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Document 32006D0616

2006/616/EG: Beschluss des Rates vom 24. Juli 2006 über den Abschluss — im Namen der Europäischen Gemeinschaft — des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in Bezug auf diejenigen Bestimmungen des Zusatzprotokolls, die in den Anwendungsbereich der Artikel 179 und 181a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fallen

OJ L 262, 22.9.2006, p. 24–33 (ES, CS, DA, DE, ET, EL, EN, FR, IT, LV, LT, HU, MT, NL, PL, PT, SK, SL, FI, SV)
Special edition in Bulgarian: Chapter 11 Volume 048 P. 261 - 270
Special edition in Romanian: Chapter 11 Volume 048 P. 261 - 270
Special edition in Croatian: Chapter 11 Volume 126 P. 131 - 140

Legal status of the document In force

ELI: http://data.europa.eu/eli/dec/2006/616/oj

22.9.2006   

DE

Amtsblatt der Europäischen Union

L 262/24


BESCHLUSS DES RATES

vom 24. Juli 2006

über den Abschluss — im Namen der Europäischen Gemeinschaft — des Zusatzprotokolls gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität in Bezug auf diejenigen Bestimmungen des Zusatzprotokolls, die in den Anwendungsbereich der Artikel 179 und 181a des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft fallen

(2006/616/EG)

DER RAT DER EUROPÄISCHEN UNION —

gestützt auf den Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft, insbesondere auf die Artikel 179 und 181a in Verbindung mit Artikel 300 Absatz 2 Unterabsatz 1 und Artikel 300 Absatz 3 Unterabsatz 1,

auf Vorschlag der Kommission,

nach Stellungnahme des Europäischen Parlaments (1),

in Erwägung nachstehender Gründe:

(1)

Die Bereiche des Protokolls, die in die Zuständigkeit der Gemeinschaft fallen, wurden von der Kommission nach ihrer Ermächtigung durch den Rat im Namen der Gemeinschaft ausgehandelt.

(2)

Der Rat erteilte der Kommission den Auftrag, die Verhandlungen über den Beitritt der Gemeinschaft zu dem betreffenden internationalen Übereinkommen zu führen.

(3)

Die Verhandlungen wurden erfolgreich abgeschlossen; das daraus resultierende Rechtsinstrument wurde entsprechend dem Beschluss 2001/87/EG des Rates vom 8. Dezember 2000 (2) am 12. Dezember 2000 von der Gemeinschaft unterzeichnet.

(4)

Einige Mitgliedstaaten sind Vertragsparteien des Protokolls; in anderen Mitgliedstaaten ist das Ratifizierungsverfahren im Gange.

(5)

Der Abschluss des Übereinkommens, der gemäß Artikel 37 Absatz 2 des Übereinkommens Voraussetzung für den Beitritt der Gemeinschaft zu dem Protokoll ist, wurde mit dem Beschluss 2004/579/EG des Rates vom 29. April 2004 (3) im Namen der Gemeinschaft genehmigt.

(6)

Die sonstigen Bedingungen für das Hinterlegen der Genehmigungsurkunde durch die Gemeinschaft nach Artikel 36 Absatz 3 des Übereinkommens und Artikel 21 Absatz 3 des Protokolls sind erfüllt.

(7)

Soweit die Bestimmungen des Protokolls in den Anwendungsbereich der Artikel 179 und 181a des Vertrags fallen, sollte der Abschluss des Protokolls im Namen der Gemeinschaft genehmigt werden.

(8)

Soweit die Bestimmungen des Protokolls in den Anwendungsbereich von Titel IV des Dritten Teils des Vertrags fallen, sollte der Abschluss des Protokolls im Namen der Gemeinschaft durch einen gesonderten Beschluss des Rates genehmigt werden (4).

(9)

Die Gemeinschaft sollte gemäß Artikel 21 Absatz 3 des Protokolls gegen die Schleusung zusammen mit der Genehmigungsurkunde eine Erklärung über den Umfang der Zuständigkeiten der Gemeinschaft in Bezug auf die durch das Protokoll erfassten Angelegenheiten hinterlegen —

BESCHLIESST:

Artikel 1

Das Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität, dessen Wortlaut in Anhang I wiedergegeben ist, wird im Namen der Europäischen Gemeinschaft genehmigt.

Die Urkunde der Gemeinschaft zur förmlichen Bestätigung enthält eine Erklärung zu den Zuständigkeiten nach Artikel 21 Absatz 3 des Protokolls, deren Wortlaut in Anhang II wiedergegeben ist.

Artikel 2

Dieser Beschluss gilt in Bezug auf die Bestimmungen des Protokolls, soweit diese in den Anwendungsbereich der Artikel 179 und 181a des Vertrags fallen.

Artikel 3

Der Präsident des Rates wird ermächtigt, die Person zu bestellen, die befugt ist, die Urkunde zur förmlichen Bestätigung rechtsverbindlich für die Gemeinschaft zu hinterlegen.

Dieser Beschluss wird im Amtsblatt der Europäischen Union veröffentlicht.

Geschehen zu Brüssel am 24. Juli 2006.

Im Namen des Rates

Der Präsident

K. RAJAMÄKI


(1)  Noch nicht im Amtsblatt veröffentlicht.

(2)  ABl. L 30 vom 1.2.2001, S. 44.

(3)  ABl. L 261 vom 6.8.2004, S. 69.

(4)  Siehe Seite 34 dieses Amtsblatts.


