch wirklich zu nutzen. Diese Neuorganisierung der lokalen Gebietskörperschaften bringt auch die Notwendigkeit einer neuartigen Stadtverwaltung mit sich, die in der Lage ist, Stadtentwicklungsstrategien zu konzipieren und die notwendigen Koalitionen einzugehen.

6. Schlußfolgerungen

6.1. Der Ausschuß der Regionen begrüßt die Mitteilung der Europäischen Kommission und den davon ausgehenden Anstoß für eine Debatte über die künftige Städtepolitik in der Europäischen Union mit Nachdruck. Diese Mitteilung ist Ausdruck des neuerwachten Interesses an unseren Städten und des Erfordernisses, Europa den Bürgern näher zu bringen. Sie zeigt mit unmißverständlicher Deutlichkeit, daß die städtischen Gebiete die Schwungräder für Wirtschaftswachstum, Wettbewerbsfähigkeit und Kultur sind, daß sie sich aber auch mit den größten Problemen der modernen Gesellschaft konfrontiert sehen. Der Ausschuß meint, daß nun die Zeit für eine europaweite Debatte gekommen ist, und unterstützt die Absicht der Europäischen Kommission und des Ministerrates, 1998 ein Städteforum einzurichten, vorbehaltlos. Die Ergebnisse dieser Debatte sollten in einem Weißbuch zur Stadtentwicklung weiter vertieft werden.

6.2. Die städtische Wirklichkeit ist facettenreich und vielgestaltig. Einerseits sind die Städte die Lokomotiven des Wirtschaftsgefüges und der Volkswirtschaften. Andererseits haben sie, insbesondere bestimmte Bezirke, mit vielen Formen des sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Niedergangs zu kämpfen. Hohe Arbeitslosenquoten, Armut, schlechte Lebensbedingungen und mangelnde Sicherheit führen zu sozialer Ausgrenzung und Segregation. Diese Entwicklungen beeinträchtigen die Lebensfähigkeit und den Zusammenhalt unserer Gesellschaft in wachsendem Maße. Der Ausschuß der Regionen ist fest davon überzeugt, daß diese Tendenz umgekehrt werden muß. Die Städte müssen wieder zu Orten werden, in denen wir gerne leben, unsere Kinder aufziehen und unsere Freizeit verbringen möchten.

6.3. Der Ausschuß der Regionen vertritt die Ansicht, daß die Beziehungen zwischen den Städten und ihrem Umland dringend intensiviert werden müssen. Der starken wechselseitigen Abhängigkeit von Stadt und Umland wird das Konzept des funktionalen Stadtgebiets gerecht. Dieses Konzept sollte für alle städtischen Gebiete, unabhängig von ihrer Größe, gelten und Ausgangspunkt einer künftigen europäischen Städtepolitik sein. Gefragt ist also eine europäische Städtepolitik, die alle Stadt-Umland-Einheiten, unabhängig von ihrer Größe und ihren Merkmalen, erfaßt. Das Europäische Raumentwicklungskonzept (EUREK) stellt eine erste Antwort dar und dürfte durch die von der Europäischen Kommission organisierten transnationalen Seminare eine inhaltliche Bereicherung erfahren.

6.4. Der Ausschuß stimmt der Auffassung zu, daß mehrere Gemeinschaftsinstrumente schon heute in erheblichem Umfang auf die Stadtentwicklung einwirken. Dies ist jedoch nicht dasselbe wie eine europäische Städtepolitik, welche die Gemeinschaftsaktionen koordiniert und integriert und speziell auf die Bedürfnisse der Städte und ihrer Bewohner zugeschnitten ist. In mehreren Stellungnahmen hat der Ausschuß schon Vorschläge dazu gemacht, wie die regionale und kommunale Perspektive in die spezifischen Strategien und Programme der Gemeinschaft eingearbeitet werden sollte. Heute brauchen wir einen neuen umfassenden Ansatz für die städtischen Gebiete. Die Protagonistenrolle sollten dabei die Kommunen übernehmen, in Zusammenarbeit mit den regionalen und nationalen Behörden. Der Ausschuß weist darauf hin, daß die städtischen Angelegenheiten auf allen Verwaltungsebenen in die Politik integriert werden müssen. Einer integrierten nationalen Städtepolitik gebührt daher in allen Mitgliedstaaten hohe Priorität. Um dem wesentlichen Ziel des Zusammenhalts näherzukommen, sollte die Europäische Union eine zu diesen nationalen Maßnahmen komplementäre Städtepolitik entwickeln, welche unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips die schon heute für die Städte relevanten politischen Strategien und Aktionspläne besser auf die Bedürfnisse der Kommunen abstimmt.