ANHANG I

PROTOKOLL

gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg, in Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität

PRÄAMBEL

DIE VERTRAGSSTAATEN DIESES PROTOKOLLS,

ERKLÄREND, dass wirksame Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg ein umfassendes internationales Vorgehen erfordern, das unter anderem Zusammenarbeit, den Austausch von Informationen sowie weitere geeignete Maßnahmen, darunter soziale und wirtschaftliche Maßnahmen, auf einzelstaatlicher, regionaler und internationaler Ebene beinhaltet,

UNTER HINWEIS auf die Resolution 54/212 der Generalversammlung vom 22. Dezember 1999, in der die Versammlung die Mitgliedstaaten und das System der Vereinten Nationen nachdrücklich aufforderte, die internationale Zusammenarbeit auf dem Gebiet der internationalen Migration und Entwicklung zu verstärken, um die tieferen Ursachen der Migration, insbesondere diejenigen im Zusammenhang mit der Armut, anzugehen und um den Beteiligten den größtmöglichen Nutzen aus der internationalen Migration zuteil werden zu lassen, und in der sie den interregionalen, regionalen beziehungsweise subregionalen Mechanismen nahe legte, sich gegebenenfalls auch weiterhin mit der Frage der Migration und der Entwicklung zu befassen,

ÜBERZEUGT von der Notwendigkeit, den Migranten eine menschliche Behandlung und den vollen Schutz ihrer Rechte zu gewähren,

UNTER BERÜCKSICHTIGUNG dessen, dass es trotz der in anderen internationalen Einrichtungen geleisteten Arbeit keine allgemein gültige Übereinkunft gibt, die alle Aspekte der Schleusung von Migranten und andere damit zusammenhängende Fragen erfasst,

BESORGT über die erhebliche Zunahme der Tätigkeit organisierter krimineller Gruppen bei der Schleusung von Migranten und andere damit zusammenhängende, in diesem Protokoll genannte kriminelle Tätigkeiten, die den betroffenen Staaten großen Schaden verursachen,

SOWIE BESORGT darüber, dass die Schleusung von Migranten das Leben beziehungsweise die Sicherheit der betroffenen Migranten gefährden kann,

UNTER HINWEIS auf die Resolution 53/111 der Generalversammlung vom 9. Dezember 1998, in der die Versammlung beschloss, einen allen Mitgliedstaaten offen stehenden zwischenstaatlichen Ad-hoc-Ausschuss einzusetzen, mit dem Auftrag, ein umfassendes internationales Übereinkommen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität auszuarbeiten und unter anderem die Ausarbeitung einer internationalen Übereinkunft zur Bekämpfung des unerlaubten Menschenhandels mit Migranten und ihrer Beförderung, namentlich auch auf dem Seeweg, zu erörtern,

ÜBERZEUGT, dass die Ergänzung des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität durch eine internationale Übereinkunft gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg für die Verhütung und Bekämpfung dieses Verbrechens von Nutzen sein wird,

SIND WIE FOLGT ÜBEREINGEKOMMEN:

I.   ALLGEMEINE BESTIMMUNGEN

Artikel 1

Verhältnis zu dem Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität

(1)   Dieses Protokoll ergänzt das Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität. Es ist zusammen mit dem Übereinkommen auszulegen.

(2)   Die Bestimmungen des Übereinkommens werden auf dieses Protokoll sinngemäß angewandt, sofern in diesem Protokoll nichts anderes vorgesehen ist.

(3)   Die in Übereinstimmung mit Artikel 6 umschriebenen Straftaten werden als in Übereinstimmung mit dem Übereinkommen umschriebene Straftaten angesehen.

Artikel 2

Zweck

Zweck dieses Protokolls ist es, die Schleusung von Migranten zu verhüten und zu bekämpfen sowie die diesbezügliche Zusammenarbeit zwischen den Vertragsstaaten zu fördern und dabei gleichzeitig die Rechte der geschleusten Migranten zu schützen.

Artikel 3

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Protokolls

a)

bezeichnet der Ausdruck „Schleusung von Migranten“ die Herbeiführung der illegalen Einreise einer Person in einen Vertragsstaat, dessen Staatsangehörigkeit sie nicht besitzt oder in dem sie keine Berechtigung zum ständigen Aufenthalt hat, mit dem Ziel, sich unmittelbar oder mittelbar einen finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteil zu verschaffen;

b)

bezeichnet der Ausdruck „illegale Einreise“ das Überschreiten von Grenzen, ohne die notwendigen Anforderungen für die legale Einreise in den Aufnahmestaat zu erfüllen;

c)

bezeichnet der Ausdruck „gefälschtes Reise- oder Identitätsdokument“ ein Reise- oder Identitätsdokument,

i)

das von jemand anderem als einer Person oder Stelle, die rechtmäßig befugt ist, das Reise- oder Identitätsdokument im Namen eines Staates anzufertigen oder auszustellen, als Fälschung angefertigt oder in substanzieller Weise verändert wurde oder

ii)

das aufgrund falscher Angaben, durch Korruption, Nötigung oder auf andere unrechtmäßige Weise unbefugt ausgestellt oder erlangt wurde oder

iii)

das von einer Person benutzt wird, die nicht der rechtmäßige Inhaber ist;

d)

bezeichnet der Ausdruck „Schiff“ alle Arten von Wasserfahrzeugen, einschließlich nicht wasserverdrängender Fahrzeuge und Wasserflugzeuge, die als Beförderungsmittel auf dem Wasser verwendet werden oder verwendet werden können, mit Ausnahme von Kriegsschiffen, Flottenhilfsschiffen und sonstigen einem Staat gehörenden oder von ihm betriebenen Schiffen, die derzeit im Staatsdienst stehen und ausschließlich anderen als Handelszwecken dienen.

Artikel 4

Geltungsbereich

Dieses Protokoll findet Anwendung, soweit darin nichts anderes bestimmt ist, auf die Verhinderung, Untersuchung und Strafverfolgung der in Übereinstimmung mit Artikel 6 umschriebenen Straftaten, wenn die Straftaten grenzüberschreitender Natur sind und eine organisierte kriminelle Gruppe daran mitgewirkt hat, sowie auf den Schutz der Rechte der Opfer dieser Straftaten.

Artikel 5

Strafrechtliche Verantwortlichkeit der Migranten

Migranten können nicht nach diesem Protokoll strafrechtlich dafür verfolgt werden, dass sie Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurden.

Artikel 6

Kriminalisierung

(1)   Jeder Vertragsstaat trifft die notwendigen gesetzgeberischen und anderen Maßnahmen, um folgende Handlungen, wenn vorsätzlich und zur unmittelbaren oder mittelbaren Erlangung eines finanziellen oder sonstigen materiellen Vorteils begangen, als Straftaten zu umschreiben:

a)

die Schleusung von Migranten;

b)

wenn die Handlung zum Zweck der Ermöglichung der Schleusung von Migranten begangen wurde:

i)

die Vorlage eines gefälschten Reise- oder Identitätsdokuments;

ii)

die Beschaffung, Bereitstellung oder den Besitz eines solchen Dokuments;

c)

es einer Person, die nicht die Staatsangehörigkeit des betreffenden Staates oder die Berechtigung zum ständigen Aufenthalt in diesem Staat besitzt, durch die unter Buchstabe b genannten oder andere unrechtmäßige Mittel zu ermöglichen, in diesem Staat zu verbleiben, ohne die notwendigen Anforderungen für den rechtmäßigen Aufenthalt zu erfüllen.

(2)   Jeder Vertragsstaat trifft außerdem die notwendigen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende Handlungen als Straftaten zu umschreiben:

a)

vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung den Versuch, eine in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebene Straftat zu begehen;

b)

die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe a, Buchstabe b Ziffer i oder Buchstabe c umschriebenen Straftat sowie, vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung, die Beteiligung als Mittäter oder Gehilfe an einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe b Ziffer ii umschriebenen Straftat;

c)

die Organisation der Begehung einer in Übereinstimmung mit Absatz 1 umschriebenen Straftat oder die Anleitung anderer zu ihrer Begehung.

(3)   Jeder Vertragsstaat trifft die notwendigen gesetzgeberischen und sonstigen Maßnahmen, um folgende erschwerende Umstände für die in Übereinstimmung mit Absatz 1 Buchstabe a, Buchstabe b Ziffer i und Buchstabe c umschriebenen Straftaten sowie, vorbehaltlich der Grundzüge seiner Rechtsordnung, für die in Übereinstimmung mit Absatz 2 Buchstaben b und c umschriebenen Straftaten festzulegen:

a)

die Gefährdung oder mögliche Gefährdung des Lebens oder der Sicherheit der betroffenen Migranten;

b)

die unmenschliche oder erniedrigende Behandlung, namentlich zum Zweck der Ausbeutung, dieser Migranten.

(4)   Dieses Protokoll hindert einen Vertragsstaat nicht, Maßnahmen gegen eine Person zu ergreifen, deren Verhalten nach innerstaatlichem Recht eine Straftat darstellt.

II.   SCHLEUSUNG VON MIGRANTEN AUF DEM SEEWEG

Artikel 7

Zusammenarbeit

Die Vertragsstaaten arbeiten so weit wie möglich zusammen, um die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg im Einklang mit dem Seevölkerrecht zu verhindern und zu unterbinden.

Artikel 8

Maßnahmen gegen die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg

(1)   Ein Vertragsstaat, der den begründeten Verdacht hat, dass ein Schiff, das seine Flagge führt oder angibt, in sein Schiffsregister eingetragen zu sein, das keine Staatszugehörigkeit besitzt oder das, obwohl es eine fremde Flagge führt oder sich weigert, seine Flagge zu zeigen, in Wirklichkeit die Staatszugehörigkeit des betreffenden Vertragsstaats besitzt, für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, kann andere Vertragsstaaten um Hilfe bei der Unterbindung der Nutzung des Schiffes für diesen Zweck ersuchen. Die darum ersuchten Vertragsstaaten leisten im Rahmen ihrer Möglichkeiten Hilfe.

(2)   Ein Vertragsstaat, der den begründeten Verdacht hat, dass ein Schiff, das die Freiheit der Schifffahrt in Übereinstimmung mit dem Völkerrecht ausübt und die Flagge eines anderen Vertragsstaats führt oder dessen Registrierungszeichen zeigt, für die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg benutzt wird, kann dies dem Flaggenstaat anzeigen, eine Bestätigung der Registrierung anfordern und bei Bestätigung den Flaggenstaat um die Genehmigung ersuchen, geeignete Maßnahmen im Hinblick auf dieses Schiff zu ergreifen. Der Flaggenstaat kann dem ersuchenden Staat unter anderem die Genehmigung erteilen,

a)

das Schiff anzuhalten,

b)

das Schiff zu durchsuchen und,

c)

falls Beweise dafür gefunden werden, dass das Schiff die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg betreibt, geeignete Maßnahmen im Hinblick auf das Schiff sowie die an Bord befindlichen Personen und Ladung zu ergreifen, wie vom Flaggenstaat genehmigt.

(3)   Ein Vertragsstaat, der eine Maßnahme nach Absatz 2 ergriffen hat, unterrichtet den betreffenden Flaggenstaat unverzüglich über die Ergebnisse dieser Maßnahme.

(4)   Ein Vertragsstaat antwortet umgehend auf ein Ersuchen eines anderen Vertragsstaats um Feststellung, ob ein Schiff, das angibt, in sein Schiffsregister eingetragen zu sein oder das seine Flagge führt, dazu berechtigt ist, sowie auf ein Ersuchen um eine Genehmigung nach Absatz 2.

(5)   Ein Flaggenstaat kann in Übereinstimmung mit Artikel 7 seine Genehmigung von Bedingungen abhängig machen, die von ihm und dem ersuchenden Staat zu vereinbaren sind, einschließlich Bedingungen im Zusammenhang mit der Verantwortlichkeit und dem Umfang der zu ergreifenden wirksamen Maßnahmen. Ein Vertragsstaat trifft ohne ausdrückliche Genehmigung durch den Flaggenstaat keine zusätzlichen Maßnahmen außer solchen, die notwendig sind, um eine unmittelbare Gefahr für das Leben von Personen abzuwenden, oder die sich aus einschlägigen zwei- oder mehrseitigen Übereinkünften ableiten.