6.5. Der Ausschuß ist der Ansicht, daß ein neuer städtepolitischer Ansatz zuallererst einen klaren Rahmenplan für die Stadtentwicklung voraussetzt. Dabei ist von einer Vision und Strategie für die künftige Rolle der Städte auszugehen. Der Rahmenplan sollte die Auswirkungen der europäischen Integration, der Spezialisierung und der transeuropäischen Netze auf die Raumordnung widerspiegeln. Aber auch eine Reihe anderer europaweiter Fragen im Zusammenhang mit Phänomenen wie der Arbeitslosigkeit, der sozialen Ausgrenzung, der Stadterneuerung, Nachhaltigkeit, Mobilität, Sicherheit, dem Bildungswesen, der Jugend und der Volksgesundheit müßten hier zur Sprache kommen. Um die Komplementarität des Rahmenplans zu gewährleisten, muß man ihn so flexibel gestalten, daß den nationalen Strategien und den regionalen Unterschieden, die eine auf den Einzelfall zugeschnittene Anwendung erforderlich machen, Rechnung getragen werden kann. Steht der Rahmen, müssen die derzeitigen sektoralen Politiken und die Programme, die für die Städte relevant sind, angepaßt und neue Gemeinschaftsmaßnahmen an ihm gemessen werden. Der Ausschuß ist überzeugt, daß die Gemeinschaftsressourcen auf diese Weise sehr viel wirksamer eingesetzt und die Transparenz der EU-Maßnahmen erheblich gesteigert werden kann.

6.6. Der Ausschuß der Regionen fordert ein europäisches Aktionsprogramm für die Städte, das von den Erfahrungen der Kommunen ausgeht, da dies der Ort ist, wo tagtäglich viele sektorale Maßnahmen durchgeführt werden müssen. Außerdem sind die Städte (zumal die größeren Städte und städtischen Regionen) die ersten, die mit den Problemen und den Möglichkeiten der modernen Gesellschaft zu tun haben. Die auf lokaler Ebene gemachten Erfahrungen lehren, daß die Stärkung des wirtschaftlichen Gefüges das A und O jeder Städtepolitik ist. Allerdings zeigen sie ebenso deutlich, daß sich dies nicht ohne eine gleichzeitige Stärkung der sozialen Infrastruktur möglich ist, d.h. ohne daß die Bildung und Ausbildung, die Lebensqualität, Sicherheit und Fürsorge zumal bei den sozial Benachteiligten verbessert wird. Mit anderen Worten, es kommt darauf an, die Stadt wiederzubeleben, Viertel zu schaffen, in denen es sich leben läßt, und die Beteiligung der Bürger zu verbessern.

6.7. Eine europäische Städtepolitik sollte die Entwicklung eines integrierten, koordinierten und zielgerichteten städtebezogenen Ansatzes erleichtern. Außerdem sollte sie sachlich fundiert sein, damit die einschlägigen Erfordernisse und Entwicklungstendenzen ermittelt werden können und eine verläßliche Überwachung gewährleistet ist, weshalb die Kriterien für die Fondsmittelvergabe dabei auch keine Rolle spielen dürfen. Mit dazu gehören statistische Daten sowie Informationen zu spezifischen Strategien und Projekten zur Verbesserung der Politik für städtische Gebiete. Nach Ansicht des Ausschusses besteht außerdem ein großer Bedarf an Partnerschaften zwischen den verschiedenen Verwaltungsebenen sowie zwischen diesen und dem privaten Sektor, den Bildungseinrichtungen und verschiedenen Akteuren auf kommunaler Ebene. Eine solche Partnerschaft sollte gestützt werden durch eine wirksame Beteiligung an städtischen Netzen und sollte auf die dort verfügbaren Erfahrungen und erprobten Strukturen aufbauen. Die Partnerschaft erfordert auch eine straffere Bündelung und Koordinierung der Arbeit im Netz - eine Aufgabe, die der Ausschuß der Regionen übernehmen könnte.