(6)   Jeder Vertragsstaat bestimmt eine oder gegebenenfalls mehrere Behörden, die Ersuchen um Hilfe, um die Bestätigung der Registrierung oder des Rechts eines Schiffes, seine Flagge zu führen, sowie um die Genehmigung, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, entgegennehmen und beantworten. Der Generalsekretär notifiziert die so bestimmten Behörden innerhalb eines Monats nach ihrer Bestimmung allen anderen Vertragsstaaten.

(7)   Ein Vertragsstaat, der den begründeten Verdacht hat, dass ein Schiff die Schleusung von Migranten auf dem Seeweg betreibt und keine Staatszugehörigkeit besitzt oder einem Schiff ohne Staatszugehörigkeit gleichgestellt werden kann, kann das Schiff anhalten und es durchsuchen. Werden Beweise gefunden, die den Verdacht bestätigen, so trifft der Vertragsstaat geeignete Maßnahmen im Einklang mit dem einschlägigen innerstaatlichen Recht und Völkerrecht.

Artikel 9

Schutzklauseln

(1)   Trifft ein Vertragsstaat Maßnahmen nach Artikel 8 gegen ein Schiff, so

a)

gewährleistet er die Sicherheit und menschliche Behandlung der an Bord befindlichen Personen;

b)

trägt er der Notwendigkeit gebührend Rechnung, weder die Sicherheit des Schiffs noch der Ladung zu gefährden;

c)

trägt er der Notwendigkeit gebührend Rechnung, die wirtschaftlichen oder rechtlichen Interessen des Flaggenstaats oder eines anderen interessierten Staates nicht zu beeinträchtigen;

d)

stellt er im Rahmen der verfügbaren Mittel sicher, dass jede im Hinblick auf das Schiff getroffene Maßnahme umweltverträglich ist.

(2)   Erweisen sich die nach Artikel 8 getroffenen Maßnahmen als unbegründet und hat das Schiff keine die getroffenen Maßnahmen rechtfertigende Handlung begangen, so ist dem Schiff jeder Verlust oder Schaden zu ersetzen.

(3)   Jede nach diesem Kapitel getroffene, beschlossene oder durchgeführte Maßnahme trägt der Notwendigkeit gebührend Rechnung,

a)

die Rechte und Pflichten sowie die Ausübung der Hoheitsbefugnisse der Küstenstaaten in Übereinstimmung mit dem Seevölkerrecht oder

b)

die Autorität des Flaggenstaats, die Hoheitsgewalt und Kontrolle in verwaltungsmäßigen, technischen und sozialen Angelegenheiten in Bezug auf das Schiff auszuüben,

nicht zu behindern oder zu beeinträchtigen.

(4)   Jede Maßnahme auf See nach diesem Kapitel wird nur von Kriegsschiffen oder Militärluftfahrzeugen oder von anderen Schiffen oder Luftfahrzeugen durchgeführt, die deutlich als im Staatsdienst stehend gekennzeichnet und als solche erkennbar und die hierzu befugt sind.

III.   PRÄVENTION, ZUSAMMENARBEIT UND SONSTIGE MASSNAHMEN

Artikel 10

Information

(1)   Unbeschadet der Artikel 27 und 28 des Übereinkommens tauschen die Vertragsstaaten, insbesondere diejenigen, die gemeinsame Grenzen besitzen oder an den für die Schleusung von Migranten benutzten Wegen liegen, zum Zweck der Verwirklichung der Ziele dieses Protokolls im Einklang mit ihrer jeweiligen innerstaatlichen Rechts- und Verwaltungsordnung sachdienliche Informationen unter anderem zu folgenden Angelegenheiten aus:

a)

den Einschiffungs- und Zielpunkten sowie den Wegen, Beförderungsunternehmern und Transportmitteln, die bekanntlich oder mutmaßlich von einer organisierten kriminellen Gruppe benutzt werden, welche die in Artikel 6 genannten Handlungen begeht;

b)

der Identität und den Vorgehensweisen von Organisationen oder organisierten kriminellen Gruppen, die bekanntlich oder mutmaßlich die in Artikel 6 genannten Handlungen begehen;

c)

der Echtheit und ordnungsgemäßen Form der von einem Vertragsstaat ausgestellten Reisedokumente und dem Diebstahl oder Missbrauch von Blanko-Reise- oder Identitätsdokumenten;

d)

den Mitteln und Methoden des Verbergens und der Beförderung von Personen, der rechtswidrigen Änderung, Vervielfältigung oder Erwerbung oder des sonstigen Missbrauchs von Reise- oder Identitätsdokumenten, die bei in Artikel 6 genannten Handlungen angewandt werden, und Möglichkeiten zu ihrer Entdeckung;

e)

den Erfahrungen bei der Gesetzgebung sowie den Verfahrensweisen und Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der in Artikel 6 genannten Handlungen; und

f)

den wissenschaftlichen und technischen Informationen, die für die Rechtsdurchsetzung von Nutzen sind, um ihre Fähigkeit, die in Artikel 6 genannten Handlungen zu verhüten, zu entdecken und zu untersuchen und die Beteiligten strafrechtlich zu verfolgen, gegenseitig zu stärken.

(2)   Ein Vertragsstaat, der Informationen erhält, kommt jedem Ersuchen des die Informationen übermittelnden Vertragsstaats nach, das ihren Gebrauch Einschränkungen unterwirft.

Artikel 11

Grenzmaßnahmen

(1)   Unbeschadet der internationalen Verpflichtungen betreffend den freien Personenverkehr verstärken die Vertragsstaaten so weit wie möglich die Grenzkontrollen, die zur Verhütung und Aufdeckung der Schleusung von Migranten erforderlich sind.

(2)   Jeder Vertragsstaat trifft gesetzgeberische oder andere geeignete Maßnahmen, um so weit wie möglich zu verhindern, dass die von gewerblichen Beförderungsunternehmern betriebenen Transportmittel zur Begehung der in Übereinstimmung mit Artikel 6 Absatz 1 Buchstabe a umschriebenen Straftaten benutzt werden.

(3)   Gegebenenfalls und unbeschadet der anwendbaren internationalen Übereinkünfte gehört zu diesen Maßnahmen auch die Verpflichtung gewerblicher Beförderungsunternehmer, einschließlich Transportunternehmen, Besitzer oder Betreiber aller Arten von Transportmitteln, sich dessen zu vergewissern, dass alle Passagiere im Besitz der für die Einreise in den Aufnahmestaat erforderlichen Reisedokumente sind.

(4)   Jeder Vertragsstaat trifft in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht die notwendigen Maßnahmen, um im Falle eines Verstoßes gegen die in Absatz 3 festgelegte Verpflichtung Sanktionen vorzusehen.

(5)   Jeder Vertragsstaat erwägt, Maßnahmen zu treffen, die es in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht gestatten, Personen, die an der Begehung von in Übereinstimmung mit diesem Protokoll umschriebenen Straftaten beteiligt sind, die Einreise zu verweigern oder ihre Sichtvermerke für ungültig zu erklären.

(6)   Unbeschadet des Artikels 27 des Übereinkommens erwägen die Vertragsstaaten, die Zusammenarbeit zwischen ihren Grenzkontrollbehörden zu verstärken, indem sie unter anderem direkte Nachrichtenverbindungen einrichten und aufrechterhalten.

Artikel 12

Sicherheit und Kontrolle von Dokumenten

Jeder Vertragsstaat trifft im Rahmen der verfügbaren Mittel die erforderlichen Maßnahmen,

a)

um sicherzustellen, dass die Qualität der von ihm ausgestellten Reise- oder Identitätsdokumente so beschaffen ist, dass sie nicht leicht missbraucht und nicht ohne weiteres gefälscht oder auf rechtswidrige Weise verändert, vervielfältigt oder ausgestellt werden können, und

b)

um die Integrität und Sicherheit der Reise- oder Identitätsdokumente zu gewährleisten, die von dem Vertragsstaat oder in seinem Namen ausgestellt wurden, und ihre rechtswidrige Herstellung, Ausstellung und Verwendung zu verhindern.

Artikel 13

Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Dokumenten

Auf Ersuchen eines anderen Vertragsstaats überprüft ein Vertragsstaat in Übereinstimmung mit seinem innerstaatlichen Recht innerhalb eines angemessenen Zeitraums die Rechtmäßigkeit und Gültigkeit von Reise- oder Identitätsdokumenten, die tatsächlich oder angeblich in seinem Namen ausgestellt wurden und die mutmaßlich für die in Artikel 6 genannten Handlungen benutzt worden sind.

Artikel 14

Ausbildung und technische Zusammenarbeit

(1)   Die Vertragsstaaten sorgen für die besondere Ausbildung der Bediensteten ihrer Einwanderungsbehörden und sonstiger zuständiger Amtsträger in der Verhütung der in Artikel 6 genannten Handlungen und in der menschlichen Behandlung der Migranten, die Opfer dieser Handlungen geworden sind, bei gleichzeitiger Achtung ihrer in diesem Protokoll festgelegten Rechte, beziehungsweise verstärken diese Ausbildung.

(2)   Die Vertragsstaaten arbeiten untereinander sowie gegebenenfalls mit den zuständigen internationalen Organisationen, nichtstaatlichen Organisationen, sonstigen zuständigen Organisationen und anderen Teilen der Zivilgesellschaft zusammen, um sicherzustellen, dass das Personal in ihrem Hoheitsgebiet eine angemessene Ausbildung in der Verhütung, Bekämpfung und Ausmerzung der in Artikel 6 genannten Handlungen und zum Schutz der Rechte der Migranten, die Opfer dieser Handlungen geworden sind, erhält. Diese Ausbildung umfasst

a)

die Verbesserung der Sicherheit und der Qualität von Reisedokumenten,

b)

das Erkennen und Entdecken gefälschter Reise- oder Identitätsdokumente,

c)

die kriminalistische Nachrichtenbeschaffung, insbesondere in Bezug auf die Identifizierung organisierter krimineller Gruppen, die bekanntlich oder mutmaßlich die in Artikel 6 genannten Handlungen begehen, die bei der Schleusung von Migranten angewandten Beförderungsmethoden, den Missbrauch von Reise- oder Identitätsdokumenten für die in Artikel 6 genannten Handlungen und die bei der Schleusung von Migranten benutzten Mittel zum Verbergen dieser Personen,

d)

die Verbesserung der Verfahren zur Entdeckung geschleuster Personen an konventionellen wie nichtkonventionellen Ein- und Ausreisepunkten und

e)

die menschliche Behandlung von Migranten und den Schutz ihrer in diesem Protokoll festgelegten Rechte.

(3)   Die Vertragsstaaten, die über einschlägiges Fachwissen verfügen, erwägen die Gewährung technischer Hilfe an die Staaten, die häufig Herkunfts- oder Transitländer für Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen sind. Die Vertragsstaaten bemühen sich nach Kräften, die notwendigen Ressourcen, wie Kraftfahrzeuge, Computersysteme und Belegleser, zur Verfügung zu stellen, um die in Artikel 6 genannten Handlungen zu bekämpfen.

Artikel 15

Sonstige Präventionsmaßnahmen

(1)   Jeder Vertragsstaat sorgt durch entsprechende Maßnahmen für die Bereitstellung oder Stärkung von Aufklärungsprogrammen, um der Öffentlichkeit stärker bewusst zu machen, dass die in Artikel 6 genannten Handlungen eine kriminelle Tätigkeit darstellen, die häufig von organisierten kriminellen Gruppen zu Gewinnzwecken betrieben wird und die mit schwerwiegenden Risiken für die betroffenen Migranten verbunden ist.