6.8. Für den Ausschuß der Regionen steht fest, daß man in der Städtepolitik das Hauptaugenmerk auf die langfristige sozioökonomische Erneuerung legen und dabei auf das in den städtischen Gebieten vorhandene Potential zurückgreifen sollte, um wieder Leben in diese Gebiete zu bringen. Diese Wiederbelebung von innen heraus setzt eine bessere thematische und geographische Ausrichtung, eine Konzentration auf die ärmsten Stadtbezirke, wie sie schon im Ersten Kohäsionsbericht angemahnt wurde, voraus. Der Ausschuß unterstützt daher den in Agenda 2000 gemachten Vorschlag, die städtischen Angelegenheiten zu einer Hauptaufgabe eines neudefinierten Ziels-2 zur wirtschaftlichen und sozialen Umstrukturierung zu machen. Auf diese Weise könnte man auf den positiven Erfahrungen von URBAN aufbauen und gleichzeitig zusätzlichen Nachdruck auf die Bekämpfung der Arbeitslosigkeit und die Stärkung des sozialen Zusammenhalts legen. Allerdings sollte gleich hinzugefügt werden, daß es ebenso wichtig ist, den städtischen Belangen im Rahmen der regionalen Ziel-1-Programme mehr Beachtung zu schenken. Außerdem muß eine europäische Städtepolitik auch städtische Gebiete, deren Regionen als solche nicht durch die Strukturfonds gefördert werden können, dadurch erfassen, daß die Programme zur Bekämpfung der sozialen Ausgrenzung aus dem neuen horizontalen Ziel 3 in ihr Aufnahme finden. Schließlich möchte der Ausschuß auf die Bedeutung von Programmen verweisen, die auf die neuen Bedürfnisse der Städte abgestimmt sind. Der Erfolg innovativer Ansätze im Rahmen der Städtischen Pilotprojekte unter Artikel 10 und von URBAN zeigt, wie notwendig es ist, ein umfangreiches Stadtentwicklungsprogramm beizubehalten.

Die mit diesen innovativen Ansätzen (den städtischen Pilotprojekten und URBAN) gesammelten Erfahrungen bieten den Städten, den Fachleuten und den Verbandsvertretern die Möglichkeit, ihr Wissen durch Kenntnisse über die Vorgänge in anderen Ländern der Union zu vertiefen. Dieses Wissen ist ein Gebot der Stunde. Der Erfahrungsaustausch muß feste Strukturen bekommen und zu einer dauerhaften Einrichtung werden. Der Ausschuß der Regionen schlägt vor, daß die Kommission diesen Wissensaustausch fördert und die Fachleute, die Verbände, die Kommunalvertreter und die Wissenschaftler an den Universitäten daran beteiligt. Dieser Austausch soll helfen, die Akteure besser auf die einschlägigen Anforderungen und die Bewältigung der Probleme einer europäischen Städtepolitik vorzubereiten. Diese Akteure erfuellen sehr verschiedene Aufgaben, die allesamt wichtige Faktoren für eine erfolgreiche Städtepolitik sind. Ihre Arbeit gibt eine Vorstellung von den Berufen der Zukunft. Wer über die Ausbildung der städtischen Akteure nachdenkt/sie gestaltet, muß die individuelle Qualifikation mit den Erfordernissen eines Kollektivs in Einklang bringen: interdisziplinäres Team, gewählte Kommunalvertreter oder aktive Verbandsvertreter.