(2)   In Übereinstimmung mit Artikel 31 des Übereinkommens arbeiten die Vertragsstaaten auf dem Gebiet der Öffentlichkeitsarbeit zusammen, um zu verhindern, dass potenzielle Migranten Opfer organisierter krimineller Gruppen werden.

(3)   Jeder Vertragsstaat fördert beziehungsweise stärkt die Entwicklungsprogramme und die Zusammenarbeit auf einzelstaatlicher, regionaler und internationaler Ebene und trägt dabei den sozioökonomischen Realitäten der Migration Rechnung und widmet den wirtschaftlich und sozial schwachen Gebieten besondere Aufmerksamkeit, um die tieferen sozioökonomischen Ursachen der Schleusung von Migranten, wie Armut und Unterentwicklung, zu bekämpfen.

Artikel 16

Schutz- und Hilfsmaßnahmen

(1)   Bei der Durchführung dieses Protokolls trifft jeder Vertragsstaat im Einklang mit seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen alle geeigneten Maßnahmen, erforderlichenfalls auch gesetzgeberische Maßnahmen, um die nach dem anwendbaren Völkerrecht bestehenden Rechte der Personen, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen geworden sind, zu wahren und zu schützen, insbesondere das Recht auf Leben und das Recht, nicht der Folter oder anderer grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe unterworfen zu werden.

(2)   Jeder Vertragsstaat trifft geeignete Maßnahmen, um Migranten angemessenen Schutz vor Gewalt zu gewähren, die Einzelpersonen oder Gruppen gegen sie aufgrund dessen ausüben, dass sie Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen sind.

(3)   Jeder Vertragsstaat gewährt Migranten, deren Leben oder Sicherheit gefährdet ist, weil sie Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen sind, angemessene Hilfe.

(4)   Bei der Anwendung dieses Artikels berücksichtigen die Vertragsstaaten die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern.

(5)   Wird eine Person, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde, in Haft genommen, so befolgt jeder Vertragsstaat seine Verpflichtungen aus dem Wiener Übereinkommen über konsularische Beziehungen (1), sofern anwendbar, namentlich die Verpflichtung, die betroffene Person unverzüglich über die Bestimmungen betreffend die Benachrichtigung der Konsularbeamten und den Verkehr mit diesen zu unterrichten.

Artikel 17

Abkommen und sonstige Vereinbarungen

Die Vertragsstaaten erwägen den Abschluss zweiseitiger oder regionaler Übereinkünfte oder operativer Vereinbarungen mit dem Ziel,

a)

die geeignetsten und wirksamsten Maßnahmen zur Verhütung und Bekämpfung der in Artikel 6 genannten Handlungen zu ergreifen oder

b)

die Bestimmungen dieses Protokolls untereinander zu stärken.

Artikel 18

Rückführung geschleuster Migranten

(1)   Jeder Vertragsstaat stimmt zu, ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung die Rückführung einer Person, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde und die zum Zeitpunkt der Rückführung seine Staatsangehörigkeit oder ein dauerndes Aufenthaltsrecht in seinem Hoheitsgebiet besitzt, zu erleichtern und zu akzeptieren.

(2)   Jeder Vertragsstaat erwägt die Möglichkeit, die Rückführung einer Person, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde und die zum Zeitpunkt der Einreise in den Aufnahmestaat ein dauerndes Aufenthaltsrecht in seinem Hoheitsgebiet besaß, nach seinem innerstaatlichen Recht zu erleichtern und zu akzeptieren.

(3)   Auf Ersuchen des aufnehmenden Vertragsstaats überprüft der ersuchte Vertragsstaat ohne ungebührliche oder unangemessene Verzögerung, ob eine Person, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde, seine Staatsangehörigkeit oder ein dauerndes Aufenthaltsrecht in seinem Hoheitsgebiet besitzt.

(4)   Um die Rückführung einer Person, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde und die über keine ordnungsgemäßen Ausweispapiere verfügt, zu erleichtern, erklärt sich der Vertragsstaat, dessen Staatsangehörigkeit die Person besitzt oder in dem sie ein dauerndes Aufenthaltsrecht hat, bereit, auf Ersuchen des aufnehmenden Vertragsstaats die Reisedokumente oder sonstigen gegebenenfalls notwendigen Genehmigungen auszustellen, damit die Person in sein Hoheitsgebiet reisen und wiedereinreisen kann.

(5)   Jeder Vertragsstaat, der an der Rückführung einer Person, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurde, beteiligt ist, trifft alle geeigneten Maßnahmen, um die Rückführung dieser Person auf ordnungsgemäße Weise und unter gebührender Berücksichtigung ihrer Sicherheit und ihrer Würde durchzuführen.

(6)   Die Vertragsstaaten können bei der Durchführung dieses Artikels mit den zuständigen internationalen Organisationen zusammenarbeiten.

(7)   Dieser Artikel lässt die nach dem innerstaatlichen Recht des aufnehmenden Vertragsstaats bestehenden Rechte der Personen, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurden, unberührt.

(8)   Dieser Artikel berührt nicht die Verpflichtungen aus anderen anwendbaren zwei- oder mehrseitigen Verträgen oder anderen anwendbaren Abkommen oder sonstigen Vereinbarungen, die insgesamt oder teilweise die Rückführung von Personen regeln, die Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen wurden.

IV.   SCHLUSSBESTIMMUNGEN

Artikel 19

Vorbehaltsklausel

(1)   Dieses Protokoll berührt nicht die anderen Rechte, Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten von Staaten und Einzelpersonen nach dem Völkerrecht, namentlich dem humanitären Völkerrecht und dem Völkerrecht auf dem Gebiet der Menschenrechte und insbesondere, soweit anwendbar, dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und dem darin verankerten Grundsatz der Nichtzurückweisung.

(2)   Die in diesem Protokoll genannten Maßnahmen sind so auszulegen und anzuwenden, dass Personen nicht aufgrund dessen, dass sie Opfer der in Artikel 6 genannten Handlungen sind, diskriminiert werden. Die Auslegung und Anwendung dieser Maßnahmen muss mit den international anerkannten Grundsätzen der Nichtdiskriminierung im Einklang stehen.

Artikel 20

Beilegung von Streitigkeiten

(1)   Die Vertragsstaaten bemühen sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls durch Verhandlungen beizulegen.

(2)   Jede Streitigkeit zwischen zwei oder mehr Vertragsstaaten über die Auslegung oder Anwendung dieses Protokolls, die nicht innerhalb einer angemessenen Frist durch Verhandlungen beigelegt werden kann, wird auf Verlangen eines dieser Vertragsstaaten einem Schiedsverfahren unterbreitet. Können sich die Vertragsstaaten binnen sechs Monaten nach dem Zeitpunkt, zu dem das Schiedsverfahren verlangt worden ist, über seine Ausgestaltung nicht einigen, so kann jeder dieser Vertragsstaaten die Streitigkeit dem Internationalen Gerichtshof unterbreiten, indem er einen seinem Statut entsprechenden Antrag stellt.

(3)   Jeder Vertragsstaat kann bei der Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme oder Genehmigung dieses Protokolls oder dem Beitritt zu diesem erklären, dass er sich durch Absatz 2 nicht als gebunden betrachtet. Die anderen Vertragsstaaten sind gegenüber einem Vertragsstaat, der einen solchen Vorbehalt angebracht hat, durch Absatz 2 nicht gebunden.

(4)   Ein Vertragsstaat, der einen Vorbehalt nach Absatz 3 angebracht hat, kann diesen Vorbehalt jederzeit durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete Notifikation zurückziehen.

Artikel 21

Unterzeichnung, Ratifikation, Annahme, Genehmigung und Beitritt

(1)   Dieses Protokoll liegt für alle Staaten vom 12. bis 15. Dezember 2000 in Palermo (Italien) und danach bis zum 12. Dezember 2002 am Sitz der Vereinten Nationen in New York zur Unterzeichnung auf.

(2)   Dieses Protokoll liegt auch für die Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration zur Unterzeichnung auf, sofern mindestens ein Mitgliedstaat der betreffenden Organisation dieses Protokoll nach Absatz 1 unterzeichnet hat.

(3)   Dieses Protokoll bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung. Die Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration kann ihre Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde hinterlegen, wenn dies mindestens einer ihrer Mitgliedstaaten getan hat. In dieser Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde erklärt diese Organisation den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Diese Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.

(4)   Dieses Protokoll steht jedem Staat und jeder Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, von der mindestens ein Mitgliedstaat Vertragspartei dieses Protokolls ist, zum Beitritt offen. Die Beitrittsurkunden werden beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt. Zum Zeitpunkt ihres Beitritts erklärt eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration den Umfang ihrer Zuständigkeiten in Bezug auf die durch dieses Protokoll erfassten Angelegenheiten. Diese Organisation teilt dem Verwahrer auch jede maßgebliche Änderung des Umfangs ihrer Zuständigkeiten mit.

Artikel 22

Inkrafttreten

(1)   Dieses Protokoll tritt am neunzigsten Tag nach Hinterlegung der vierzigsten Ratifikations-, Annahme-, Genehmigungs- oder Beitrittsurkunde in Kraft, jedoch nicht vor Inkrafttreten des Übereinkommens. Für die Zwecke dieses Absatzes zählt eine von einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hinterlegte Urkunde nicht als zusätzliche Urkunde zu den von den Mitgliedstaaten der betreffenden Organisation hinterlegten Urkunden.

(2)   Für jeden Staat und jede Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration, der beziehungsweise die dieses Protokoll nach Hinterlegung der vierzigsten entsprechenden Urkunde ratifiziert, annimmt, genehmigt oder ihm beitritt, tritt das Protokoll am dreißigsten Tag nach Hinterlegung der entsprechenden Urkunde durch diesen Staat beziehungsweise diese Organisation oder zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls nach Absatz 1 in Kraft, je nachdem welcher Zeitpunkt der spätere ist.

Artikel 23

Änderungen

(1)   Nach Ablauf von fünf Jahren nach Inkrafttreten dieses Protokolls kann ein Vertragsstaat des Protokolls eine Änderung vorschlagen und sie beim Generalsekretär der Vereinten Nationen einreichen; dieser leitet die vorgeschlagene Änderung den Vertragsstaaten und der Konferenz der Vertragsstaaten des Übereinkommens zu, damit diese den Vorschlag prüfen und darüber beschließen können. Die Vertragsstaaten dieses Protokolls, die in der Konferenz der Vertragsstaaten zusammentreten, bemühen sich nach Kräften um eine Einigung durch Konsens über jede Änderung. Sind alle Bemühungen um einen Konsens erschöpft und wird keine Einigung erzielt, so ist als letztes Mittel eine Zweidrittelmehrheit der auf der Sitzung der Konferenz der Vertragsstaaten anwesenden und abstimmenden Vertragsstaaten dieses Protokolls erforderlich, damit die Änderung beschlossen wird.

(2)   Organisationen der regionalen Wirtschaftsintegration üben in Angelegenheiten ihrer Zuständigkeit ihr Stimmrecht nach diesem Artikel mit der Anzahl von Stimmen aus, die der Anzahl ihrer Mitgliedstaaten entspricht, die Vertragsstaaten dieses Protokolls sind. Diese Organisationen üben ihr Stimmrecht nicht aus, wenn ihre Mitgliedstaaten ihr Stimmrecht ausüben, und umgekehrt.

(3)   Eine nach Absatz 1 angenommene Änderung bedarf der Ratifikation, Annahme oder Genehmigung durch die Vertragsstaaten.