6.9. Eine europäische Städtepolitik setzt auch Veränderungen in den Institutionen voraus. Der Ausschuß empfiehlt der Kommission, eine interdisziplinäre Gruppe in der Generaldirektion für Regionalpolitik und Kohäsion zu schaffen und einem Kommissionsmitglied zu unterstellen. Diese Gruppe sollte durch ein städtepolitisches Expertengremium mit Sachverständigen aus den Mitgliedstaaten und Stadtforschern, das auch auf den Sachverstand der Kommunen zurückgreifen würde, unterstützt werden. Sie bedarf natürlich auch der demokratischen Rückendeckung durch das Europäische Parlament. Die Fachkommission 4 "Raumordnung, Städtefragen, Energie, Umwelt" des Ausschusses der Regionen und die Fachgruppe Regionale Entwicklung, Raumordnung und Städtebau des Wirtschafts- und Sozialausschusses könnten als Vorbilder für eine solche Gruppe dienen. Der Ausschuß der Regionen meint außerdem, daß man die Initiative des Rates der Städte und Gemeinden in strukturierter Form fortsetzen sollte, um auf allen Verwaltungsebenen die einschlägigen Maßnahmen zu integrieren, die Ressortgrenzen zu überwinden und wirklich auf die Städte zugeschnittene Programme zu entwickeln. Er ist überzeugt, daß sich eine europäische Städtepolitik nur durch eine enge Zusammenarbeit aller Institutionen und ihrer beratenden Gremien verwirklichen läßt.

6.10. Eine europäische Städtepolitik macht auch eine Reihe von Veränderungen auf lokaler Ebene erforderlich. Der Ausschuß möchte die Kommunen dazu ermuntern, erneute Anstrengungen zu unternehmen, um die verfügbaren Ressourcen besser und gezielter zu nutzen. Städtische Belange müssen auf der Ebene erledigt werden, die dem Bürger am nächsten ist. Das ist in vielen Fällen die Stadtbezirksebene, aber eine Reihe von Problemen und Möglichkeiten erfordern auch eine Behandlung auf städtischer Ebene oder im Maßstab der größeren städtischen Region. Für viele Städte heißt das, daß sie ihren Verwaltungsapparat umbauen müssen, um dauerhaftere und verbindlichere Formen der Zusammenarbeit in der Region zu entwickeln. Nach Auffassung des Ausschusses bedarf es darüber hinaus eines neuen Stils des Stadtmanagements, das sich die Sachkenntnis, Kompetenz und Dynamik aller staatlichen und privaten Organisationen zunutze macht und den Bürger als Träger der städtischen Gesellschaft begreift.

6.11. Die Entwicklung lebensfähiger und umweltgerechter Städte, die vor den Herausforderungen des 21. Jahrhunderts bestehen, ist nicht nur eine städtische Angelegenheit, sondern eine wesentliche nationale und europäische Frage. Wer das städtische Gefüge stärken will, muß Beharrlichkeit beweisen. Die Lösungskonzepte für städtische Probleme - ein an sich erst seit relativ kurzer Zeit wahrnehmbares Phänomen - haben bisher zu häufig unter ständigen Kurswechseln und Oberflächlichkeit gelitten. Ein neuer, koordinierter und integrierter europäischer Ansatz, der auf den Städten in ihrer regionalen Umgebung fußt und vom Bürger ausgeht, ist das Gebot der Stunde. Das Europa der Bürger beginnt in unseren Städten.

Brüssel, den 14. Mai 1998.

Der Präsident des Ausschusses der Regionen

Manfred DAMMEYER

() KOM(97) 197 endg.

() ABl. C 100 vom 2.4.1996, S. 65.

() ABl. C 126 vom 29.4.1996, S. 1.

() ABl. C 337 vom 11.11.1996, S. 20.

() Noch nicht im ABl. erschienen.

() ABl. C 34 vom 3.2.1997, S. 12.

() ABl. C 116 vom 14.4.1997, S. 52.

() ABl. C 100 vom 2.4.1996, S. 78.

() ABl. C 116 vom 14.4.1997, S. 1.

() ABl. C 116 vom 14.4.1997, S. 98.

() ABl. C 215 vom 16.7.1997, S. 44.

() ABl. C 379 vom 15.12.1997, S. 26.

() ABl. C 215 vom 16.7.1997, S. 21.

() KOM(97) 197 endg, S. 8.

() KOM(97) 197 endg, S. 14.

() KOM(97) 197 endg, S. 4.

() KOM(97) 197 endg, S. 13 und 14.

() KOM(97) 197 endg, S. 17.

() KOM(97) 197 endg, S. 16.

() ABl. C 74 vom 10.3.1998, S. 9, Artikel 3.10.3.

() CdR 138/97 fin.

() KOM(97) 542 endg.

() KOM(97) 2000 endg, S. 24.