(4)   Eine nach Absatz 1 angenommene Änderung tritt für einen Vertragsstaat neunzig Tage nach Hinterlegung einer Ratifikations-, Annahme- oder Genehmigungsurkunde für die Änderung beim Generalsekretär der Vereinten Nationen in Kraft.

(5)   Tritt eine Änderung in Kraft, so ist sie für diejenigen Vertragsstaaten, die ihre Zustimmung ausgedrückt haben, durch sie gebunden zu sein, bindend. Die anderen Vertragsstaaten sind weiter durch dieses Protokoll und alle früher von ihnen ratifizierten, angenommenen oder genehmigten Änderungen gebunden.

Artikel 24

Kündigung

(1)   Ein Vertragsstaat kann dieses Protokoll durch eine an den Generalsekretär der Vereinten Nationen gerichtete schriftliche Notifikation kündigen. Die Kündigung wird ein Jahr nach Eingang der Notifikation beim Generalsekretär wirksam.

(2)   Eine Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration hört auf, Vertragspartei dieses Protokolls zu sein, wenn alle ihre Mitgliedstaaten es gekündigt haben.

Artikel 25

Verwahrer und Sprachen

(1)   Der Generalsekretär der Vereinten Nationen wird zum Verwahrer dieses Protokolls bestimmt.

(2)   Die Urschrift dieses Protokolls, dessen arabischer, chinesischer, englischer, französischer, russischer und spanischer Wortlaut gleichermaßen verbindlich ist, wird beim Generalsekretär der Vereinten Nationen hinterlegt.

ZU URKUND DESSEN haben die unterzeichneten, von ihren Regierungen hierzu gehörig befugten Bevollmächtigten dieses Protokoll unterschrieben.


(1)  Ebd., Vol. 596, Nr. 8638-8640.


ANHANG II

Erklärung betreffend die Zuständigkeiten der Europäischen Gemeinschaft in Bezug auf die durch das Zusatzprotokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg zum Übereinkommen der Vereinten Nationen gegen die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität erfassten Angelegenheiten

Artikel 21 Absatz 3 des Protokolls sieht vor, dass die Beitrittsurkunde einer Organisation der regionalen Wirtschaftsintegration eine Erklärung zur Angabe der durch das Protokoll erfassten Angelegenheiten enthält, bezüglich deren die Mitgliedstaaten der Organisation, die Vertragsparteien des Protokolls sind, der Organisation Befugnisse übertragen haben.

Das Protokoll gegen die Schleusung von Migranten auf dem Land-, See- und Luftweg gilt in Bezug auf die der Europäischen Gemeinschaft übertragenen Befugnisse für die Gebiete, in denen der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft Anwendung findet, nach Maßgabe dieses Vertrags, insbesondere von Artikel 299 und der Protokolle zum Vertrag.

Diese Erklärung lässt die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands nach dem Protokoll zur Einbeziehung des Schengen-Besitzstands in den Rahmen der Europäischen Union und dem Protokoll über die Position des Vereinigten Königreichs und Irlands im Anhang des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft unberührt.

Diese Erklärung lässt die Position Dänemarks nach dem Protokoll über die Position Dänemarks im Anhang des Vertrags über die Europäische Union und des Vertrags zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft ebenfalls unberührt.

Gemäß Artikel 299 gilt diese Erklärung auch nicht für die Gebiete der Mitgliedstaaten, in denen der genannte Vertrag keine Anwendung findet, und berührt nicht Rechtsakte oder Standpunkte, die die betreffenden Mitgliedstaaten im Rahmen des Protokolls im Namen und im Interesse dieser Gebiete verabschieden. Im Einklang mit der oben erwähnten Bestimmung werden in dieser Erklärung die Befugnisse angegeben, die die Mitgliedstaaten der Gemeinschaft im Rahmen der Verträge in Bezug auf die durch das Protokoll erfassten Angelegenheiten übertragen haben. Der Umfang und die Ausübung dieser Gemeinschaftsbefugnisse werden naturgemäß in dem Maße, in dem die Gemeinschaft weitere einschlägige Vorschriften und Regelungen erlässt, ständig weiterentwickelt; deshalb wird die Gemeinschaft diese Erklärung erforderlichenfalls gemäß Artikel 21 Absatz 3 des Protokolls ergänzen oder ändern.

Die Gemeinschaft weist darauf hin, dass sie Zuständigkeiten in Bezug auf das Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten besitzt; so legt sie Normen und Verfahren für die Durchführung von Personenkontrollen an diesen Grenzen sowie Vorschriften über Visa für geplante Aufenthalte von höchstens drei Monaten fest. Die Gemeinschaft ist außerdem zuständig für einwanderungspolitische Maßnahmen betreffend die Einreise- und Aufenthaltsbedingungen sowie für Maßnahmen zur Bekämpfung der illegalen Einwanderung und des illegalen Aufenthalts einschließlich der Rückführung von Personen, die sich illegal aufhalten. Des Weiteren kann sie Maßnahmen ergreifen, um die Zusammenarbeit zwischen den entsprechenden Verwaltungsabteilungen der Mitgliedstaaten sowie zwischen diesen Abteilungen und der Kommission in den oben genannten Bereichen zu gewährleisten. Die Gemeinschaft hat in diesen Bereichen Vorschriften und Regelungen angenommen und es ist daher ausschließlich Aufgabe der Gemeinschaft, dort, wo sie solche Vorschriften und Regelungen erlassen hat, externe Verpflichtungen mit Drittstaaten oder zuständigen internationalen Organisationen einzugehen.

Darüber hinaus ergänzt die Gemeinschaftspolitik die von den Mitgliedstaaten im Bereich der Entwicklungszusammenarbeit verfolgte Politik, unter anderem durch Gemeinschaftsbestimmungen zur Verhinderung und Bekämpfung der Schleusung von Migranten.


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